It's okay... von Miko_Milano ================================================================================ Es geht mir gut --------------- Einsam sitze ich vor meinem Computer und starre auf den Bildschirm. In mir herrscht unendliche Leere und mir ist als wäre die Umwelt tot, still und verlassen liegt draußen vor dem Fenster die Welt der Menschen, kaltes Neonlicht erhellt die Gegend, lässt die Sterne erlischen und traurig schaut der Mond herunter, erhofft sich einen kleinen Blick auf eine ruhige und friedliche Welt, eine Welt die es nur in der Illusion der Großstädte und den Träumen der armen Länder gibt. Frierend lausche ich auf jedes noch so kleine Geräusch, in meinem Geist durchlebe ich den vergangenen Tag, sehe die Bilder vor mir, versuche sie ein zu sortieren, doch sie ergeben keinen Sinn für mich, immer wieder fehlt ein Teil, als hätte ihn jemand ausgeblendet, weg geschnitten, als wäre er nicht existent gewesen. Ich versuche mich zu erinnern, versuche das Puzzle zu ende zu puzzeln, doch es fehlt ein Teilchen, welches das Bild unbeendet lässt. Immer wieder, an der selben Stelle, bei der selben Frage, immer wieder fehlt etwas. Und ich frage nach dem was. Frage mich was fehlt. Gehe die Frage durch und antworte automatisch "Es geht mir gut und dir?". Ich starre noch immer gedankenverloren auf den leeren Bildschirm, erwarte keine Antwort, denn ich schalte ab, blende diesen Teil aus und überspringe ihn, bis zu dem Teil, wo man mir erneut diese Frage stellt. "Wie geht es dir?" "Gut, danke! Und selbst?" Dann fehlt wieder etwas. Wieder höre ich nicht zu, höre nicht zu wie sie von sich berichten, wie sie anfangen von ihren Problemen zu reden, höre nicht hin, wenn sie nicht sehen, dass ich gelogen habe. Mir geht es nicht gut, ich will nicht wissen, wie es dem anderen geht. Das ist nur Routine, eine Maske, damit ich nicht auffalle. Das Lächeln umspielt meine Lippen, doch erreichen wird es sie nie. Mein Lachen ist eingefroren, erprobt, es ist falsch, doch niemandem fällt auf, dass alles nur gespielt ist. Niemand fragt nach, niemand durchschaut mich, mich und meine Maske, die ich trage um nicht verletzt zu werden, noch mehr als sie mich so schon verletzen. Eine Maske, die zu meinem Ich wurde, weil niemand sie mir abnahm, niemand mir gezeigt hat, dass es auch ohne Maske geht. Lächeln und danke sagen, höflich sein, hilfsbereit, freundlich und immer schön lächeln. Ich hab es so satt. Ich hab es so satt immer jemand andres sein zu müssen. "Wie geht es dir?" Aber eigentlich will das niemand wissen. Es ist die besagte Höflichkeit, das freundliche Getue. Sie alle denken doch nur an sich. Sie wollen nicht wissen wie es mir geht, wollen nichts anderes hören als es geht mir gut. Warten nur darauf, dass man zurück fragt. Warten darauf wieder an sich denken zu können. Ich, ich, ich, ich , ich ,ich , ich! Und wieder frage ich mich, was fehlt. Doch ich sehe es nicht, will es nicht sehen. "Tut mir leid, das wollte ich nicht!" Von wegen, das war Absicht! "Ist alles okay bei dir?" Wer will das wissen? Niemand? Dachte ich mir schon! "Tut es sehr weh?" Na und? Kann euch doch egal sein! "Wie geht es dir?" Und da ist sie wieder, die Frage aller Fragen. Man stellt sie am Anfang eines Gespräches, nicht aus ehrlicher Neugierde, sondern weil man nicht anders ein Gespräch anzufangen weiß. Und ich starre auf den Bildschirm, nicht fähig weg zu sehen. Eine leere, weiße Seite. Mehr nicht. Und ich denke an mich selbst, wie jeder Mensch. Ich denke, dass diese Seite mein Innerstes so perfekt widerspiegelt. Leer und weiß. Unendliche weiße Leere, kalt, leblos. Die meisten Leute sagen in mir würde Finsternis herrschen, ich hätte eine dunkle Seele, dunkle Gedanken, ich trage dunkle Klamotten, schminke mich dunkel, also sieht es in mir drin genauso aus. Doch das stimmt nicht! Ich schminke mich dunkel und ziehe mich auch so an, das ist schon richtig. Doch selbst die Finsternis hat in mir keinen Platz gefunden, in mir ist nur Leere, eine weiße Leere, denn wäre sie schwarz wäre sie nicht leer! "Wie fühlst du dich?" Miserabel! "Gut, warum?" Lüge! "Ach nur so, freut mich!" Aber ich bin nicht die einzige die lügt, denn die Freude sehe ich nicht, ich spüre sie nicht, es gibt sie nicht. "Wie war dein Tag?" Ist er schon vorbei? Gar nicht bemerkt! Aber Hey, er war beschissen! Und ich bin froh wenn er vorbei ist! "Ganz okay, wie immer halt!" Okay? Vielleicht ist es okay. Vielleicht ist es sogar normal geworden. Wie immer, ja das stimmt. Aber okay? Nun gut, er war okay. "Schön, meiner auch!" Ja, schön. Das wollte ich gar nicht wissen, aber na ja. Mir soll's recht sein. Der Bildschirm ändert sich, plötzlich erscheint eine schwarze Fläche und ein kleiner Spruch dreht sich fröhlich im Kreise. Der Bildschirmschoner. Ich lese nicht was dort steht, kann es schon auswendig. Schnell drücke ich irgendeine Taste, will, dass er verschwindet, will die Leere zurück, die weiße Unschuld, die mich so leblos anstarrt und ich starre zurück, nicht fähig mich zu bewegen, kann mich nicht abwenden, will mich nicht abwenden. "Schön, dass es dich gibt!" Große leuchtende Farben, doch nun springt es wieder um, wieder ist da nur diese Leere, die weiße Leere, die unendlich scheint. Ich höre mein Herz, lausche jedem Herzschlag, spüre wie es schlägt, spüre wie mein Körper lebt. Resigniert seufze ich, schließe für wenige Sekunden die Augen. Der Bildschirm fängt mich ein. Langsam beginne ich zu tippen. Ich schreibe und schreibe, als würde es mein Leben bedeuten. Mein Leben, was ist das schon. Ich lebe nicht. Ich existiere, doch gestorben bin ich schon vor langer Zeit. Ein kurzer Blick auf die Uhr bedeutet mir, dass bald die Sonne aufgehen wird. Ich werde so langsam mal schlafen gehen. Ich tippe die letzen Zeilen, die letzten Wörter, der letzte Buchstabe, fertig. Ein dumpfes Gefühl steigt in mir auf, ich fahre den Computer runter und gehe zu Bett. Das Licht ist aus. Draußen wird es langsam hell. Bald beginnt der neue Tag. Vielleicht muss es so sein. Vielleicht will ich es gar nicht ändern, oder ich kann es nicht, bin zu müde, habe keine Kraft mehr, kann nur noch zu sehen, wie die Tage dahin gehen, jeder Tag so schlimm wie der davor. Vielleicht ist es gut so, wie es ist. Vielleicht auch nicht. Langsam wird es mir egal. Ob gut oder nicht, es ist wie es ist. Der Schlaf übermannt mich allmählich. Meine Augen sind geschlossen. Dann wird alles schwarz und ich schlafe endgültig ein. Die Sonne geht auf und die Welt erwacht zum Leben. Mein Computer ruht still und dunkel auf meinem Schreibtisch. Das kleine, grüne Lämpchen leuchtet auf, das Zeichen, dass der Akku lädt. In ein paar Stunden werde ich wieder erwachen. Dann werde ich wieder in den Tag hinein existieren. Und jeder wird fragen "Wie geht es dir?" Dann werde ich wie immer antworten "Gut und dir?" Ich werde wieder lügen und niemandem wird es auffallen. Niemand wird es ehrlich meinen. Und das alles, das alles ist völlig okay... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)