Das Geständnis von LoveKills (Wahre Begebenheit) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Das Geständnis 9. Januar 2006 Es ist Dezember. Kurz vor Weihnachten und ich, Svenja, Siebzehnjahre jung, sitze in der Schule und langweile mich fast zu Tode. Ich habe in Englisch natürlich nichts anderes zu tun, als hier zu hocken, den dummen Trotteln in meiner Klasse gezwungener Maßen bei ihren Blödeleien zuzuhören und mir auf diese Art und Weise meinen Frust von der Seele zu schreiben. Mir tut der Schädel zum bersten weh und die wenigen, völlig unsinnigen Gespräche machen das natürlich auch nicht gerade besser und werden mich wohl in den nächsten paar Minuten zur Weißglut treiben. Wie gut, dass wir nur noch eine Viertelstunde haben. Ich frage mich im Moment, ob manche Leute wirklich so hirnverbrannt sind wie sie manchmal tun, denn mittlerweile wurde Daysi schon zum zweiten Mal an diesem Tag aus dem Zimmer geschickt. Ich wäre, als Lehrer, mit der Zeit nicht mehr so nachsichtig mit diesem Weib gewesen. Jeden Tag das gleiche Theater. Jedes Mal beim gleichen Lehrer, zwar nicht nur bei ihm aber hauptsächlich, denn bei ihm kann man es sich ja ´erlauben´. Wer's glaubt. Und Herr Schmuck ist auch noch jemand, der sich absolut nicht durchsetzen kann. Jedenfalls nicht in unserer Klasse und so wie ich es miterlebt habe, auch in keiner anderen. Wir sind einfach ein Sauhaufen. Ohne jegliche Kameradschaft. Es ist keine Höflichkeit mehr in dem, was mehr als zwei Drittel sagt. Zusammenhalt ist hier auch ein Fremdwort. Kein Wunder also, das ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben will, jedenfalls mit zwei Dritteln nicht mehr. Verwunderlich? Ich glaube weniger, wenn der Wortschatz vieler nur aus Worten wie "Hure", "Schlampe", "Hurensohn", oder "Halts Maul", besteht. Da hat man dann auch keine Lust mehr, sich mit ihnen zu unterhalten. Nur ich glaube auch, dass es an etwas anderem liegt, als nur an ihrer Dummheit und Unfähigkeit sich verbal zu verständigen, warum ich nicht mehr mit ihnen rede oder nur äußerst selten. Der zweite Grund. Es ist nicht einfach zu erklären und allein wenn ich nur daran denke, läuft es mir wie immer etwas kalt den Rücken hinunter und mein Herz fängt so schnell an zu schlagen, als hätte ich einen Hundertmeterlauf hinter mir. Ist nicht gerade angenehm, nur was soll man groß dagegen machen, wenn sich die eigenen Gefühle vollkommen im Kreis drehen? Immer schneller rotieren, je länger man über diese Sache nachdenkt. Und irgendwann, wird es einem zu viel. Meistens denkt man dort nach, wo es am ruhigsten und man alleine ist. Der beste Ort dafür ist also das eigene Bett. Bei mir ist es jedenfalls so. Und meistens kommt es dann so weit, dass sich meine Gedanken um ein und dasselbe drehen. Mit wem ich darüber reden soll und wie am besten ich es anstelle. Die Person der ich das anvertrauen würde und sehr wahrscheinlich auch machen werde, wohnt ungefähr 400km von mir entfernt weg. Und bei dem "Wie", steigen mir jedes Mal wieder Tränen in die Augen. Ich wüsste sogar schon was ich ihr sagen würde. In Gedanken ist das alles immer so einfach, nur wenn es dann wirklich so weit ist, dann fängst sich wieder alles zu drehen an. Mir wird ganz komisch und mein Bauch schlägt einen Purzelbaum nach dem anderen. Dann kommen leichte Krämpfe und irgendwann schläft man ein. Hat sehr schöne Alpträume, die einen selbst am Tag noch verfolgen und einem noch mehr zum Nachdenken geben. Der Grund... ja immer diese Gründe. Manchmal braucht man keinen Grund, um einfach schlecht drauf zu sein, nur meistens hat man dann doch einen ziemlich gravierenden Grund. In meinem Fall... es ist einfach ein wirklich unglaublich tolles Gefühl, wenn man langsam aber sicher merkt, dass man mit dem männlichen Geschlecht einfach überhaupt nichts (mehr) anfangen kann. Hört man meine Ironie? Man ist nur noch genervt von diesen Sexbesessenen, unsensiblen Dödeln, die einem hinterherlaufen wie Hunde ihrem Herrchen und versuchen die Frauen zu verstehen, aber alles völlig falsch interpretieren, oder aber versuchen ihnen ihre Sorgen zu nehmen. Nur meistens kommt dann immer genau das Falsche dabei heraus. Sie gehen einem mit ihrem ewigen Gefrage was denn los sei völlig auf die Nerven. Und wenn man ihnen sagt, dass es sie nichts anginge, suchen sie den Fehler bei ihnen! Oder sie löchern dich, bis du ihnen fast an die Gurgel springst, da sie dich so nerven! Das ist gleich noch viel toller, vor allem wenn man in der Arbeit ziemlich beschäftigt an einem Rockbund sitzt, der noch per Hand angenäht werden muss. Es ist einfach zum Kotzen! Beinahe hätte ich das Läuten überhört. Ich bin unglaublich froh, als ich das Klingeln endlich höre. Der Lärmpegel steigt noch weiter an, das laute Kindergeschrei dringt wieder an meine Ohren und ich verstöpsle sie mir sofort mit den Kopfhörern meines MP3-Players. Wenigstens ist man somit ein klein wenig von dem Geplärre abgeschirmt. Es ist wirklich unerträglich. Jeden Tag, kleine Kinder die herumquietschen wie poppende Meerschweinchen, herumhüpfen und laufen wie Flummies auf Koks und einfach keine Ruhe geben wollen. Frech sind wie Oskar und keinerlei Respekt gegenüber den älteren Schülern haben! - Ich glaube, sie zollen gerade mal ihren Eltern angemessenen Respekt. - Kein Wunder also, dass ich täglich mit Kopferschmerzen nach Hause komme und Nerven habe, die zum zerreisen angespannt sind und mich langsam aber sicher in den Wahnsinn treiben. Aber was soll man groß machen? Sich zu beschweren würde nicht bringen, denn ich glaube, dass manche Lehrer nicht sehen, oder sehen wollen, das ihre ach so kleinen, lieben Engelchen in Wahrheit große, respektlose, freche Dämonen sind, die alles und jeden irgendwann soweit bringen, aufzuspringen, sie laut anzuschreien und sich irgendwann aus dem Fenster im Speichen zu stürzen. Oder aber sie verpetzen einen und man bekommt einen Verweis oder so einen Mist. Mich nervt das einfach ungeheuerlich und nicht nur mich und es tut wirklich weh zu sehen, dass manche aus meiner Klasse noch so hinterblieben sind und sich auf diesem Kleinkinder-Niveau bewegen. Einfach lächerlich. Und nervenaufreibend. Nur ich bin froh, dass ich nur noch ein gutes, halbes Jahr vor mir habe und dann, endlich, nie wieder in diese Schule gehen und nie wieder die Kleinen und die Unterbelichtet Leute aus meiner Schule sehen muss. Nur das ist im Moment völlig nebensächlich und ich glaube, ich bin ziemlich vom Thema abgewichen. Mein kleines Problemchen... nein, die Verniedlichung ist nicht gerade angebracht. Es ist ein verdammtes Problem. Ein großes Problem. Oder aber ich mache es mir nur zu einem. Ich mein, ich habe nichts gegen Schwule und auch nichts gegen Lesben und ich weis auch nicht wirklich wo das Problem liegt. Nur ich denke, dass es einfach so ist, weil man sich seiner Gefühle einfach nicht mehr sicher ist. Wenn die Gedanken und Gefühle total Achterbanfahren und man einfach überhaupt nicht mehr weis, was man denken soll oder welchen Gefühlen man noch vertrauen kann oder soll. Das ist eine verdammte Zwickmühle und das wird bei mir eben auch der Grund sein, warum ich mich immer weiter von meiner Umwelt zurückziehe. Sprich: die Leute aus meiner Klasse, meiner eigenen Familie. Und sehr wahrscheinlich ist dieses Chaos in mir auch dafür verantwortlich, dass ich immer weiter abnehme. Das ist auch so ein tolles Gefühl, wenn man absolut keinen Hunger mehr hat. Und natürlich brandet bei dieser Frage wieder ein Streit mit den eigenen Eltern auf, von wegen ich würde Hungern. Die denken wohl auch, dass ich mir das aussuchen würde!! Vielleicht hätten sie Verständnis dafür, wenn sie wüssten was mit mir los ist? Aber die haben schon seit einiger Zeit keine Ahnung mehr was in mir vorgeht. Egal, ehrlich gesagt bin ich auch ziemlich froh im Moment, dass sie nicht immer alles hinterfragen. Wahrscheinlich würde ich sowieso nur blocken und wieder einen Streit vom Zaun brechen, der eigentlich völlig unnütz wäre. Also zieh ich mich immer weiter in mich zurück und versuche irgendwie, das Ganze auf die Reihe zu bringen. Nur völlig alleine werde ich das nicht schaffen. Also wird mir nicht wirklich etwas andere übrig bleiben, als mich der Person an zu vertrauen, die mich seit einem Jahr schon unglaublich unterstützt, egal was es war oder ist. Auch wenn ich mir über ihre Reaktion ziemlich viele Gedanken mache, ich kann es ihr nicht verheimlichen. Und ich will es auch nicht. Wir haben uns wirklich, in der Zeit, in der wir uns kennen, immer alles gesagt. Auch wenn es vielleicht manchmal etwas unangenehm war, jemandem mit den eigenen Sorgen auf den Leim zu gehen, es hilft und uns beiden hat es unglaublich geholfen. Vor allem diese uneingeschränkte Ehrlichkeit, hat diese Freundschaft so unglaublich stark gemacht. Mittlerweile sitze ich zu Hause vor einer Tasse Kakao und löffle die Haferflocken in mich hinein. Das ist glaube ich das Einzige, auf das ich in letzter Zeit wirklich Lust habe. Wie auch immer. Ich bin gerade am überlegen, ob ich es Alex heute sagen oder besser gesagt, schreiben soll. Ich bin mir immer noch nicht sicher. Aber ich denke auch, dass es heute der richtige Zeitpunkt ist. Ich quäle mich damit schon seit mehr als einem halben - dreiviertel Jahr herum. Ich halte es langsam einfach nicht mehr aus. Diese ständigen Gedanken daran. Vor allem... ich kann ihre Reaktion nicht einschätzen, doch bevor ich mir darüber noch länger einen Kopf mache, sollte ich die Karten offen auf den Tisch legen, dann würde ich es ja sehen. Nur irgendwie habe ich brutal Angst davor. Wovor? Liegt das nicht auf der Hand? Vor Ablehnung. Angst davor, dass nach diesem Geständnis, nichts mehr so ist wie vorher. Dass sie sich genauso von mir entfernt, wie ich mich von meiner Family oder den Leuten aus der Klasse. Das würde ich glaube ich nicht aushalten. Nein, ich glaube es nicht nur, ich weis es! Angst ausgelacht zu werden. Aber wer hat das in so einer Situation nicht? Diese Scham, ich könnte es nicht ertragen, vor allem, da es wirklich so viel mit meinem eigenen Innern zu tun hat. Es ist so unglaublich Intim, dass ich es ja nicht einmal meinen Eltern erzähle! Oh man, ich habe im Moment wirklich das Gefühl noch total zu verzweifeln! Im Moment? Ich glaube das geht schon seit einer halben Ewigkeit so. Aber ich muss es jetzt endlich machen! Ich flippe hier fast schon aus!! Das Ganze erdrückt mich langsam aber sicher! Kein Wunder, dass ich mich in der Schule nicht einmal mehr gescheit konzentrieren kann, aber ich lenke schon wieder vom Thema ab. Also heist es jetzt, sich an den PC zu setzen und zu schauen, wie ich mich am besten ausdrücken soll. Der Compi fährt gerade hoch und mir kommt es so vor, als würde ich jeden Moment in die Hose machen. Und das, obwohl ich noch kein einziges Wort geschrieben habe. Das ist wirklich die Hölle auf Erden, wenn ich das mal so konkret sagen darf. Er ist oben. Also muss ich nur noch ins Internet, mich in mein Email-Postfach einloggen und schon kann die Tortur beginnen. Es dauert keine paar Minuten, bis ich online bin. Meine Hände zittern so unglaublich. Mein Herz rast und ich hab wirklich das Gefühl, als würde ich keine Luft mehr bekommen. Meine Lunge schnürt sich von mal zu mal weiter zu und kaum habe ich angefangen wie ein Maschinengewehr meine Gefühle irgendwie in Worte zu fassen, laufen mir auch schon Tränen die Wangen hinunter. Ich kann es nicht verstehen. Vielleicht ist es deshalb, weil ich mir einfach eingestehe, dass weglaufen nichts bringt? Oder ist es eben die beschriebene Angst in mir? Oder doch die Last die mir von den Schultern fällt, als ich die Zeilen fertig geschrieben habe? Ich weis es nicht. Ich kann es wirklich nicht sagen, nur als ich dann damit fertig bin, fühle ich mich unglaublich ausgelaugt. Meine Hände zittern immer noch und mein Herz schlägt wie bei einem Marathon. Ich bin froh, dass im Moment kein Mensch da ist. Das würde alles nur unangenehme Fragen aufrufen, denen ich liebend gern aus dem Weg gehen will. Ich hätte nicht gedacht, dass ich es wirklich getan habe. Es waren gut drei DIN A 4 Seiten. Ein Geständnis der Superlative. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)