Soft Voices in the Snow von Jami-san ================================================================================ Autor: Jami-san (also ich...XD...) E-Mail: jami-san@gmx.de Thema: Eigene Serie/ Shounen Ai Genre: Drama, Romantik, Shounen Ai Part: 1 (one shot) Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha* (sind hier ja nich allzu viele *drop*) Musik: Hab beim Schreiben die meiste Zeit den OST zu Haibane Renmei gehört und zum Ende hin Gackt - Love Letter. Dabei lässt es sich sehr gut schreiben...vor allem traurige Sachen >.< (interessiert das überhaupt jemanden??? O.o) Widmung:Ich widme diese Geschichte Farore ^^ Danke, dass du mir immer zuhörst, wenn ich dich mit meinen schwachsinnigen Problemen voll laber. Ich bin echt froh, dass ich dich als Freundin habe. Hab dich ganz doll lieb *knuddl* *flausch* (Wahrscheinlich schlägst du mich, weil ich es wieder so traurig gemacht habe. Gomen!) Kommentar: Ich weiß gar nicht, ob ich hierzu großartig was zu sagen habe. Die Idee ist mir merkwürdigerweise bei ,Herr der Ringe - Die Gefährten' gekommen. (Bei der Szene, wo sie gerade über den Caradhras wandern XD Hat im Endeffekt aber nicht wirklich was damit zu tun *drop*) Ach ja, und wundert euch nicht über die merkwürdigen Namen. Ich hab halt einfach nur wahllos Buchstaben aneinandergereiht und das ist dann dabei rausgekommen -.-; Und das ganze ist mal wieder länger geworden als ich geplant hatte *drop* Eigentlich wollte ich gar nicht so viel über die Vergangenheit der beiden verraten. Aber wie das beim Schreiben nun mal so ist: Die Geschichte hat sich dann einfach mal wieder selbstständig gemacht XD Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^ Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.< *** ~*~ Soft Voices in the Snow ~*~ Unberührt. Unschuldig. Vollkommen rein. Eine weite Ebene durchbrochen von einzelnen sanft ansteigenden Verwehungen, die die weiße Landschaft mit leichten Schatten verunreinigten. Im dunklen Blau des Himmels erstrahlte der fahle Mond in ständiger Konkurrenz mit dem Schnee, wer heller zu leuchten vermochte. Doch auch ihm näherte sich aus der Ferne ein Schatten. Am Horizont zeichnete sich eine dunkle Wolkenwand ab, die schon bald das dunkelblaue Feld gänzlich erobert haben würde. Die Stille lastete wie ein bleiernes Tuch auf der Szenerie. Sie bildete den Schutzschild für zwei Gestalten, die sich voll Eile, immer wieder zurückblickend auf das, was hinter ihnen lag, verzweifelt ihren Weg durch die weißen Massen suchten. Die Hände, in ständiger Umarmung verschlungen, weigerten sich voneinander zu lassen. Immer weiter eilten sie, so schnell der weiche Schnee es ihnen erlaubte. Als einzigen Makel in der stillen Landschaft blieben die Spuren ihrer Schritte zurück. Von ihren Mündern stiegen schimmernde Nebelschwaden auf. Von ihrer langen Wanderschaft schmerzten den beiden jungen Männern ihre ganzen Körper. Tonnenschwer lastete das Gepäck auf ihren Schultern, obwohl sie in der Eile ihres Aufbruchs nicht viel hatten einpacken können. Ein eisiger, böiger Wind fegte über sie hinweg. Blies ihnen die eisigen Schneenebel in die geröteten tauben Gesichter; zwang sie sich noch mehr gegen den Frost abzuschirmen, der stechend auf sie eindrang. Mit schwindender Kraft stemmten sie sich gegen ihn, in der Hoffnung sie würden den Kampf gegen ihn nicht verlieren. Jeder Schritt war eine Qual, die Stunden anzudauern schien. Doch die Zeit forderte ihren Preis. Der Kleinere der beiden Männer brach nach wenigen weiteren Schritten zusammen. Schwer sackte er auf die Knie und ließ dabei die Hand des vor ihm Gehenden los, um sich so mit beiden Armen abstützen zu können. Sofort wandte sich der Größere um. "Enjié! Ist alles in Ordnung?" Auch er ließ sich in den kalten Schnee sinken, um seinen Gegenüber besorgt mustern zu können. "Es...es geht...schon...", brachte Enjié mühsam hervor. Er keuchte und kalter Schweiß lief ihm unter seiner Kopfbedeckung hervor. Sein ganzer Körper erbebte vor Zittern. "Lass...lass mich nur einen winzigen Augenblick...wieder zu Atem kommen, Fenjuh." Seine silbern schimmernden grauen Augen versuchten einen beruhigenden Ausdruck anzunehmen, konnten einen letzten Rest von Angst und Sorge jedoch nicht ganz aus ihnen verbannen. Fenjuh blickte kurz in den Himmel hinauf und dann zu Enjié zurück. "Wir können hier nicht bleiben. Dort hinten zieht ein Schneesturm herauf und wer weiß, ob sie uns nicht schon verfolgen. Wir müssen weiter!" Seine Stimme war sanft und durch den Schal, der Mund und Nase bedeckte, gedämpft, aber trotzdem eindringlich. Es waren deutlich die Anspannung und Beunruhigung darin zu vernehmen. Auffordernd streckte er Enjié eine Hand entgegen. "Nur noch ein kleines Stück bis wir etwas gefunden haben, wo wir uns verstecken können für die restliche Nacht." Nach einem kurzen Zögern ergriff Enjié sie, und ließ sich von Fenjuh wieder auf die Beine ziehen. Fenjuh hielt seine Hand fest umklammert, und zog ihn langsam weiter durch die kalte verschneite Einöde. Enjié wusste, dass der Ältere recht hatte. Sie konnten es sich nicht leisten hier zu verweilen. Die Gefahr, dass die Soldaten des Königs schon unterwegs waren, war viel zu groß. Doch auf der anderen Seite, woher sollten diese wissen, wohin sie geflohen waren? Wer würde schon vermuten, dass sie sich ausgerechnet in den kalten Norden aufgemacht hatten? Es gab wohl wesentlich angenehmere Orte, an die man fliehen konnte. Schweigend zogen sie weiter gegen den immer stärker werdenden Nordwind ankämpfend. Am Himmel kam die schwarze Wolkenwand immer näher. Schon bald würde sie den Mond verschlungen haben und dadurch die Nacht in eine undurchdringliche Finsternis hüllen. Mit Besorgnis beobachtete Fenjuh dieses Geschehen am Firmament. Wenn sie keinen Unterschlupf gefunden hätten ehe der Schneesturm ausbrach, dann würden sie diese Nacht nicht überleben. Nein! Er würde diese Nacht nicht überleben, Enjié schon. Fenjuh würde es niemals zulassen, dass seinem Geliebten etwas zustieß. Aber hätte der Jüngere ohne ihn überhaupt eine Chance alleine hier draußen durch zu kommen? Er warf einen Blick über die Schulter auf den Jungen, der ihm sein Herz gestohlen hatte und jetzt mühsam hinter ihm her stolperte. Er seufzte und konzentrierte sich wieder darauf, wo er hin trat. Nein, entweder sie überlebten beide, oder keiner. *** Sie waren noch gut eine Stunde unterwegs, ehe sie eine Höhle erreichten. Inzwischen hatte es angefangen zu schneien. Leicht und wirbelnd flogen die weißen Flocken um sie her. Der Mond war schon lange von den Sturmwolken verschluckt worden, sodass sie fast in völliger Dunkelheit umher irrten. Der Wind nahm an Stärke immer mehr zu. Immer schwerer fiel es Fenjuh und Enjié etwas von ihrer Umgebung zu erkennen. Die Kälte kroch in die Lücken ihrer Kleidung und fraß sich in ihre Körper hinein. Enjié nahm um sich her gar nichts mehr mit Bewusstsein wahr. Sein ganzer Körper war taub vor Kälte. Nur den Druck von Fenjuhs Hand, die immer noch seine Rechte hielt, spürte er. Beinah willenlos ließ er sich immer weiter ziehen, in blindem Vertrauen zu seinem Geliebten. In Fenjuh währenddessen wuchs die Verzweiflung. Immer größer wurde der Wunsch in ihm, endlich eine Höhle zu finden. Er hatte schon lange bemerkt, wie kraftlos die Hand seines kleinen Freundes in der seinen lag. Er ignorierte dies und die Kälte so gut es eben ging. Doch die Zeit wurde langsam knapp. Sie mussten schleunigst einen Unterschlupf finden. Das wusste er nur zu gut. Endlich erblickte er ihre Rettung. Beinah hätte er die Höhle übersehen, da sie hinter einer Schneewehe verborgen war. Im Geiste dankte er den Göttern, dass sie ihm nicht entgangen war. So schnell wie es möglich war, eilte er auf sie zu. Jedoch immer darauf bedacht, dass Enjié ihm auch folgen konnte. Als sie die Höhle erreichten, stellte Fenjuh fest, dass das, was er gesehen hatte, nur der obere Rand des Höhleneingangs gewesen war. Der restliche Eingang war schon von besagter Schneewehe verschlossen. Doch das sollte ihnen nur recht sein. So wären sie wenigstens vor dem Wind geschützt. Rasch half er Enjié durch die Öffnung zu klettern und folgte ihm dann in die rettende Dunkelheit im Innern des Felsens. Es war dunkel in der Höhle. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. "Enjié?" Fenjuhs Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Irgendwo rechts von ihm erklang ein Stöhnen, dass nach einer Mischung aus Qual und Erlösung klang. ,Verflucht! Wir brauchen etwas zum Feuer machen.' Er entledigte sich seiner Handschuhe und warf sie achtlos auf den Boden. Vorsichtig tastete er sich zur linken Höhlenwand vor und ging an ihr entlang. Ganz langsam schob er sich Schritt für Schritt vorwärts. Hinter ihm ertönte das Rascheln von Stoff und ein Wimmern. Am liebsten wäre er sofort zu dem Jungen hinter ihm geeilt. Doch erst musste er etwas Brennbares auftreiben. Schnell, aber trotzdem sehr sorgfältig suchte Fenjuh Zentimeter für Zentimeter die Felswand ab, bis er nach wenigen Minuten auf das stieß, was er suchte. Wie er spüren konnte, wuchs mitten aus dem Gestein heraus ein holziges, drahtiges Kraut. Ein erleichtertes Seufzen kam ihm über die Lippen. Sie hatten also Glück. In dieser Höhle wuchs Yuméan. Dieses Kraut war äußerst resistent gegen Kälte und kam nur in den nördlichen Hochebenen in Höhlen wie dieser vor. Allerdings war eine Voraussetzung, dass in die Höhlen genügend und regelmäßig Mondlicht gelangte. Von Unwissenden würde die Pflanze nur für eine vertrocknete Wurzel oder etwas ähnliches gehalten werden. Jedoch konnte sie mit der richtigen Zubereitung ein unglaublich starkes Heilmittel sowie ein absolut tödliches Gift sein. Und, das war das entscheidende Detail für Fenjuh, das Kraut gab ein hervorragendes Brennmaterial ab. Schnell machte er sich daran so viel wie möglich aus den Wänden zu reißen. Immer wieder drang vom Eingang der Höhle das Wimmern Enjiés zu ihm herüber, welches nun langsam leiser und schwächer wurde. Das war jedoch kein Grund, um Aufzuatmen. So gut es ging schob er das ausgerissene Yuméan in Richtung Höhleneingang und bildete damit einen Haufen. Aus seinen Taschen kramte er zwei Feuersteine hervor. Klackernd schlug er sie aneinander in der Hoffnung, dass bald ein Funke auf das trockene Gestrüpp überspringen würde. Tatsächlich hatte Fenjuh ein weiteres Mal Glück und nach recht wenigen Versuchen fing das Kraut Feuer. Sofort hallte das Geräusch knisternder Flammen von den Höhlenwänden wider. Der Feuerschein tauchte sie in ein rötlich schimmerndes, warmes Licht und tanzende Schatten glitten über sie hinweg. Enjié hatte von all dem nur recht wenig mitbekommen. Schon lange war er in einem Zustand der irgendwo zwischen Bewusstsein und Schlaf lag. Er konnte nicht unterscheiden, was von dem, was er wahr nahm, wirklich passierte und was sich möglicherweise nur in seiner Gedankenwelt abspielte. Jedoch immer sah er Fenjuhs Gestalt klar und deutlich vor sich. Dieser Umstand verhinderte, dass er sich endgültig in eine Traumwelt hinabfallen ließ, aus der es vielleicht kein Entkommen mehr gegeben hätte. Doch langsam aber sicher verschwand auch dieser letzte Halt. Er fühlte wie eine kalte Dunkelheit langsam Besitz von ihm ergriff und ihn hinab in ihre Schatten zerrte. Er wollte rufen, schreien, jedoch konnte er dafür keine Kraft mehr aufbringen. Alles, was er fühlte war eine eisige Kälte, die seinen Körper erbarmungslos umklammerte ohne ihm eine Chance auf Entrinnen zu gewähren. Ein heftiges Zittern schüttelte seinen Körper. "...-jié...Enjié..." Wie aus weiter Ferne drang Fenjuhs Stimme zu ihm vor. Sachte wurde er an den Schultern gerüttelt. "Du darfst nicht einschlafen! Hörst du! Los, Enjié, mach die Augen auf!" Leichte Panik schwang in seiner Stimme begleitet von einem Hauch Verzweiflung. Das Rütteln verstärkte sich etwas. "Komm schon! Enjié!", flehte Fenjuh jetzt regelrecht. Quälend langsam öffneten sich Enjiés Augen. Getrübt und starr blickten sie in das rote Dämmerlicht. Immer noch zitterte er. Doch Fenjuh war in diesem Augenblick erstmal einfach nur erleichtert, dass sein Freund wach war. Er musste ihn dringend aus den vom Schnee durchnässten Sachen befreien. Er selbst hatte schon seinen nassen Umhang abgestreift und auch sein Gepäck und sein Schwert abgelegt. Mit etwas Mühe schaffte er es auch Enjié dessen Schal, Handschuhe und Umhang auszuziehen. Er war sich nicht ganz sicher, doch er meinte ein leise geflüstertes "Danke!" von seinem Geliebten zu vernehmen. Aus ihrem Gepäck wühlte er ein großen Fell hervor und dankte im Stillen den Göttern, dass er daran gedacht hatte es mitzunehmen. Mit sanften Nachdruck zog er Enjié etwas näher zum Feuer. Er selbst setzte sich hinter ihn und schlang seine Arme von hinten um ihn, in der Hoffnung ihm so noch etwas mehr Wärme zu geben. Zusätzlich wickelte er sie noch beide in das Fell ein. Sobald er spürte, wie sich zwei starke Arme um ihn schlossen, lehnte sich Enjié automatisch zurück und kuschelte sich an die starke Brust hinter ihm. Er fühlte Fenjuhs warmen Atem über seine Wange streichen. Eine Welle von Geborgenheit überkam ihn, die ihn langsam von innen her zu wärmen anfing. Er schloss die Augen, um sich besser auf die Aura Fenjuhs konzentrieren zu können. Eine Weile verbrachten sie so gemeinsam in Schweigen gehüllt. Jeder zufrieden, dass der andere da war und ihm Nähe und etwas Wärme spendete. Von draußen drang das Heulen des Windes herein. Der Sturm draußen tobte mit unverminderter Kraft und schien sogar noch weiter anzuschwellen. Doch die beiden Flüchtlinge kümmerte das nun nicht mehr. Sie hatten sich. Und das war das Einzige, was in diesem Augenblick wichtig war. "Wirst du es nicht irgendwann bereuen?" Es war Enjié, der die Stille durchbrach. Seine Stimme klang noch immer etwas schwach. Doch er wollte jetzt mit Fenjuh über seine Befürchtungen sprechen. Immerhin hatte dieser alles für ihn, einen Niemand, aufgegeben. "Wird dir dein altes Leben nicht irgendwa---" Er wurde durch ein leises "Shhh" in seinem Ohr unterbrochen. Fenjuh war überrascht gewesen diese Fragen zu hören; konnte jedoch die Ängste des Kleineren nachvollziehen. Doch für ihn gab es keine Zweifel. Das, was er zurückgelassen hatte, war ihm nicht wichtig. Genau das sagte er auch Enjié. "Bevor ich dich getroffen habe, hatte ich gar kein richtiges Leben." Enjié drehte sich vorsichtig in Fenjuhs Umarmung um, so dass er ihm in die goldgelben Augen blicken konnte, die ihn warm anstrahlten. "Aber ich bin nur ein... Ich bin ein Nichts..." Er spürte, wie seine Augenwinkel feucht wurden. Irgendetwas in seinem Innern sträubte sich mit aller Macht dagegen zu glauben, dass er einmal im Leben Glück haben sollte; dass ausgerechnet er von diesem wunderbaren Mann geliebt werden sollte. Schnell senkte er den Blick, um seine feuchten Augen zu verstecken. "Hey, wie kommst du denn auf sowas?" Fenjuh schob sanft eine Hand und unter Enjiés Kinn, und zwang diesen ihn wieder anzusehen. Es tat ihm weh, dass diese silbergrauen Augen, die ihn immer wieder an das Funkeln von Sternen erinnerte, so traurig dreinblickten. "Du bist der liebevollste und reinste Mensch, der mir je begegnet ist." Sanft küsste er die sich aus den Augen stehlenden Tränen hinfort. Der Junge war aber immer noch nicht überzeugt. "Aber...", begann er, brachte den Satz jedoch nicht zu Ende und ließ das Wort im Raum stehen. Zärtlich strich er einige der schwarzen Haarsträhnen aus Fenjuhs Gesicht. Dann fuhr er nachdenklich die Konturen des Musters nach, das auf dessen rechter Gesichtshälfte eintätowiert war. Die Tätowierung stellte das Symbol für Fenjuhs hohe Position in diesem Land dar. Sie war die Hürde, die so lange zwischen ihnen gestanden hatte. Fenjuh verstand Enjiés stumme Anspielung. Er verfluchte diese äußere Kennzeichnung, mit der sein Vater ihn schon als kleinen Jungen gebrandmarkt hatte. Seine sogenannte Kindheit, die er nie gehabt hatte, war die Hölle gewesen. Sobald er dazu fähig war, hatte er den Umgang mit dem Schwert und andere Kampfpraktiken erlernt. Er konnte mit nahezu jeder Waffe umgehen, war ein ausgezeichneter Reiter und beherrschte hervorragend das Planen und Durchführen militärischer Einsätze. Seine Ausbildung hatte er von den besten Lehrmeistern des Landes erhalten, deren oberste Pflicht es war, ihm einzubleuen, dass alles, was auch nur im Entferntesten mit Gefühlen zu tun hatte, überflüssig und Zeitverschwendung war. Hielt er die ihm zitierten Regeln nicht ein, wurde er hart und brutal bestraft. Anfangs hatte er versucht sich gegen das strenge Regime seines Vaters aufzulehnen. Jedoch ohne Erfolg. Die brutalen Foltermethoden seiner Erzieher brauchten nicht lange, bis sie seinen Willen brachen. Er beschloss selbst, dass es zu seinem eigenen Besten wäre, wenn er keine Gefühlsregung mehr zulassen würde; egal in welcher Situation und welcher Person gegenüber. Somit hatte sein Vater sein Ziel erreicht. Dementsprechend hatte er auch gelebt. Er lernte schnell die ihm durch seine Geburt gegebene Macht zu nutzen, und das nicht immer unbedingt zum Guten. Jeder Lebensbereich war davon betroffen. Sein ,Liebesleben' stellte da keine Ausnahme dar. Hatte ihm eine Frau oder ein Junge gefallen, dann nahm er sich sie oder ihn. Wobei sich viele auch noch geehrt fühlten, wenn sie dem Prinzen in irgendeiner Form von Nutzen waren. Als sein Vater dann beschloss, dass er die Tochter des Königs aus dem Nachbarreich heiraten sollte, um so die Bindung zwischen ihnen zu stärken, war es ihm gleichgültig gewesen. Es gehörte zu seinen Pflichten, denen nachzukommen, wenn auch widerwillig, er gewöhnt war. Kaum war die Sache beschlossen, da kamen besagte Tochter inklusive Vater und halben Hofstadt auch schon angereist. Die Prinzessin war weder eine außerordentliche Schönheit noch konnte man sie als hässlich bezeichnen. Sie hatte einen gewissen Liebreiz, würde wohl aber nie besonders anziehend auf Männer wirken. Ihr Vater war ein großer und brutaler Mann. Das konnte man auf dem ersten Blick erkennen. Er liebte Krieg, wodurch er sich gleich bestens mit Fenjuhs Vater verstand. Diese Vorliebe spiegelte sich auch in dem Hofstadt wider, den er mitgebracht hatte. Fast ausschließlich große Kerle, die wohl für nichts anderes als den Krieg tauglich waren. Nur einer schien nicht in dieses Bild zu passen. Zwischen all den grobschlächtigen Gestalten war Fenjuh sofort ein Junge aufgefallen. Dessen rotbraunes Haar glänzte wie dunkles Kupfer in der Sonne. Obwohl er eher zierlich gebaut war, konnte man doch sehen, dass sich unter der blassen Haut kräftige Muskeln befanden. Er hatte einen hübschen geschwungenen Mund, der nie lächelte und eine gerade kleine Stupsnase. Doch was Fenjuh sofort gefangen nahm, waren die Augen des Jungen. Silbergrau, wie ein Paar schimmernder Sterne, die jemand vom Himmel geraubt hatte. Ihm fiel bald auf, dass der Junge sich immer in unmittelbarer Nähe des fremden Königs aufhielt, sodass er keine Möglichkeit hatte, an ihn heranzukommen. Über einige Umwege brachte er in Erfahrung, dass der Junge Enjié hieß und persönliches Eigentum des Königs war. Woher er kam oder was der König genau mit ihm machte, konnte oder eher wollte ihm niemand sagen. Doch eines Nachts, als er aus irgendwelchen Gründen nicht schlafen konnte - inzwischen war er davon überzeugt, dass das eine Fügung des Schicksals war - wanderte er unruhig durch den Schlossgarten. Das war so ziemlich der einzige Ort, der nicht mit Wachen übersät war. Er überlegte gerade, ob er vielleicht sogar einen kleinen Ausritt unternehmen sollte, als er ein leises Schluchzen hörte. Er war dem Geräusch gefolgt und hatte schließlich unter einem großen buschigen Baum dem zusammengekauerten Enjié gefunden. Den Jungen, den er so lange stumm aus der Ferne beobachtet hatte. In dieser Nacht redeten sie das erste Mal miteinander. Fenjuh war entsetzt, über die große Schnittwunde, die sich von Enjiés rechter Schulter über das Schlüsselbein und fast die ganze Brusthälfte hinab zog. Er versorgte die Wunde, von der heute noch immer eine rote Narbe zeugte. Zwar hatte sich Enjié heftig gesträubt, aber Fenjuh war daran gewöhnt sich durchzusetzen und das zu tun, was er wollte. Nicht zu vergessen, dass er zu diesem Zeitpunkt noch absoluten Gehorsam von den Menschen verlangte, mit denen er verkehrte. Danach hatten sie sich noch einige Male mehr oder weniger zufällig getroffen und Enjié hatte Fenjuh langsam angefangen zu vertrauen und berichtete ihm von seinem Leben. Seine Familie hatte in einem kleinen Dorf gelebt. Eines Tages waren sie von Räubern und Sklavenhändlern überfallen worden, die ihn mitgenommen hatten. Bald darauf hatte ihn der König gekauft. Über das, was ihm von diesem alles angetan worden war, konnte Fenjuh nicht anders als nur entsetzt darüber sein. Fenjuh selbst spürte, wie der Kleine sich immer mehr in sein Herz schlich. Schon bald wusste er, dass er Enjié beschützen wollte, ihn an seiner Seite haben wollte und ihm über all seinen Schmerz hinweg helfen wollte. Ohne das er auch nur etwas dagegen tun konnte, spürte er, wie seine so lange unterdrückten und weggeschlossenen Gefühle an die Oberfläche drangen. Es war ihm nicht länger möglich zu leugnen, dass er sich in den persönlichen ,Diener' seines zukünftigen Schwiegervaters verliebt hatte. Es dauerte auch nicht lange, bis ihm Enjié gestand, dass auch er starke Gefühle für den Prinzen hegte. Wenig später war der Plan zu Flucht gefasst und nun saßen sie hier. Ein trauriges Seufzen kam über Fenjuhs Lippen. "Keiner von uns kann etwas dafür, als was er geboren wurde. Es ist auch nicht wichtig. Das einzige, was zählt, ist, dass wir uns gefunden haben." Seine Lippen verzogen sich zu einem liebevollen Lächeln. "Und jetzt kein Wort mehr darüber. Ich bin genau da, wo ich hingehöre und wo ich sein will. Bei dir." Er hauchte einen Kuss auf die Stirn des Jungen. "Denn du hast mich zu einem Menschen gemacht. Du hast mir gezeigt, was es heißt Gefühle zu haben und diese auch zu zeigen." Kleine glänzende Tränen bahnten sich ihren Weg Enjiés Wangen hinab. Tränen des Glücks, unendlicher Freude. Sein ganzes Gesicht war gekennzeichnet von einem unglaublichen Strahlen. Nie in seinem ganzen Leben hätte er es für möglich gehalten, dass es einen solchen Tag für ihn geben würde; dass er ein solch tiefes Glück erfahren würde. Dass es einen Tag geben würde, an dem er nicht verfluchte geboren worden zu sein oder an einem Sinn seiner Existenz zweifelte. Doch genau dieser Tag war heute. Egal, was auch immer noch geschehen mochte. Für ihn bedeutete dieses Glück die vollkommene Erfüllung. Noch einen scheinbar unendlich andauernden Augenblick sahen sie sich tief in die Augen, die vom roten Schein des Feuers glühten. Sie verschlangen sich mit ihren Blicken; öffneten sich auf diesem Weg gegenseitig ihre Seelen. Langsam, vorsichtig näherten sich ihre Gesichter bis sich schließlich behutsam ihre Lippen trafen. Gleichzeitig, in stummen Verständnis schlossen sich die Spiegel ihrer Seelen. Nur noch ihre zärtlichen Berührungen waren wichtig. Zaghaft verstärkte Fenjuh den Druck gegen Enjiés Lippen und fuhr vorsichtig mit der Zunge die Konturen von jenen nach. Enjié ließ seinen Geliebten auch nicht lange warten und gewährte ihm auf dessen stumme Aufforderung hin sofort Einlass. Sanft glitt die Zunge in seine Mundhöhle, um auch sofort mit deren erneuter Erforschung zu beginnen, wie sie es schon viele Male getan hatte. Spielerisch stupste sie Enjiés eigene Zunge an, die ihrerseits nun den Eindringling neckte. Auch ihre Hände waren nicht untätig geblieben. Enjiés ruhten nun in Fenjuhs Nacken, wo sie ihn zärtlich kraulten. Fenjuh war währenddessen damit beschäftigt das Hemd des Kleineren aus dessen Hose zu befreien um darunter gleiten zu können. Liebevoll strich er mit den Fingerspitzen über die weiche Haut seines Gegenübers wohl wissend, dass jede seiner Berührungen ein angenehmes Prickeln zurückließ. Ihre Lippen trennten sich, damit Fenjuh Enjié das wollene Wams und das gestärkte Leinenhemd über den Kopf ziehen konnte. Ein sanfter Rotschimmer hatte sich auf dessen Wangen gelegt. Schüchtern blickte er zu Fenjuh auf mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Der quittierte das mit einem liebevollen streichen durch die zerzausten rotbraunen Haare auf denen durch das feurige Licht wieder ein kupfernes Schimmern lag, wie an jenem Tag, als er ihn das erste Mal gesehen hatte. In der nächsten Sekunde waren ihre Gesichter wieder so nah beieinander. Zärtlich knabberte Fenjuh an dem Ohrläppchen des Jungen. Wanderte langsam mit dem Mund tiefer und küsste jeden Millimeter der Haut des Jungen, an dem er vorbei kam. Enjié legte den Kopf in den Nacken, um ihm mehr Angriffsfläche zu bieten. Ein wohliges Seufzen kam über seine Lippen. Fenjuhs Weg führte vom Ohr über den Hals bis hinab zum Schlüsselbein. Dort angelangt hielt er inne. Ein kaum merklicher Funke von Traurigkeit schlich sich in seine Augen, als er die Narbe betrachtete, die sich weiß vom Rest der Haut abhob. Sie erinnerte ihn daran, wieviel Leid der Kleine schon erfahren musste. Vorsichtig, als ob seine Berührung sie wieder aufreißen lassen könnte, zog er sie mit seinem Finger nach. "Es ist nicht schlimm", flüsterte Enjié bei dieser Berührung. Er wusste genau, was in seinem Freund vorging. "Seit du in mein Leben getreten bist, ist all der Schmerz der Vergangenheit bedeutungslos geworden." Der Rotschimmer auf seinen Wangen vertiefte sich weiter. Fenjuh konnte das leidenschaftliche Funkeln in den Augen Enjiés erkennen, als diese den seinen begegneten. Er folgte dem plötzlich aufkommenden Bedürfnis den Kleinen fest in seine Arme zu schließen, so als ob er ihn nie wieder loslassen wolle. Enjié schmiegte sich fest an ihn, begann aber nun seinerseits an Fenjuhs Oberteil zu zerren, dass er als äußerst störend empfand. Mit einem leisen Lächeln auf dem Lippen entledigte sich der Ältere der lästigen Stoffbarriere, so dass sich nun ihre nackten Oberkörper berührten. Vergessen waren mögliche Verfolger. Die eisige Kälte konnte sie nicht mehr erreichen. So stark der Sturm auch heulte, so sehr der Schnee auch tobte; nichts von all dem existierte mehr für die beiden Liebenden, die nur noch sich sahen und sich langsam ihrer Lust hingaben, um auf diese Weise ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Erneut widmete sich Fenjuh dem Körper seines Gegenübers. Er wollte nun endlich jeden weiteren Zentimeter von ihm Kosten. Immer tiefer wanderte er, eine feuchte Spur hinter sich lassend. Hier und dort biss er etwas in die samtige Haut, was Enjié jedes Mal ein Keuchen entlockte. Enjié hatte eine Hand in dem langen schwarzen Haar Fenjuhs vergraben. Die andere war um dessen Rücken geschlungen und krallte sich halt suchend daran fest. Er liebte jede einzelne der Berührungen seines Geliebten. Jede hob ihn weiter in diese strahlende Welt des Glücks, in der er jede Sorge und Angst vergessen konnte. In der nichts mehr Bedeutung hatte außer dem Augenblick. Inzwischen machte sich Fenjuh an Enjiés Hose zu schaffen. Geübt entfernte er auch dieses Kleidungsstück. Dadurch wurde die Sicht auf ein weiteres Relikt aus Enjiés qualvoller Vergangenheit sichtbar. Nur wenige Millimeter über dem linken Hüftknochen prangte ein Brandmal: Das Wappen seines Herren. Das Zeichen, wem er seinen Körper jahrelang hatte hingeben müssen. Erneut erschien der traurige Schimmer in Fenjuhs Augen. Das Mal wurde von ihm mit tausenden hauchzarten Küssen versehen. Er spürte, wie Enjiés Körper unter diesen Berührungen erzitterte. Früher hatte der Kleinere sich wegen dieser Kennzeichnung geschämt. Lange hatte er versucht sie vor Fenjuh zu verstecken. Es war ein Stigma, dass niemals verblassen würde, ihn beschmutzte, ihn entweiht hatte. Doch Fenjuh hatte es nie als einen Makel angesehen. Für ihn gehört es zu Enjié, wie alles andere auch. Es machte ihn nur jedes Mal aufs neue unendlich traurig und entflammte die Glut des Zorns auf den Mann, der das seinem Enjié angetan hatte. Sanft fuhr er mit den Händen die Innenseite von Enjiés Oberschenkel hinauf, was diesem ein unterdrücktes Stöhnen entlockte. Die Reaktion von Enjiés Körper auf Fenjuhs Berührungen war nun nicht mehr zu übersehen. Quälend zart und langsam streichelte Fenjuh mit den Fingerspitzen über die Männlichkeit seines Geliebten. Dieser quittierte das mit einem erneuten Aufstöhnen. "Hälst du es noch ein bisschen aus?", fragte er leise. Seine Stimme klang rauh und belegt. Als Antwort erhielt er nur ein schwaches Nicken. Er bemerkte, wie sehr sich der Kleine zusammenreißen musste. Mit der Andeutung eines Lächelns auf den Lippen drangen seine Finger in den Körper seines Geliebten und bewegte sie vorsichtig, um ihm nicht weh zu tun. Er selbst rutschte wieder etwas nach oben, damit ihre Gesichter wieder auf einer Höhe waren. Silbergraue Augen trafen Goldgelbe und verloren sich ineinander. Beide Augenpaare waren leicht verschleiert vor Erregung und doch stand so viel in ihnen geschrieben. Langsam zogen sich Fenjuhs Finger aus Enjiés Körper zurück. Immer noch nahmen sich ihre Augen gegenseitig gefangen. Ganz leise, sodass Fenjuh die Worte fast von Enjiés Lippen ablesen musste, flüsterte dieser: "Ich liebe dich, Fenjuh!" Eine einsame Träne schlich sich aus den silbergrauen Augen. Doch seine Lippen zierte ein schüchternes, glückseliges Lächeln. Ebenso leise gab Fenjuh ihm seine Antwort. "Ich dich auch, Enjié!" Ihre Lippen fanden sich erneut zu einem innigen Kuss, während Fenjuh vorsichtig in Enjié eindrang. *** Ein Zittern durchfuhr Fenjuhs Körper. Es war erbärmlich kalt, sowohl in als auch außerhalb der Höhle. Fröstelnd kuschelte er sich fester in das Fell und an Enjié, der immer noch schlafend neben ihm lag. Lächelnd betrachtete er dessen schlafendes Gesicht. Er sah so friedlich aus. Vorsichtig hauchte er ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn, bevor er selbst wieder die Augen schloss, um eventuell noch ein wenig Schlaf zu finden. Sie hatten sich in der vergangenen Nacht noch mehr als einmal geliebt. Es war unglaublich gewesen. Fenjuh konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben solch eine Erfüllung erlebt zu haben. Ein glücklicher Seufzer schlich sich über seine Lippen, als er in Erinnerungen an die hinter ihm liegende Nacht versank. Einfach nur glücklich, die Probleme und Sorgen die vor ihnen lagen noch für ein paar Minuten verdrängend, lag er einfach nur da und lauschte in den heraufdämmernden Morgen hinein. Instinktiv spürte er plötzlich, dass etwas nicht stimmte. Nun hellwach konzentrierte er sich mit immer noch geschlossenen Augen auf seine Umgebung. Kein Geräusch entging ihm. Dass heißt, es wäre ihm kein Geräusch entgangen, wenn dort welche gewesen wären. Der Sturm hatte sich verflüchtigt und so drang von außerhalb der Höhle kein Ton nach innen. Kein heulender Sturm, kein brausender Wind. Das Feuer war schon vor Stunden erloschen, sodass auch keine knisternden Flammen zu vernehmen waren. Und plötzlich wurde ihm klar, was fehlte. Es waren nicht die Töne der Natur, die er vermisste. Etwas viel wichtigeres konnte er nicht hören, wie er mit aufkommender Panik bemerkte. Von Enjié kam kein Lebenszeichen. Kein ruhiger Atem, kein dumpfes Schlagen des Herzens. Nur vollkommene Stille. Mit einem Ruck fuhr Fenjuh auf. Erneut waren die Kälte um ihn herum und der Schmerz in seinem Körper vergessen, wie schon in der vergangenen Nacht. Heftig fing er an Enjiés Körper zu schütteln. Immer und immer wieder rief er dessen Namen. Doch schon bald brachte er ihn nicht mehr hervor. Heiße Tränen flossen seine Wangen hinab. Seine Stimme brach unter immer häufigerem Schluchzen. "Enjié..." Es war ein letztes heiseres Flüstern, das unbeantwortet in der Höhle verhallte. Voller Verzweiflung presste er den leblosen Körper an sich. Er wollte es nicht glauben. Der Gedanke erschien ihm so abstrakt, so vollkommen unmöglich und surreal, dass es unmöglich wahr sein konnte, wahr sein durfte! Jetzt, wo sie endlich zusammen waren, wo es nichts mehr gab, was ihnen im Weg stand. Jetzt, wo doch ihr Leben erst richtig anfangen sollte. Es ging nicht, dass Enjié ihn jetzt verließ. Jedoch, die Stunden vergingen. Fenjuh ließ in all der Zeit nicht einmal seinen Geliebten los. Seine Arme umschlangen den leblosen Körper, während seine Lippen lautlose Bitten und Gebete formten, deren Erfüllung ihm verwehrt blieben. In dieser Zeit manifestierte sich mehr und mehr die Erkenntnis in seinem Verstand, die sein Herz einfach nicht akzeptieren wollte. Der bittere Frost, die erbärmliche Kälte hatte ihm das Liebste genommen, was er auf dieser Welt besessen hatte. Das Einzige, das er überhaupt je geliebt hatte. Irgendwann hatte er keine Tränen mehr, die er vergießen konnte. Er fühlte sich schwach, ausgebrannt und einfach nur leer. Da war nichts mehr. Er wollte einfach nur so sitzen bleiben und warten. Warten, bis ihn vielleicht doch noch irgendwelche Verfolger fanden oder ihn das gleiche Schicksal ereilte wie Enjié. Alles, was er wollte, war, dass diese Leere verschwand. Mit trüben Augen starrte er vor sich hin, als sein Blick auf die ihm gegenüberliegende Wand fiel. Eine holzige, einer Wurzel ähnlichen Pflanze wuchs an ihr herauf. Das Yuméan. Die Pflanze, die Leben geben und nehmen konnte, je nach dem, wie der Mensch es wollte. Etwas in seinen Augen flammte auf. Es war ein unterschwelliges Glimmen, dass ihnen wieder etwas Lebendigkeit verlieh. Einige Minuten starrte er sie an, während in seinem Kopf ein Gedanke den anderen jagte, er jede Möglichkeit, die sich ihm bot abwog. Ein Blick wanderte auf die Gestalt in seinen Armen, die so aussah, als würde sie nur schlafen. Voll Trauer betrachtete er das ebenmäßige Gesicht. Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass er nie wieder in diese Sternen gleich kommenden Augen blicken konnte, da sich diese für alle Zeit geschlossen hatten. Sein Blick wanderte tiefer über die Narbe und hinunter zu dem Brandmal, wo er hängen blieb. Das Zeichen eines Schmerzes und einer Qual, die er sich wohl in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen würde können. Das Zeichen eines Verbrechens, dass an niemandem begangen werden durfte. Er hätte die Macht genau das, zumindest in diesem Land, zu verhindern. Es stand ihm offen in das Schloss seines Vaters zurückzukehren, sich eine Frau zu nehmen und wenn die Zeit gekommen war den Thron zu besteigen. Doch wollte er das? Konnte er das überhaupt? Würde er ohne Enjié die Kraft dazu aufbringen? Momentan glaubte er nicht daran. Genauso gut konnte er hier bleiben und darauf warten bis auch sein Ende gekommen war. Er hatte sein Schwert. Oder er blieb einfach sitzen und überließ sich selbst den Kräften der Natur, die diese Aufgabe ebenso erledigen konnten. Ohne, dass er sich selbst dessen bewusst war, streifte sein Blick erneut das Yuméan. Hier und jetzt konnte er Enjié dorthin folgen, wohin er gegangen war: in die andere Welt, die kein Lebender jemals erblicken würde. Schmerzlich wurden ihm seine Möglichkeiten bewusst und ebenso, dass er sich überfordert fühlte. Er wollte jetzt nicht über seine Zukunft nachdenken. In diesem Augenblick war sie nicht wichtig. Sie schien ihm in so weiter Entfernung, dass es ihm unmöglich vorkam sie jemals zu erreichen. Trotzdem schwebten die klar gezeichneten Bilder vor seinem geistigen Auge. Er stand vor einer Kreuzung mit einem Wegweiser, der ihm die verschiedenen Richtungen anzeigte. Es lag nun an ihm zu entscheiden, welchen Weg er gehen wollte. Doch diese Entscheidung konnte er nicht jetzt treffen. Der Schmerz, die Trauer und die Leere saßen zu tief, waren zu frisch in seinem Herzen. Er brauchte noch Zeit. In seine Gedanken versunken lehnte er an der Höhlenwand. Die Knie angezogen, mit den Armen umschlungen, den Kopf darauf gebettet. Die Augen ruhten unermüdlich auf dem Gesicht des Menschen, der ihm das wahre Leben gezeigt hatte. ~*~Ende~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)