Crescent Moon 2 von abgemeldet (Zeit der Stille) ================================================================================ Kapitel 4: Zeichen am Himmel ---------------------------- Zeichen am Himmel Ein weit gestrecktes Tal, mit grünen, saftigen Hängen, einem glitzernden See, in dem sich Himmel und Wolken spiegelten und einem kleinen Wäldchen tat sich vor Akira auf. Es herrschte eine friedliche, was gespenstische Ruhe, kein Vogel zwitscherte, nichts war zu hören. Das Tal erinnerte Akira an seine Kindheit. Er war aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Hokkaido, und die Landschaft dort war fast identisch mit dieser gewesen. Viele Jahre waren seit dem vergangen. Noch in frühster Jugend war er nach Tokio gezogen, um dem Ruf seiner Art, der Lunar-Rasse, zu folgen. Er hatte seine Familie zurückgelassen, die ihn seit dem Tod seiner Eltern aufgezogen hatte. In der Moonshine-Bar hatte er sein Zuhause gefunden, bis vor zwei Jahren. Nachdem sie alle Tränen aufgespürt und somit ihren Auftrag erfüllt hatten, hatte Akira etwas verändern wollen. Eine Reise dazu erschien ihm am besten, und wenige Monate später war er aufgebrochen. Seine Freunde, Nozomu, Misoka, Mahiru und Mitsuru, hatte er seit dieser Zeit nicht wieder getroffen. Und dennoch zog es ihn noch nicht zurück nach Tokio. Er wollte seine Reise verlängern, bis es ihm genug erschien. Und wenn er nun dieses Tal sah, so ruhig und unberührt... sollte er diesem wirklich das hektische Großstadtleben vorziehen? Ein zufriedenes Lächeln trat auf sein Gesicht, als er das letzte Stück Hang herunterrutschte, dass ihn von einer mit Blumen übersäten Wiesen trennte. Am Abend, als die Sonne den Himmel rot und orange färbte, und sich durch ihr Licht die Spitzen der Berge, die das Tal umgaben, umso deutlicher abhoben, hatte Akira am Ufer des Sees ein Feuer angezündet. Einige Stunden zuvor hatte er einige Fische gefangen, die erst nun über den tanzenden Flammen briet. Obwohl von Natur aus eher gesellig veranlagt, störte es ihn nicht, lange Abende alleine zu verbringen. Sicherlich hatte er in den vergangen Monaten öfters bei Menschen übernachtet, die ihm ein Lager für die Nacht anboten. Sie dachten von dem jungen Mann, er sei ein junger Rucksacktourist, der sich die "Hörner abstoßen" wollte. Und so waren sie freundlich, und wollten ihn nicht im Freien schlafen lassen. Das hatte oft zu unterhaltsamen Abenden geführt, die Akira mit völlig Fremden verbrachte. Im Gegensatz dazu standen die einsamen Nächte in der Natur, die er auch zu schätzen gelernt hatte. Seine Blicke verloren sich im brennenden Feuer. Es erhellte die Umgebung, die sich nach dem Untergang der Sonne langsam wie verdunkelte. Kleine Funken flogen in den Himmel, und die Dämmerung gewann immer mehr an Oberhand. Irgendwo schrie ein Nachtvogel, vielleicht eine Eule oder ein Uhu, der sich im nahe gelegnen Wäldchen verbarg. Er überlegte, wohin sich seine Reise als nächstes wenden sollte: Nach Norden oder Westen? Den Süden Japans kannte er nun in- und auswendig, und in den Osten zog es ihn nicht. Die ersten Sterne erschienen: Kleine, goldene Punkte auf einem nun immer mehr sich schwärzendem Tuch, zwischen ihnen eine silberne Sichel, die sich gegen die letzten Strahlen der Sonne wehrte, die die Berge allmählich verschluckten. Und doch würde der Patron der Lunar-Rasse, wie jede Nacht bis auf eine im Monat, gegen die Herrscherin des Tages gewinnen. Bald, wenn er sich voll und satt am Himmel zeigte, würde erneut auch die Lunar-Rasse stark sein. Allerdings ahnte Akira nicht, dass diesem Himmel, der sich heute über ihn wölbte, eine besondere Aufgabe zu teil wurde. In sich und in seine Gedanken versunken, verlor sich Akira im Feuer. Hin und wieder spielte seine Erinnerung einen Streich, wenn sie ihm ein ganzes bestimmtes Gesicht offenbarte. Es war die Miene eines hübschen Mädchens namens Keiko Himura. Sie hatte sich vor über zwei Jahren für einen anderen entschieden, und ihr allerletzter Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, hatte sich wie ein Brandmal in seinem Kopf festgesetzt. Sie war einer der Gründe, warum sich Akira für diese Reise entschieden hatte. Zuerst waren es nur wenige. Für einen Menschen wären sie nicht auffällig gewesen, sondern ein schönes Schauspiel. Sie waren kaum zu erkennen zwischen den anderen Sternen, die sich immer mehr über das Firmament aussäten, je später es wurde. Dann aber begannen sie, mit jeder Minute zahlreicher zu werden - sie durchbrachen kleine, vorbeiziehende Nachtwolken, versteckten Sterne hinter sich wie unter einem Teppich, und tanzten in enger werdenden Kreisen um den Mond. Wie bei einem Fackelzug zogen sie zum Mond hin, der zum Mittelpunkt ihrer tanzähnlichen Bewegungen geworden war. Nach weiteren Augenblicken erstarrten sie in ihrer kreisförmigen Wanderungen, so abrupt, wie sie angefangen hatten, und verharrten als kleine, zitternde Feuerbälle um den Mond. Jetzt wurde Akira auf sie aufmerksam. Es war, als wären die Funken seines Feuers in den Himmel aufgestiegen und vollführten dort jetzt ihren ureigenen Tanz. Sie sahen aus wie Sternschnuppen, aber Akira, dem früh das uralte Wissen seines Volkes gelehrt worden war, erkannte in ihnen etwas anderes. Ein Symbol - ein Zeichen. Es war der Ruf der Lunar-Rasse. Er war an ihn gerichtet. An der Formation, wie sich die "Sternschnuppen" anrichteten, wurde ihm erzählt, was die Botschaft dieses Rufes war. Wortlos formten Akiras Lippen die Worte, welche ihm am Nachthimmel berichtet wurden: "Akira Yamabuki, komm zurück nach Tokio. Der Mondpalast braucht dich." Immer von vorne tanzten die Feuerbälle diese Nachricht, bis sie sich anscheinend gewiss waren, dass Akira sie verstanden hatten. Nach einer Weile wurde ihr wildes Glühen weniger, sie verglimmten langsam. Als Funkenregen stürzten sie vom Firmament und verglühten, bis sie den Erdboden erreichten. Einer von ihnen traf nicht weit entfernt von Akira auf. Er beobachtete ihn erstarrt, und musste es erst einmal verdauen. Selbst hier, in völliger, menschenleerer Einöde, war er an sein Erbe gebunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)