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Alles wegen Rioroute

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Die schicksalhafte (oder auch verfluchte) Hochzeit

Als allererstes: die Geschichte wird wohl etwas länger sein, daher meine Bitte: nehmen Sie sich Zeit und holen Sie sich erstmal etwas zu trinken oder zu knabbern, bevor ich diese erzähle. Und zweitens: Sie ist wirklich wahr, so verrückt und unrealistisch sie sich anhören mag. Dann kann ich anfangen zu erzählen. Also, es handelt sich um mich und um Rioroute Vilgyna...

ARGH!!!! Nicht einmal diesen Namen kann ich schreiben, ohne vor Wut meinen Stift zu zerdrücken. Dieser Rioroute ist ein unbeschreiblicher, arroganter, dummer Vollidiot und ...

Nein, so wird das nichts. So kommen Sie sicher noch durcheinander. Ich werde der Reihe nach erzählen müssen.

Mein Name ist Helen Riley, ich bin 15 Jahre alt, singe leidenschaftlich gerne und bin genau so, wie man sich einen Streber vorstellt. Na ja, abgesehen von den Schleimereien bei den Lehrern natürlich. Ich habe auch meinen Stolz! Aber sonst stimmt alles: ich arbeite viel und gerne für die Schule, schreibe gute bis sehr gute Noten - und (wie Sie sicher schon erraten haben) bin nicht gerade die Beliebteste. Aber warum soll ich denn schon beliebt sein wollen? Mir reichen meine wenigen Freunde, die aber umso besser sind, weil sie echte Freunde sind! Was kümmern mich die anderen? Die Jungs? Die sind mir schon längst egal! Selbst wenn ich nicht der Typ Streber wäre - ich bin so oder so Luft für sie! Die stehen alle auf die Marke "Modelltyp" - blond, blauäugig, braungebrannt, groß, sportlich, eine Topfigur und (das Wichtigste überhaupt!!!) eine beachtliche Oberweite! Selbst wenn sie zickig sein sollte - das kann denen doch egal sein! Hauptsache, sie sieht gut aus! Und genau das tue ich nicht. Nicht das ich das nicht versucht hätte! Alle möglichen Frisuren, die verschiedensten Looks habe ich ausprobiert! Nichts!!! Ich habe sogar meinen Willen, fortan Kontaktlinsen anstelle dieser blöden Brille zu tragen, durchgesetzt und alle möglichen Kuren gegen meine unreine Haut unternommen - alles umsonst. Aber was soll das schon bringen? Sobald die Jungs dich in eine Sparte gesteckt haben, ist es ganz gleich, was du sein wirst - für sie wirst du immer die aus dieser Sparte sein. Und ich war in der Sparte "Vogelscheuche" gelandet. Hört sich hart an? Wieso denn - das war nichts weiter als ein Zitat! So was habe ich schon sehr oft zu hören gekriegt! Und die wenigen Jungs, mit denen ich zusammen war, haben mich immer nur verar ... veräppelt und es nicht ernst gemeint. Und sich dann mit dem Erfolg, der "Vogelscheuche" erfolgreich das Herz gebrochen zu haben, von ihren Freunden feiern lassen.

Aber lassen wir das. Ich will hier keinen auf Mitleid machen. Sondern die Geschichte erzählen.

Alles fing mit dieser Hochzeit an. Wenn ich nur daran denke, wünschte ich, ich könnte in die Vergangenheit reisen und mein Ich dort davon abhalten, hinzugehen. Okay, es war eine WICHTIGE Hochzeit, aber was macht das schon, wenn danach das ganze Leben aus den Fugen gerät? Jedenfalls hat meine Cousine geheiratet. Und zwar ihre große Liebe (das es SO WAS noch geben soll!!!), mit der sie schon seit 9 Jahren zusammen war. Jetzt, da beide 23 waren und auf eigenen Füßen standen, konnten sie es sich leisten, zu heiraten. Und weil sie sich in ihrer alten Schule kennen gelernt hatten, ja sogar von Freunden und ein paar Lehrern verkuppelt worden waren, hatten sie beschlossen, den Anfang ihrer Beziehung zu einer Festung zu machen, sozusagen. Anders ausgedrückt: sie wollten ihre Hochzeit doch allen Ernstes in der Aula der Schule feiern! Schon damals hielt ich es für verrückt, obwohl ich es verstanden hab. Aber hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich alles Mögliche unternommen, um nicht hinzugehen oder zumindest (damit ich sie nicht verletze) versucht zu verhindern, dass sie in dieser blöden Schule feierten. Denn dann hätte ich IHN nie kennen gelernt.

Gibt es überhaupt jemanden, der mir eine Zeitmaschine bauen kann?

Nun, da meine Cousine und ihr Freund, sprich: Verlobter stets versicherten, sie würden sich sehr freuen, wenn ich kommen könnte, habe ich mit Freuden zugesagt! MIT FREUDEN!!! Und ich habe mich sogar ganz närrisch darauf gefreut!!! Was machte es schon, dass sie in der Schule feiern wollten? Was war schon dabei, dass die gesamte Hochzeitsgesellschaft nach der kirchlichen Trauung zu der großen Feier in der Aula fahren sollte? Ich bereitete mich gründlich vor. Ich habe nicht nur mitgeholfen, das Fest zu organisieren und die Speisen zuzubereiten, ich machte auch etwas, was sehr ungewöhnlich für mich war: ich putzte mich ganz schön heraus. Mit meiner Freundin Ritz ging ich einkaufen (und es hatte schon was, zwei typische Stubenhocker in den Läden bummeln zu sehen) und kaufte mir ein dunkelblaues Kleid mit schwarzen Blumen drauf bestickt.

"Das steht Ihnen ganz ausgezeichnet", versicherte die Verkäuferin, "und passt hervorragend zu ihren dunklen Haaren!"

Daraufhin blödelte ich: "'Black and Blue'! Genau wie das Album der Backstreet Boys!"

Ritz und die Verkäuferin lachten sich scheckig. Wenn mir Komplimente jeder Art und egal von wem gemacht werden, werde ich stets albern, um meine Verlegenheit zu überspielen.

Wir kauften auch dazu passende, dunkelblaue Pumps, ein Schmuckset bestehend aus Ohrringen und einer Halskette - allesamt mit wunderschönen blauen Edelsteinen gespickt und ich ließ mir sogar eine neue Frisur verpassen - meine sonst so glatten Haare wurden stufig angeschnitten und zu Locken aufgedreht. Ich hatte mir sogar einige Kontaktlinsen besorgt.

Heute wünschte ich mir, ich wäre ungewaschen, ungekämmt und mit einem Kartoffelsack angelatscht gekommen.
 

Als der große Tag, der Sonntag (später nannte ich ihn "Der Tag des Verderbens") da war, war ich schon früh auf, um meinem Look noch den letzten Schliff zu geben. Von allen Seiten hörte ich, ich sähe heute besonders gut aus - von meinen Eltern (ich bin Einzelkind, leider), meinen Verwandten und Bekannten und sonstigen Leuten, die auch an der Hochzeit anwesend waren und mich bisher nur als "Vogelscheuche" gesehen haben. Der Tag fing wirklich klasse an - es war tolles Wetter und alle - ganz besonders natürlich das Hochzeitspaar - waren gut gelaunt und zu Scherzen aufgelegt. Die kirchliche Trauung war sehr schön und daraufhin waren wir, wie geplant, mit allem Brimborium zur Schule gefahren. Es war eine schöne Schule, mit allerlei Fenstern und einer altmodischen Bauart (Barock oder Gotik?) - nicht so, wie meine Schule. Ich finde alte Gebäude nun mal schöner. Die Aula war schön geschmückt und die Tische feierlich gedeckt. Ich merkte, dass da auch viele Mädchen in meinem Alter da waren. Und beim Essen und anschließendem Tanz merkte ich, dass jede einzelne von ihnen von irgendwelchen Jungs angesprochen worden war. Nur ich nicht. Da hatten wir es mal wieder: Egal wie viel Mühe ich mir für meinen Look gab, man beachtete mich ja doch nicht! Trotzdem war nicht mal annähernd so hübsch. Aber ich ärgerte mich auch: es gab mir das Gefühl, dass meine Mühen wieder einmal umsonst waren (dabei hatte ich ganz vergessen, dass ich das nur für meine Cousine getan hatte).

Jetzt beim Schreiben fällt mir ein Sprichwort ein: "Wenn du der Meinung bist, dass immer wieder dasselbe passiert, dann kommt sofort etwas, dass dich vom Gegenteil überzeugt!"

Wie wahr.

Nur wäre es mir in dem Fall besser, es wäre alles beim Alten geblieben und dieses "Etwas" wäre gar nicht erst eingetroffen.
 

Um die Mittagszeit musste ich auf die Toilette. Ein natürliches Verlangen, trotzdem wünschte ich mir, ich hätte es so weit wie möglich hinaus geschoben. Vielleicht hätte ich es auch gekonnt, aber wenn ich ehrlich bin: meine Schuhe brachten mich um und ich habe in dem heißen Zimmer ganz schön geschwitzt und wollte mich auch abkühlen. Daher nahm ich meine Handtasche mit meinem Portemonnaie drin und suchte die Schule nach dem Klo ab.

Wie seltsam es doch war, in einer verlassenen Schule. So still und irgendwie unheimlich. Ich suchte die glänzenden Gänge ab und fand endlich eine Toilette, wo ich auch hinein ging. Ich weiß noch, dass ich in dem Moment schlecht gelaunt war: während ich mich mit kaltem Wasser leicht wusch, amüsierten sich die Mädels mit den Jungs. Aber bitte! Wenn die Welt entschieden hatte, ungerecht zu sein - soll sie doch! Mir ist es doch gleich!!!

Aber es kam noch schlimmer...

Denn ausgerechnet in dem Moment, wo ich meine Schuhe auszog und ein Bein bzw. ein Fuß in das Waschbecken gehoben hatte, kam ER rein.

Ich dachte zuerst, er wäre jemand von den Hochzeitsgästen und sagte sogar: "Na, wie ist die Feier? Lustig, nicht? Nur diese doofen Tussies da nerven voll!"

Und als ich das gesagt hatte, schaute ich hoch und sah ihn an.

Nun, ich muss zugeben, er sah gar nicht so schlecht aus. Er war zwar nicht sehr groß, aber egal - das bin ich auch nicht! Die Frisur war etwas eigenwillig (dunkelblonde Haare, die ihm nach allen Seiten abstanden und ins Gesicht links und rechts fielen und braune Haare im Nacken) und wurde von einem roten Stirnband gebändigt. Aber ich bevorzuge Individualität und nicht die Leute, die mit dem Hype mitschwimmen. Er trug eine Trainingshose und ein ärmelloses Hemd und ich sah, dass er kein Muskelprotz war. Aber was machte das schon! Ich mag keine Kerle, die sich ihre Muckies aufpumpen, weil sie denken, sie könnten damit besser bei den Weibern landen oder einfach nur besser aussehen. Das war in etwa mit den Frauen und ihrem Schönheitsoperationen-Tick zu vergleichen. Aber das Beste an ihm waren wohl seine Augen - braun, weder zu dunkel, noch zu hell.

Jedenfalls starrte er mich an, als wäre ich das achte Weltwunder.

Schüchtern sagte ich: "Oh, entschuldige, ich dachte du wärst..."

Aber daraufhin fragte ich mich, was er in einem Mädchenklo verloren hatte. Und schon in der nächsten Sekunde war mir klar, dass er nicht der Schuldige war - ich war aufs falsche Klo gegangen! Ich war vorhin nur zu wütend, zu gestresst vom langen Suchen und zu müde, um es zu sehen. Und hier war niemand gewesen außer mir. Aber jetzt sah ich mich um und sah es auch sofort!

Wahrscheinlich war ich nun genauso rot, wie sein Stirnband, als ich anfing zu stammeln: "Oh, Gott, es tut mir so leid, ich ... ich bin aus Versehen auf die falsche ... Mensch, das ist so peinlich ... hoffe, es hat mich niemand gesehen ... ich meine natürlich niemand den ich ... jetzt habe ich dich auch noch beleidigt, sorry, sorry!" Ich verhedderte mich vollkommen und machte, dass ich schleunigst fort kam. In der Eile musste ich zweimal ansetzen, um meine Schuhe anzuziehen. Und in dem Moment, als ich mit hochrotem Kopf meine Handtasche packte und an ihm vorbeistürmte - und mich bemühte, ihn nicht anzuschauen - hielt er mich fest.

"Was ... was soll das?", fragte ich tonlos.

Sein Blick hatte sich verändert. Er schaute nun irgendwie bittend, flehend. "Bitte geh nicht!" brachte er dann hervor.

"Wie bitte?", konnte ich daraufhin nur fassungslos fragen. Mehr ging nicht. Was hatte der Kerl? Ich hatte mich doch entschuldigt!

Aber nun packte er meine beiden Hände, schaute mir mit diesem flehenden Blick in die Augen und sagte: "Ich bitte dich, geh jetzt nicht! Ich kann dich nicht gehen lassen! Nicht bevor du mir sagst, wer du bist! Ich habe mich nämlich in dich verliebt!"
 

Diese Worte prasselten auf mich ein, wie ein Hagelsturm. Was wollte er? Was sagte er? Das meinte er doch nicht ernst? Und, Herrgott, wir waren auf dem KLO! Das war der bei weitem ungeeignetste Ort für eine Liebeserklärung! Jedenfalls fühlte ich mich total durcheinander. Aber wahrscheinlich lag es auch daran, dass ich an so was nicht gewohnt war.

Er dagegen verstand meine Verwirrung als eine Schwierigkeit, seine Worte zu verstehen. Daher sagte er noch mal: "Du bist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe und ich liebe dich!"

Hartnäckigkeit oder Dummheit? Oder ist beides gleich?

Ich sagte doch vorhin: es ist eine verrückte Geschichte! Aber dieser Rioroute ist auch ein verrückter Kerl! Sagt solche Sachen zu einem Mädchen, das er nie zuvor gesehen hat! Und da hatten wir es: die Jungs von heute schauten nur auf Mädels in Kleidern, toupierten Haaren, Schminke im Gesicht - und keine Brille! Denn der Kerl wusste ja nicht, wie "schön" ich "in echt" aussah. So vergaß ich meinen Wunsch, dass sich endlich mal jemand für mich interessierte (und ich nehme mal an, dass wenn die Weiber von der Hochzeitsparty hier wären, er mich gar nicht erst bemerkt hätte ... und wenn das kein Männerklo gewesen wäre, natürlich) - in mir machte sich nur ein Gefühl breit: Wut.

Solche Kerle, die ein Mädchen unverblümt und ohne zu zögern "anmachen" können, die haben nur eins im Sinn.

"Abschleppen" nannte man das auf gut deutsch.
 

So schüttelte ich seine Hände ab und schrie: "Finger weg! Was fällt dir ein! Schon mal daran gedacht, dass du ein wenig ZU direkt bist? Und es obendrein ohnehin eine peinliche Situation für mich ist?"

Er nickte: "Das verstehe ich! Wir können auch zurück auf den Gang gehen und ich sage dir das Gleiche! Ob nun Klo oder sonst wo - ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe!"

Ich brummte: "WIR gehen nirgendwohin. Aber ICH gehe! Und nun lass mich zufrieden!"

Doch kaum war ich ein paar Schritte auf den Gang getreten, als er mir doch allen Ernstes nachlief!

"Ich sagte doch: bitte geh nicht! Wenn du jetzt gehst, dann wirst du zwar für immer aus meinem Leben treten, aber nicht aus meinem Herzen! Denn fortan werde ich immer nur an dich denken, nur an dich allein!"

Also, was der alles für Süßholz raspeln konnte! Dafür hätte er doch glatt einen Preis verdient, meinen Sie nicht?

"Du wirst bestimmt nicht an mich denken! Schließlich kennst du mich doch überhaupt nicht! Geh und nerve ein anderes Mädchen!", schimpfte ich.

"Ich will aber nur dich nerven!", sagte er sanft, "und die anderen sind mir scheißegal!

(Na, ein bisschen besser könnte er sich doch auch ausdrücken!)

Nun, sie sind es jetzt, da wo ich dich kennen gelernt habe!"

Aha ... das hieß wohl so viel: ich habe in meinem Leben schon so viel Mädchen angebaggert, aber nun habe ich dich getroffen! Wer war wohl die Nächste, der er so was erzählen würde?

Ich seufzte und sagte so geduldig wie möglich: "Beantworte mir bitte eine Frage: Warum denkst du, dass ausgerechnet ICH es bin, an die du jetzt immer denken wirst?"

Er schaute verträumt nach oben: "Weil du so schön bist, wie ein Engel! Ein Engel mit braunen Haaren! Und obendrein hast du ein Herz aus Gold!

Ich und schön? Und ein Herz aus Gold? Wie konnte er das beurteilen, wo ich ihn bisher nur angeschnauzt habe? Wollte er mich veräppeln? Nein, das konnte ich auch selbst. Und ich hatte genug davon, dass es immer nur andere taten. Daher schloss ich meine Augen und atmete tief durch ...

"Hör zu: ich bin überhaupt nicht schön!", hörte ich mich sprechen, eher ich realisierte, was ich da überhaupt sagte. "In Wahrheit bin ich ein echtes Scheusal! Ein Monster! Nein, das ist sogar eine Beleidigung für das Monster! So wie jetzt sehe ich nun überhaupt ..."

Vielleicht übertrieb ich in dem Moment, aber er hörte mir ohnehin überhaupt nicht zu. Ich sah, dass er sich von mir weg gedreht hatte und anscheinend auf etwas in seinen Händen starrte.

Dann hörte ich seine Stimme: "Nö, ich finde nicht, dass du scheußlich aussiehst! Du siehst so oder so gut aus, keine Frage! Aber mit Brille bist du sogar noch hübscher!"
 

Moment mal! Einen verdammten Moment mal! Kannte er mich? Hatte er mich schon vorher irgendwo gesehen? Und wenn nicht: woher zum Teufel wusste er, dass ich sonst immer eine Brille trug?

Die Antwort darauf lieferte er mir sofort: Er drehte sich zu mir und ich sah in seinen Händen etwas, was mir sehr bekannt vorkam ...

"Ganz ehrlich: Du bist echt das Schönste, was ich jemals gesehen habe!", sagte er und starrte auf meinen Personalausweis und die Fotos in meinem Portemonnaie.

Erschrocken schaute ich meine Handtasche an. Ich hatte nicht gemerkt, dass der Reißverschluss offen war. Wahrscheinlich hatte ich es offen gelassen, als dieses Malheur vorhin passiert war und ich überstürzt aus der Toilette geflohen bin. Aber ich kann mich nicht erinnern, mein Portemonnaie dort liegen gelassen zu haben oder es aus meiner Tasche ragen zu lassen, damit er sozusagen gezwungen war, es zu nehmen.
 

Wenn ich bisher "nur" wütend gewesen war, so war ich nun kurz vorm explodieren.

Mit kalter Stimme sagte ich: "Gib. Mir. Das. Sofort. Her."

"Kein Problem, ich wollte nur..." sagte er lächelnd, aber schon hatte ich ihm die Börse aus der Hand gerissen:

"WAS FÄLLT DIR EIN?", brüllte ich nun so laut ich konnte.

(Das war's dann wohl mit meiner Selbstbeherrschung.)

Er sagte irgendwas, wahrscheinlich zu seiner Verteidigung, aber ich hörte das nicht.

"In meiner Tasche zu wühlen und das Portemonnaie raus zu nehmen ist wohl der Gipfel der..." -

- "Hey!" unterbrach er mich und sein Lächeln war verschwunden. "Ich habe ganz bestimmt nicht in deiner Tasche rumgewühlt! Das Portemonnaie ist vorhin daraus gefallen und ich wollte ihn dir wieder geben!"

"Sicher, nachdem du es von vorne bis hinten durchgeschaut hast!", entgegnete ich.

Hätte ich Geld darin gehabt, hätte er es mir sogar stehlen können! Natürlich war es ein unfairer Verdacht, aber schließlich kannte ich den Kerl nicht!

"Ich wollte nur sicher gehen, ob da nichts fehlt!", sagte er.

Das war wohl die Dümmste aller bisherigen Ausreden. "Das kannst du natürlich sehr gut beurteilen!", war meine schnippische Antwort.

"Ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen und es tut mir auch leid!" Hey, es sah aus, als meinte er das sogar ernst! "Ich wollte wenigstens deinen Namen erfahren und da du ihn mir ohnehin nicht gesagt hättest ... Helen, nicht wahr?"

"Puh!", machte ich. Über Idioten sollte man sich am besten nicht aufregen - das ist nur Zeitverschwendung. Das Beste, was man machen kann, ist: sie ignorieren.

So stopfte ich - mit einem letzten funkelnden Blick auf den Kerl wohlgemerkt - meine Börse in die Tasche, drehte mich um und ging.

"So warte doch!" hörte ich ihn hinter mir rufen, aber ich tat so, als hätte ich es nicht.

"Tut mir wirklich, wirklich sehr leid! Ich hätte es nicht machen sollen! Mache ich auch normalerweise nicht! Nur ... ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte um ..." Er seufzte. "Hätte ich gewusst, was heute passieren wird, hätte ich mich besser angezogen und mir eine neue Frisur verpassen lassen! Obwohl ich ja ohnehin nach dem Karatetraining aussehe, wie eine Schweißgurke, aber egal ... Ich hätte heute wenigstens mein Horoskop lesen sollen. Vielleicht hätte dort etwas dringestanden, wie: ,Nehmen Sie sich in Acht: Wenn sie in der Trainingspause die Toilette aufsuchen, könnten sie eine Begegnung erleben, in die sie sich Hals über Kopf verlieben!'"

Ich rollte die Augen gen Himmel. Wenn er was konnte, war es rumzubalzen.
 

Aber ich klammerte mich eisern an den Vorsatz, ihn zu ignorieren. Das fiel mir etwas schwer, da er die ganze Zeit hinter mir herlief, mal nach links und dann nach rechts ging oder sogar versuchte, mich zu überholen und dabei seine blöden Anmachsprüche aufsagte. Aber bald wurde es mir zuviel.

Ich kreischte erneut: "Kannst du mich nicht endlich in Ruhe lassen? Merkst du nicht, dass ich kein Interesse an Jungs, die jedes Mädchen anbaggern und obendrein in fremden Portemonnaies stöbern, habe? Oder bist du einfach nur ein Idiot?"

Auch wenn ich den Kerl aus tiefstem Herzen verabscheute, merkte ich, wie ich zu weit gegangen war. Gab es mir das Recht, ihn zu beschimpfen? Und kindisch war es obendrein.

Aber er lachte nur und antwortete: "Zugegeben, ein bisschen dumm bin ich, das sagen alle, aber ich bin kein Idiot! Ich bin ein ganz normaler Junge mit dem Namen Rioroute Vilgyna!"

Na ja, ein Lächeln hatte er immerhin - der Hammer! Seine Augen und sein Lächeln waren echt genial! Wenn doch nur der Rest nicht so nervig wäre...

Aber es tat mir trotzdem leid, dass ich das gesagt hatte. "Bitte entschuldige. Ich ... mag es nun einmal nicht, wenn man mich zum Narren hält."

Und das tat er. Er dachte sicher, er könnte mich jetzt leicht aufgabeln und vielleicht sogar noch eine schnelle Nummer mit mir schieben. Da hatte er sich geirrt.

"Aber ich halte dich doch nicht zum Narren!", rechtfertigte er sich. "Alles was ich will, ist dich wieder zu sehen. Oder zumindest deinen Namen zu erfahren. Ich habe nun einmal Angst, dass heute das erste und letzte Mal war, dass ich dich sah. Und MIR tut es leid, dass ... du weißt schon!"

Zunächst regte ich mich wieder über seine Schleimerei auf - und ich glaubte ihm nach wie vor nicht, dass es ernst für ihn war. Aber dann fiel mir ein, was er gesagt hatte.

,Ich habe nur Angst, dass ich dich nie wieder sehe!'

Warum bin ich nicht gleich drauf gekommen? Schließlich kannte er, wie er schon gesagt hatte, meine Telefonnummer nicht und meine Adresse sicher auch nicht. Alles was er wusste, war mein Name. Und mit dem konnte er sicher nichts anfangen. Es sei denn, im Internet nach meiner Adresse zu suchen. Aber in Detroit, waren wir sicher nicht die einzigen Rileys. Solange er den Namen meines Vaters nicht kannte, würde er es auch nicht herausfinden. Wenn ich also jetzt die Kurve kratzte, dann würde ich ihn nie mehr sehen. Was für ein erfreulicher Gedanke! Ich müsste es einfach nur geschickt anstellen. Wenn ich hier aber noch lange mit ihm herumtrödelte, dann müsste ich befürchten, dass ich irgendwann mal von ihm so genervt wäre, dass ich ihm meine Nummer geben würde, nur damit er wieder abhaut.

Also müsste ich jetzt weglaufen. Und damit ich ihn erfolgreich abhängen und die Schulgänge optimal nutzten konnte, brauchte ich einen kleinen Vorsprung. Und um den zu bekommen, musste ich in die Trickkiste greifen - in die wohl älteste der Welt.

Während er also weiterhin seine blöden Reden schwang, zeigte ich nach oben und rief so dramatisch, wie ich konnte: "Schau, da fällt was von der Decke!"

Nicht zu fassen, aber er fiel tatsächlich drauf rein! Er schaute nach oben! Nun, umso besser für mich.

Sofort sprintete ich los. Es war schwer in den Pumps und ich bin ohnehin nicht die Sportlichste, aber ich schaffte es, den Vorsprung aufzubauen, den ich gewollt hatte.

Aber es war doch nicht so leicht, wie ich dachte.

"Nein! Lauf nicht weg!" hörte ich seine Stimme hinter mir.

Und ein paar Sekunden lief er sogar schon neben mir.
 

Obwohl ich, wie gesagt, nicht so viel mit Sport am Hut hatte, war ich dennoch überrascht, wie schnell er mich eingeholt hatte. Kam es von seinem Karatetraining? Aber nein, der müsste, so wie der lief, ein klasse Leichtathlet sein! Da hatte ich mich also zu früh gefreut. So ein Mist!

In dem Moment tauchte ein Gang neben mir auf und ich sah, dass in ihm viele andere Gänge mündeten. Das war wohl meine Lebensrettung.

Ich lief da lang und nahm direkt die erste Abzweigung nach rechts. Er machte es mir nach und rief immer wieder: "Nun lauf doch nicht weg! Ich bitte dich!"

Es schien sogar besser für mich zu laufen. Denn in dem Gang waren noch zwei Abzweigungen. Ich täuschte nach rechts an, lief aber nach links und versteckte mich hinter einer Sitzbank, die man auf dem Korridor platziert hatte. Ich hatte Glück: Er suchte zwar den Weg, den ich genommen hatte, ab, fand mich aber nicht.

"Bitte, komm raus! Ich tu dir doch nichts!" hörte ich ihn immer wieder sagen.

Das wird wohl das Letzte sein, was ich tun werde!

In dem Moment sagte er: "Sie ist wohl den Gang weiter gelaufen. Ich muss da nachsehen. Komisch - ich habe nicht gehört, dass sie da lang gelaufen ist!"

Ich konnte aus meiner Sicht leider nicht erkennen, wie weit er schon von mir entfernt war. Da musste ich schon aus der Sitzbank heraus lugen, aber was wäre, wenn er mich dann sehen würde? Also musste ich mich auf mein Gehör verlassen, dass Gott sei Dank durch meine Musikstunden gut ausgeprägt war. Und als sich seine Schritte weit entfernt anhörten, kam ich unter der Sitzbank hervor und schlich mich so leise es ging in die entgegen gesetzte Richtung. Aber leider machen Pumps zu viel Krach ...

Er lief zum Gang zurück und rief freudig aus: "Da bist du ja!"

Ich antwortete mit einem entsetzten Kreischen und machte, dass ich weiter lief.

Die Verfolgungsjagd konnte weiter gehen.
 

Ich lief also so schnell ich konnte die Gänge entlang, bog mal nach links, mal nach rechts ab und er lief mir hinterher und rief immer wieder seine Standartsätze.

Und vielleicht hätte er mich letztendlich eingeholt (ich war schon ziemlich außer Puste und er, wie ich schon zuvor angemerkt hatte, ein sportlicher Typ), wäre da nicht die Treppe an dem Gang, an dem ich entlang lief. Wenn das nicht meine endgültige Rettung war, dann weiß ich auch nicht weiter! Also lief ich so schnell ich konnte zur Treppe und kauerte mich auf dem Boden unter ihr - und hoffte, endlich mal ein sicheres Versteck gefunden zu haben.

Keine Sekunde zu spät. Denn nun tauchte er wieder auf - ich hörte ihn rufen: "Wo bist du?"

Ich hörte, wie er die Treppe über mir nach oben lief und unterdrückte ein Kichern. Mein Plan hatte also doch geklappt! Aber zur Sicherheit würde ich hier doch eine Weile sitzen bleiben. Und wie es aussah, war es eine gute Entscheidung gewesen.

Er kam noch mal wieder.

Ich hörte seine Schritte, die die Treppe hinuntergingen und den Gang entlang liefen. "Wo kann sie denn bloß sein? Hat sie mich abgehängt und ist weg gelaufen? Aber das darf nicht sein, das KANN nicht sein!"

Ich erschrak von seiner Stimme. Sie hörte sich so traurig an, so niedergeschlagen. Hatte er es wirklich vorhin ernst gemeint? Aber das kann nicht sein! Dass er sich in mich verliebt haben soll - trotz ... trotz allem? Wie lächerlich! Reif für eine Seifenoper oder für einen Bollywoodfilm!

Erneut hörte ich ihn wieder kommen. Seine Schritte wurden langsamer und hörten dann schließlich genau über mir ganz auf. Dann hörte ich etwas, was sich so anhörte, als würde er sich auf die Treppe setzen.

"Rioroute, alter Junge, so eine findest du nie wieder!" murmelte er. Und dann haute er mit seiner Faust auf die Treppe (zumindest vernahm ich das Geräusch mit den Ohren) und brüllte: "Warum nur ließ ich sie entwischen? Ach, Mist!"

Gott im Himmel, der hörte sich tatsächlich enttäuscht an. Das tat mir schon sehr leid. Aber ich rührte mich nicht vom Fleck.

Und nach einer Weile hörte ich, wie er sich wieder erhob und weg ging. Hatte er aufgegeben? Wahrscheinlich ... Und zugegeben: ich schämte mich wegen meines Verhaltens. Doch schon in der nächsten Sekunde merkte ich, dass mein Kleid ganz staubig war von dem Boden auf dem ich saß, dass ich jetzt noch schweißnasser war als zuvor und meine Haare obendrein ziemlich durcheinander. Dazu kamen meine entsetzlichen Schmerzen an den Füßen - die verstärkt wurden durch die Schmerzen am Kopf, als ich nach einigen Minuten (nur um sicher zu gehen, dass er nicht mehr wieder kam) aufstand und meinen Kopf gegen die Treppe gestoßen hatte.

Erneut war ich wütend auf diesen Rioroute. Das war alles seine Schuld!
 

Trotz dieser unerträglichen Schmerzen musste ich quasi die ganze Schule durchlaufen, bis ich die Aula wieder fand. Schließlich war ich hier noch nie zuvor gewesen! Aber immerhin begegnete ich diesem Typen nicht mehr! Wahrscheinlich war er letztendlich doch weg gegangen. Danke dir Gott!

Als ich an der Aula ankam, hatten nur wenige bemerkt, dass ich fort gewesen war. Natürlich waren es meine Eltern und die Verwandten, mit denen ich am Tisch gesessen hatte. Sogar meine Cousine lächelte mir erleichtert zu. Wer hätte gedacht, dass sie an ihrer eigenen Hochzeit, wo sie doch eigentlich nichts außer ihrem Ehemann sehen sollte, auch bemerkt hatte, dass ich weg war? Aber das war typisch für sie - ihr fiel alles auf.

Und ich hatte natürlich eine Menge zu erklären ...

"Mensch Mama, ich sage doch, ich habe mich hier in der Schule verirrt und den Weg nicht mehr gefunden!" Nun, das war ja sogar nicht gelogen.

"Aber Schatz, nun schau dich doch an!", rief meine Mom entsetzt aus, "wie siehst du denn aus? Dein Kleid ist ja ganz staubig und deine Haare total durcheinander! Wenn du doch bloß mehr auf dein Aussehen ..."

"Mama, ich HABE auf mein Aussehen acht gegeben. Nur ist es schwer nach dieser unfreiwilligen Tour durch diese wahrscheinlich noch nie geputzte Schule noch gut auszusehen!" Na ja, DAS war gelogen. Ich hatte ganz vergessen, wie die Böden an den Gängen geglänzt haben ...

Aber nach einer Weile schaffte ich es, ihnen alles zu erklären, ohne dass es weit hergeholt klang. Was sollte ich denen sonst erzählen? Das ich von einem Volldeppen belästigt und sogar verfolgt worden bin - und dieser Volldepp sogar in fremdem Eigentum (in MEINEM Eigentum) gestöbert hatte? Da hätte ich ihnen sogar viel lieber was von einer Entführung von einem grünen Marsmenschen vorgegaukelt!

Doch nun, nachdem alles gut war, fühlte ich mich fröhlich und erleichtert - und so gut, wie schon lange nicht mehr. Dieser Kerl war weg. Für immer aus meinem Leben verschwunden. Und ich würde ihn wahrscheinlich nicht mehr sehen. Außer, wenn das Schicksal richtig fies zu mir sein sollte.

Aber erneut sollte ich schon bald lernen, was es heißt, sich "zu früh" zu freuen...
 

Die Feier war an sich wirklich sehr schön und es gelang mir sogar, Rioroute zu vergessen. Kurz vor Mitternacht machten wir uns zum Aufbruch bereit - meine Eltern, zwei Verwandte, die ein bisschen getrunken hatten und daher nicht selbst fahren konnten und ich. Natürlich hatte die Schule mehrere Ausgänge, aber für diese besondere Feier wurde sicherheitshalber nur die Haupttür offen gehalten. Ich wünschte mir, die hätten auch ein paar "Türsteher", die Unbefugten den Zutritt verweigern sollten, an der Tür positioniert. So wäre dieser Rioroute gar nicht erst in die Schule eingetreten. Aber wahrscheinlich hatte er dazu die Erlaubnis seines ...was machte er noch mal? Ach, ja: Kampfsportclubs.

Träumte ich? Sah ich ihn wirklich vor der Tür sitzen? Aber nein, das war sicher nur, weil mir dieser Kerl wieder eingefallen war und ich wahrscheinlich unter Verfolgungswahn litt.

Ganz ruhig, sagte ich mir also. Es ist nur eine Fata - Morgana.

Aber konnte auch eine Fata - Morgana bei meinem Anblick auf einmal so strahlen wie die Sonne persönlich?

Nein, nein, nein! Das gibt es nicht!!!

"Ich hoffte doch, ich habe dich nicht verpasst! Schön dich wieder zu sehen", sagte Rioroute.
 

Alle starrten ihn an wie einen in Tomatensaft eingelegten Ochsen und dann mich. Was war denn hier los, fragten sie sich sicher. Aber ich konnte ihnen keine Antwort geben. Denn ich war genauso ratlos, wie sie.

Also musste der Kerl alles erklären: "Als du mir weggelaufen bist, bin ich zurück zum Training gegangen. Aber ich dachte mir, dass du irgendwann aus der Schule hinausgehen würdest. Und da würde ich ein letztes Mal mit dir reden. Die anderen Türen waren alle abgeschlossen und so brauchte ich nur hier zu warten. Schön, nicht?"

Als ich immer noch nicht sprach, fuhr er fort: "Mein Trainer sagte mir, dass heute eine Hochzeit in der Schule gefeiert werden sollte. Da wusste ich nun direkt, warum du hier warst ... Mein Trainer war vielleicht sauer, dass ich mich vorzeitig vom Training abgemeldet habe! Aber das war es mir wert! Ebenso die ganze Zeit hier gewartet zu haben!"

Wieder einmal war ich tief beeindruckt. Wir hatten derzeit nicht gerade Hochsommer und um diese Uhrzeit war es draußen recht kühl. Und selbst wenn - die ganzen Stunden auf MICH gewartet zu haben ... Respekt! Wie viele Stunden waren es überhaupt? Wann hatte ich ihn noch mal getroffen? Ach, es spielte keine Rolle. So um die acht Stunden war es bestimmt. Und die waren sogar in schönem und angenehmem Wetter schwer zu ertragen.

Und wieder einmal hatte ich Mitleid mit ihm. Wieder einmal bewunderte ich ihn dafür, was er alles für mich tat (meinte er es doch ernst?). Und wieder einmal passierte etwas, was meiner Stimmung eine Kehrtwendung gab. Ja, vielleicht wäre alles gut gelaufen, wäre das mit den Eltern nicht passiert.

"Helen, kannst du mir bitte verraten, wer das ist?", fragte meine Mutter eisig.

"Mom, sorry, ich selber kenne ihn nicht, er ..." -

- "Mom?", unterbrach mich der Kerl. "Sie sind Helens Mutter?"

Mom zog eine Schnute:"Und wer sind Sie, junger M ..."

Rioroute lächelte: "Jetzt weiß ich, woher Helen ihre Schönheit hat!"

Meine Mutter wurde bei diesem Kompliment sichtlich verlegen; mein Vater dagegen immer wütender; die Verwandten, die mitgekommen waren, schauten sich überrascht an und mir war das Ganze entsetzlich peinlich.

Gott sei Dank hatten uns nicht noch mehr Verwandte begleitet.

Nun sprach mein Vater. Und er war wütend. "Wenn du nicht sofort sagst, wer du bist und was du mit meiner Tochter..." -

Aber auch dieses Mal wurde er unterbrochen. Rio fiel vor ihm auf die Knie und sagte: "Papa! Papa!!!! Bitte, bitte, würden Sie mir meine Tochter zur Frau geben?"

Ich wünschte, der Erdboden täte sich auf und würde mich unter sich begraben.

"Bürschen, wie sprichst du mit mir?", erboste sich mein Vater. Und dann sagte er zu mir: "Wir sprechen uns noch!"

Ich rechtfertigte mich: "Paps, bitte, diesen Kerl da bin ich heute nur zufällig über den Weg gelaufen und er ist einfach nur-"

Krank, wollte ich sagen. Aber ich wurde wieder unterbrochen.

"Ist der Junge etwa dein Freund, Helen?", fragte mich einer der Verwandten.

"Ich finde ihn ganz süß. Er hat hier die ganze Zeit auf sie gewartet!", sagte der Andere.

Meine Mutter aber entgegnete: "Helen hätte es mir sicher schon gesagt, wenn sie mit dem Jungen zusammen wäre!"

"Und sie ist zu jung für einen Freund!", bestimmte mein Vater.

"Schluss jetzt! Ich bin nicht mit ihm zusammen! Ich habe keinen Freund!" zischte ich. Mir reichte es.

"Keinen Freund, sagst du?", echote Rioroute strahlend. Dann, zu meinen Verwandten gewandt: "Wir sind zwar noch nicht zusammen, aber ich liebe sie. Ich liebe ihre Tochter! Bitte erlauben Sie es, dass ich wenigstens einmal mit ihr ausgehe!"

Nun war ich sehr froh, dass hier keiner dieser Türsteher standen. Er hätte sich sicher totgelacht - und da konnten so oder so Unbefugte rein kommen.

Denn nun ging das Chaos erst recht los:

"Keineswegs, junger Mann und ich gebe Ihnen den Rat, jetzt wegzugehen!", schimpfte Papa.

"Nun sei doch nicht so, Schatz!", meinte Mom. "Schau, wie er sich um sie bemüht!"

"Er ist noch ein Grünschnabel!"

"Aber ich weiß trotzdem, dass ich Ihre Tochter liebe und über alles auf der Welt glücklich machen will!"

"Habt ihr das gehört? Er ist wirklich sehr süß!"

"Warum nur hat Helen ihn uns nicht vorgestellt?"

Ich dachte echt, ich platze. Oder ich falle in Ohnmacht. Aber auf keinen Fall wollte ich das noch länger ertragen.

Ich schrie so laut ich konnte auf und sagte: "Hört mir denn keiner zu! Ich kenne den Kerl nicht und ich will nichts von ihm wissen! Er nervt! Hörst du: Du regst mich so auf und ich habe dir diesen misslungenen und peinlichen Tag zu verdanken! Ich hasse dich!"

Heulend lief ich weg. Ich lief zum Parkplatz, wo ich auf meine Eltern vor unserem Auto warten wollte. Keinen Augenblick länger hätte ich mir mit angesehen, wie dieser Blödmann mich so vor allen blamierte. DAS hatte er vorgehabt! Und deswegen hatte er auf mich gewartet! Schließlich wusste er, dass ich die Hochzeit um diese Uhrzeit nicht alleine verlassen würde. Warum nur hatte er sich so vor meinen Eltern daneben benommen? Damit hatte er auch mich in ein schlechtes Licht gerückt! Aber vielleicht wollte er das sogar - aus Rache, weil ich so grob zu ihm war. Nun, jetzt hatte er seine noch so kleinen Chancen vollkommen verspielt.

"Helen, bitte lauf nicht weg! Das habe ich doch nicht gewollt! Es ist doch nur ... ich will dich nicht verlieren!", hörte ich ihn flehentlich rufen.

Aber mir war das egal. Nun hatte der Kerl mich auch noch verletzt. Und ich konnte mich nicht einmal darüber freuen, dass ich ihn nun wirklich sicher zum letzten Mal gesehen hatte.
 

Ich hatte Glück, dass keiner mehr diesen Vorfall ansprach. Wahrscheinlich hatten alle so oder so begriffen, wie die Lage aussah. Aber es war mir sogar gleich. Denn ich war so oder so traurig und beschämt. Dabei hatte ich mich so auf diesen Tag gefreut!

Meine Eltern entschuldigten sich doch noch, dass sie mir nicht geglaubt hatten. Und danach ging es mir etwas besser.

Aber nur etwas.

Denn noch lange danach war ich wegen dieser Sache sauer, traurig und blamiert.

Nun wisst ihr es: Rioroute und ich begegneten uns an dem Ort, an dem Harry Potter und Ron Weasley einen riesengroßen, dummen, hässlichen und stinkenden Troll besiegt hatten.

Wahrscheinlich sollte ich das metaphorisch sehen.

Ist das nur Verfolgungswahn?

Ich konnte von Glück reden, dass der Tag darauf, ein Montag, ein Feiertag war und ich die Hochzeit angemessen „verdauen“ konnte. Damit meinte ich weniger die Müdigkeit und Kraftlosigkeit, wie die auch normalerweise nach einer langen Party auftritt, sondern viel eher die Ärgernisse des Tages. Je mehr Mühe ich mir gab, diesen Rioroute aus dem Kopf zu streichen, desto mehr brannte er sich dort ein. Und das war für mich am ärgerlichsten.

Nach einer Weile beschloss ich, meine Freundin Ritz aufzusuchen und ihr alles haarklein zu erzählen. Sie brannte ohnehin darauf zu erfahren, wie die Hochzeit gelaufen war.

Und natürlich redete ich weniger von den Geschehnissen bei der Feier, sondern schimpfte über diesen unsäglichen Vollidioten, von dem ich mir wünschte, ihn nie getroffen zu haben.
 

Ritz aber war seltsamerweise überrascht, dass ich mich so ablehnend ihm gegenüber verhalten hatte. „So wie es sich anhört, wollte er wirklich nur nett zu dir sein. Und nicht mehr. Daher fand ich, ehrlich gesagt, es etwas übertrieben, ihn so zu beschimpfen.“
 

„Ritz, du warst nicht dabei!“, rechtfertigte ich mich. „Der Kerl war nicht einfach nur nett, er hat auf Teufel komm raus rumgeflirtet. Und mich obendrein oftmals in eine dumme Situation gebracht.“
 

„Sicher, aber für mich kam das so rüber, dass er einfach unsicher war und nicht mehr wusste, was er noch tun musste, um dich für sich zu gewinnen!“, war Ritz’ Meinung.
 

„Der und unsicher?“, fragte ich ungläubig, „obwohl er ganz unvermittelt sagen kann, dass er mich liebt, ohne rot zu werden?“
 

„Ich weiß ja auch nicht, Helen. Ich denke einfach nur, dass wenn du von Anfang an nett zu ihm gewesen wärst, dann wären all diese dummen Sachen danach nicht passiert.“
 

Ritz wand sich erneut ihrer Staffelei zu, tunkte ein Pinsel in eine Farbmischung, die sie gerade eben während unseres Gesprächs gemacht hatte und begann, an dem Blatt Papier rumzuklecksen. Elende Hobbymalerin, dachte ich. Natürlich mochte ich Ritz sehr gerne; sie war ja schließlich meine beste Freundin und auch sonst ein netter Mensch. Aber sie beurteilte jede Situation stets von beiden Seiten und teilte dann ihre Meinung mit – selbst wenn es hieße, dass ihre Ehrlichkeit größer sein sollte, als ihre Loyalität. Ich persönlich war natürlich auch der Meinung gewesen, dass ich manchmal zu grob zu Rioroute gewesen war, aber für Ritz war ich wohl an allem Schuld, so wie es schien ...
 

Während sie an ihrem Bild arbeitete, sagte Ritz: „Schau, Helen, ich meine es doch nicht böse. Es ist nur ... du beschwerst dich immer, dass dich kein Junge beachtet und jetzt, wo dich einer beachtet, beschwerst du dich auch ... das finde ich schon komisch. Es ist doch nett, wenn jemand solche Komplimente macht. Und für ihn warst du, wie es sich anhörte, auch mit Brille schön.“
 

„Sicher“, spottete ich. „Der wollte mich einfach nur abschleppen. Die Kerle haben echt nur eins im Sinn!“
 

„Mag sein, dass es viele Jungs gibt, die so sind. Aber ich bin mir ganz sicher, dass es auch sensible Typen gibt, die einfach schüchtern sind und sich auch nur nach einer Beziehung sehnen. Rioroute gehört für mich zu der zweiten Sorte“, meinte Ritz.
 

Ich seufzte: „Eher zu der ersteren. So wie er sich benommen hat! Wie ein Elefant im Porzellanladen!“
 

„Das zeigt doch nur seine Unsicherheit“, rechtfertigte sich Ritz. „Und hast du mir nicht gesagt, dass er sehr traurig zu sein schien, wenn er dachte, er sähe dich nie wieder?“
 

Ich zuckte die Achseln. „Es ist doch nicht meine Schuld, dass ich keine Ahnung habe, was in den Köpfen der Kerle so vorgeht!“ Ich musste zugeben, dass ich in dem Moment schon etwas sauer war, dass sich meine Freundin auf die Seite dieses dahergelaufenen Kerls stellte, den sie nicht einmal kannte und – so kam es mir vor – nicht einmal versuchte, ihre eigene beste Freundin auch nur ein wenig zu verstehen.
 

Ritz sagte nach einer Weile nichts mehr. Und dann fragte sie: „Was hat denn Drake zu dem Typen gesagt?“
 

„Er hat den Kerl ja überhaupt nicht gesehen, er war ja nicht dabei, als ich aufs Klo ging und später die Feier verließ. Er saß an unserem Tisch, ja, aber ich sagte doch, ich habe dort kein Wort über diesen Rioroute verloren – in der vergeblichen Hoffnung, dass ich ihn nie wieder sehe.“
 

Drake Branford war der „kleine“ Bruder meiner Cousine, die seit heute offiziell verheiratet war. „Klein“ aber nur vom Alter her. Allein die Vorstellung, dass Drake „klein“ war, brachte mich zum Schmunzeln, wo doch er beinahe 2 Köpfe größer war als ich. Er war aber nur ein paar Monate älter als ich und ging daher in dieselbe Klasse wie Ritz und ich. Drake war auch gleichzeitig der Chef einer Motorradgang, die nichts anderes zu tun hatten, als zu randalieren, Straßenschlachten durchzuführen und die schönsten bzw. dümmsten Weiber abzuschleppen. Drake aber war ganz anders. Vielleicht war das auch der Grund, warum der die Gang anführte; schon allein auf dem ersten Blick strahlte er Würde und Respekt aus.

Für mich war es immer seltsam, warum ausgerechnet Drake zu der Gang gehörte – er behielt immer einen kühlen Kopf, war durch nichts aus der Ruhe zu bringen und handelte stets intelligent aber auch menschlich.

In unserer Klasse hatte er eine Menge Freunde, aber mit Ritz und mir war er besser befreundet, als mit jedem anderen. Mit Ritz Sogar noch besser, als mit mir. Schließlich war ich ja mit Drake verwandt und wir kannten uns schon ein Leben lang; es war gewissermaßen Pflicht, dass wir uns gut verstanden. Aber mit Ritz war das etwas anderes. Und die beiden hatten so etwas wie einen Draht zueinander; etwas, dass ich in der Stärke weder zu dem einen noch zu dem anderen hatte. Die beiden verstanden einander in jeder Situation und konnten nur mit einem Blick auf den jeweils anderen erraten, was dieser dachte.

Aber ich war wegen dieser „Beziehung“ nicht eifersüchtig; ich war sehr froh, dass ich die Beiden überhaupt hatte.

Damit ihr es nicht falsch versteht: die beiden sind wirklich NUR Freunde und nichts wird sich daran ändern. Das zeigt schon allein Ritz’ Reaktion, wenn man sie mit Drake aufzieht. Sie ist der Weltmeister der Selbstbeherrschung, aber in dem Fall kann sie ernsthaft wütend bis gar gemein werden.
 

„Na ja, wie auch immer: Wie es aussieht, wirst du ihn auch nicht mehr wieder sehen!“, schloss Ritz. „Daher solltest du ihn am besten vergessen, wenn du ihn so unerträglich fandest – ich bin der Meinung, dass über den Typen zu schimpfen nichts bringt und obendrein vergeudete Zeit und Energie ist.“
 

Nun ja, das stimmte wiederum. Ich beschloss, diesen Worten Folge zu leisten und mich nicht mehr über diese Geschehnisse aufzuregen. Schließlich konnte ich diesen Störenfried auf diese Weise am besten aus meinem Kopf verbannen – für immer!!! Und was nützte es mir schon, mich darüber auszulassen, was passiert war? Vorbei ist vorbei. Rioroute war ein Ärgernis, aber ein VERGANGENES Ärgernis.
 

Und mit diesen Worten ging ich nach dem freien Tag wieder in den Schulalltag hinein. Mir gelang es auch, Rioroute vollständig aus meinem Kopf zu streichen und mich wieder den Schulaufgaben zu widmen. Gott sei Dank, denn ich brauchte einen klaren Kopf, um so viel zu lernen wie möglich; ich konnte es nicht zulassen, wenn wertvoller „Platz“, in dem wichtige Informationen gelagert werden konnten, mit Gedanken an diesen Dummkopf voll gestopft waren. So schlüpfte ich wieder in den Alltag hinein – Schule und die Lernerei nach der Schule. Ich war wieder in meiner alten Rolle der Streberin gelandet, die außer von ihren Freunden von niemanden sonst beachtet wurde…na ja, außer von den Lehrerinnen und Lehrern während der Unterrichtsstunden natürlich. Fand ich zwar traurig, aber ich dachte mir: WENN sie alle mich schon nicht beobachten; warum um ihre Zuneigung, die ohnehin nie da sein wird kämpfen? Warum sich nicht stattdessen über sie durch gute Noten stellen? Aber nicht einmal dies gelang mir immer. Denn neben mir gab es noch einen anderen Jungen, der ausgezeichnet war. Bei ihm kam es aber nicht vom Lernen, weil er kaum Zeit dazu hatte ...

Shinichi Kudo, Mitglied unserer Schulfußballmannschaft und seines Zeichens Detektiv.

Und zwar ein verdammt guter.

So gut, dass er sogar meist der Polizei bei ihrer Arbeit half ... um nicht zu sagen: ihre Arbeit MACHTE.

Es hieß, er konnte selbst die kniffligsten Fälle lösen.

Shinichi war sehr klug, schaltete schnell, konnte sich vieles leicht merken, und blitzschnell kombinieren und hatte auch noch eine für einen Jungen erstaunliche Intuition. Daher hatte er kaum Schwierigkeiten in der Schule.

Aber ich ärgerte mich nicht wegen diesen „Rivalen“. Im Gegenteil: ich ... bewunderte ihn.

Man munkelt zwar, dass er heimlich was mit Saiki Haneda (eine Klassenkameradin und genau das Gegenteil von mir – offen, selbstbewusst, immer im Mittelpunkt und wohl der Traum jedes Jungen), aber das glaube ich nicht. So wie sich die Beiden immer streiten!

Sicher, es heißt ja: Was sich liebt, das neckt sich.

Aber demnach müsste ich mich auch in Rioroute verliebt haben!

Bääh, schon allein bei dem Gedanken kommt mir mein Essen wieder hoch.

(Hatte ich mir nicht gesagt, ich soll nicht mehr an ihn denken?)
 

Die Woche war auch sonst wie üblich vorbei gegangen. Ich war sehr froh, dass das Wochenende vor der Tür stand und ich mich nicht nur ausruhen konnte, sondern auch endlich mehr Zeit zum lernen hatte.

Am Samstag wurde ich schon um 8 Uhr früh wach.

Schon wieder diese blöden Nachbarn, dachte ich. Wie auch jedes Wochenende sonst.

Warum mussten sie auch jeden Samstag und Sonntag so einen Höllenlärm draußen veranstalten – und das in aller Herrgottsfrüh!

Aus meinem Mund kam ein ärgerlicher und nicht gerade feiner Ausdruck, als ich mich auf die andere Seite drehte und mein Kissen gegen meine Ohren presste.

Klar, das Wochenende ist sicher für jeden Menschen etwas, worüber man sich freute. Aber musste man immer um 8 Uhr Morgens draußen Dialoge in ziemlicher Lautstärke führen? Oder Gartenarbeit verrichten, oder was sie auch sonst immer taten, was sich so anhörte, als würde eine schwere Schaufel über Beton kratzen ...

Aber wenn man eine Wohnung zwangsweise renovierte und dabei laut hämmerte und bohrte, dann standen schon nach fünf Minuten die ersten auf der Matte und beschwerten sich!

Nein, ich hörte auch durch das Kissen hindurch diese albernen Stimmen.

Warum MUSSTEN sie auch so laut sein?

Schon mal an andere Menschen gedacht?

Aber an Schlafen war nun nicht mehr zu denken.

Brummend und genervt stöhnend öffnete ich die Augen und blinzelte in die Morgensonne, dessen Strahlen direkt durch mein Zimmerfenster auf das davor stehende Bett fielen – mein Bett natürlich.

Die Stimmen draußen wurden lauter.

Nein, verbesserte ich mich in Gedanken. Das da draußen war nur EINE Stimme. Und sie hörte sich nicht an, wie eine Stimme, die sprach.

Gott, die mussten ja gut drauf sein wegen dem bevorstehenden Wochenende! Oder warum sonst sangen die da draußen? Sicher, verrückt waren die Nachbarn ja, aber doch nicht SO.

Ich streckte mich, stand auf und suchte in meinem Schrank nach frischer Wäsche. Sicher würde mich eine Dusche richtig aufwecken.

Der Gesang draußen wurde lauter.

Feierten die da draußen eine Party, oder was?

Oder verehrten sie neuerdings irgendwelche Kannibalengötter, die sie mit ihrem Gesang besänftigen wollen?

So hörte sich der Gesang jedenfalls an. Ziemlich falsch und viel schlimmer als ein Rudel jaulender Wölfe.

Dieter Bohlen hätte, wenn er das gehört hätte, mit Sicherheit einen tödlichen Herzinfarkt bekommen.
 

Dennoch siegte meine Neugierde und ich wollte unbedingt wissen, wer denn da so schaurig sang.

Ich schob meinen Spitzenvorhang zur Seite, schaute aus dem Fenster auf unseren Vorgarten und ... kniff mich sogleich in meinen Arm. Ich musste träumen! Mit Sicherheit war es ein Traum. Ein Alptraum!!!

Aber nein: der Kniff tat weh. Das da unten war also kein Traum. Viel schlimmer: es war real.

In unserem Vorgarten und direkt vor meinem Fenster stand Rioroute Vilgyna und sang mit ausgebreiteten Händen und aus ganzer Kraft irgendein Lied, dass ich nicht identifizieren konnte.
 

Zuerst dachte ich, er hätte mich noch nicht gesehen und ich könnte mich verziehen und zumindest so tun, als ob es ein Alptraum wäre. Aber schon im nächsten Moment wusste ich es besser: seinem Strahlen im Gesicht und seiner immer lauter und schiefer werdenden Stimme nach zu urteilen, hatte er mich bemerkt.

Also MUSSTE ich nun wohl oder übel handeln.
 

Aufgebracht öffnete ich das Fenster und schrie nach draußen: „Sag mal, schämst du dich nicht? Verschwinde sofort von hier, oder ich…“
 

„Oder du ‚was’?“ Herausfordernd blickte er mich an.
 

„Oder ich rufe die Polizei und zeige dich wegen Ruhestörung an!“ brüllte ich.
 

„Mach doch, Helen!“, sagte er mit einem Grinsen. „Ich dagegen werde sagen, dass ich lediglich für meine Angebetete singe und dass ich nicht wusste, dass es falsch ist, wenn man einem anderen zeigt, wie sehr man ihn liebt!“
 

„So zeigst du also deine ‚Liebe’? Mit diesem Dampfwalzenkonzert am frühen Morgen? Vielen Dank! Und jetzt hau endlich ab!“ Ich spürte, wie sich mein Gesicht vor Wut verzog.
 

„Und ich dachte, Mädchen stehen drauf, wenn man für sie singt! Da habe ich den weiten Weg zu dir gemacht und nun das!“
 

‚Den weiten Weg gemacht…’

Diese Worte klangen die ganze Zeit in mir nach und doch wusste ich nicht, was sie zu bedeuten hatten.

Und dann fiel es mir ein. Es fühlte sich an wie ein Schlag mit einem Hammer auf den Kopf.
 

„Augenblick mal!“, schrie ich ihn an. „Woher hast du meine Adresse?“
 

Aber er zwinkerte nur und antwortete: „Ziemlich vielseitig, so ein Personalausweis!“
 

Ich klatschte mir auf den Kopf. Aber natürlich! Der Personalausweis! MEIN Ausweis!

Der Ausweis, den Rioroute in der Hand gehalten hatte. Er hatte nicht nur mein Foto begutachtet, sondern auch meine Anschrift genau studiert.

Ich dumme Kuh! Ich ausgekochte, verblödete, dauerschlauchstehende, hirnamputierte Kuh! Wieso hatte ich nicht vorher daran gedacht?

Dann hätte ich noch ein paar Tage Zeit gehabt um ... um meine Eltern dazu zu überreden, auszuwandern. Am besten nach Alaska. Dort fände er mich nie!

Auch wenn es so schrecklich war, von DEM DA fliehen zu müssen…

Auch wenn er uns mit Sicherheit verfolgen würde ...

Trotzdem – etwas hätte ich mit Sicherheit unternommen. Vielleicht einen Dobermann angeschafft, der nun Jagd auf ihn machen konnte ...

Und so hatte ich meinen einzigen Trumpf verspielt. Meinen einzigen Zufluchtsort zerstört.

Aber so konnte ich mich nur wegen meiner unbeschreiblichen Blödheit ärgern. Und diesem Volldeppen zuhören.
 

„Ich verstehe nicht, warum es dir nicht gefällt! Liegt es vielleicht an dem Lied? Ja, ich gebe es zu – ziemlich schlechte Wahl! Aber ich habe auch ‚My heart will go on’ drauf!“
 

Und so leierte er los und ich konnte nur bei dem Gesang meine Ohren zudrücken.

Hätte Rose DeWitt-Bukater damals diesen Gesang gehört, dann hätte sie sich aus lauter Verzweiflung in die Fluten des Nordatlantiks gestürzt.

Oder viel schlimmer: Sie hätte Caldon Hockley geheiratet.
 

Jedenfalls war meine Geduld, die bisher ohnehin am seidenen Faden gehangen hatte, vollkommen dahin.

Ich haute voller Zorn mit ganzer Kraft auf die Fensterbank, so dass sich sogar ein wenig Putz von der Decke gelöst hatte. Laut brüllte ich nach draußen: „Es liegt überhaupt nicht an dem Lied oder an sonst was! Es liegt einfach nur an DIR! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich vollkommen nervst und ich nichts von dir will! Und ich werde es auch niemals tun! Das, was du da veranstaltest, ist peinlich! Hast du denn gar keinen Anstand? Kennst du keine Grenzen?“
 

„Ich würde alles tun, damit du endlich die Meine bist!“, rief er und sang weiter.
 

„Ja? Dann tu mir den Gefallen und verschwinde! Lass mich endlich in Ruhe! Und ich werde nie die Deine sein, oder geht das bei dir etwa nicht rein?“, übertönte ich das Geleiere.
 

„So viel habe ich schon kapiert“, konterte er selbstbewusst, „aber ich bin der Letzte, der aufgibt!“
 

Das konnte ja heiter werden! So wie es sich anhörte, würde er wohl bis an mein Lebensende vor meiner Zimmertür stehen und singen. Am besten noch in seinen Seniorenjahren – mit seinem Krückstock in der Hand! Und ich war mit meinem Latein am Ende. Was sollte ich denn sonst machen, um diesen Sturkopf zur Raison zu bringen?
 

Und wie schon damals kam es sogar noch schlimmer ...
 

Ich hörte vom Schlafzimmer der Eltern nebenan Geräusche, die ich nicht einordnen konnte – wegen dem Gejaule draußen. Aber dann verstand ich, dass es das Geräusch von einem Fenster war, der geöffnet wurde. Denn schon in dem nächsten Augenblick schrie mein Vater: „Was ist denn hier ... Ach, du meine Güte! SIE?“
 

Rio winkte meinem Vater und rief fröhlich: „Schönen guten Morgen, Sir! Ich bringe gerade ihrer Tochter ein Ständchen! Oder haben Sie vielleicht einen Musikwunsch?“
 

Gott, der hatte Nerven! Und – wie ich schon lange vorher gemerkt hatte – nix im Kopf. Jeder andere hätte vorher überlegt, was er sagte. Was er zum Vater seiner Angebeteten, der kochte wie ein Teekessel, sagte.
 

„Machen Sie sich etwa über mich lustig, Bürschchen? Sie wagen es, unsere morgendliche Ruhe zu stören und dann auch noch so mit mir zu sprechen?“ schrie mein Dad.
 

„Aber, Herr Schwiegervater, niemals wollte ich Sie stören, ich wollte lediglich ...“, rechtfertigte sich Rioroute, wurde aber sofort von meinem Vater unterbrochen: „Wagen Sie es nicht noch mal, mich so zu nennen! Woher nehmen sie bloß ihr Benehmen her? Hat man es Ihnen etwa nie beigebracht?“
 

„Doch“, nickte Rioroute. „Aber man hat mir auch beigebracht, um das, was mir wichtig ist, zu kämpfen!“

Nein, wie ‚rührend’! Wie ein echter Soldat in der Schlacht! Doch leider kannte Mr. James Ryan wohl meinen Vater schlecht ...
 

„Ihre Unverschämtheit ist maßlos! Gehen Sie sofort von meinem Grundstück, oder ich hole die Polizei! Oder ich komme gleich runter, wenn es Ihnen nicht ausreicht!“ brüllte Dad.
 

„Schatz, nun sei doch nicht so“, hörte ich meine Mom sagen, aber Dad entgegnete noch lauter: „Dieser Kerl soll gefälligst die Finger von meiner Tochter lassen! Und uns in Ruhe!“
 

Vielleicht wäre alles doch noch ohne jegliche Peinlichkeiten abgelaufen. Wenn sich jetzt nicht von allen Seiten Fenster öffnen würden – und zahlreiche Nachbarn daraus hervorschauen würden.

Jetzt fingen sie auch noch an, alle auf einmal zu schreien:
 

„Was soll denn das ganze Theater?“
 

„Was ist das für ein Krach am frühen Morgen?“
 

„Kann man denn hier nicht einmal in Ruhe schlafen?“
 

„Mr. Riley, was erlauben Sie sich?“
 

„ICH erlaube mir nichts!“, rechtfertigte sich mein Vater. „Es ist dieser Frechdachs da draußen!“

Bitte, bitte, Dad, sag es nicht, bitte sag es nicht, bitte ...

„Kommt hier einfach an und belästigt meine Tochter am frühen Morgen!“

Boah, Danke, Dad! Vielen, lieben Dank! Wo war noch mal die Zeitung mit den Wohnungsanzeigen?

Wie auf Stichwort redete nun auch der Übeltäter: „Es tut mir Leid, dass ich Sie alle aufgeweckt und belästigt habe. Es ist nur so: ich mache Helen Riley den Hof und wollte sie mit einem Lied aufwecken. Leider freut sie sich nicht so darüber, wie ich dachte ...“

Ich schrie zur Antwort: „Kein Wunder! Ich habe dir schon so oft gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen! Und du nervst weiterhin rum, schlimmer noch: bringst mich von einer peinlichen Situation in die nächste! Du bist echt das Schlimmste, was diese Welt jemals hervor gebracht hat!“
 

Im selben Moment haute ich mir mit der Hand auf den Mund. Oh, warum musste ich auch nur so gemein sein? Auch wenn es die einzige Möglichkeit war, diesen Kerl loszuwerden ... das hätte nicht sein sollen!

Alle Zuhörer hielten den Atem an und meine Mutter mahnte: „Helen, entschuldige dich sofort! Musst du so grob sein?“

Rioroute war vor diesen Worten zurück geschreckt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich an und dann wurden sie auf einmal ausdruckslos und leer.

„E ... entschuldige bitte“, hörte ich mich sagen, noch eher ich merkte, was ich tat.

„Ich ... es tut mir auch Leid, dass ich Sie so angefahren habe“, fuhr mein Vater fort, „bitte ... gehen Sie wieder!“

Er schloss das Zimmerfenster, aber ich konnte nur wie gelähmt auf diese traurige Gestalt da draußen starren.

Versteht mich bitte nicht falsch! Ich kann ihn nach wie vor nicht leiden und meine Gefühle werden sich auch nie ändern!

Es ist nur – ich weiß doch schließlich selber, wie weh so was tun kann ...

Nun hatte ich genauso gehandelt, wie jemand, der ich nie sein wollte ...

„Rioroute, ich ... es tut mir leid!“, wiederholte ich matt.

Er schüttelte den Kopf. Und dann ... auf einmal lächelte er. Das war ein ganz anderes Lächeln, als ich es bisher gesehen habe, nicht dieses Fröhliche.

Nein, es war ein entschlossenes Lächeln. Das Lächeln eines Ritters, der eine unzerstörbare Festung stürmen wollte ...

Und als er sich umdrehte und ging, sah ich, wie seine Augen funkelten.

Und ich hörte ein leises Flüstern, das verdächtig nach „Keine Sorge! Ich gebe nicht auf!“ klang ...
 

Mit diesen Worten bekam ich auch eine schlimme Vorahnung, die sich schon am nächsten Tag bewahrheitete. Den gesamten Samstag verbrachte ich ruhig und ohne Störungen und konnte auch am Sonntag prima ausschlafen. Und mittags dann, als meine Eltern unten im Wohnzimmer fern guckten und ich oben in meinem Zimmer lernte, hörte ich es dann:

„Du bist die Schönste auf der Welt,

dein Gesicht ist echt entzückend,

ich wäre doch so gern dein Held,

das wäre für mich erquickend!“

Aufgebracht sprang ich von meinem Schreibtisch hoch, öffnete das Fenster und warf eine Decke nach draußen. Ich hoffte sehr, mein Ziel getroffen zu haben. Und wirklich: sein Gesang wurde dadurch stark gedämpft. Trotzdem konnte ich noch eine letzte Strophe seines doofen Liedes hören:

„Da schmeißt sie doch eine Decke auf mich,

und das finde ich entrüstend!

Die Mühe, die ich mir mache, würdigt sie nicht,

und das ist doch echt beschämend!“
 

Und so hatte ich keine Ruhe mehr. Es nützte gar nichts, dass ich mich bei meinen Eltern beschwerte – mehr, als sich über Rioroutes Starrsinn aufzuregen und mich aufzubauen, konnten sie nicht machen. Meine Mutter war sehr geduldig und gutmütig – so schnell würde sie ihm nicht den Garaus machen. Mein Vater hätte ihm nur zu gerne Feuer unterm Hintern und diesem Wahnsinn ein für alle Mal ein Ende gemacht, aber er war leider bei diesen Singattacken nie anwesend – entweder bei der Arbeit oder sonst wo unterwegs. Ich weiß nicht, woher dieser Dummkopf diese Voraussicht und dieses Geschick nahm um stets den Moment zu wählen, in dem mein Vater nicht da war. Zufall konnte es nicht sein – so viele Zufälle auf einmal gab es einfach nicht.

Jeden Tag kam er, um irgendwelche Balladen vor meinem Fenster zu schmettern. Sei es was Eigenes oder Lieder aus den Charts. Und damit nicht genug: Er hatte sich jetzt auch noch „Backgroundsänger“ auf seine Seite geholt – Jake, der kleine Junge unserer Nachbarn von rechts und Flick, der Hund unserer Nachbarn von links. Ich wurde beinahe wahnsinnig und wusste nicht mehr, wie ich diesen Attacken entgehen konnte. Schimpfen konnte ich nicht mehr – ich hatte keine Kraft mehr dazu und außerdem waren mir alle Schimpfwörter und Argumente ausgegangen. Alles, einfach ALLES habe ich ihm an den Kopf geworfen – ohne Erfolg!

Selbst die Nachbarn schrien ihn aus ihren Fenstern heraus an und drohten mit der Polizei, dem Irrenhaus und allerlei, aber er grinste nur und sang weiter.

Aber auch außerhalb dieses schrecklichen Konzertes fühlte ich mich schrecklich. Am liebsten hätte ich mich einfach nur in meinem Zimmer verschanzt – in einer aus Decken und Matratzen gebauten Höhle. Nichts sehen, nichts hören.

Denn jedes Mal, wenn ich nach draußen ging – sei es nun in die Schule, oder zum einkaufen – tuschelten die Nachbarn unter vorgehaltener Hand über mich. Worum es in ihrer Unterhaltung ging, war unschwer zu erraten. Die Männer ärgerten sich, weil sie keinen ruhigen Tag mehr verbringen durften – und ich war ihrer Meinung nach Schuld daran, warum auch immer. Aber noch schlimmer war, dass die Frauen alle seufzten und lächelten und stets beteuerten, wie romantisch sie das Ganze fänden – wo gab es denn heutzutage noch Jungen, die für die Mädchen vor ihren Fenstern sangen?

„Wie in einem echten Liebesroman!“, schwärmte eine Nachbarin.

„Ich wünschte nur, mein Mann würde auch nur ansatzweise so viel Romantik an den Tag legen, wie dieser Junge“, entgegnete eine Andere.

Ich begriff: das war der wahre Grund, warum die Männer in unserer Nachbarschaft sauer waren – Rioroute setzte anscheinend ein Standart, mit dem sie nicht konkurrieren konnten.

Ich weiß noch heute nicht, wie ich es schaffte, diese elende Singerei von dem Dreckskerl und die Klatscherei der Nachbarn an jeder Ecke zu ertragen.

Nur eins weiß ich: Gäbe es einen Orden für Masochisten, so hätte er mir zugestanden.
 

Fünf Tage später sang der Kerl immer noch täglich vor meinem Fenster. Ich hatte beschlossen, ihn zu ignorieren. Wenn schon alles Schimpfen und Zetern nichts nützte – vielleicht würde er ja abhauen, wenn man so tat, als wäre er nicht da? Ich wusste nicht, ob das helfen würde, aber wenn ich ehrlich bin: ich wusste auch sonst nichts mehr. Und außerdem: Als ich ihn anbrüllte, hatte ich ihm meine Aufmerksamkeit geschenkt. Etwas, was ihn nur noch mehr bei seinem Vorhaben gestärkt hatte. Würde er vielleicht aufgeben, wenn ich nicht auf seine Darbietungen reagieren würde? Probieren könnte man es ja ...

Des Weiteren verspürte ich den erneuten Wunsch, auszuwandern.

Nein, ich machte mir sogar einen Plan.

Sobald Dad von der Arbeit kam, würden wir drei direkt zum Flughafen fahren und von dort aus den ersten Flug nach Alaska nehmen. Oder in die Seychellen. Oder sonst wo, wo man uns nicht vermuten würde. Vielleicht würde so eine Art ‚Zeugenschutzprogramm’ nötig werden.

Ich würde meine neue Adresse nur an Ritz und Drake weitergeben und sie dazu zwingen, zu schwören, dass sie diese keinem Menschen weitergaben. Selbst bei der allerschlimmsten Folter nicht.

Na ja, vielleicht würde ich die Adresse auch – sofern er mir natürlich schreiben würde – Shinichi geben. Dem konnte man sicher auch trauen ...
 

In der zweiten Woche des unfreiwilligen Konzertganges versuchte ich, so wenig Zeit wie möglich zu Hause zu verbringen. Alles, nur um diesen Wirrwarr zu entrinnen. Mag ja sein, dass ich feige handelte, aber ich war mit meiner Geduld, meiner Selbstbeherrschung und meinem Latein am Ende. Zu gefährlich war es, weiterhin noch so zu leben.

Ich nahm auf einmal Tätigkeiten in der Schule an, die man anderen Schülern nicht einmal mit Erpressung und Folter aufzwingen konnte – wie z. B. das Pflegen des Schulgartens, die Säuberung des Klassenzimmers etc. Das hatte den unschätzbaren Vorteil, dass ich viel später zu Hause war als sonst. Und somit meist sowohl den giftigen Blicken der Nachbarn als auch dem männlichen Sirenengesang zu entrinnen. Außerdem war ich oft bei Ritz, machte mit ihr zusammen die Hausaufgaben, malte mit ihr oder schaute fern.

Einmal fuhr ich sogar mit Drake weg. Seine Motorradgang staunte zwar alle Bauklötze, dass Drake ein Mädel auf seinem Mofa sitzen hatte, dass alles andere als eine heiße Mieze war, aber mir war es gleich.

Ich merkte auch, dass die anderen aus der Gang meine Anwesenheit missbilligten (ihre todbringenden Blicke, die sie mir zuwarfen, sprachen Bände), aber offensichtlich hatten sie so großen Respekt vor Drake, so dass sie sich nicht trauten, ihre Meinung zu sagen – obwohl sie in dem Bezug noch nie auf dem Mund gefallen waren.

Aber was soll’s: Was die dachten, konnte mir doch egal sein!

Besser, als in Gesellschaft dieses Dummochsen von Rioroute zu sein.
 

Und dann, genau zwei Wochen, nachdem er das erste Mal vor meinem Zimmerfenster gesungen, sprich: gebrüllt hatte, kam er erneut. Dieses Mal zwar nicht früh am Morgen, aber am Vormittag. Aber dieses Mal war mein Vater zu Hause.

Und sobald der erste Ton aus Rioroutes Mund gekommen war, stürmte auch schon mein Vater zu ihm in den Vorgarten. Wie – ich konnte es nicht anders beschreiben – ein sehr gereiztes Nashorn.

Zuerst dachte ich, er würde Rioroute verprügeln. So sah das im Ernst aus. Und ehe ich zum Entschluss kam, dass ich das nicht will, hörte ich meinen Vater draußen schreien:

„Ich dachte, ich habe mich klar ausgedrückt? Gehen Sie sofort und kommen Sie nie wieder her!“
 

Rioroute schien vor meinem Vater zusammenzusinken, aber er schaffte es, zu murmeln: „Bitte, entschuldigen Sie, ich wollte nur für ihre Tochter ...“
 

Aber mein Dad wurde dadurch nur noch wütender: „Merken Sie denn nicht, dass Sie uns vor allen Nachbarn zum Gespött der Straße machen? Überall, wohin wir auch gehen – jeder redet über uns! Und alles wegen Ihnen! Schämen Sie sich denn nicht?“
 

Der Typ murmelte: „Ich wollte nur ...“, aber mein Vater unterbrach ihn: „Das ist es ja! SIE wollen dies und SIE wollen das! Aber haben Sie schon einmal überlegt, was HELEN will? Was HELEN von ihrer Aktion hält? Und was es für Folgen für sie hat?“
 

Rioroute zuckte zusammen und schaute entsetzt nach oben. Ich hatte die Szene von meinem Fenster aus beobachtet und wollte mich ducken, damit er mich nicht sah, aber es gelang mir nicht. Sein Blick hatte mich irgendwie paralysiert. So … traurig und verzweifelt.
 

„Offensichtlich haben Sie es nicht getan“, stellte Dad fest, „denn sonst hätten sie schon längst damit aufgehört! Von überall her erzählt man sich, meine Tochter würde nichts anderes tun, als junge Männer zu umgarnen – so, wie die für sie singen! Dabei ist Helen alles andere als so eine ... als so eine Art Mädchen. Sie ist unschuldig! Dank Ihnen sind diese Gerüchte überall im Umlauf! Und auch sonst ... durch Ihre Einlagen haben meine Frau und ich keine ruhige Minute mehr! Alles nur, weil Sie, wie Sie sagten, Ihre Liebe zu meiner Tochter beweisen wollen! Wissen Sie was: Ich glaube nicht, dass Sie sie lieben!“
 

Der Typ sagte gar nichts und starrte mich die ganze Zeit an. Sein Blick war müde und leer. So wie der vor zwei Wochen, als ich ihn unkontrolliert beleidigt hatte. Lange standen wir drei da und sagten nichts – mein Dad und Rioroute in unserem Vorgarten und ich an meinem Fenster.
 

Schließlich räusperte sich der Kerl und sagte mit gezwungener, fester Stimme: „Es ... tut mir leid, Sir. Und auch du, Helen – bitte entschuldige! Das habe ich doch gar nicht gewollt! Ich wollte doch nur ...“ Und auf einmal drehte er sich, kaum waren diese Worte gefallen, blitzschnell um und lief weg.
 

„Danke, Dad!“, murmelte ich und er nickte mir zur Antwort.

Sicher – traurig war es schon, wie der Kerl mich angestarrt hatte. Ich hatte kapiert, dass das Letzte, was er gewollt hatte, war, uns in eine dumme Lage zu bringen. Aber ich konnte nicht anders, als mich zu freuen, dass der Spuk vorbei war. Und das es mit Rioroute endgültig Schluss war. Was konnte er denn schon tun? Mir auflauern? Ich war mir sicher, dass ihm seit dem Gespräch mit Dad die Freude darauf gründlich vermiest worden war.

Würde er mir Briefe schreiben? Die würde ich verbrennen.
 

Jetzt, wo ich das erzähle, ärgere ich mich wieder einmal grenzenlos über meine Naivität und meine Dummheit.

Eigentlich müsste ich dank meinen Erfahrungen schon erkannt haben, dass dieser Rioroute nicht aufgeben würde.

Warum nur musste ich ihn immer unterschätzen?

Eine Weile hatten die Nachbarn noch gestichelt, aber nun hatte es vollkommen aufgehört. Meine Welt verlief wieder in geordneten Bahnen.

Und zwei Wochen, nachdem mein Vater Rioroute energisch zurecht gewiesen hatte, öffnete ich mein Fenster um mein Zimmer ordentlich durchzulüften.

Zuerst sah ich es nicht, aber dann fiel mir doch der kleine Papierflieger auf meiner Fensterbank ins Auge.

Ich fragte mich, was er hier zu suchen hatte; sicher hatte ihn Jake aus Versehen hierhin fliegen lassen.

Aber dann bemerkte ich, dass zwischen den beiden Papierflügeln etwas Blaues durchschimmerte. Da musste also etwas drauf geschrieben worden sein.

Ich dachte, es ginge mich nichts an, aber dann siegte meine Neugierde doch und ich entfaltete den Flieger behutsam. Als ich die Nachricht, die dort stand, las, spürte ich, wie nicht nur mein Herz und mein Magen, nein: mein gesamtes Innerstes nach unten sank, wie ein Stein im tiefen Wasser.
 

„Helen,

Bitte entschuldige nochmal wegen dem Vorfall. Ich wußte einfach nicht, was ich sonst tun sollte, um dich endlich davon zu überzeugen, das ich dich wirklich sehr liebe.

Aber ich werde Andere Möglichkeiten finden müssen, um es dir zu beweisen, ohne dich nochmal in unangenehme Situationen reinzubringen.

Rio.“
 

Na ja – seine Rechtschreibung könnte besser sein und von Grammatik hat er sicher auch noch nicht viel gehört.

Aber egal – am Schlimmsten war wohl der Inhalt.

Es hieß, dass mir noch eine Menge bevorstand.

Ich konnte mich also auf allerhand gefasst machen!

Und so war es auch ...
 

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Anmerkung zu der ominösen Nachricht: Jegliche Fehler dort sind berechtigt, also bitte nicht schlagen XD!!!

Ich hoffe, der Kapitel war gut und dass die letzten Sätze ein wenig Spannung auf den Fortgang aufkommen lassen ...

Mir hat jedenfalls das Schreiben sehr gefallen; oft musste ich lachen, auch wenn ich über meine eigenen Stories eher selten lache – ich weiß nicht warum ...

Danke natürlich an alle Leser dieser FF. Ich hoffe, ihr bleibt weiterhin dabei.

Besonders hervorheben möchte ich dabei Phoebe, die mich stets aufbaut und mit ihren Kommis zeigt, dass doch noch jemand den etwas ... ääh ... albernen und übertriebenen Humor dieser FF XD witzig findet^^

Trubel in der Schule

Und erneut nahm mein Leben wieder seinen gewohnten Lauf. Ich ging zur Schule, lernte außerhalb der Schule, guckte fern, ging zum Musikunterricht, verabredete mich mit Ritz usw. Aber dieses Mal dachte ich nicht, dass Rioroute mich in Ruhe lassen würde und fühlte auch keine Erleichterung. Natürlich trug die rätselhafte Nachricht, die er mir vor genau einer Woche vor dem Fenstersims geworfen hatte, dazu bei, dass ich mich nicht mehr allzu sicher fühlen konnte, ihn für immer los zu sein.

Es war vielmehr seine Entschlossenheit, die mich daran zweifeln ließ, dass alles vorbei war. Ich hatte gelernt, ihn nicht zu unterschätzen und dachte, dass er wohl zu allem bereit war. Es ging sogar soweit, dass ich ihn in jedem Gebüsch, in jedem Schatten sah und mich, wenn ich draußen war, jede Sekunde umsah, weil ich befürchtete, er würde mich verfolgen.

Vielleicht litt ich unter einem Wahn, aber dieser Kerl hatte schließlich nicht genau geschrieben, wie er mich – wie hieß es doch gleich? – von seinen Gefühlen überzeugen wollte. Und ich traute ihm mittlerweile alles zu.

Und auch wenn ich jetzt mittlerweile eine Woche lang nichts mehr von ihm hörte, traute ich dem Frieden nicht.

Und doch …

Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet, hätte ich mich am besten vorher mumifizieren lassen. Jedes Leid wäre besser zu ertragen, als … als das, was auf mich wartete.

Hätte ich hellseherische Fähigkeiten gehabt, hätte ich sicher gewusst, was mich erwartete, als ich nach einem wunderschönen, „Rioroute-freiem“ Wochenende wie üblich am Montag zur Schule ging – und mir schon im Voraus einen Sarkophag bestellt. Aber leider konnte ich die Zukunft nicht voraussagen und machte mich in gewohnter Weise für den Schultag fertig.

Verflucht seiest du, weibliche Intuition!
 

Eine halbe Stunde vor Schulbeginn fuhr ich mit meinem Fahrrad los. Meine Mutter bietet mir immer an, mich mit dem Auto zu fahren, aber ich mag es nicht, wie ein Prinzesschen überall rumkutschiert zu werden. Sicher wäre es etwas anderes, wenn man mal verschlafen hatte und ziemlich schnell zur Schule musste. Dann ging es nicht anders. Aber bei mir kam dies ungefähr einmal in 5 Jahren vor.

Außerdem wollte ich unabhängig sein und nicht von meinen Eltern nach Strich und Faden betütert werden. Und das fing schon damit an, dass ich meinen Schulweg – egal wie und egal zu welcher Jahreszeit – alleine mit dem Fahrrad zurücklegte. Überhaupt, ich wollte immer alles alleine schaffen.

Auf halbem Weg traf ich wie auch sonst immer mit Ritz zusammen und wir radelten gemeinsam zur Schule. Wir fahren immer zusammen, es sei denn, jemand von uns wird krank oder hat eine Panne mit dem Rad. Ab und zu bringt mich auch Drake mit seinem Motorrad zur Schule. Das mag ich zwar auch überhaupt nicht, aber wenn mein Cousin einmal anfängt zu betteln, kann man ihm schwer etwas abschlagen. Aber sonst lege ich immer mit Ritz meinen und unseren Schulweg zurück.

Wir begrüßten einander und tauschten Wochenenderlebnisse aus.
 

„Und, hast du was von ihm gehört?“, platzte Ritz in meine Erzählung davon hinein, wie Papa unseren Rasen mähen wollte, der Rasenmäher aber warum auch immer durchging und meinen Vater kreuz und quer über das Gelände jagte.

Wen Ritz mit „ihm“ meinte, brauchte ich gar nicht ernst zu fragen.
 

„Nein, und ich bin froh darüber!“, war meine Antwort.
 

Ritz seufzte. „Weißt du, ich glaube, der meint es wirklich total ernst mit dir. Ach, wäre ich froh, wenn ein Junge so was für mich tun würde!“
 

„Kannst du gerne haben“, spottete ich, „ich schicke ihn bei nächster Gelegenheit bei dir vorbei, damit er dir mal so das Leben zur Hölle macht, und dich so beschämt, dass du dich nicht mehr nach draußen traust und obendrein unter Verfolgungswahn leidest – und ich genieße ein wunderbares, sorgenfreies Leben!“ -
 

„Mag ja sein, dass er übertrieben hat. Aber er ist nun mal kein Romeo und weiß wahrscheinlich nicht, was er sonst tun soll, um dich für ihn zu gewinnen!“ Das war Ritz’ Antwort.
 

„Ritz, du wiederholst dich“, sagte ich, „und außerdem wird er mich nun mal nicht für sich gewinnen, da kann er sich meinetwegen auf den Kopf stellen und dabei die Nationalhymne rülpsen!“
 

Meine Freundin seufzte erneut und schwieg eine Weile. Dann aber fragte sie: „Was hast du eigentlich für die Aufgabe in Geschichte getan?“
 

Aha, Themawechsel! Ritz hatte wohl bemerkt, dass ich nicht mehr über dieses blöde Thema „Rioroute“ sprechen wollte. Kluges Mädchen!

Ich ging sehr gerne auf die Frage ein und wir besprachen unsere Geschichtsaufsätze, denn gleich hatten wir in der ersten Stunde Geschichte. Wir nahmen den Ersten Weltkrieg, seine Ursachen, Auslöser und Folgen durch. Ritz und ich vertieften uns so sehr in das Gespräch, dass wir gar nicht merkten, als wir an der Schule angekommen waren.
 

Wir stellten unsere Räder ab und gingen die Gänge im Gebäude bis zu unserem Klassenzimmer entlang. Unsere Schule ist, wie ich bereits erwähnte, etwas moderner und neuer, als andere, aber ich mag ihren Baustil nicht. Die gesamte Schule ist außen weiß, mit silbernen Fensterrahmen und einem rostroten Dach. Das Gebäude ist hufeisenförmig angeordnet und in der Mitte ist der Hof aus schwarzen Backsteinen. Direkt daneben stehen auch unsere Sporthalle, sowie eine riesige Säule aus Backstein, an dem ein Schild mit der Inschrift „ Redford High School“ hängt.

Die Gänge in der Schule sind alle aus grünem Linoleum, die Wände äußerst steril und mit ziemlich wenigen Bildern behangen und die Türe sind aus gewöhnlichem, hellbraunen Holz gemacht.

Na ja … immerhin ist es die Schule, die von unserem Haus am wenigsten entfernt ist.

Auch unser Klassenzimmer war auch einst steril – weiß und leer. Aber unsere Klassensprecherin Saiki Haneda hat sich dafür eingesetzt, dass es einen hellgelben Anstrich bekam, dass Bilder an den Wänden hängen und Pflanzen an den Fensterbänken stehen. Immerhin konnte man sich im Klassenraum wohl fühlen.

Als Ritz und ich diesen betraten, waren nur wenige Klassenkameraden da. Aber das war normal – die meisten kamen ohnehin mit der Schulglocke. Wir grüßten alle höflich und die Mitschüler grüßten zurück, nahmen aber sogleich wieder ihre Gespräche auf. Ritz und ich waren bei denen als „Langweiler“ abgestempelt und mit solcher Art Leuten unterhielt man sich halt nicht!

Aber das war mir egal, gutgelaunt nahm ich meinen Platz in einer der hintersten Reihe auf und Ritz setzte sich auf ihren Platz neben mich. Unsere braunen Tische sind in jeweils fünf waagerecht verlaufenen Reihen angeordnet; aus der Vogelperspektive sieht unser Klassenzimmer aus, wie ein braun-gelb gestreiftes Hemd.
 

„Na, Mädels wie geht es euch?“, unterbrach jemand unsere Unterhaltung und Ritz und ich sahen auf.

Es war Jenny Wilhelm, eine von den Wenigen, die viel und gerne mit uns redete. Sie hatte schwarze Haare, die sie immer zu einem Pferdeschwanz zuband und durchdringende, tiefbraune Augen. Und sonst war sie ein netter und fröhlicher Mensch.
 

„Gut, und wie läuft es bei dir?“, antworteten wir beide im Kanon.
 

„Och, das Übliche…“ Nachdenklich drehte Jenny eine ihrer Haarsträhnen um den Finger. Dann fragte sie: „Gibt es was Neues von diesem Typen?“
 

Ich verdrehte stöhnend die Augen. Gab es denn sonst kein Thema, über das man reden konnte?

Soll ich vielleicht eine Zeitungskolumne unter dem Namen „Ein Idiot mit dem Namen Rioroute“ schreiben?

Jenny hatte nämlich ganz zufällig mitbekommen, als Ritz und ich uns in der Pause über ihn unterhielten (genauer: Ritz redete von ihm und ich SCHIMPFTE auf ihn) und wollte Genaueres über diese Geschichte wissen. Und Ritz war so „freundlich“ gewesen, ihr alles zu erzählen.
 

„Nein, es gibt nichts Neues! Wenigstens einmal habe ich Glück!“, antwortete ich genervt.
 

„Stimmt, du hast Glück. Glück, dass sich ein Junge so stark in dich verliebt hat“, murmelte Jenny nachdenklich.
 

Das war zum Verrücktwerden! Nun dachte auch noch Jenny, so wie Ritz. Ich holte tief Luft, um eine Hasstirade gegen Rioroute loszulassen, die sich gewaschen hatte, als ich eine Stimme hörte, die mich verstummen und zusammenzucken ließ.

ER hatte den Raum betreten.
 

„Musstest du dich auch dieses Mal wieder einmischen?“, fragte Shinichi Kudo.
 

Ich spürte, wie mir heiß und kalt gleichzeitig wurde, als ich aufsah und Shinichi anstarrte. Wie immer sah er gut und gepflegt aus – heute trug er eine weiße Bluse und eine dunkelblaue Hose – und schaute – wie auch sonst immer – ernst drein. Aber das machte mir nichts aus, im Gegenteil: diese ernste Art hatte etwas Anziehendes auf sich. Und besonders diese wunderschönen Augen … wenn man in sie sah, hatte man das Gefühl, im Meer an der Karibik zu schwimmen … dunkelblau und beruhigend.
 

„Mensch, ich wollte dir doch nur helfen und mich nicht einmischen!“ Das war Saiki Haneda, die bereits erwähnte Klassensprecherin. Sie hatte lange, blonde Haare, blaue Augen, eine gute Figur … kurz: sie war genau der Typ Mädchen, auf den die Jungs flogen und den ich nicht leiden konnte. Aber immerhin war sie klug und nett, was man von den sonstigen Vertretern dieses Typs Frau nicht immer behaupten konnte.
 

„Ja, klar, natürlich“, spottete Shinichi, „vielen Dank für deine Hilfe! Kaum habe ich bis drei gezählt, ist der Fall, der MIR aufgetragen wurde, von der bezaubernden und genialen Saiki Haneda gelöst worden … und ich darf mir wieder die Löcher in den Bauch ärgern, dass ich versagt habe!“
 

Ich seufzte. So war das immer.

Jedes Mal, wenn Shinichi einen neuen Fall bekam – sei es nun, jemanden oder etwas zu finden oder einen Mordfall zu lösen – machte er sich mit großem Eifer und in gewohnter Professionalität an die Arbeit. Egal um was man ihn bat, er löste alles blitzschnell und perfekt. Doch nach einiger Zeit kam Saiki ins Spiel. Ich weiß nicht, wie sie das machte, aber sie musste wohl jedes Mal spüren, wenn Shinichi einen neuen Fall hatte – und steckte sofort ihre Nase hinein. Vielleicht nannte sie dies „helfen“, aber sowohl für Shinichi, als auch für mich war dies ganz klar „einmischen“.

Das Schlimmste daran war aber, dass sie Shinichis „Karriere“ als Detektiv und somit seinen Traum gefährdete.

Denn wenn ein Fall gelöst werden sollte, hatte Saiki Haneda schon alle Spuren und Hinweise gefunden, kaum hatte Shinichi die Aussagen aller Zeugen und Verdächtigen gehört. Und gerade als dieser sich daran machte, die Spuren zu einem sinnvollen Bild zusammenzusetzen, hatte Saiki schon raus, wer der Täter war, wie er es getan hatte … und im Falle dessen, wenn etwas gesucht werden musste, es schon längst gefunden.

Klar, dass Shinichi Angst hatte, seinen Ruf als beliebter und gefragter Detektiv zu verlieren, wenn ihm in jedem Fall ein Mädchen zuvorkam! Kein Wunder also, dass er das Gefühl hatte, versagt zu haben.
 

„Quatsch, du hast nicht versagt!“, antwortete Saiki gepresst, „im Gegenteil: wenn deine Assistentin deinen Fall so gut und so schnell lösen kann, wie du, fällt dieses gute Image ja auch auf dich zurück!“
 

„Und du bist meine Assistentin, oder was?“ Shinichi lachte laut auf.
 

„Na ja … immerhin will ich dich unterstützen, so gut es geht!“, murmelte Saiki verlegen.
 

„Wenn das der Fall wäre, dann würdest du mich bei der Spurensuche usw. unterstützen und mir die Lösungen überlassen“, konterte Shinichi, „aber das willst du sicher nicht. Immer kommst du mir dazwischen!“
 

„Ich löse die Fälle doch genauso gerne, wie du, aber …“, sagte Saiki. Ihre Stimme hörte sich fast flehend an.
 

„Dann mach deine eigene Detektei auf!“ Er kehrte ihr den Rücken zu und ging zu seinem Platz. Punkt, Aus, Ende. Saiki schaute ihn noch eine Weile traurig und verzweifelt an, bevor auch sie sich auf ihren Stuhl setzte.

Und so sehr ich mich auch bemühte, dies nicht zu denken – Saiki tat mir irgendwie Leid.
 

Aber ich hatte keine Gelegenheit mehr, darüber nachzudenken: Drake hatte soeben das Klassenzimmer betreten. Das gab immer ein Radau, weil ihm von allen Seiten Begrüßungen und Fragen entgegenströmten. Drake aber sprach mit allen nur kurz und bündig und kämpfte sich durch die Menge der Klassenkameraden zu uns hindurch. Ich fand es immer sehr erheiternd, dass Ritz und ich uns freuen konnten, wenn uns wenigstens einer von den Kameraden „Hallo“ sagte; Drake dagegen jeden Tag von der ganzen Klasse begrüßt wurde und nicht gerade begeistert davon war. Natürlich hatte er nichts gegen die Leute, er mochte vielmehr den Rummel, den man um ihn machte, nicht.

Ich merkte wieder einmal, wie stolz ich auf meinen Cousin war. Vielleicht war er ein wenig ruhig und in sich gekehrt, aber dennoch herzensgut und bescheiden. Und dass er gut aussah, stand außer Frage: er war groß, hatte breite Schultern und Muskeln, schwarze Haare, die ihm in Strähnen ins Gesicht fielen – und hübsche, braune Augen. Und diesen Eindruck bestätigten die schwärmerischen Seufzer seitens der Mädchen, die ihm jedes Mal von allen Seiten entgegen schallten.

Drake grüßte mich, dann Ritz und fragte uns nach dem Wochenende aus.

Wenigstens einer, der nicht von diesem Rioroute sprechen wollte!

Wir quatschten noch eine Weile miteinander, als das Schulklingeln unser Gespräch unterbrach. Und in dem Moment, in dem Drake wieder auf seinen Platz zurückgekehrt war, kam unsere Klassenlehrerin Mrs. Darling, die bei uns Geschichte und Englisch gab, in den Raum.

Ich fand immer, dass sie den Namen zu Recht trug. Sie war immer fröhlich und gutgelaunt und half jedem, so gut sie konnte – sowohl in den schulischen, als auch in privaten Problemen. Und auch sonst sah sie immer jung und sympathisch aus, mit ihren kurzen blonden Locken; man konnte einfach nicht anders, als Vertrauen zu ihr zu fassen.

Nicht so wie manch andere verklemmten, altmodischen Tattergreise, die an unserer Schule unterrichteten.
 

„Guten Morgen, allerseits!“ Miss Darling stürmte, strahlend wie immer, zu ihrem Pult.
 

„Guten Morgen!“ Die Antwort der Schüler darauf war dagegen nicht ganz so fröhlich.

Und dann …

kam das Grauen …

Ich weiß noch genau, dass ich in diesem Augenblick meine Geschichtshausaufgaben und das Buch ausgepackt hatte und gerade mein Geschriebenes noch einmal überflog, als unsere Lehrerin sagte: „Bevor wir heute mit dem Unterricht beginnen, habe ich eine Mitteilung zu machen. Ab heute habt ihr einen neuen Mitschüler in euren Reihen, den ihr bitte gut in eure Klasse aufnehmt. Helft ihm bitte, sich gut einzufügen.“

Daraufhin folgte ein allgemeines Murmeln der Schüler. Klar, ein Neuer in der Klasse war immer etwas, was mit Spannung und Aufregung erwartet wurde. Miss Darling nahm darauf aber nicht wirklich Acht, weil sie lächelte und Richtung Tür nickte.

Offensichtlich stand dieser neue Mitschüler schon hinter der Tür und wartete, bis Mrs. Darling ihn ankündigte.

Ich weiß auch noch genau, wie ich auf einmal und unerklärlich mächtige Bauchschmerzen bekam.

Und als ich den Neuen sah, der grinsend uns selbstsicher in den Raum stampfte und uns alle herausfordernd ansah, wünschte ich, diese Bauchschmerzen wären tödlich ausgegangen – und ich müsste dies nicht mehr sehen, was ich sah.

Das wäre mal eine Schlagzeile: Schülerin, 15, an Bauchschmerzen gestorben.

(Oder eher vor Schreck?)

Wie auch immer – da stand eine mir sehr bekannte Gestalt mit dunkelblond – braunen Stachelhaaren, einer blauen Bluse und Jeanshose bekleidet und den Rucksack lässig um die eine Schulter geschwungen, vor seiner neuen Klasse und schaute lächelnd und selbstbewusst in jedes Gesicht, das ihn neugierig anstarrte, zurück.
 

„Darf ich vorstellen?“, fragte Mrs. Darling, „Das ist euer neuer Mitschüler Rioroute Vilgyna!“
 

Ich hörte, wie Ritz neben mir laut und tief Luft holte und spürte daraufhin ihren brennenden Blick auf mir liegen. Auch Jenny Wilhelm drehte sich mit staunenden Augen und offenem Mund zu uns um. Ich dagegen konnte nicht reagieren. Durch diese Schocknachricht war ich zur Salzsäule erstarrt. Zu einer Salzsäule mit Bauchschmerzen.

Und das sagte sowohl Ritz als auch Jenny alles: Der Neue WAR der Rioroute aus meinen Erzählungen - der wie eine ekelhafte Plage an mir klebte und mir das Leben zur Hölle machte.
 

„Möchtest du noch etwas hinzufügen, Rioroute?“, fragte unsere Lehrerin.
 

„Klar!“ Selbstbewusst trat er nach vorne und sagte: „ Hallo, freut mich sehr, mit euch Bekanntschaft zu machen.“ Und dann holte er Luft, so tief er konnte und rief, so laut er konnte: „HHHHALLLLO, HHHEEEEEELLLLEEEEENNN!!!!“
 

Die ganze Klasse drehte sich im selben Moment abrupt zu mir um und ich meinte sogar das Knacken ihrer Nacken bei der Drehung zu hören. Dann schauten mich dreißig Augenpaare an.

Noch nie zuvor hatten mich so viele Leute angestarrt. Sonst wurde ich ja immer ignoriert; selbst dann, wenn ich mich am Unterricht beteiligte. Und jetzt – das war definitiv zuviel!

Und sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr peinlich.

Ich wusste, was jeder einzelne von ihnen dachte: Woher kennt der Neue denn die Riley? Kennen sie sich etwa? Oder (das wohl schlimmste, was man in dem Moment denken kann!!!) haben sie etwa was miteinander?

Ich wünschte mir wie noch nie zuvor, jetzt eine Schaufel in der Hand zu halten, mit der ich mir ein Mauseloch buddeln könnte, in das ich mich verkriechen könnte.

Aber ich wusste mir auch anders zu helfen: Ich schlug mein Geschichtsbuch auf und vergrub mein Gesicht, das exakt die Farbe eines Stiertuchs angenommen hatte, dahinter. Und weil ich nicht wusste, wohin ich sonst schauen sollte, sah ich in mein Buch.

Ich hatte zufällig das Bild von Napoleon, über den wir schon Wochen vorher gesprochen hatten, aufgeschlagen – dort ritt er auf einem Pferd und mit hoch erhobenem Schwert in die Schlacht.

Ich wünschte mir, dass ich mich durch einen bestimmten Zauber in das Buch beamen könnte – ich würde hinter Napoleon auf dem Pferd sitzen und ihn in seine Schlacht begleiten. Alles, nur damit ich von diesem Volltrottel, der neugierigen Klasse und der endpeinlichen Situation wegkomme.

Meinetwegen wäre ich mit Napoleon sogar nach Waterloo geritten.
 

„Wie auch immer“, sagte Mrs. Darling schmunzelnd, „setze dich bitte dorthin auf den freien Platz neben Shampoo!“
 

Für mich war es ein Rätsel, warum der Platz neben Shampoo Wang frei war, wo es doch eine Menge Leute – überwiegend männlich – gab, die neben ihr sitzen wollten. Shampoo kam ursprünglich aus China, war aber in Amerika aufgewachsen. Sie war sowohl hübsch (sie hatte blaue Augen und blau gefärbte, lange Locken), als auch gut gebaut – und folglich liefen ihr die Jungs jeden Alters an unserer Schule hinterher … wenn sie nicht gerade in Saiki Haneda verliebt waren, natürlich. Doch während Saiki zu allem und jedem freundlich gesinnt war, ignorierte Shampoo wohlweislich jeden, den sie für unter ihrer Würde hielt (und darunter fielen fast alle Leute unserer Schule). Wenn man aber sehr viel älter war als sie, und obendrein reich, dann konnte er oder sie leicht Shampoos Interesse erregen. Jedes Mal, wenn sie in Gesellschaft einer Vielzahl von Menschen war (und das geschah beinahe andauernd), dann erzählte sie, wie sie wieder einmal einen College – Typen kennen gelernt hatte, der sie in ihrem Wagen rumkutschiert hatte oder wie sie auf Kosten einer reichen Freundin einen tollen Ausflug gemacht hatte. Ich hatte es einmal gewagt, zu sagen, dass der Wert eines Menschen nicht dadurch gemessen wurde, wie prall seine Geldbörse gefüllt war – und seitdem guckte mich Shampoo Wang nicht einmal mit ihrem wohl gerundeten Hinterteil an.

Rioroute Vilgyna wusste natürlich absolut nichts von ihren Macken und Vorlieben, sonst wäre er wohl bei der Verkündung seiner neuen Platznachbarin schreiend aus dem Zimmer gerannt – ihre „Prüfung“ konnte er so oder so nicht bestehen. Aber so ging er hocherhobenen Hauptes auf sie zu und hielt ihr, von einem Ohr zum anderen grinsend, die Hand hin. Sie starrte ihn zuerst baff an, doch dann erwiderte sie sein Grinsen – ob nun widerwillig oder nicht, konnte ich aus meiner Entfernung nicht erkennen – und schüttelte seine Hand.
 

Währenddessen hatte die Stunde begonnen. Mrs. Darling führte ihren Unterricht immer damit ein, dass in der vergangenen Stunde Erarbeitetes noch mal kurz zusammengefasst wurde – meist geschah das durch Stundenprotokolle, die besondere Quatschköpfe schreiben mussten. Dann knüpften wir mit unserer Diskussion an das Thema an oder lasen die Hausaufgaben vor. Ich mochte Geschichte eigentlich nicht; Mrs. Darling hatte aber eine super Art zu unterrichten, so dass man automatisch begeistert von dem Stoff war. Dieses Mal aber hätten mich selbst die blutigsten Schlachten oder total umstürzende Ereignisse nicht mitreißen können; missmutig trauerte ich auf meinem Platz mit dem Gedanken, von nun an auch noch in der Schule an dieser Seuche zu leiden. Dieser Seuche mit braun-blonden Haaren.
 

„Nein, nein, so stimmt das nicht; die Ereignisse sind nicht treffend genug auf den Punkt gebracht worden“, kommentierte die Lehrerin gerade die Hausaufgabe eines Schülers. Und dann plötzlich …
 

„Helen, liest du bitte deine Hausaufgabe vor?“
 

Es war seit langem das erste Mal, das ich dran genommen worden war, ohne mich gemeldet zu haben. Und es war das erste Mal überhaupt, dass ich eigentlich keine Lust hatte, was zum Unterricht beizutragen. Ich mochte gar nichts tun, was automatisch die Aufmerksamkeit dieses … dieses NEUEN auf mich zog. Doch hatte ich eine Wahl? Ich seufzte, räusperte mich und las meine Aufgabe vor.
 

„Das hast du super gemacht, Helen, vielen Dank!“, lobte die Lehrerin, „seht ihr – genau so habe ich das gemeint! Ihr müsst die Ereignisse genauer beschreiben und auch zwischen den Zeilen lesen, was die Ursachen waren. Helen hat das ganz richtig gesehen!“
 

Ich fühlte, wie mein Kopf rot wurde.

Ach, wäre das schön, wenn dieser Rioroute nicht da wäre … Dann hätte ich glänzen können – vor Mrs. Darling; der Klasse, die mir sonst keinen Deut Aufmerksamkeit schenkte und natürlich vor Shinichi. Doch unter diesen Umständen fühlte ich mich total unangenehm; ich wünschte sogar, meine Hausaufgabe wäre von Anfang bis Ende falsch gewesen und Mrs. Darling hätte mich vor allen bloß gestellt.

Überhaupt war Mrs. Darling keine „Mrs. Darling“ mehr, eher eine „Mrs. Feed me to the lion“: Sie hatte nicht nur die Aufmerksamkeit dieses Dummkopfs auf mich gelenkt; sie hatte ihm auch Grund genug geliefert, mich anzuschwärmen.

Ich tat alles, um nicht in seine Richtung zu sehen, doch da er zwei Reihen vor mir saß und sich gerade zu mir umgedreht hatte, hätte ich ihn sogar gesehen, selbst wenn ich geschielt hätte. Er hatte seinen linken Arm auf den Tisch vor ihm gestützt und die dazugehörige Hand lag auf seiner linken Wange; seine Augen sahen total weggetreten aus … kurzum: er sah aus wie jemand, der gerade einen äußerst schönen Tagtraum genoss. Ich konterte meinerseits mit einem für meine Verhältnisse wunderschönen Tagtraum: der Vorstellung, ihm jedes Haar einzeln rauszureißen.
 

Nach der Stunde war eine kurze Pause und da wir gleich Englisch im selben Raum hatten (und wieder bei „Mrs. Feed me to the lion“) brauchten wir das Klassenzimmer nicht zu wechseln; manche nutzten die kleine Verschnaufpause, um ein bisschen Radau am Korridor zu machen oder mit seinen Tischnachbarn zu plaudern. Ich dagegen vertiefte mich in meine Englischnotizen von der letzten Stunde; ich tat alles, damit mich weder Ritz noch sonst jemand auf Rioroute ansprach.

Apropos: Er war gerade in eine lebhafte Unterhaltung mit Shampoo Wang vertieft. Na, die hatten sicher eine Menge zu besprechen, dachte ich grinsend.

Plötzlich spürte ich, wie sich jemand vor mich stellte. Dazu war das Licht, das auf mein Heft schien verdeckt – und somit meine Sicht. Wahrscheinlich war es Drake, der sein Gespräch mit Ritz und mir vor der Geschichtsstunde fortführen wollte, dachte ich und sah auf …

MMMMAAAANNNNNNN, LIEß ER MICH DENN NIEEE IN RUHE???!!!!
 

„Na, Helen, was sagst du zu meiner Überraschung?“, fragte Rioroute und grinste mich fröhlich an.
 

„Wie du siehst, habe ich gerade vor Freude den Rekord in Hochsprung gebrochen“, spottete ich und widmete mich wieder meinen Mitschriften. Der sollte bloß merken, dass ich keine Lust auf ihn hatte! Aber natürlich fehlte da oben etwas bei ihm, um es zu merken.
 

„Ach komm, Helen, da gebe ich mir so viel Mühe, um hierhin zu kommen und da bist du trotzdem so kühl und abweisend!“ Er zog eine Schnute.
 

„Niemand hat dich darum gebeten und ich am allerwenigsten!“, war meine Antwort darauf.
 

Aber er tat, als hätte er mich nicht gehört: „Ich habe ewig gebraucht, um deine Schule ausfindig zu machen. Überall in der Umgebung habe ich nachgefragt, mich umgeguckt … und dann bin ich auf die Internetseite dieser Schule gestoßen. Dort sind alle Schüler dieser Schule verzeichnet, mit den Klassen, die die Schüler besuchen – und so habe ich dich gefunden. Das ist wirklich eine tolle Erfindung, das Internet! Und ich musste so viele Formalitäten erledigen, um auf die „Redford High“ wechseln zu können. Und Ärger mit meinen Alten habe ich auch bekommen, weil der Schulweg so weit ist. Aber das war es mir wert!“
 

„Vor Rührung muss ich gleich weinen“, sagte ich mit der größten Portion Ironie, die ich in meine Stimme legen konnte. „Warum bist du nicht dort geblieben, wo du warst?“
 

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er sich in die Hocke setzte und seine Arme verschränkt auf meinen Tisch legte und dann sagte er: „Ich musste ja etwas tun, wo ich dich nicht mehr zu Hause aufsuchen kann…“
 

„ … und stattdessen suchst du mich in der Schule auf“, unterbrach ich, „das ist ja etwas gaaanz anderes!“
 

„Genau!“ Er lachte. „So kann ich dich kaum in Verlegenheit bringen und bin trotzdem in deiner Nähe, damit du mich etwas besser kennen lernen kannst!“
 

Ich fühlte, wie meine Wut in mir hochstieg. Bloß nicht die Kontrolle verlieren!

„Gott, ich möchte wirklich wissen, was du heute so Schlechtes zu dir genommen hast, dass du dich so dermaßen daneben benimmst!“ fauchte ich und strich einen Grammatikfehler mit besonders starker Gewalt durch.
 

Er zuckte lächelnd die Schultern und tat, als würde er nachdenken: „Hmmm … mal sehen … heute habe ich Cornflakes und ein Käsebrot gegessen und dazu Milchkaffee getrunken … wusste wirklich nicht, dass es schlecht ist, aber da habe ich wieder mal was gelernt fürs Leben!“
 

Ich knurrte und indem ich meine Hand zur Faust ballte, zerdrückte ich beinahe den Kugelschreiber darin. Neben mir hörte ich Ritz kichern.

Ich war in einem Zustand, wo mich alles auf die Palme bringen konnte und wahrscheinlich ärgerte ich mich nur deswegen, dass Ritz – anstelle mich zu unterstützen – über die unlustigen Späße dieses Volldeppen lachte. Doch da er seine Aufmerksamkeit dadurch Ritz zuwandte, beschloss ich, dieses Mal Gnade vor Recht walten zu lassen.
 

„Hallo, und du bist?“, fragte Rioroute Ritz lächelnd.
 

Diese kicherte noch immer: „Ich heiße Ritz und bin Helens Freundin!“
 

„Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen!“ Er schüttelte ihre Hand. „Ich wusste gar nicht, dass Helen mit so hübschen Mädels befreundet ist!“
 

Ritz’ Gesicht nahm dieselbe Farbe an, wie ihr Haar und dadurch konnte man das eine nicht mehr vom anderen unterscheiden. Ich aber seufzte nur und murmelte: „Rumsülzen wie ein Weltmeister – das kennen wir schon!“
 

„Helen, bitte“, mahnte mich meine Freundin eindringlich; Rioroute aber wehrte lachend ab und sagte: „Schon gut. Eigentlich bin ich gekommen, um etwas zu fragen.“
 

„Die Antwort lautet: ‚nein’!“, zischte ich und formulierte einen Satz in meinen Notizen um.
 

„Du weißt ja noch gar nicht, worum es geht!“, konterte er und ich sagte daraufhin: „Ist mir egal: Die Antwort ist trotzdem ‚nein’!“
 

Er seufzte: „Wie auch immer: ich war schon in meiner alten Schule nicht sonderlich gut und hier wird mir durch die Umstellung alles noch schwerer fallen. Du aber bist gut, Helen und ich wollte wissen, ob du mir Nachhilfe geben kannst!“
 

Ich lachte ironisch. Das war wohl die dümmste Frage, die er mir stellen konnte. Er wusste doch, dass ich, bevor ich ihm auch nur eine Minute lang Nachhilfe gab, meinen Kugelschreiber mitsamt der Faust, die ihn hielt, essen würde.

Dann antwortete ich: „Noch einmal für dich zum Mitschreiben: N.E.I.N.! Frag doch Shampoo, ob sie dir hilft; ihr scheint euch ja prächtig zu verstehen!“
 

Ich dachte, dass ich ihn damit verärgert hatte, aber er lachte nur und fragte mit einem schelmischen Augenzwinkern: „Eifersüchtig?“
 

„Du hast sie echt nicht mehr alle! Verschwinde!“ Ich schlug meine kugelschreiberfreie Faust auf meinen Tisch.
 

„Helen, bitte, wie kannst du nur…?“, fragte Ritz ärgerlich; ich ignorierte sie.
 

Aber er grinste nur frech, stand auf und sagte: „Du kannst es dir ja noch überlegen!“ Dann endlich machte er einen Abgang. Aber anstelle mich darüber zu freuen, spürte ich, wie meine Wut überkochte. Am liebsten wäre ich ihm hinterher gerannt und hatte ihm die Faust mit dem Kulli darin mit voller Kraft ins Gesicht gerammt.
 

„Wie kannst du nur so fies sein?“, wollte Ritz nun wissen. Nein, bitte nicht wieder DIE Leier!
 

„Hast du nicht gesehen, was er macht? Wie er mir auf den Geist geht?“, fragte ich. Als sie mich weiterhin verständnislos anstarrte – tat sie so beschränkt oder wollte sie es einfach nicht verstehen? – fuhr ich fort: „Er lässt mich nicht in Ruhe. Er belästigt mich. Er labert mich voll, ohne mir auch nur eine Sekunde zuzuhören. Andauernd macht er mich auf die wohl blödeste Art und Weise an. Und … er wechselt auf MEINE Schule, verdammt noch mal!“
 

Ritz zuckte die Achseln: „ ‚Belästigen’ ist etwas anderes. Er hat doch vorhin ganz normal mit dir geredet. Und er hat dich auch ganz normal um einen Gefallen gebeten. Er hat sich nicht einmal über die Gemeinheiten, die du ihm an den Kopf geworfen hast, aufgeregt. Alles, was er wollte, war: sich ganz nett mit dir zu unterhalten. Und DU … du schreist ihn ohne Grund an … du beleidigst ihn, auch wenn er dir nichts getan hat … ich erkenne dich kaum noch wieder, Helen!“
 

Ich seufzte: „Ich weiß, dass ich oft sehr gemein zu ihm bin. Aber er bringt mich einfach zur Weißglut! Warum kann er mich denn nicht in Ruhe lassen? Stattdessen muss er mich überallhin verfolgen und verlegen machen! Es muss doch eine andere Art geben, jemandem seine Gefühle zu zeigen, aber … doch nicht so!“
 

Meine Freundin redete jetzt etwas sanfter, versöhnlicher; ich aber wusste, dass es ihre typische „diplomatische Stimme“ war – ihre Art, etwas Ungeheuerliches zu sagen und dabei ihr Gegenüber möglichst nicht wütend zu machen.

„Mal ganz ehrlich, Helen: du hast ihm doch von Anfang an keine Chance gegeben! Und ihm keine Möglichkeit gelassen, seine Gefühle zu zeigen.“ -
 

„Weil ich einfach der Meinung bin, dass es dem Kerl – wie allen anderen auch – nicht ernst sein kann. Es ist einfach nur eine Masche, Mädchen um die Finger zu wickeln. Und nachdem man es geschafft hat – PENG!“ Ich klatschte die Hände, um meine Tirade zu untermalen.
 

Ritz sah aus, als wollte sie etwas erwidern, doch hielt sie sich zurück; sie beschränkte sich lediglich darauf, resigniert und traurig die Schultern zu zucken.

So fuhr ich fort: „Ritz, weißt du, was ich glaube? Du bist auf seiner Seite, weil er dir vorhin ein Kompliment gemacht hat! Dabei ist er nicht der Einzige, der so etwas über dich sagt. Drake ist auch dieser Meinung.“

Sie schaute mit großen Augen auf: „Was heißt das?“ und ich erklärte: „Drake findet dich auch sehr hübsch; das hat er mir vor einiger Zeit selbst gesagt! Jetzt ganz im Ernst!“
 

Ich hätte nicht gedacht, dass ihr Gesicht ein noch tieferes Rosa annehmen konnte, als vorhin, aber Ritz schwieg daraufhin und kicherte nur ab und an vor sich hin. Ich aber konnte mich endlich in Ruhe meinen Englischmitschriften widmen …
 

Nach dem Englischunterricht war eine große Pause von 20 Minuten, wie es bei uns nach jeder 2. Stunde üblich war. Zu diesem Zweck war es zwingend, dass sich alle Schüler der „Redfort High School“ auf den Schulhof einfanden. Ich persönlich fand diese Regel ein wenig sinnlos. Für jüngere Schüler hatte das Verweilen auf dem Hof einen gewissen Reiz; so konnten sie rumbalgen und sich austoben. Aber High – School - Schüler waren bekanntlich zu alt dafür und taten somit in ihren großen Pausen nichts anderes, als wie die Hühner auf der Stange auf den Bänken zu sitzen oder dumm rum zustehen und sich zu unterhalten. Außerdem konnte es im Winter ab und zu ziemlich kalt werden und wenn man bei diesem Wetter draußen auf dem Hof war, dankte man Gott, dass man nicht in Sibirien in die Schule ging.

Während dieser Pause standen die Mädchen unserer Klasse im Kreis herum und redeten über alles Mögliche, während die Jungen aus der Klasse nur ein paar Meter weit entfernt waren und Quatsch machten. Das heißt: Rioroute machte eine Menge Quatsch und die anderen Jungs lachten sich deswegen kaputt. Auch dieses Mal konnte ich nur staunen, wie ein neuer Mitschüler es aushalten konnte, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, ohne dass es ihm was ausmachte – nein, sogar die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen und sich darin zu suhlen. Na, Selbstbewusstsein hatte er ja! Schade nur, dass da ein paar andere Werte eher wenig ausgeprägt waren…
 

„Und?“, fragte Saiki Haneda plötzlich in die Mädchenrunde hinein, „wie findet ihr ihn?“
 

‚Er’ war natürlich Rioroute, der Neue.
 

Die Mädels sahen sich an und murmelten dann durcheinander:

„Eigentlich nicht schlecht!“ -
 

„Doch, ganz passabel, der Kerl!“ –
 

„Mit ihm kann man es sicher aushalten!“
 

Und Shampoo fügte hinzu: „Ich finde ihn sogar ganz schön süß!“
 

„Du findest ihn süß?“, echote Saiki und stupste Shampoo freundschaftlich zwinkernd an, „Obwohl er weder ein Collegeboy, noch ein zukünftiger Kronprinz ist?“
 

Manche Mädchen kicherten, Shampoo aber antwortete mit einem Hauch Rosa an den Wangen: „Das ist nicht das Wichtigste für mich, auch wenn das alle denken!“ Dann nahm ihr Gesicht einen so verzückten Ausdruck an, als hätte man ihr wochenlang nichts zu essen gegeben und danach einen Rieseneisbecher mit Erdbeeren und Sahne serviert: „Er ist immer so fröhlich und lacht gerne. Außerdem ist er total lieb und aufgeschlossen. Und dazu kommt, dass er wirklich toll aussieht!“
 

Einige Mädchen kicherten, die anderen schauten bei diesen Worten auf Rioroute, ich dagegen konnte nur froh sein, dass ich von so vielen Leuten umgeben war – sonst hätte ich mich auf der Stelle übergeben. Aber so beschränkte ich mich darauf, ganz laut und tief zu schlucken.
 

„Er ist aber für nicht alle aus der Klasse ein Neuer“, warf Jenny Wilhelm plötzlich ein, „Helen hier kennt ihn anscheinend schon sehr gut!“
 

Sie wand sich mir mit einem listigen Grinsen zu und die anderen schauten mich neugierig an.

Jenny konnte froh sein, dass ich sie mochte, sonst hätte ich ihr einen äußerst unfeinen Ausdruck an den Kopf geworfen. Zuerst Ritz, dann Jenny! Warum nur zogen mich alle mit diesem Idioten auf? Schlimm genug, dass ich unter seiner Gegenwart zu leiden hatte!
 

Doch das war natürlich nichts im Vergleich zu dem Gerede, das auf mich einprasselte:

„Ja, stimmt, Helen scheint er schon zu kennen!“ –
 

„Er hat sie schließlich vorhin in Geschichte schon begrüßt!“ –
 

„Erzähl, Helen, woher kennt ihr euch?“
 

Und Saiki wollte sogar wissen, ob er mein Freund sei.

„So ein Quatsch, er ist nicht mein Freund und ich kenne ihn auch nicht wirklich. Er ist einfach … einfach nur ein Quälgeist, der Spaß daran hat, mich zu verfolgen und zu ärgern!“ Das war meine Antwort.
 

Das sollte eigentlich genügen. Aber ich hätte es wissen müssen: ich hatte die Neugierde der anderen dadurch nur noch mehr angestachelt:

„Aha, warum verfolgt er dich denn?“ –
 

„Hat er etwas gegen dich?“ –
 

„Sag, was ist denn passiert?“
 

Eher biss ich mir die Zunge ab, als das ich darauf Antwort gab! Aber auf Jenny war mal wieder Verlass: „Quatsch, er hat doch nichts gegen Helen, im Gegenteil! Er will was von ihr – seht ihr das denn nicht selber?“
 

Ein allgemeines Seufzen ging durch die Reihen der Mädels:

„Ach, wie süß!!!“ –
 

„Ach ja, Helen, was läuft da zwischen euch?“ –
 

„Wie lange läuft da was?“ –
 

„Er ist bestimmt nur wegen Helen auf diese Schule gewechselt!“ –
 

„Nein, wie niedlich!“
 

Wieder einmal wünschte ich, mich in mein obligatorisches Mauseloch verziehen zu können. Ich weiß nicht, wie ich dieses Fegefeuer von Fragen und Schwärmereien über Rioroute ertragen habe; ich weiß nur, dass ich mein vor Scham knallrotes Gesicht in meine Hände barg und versucht habe, alles und jeden zu ignorieren.

Wenn ich Glück hatte, würde die ganze Schule von diesem Wirrwarr erst in einigen Monaten wissen.

Warum, warum nur fand die ganze Welt alles süß und niedlich, was der Kerl machte, um mich für sich zu gewinnen – nur ich nicht?
 

Ebenso wenig weiß ich, wie ich diesen todbringenden Schultag überleben konnte, ich kann mich nur noch erinnern, wie ich total geschafft und weiß wie ein Geist nach Hause kam.

Ach, wäre das schön, wenn Dad gleichzeitig unser Schuldirektor wäre – der hätte den Trottel gar nicht erst auf unsere Schule gelassen. Und er hätte ihm den Garaus gemacht!

Wußte dieser Rioroute überhaupt noch, was Dad einst zu ihm sagte?
 

„SIE wollen dies und SIE wollen das! Aber haben Sie schon einmal überlegt, was HELEN will? Was HELEN von ihrer Aktion hält? Und was es für Folgen für sie hat?“
 

Nein, sicher hatte er es schon vergessen … wenn er Dad damals überhaupt zugehört hatte …

Was auch immer da zutraf oder nicht zutraf – eins wusste ich: nun war dank Rioroute auch mein letzter Zufluchtsort dahin.
 

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Sooo, habe mich endlich mal auf meinen faulen … hab mich hingesetzt und weiter geschrieben XD. Bitte entschuldigt, dass ihr so lange auf die Fortsetzung warten musstet * in diesem Glauben bleib*.

Ebenso tut es mir Leid, dass das Kapitel dann auch noch so lang geworden ist. Ich habe schon überlegt, daraus zwei Kapitel zu machen oder vieles, was hier vorkam, erst im nächsten zu bringen … und dann beides verworfen, weil es nicht ganz in den Gesamtaufbau der Geschichte passt – sorry -.-!

Außerdem habe ich, jetzt wo ich im Naruto-Wahn bin, bemerkt, dass sich Naruto und Rioroute stark ähneln: sie sehen sich ähnlich; ihr Charakter ist fast gleich (beide sind sie etwas zu lebhaft und nervig, außerdem auch ungeschickt und z. T. beschränkt – doch wenn es drauf ankommt, sind sie loyale Menschen mit dem Herz am rechten Fleck … und beide sind sie sensibel) … sie haben sogar einen fast gleich klingenden Namen … so denke jedenfalls ICH.

Bevor ich mich noch mehr in dieser unsinnigen Laberei verliere, höre ich besser auf.

Danke, Phoebe-maus, dass du diese Story stets liest und kommentierst. An alle, die wollten, dass es schnell weitergeht: schickt ein paar Dankes-ENS an Phoebe; sie hat mich oft dazu aufgerufen, endlich mal an der FF weiter zuschreiben XD!!!

Haarige Überraschung

Dienstagmorgen, 8 Uhr. Ein ganz normaler Schultag. Eigentlich. Traf mich mit Ritz und wir radelten zusammen zur Schule. Wir stellten unsere Fahrräder ab, gingen in das Gebäude und in das Klassenzimmer hinein und begrüßten die bereits anwesenden Klassenkameraden. Nur … aus einer Ecke winkte mir eine Gestalt ganz besonders enthusiastisch zu. Ritz stupste mich neckisch an und ich spürte, wie die Wut mich wieder einmal die Macht über mich gewann. Ein verlorener Tag – dank Rioroute Vilgyna.

Mittwochmorgen, 9:30, große Pause. Dieses Mal standen die Jungen und Mädchen der Klasse beisammen; ich befand mich zwischen Ritz und Drake. Plötzlich tauchte die Riesenplage auf, stellte sich neben Drake und machte Späße, über die Ritz und Drake (sicher nur aus Höflichkeit) lachten. Ich dagegen fand seine Witze überhaupt nicht lustig; am allerwenigsten konnte ich über sein Angebot, dass wir mal zu viert was unternehmen könnten, lachen.

11:30, 2. große Pause. Hatte folglich keine Lust mehr, mit den anderen in der Pause herum zustehen und ging zum Schulkiosk. Wollte die ganze Pause damit verbringen, mich in die Schlange zu stellen und dann vor dem Kiosk meinen Saft zu trinken. Stinklangweilig, ja – aber noch so eine Pause wie die letzte würde ich nicht durchstehen.
 

Dann tauchte er auf: „Da bist du ja! Hab dich schon überall gesucht. Warum bist du denn nicht bei den anderen? Ach, egal, ich wollte ohnehin mal ein bisschen Zeit alleine mit dir verbringen. Die anderen stören nur!“
 

Ich ging weg, er mir hinterher und laberte mich gutgelaunt voll. Ich hörte aber nur „bla, bla, bla“, weil ich meine Ohren auf Durchzug gestellt hatte.

Ein verlorener Tag – dank Rioroute Vilgyna.

Donnerstag, 8-15 Uhr. Jedes Mal, wenn ich auch nur den kleinsten Beitrag zum Unterricht leistete, drehte er sich zu mir um, winkte mir enthusiastisch, zwinkerte mir zu und – das peinlichste überhaupt!!! – warf mir auch noch Kusshände zu! Ritz neben mir lachte oder schwärmte; ich aber hatte das Gefühl, mich jeden Moment in einen Drachen zu verwandeln und Feuer auf diese nervtötende Gestalt zu spucken.

Und auch sonst … auch wenn ich nichts sagte und VERSUCHTE, ihn zu ignorieren, versuchte er andauernd, seine Liebe auf die denkbar blödeste Art und Weise zu bekunden.

Er wurde immer ermahnt, aber das ist ihm egal. Die anderen aus der Klasse lachten und stichelten, aber das ist ihm egal. Nur … mir ist es verdammt noch mal nicht egal!!!

Ein verlorener Tag – dank Rioroute Vilgyna.

Freitag, 09:55 – 11:30. Doppelstunde Biologie. Folglich mussten wir unseren Klassenraum verlassen und uns in die Bioräume begeben – sowohl in sämtlichen naturwissenschaftlichen Fächern, als auch in Kunst haben wir Unterricht in den dazugehörigen Räumen.

In Bio sitze ich neben Jenny. Auf einmal machte sie eine Kehrtwendung und setzte sich neben Scott, einen rothaarigen und sommersprossigen Jungen aus der Klasse. Oho, läuft da etwa was zwischen ihnen? Oder lag es an mir – rieche ich etwa abstoßend? Nein, beides schloss ich aus, als ich sah, wie Jenny und Scott zusammen saßen und verschwörerisch miteinander quatschten. Bald schon war das Rätsel gelöst: der größte Idiot der Klasse setzte sich neben mich und sagte:
 

„Hallo, von nun an sitze ich in Bio neben dir – ist das nicht schön? War doch richtig nett von Jenny, ihren Platz für mich freizumachen und zu Scott zu ziehen, nicht wahr?“
 

Ach, wie „nett“.

Von der Biologiestunde kriegte ich gar nichts mit, weil der Kerl andauernd irgendwelche Herzchen in mein Heft malte. Ich konterte mit Bildern von Totenköpfen in seinem Heft, aber er lachte nur darüber.
 

Dann schrieb er: „Die Totenköpfe hast du ja richtig toll gezeichnet! Gibt es überhaupt etwas, was du nicht kannst?“
 

Ich antwortete: „Ja, zaubern. Leider!“
 

Er fragte: „Wieso ‚leider’?“ und ich schrieb: „Weil ich dich sonst verschwinden lassen würde!“
 

Er kicherte und ich lauschte ärgerlich dem Biolehrer Mr. Franks. Er sprach von giftigen Gewächsen und dass auch sogar einige davon in unserer Umgebung wachsen. Ich wurde hellhörig: damit könnte ich doch einen wunderschönen giftigen Trank für diesen Rioroute brauen. Nein, besser wären zwei: eins für Rioroute und eins für Jenny.

Ein verlorener Tag – dank Rioroute Vilgyna.

Samstagvormittag, 12 Uhr. Ein wunderschöner Tag: die Sonne schien und die Vögel zwitscherten vor meinem Fenster. Und am besten war: keine Schule! Gut gelaunt packte ich meine Schulbücher und die Hausaufgaben aus. Ich nahm mir die Matheaufgaben als erstes vor und schlug mein Buch auf. Auf einmal fiel ein zusammengefalteter, weißer Zettel heraus, der sich – kaum hatte ich ihn auseinander gefaltet – zu einem Brief mit folgendem Inhalt entpuppte:
 

Hi Helen,

ich schreibe dir in der Unterrichtsstunde und lege dir diesen Zettel während der Pause ins Buch – es soll eine schöne Überraschung für dich sein, wenn du das Buch öffnest.

Ich hoffe, du hast ein tolles Wochenende und vergisst nicht, dass irgendwo da draußen jemand gerade an dich denkt – ICH.

Ich werde jedenfalls kein schönes Wochenende haben, weil ich die Zeit verbringen werde, bis Montag zu warten – bis ich dich wieder sehen darf.

Dein Rio
 

Eine „echt tolle“ Überraschung. Und ein verlorener Tag – dank Rioroute Vilgyna.
 

Wundert sich vielleicht noch jemand von Ihnen, warum ich noch nicht reif für das Sanatorium bin?
 

Am Sonntag rief Ritz an. Ihre Stimme hörte sich ganz leise an und sie hustete andauernd: „Bitte entschuldige, Helen, aber ich glaube kaum, dass ich morgen zur Schule kommen kann. Mein Hals fühlt sich so komisch an und außerdem ist mir irgendwie ganz übel. Wann genau ich wiederkomme, weiß ich nicht, aber ich hoffe, es wird so bald wie möglich sein. Sagst du bitte den Lehrern Bescheid?“
 

Ich versprach es und auch, dass ich sie noch an diesem Tag besuchen komme. Später, als ich bei ihr war, lag sie mit einem Fieberthermometer und einem dick vermummten Hals im Bett und konnte kaum sprechen. Sie gab mir nur Handzeichen, die zeigten, dass ich nicht näher kommen sollte, um mich nicht anzustecken. Und auch sonst verlief die Unterhaltung nur kurz, weil sie bald darauf müde wurde und einschlief. Ihre Mutter vermutete, Ritz hatte die Grippe bekommen und eilte von der Küche zu ihrem Zimmer hin und her um sie mit der Medizin und allem Nötigen zu versorgen.

Mir tat Ritz wahnsinnig leid und ich vergaß den Groll, den ich in letzter Zeit gegen sie hegte.

Dann rief ich sofort Drake auf seinem Handy an und auch er war sehr erschrocken und traurig bezüglich Ritz’ Gesundheitszustand. Er versprach, sie morgen nach der Schule zu besuchen.
 

So kam es, dass ich am nächsten Tag nach langer Zeit mal wieder alleine zur Schule fuhr. Ich vermisste meine Freundin. Doch hätte ich geahnt, was durch ihr Fehlen auf mich zukam, hätte ich wohl aus lauter Verzweiflung geheult.

Kurze Zeit später betrat ich das Klassenzimmer und begrüßte die anwesenden Mitschüler. Ein gewisser Blödmann war auch schon da und erwiderte meinen Gruß gutgelaunt wie gewöhnlich – und wie üblich sank meine Laune dadurch auf den Nullpunkt. Mürrisch ging ich zu meinem Platz und schmiss meine Schultasche mit einem Knurren in die Ecke.
 

„Sag mal, wo ist eigentlich deine Freundin abgeblieben?“, fragte mich jemand. Ich freute mich, dass sich noch jemand außer mir um sie sorgte und schaute verwundert auf, weil ich wissen wollte, wer. Rioroute stand vor mir und schaute sich um, wohl in Erwartung dessen, dass Ritz gleich noch auftauchte.
 

Auch wenn ich spürte, wie ich erneut wütend wurde, so war das nicht mehr ganz so intensiv, wie sonst, wenn ich ihn sah oder er mich ansprach – Hauptsache war, da erkundigte sich jemand nach Ritz. Ich antwortete: „Sie ist krank.“
 

Der Typ war sichtlich bestürzt: „Ach, du meine Güte! Was fehlt ihr denn? Wann kann sie denn wiederkommen? Kann man sie denn zu Hause besuchen? Wo wohnt sie überhaupt?“
 

Irgendwie war das komisch, aber zum ersten Mal fühlte ich weder Wut noch Abneigung ihm gegenüber. Da konnte sich ein Mensch vorher auch noch so widerwärtig benehmen; wenn sich jemand so offensichtlich und ehrlich um meine Freundin sorgte, hatte er gleich einen Stein bei mir im Brett. Lachend antwortete ich: „Stimmt, es ist schlimm. Sie hat vermutlich die Grippe. Wann genau sie wiederkommt, weiß ich noch nicht. Sicher kann man sie besuchen, auch wenn man dabei Sicherheitsabstand halten muss. Wo genau sie wohnt, kann ich nicht sagen; ich weiß ja nicht, ob sie was dagegen hätte, wenn ich dir die Adresse verrate … aber da Drake sie heute nach der Schule besucht, könntest du ja mal zusammen mit ihm dorthin!“
 

Er schaute mich mit großen Augen an, lachte dann und sagte: „Wie in einem Interview!“ Dann druckste er ganz komisch herum und murmelte: „Saaaag, saaaaag …können … kannst du nicht mit mir … und Drake meinetwegen … kannst du uns beide denn nicht begleiten? Du willst sie sicher auch besuchen und dann können wir es doch gleich zu dritt erledigen, was hältst du davon?“ –
 

„Einverstanden!“, war meine Antwort, aber ich stellte auch sofort klar: „Aber nur unter einer Bedingung: keine Anmachen!“ –
 

„Abgemacht!“ Er spuckte in seine Handfläche und hielt sie mir ausgestreckt hin.
 

Angewidert verzog ich das Gesicht: „Ähhmm … ich denke, ich kann dir auch ohne Handschlag trauen!“
 

Dann packte ich meine Schultasche für die erste Stunde – Englisch – aus. Er legte seinen Kopf schief und schien tief in Gedanken versunken. Dann ging er zu seinem Platz und redete bis zum Schulbeginn mit Shampoo. Soviel bekam ich da nicht mit, weil Drake plötzlich zu mir kam und mich wegen Ritz ausfragte, aber so fröhlich, wie sie es sonst immer war, wenn sie mit Rioroute sprach, schien Shampoo nicht mehr zu sein. Nanu?

Pünktlich zur Schulglocke betrat Mrs. Darling den Raum und begrüßte ihre Klasse so gutgelaunt, wie gewöhnlich. Dann sah ich plötzlich Rioroute vor ihr stehen, der sie anscheinend etwas gefragt hatte – denn ich hörte Mrs. Darling antworten: „Oh, das ist ja traurig, aber natürlich darfst du!“
 

Der Kerl ging zu seinem Platz, packte seinen Rucksack und – kam zu mir. Daraufhin setzte er sich neben mich und murmelte: „Ich habe ihr wegen Ritz Bescheid gesagt und auch gefragt, ob ich mich neben dich setzten kann. Damit du dich für die Zeit, wenn Ritz nicht da ist, nicht so alleine fühlst!“
 

Meine Wut, die vorhin abgeklungen war, kehrte doppelt und dreifach wieder: was erlaubte sich der Typ eigentlich? Aber leider konnte ich ihm meine Meinung nicht mehr sagen, weil Mrs. Darling anfing zu sprechen:
 

„So, meine Lieben! Für diese Stunde hattet ihr auf, das erste Kapitel von ‚Der Club der toten Dichter’ zu lesen. Und wie kann ich das am besten überprüfen?“ Grinsend lieferte sie sich selbst die Antwort auf diese Frage, indem sie ungefähr 30 DIN-A4-Blätter aus ihrer Tasche zutage förderte. Darauf folgte ein allgemeines Aufstöhnen der Klasse.
 

„Na, toll, wer hätte das geahnt?“, hörte ich Rioroute neben mir sagen, „mein alter Englischlehrer hat es immer mündlich abgefragt und ich dachte … deswegen habe ich … deswegen hatte ich keine Zeit, das Kapitel zu lesen. Außerdem war am Wochenende draußen Nebel und ich konnte deswegen nichts in meinem Buch erkennen!“
 

Ich atmete auf: Gott sei Dank hatte ich gestern noch das Kapitel gelesen und es sogar genau studiert. Ich hatte es keinem gesagt, aber ich liebte „Der Club der toten Dichter“, sprich den Film geradezu und freute mich nun, die dazu gehörige Lektüre zu lesen.
 

Nachdem die Lehrerin die Aufgabenblätter ausgeteilt hatte, sagte sie: „Zum Beantworten dieser Fragen habt ihr … „ – sie schaute auf die Uhr - „genau 20 Minuten Zeit. Nicht mehr! Beginnt … JETZT!“
 

Darauf ertönte allgemeines Rascheln von Papier, gefolgt vom Kritzeln der Stifte. Ich legte, wie es auch sonst bei mir in jeder Art von schriftlichen Aufgaben der Fall war, meine ganze Konzentration auf den Test, vergaß alles um mich herum und hörte gar nichts – und auch nicht Rioroute neben mir, der andauernd murmelte: „Also, dass … wie geht denn das … was war das noch mal … wie … ich kann das einfach nicht!“
 

Der Test war an sich ganz einfach und ich war schon nach 10 Minuten fertig. Dann legte ich das Blatt weg und schaute mich um. Alle waren noch mehr oder weniger mit Schreiben beschäftigt. Und dann sah ich ganz zufällig zu meinem Sitznachbarn. Er kratzte seinen Hinterkopf mit seinem Stift, so dass die Haare noch verwuschelter als sonst aussahen, murmelte mir Unverständliches und … er hatte noch nicht eine Frage beantwortet!

Ich weiß selber nicht, warum ich das tat, welcher Engel oder Teufel gerade in mich gefahren war, damit ich das tat … ich weiß nicht einmal, was ich da tat, aber ich stupste ihn an und reichte ihm mein Aufgabenblatt. Normalerweise lasse ich niemanden von mir abschreiben, nicht einmal Ritz (aber in ihrem Fall ist das auch so gut wie nie nötig) und vielleicht schaute Mrs. Darling nur deswegen kaum in meine Richtung.
 

„Nicht jetzt, Helen und außerdem weiß ich es sowieso nicht!“, flüsterte er, ohne aufzusehen.
 

Ich gab ihm einen stärkeren Ellbogenstoß und endlich richtete er sein Augenmerk auf mich und das Blatt. Er verstand sofort, machte aber eine abwehrende Geste und widmete sich erneut und so unproduktiv wie zuvor seinen Fragen.
 

„Hey, wenn du es nicht sofort abschreibst, dann schreib ich deinen Test halt selber!“, hustete ich. Der Engel oder Teufel oder ‚was weiß ich was’ schien immer noch in mir zu sein und mich unkontrolliert zu steuern. Wieder schaute er mich an, seine Augen blickten sehr baff, so als hätte er das nie erwartet (mal ehrlich: wer hätte das schon erwartet?), doch dann strahlte er und begann, so unauffällig, wie möglich, von mir abzuschreiben. Ich sah, dass er anscheinend sehr geübt darin war, ebenso auch darin, meine Antworten umzuformulieren, so dass sie sich so lasen, wie seine eigenen.
 

Kaum war er fertig, sagte auch Mrs. Darling: „So meine Lieben, die Zeit ist nun um!“ Ohne Umschweife ging sie dann herum und riss teilweise die Aufgabenblätter von den Schülerinnen und Schülern weg. Das war nichts Ungewöhnliches, ebenso auch die allgemeine Bestürzung nach dem Test – so als wäre man auf einer Trauerfeier.
 

Nach dem Unterricht packte ich meine Sachen zusammen und wollte ganz normal in den Physikraum zur nächsten Stunde gehen, aber Rioroute zog mich am Ärmel und sagte: „Hey, vielen Dank, das war sehr lieb von dir, ohne dich wäre ich wohl geliefert und überhaupt … ich weiß, dass es schwer für dich war und … und daher …“ -
 

„Bilde dir bloß nichts darauf ein!“, blaffte ich ihn an, „ich habe es nur getan, weil ich dein Gejammer nicht mehr ertragen konnte. Außerdem wäre es schlimm für dich ausgegangen, hättest du schon deinen ersten Test in dieser Schule vergeigt!“ -
 

„War trotzdem nett!“, wiederholte er lächelnd. Ich hätte ihm gerne noch einige Beleidigungen an den Kopf geworfen, um klar und deutlich zu machen, dass ich ihn nach wie vor nicht leiden konnte, doch nun tauchte Shampoo auf und verwickelte ihn sofort in eine Unterhaltung. Ich war ihr sehr dankbar dafür.
 

Als der Schultag vorbei war, war ich mittlerweile zu einem echten Nervenbündel geworden. Jetzt saß, so lange Ritz krank war, dieses ausgewachsene Rindvieh auf ihrem Platz und terrorisierte mich, was das Zeug hielt. Wie genau – nun das können Sie sich sicher gut vorstellen, nach allem, was Sie nun von ihm wissen! Außerdem schickte ich andauernd ein Stoßgebet gen Himmel, dass meine Freundin so bald wie möglich wieder gesund werden würde. Wenn ich daran dachte, dass ich sogar am Anfang dieses Tages darüber nachgedacht hatte, meinen Ärger ihm gegenüber zu begraben…

Zusammen mit Drake und ihm fuhr ich dann, wie ausgemacht, zu Ritz. Na ja … genauer ausgedrückt: Drake nahm ihn mit seinem Mofa mit und ich fuhr mit dem Rad hinterher. Natürlich kam ich nicht ganz mit und so warteten die beiden schon vor Ritz’ Haustür, als ich endlich eintrudelte. Wir klingelten gemeinsam und Mrs. Malheur, Ritz’ Mutter, staunte nicht schlecht, als sie uns drei vor der Tür stehen sah.
 

„Ich fürchte nur, ihr geht es noch nicht so gut, aber wenn es nur für kurz ist, dürft ihr ruhig zu ihr. Sie wird sich sicher darüber freuen!“, sagte sie. „Ich bringe euch was zu trinken. Was wollt ihr: Wasser, Cola, Saft?“
 

„Bitte machen Sie sich keine Umstände wegen uns“, beeilte ich mich zu sagen, „wir sind ja auch nur für ganz kurz vorbeigekommen!“ Ich bekämpfte meinen inneren Bösewicht, der mich fast schon dazu zwang, Frau Malheur Folgendes zu sagen: „Bitte bringen Sie uns drei Gläser Wasser und in einen mischen Sie bitte etwas Gift rein und geben dieses Glas diesem Rioroute!“
 

Ritz freute sich sichtlich, uns alle zu sehen und auch wenn es ihr schon ein wenig besser ging, so sah sie immer noch ganz schwach und blass aus. Ich war traurig, doch nichts machte mich mehr fertig, als die Nachricht, dass Ritz erst nächste Woche wieder zur Schule käme. Keine beste Freundin für eine Woche neben mir; stattdessen eine unbeschreibliche Nervensäge ohne Hirn und Anstand. Bitte, Mrs. Malheur, beeilen Sie sich mit dem Gift!!!
 

Kaum war die Wut Rioroute gegenüber etwas abgeklungen, als Ritz sichtlich müde wurde und wir uns entschlossen zu gehen. Dann passierte etwas, was meinem Zorn einen neuen Aufschub gab.
 

Drake fragte nämlich auf der Türschwelle der Malheurs: „Wo wohnst du denn, Rioroute? Ich bringe dich mit dem Mofa dorthin!“ –
 

„Ach, lass nur, ich schaff das schon alleine“, wehrte dieser lachend ab, „und außerdem … wir können ja erst einmal Helen nach Hause bringen, sie wohnt ja nicht weit weg von hier!“
 

„Aber ich kann euch unmöglich zu zweit mit Helens Fahrrad auf meinem Mofa rumkutschieren!“ Drake sah ratlos aus. Rioroute aber half ihm nach: „Nein, wir machen einen schönen Spaziergang bis zu Helens Haus. Ihr könnt ja eure … eure Sachen schieben. Ich habe keine Lust, jetzt schon nach Hause zu fahren!“
 

Drake zuckte die Achseln: „Danke für das Angebot; das hört sich wirklich ganz gut an, aber so lange kann ich nicht weg bleiben! Muss noch gleich etwas erledigen!“ –
 

„Dann danke ich dir, aber ich bringe Helen jetzt nach Hause und fahre dann alleine mit dem Bus heim!“, bot er an.
 

„Nein danke, ich bin schon alt genug, um alleine nach Hause zu fahren! Tschüss!“ Ich drehte mein Rad um, um darauf zu steigen und loszufahren, aber Rioroute hielt ihn am Lenker fest. Dieser … er hatte Glück, dass meine Eltern mir Manieren bei gebracht hatten!!!
 

„Meinetwegen“, antwortete Drake, „auch wenn ich mich nicht sonderlich toll dabei fühle, dich mit dem Bus fahren zu lassen, aber egal …“
 

„Nein, Drake, lass mich bloß nicht mit ihm alleine, bitte! Drake!“, rief ich. Aber mein Cousin war schon mit einer Mordsgeschwindigkeit davon gebraust.
 

Mein Zorn war wieder einmal auf dem Siedepunkt: Ärgerlich schlug ich Rioroutes Hand vom Fahrradlenker weg und wollte schon weg fahren, da stellte er sich mir in den Weg und sagte: „Nun bitte, Helen, tu mir doch den Gefallen und lass mich wenigstens die paar Minuten noch bei dir sein!“
 

Wieder einmal konnte er von Glück reden, dass meine Eltern mir Manieren bei gebracht hatten: ich hätte ihn ohne zu zögern überfahren. Oder ich hätte kehrtgemacht, wäre zu Ritz zurückgegangen, auf das Dach des Hauses gestiegen und von dort aus runter gesprungen.

Aber so musste ich wieder einmal meine Ausdauer und meine masochistischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und mich von ihm „begleiten lassen“. Das bedeutete soviel wie: mir sein unzähliges und endloses Gesülze anzuhören, was ich – so viel war klar – sicher schon rückwärts und im Schlaf auswendig konnte.
 

„Warum eigentlich ich?“, unterbrach ich plötzlich sein Gefasel; mir war der Geduldsfaden gerissen.
 

„Was meinst du?“, fragte er verständnislos und ich wiederholte: „Warum ich? Warum machst du MICH an und nicht … meinetwegen Shampoo oder sonst jemanden? Die sieht zumindest gut aus und scheint auch auf dich abzufahren. Aber ich … warum gerade ich?“
 

Er antwortete achselzuckend: „Weiß ich auch nicht!“
 

„Wie bitte?“ Ich starrte ihn ungläubig an, doch er wiederholte nur: „Ich weiß es ja auch nicht. Braucht es immer einen Grund, wieso man sich in jemanden verliebt hat?“
 

„Nun … eigentlich schon“, war meine Meinung.
 

„Dann will ich es dir sagen!“ Er seufzte. „Ich habe es dir schon mal gesagt, aber ich wiederhole mich gerne: Du … du bist einfach … perfekt! Egal ob Shampoo oder sonst jemand … die kommen einfach nicht gegen dich an! Du bist klug, nett und … sehr viel hübscher, als alle anderen zusammen! Um es auf den Punkt zu bringen … Warum du und keine andere? Ganz einfach, weil … weil du so bist, wie du bist!“
 

Hoho, der große Orator hatte gesprochen! Verleiht ihm dafür einen Preis! Hach, da kamen einem ja die Tränen …

Einen Moment mal!!! Was sagte er?

Er „mochte“ mich, weil ich so war, wie ich war. Und das hieß …
 

„Das heißt also, dass wenn ich anders wäre, als ich jetzt bin, du dich nicht mehr für mich interessieren würdest?“, fragte ich laut.
 

Er dachte kurz nach, doch dann nickte er und ich murmelte, mehr für mich: „Ausgezeichnet!“

Doch er hörte das nicht, weil er erneut begann, seine „Platte der Anmachsprüche“ abzuspielen … und die Platte endete nicht eher, bis ich meine Haustür hinter ihm geschlossen hatte …
 

Der nächste Tag war sehr viel leichter zu ertragen, weil ich mir über Nacht einen Plan entworfen hatte, den ich heute in die Tat umsetzen wollte. Mit einem listigen Kichern in meinem Inneren hörte ich, dass Rioroute mich fröhlich und gut gelaunt wie üblich, voll quatschte, als er wieder einmal Ritz’ Platz annahm.
 

„Helen, sollen Drake, du und ich nach der Schule wieder Ritz besuchen?“, wollte er wissen, aber ich antwortete: „Nein, ihr könnt ohne mich gehen. Grüßt Ritz von mir und sagt, dass es mir leid tut, aber ich habe heute etwas anderes vor!“ Dabei konnte ich mein listiges Kichern nicht mehr unterdrücken.
 

Doch noch ehe der Kerl darauf etwas erwidern konnte, klingelte die Schulglocke. Wir verließen unser Klassenzimmer und begaben uns in den Kunstraum. Der Lehrer war wegen Ritz’ Fehlen so verzweifelt, dass ich dachte, er würde sich jeden Moment mit seiner Tuschefeder die Arme aufschlitzen: Ritz als ausgezeichnete Einserschülerin in Kunst stach stets hervor und lieferte ihm jedes Mal genug Grund, um stolz zu sein – alle anderen „Künstler“ aus der Klasse konnte man mehr oder weniger – wie sagte man doch so schön? – „in der Pfeife rauchen“.

Ich dagegen zählte von da an die Minuten und gar die Sekunden bis zum Schulende. Als dann endlich die lang ersehnte Schulglocke ertönte, stürmte ich bester Laune aus dem Klassenzimmer (und ignorierte Rioroutes deprimierten Abschiedsgruß völlig) und radelte so schnell es ging, nach Hause. Dort feuerte ich meine Sachen in eine Ecke und fuhr sofort in die Stadt. Mein lieber Rioroute, du wirst, wenn du mich morgen siehst, noch sehr viel trauriger sein! Denn ab da wirst du (ach, was für ein wundervoller Gedanke!) mich nicht mehr lieben! Morgen nämlich steht eine andere Helen vor dir! Eine noch hässlichere, eine sehr viel hässlichere, als jetzt (ich wusste bis heute nicht, dass man im meinen Fall „Hässlichkeit“ noch steigern konnte).

Doch … so komisch es auch war … diese Vorstellung machte mich glücklich, wie schon lange nicht mehr.
 

Gut gelaunt steuerte ich auf mein Ziel, Annikas Friseursalon, zu. Annika ist die Tochter der Freunde meiner Eltern und daher kennen wir uns. Sie ist schon 24, hat ihre Ausbildung als Friseuse mit sehr viel Ehrgeiz und Enthusiasmus beendet und sich vor einem Jahr selbstständig gemacht. In der Stadt stand ihr Salon zwischen einer Cafeteria und einem Klamottenladen und war ein kleiner, aber sehr gemütlicher Ort. Dort befanden sich drei Frisiersessel mit den dazu gehörigen Spiegeln; in einer Ecke stand ein riesiger Tisch mit dem Zubehör, das Annika zum Arbeiten brauchte und am Eingang war eine kleine Sitzecke für die wartenden Kunden eingerichtet worden, welche aus einigen komfortablen, schwarzen Ledersesseln, einem Tisch und vielen Zeitschriften bestand. Direkt dahinter war ein Tresen positioniert, an dem Annika das Geld abrechnete. Die Wände zierten riesige Poster von jungen Models mit modernen Frisuren.
 

Als ich diesen Salon betrat, war Annika gerade dabei, einer Kundin die Haare zu föhnen; die restlichen Frisiersessel, sowie die Warteecke waren nicht besetzt. Es erheitert mich stets, dass sie meiner Meinung nach wie eine große Schwester von Saiki Haneda aussieht – blond und immer fröhlich (nur waren ihre Haare schulterlang und wiesen viele dunkelblonde Strähnen auf).
 

„Hallo, Helen, toll siehst du aus“, begrüßte sie mich so enthusiastisch, wie immer, „nimm doch bitte ganz kurz auf dem Sessel da Platz – ich komme sofort zu dir, wenn ich mit Mrs. Saunders fertig bin!“
 

Darauf musste ich nicht mehr lange warten. Nachdem der Kundin namens Mrs. Saunders die Haare gefönt worden waren und sie Annikas Werk von allen Seiten begutachtet hatte, verfiel sie in eine wahre Euphorie, geschmückt mit zahlreichem Jubel für die Friseuse. Nachdem die Kundin bezahlt und den Salon verlassen hatte, wand sich Annika mir zu und fragte: „Nun, Helen, was kann ich diesmal für dich tun?"
 

Das letzte Mal hatte sie mir die Locken in die Haare gedreht, als ich zur Hochzeit meiner Cousine gefahren bin … und mein Leben von da an total dem Untergang geweiht war. Ich sagte zu Annika: „Bitte einmal schneiden!“
 

„Na, wenn das weiter nichts ist!“ Die Friseuse lachte. „Die nächste Kundin kommt in einer halben Stunde, bis dahin schaffe ich das leicht!“
 

Schnell machte sie ihren Salon sauber, verfrachtete mich dann in einen der Sessel und erzählte: „Ich schneide dir die Spitzen stufig ab und lege die Haare etwas anders – du wirst sehen, das wird bei den anderen voll einschlagen!“
 

Ich dagegen schüttelte den Kopf: „Ich möchte die Haare ganz kurz geschnitten haben; am besten bis unter die Ohrläppchen!“
 

„Bist du da auch sicher?“, fragte Annika und ich nickte. Todsicher. Rasiere mir meinetwegen eine Glatze, Annika, nur, damit mich dieser Blödmann von Rioroute endlich in Ruhe ließ!
 

Diese schaute mich für einen Moment mit hochgezogenen Augenbrauen an und rief dann aus: „Na, solche mutigen Kunden habe ich am liebsten!“
 

Nach etwas mehr als 20 Minuten war sie fertig. Total stolz und glücklich trat ich ins Freie und schwenkte sogar meinen Kopf hin und her, damit meine schlichten, kurzen Haare, die, wie gewünscht, nur noch bis unter die Ohrläppchen reichten, hin und her schwangen und die Passanten meine neue Hässlichkeit bewundern konnten.

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, mir vorzustellen, wie dumm der Vollidiot aus der Wäsche schauen würde, wenn ich morgen mit meiner Kurzhaarfrisur das Klassenzimmer betrat. Dabei kicherte ich die ganze Zeit so intensiv vor mich hin, dass ich schon dachte, ich würde mich jeden Moment in den Hund „Bravo“ aus der Cartoonserie „ A. Tom Ameise und seine Freunde“ verwandeln.
 

Am nächsten Tag fuhr ich sogar sehr viel früher zur Schule, als gewohnt. Vor Aufregung hatte ich die halbe Nacht nicht geschlafen, mit dem Resultat, dass neben meiner Kurzhaarfrisur auch noch dunkle Ringe unter meinen Augen mein neues schlechtes Aussehen untermalten.

Lange hatte ich diesen Auftritt geplant. Lange hatte ich mir vorgestellt, wie es sein würde, als ich das Klassenzimmer betrat und die Kameraden mich anstarren würden. Jetzt war der Moment gekommen. Im Geiste hörte ich triumphale Musik, als ich hocherhobenen Hauptes in das Zimmer und zu meinem Platz ging. Ich spürte die Blicke der Anderen förmlich auf mir liegen und hörte, wie sie über mich tuschelten; ich glaubte sogar zu wissen, was in ihren Köpfen vorging … sie fragten sich sicher: Mein Gott, wie kann die Riley denn noch hässlicher sein, als vorher? Wie kann man sich nur die Haare schneiden und mit so einer Frisur rumlaufen? Hat der Friseur etwa geschlampt?

Das Seltsamste war: Unter anderen Umständen hätte mich die Ablehnung, die ich in den Gesichtern der Kameraden zu sehen glaubte, sicher verletzt; doch dieses Mal ließ sie mich völlig kalt. Nein – sie machte mich sogar stolz und glücklich, als würde mir von allen Seiten nur Bewunderung entgegen schallen.

Als ich endlich an meinem Platz angekommen war und meine Schulsachen ausgepackt hatte, wagte ich, mich umzusehen. Von überallher sahen mich meine Mitschüler mit solchen Blicken an, als hätte ich mich in eine riesige Kakerlake verwandelt. Ich grinste.

Doch Rioroute schien noch nicht da zu sein. Was war denn nun los; sonst war er ja immer um diese Zeit im Klassenzimmer?
 

Nach und nach kamen weitere Klassenkameraden hinein und warfen mir erstaunte Blicke zu. Ich weidete mich an jedem Einzelnen davon. Doch … nur einmal wurde meine gute Laune schwach gedämpft, als Shinichi das Zimmer betrat. Er schaute sich mit geistig abwesenden Augen im Raum um und als sein Blick auf mich fiel, schienen seine Augen die Größe von Golfbällen angenommen zu haben. Ich fühlte, wie ich von meinem hohen Ross hinunterfiel. Auch wenn mein neues noch schlechteres Aussehen dazu dienen sollte, Rioroute abzuschrecken, so hatte ich dafür einen hohen Preis bezahlt: dass Shinichi mich abstoßend fand. Und falls er dies schon vorher gefunden hatte, so war sein Ekel mir gegenüber sicher jetzt noch größer.

Auch Drake musterte mich mit riesiger Überraschung, sagte aber: „Hey, Helen, deine neue Frisur sieht ja nicht schlecht aus!“
 

„Danke, Drake!“ Ich war meinem Cousin vom Herzen dankbar dafür, dass er mich damit von meiner „Shinichi – Misere“ befreit hatte, auch wenn er etwas zu mir gesagt hatte, das nicht stimmte.
 

Und dann … kurz vorm Beginn des Unterrichts lief der Trottel endlich in die Klasse rein. Das Spiel konnte beginnen …
 

Mit geröteten Wangen und einem breiten Lächeln im Gesicht, prustete er atemlos hervor: „Mein Sch … Mein Bus hatte Verspätung und beinahe wäre ich auch zu spät gekommen; so ein Glück, dass ich ein passabler Läufer b…“ Er war schon zu seinem Platz gegangen und förderte seine Bücher für die nächste Stunde zutage, als er erstarrte, als wäre er paralysiert worden.

Dann drehte er sich langsam zu mir um … ganz langsam …

Ich sah, dass seine Augen fast schon aus den Höhlen hervorquellten und sein Mund war aufgeklappt, als er endlich feststellte: „Du … du hast dir ja die Haare geschnitten!“
 

Darauf lachte ich nur ganz fies. Na, was sagst du nun? Was sagst du zu deiner „Flamme“? Jetzt ist sie zu hässlich, als dass du sie noch weiter lieben kannst! Und folglich … musst du dir eine andere suchen, bei der du nun deine Freakshow abziehen kannst!
 

„WOOOOW!“, rief er plötzlich laut aus und ich sprang einen Meter in die Höhe vor Schreck.

„Woow“, wiederholte er, „das ist … das ist wirklich klasse! Das … das sieht ja sogar noch besser aus, als vorher! Ich hätte nicht gedacht, dass du noch hübscher werden kannst, aber … die kurzen Haare stehen dir echt besser, als die Langen …“
 

Er fuhr mit seiner Lobeshymne fort, aber ich hörte nichts mehr. Ich fühlte mich wie erschlagen. Als wäre ein riesiger Stein auf meinen Kopf gefallen. Darüber hinaus klappte mein Mund auf, so dass mein Kinn fast schon meinen Tisch berührte. Nein, nein, nein, das durfte jetzt einfach nicht wahr sein!!!

Ich musste träumen. Ja, genau, das ist es! Denn nur in einem Traum kann so etwas vollkommen Unlogisches und Unwahres geschehen!

Im nächsten Moment stieß ich aus Versehen mit meinem Ellbogen an die Tischkante – und der drauf folgende Schmerz bewies mir, dass es kein Traum war.

Es war kein Traum.

Es war Realität.

Es war unfair!!!!

Alles umsonst … ich hatte alles umsonst getan.

Meine Haare geschnitten, so dass ich jetzt wirklich aussah, wie ein Wrack.

Die ganze Klasse tuschelte über mich – sie wunderte sich sicher, wie das ginge, dass selbst ich noch hässlicher werden konnte … wie ich mich so selbst verschandeln konnte.

Und … das Schlimmste: mit meiner Aktion hatte ich wohl nun auch die kleinste Chance, dass Shinichi mich eines Tages doch nett finden würde, vertan. Mit der Frisur könnte ich mich anstrengen, so viel ich wollte: ich würde ihm stets genauso sympathisch sein, wie ein Mörder, den er nicht fassen konnte.

Aber der einzige, der mich wirklich abstoßend finden sollte, der mich hassen sollte, fand mich jetzt umso schöner.

Na toll … so viel zum größten Reinfall aller Zeiten.

Natürlich gab es jetzt keinen Ausweg mehr: ich musste damit leben. Natürlich wuchsen die Haare wieder nach, aber … darum ging es nicht. Es ging nur darum, dass ich mit meiner Aktion viel riskiert, alles auf eine Karte gesetzt – und verloren hatte! Alles umsonst!!!

Fazit: auch dieser Tag war ein verlorener Tag – dank Rioroute Vilgyna.
 

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Puuh ... fast hätte ich meinen obligatorischen Nachwort vergessen *erleichtert seufzt*

Ich bin jetzt so richtig in Schreiblaune; ich hoffe, dass die FF jetzt endlich in die Gänge kommt! Es macht mir gerade so richtig Spaß und ich komme in Fahrt. Allerdings ... das nächste Kapitel wird etwas schwer zu schreiben sein; ich hoffe, ich kann es schon bald schaffen.

Jedenfalls habe ich dieses hier noch in diesem Jahr geschafft *freu*!
 

Der Anfang des Kapitels ist eine kleine Parodie auf die gute alte "3 Wetter Taft" - Werbung, die ich einfach schreiben MUSSTE *Fan sei*. Fast hatte ich auch Rioroute "Dattebayo" sagen lassen, meine Finger kribbelten schon ... Gott sei Dank habe ich es dann sein lassen XD.

Gott ... was labere ich eigentlich hier XD? Jedenfalls danke ich meinen Lesern und natürlich Phoebe-Maus^^.

Eifersucht

Den Rest des Tages verbrachte ich wie ein Schlafwandler. Ich wusste nicht mehr, was ich sagen oder denken sollte. Einige Mitschüler sagten mir, dass meine Frisur ganz gut aussähe, obgleich ihre Blicke zeigten, dass sie das genaue Gegenteil dachten, aber mir war es gleich. Vor mir lag eine geistige Wand, die alles abprallen ließ, was jemand zu mir sagte. Ich hatte Glück, dass man mich im Unterricht nicht dran genommen hatte, denn - gemäß dem Fall ich hätte den Lehrer gehört, natürlich - ich hätte keine gescheite Antwort geben können.
 

Ich war verzweifelt. Ich hatte alles unternommen, alle Maßnahmen ergriffen, um ihn loszuwerden - nichts half. Stattdessen dachte ich jetzt an etwas anderes: was ich in diesem oder einem anderen Leben so Schlimmes getan habe, dass mich Gott so schlimm strafte.
 

Nach der Schule packte ich blitzschnell meine Sachen zusammen und hastete aus dem Klassenzimmer. Ich hörte nicht, dass Rioroute mich fragte, wohin ich denn so schnell will und ich tat etwas, weswegen ich mich schäbig fühlte - ich verabschiedete mich nicht von Drake. Denn dann würde das Risiko bestehen, dass dieser Ochse sich zu uns gesellen würde und mir wieder nichts anderes übrig bleiben würde, als mit ihm zu Ritz zu fahren.
 

So konnte ich in Ruhe und ohne irgendwelche schreckliche Gesellschaft zu den Malheurs radeln. Dabei dachte ich über alles Geschehene nach ... ich hatte mich für nichts und wieder nichts verschandelt. Jetzt würde mich erst recht niemand mehr hübsch finden. Und Rioroute wäre ich trotzdem nicht los. Und dann noch dieser Blick von Shinichi! So ... seltsam ... abweisend ...

ich fühlte, wie mir bei diesem Gedanken die Tränen kamen.
 

Ritz schaffte es, mich etwas aufzubauen. Zunächst einmal, weil es ihr sichtlich besser ging, obgleich sie noch etwas blass aussah, zum anderen, weil sie meine Frisur ehrlich bewunderte. Ritz hatte die seltene Eigenschaft, ihre Gedanken stets nach außen zu tragen. Wenn sie etwas sagte, dann meinte sie es auch so. Und falls es einmal in 100 Jahren geschah, dass sie log, so sah man es sofort. Ritz' Begeisterung baute mich sehr auf und ich begann zu denken, dass ich vielleicht doch nicht so schlimm aussah, wie ich dachte. Und dann ... kam Frau Malheur herein und kündigte zwei weitere Besucher an.
 

Man brauchte kein Hellseher zu sein, um sich denken zu können, dass diese beiden Drake und Rioroute waren.
 

Als ich die zwei sah, stand ich auf und sagte: "Dann geh ich mal, Ritz!"
 

"Wieso, du bist doch erst gekommen?", fragte Ritz und Rioroute schrie entsetzt: "Geh doch nicht, Helen!"
 

Ohne auf ihn Acht zu geben, sagte ich: "Es tut mir leid, aber ich muss meiner Mutter heute im Haushalt helfen."
 

Was für eine dämliche Ausrede! Aber ohne mich noch weiter darum zu kümmern, stürmte ich aus dem Zimmer und dann, nachdem ich mich von Frau Malheur verabschiedet hatte, aus dem Haus und fuhr dann mit einem Affenzahn mit meinem Rad nach Hause. Damit dieser Nervling nicht auf die Idee kam, mich zu verfolgen.
 

Ich hatte genug. Ich war mit den Nerven am Ende. Vorher war ich vielleicht "nur" wütend und genervt von ihm, aber stets mit einem Ausweg gewappnet, einer Option, mit der ich diesen Wahnsinn beenden konnte. Jetzt aber hatte ich designiert. Alle Auswege und Optionen waren verbraucht. Ich fühlte mich wie ein zu Tode Verurteilter, der kurz vor seiner Hinrichtung steht und sein Schicksal hinnehmen muss. Und je weiter der Tag voranschritt, desto wütender wurde ich.
 

Am nächsten Tag war ich fuchsteufelswild. Ich hatte aufgrund meiner Wut kaum geschlafen. Und da es die zweite Nacht in Folge war, in der ich nicht wirklich geschlafen hatte, verstärkten sich meine Augenringe und mein vor Ärger knallrotes Gesicht und die abstehenden Haare kamen noch dazu. Nun sah ich wirklich aus, wie eine ... wie was-weiß-ich-was! Ich fuhr in die Schule, in den Ort des Verderbens, wo ich einem Wahnsinnigen ausgeliefert war, dem ich nichts mehr entgegen setzen konnte. Wenn ich nur daran denke, wie ich mich früher auf die Schule gefreut habe. Und jetzt ...!
 

Dieses Mal war er da, als ich ankam. Er begrüßte mich und fragte: "Wieso bist du gestern so schnell weggefahren?"
 

"Weil ich gestern meiner Mutter helfen musste, wie ich bereits sagte - oder hast du mir mal wieder nicht zugehört?" giftete ich.
 

"Doch habe ich!", rechtfertigte er sich. "Du hättest ja trotzdem auf uns warten können! Ich hätte dich gerne wieder nach Hause gebracht. Meinetwegen hätte ich dir bei deinen Pflichten im Haushalt geholfen, das hätte ich gerne gemacht!"
 

Ich lachte auf. Zum Einen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass so einer wie ER bereit wäre, was im Haushalt zu machen, zum Anderen, weil mich der Gedanke, dass ich nicht mal nachmittags Ruhe von ihm gehabt hätte, angewidert hatte.
 

"Ich fass es nicht! Du raffst es einfach nicht, dass ich nichts mit dir zu tun haben will! Was würde ich nur machen, damit du endlich aus meinem Leben verschwindest!"
 

Dieses Mal schämte ich mich nicht einmal wegen meiner Worte. Meine Wut war inzwischen zu groß. Aber ihm schien das Ganze ohnehin nichts ausgemacht zu haben; er schaute mich lange fragend an, doch dann drehte er sich weg und auf seinem Gesicht bildete sich das breiteste Lächeln, das ich bis jetzt bei ihm gesehen habe.
 

"Was grinst du so, wie ein Honigkuchenpferd?", fuhr ich ihn an.
 

"Ich muss nur daran denken, was mein Vater einst zu mir gesagt hat: 'Frauen sind sehr widersprüchlich. Sie wollen umkämpft werden, sie wollen eine Herausforderung darstellen. Deswegen stellen sie sich bei den Männern, die sie aber in Wahrheit lieben, oft zickig und verschlossen an, damit diese weiter um sie kämpfen. So wollen sie die Ernsthaftigkeit und die Entschlossenheit der Männer testen.' Daher glaube ich, dass deine Abweisung nur eine Art ist, mir zu zeigen, dass du in Wahrheit total in mich verliebt bist!" erzählte er.
 

"Aber sonst geht's dir gut? Du glaubst also, meine Ablehnung dir gegenüber ist in Wahrheit Liebe? Du glaubst also, ich sage das genaue Gegenteil von dem, was ich denke?", erboste ich mich.
 

Er nickte und ich sagte: "Wenn das so ist, dann ist das vielleicht die Möglichkeit, dich für alle mal loszuwerden. Indem ich einfach das Gegenteil von dem sage, was ich denke. Oder - wie sagtest du doch gleich? – keine Herausforderung für dich darstelle! Dann sage ich Folgendes: 'Ich liebe dich, Rioroute, du bist mein Held, du bist der Größte, ich will mit dir ausgehen!' So, und nun geh!"
 

Wenn ich vorhin gedacht habe, er konnte nicht noch breiter lächeln, so bewies er mir nun das Gegenteil. "Das ist genau das, was ich schon immer hören wollte!", flüsterte er verträumt.
 

Ich musste mir auf die Lippen beißen, bis sie bluteten - sonst wäre ich diesem Blödmann an die Gurgel gesprungen. Das durfte nicht wahr sein! Ich schimpfte los, beleidigte ihn immer und immer wieder, er aber lachte nur und sagte: "Weiter! Na, los! Hast du nichts mehr zu bieten?"
 

Plötzlich hörten Rioroute und ich, wie jemand fragte: „Rio, willst du jetzt immer neben Helen sitzen?“
 

Es war Shampoo. Sie hatte heute einen Pullover mit einem fast schon skandalös tiefen Ausschnitt an und als sie sich auf unseren Tisch setzte, beugte sie sich auch noch lasziv vor – und setzte dabei ihren besten Hundeblick auf. Rioroute schluckte und wurde bei diesem Anblick rot; ich dagegen spürte, dass mir vor so viel Obszönität die Galle hochkam.
 

„Na ja … so lange Ritz krank ist, sitze ich hier bei Helen!“ Das war Rioroutes Antwort.
 

„Meinetwegen kannst du dich wieder zu Shampoo setzen, das wäre mir sogar sehr viel lieber“, beeilte ich mich zu sagen und er lachte: „Und mir die Chance, zu zeigen, dass ich kein schlechter Kerl bin, entgehen lassen? SO blöd bin ich nun auch nicht!“
 

Ich wollte ihm darauf eine barsche Antwort liefern, doch beim Blick, den mir Shampoo zuwarf, versagte meine Stimme. Wenn Blicke töten könnten, so hätte ich nicht einmal mehr Zeit für eine Lebensversicherung gehabt.
 

„Dann bleibe meinetwegen für immer weg!“ Mit diesem Satz drehte sich das chinesische Mädchen auf den Absatz um und ging zu ihrem Platz zurück. Mir tat sie irgendwie leid und alles … ARGH!!! Alles wegen Rioroute!!!
 

Dann ertönte auch schon die Schulglocke. Die erste Stunde des Tages war Geschichte. Schon betrat Mrs. Darling den Raum und sagte: "Ich hoffe, ihr habt zu Hause das gemacht, worum ich euch gebeten habe, nämlich alles um das Thema erster Weltkrieg rum zu wiederholen. Aber das werde ich ja gleich sehen. Denn ihr schreibt jetzt einen Test darüber. Bitte holt euch was zum Schreiben raus und legt alles andere vom Tisch!"
 

Natürlich folgte daraufhin das obligatorische Raunen und Rioroutes Murmeln, wieso er mal wieder die Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Dann meldete er sich und fragte: "Aber mein Frühstücksbrot kann ich doch auf meinem Tisch lassen, oder?"
 

Jeder lachte, sogar Mrs. Darling schmunzelte: "Ich denke, das kann ich gelten lassen!" Ich dagegen klatschte mir an den Kopf. Der Kerl war unerträglich!
 

"Helen, richtest du bitte aus, dass Ritz den Test in der nächsten Stunde Geschichte, in der sie wieder da ist, nachschreibt, aber natürlich mit anderen Fragen?", fragte die Lehrerin und ich nickte. Daraufhin teilte sie die Testblätter aus und sagte, dass alle erstmal die Aufgaben durchgehen sollten, falls Fragen auftauchen sollten, denn danach würde sie keine Fragen mehr beantworten.
 

"Ich habe eine Frage!" Rioroute meldete sich und als er drankam, fragte er: "Was war das grundlegende Geschehnis, das den ersten Weltkrieg auslöste?"
 

Erneut lachte die ganze Klasse und Mrs. Darling antwortete lächelnd: "Ich meinte damit nicht die Fragen aus dem Test, Rioroute! Gut, wenn sonst keiner mehr Fragen hat ... ihr habt 45 Minuten ... ab jetzt!"
 

Daraufhin war in der Klasse nichts mehr zu hören, bis auf Blätterrascheln, Kritzeln von Stiften und gelegentliches Stöhnen und Aufseufzen. Von meinem ach so hoch verehrten Sitznachbarn hörte ich weniger Stiftekritzeln und Blätterrascheln, dafür aber umso mehr, wie er die ganze Zeit über rummurmelte, dass er die Aufgaben nicht könne usw. Dieses Mal aber stellte ich mich taub. Weder Engel noch Teufel konnten mich dieses Mal dazu bringen, ihm zu helfen. Wenn er jetzt dachte, er könnte sich auf meine Kosten immer so durchmogeln, dann hätte er sich geschnitten! Eisern hielt ich durch und schrieb meinen Test.
 

Der Tag ging vorbei und der Tag daraufhin auch und ich wunderte mich mal wieder, wie stark ich sein konnte, dass ich die Anwesenheit und erst Recht das Gelaber von Rioroute ertragen konnte. Er dagegen konnte nicht aufhören, mich zu belabern, wie toll er mich fand, wie gern er mit mir ausgehen würde usw. Ich fand, dass die Welt ungerecht war. Aladdin hatte 3 Wünsche frei, Bastian Balthasar Bux hatte sogar unzählige, ich dagegen hatte nicht mal einen. Denn wenn ich den gehabt hätte, so hätte ich mir diesen Trottel weg gewünscht. Oder ihn stumm gemacht. Oder einen Jahresvorrat Earpaks für mich gewünscht. Eins von dem. Egal was! Aber leider war die Wirklichkeit nun mal kein Märchen. Und - was eigentlich noch schlimmer war, als Rioroutes ständiges Abspielen seiner typischen Schallplatte (und das wollte schon was heißen!), waren die todbringenden Blicke, die mir Shampoo fortan die ganze Zeit zuwarf. JETZT sah sie mich zumindest wieder an; ich dagegen hätte mir gern den alten Zustand zurückgewünscht, in dem sie mich nicht mal mit ihrem Hinterteil angeguckt hatte.
 

Auch am Wochenende hatte ich keine Ruhe vor ihm. Briefchen, die entweder mit Herzchen bemalt waren, oder voll vom Text aus seiner Schallplatte, fanden sich überall, in meinen Büchern, in meinen Heften, in meinem Mäppchen, ja sogar in meiner Frühstücksdose. Und am Samstag, als ich wieder Ritz besuchte und sehr erfreut war, zu hören, dass es ihr viel besser ging und sie am Montag wieder zur Schule käme, wurde meine Freude sehr gedämpft, als ich diesen Vollidioten dort antraf. Er ließ sich natürlich nicht nehmen, mich daraufhin nach Hause zu begleiten und ich durfte mir mal wieder sämtliche Wiederholungen seiner Schallplatte antun.
 

Als ich am Montag zur Schule fuhr, war ich so froh, sie selten zuvor. Jetzt würde Ritz ihren Platz wieder beanspruchen und ich wäre diesen lästigen Sitznachbarn los. Zwar würde ich ihn in den Pausen und nach der Schule, so wie es aussah, immer noch ertragen müssen, aber da ich gesehen habe, wie viel schlimmer die Situation noch werden könnte, war es für mich das weitaus geringere Übel. Jetzt, rückblickend betrachtet, sah ich mich als eine Art Heldin. Denn ich glaube kaum, dass jemand sonst, wäre er an meiner Stelle gewesen, diese letzte Woche durch gestanden hätte, ohne vollkommen verrückt zu werden.
 

Ich dachte zurück, wie es mir noch vor ein paar Tagen ging. Ich war wütend, verzweifelt, hatte mich aufgegeben. Jetzt aber fühlte ich mich froh und erfrischt. Vor der ersten Stunde, Englisch, wurde meine Freude etwas betrübt. Denn Rioroute begann, mit Ritz um den Platz neben mir zu feilschen. Ich kannte Ritz sehr gut und ich sah es ihr an, was sie dachte. Mittlerweile kannte ich ja ihre Meinung zu dem Kerl und ich hegte den Verdacht, dass sie sich sogar bemühte, ihn und mich zu verkuppeln. Aber andererseits mochte sie Shampoo nicht besonders, weil sie sie für zu oberflächlich hielt und würde somit niemals den Platz mit ihm tauschen. So musste sich Rioroute am Ende geschlagen geben und zu seinem alten Platz neben Shampoo zurück schleichen.
 

Ich triumphierte. "Vielen Dank!", raunte ich Ritz zu.
 

Sie aber war sehr rot vor Verlegenheit geworden. "Ich mag dich sehr, Helen und ich sitze gerne neben dir. Außerdem mag ich Shampoo nicht so gern, so dass ich nicht unbedingt neben ihr sitzen möchte. Aber andererseits ... ich fühle mich nicht so wohl dabei, wenn ich sehe, wie gerne er hier gesessen hätte!"
 

"Wieso fühlst du dich nicht wohl dabei? Du hast mein Leben gerettet! Noch so eine Woche wie die Letzte halte ich nicht aus, das kannst du mir glauben!", sagte ich.
 

"Ich finde ja nach wie vor, dass er ein toller Typ ist und dich mit Sicherheit gut behandeln würde, wenn er dein Freund wird. Aber was soll's. Du denkst halt anders, als ich und lässt dich nicht umstimmen, daher belassen wir es dabei." Sie seufzte.
 

Ich fühlte mich daraufhin nicht mehr ganz so wohl. Ritz sah traurig aus. Aber ich konnte doch in der Sache nichts machen, außer mich ihrer Meinung anschließen und das wäre mit Sicherheit das Letzte, was ich in diesem Leben tun würde.
 

Dann begann der Englischunterricht und ich hatte heute meinen tollen Tag. Nicht nur, dass wir eine Charakteranalyse über Todd Anderson von "Der Club der toten Dichter", der mein Lieblingscharakter war, durchführten, sondern auch, weil ich sehr fröhlich war, dass Rioroute nun nicht mehr neben mir saß. Mrs. Darling überschüttete mich mit Lob und der Kerl selber schaute mich nachdenklich und verträumt an. Und dann sah ich etwas, was mein Herz in die Höhe fahren ließ, so als hätte ich einen Elektroschock erlitten.
 

Shinichi sah mich an. Er sah mich lange an. Er sah mich lange und nachdenklich an. Und dann lächelte er mir zu.
 

Ich spürte in meinem Inneren eine ganze Tanzparade loslegen und gleichzeitig war mir so wohlig warm. Dann fühlte ich, wie mein Kopf rot anlief und ich konnte nicht umhin, als sehr zufrieden zu lächeln. Nach einer Weile sah ich wieder zu ihm hin, er hatte aber seinen Blick wieder abgewendet und fest nach vorne gerichtet. Und doch ... irgendwie spürte ich, wie mich jemand anschaute. Ich spürte einen brennenden Blick und sah - fast schon instinktiv - zu Shampoo rüber. Aber auch sie war es nicht (sie schaute in ihr Buch); es war ihr Sitznachbar, der zunächst einmal Shinichi und mich abwechselnd verwirrt ansah und mich dann schließlich mit einem Blick durchbohrte, der sich gewaschen hatte. Ziemlich stechend und durchdringend. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte und ehrlich gesagt kümmerte es mich nicht weiter.
 

Nach Englisch hatten wir eine kleine Pause. Ich packte meine Sachen für die nächste Stunde, Mathematik, aus und studierte nochmal die Hausaufgaben. Plötzlich spürte ich, wie sich jemand vor mich stellte und gleichzeitig einen Schatten auf mein Heft warf. Nicht DER schon wieder, dachte ich. Muss er mich denn immer belästigen? Genervt schaute ich auf.
 

... und hielt inne ...
 

Blau. Meer. Beruhigend. Strahlend. Groß. Wunderschön.
 

Shinichi ...
 

HILFE!!!
 

Ja. Etwas war geschehen. Tatsächlich war etwas geschehen, was ich noch nicht erlebt, aber insgeheim immer davon geträumt hatte: Shinichi stand vor meinem Platz, schaute mich mit seinen schönen blauen Augen an und er - OH, HILFE, GOTT!!! - lächelte mich an.
 

"Hallo, Helen, ich wollte kurz mit dir reden. Hast du Zeit für mich?", fragte er.
 

(Für dich immer!) "Äme, äme, äme", stammelte ich.
 

"Es ist nämlich so", erzählte er. "Ich habe keine großen Schwierigkeiten mit den ganzen Fächern, nur Englisch macht mir immer etwas zu schaffen. Du aber bist wirklich sehr gut. Kannst du mir helfen?"
 

(Oh, Mein Gott! Oh. Mein. Gott. War das etwa eine Einladung zum gemeinsamen Lernen? Hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiillfeeee !!!) "Ja, ehm, klar!", sagte ich und wurde knallrot.
 

"Sehr gut!" Er lächelte und holte dann sein Buch heraus. "Ich verstehe hier so einiges nicht ..."
 

Meine Freude wurde daraufhin etwas gedämpft, weil da nichts mehr kam mit ‚Wollen wir uns zum Lernen treffen usw.', aber ich war auch albern! Shinichi hatte sicher nur einige Punkte, die er klären wollte; er wollte nicht das gesamte Buch von mir interpretiert haben! Und doch - er hatte sich an MICH gewandt! An MICH! Und wer weiß ... vielleicht war es ja seine Masche, Mädchen auf die Art anzusprechen? Ach, komm, Helen, hör auf, am helligsten Tage zu träumen!
 

Er stellte mir einige Fragen, die ich aus meiner Sicht beantwortete; wir beide diskutierten über einige Punkte, und doch - ich musste mich sehr konzentrieren, um ihm genau zuzuhören und nicht in den wunderschönen, meeresblauen Augen zu schwimmen ... zu ertrinken ... das Blau war wie das Meer an der Karibik ... so rein ... so wunderschön blau ... so leuchtend ... und beruhigend ... Moment, zurück zur Erde, Scotty! Was redete er da? Ich riss mich zusammen und hörte ihm zu. Er stellte wieder eine Frage, die ich, so gut es ging, beantwortete.
 

Dann klappte er sein Buch wieder zu, lächelte mich an und sagte: "Ich denke, das waren alle Punkte. Vielen Dank! Du hast mir sehr geholfen! Kann ich denn noch mal auf dich zukommen, wenn ich über weitere Stellen stolpern sollte?", fragte er.
 

(Ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja, JA!) "Klar, gerne", antwortete ich.
 

Als er ging, stieß ich einen langen, wohligen Seufzer aus und ließ mich überglücklich in meinem Stuhl sinken. Wie durch einen Schleier hörte ich Ritz fragen: "Magst du ihn etwa?"
 

Ich erschrak. Ritz war meine beste Freundin und ich teilte alle Geheimnisse mit ihr, bis auf die Tatsache, was ich für Shinichi empfand. Denn ... wenn ich ehrlich bin: ich war mir meiner Gefühle selber noch nicht im Klaren.
 

"Wieso?", wollte ich wissen.
 

"Weil das offensichtlich war!", antwortete sie. "Ich kenne dich schließlich sehr gut und ich weiß, wie du dich Jungs gegenüber verhältst, die du magst. Und auch so ... ich glaube, jeder konnte das sehen. Du hast ihn die ganze Zeit verträumt angestarrt und nur rumgestottert!"
 

"Aha!", sagte ich nur. Ich schwamm im Geiste im karibikblauen Meer.
 

"Ist das der Grund, wieso du Rio keine Chance geben willst?", fragte sie plötzlich.
 

Aus dem karibikblauen Meer wurde ein Stecker gezogen und das wunderschöne Blau wurde, mit mir, in einem Riesenstrudel nach innen gezogen. "Dass du jetzt auf einmal wieder mit ihm kommst!", blaffte ich sie an. "Gerade jetzt, wo ich so schöne ... egal! Eins solltest du wissen: selbst wenn Shinichi nicht da wäre, selbst wenn Rioroute der einzige Kerl auf diesem Planeten wäre, ich würde lieber das Hinterteil von einem toten Schwein küssen, als auch nur eine Sekunde mit ihm auszugehen!"
 

Ritz seufzte, aber ich beachtete sie nicht. Ich stürzte mich wieder in meine Tagträume.
 

Während der Mathestunde bekam ich nichts vom Stoff mit, ebenso wenig vom Rest der Welt. Stattdessen spielte ich die schöne Szene, die sich gerade in der Pause ereignet hatte, immer wieder ab. Shinichi war auch mich zugekommen. Er war LÄCHELND auf mich zugekommen. Er, der große Shinichi, der in jedem Fach spielend eine gute Note herausholen konnte, hatte mich um Hilfe gefragt. Obwohl er eigentlich jeden hätte fragen können. Und dann noch diese wunderbaren Augen ...
 

Nach der Stunde war eine große Pause. Ich packte meine Sachen zusammen. Dann spürte ich wieder einmal, wie sich jemand vor mich stellte und gleichzeitig einen Schatten auf mich fallen. Oh, mein Gott, Hilfe! War er etwa zurückgekommen? In meinem Geiste spielte eine wunderschöne Musik und

ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf und schaute auf.
 

Die Musik verzerrte, wie eine ausgeleierte Schallplatte und mein Lächeln rutsche von meinem Gesicht, wie Butter von einer heißen Kartoffel. Es war nicht Shinichi, es war das genaue Gegenteil: die unbeschreibliche, schreckliche Landplage!
 

Vor Enttäuschung hatte ich ihn im ersten Moment nicht genau angeschaut, doch als ich eine Sekunde länger hinschaute, erschrak ich sehr.
 

Ich stellte fest, dass ich ihn noch nie wütend gesehen habe, umso mehr überraschte mich, wie fuchsteufelswild er schauen konnte. Wenn Ärger ein Bild benötigen würde, dann wäre es dieses Gesicht. Er war rot angelaufen, seine Haare standen nach allen Seiten ab, als wären sie elektrisiert, seine Lippen waren fest aufeinander gepresst, seine Stirn war gerunzelt und dann noch diese Augen ... sie waren zu Schlitzen verengt und das, was da noch zu sehen war, waren Pupillen, die rot funkelten, wie ein Höllenfeuer. Unbewusst wich ich von ihm zurück.
 

"Sag mal", knurrte er, als wäre er Cerberus persönlich, "was läuft da zwischen dir und diesem Kudo?"
 

Im Nu flaute meine Angst ab und wurde durch Verständnis ersetzt, die sich ganz langsam zu purer Freude entpuppte. Mir war alles klar. Der Kerl glaube wohl, Shinichi und ich hatten etwas am Laufen (ach, was für ein wundervoller Gedanke!) und war eifersüchtig. Ich musste nur diesen Gedanken weiterspinnen: wenn der Kerl auch bestätigt bekommen würde, dass ich in Shinichi ... dass ich ihn mochte, dann würde selbst er in seinem beschränkten Geistesvermögen einsehen, dass er keine Chance mehr bei mir hatte! Mein Herz war vergeben! Es war nicht mehr zu haben! Würde er mich dann endlich in Ruhe lassen (ach, ein noch schönerer Gedanke!)? Deswegen versuchte ich mein Möglichstes, um diese Chance, die wahrscheinlich mein letzter Trumpf war, auszuspielen.
 

"Wer weiß, wer weiß", antwortete ich. "Bis jetzt läuft da nichts, aber was nicht ist, kann ja noch werden! Denn Shinichi hat alles, was einen Traumtypen ausmacht. Erstens: er ist intelligent, er ist ein Genie! Dann ist er so mutig! Wie er der Polizei selbst bei den gefährlichsten Fällen hilft ... wie ein Held! Er hat einen so starken Gerechtigkeitssinn! Und dazu ist er so sympathisch! Ihn muss man einfach li ... mögen!"
 

Der Kerl schaute nun noch wütender, als vorhin. Wie tausend Höllenfeuer zusammen. Dann drehte er sich um und ging langsam und zitternd weg. Seine Hände, so sah ich, waren so fest zu Fäusten geballt, so dass seine Knöchel stark hervortraten. Ich grinste breit. Im Geiste hörte ich triumphale Fanfaren, die mir von allen Seiten entgegen schallten.
 

"Musste das sein?", Ritz unterbrach meinen Tagtraum erneut. "Es war ziemlich unnötig, ihn so dermaßen zu verletzen!"
 

Ich zuckte die Achseln. "Je schneller der Kerl merkt, dass er keine Chance bei mir hat, desto besser für ihn. Und im Übrigen hat er sich in der letzten Woche auch nicht besonders benommen, aber das ist ja egal."
 

Den Rest des Tages schwieg Ritz mich an. Ich mochte es nicht, wenn jemand sauer auf mich war und wir sprachen uns am Ende des Schultages aus. Und doch blieb nach wie vor die Barriere zwischen uns, die auf unsere unterschiedlichen Meinungen über Rioroute basierte. Ich begann mich erneut zu ärgern. Wegen Rioroute hatte ich Zwist mit meiner besten Freundin. Wegen Rioroute hasste mich Shampoo, wie die Pest, ihren Blicken nach zu urteilen. Wegen Rioroute war mein komplettes Leben aus den Fugen geraten.
 

Alles wegen Rioroute!
 

Den Rest der Woche bargen für mich die schönsten Tage, die ich seit langem erlebt hatte. Zwar hatte mich Shinichi seitdem nicht mehr gesprochen, aber - und nun kam das Schöne - die größte Nervensäge der Klasse ließ mich nun auch in Ruhe. Zwar lief er ab und zu mit Drake zu den Unterrichtsräumen und zur Pause, mit dem er (zu meinem großen Nachteil!) offenbar Freundschaft

geschlossen hatte und da Ritz und ich auch oft in Drakes Nähe waren, ließ es sich nicht vermeiden, dass ich auch oft in seiner Gesellschaft war - aber er drängte sich mir nicht mehr auf. Er stand nicht die ganze Zeit neben mir und ließ seine Schallplatte ablaufen, aber er schaute mich trotzdem ununterbrochen an. Während der Pausen, im Unterricht, die ganze Zeit! Und doch ... sein Blick ließ mich die Freude darüber, dass er mich endlich in Ruhe gelassen hatte, stark dämpfen. Es war ein trauriger, nachdenklicher Blick. Ich, die schon oft von Jungs verletzt worden war, kannte diesen Blick. Es tat mir sehr leid, dass ausgerechnet ich, die ich schon so oft verletzt worden war und es eigentlich besser hätte wissen müssen, jetzt auch einen anderen Menschen verletzt hatte. Und ein schlechtes Gewissen hatte ich auch. Aber andererseits ... ich konnte nichts für ihn tun. Ich konnte und wollte nun mal seine Gefühle nicht erwidern.
 

(Warum?)
 

Weil ich ... weil ich einfach nichts für ihn übrig hatte, deswegen.
 

(Warum?)
 

Darum!!!
 

(Er hat dir doch nie wirklich was getan! Meinst du nicht, du bist ungerecht

ihm gegenüber?)
 

Lass mich in Ruhe, du fiese Gewissenstimme, ich hasse dich!
 

Das Andere, was ich bemerkt hatte, war Rioroutes spürbarer Hass gegenüber Shinichi. Bis zu dieser Woche war er gut mit ihm ausgekommen, hatte mit ihm und Drake in den Pausen herumgestanden, hatte sich immer mit ihm unterhalten (wenn er nicht gerade mich belästigt hatte, natürlich) ... und nun machte er einen Riesenbogen um ihn und hatte nichts mehr für Shinichi übrig, außer einen Blick, so scharf und tödlich, wie unzählige Dolche. Mir tat Shinichi dabei auch sehr leid. Zum Einen, weil er sich sicht- und spürbar fragte, wieso sein vermeidlicher "Freund" jetzt nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, zum anderen weil ich den ahnungslosen Shinichi diesem Höllenhund ausgeliefert hatte, der ihn die ganze Zeit so anschaute, als risse er sich nur mit Mühe zusammen, ihn zu verprügeln. Jetzt, wo ich merkte, was ich mit der ganzen Sache angerichtet hatte, meldete sich mein Gewissen stärker, als vorher. Und rückgängig machen konnte ich es auch nicht. So konnte ich meine schöne neue "Freiheit" nicht mehr ganz so genießen, wie vorher.
 

Als dann endlich wieder Wochenende war, war ich froh, wenigstens für 2 Tage von allem wegzukommen und sich ausruhen zu können. Nicht mehr dieses Wechselbad der Gefühle zwischen Freude, Mitleid und schlechtem Gewissen!
 

Na ja ... Sie, lieber Leser, die Sie nun Rioroute auch gut kennen dürften, haben es sicher schon erraten: es wurde (wie sollte es auch anders sein?) kein Rioroute-freies Wochenende.
 

Am Samstagnachmittag klopfte meine Mutter an meine Zimmertür und sagte: “Helen, ich habe soeben nach unserer Post geschaut, dort habe ich das für dich gefunden!" Sie legte mir einen zugeklebten Briefumschlag auf den Schreibtisch, wo nichts weiter stand, außer meinem Namen. Ich bedankte mich bei meiner Mutter, riss den Briefumschlag auf und - erkannte anhand der Schrift natürlich sofort, wer der Absender war.
 

Liebe Helen,
 

es tut mir leid, wenn es so rübergekommen ist, als bin ich sauer auf dich oder so, aber ich musste mal Abstand von allen gewinnen und mir über alles Klarheit verschaffen. Mir ist jetzt nähmlich klar geworden, dass du Shinichi Kudo sehr magst und ich nicht gegen ihn konkurieren kann. Ich bin weder ein Genie noch sonstwas. Aber ich finde, es gibt bei den Menschen auch andere Gaben, die man mehr schätzen sollte, als Inteligenz ... nämlich z.B. ein gutes Herz. Aber was sage ich dir, wo du doch selber ein sehr gutes Herz hast. Ich muß nur geduldig und hartneckig bleiben, damit ich 1. zeigen kann, das ich auch ein gutes Herz habe und 2. dein gutes Herz entlich für mich gewinnen kann.
 

Mein Verhalten Shinichi gegenüber war sehr kindisch. Er kann schließlich nix für. Deswegen werde ich mich ihm gegenüber ab Montag wieder normal verhalten. Auserdem, ich glaube, er findet dich nett, aber - so leit es mir tut - ich glaube, er mag dich nicht so, wie du ihn. Daher war ich wohl doof, in ihn eine Gefahr zu sehen.
 

Ich habe mich überhaupt immer sehr schlecht verhalten und dir meine Liebe aufgezwungen. Das muste nicht sein. Ich werde mir andere Wege überlegen, um weiter um dich zu werben.
 

Ich habe überlekt, dich in Ruhe zu lassen. Aber das kann ich nicht. Du bist mir mitlerweile zu wichtig geworden und ich liebe dich so sehr. Ich kann das nicht. Und ich glaube daran, dass ich es irgentwann schafen kann, dich für mich zu gewinen. Wer nicht aufgibt, der wird irgentwann belont. Und ich gebe nicht auf.
 

Rio
 

Meine Wut, die ich diese Woche kaum empfunden hatte, kehrte nun tausendfach zurück. Der Kerl war einfach unglaublich. Nicht einmal die Tatsache, das ich einen anderen mochte, schreckte ihn ab. Und von Diplomatie hatte er wohl auch nicht viel gehört! Wie konnte er es wagen, mir zu schreiben, dass

Shinichi mich nicht mochte? Okay, in meinem tiefsten Inneren wusste ich es bereits, aber es ist trotzdem schwer, das einzusehen, oder?
 

(Lustig. Das sagst DU? Und du fragst dich dann noch, wieso Rioroute dich

nicht in Ruhe lässt? Er fühlt sich doch genauso, wie du!)
 

Kann man diese Gewissensstimme denn nicht irgendwie zum Schweigen bringen? Nun ja ... eins wusste ich nun: egal, was ich tat, der Kerl würde mich nicht mehr aufgeben. Dann blieb mir wohl nichts anderes übrig, als fortan seine Balzversuche zu ertragen. Vielleicht, wenn ich das lang genug tat, ohne mich zu ärgern oder mich aus Frust auf ihn einzulassen oder sonst was - vielleicht würde er dann von alleine irgendwann ablassen, weil er es satt hätte? Ich musste nur stark genug sein. Und eins wusste ich: ich WAR stark genug.
 


 


 

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Hallo meine Lieben! Ja, ENDLICH, kommt ein neues Kapitel dieser FF! Ich weiß, ihr hasst mich jetzt alle, weil ich erst jetzt weitergeschrieben habe *schäm* und möchte mich entschuldigen. Meine Ausbildung nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und auch so habe ich nebenbei immer was zu tun, so dass mir keine Zeit zum Schreiben bleibt. Gott sei Dank bin ich gerade in einer sehr langweiligen Abteilung, wo wirklich nichts zu tun ist und mir daher viel Zeit blieb, weiter zu schreiben ... aber: psst ;-)))) Natürlich möchte ich auch dieses Mal einige Dankesworte aussprechen: an alle, die die FF lesen; und erst Recht an alle, die so lieb sind und brav bzw. fleißig Kommentare schreiben :-)))))))))))). Besonders hervorheben möchte ich dieses Mal kakashisan, sowie Cherry und ihren Bruder, die meine FF sichtlich enthusiastisch lesen und mir sehr positive Rückmeldungen geben!

Ich streike!

"Ach, Schatz, das fühlt sich gar nicht gut an!" Meine Mutter befühlte meine Stirn, meine Wangen, meinen Hals. "Du bist ja ganz heiß! Und knallrot siehst du auch aus!"
 

"Ich sage doch, mir ist heute so schwummrig!", antwortete ich matt.
 

"Augenblick mal, Schatz, ich hole sofort den Fieberthermometer!" Meine Mutter war sofort nach unten gesaust und ich ließ mich in meine Kissen zurücksinken.
 

Ich hatte heute nach dem Weckerklingeln fast die ganze Zeit auf der Toilette verbracht und mich dann schwach in mein Zimmer geschleppt. Ich hatte es nur noch geschafft, so laut es ging nach meiner Mutter zu rufen und mich dann ins Bett zurückfallen lassen. Sie hatte sich schon fast auf den Weg zur Arbeit gemacht und war noch mal zurückgelaufen, um mir zu helfen. Sie kam mit dem Thermometer zurück und nach einigen Minuten wieder, um nach den Werten zu schauen.
 

"Meine Güte, Helen, das sieht wirklich schlecht aus!" Sie war sichtlich geschockt. "Ich fühle mich so schlecht, dich heute hier allein zu lassen!"
 

"Mama, ich bin doch kein Kind mehr!", protestierte ich. Und dann setzte ich meinen besten Hundeblick auf und fragte: "Kann ich denn trotzdem noch zur Schule gehen?"
 

Meine Mutter stand energisch auf und sagte: "Unsinn! Du bleibst heute im Bett! Ich koche dir noch eine Kanne Tee und fahre dann. Nach der Arbeit fahre ich noch bei der Apotheke vorbei. Du aber trinkst viel. Du musst dich ordentlich ausschwitzen!"
 

"Na, wenn es nicht anders geht!" Resigniert ließ ich mich erneut in meine Kissen fallen.
 

Als meine Mutter mir schließlich die Kanne Tee gebracht hatte und zur Arbeit gefahren war, sauste ich blitzschnell ins Bad und wischte mir die Vaseline vom Gesicht und Hals. Ich war allergisch gegen dieses eklige Zeug, so dass meine Haut immer ganz heiß und gerötet davon wurde. Ansonsten hatte ich genau darauf geachtet, dass mein Fieberthermometer nicht zu heiß lief, als ich ihn gegen meine Zimmerlampe hielt. Alles Weitere, meine lange Zeit auf der Toilette, mein angeblich schwacher Zustand, war nur gespielt. Dann schickte ich Ritz noch eine SMS und schrieb, dass ich heute nicht zur Schule kommen würde, weil ich ja soo krank sei und ging dann ins Bett zurück.
 

Ja, Sie haben es erraten, lieber Leser: Ich, Helen Riley, die ungeschlagene Streberin und Einserschülerin, hatte eine Krankheit simuliert, um heute - oder vielleicht noch einige Tage mehr - nicht zur Schule gehen zu müssen. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich ohne eine Krankheit (oder zumindest ohne eine ECHTE Krankheit) zu Hause blieb. Dann dachte ich daran zurück, wie ich mir vor ungefähr 2 Jahren fest vorgenommen hatte, niemals zu schwänzen. Und jetzt, dachte ich, während sich meine Innereien krümmten, habe ich diesen Vorsatz gebrochen.
 

Aber es war keinesfalls so, als würde ich freiwillig schwänzen. Ich war inzwischen bereit, jede Alternative auf mich zu nehmen, nur um nicht noch länger mit einem gewissen Typen in der Klasse zu sein, der mich wahnsinnig machte.
 

Laut seinem Brief würde er sich andere Wege suchen, um mich davon zu überzeugen, dass ich ihm eine Chance gab. Und diese "anderen Wege" bestanden nicht mehr darin, dass er mir während des Unterrichts offensichtlich seine Liebe bekundete oder seine dumme Platte abspielte; "andere Wege" bedeuteten für ihn, dass er an mir klebte, wie eine mit Sekundenkleber angebrachte Klette oder mir irgendwelche Briefchen schrieb, die nicht mehr vor Schmalz triefen konnten. Und wenn ich schon daran zurückdachte, dann wurde mir tatsächlich schlecht. Ich hatte mir diesen Umstand schon einige Wochen lang angetan, noch mehr hielt ich nicht durch. Eher schwänzte ich und verpasste was vom Unterricht, als dass ich mir das noch länger antun würde. Denn wenn es der Fall wäre, dann, so vermutete ich, würde ich eher heute als morgen im Sanatorium landen.
 

Wobei ... das wäre schon mal was!

Dort zu leben!

Dann hätte man wenigstens von allem Ruhe.

Und wäre von allem abgeschieden.

Vor allem von dem Verrückten, der eigentlich an meiner Stelle in der Klapse landen sollte ...
 

Ich schüttelte diese unsinnigen Gedanken ab und legte mich mit meinen Schulbüchern ins Bett - ich beruhigte mein schlechtes Gewissen, den Unterricht zu schwänzen, damit, indem ich zumindest mit den Büchern lernte.
 

Ich verbrachte einen ziemlich langweiligen Tag. Nach einigen Stunden hatte ich die Nase voll von den Büchern und im Fernseher lief nichts. Also legte ich meine schon bestimmt 10mal ausgelesenen Bücher mit ins Bett und begann, lustlos darin zu blättern. Gerade, als ich auf diese Art und Weise mein fünftes Buch "gelesen" hatte, klingelte es an der Haustür.
 

Mein Zimmer liegt, mit dem Schlafzimmer der Eltern, dem Gästezimmer und dem Gästebad, auf der 2. Etage. Diese ist mit Hilfe der Treppe, die bei uns im Eingangsbereich steht, zugänglich. Und die Klingel ist auch nicht so laut, aber da mein Gehör durch meinen Musikunterricht sehr gut ausgeprägt ist, höre ich es von meinem Zimmer immer, wenn es unten klingelt. Dennoch schien es mir so, als hätte ich es mir eingebildet und blieb vorerst liegen. Erst als es das zweite Mal klingelte, dieses Mal wesentlich länger, konnte ich es nicht länger als Einbildung abtun. Daher bequemte ich mich dazu, mich aus dem Bett zu hieven und die Treppe herunterzusteigen. Beim Vorbeigehen an der großen Wanduhr stellte ich fest, dass es schon kurz nach 14:00 Uhr war.
 

Es ist bestimmt Mama, dachte ich. Sie ist heute Morgen mal wieder so schnell aus dem Haus geeilt, dass sie ihren Haustürschlüssel zu Hause vergessen hat. So was war schon öfters passiert. Ich amüsierte mich. Gleich würde ich die Tür öffnen und mir einen Wutausbruch meiner Mutter antun, wie ungerecht die Welt doch sei und wie unnötig, dass man immer alles in diesem Stress vergaß. Sie selber war nie Schuld. Im nächsten Moment mischte sich Ärger in mein Schmunzeln, als die Klingel, kaum hatte ich die letzte Stufe der Treppe betreten, noch mal ertönte - dieses Mal in einem regelrechten Stakkato.
 

"Ist ja schon gut, ich bin gleich da!", schimpfte ich und öffnete die Tür.
 

Auf der Schwelle stand nicht Mama.
 

Es war dieser Wahnsinnige.
 

Vollkommen außer Atem, hatte er sich nach vorne gebückt und sich mit seinen Händen an seinen Oberschenkeln abgestützt. Dann schaute er hoch und brachte zwischen seinen raschen Atemzügen etwas hervor, dass so klang, wie: " Gosseidank ... dachtescho ... duwärst ... nischda!"
 

Nun war mir wirklich schlecht. Wirklich SEHR schlecht. Ich überlegte, ob ich nicht einfach die Tür zuschmettern sollte, aber ich war mir sicher, dass er dann so lange weiter klingeln würde, bis ich ihm wieder öffnete. Außerdem war mir, jetzt, da meine erste Wut über diesen vollkommenen Besuch ein wenig abgeklungen war, alles egal.
 

Aber er bat sich auch, nachdem er sich beruhigt hatte, ohnehin selbst herein. Ich regte mich schon gar nicht über so was auf. Wozu?
 

Nach einer Weile war Rioroute nicht mehr außer Atem und konnte seine Platte wieder abspielen: "Dachte schon, du bist beim Arzt. Als Ritz mir heute gesagt hast, du wärst krank, da habe ich mich sehr erschrocken. Ich habe mir solche Sorgen gemacht!"
 

- "Also, gestorben ist von einer kleinen Erkältung noch niemand!", giftete ich.
 

Er wiederum fragte: "Ja, aber man macht sich doch trotzdem Sorgen, wenn die Menschen, die man liebt, krank sind, oder?"
 

Gott, der Allmächtige im Himmel, wie das vor Schleim triefte!
 

Er fuhr fort: "Jedenfalls bin ich direkt nachdem die Schule aus war, hierher gelaufen. Ich will unbedingt wissen, wie es dir geht!"
 

Er ist den ganzen Weg von der Schule bis hierher gelaufen? Also, das beeindruckte mich doch. Aber ich ließ mir nichts anmerken. "Gut geht's mir und jetzt kannst du auch wieder ge ..."-
 

"Und wann kommst du wieder zur Schule?", unterbrach er mich.
 

"Weiß ich nicht, ich ...", begann ich ungeduldig, aber er unterbrach mich erneut: "Dann besuche ich dich jeden Tag nach der Schule, so lange, bis du wieder gesund bist!"
 

Wieder einmal ging ich in die Luft: "Sag mal, was soll denn das? Kannst du mich nicht einmal von deiner nervigen Anwesenheit befreien?"
 

"Ich dachte, du freust dich, wenn ich dich besuchen komme!" Er schmollte.
 

"Ja, aber nicht in deinem Fall! Wenn ich dich jeden Tag sehe, dann werde ich nie gesund!", schimpfte ich. "Ich brauche Ruhe. RUHE. Und keinen, der andauernd vor mir herum scharwenzelt und mich vergeblich anflirtet."
 

Er zuckte mit den Achseln. "Dann lass ich es halt sein. Stattdessen kümmere ich mich und pflege dich, bis du wieder gesund bist!"
 

"Du kapierst es einfach nicht, oder? Ich will ...", begann ich, doch in diesem Moment tat mir der Kopf entsetzlich weh. Ich hatte den Eindruck, gegen eine sehr solide Wand anzureden, obwohl ich mir so sehr wünschte, diese endlich einzureißen. Ich glaube, keiner würde da etwas erreichen, außer Kopfschmerzen. Daher hielt ich mir stöhnend den Kopf und ging in die Knie.
 

"Helen? HELEN! Ist alles in Ordnung?", hörte ich ihn besorgt rufen, aber das registrierte ich nicht.
 

Bei mir drehte sich alles: Gedanken, Gefühle, alles! Warum nur ließ er mich NIE in Ruhe? Er hatte mich zu Hause belästigt. Er-
 

"Helen, du musst dich hinlegen und ausruhen!"
 

Er war mir bis auf die Schule gefolgt. Und auch dort hatte er mich immer verfolgt. Und auch jetzt, wo ich unter einem Vorwand wenigstens ein paar Tage Ruhe vor ihm haben wollte, belästigte er mich. Ich verstand ihn einfach nicht. Ich verstand Jungs generell nicht. Entweder waren sie fies zu einem oder sie belästigten einen. Warum war -
 

"Komm, ich helfe dir!"
 

Plötzlich fühlte ich, wie er einen Arm unter meinen Rücken und den anderen unter meine Beine schob und mich hochhob. Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen oder mich anders gewehrt. Ich WOLLTE ja! Aber irgendwie ... konnte ich nicht! So trug er mich ins Wohnzimmer und legte mich aufs Sofa. An der Sofalehne liegt bei uns immer eine zusammen gelegte Decke, weil meine Mama gerne damit vor dem Fernseher kuschelt. Er nahm die Decke und legte sie über mich.
 

Warum war die ganze Welt nur so unfair? Und so verdreht? Und dieser Typ hier ... das grenzte schon an Stalking! Immer wieder rückte er mir auf die Pelle, obwohl ich schon unzählige Male betont hatte, dass er genau das Gegenteil von dem erreichte, was er erreichen wollte - und mich endlich in Ruhe lassen sollte! Warum verstand er das nicht? Und ich ... ich verstand ihn doch genauso wenig! Warum gab er einfach nicht auf? Warum belästigte er mich stets mit seiner nervigen Anwesenheit?
 

Warum war er außerdem auch noch so nett zu mir, obgleich ich bisher immer nur eklig zu ihm war?
 

"Und jetzt warte hier, ja? Ich hole einen Arzt!", sagte er.
 

Das fehlte noch! "Nein, ist schon gut, mir fehlt nichts!", sagte ich schnell.
 

"Das kannst du den grünen Kobolden erzählen! Ich sehe doch, dass ...", begann er, doch ich unterbrach ihn:
 

"Ich brauche einfach nur Ruhe! Lass mich einfach allein, okay?"
 

Und nun geschah etwas, was ich am liebsten verhindert hätte. Was ich vor keinem Menschen getan hätte, nicht mal unter Folter. Und erst Recht nicht vor IHM, meinem erklärten Feind!
 

Mir kamen die Tränen und kullerten die Wangen runter. Energisch wischte ich sie weg und holte tief Luft, um meine Selbstbeherrschung wieder zu gewinnen, aber ich heulte einfach weiter.
 

Ich war mit meinem Latein am Ende. Ich wusste keinen Ausweg mehr. Egal, was ich machen würde - er würde immer schneller und gewitzter sein, als ich. Er würde mich auf ewig nerven. Selbst wenn ich mich in einen Bunker einschließen lassen würde, mit Betonwänden und einer hermetisch versiegelten Tür - ich wette, er würde dafür sorgen, dass der Bunker eingerissen wird. Und niemand würde mir helfen können. Denn schließlich war ja jeder auf SEINER Seite.
 

Und dann war da noch was anderes ... etwas anderes ging in mir vor, was ich nicht einordnen konnte.
 

Vielleicht, weil ich das nicht einordnen WOLLTE ...
 

Er dachte offenbar gar nicht daran, auf mich zu hören. Er sah mich an. Er sah mich lange an. Es war mir so entsetzlich peinlich, wie er mich studierte, während ich weinte und meine Tränen, so sehr ich kämpfte, nicht stoppen konnte. Ich wusste nicht mal, wieso ich WIRKLICH weinte.
 

Aber er hatte offenbar eine Erklärung. Ich sah, wie seine Augen sich von Sekunde zu Sekunde weiteten und weiteten und schließlich - nickte er und schaute mich an. Eindringlich und ... tieftraurig. Ich hatte ihn schon öfters traurig gesehen, aber mir kam es so vor, als hätte er noch nie zuvor so traurig geguckt.
 

"Du weinst wegen mir, oder?", fragte er mit gezwungener fester Stimme.
 

"Ich ... ich weine wegen ... wegen vieler Sachen, die mir gerade im Kopf vorgehen!", antwortete ich. "Und nun geh. Bitte! Ich muss allein sein!"
 

Er nickte noch mal und - man glaubte es kaum! - drehte sich um und ging weg.
 

Dann kam er wieder und sagte (und dieses Mal konnte nicht einmal die stärkste Gezwungenheit das Zittern in seiner Stimme verbergen): "Ich habe schon verstanden. Du weinst wegen mir. Ich habe nie gedacht, dass ich dich so verletzen würde. Ich habe immer gedacht, dass wenn ich am Ball bleibe, ich dich irgendwann für mich gewinnen könnte, aber ... offenbar habe ich genau das Gegenteil erreicht. Und ich habe noch etwas viel Schlimmeres getan - nämlich dich verletzt! Aber nun ist Schluss damit! Ich lasse dich in Ruhe! Und damit meine ich nicht nur für jetzt! Für-" Und dann hörte ich schnelle Schritte und die Haustür knallen.
 

Ich wusste nicht wieso, aber mir ging es nicht besser. Nur schlechter.
 

Ich wusste nicht wieso, aber mein Gefühlswirrwarr hatte sich dadurch nur noch verschlimmert.
 

Ich wusste nicht wieso, aber nun heulte ich stärker, als je zuvor.
 

Verdammt, wieso war das bloß so? Ging es mir vorhin nicht deshalb so schlecht, weil ich der Meinung war, ich müsste ihn fortan bis in alle Ewigkeit ertragen? Und jetzt - jetzt hatte er mir doch versprochen, dass er mich in Ruhe lassen würde!
 

Aber ich wusste es besser. Er hatte es mir in der Vergangenheit schon oft versprochen. Und hatte er das jemals durchgezogen?
 

Aber dieses Mal ... dieses Mal spürte ich, dass ... dass es anders war.
 

Aber warum, warum war das so, dass irgendein komisches Gefühl in mir, das ich nicht einordnen konnte (und WOLLTE) bei diesem Gedanken mein gesamtes Innerstes zerdrückte? Warum fühlte ich sogar Mitleid für den Kerl, wie er mich so traurig angeschaut und zitternd gesprochen hatte?
 

Schließlich war er nach wie vor mein erklärter Feind!
 

...
 

Oder?
 

Nach einer Weile kam meine Mutter nach Hause, voll bepackt mit Plastiktüten aus der Apotheke, in denen alle möglichen Arzneien drin waren, so als ob ich nicht einfach "nur" erkältet, sondern sterbenskrank war. Sie war sehr erstaunt, mich im Wohnzimmer vorzufinden, dazu noch mit zu allen vorherigen "Symptomen" dazu gekommenen roten Augen. Ich beharrte darauf, dass es mir besser ging, ich nichts von der Medizin bräuchte und morgen wieder zur Schule könnte, aber sie wollte nichts davon hören. Sie packte mich in mein Bett zurück und zwang mich, alles Mögliche an Medizin zu nehmen - und ich tat natürlich nur so, als ob - und als sie Fieber messen wollte, heizte ich den Thermometer dieses Mal nicht an der Lampe auf. Mir war die Lust am Simulieren gründlich vergangen. Mir war es egal, ob ich auffliegen würde. Aber meiner Mutter kam wohl nichts seltsam vor, sie wunderte sich nur darüber, wie schnell mein Fieber wieder abgeklungen war. Mit einem letzten Murmeln darüber, dass man sich heutzutage nicht einmal mehr auf Fieberthermometer verlassen könnte, verließ sie mein Zimmer.
 

Nachmittags besuchten mich Ritz und Drake und blieben auch nicht lange, vielleicht deshalb, weil sie merkten, wie wortkarg und missmutig ich war.
 

Und da meine Mutter ebenfalls darauf beharrte, dass ich zumindest auch den Tag darauf zu Hause blieb, nur um sicher zu gehen, hatte ich eine Menge Zeit gehabt, über alles nachzudenken. Aber so sehr ich mich bemühte, ich kam nicht aus dem Gefühlswirrwarr heraus. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Wieso ging es mir schlecht, wenn er die ganze Zeit um mich rum scharwenzelte, aber noch schlechter beim Gedanken, dass er das fortan nicht mehr tun würde? Dabei mochte ich ihn doch gar nicht! Ich mochte ihn nicht! War es einfach deshalb, weil es mir gefallen hatte, dass er mich so umgarnt hatte, obwohl er es auf eine ... recht ... unkonventionelle Art und Weise getan hatte? Aber warum hatte ich ihm dann immer wieder solche gemeinen Sprüche an den Kopf geworfen? Und warum tat er mir trotz allem so leid? Dabei mochte ich ihn doch gar nicht! Ich mochte ihn nicht!
 

Ich dachte lange über alles nach, fand aber trotzdem keinen Ausweg aus meinem Dilemma. Also beschloss ich, mit jemandem darüber zu reden und mir einen hilfreichen Rat einzuholen. Aber mit wem sollte ich reden?
 

Mit Ritz? Die würde mir wahrscheinlich höchstens fünf Minuten zuhören und zu meinem schlechten Gewissen noch eine Extrabeilage dazu geben, indem sie mir sagen würde, dass ich mich zu Recht so fühlte ... oder sie würde daraus schließen, dass ich doch Gefühle für den Kerl hätte (IGITT!).
 

Mit Drake? Mal abgesehen davon, dass ich über solche Themen nie mit meinem Cousin sprach - ich kannte ihn: er würde keinen Rat für mich haben und stattdessen zwischen mir und Rioroute vermitteln, damit wir eine Einigung erreichen würden. Ergo - er würde alles, was ich ihm erzählen würde, Rioroute erzählen. Ergo - Rioroute würde daraus schließen, dass er Schuld an meinem Gefühlswirrwarr war. Ergo - er würde in seinem kranken Hirn denken, dass ich tatsächlich was von ihm wollte (NOCH MEHR IGITT!)
 

Mit Mama? Vielleicht würde sie mir am besten von allen zuhören, aber so wie ich Mama kannte, würde sie das Ganze eher süß finden und meine Probleme als "die ersten Beziehungsprobleme ihrer Tochter" abtun, obwohl ich nie im Leben eine Beziehung mit ihm hatte (TAUSEND MAL MEHR IGITT!!!)
 

Und mit Papa? Das ist nun der dümmste Gedanke, den man haben konnte, Helen! Vor allem weil - so wie ich vermutete - Papa bei der bloßen Erwähnung des Namens von diesem Kerl vor Wut ein Telefonbuch mit bloßen Händen zerreißen würde.
 

Aber was sollte ich sonst tun?
 

Nun, dann musste ich wohl oder übel selbst aus dem Schlammassel herausfinden.
 

Also begann ich meine Gedanken und Gefühle gegeneinander abzuwägen.
 

Es stimmte schon: der Kerl war einfach nur nervig und war es von Anfang an gewesen. Wie er mich durchwegs angebaggert hatte - einfach ekelhaft! Und je weiter das ging, je mehr ich ihn ablehnte, desto dreister wurde er. Aber vielleicht hatte Ritz einfach Recht in der Hinsicht, dass er sonst nicht mehr wusste, was er tat? Trotzdem - wenn man sich einem Menschen so stark aufdrängte, dann müsste man sich sehr wundern, dass der Mensch ihn nicht als Stalker bei der Polizei anzeigte.
 

Und doch - er war vielleicht nervig, vielleicht sogar etwas wahnsinnig, aber ... er war nicht gemein. Er war bisher immer nur nett zu mir gewesen. Nie hatte er mich angegriffen oder zurückgemotzt, wenn ich ihn aufs Höchste beleidigt hatte. Und ... egal, was ich bisher gegen ihn unternommen hatte, er hatte sich immer weiter um mich bemüht. Vielleicht meinte er es tatsächlich ernst mit mir und ich sollte ihm eine -
 

Aber was wäre, WENN ich ihm eine Chance geben würde? Vielleicht war das Ganze ein perfides Spiel und er hatte die Masche nur durchgezogen, um sich selber zu bestätigen, dass er auch mich rumkriegen konnte. Und wenn ich ihm eine Chance gäbe, dann würde er nach zwei Tagen nichts mehr von mir wissen wollen. Nein, danke! Das hatte ich schon zwei Mal erlebt und das musste nicht noch mal sein! Da wären mir sogar die Kerle lieber, die mich öffentlich und offensichtlich verabscheuten und ablehnten. Ich hatte genug davon, den Kerlen immer wieder zu vertrauen. Am Ende war sowieso immer alles gleich. Am Ende war JEDER gleich.
 

Wer sagte mir, dass es jetzt anders werden würde? Wer sagte mir, dass RIOROUTE anders war?
 

So fand ich einfach keine Lösung für mein Problem. Wenn ich dachte, ich hätte eine Lösung gefunden, kam mir immer ein Gedanke, welcher die Lösung ausschloss. Ich fand also keinen Ausweg aus dem Wirrwarr.
 

Und in der nächsten Zeit erwarteten mich Ereignisse, die, anstelle mich auf den richtigen Weg zu leiten, den Wirrwarr in mir nur noch vergrößerten...
 


 


 

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Hallo meine lieben Leser! Ich weiß, ich bin wieder einmal sehr spät dran mit dem neuen Kapitel! Es liegt fast schon ein Jahr zurück, dass ich den Letzten hochgeladen habe! Ich habe den Anfang dieses Kapitels auch Anfang dieses Jahres geschrieben, musste aber vorerst abbrechen, weil ich zunächst einmal meine Abschlussprüfungen zu absolvieren hatte und dann etwas Ärger in der Abteilung hatte, das mich belastete und obendrein eine Schreibblockade hatte. Ich fürchte, man kann beim Lesen die lange Pause, die ich beim Schreiben gemacht habe, sehr gut erkennen -.-.
 

Ich grüße alle lieben Menschen, die diese FF lesen und kommentieren, wie Manu/Phoebe, knoedelchen u. a. Widmen möchte ich dieses Kapitel 3 Personen:
 

- meinem Freund, der mich zum Schreiben inspiriert und mir aus der Blockade heraus geholfen hat (der ist übrigens charakterlich genauso, wie Rioroute, das find ich witzig^^)
 

- Cherry und ihrem Bruder, die mir in all der Zeit immer noch treu geblieben sind *euch drück*. Ich hoffe, euch hat der Wendepunkt in Helens Gedanken/Gefühlen gefallen, auch wenn ich diesen meiner Meinung nach noch besser hätte ausdrücken können und dieser auch sehr abrupt kam und nicht übergangsweise …
 

Ich hoffe sehr, dass mir jetzt nichts Weiteres mehr dazwischen kommt und ich die nächsten Kapitel flüssig weiter schreiben kann (in meinem Kopf sind sie immerhin schon grob geschrieben^^)

Das Fest

Es begann alles mit einem Nachmittag Anfang Oktober …
 

„Helen, würdest du bitte noch kurz zu mir kommen? Ich möchte etwas mit dir besprechen!“
 

Neugierig schaute ich auf. Unsere Chorprobe war gerade zu Ende und ich war gerade dabei gewesen, meine Jacke anzuziehen, als mich Mrs. Whitton, unsere Musiklehrerin und gleichzeitig Chorleiterin angesprochen hatte.
 

„Ja, okay, ich komme sofort“, antwortete ich. Was würde Mrs. Whitton wohl von mir wollen? War ich heute etwa so schlecht gewesen?
 

Ich schaute aus dem Fenster. Es war ein wunderschöner Herbstnachmittag: die Sonne schien und die gelben und roten Blätter fielen von den Bäumen und –
 

Na ja, lieber Leser, so wie ich Sie kenne, würden Sie sicher lieber lesen, was es in der Zwischenzeit Neues von Rioroute gab, oder?
 

Nun, es waren gut drei Monate vergangen, seit ich ihn das erste Mal auf der Hochzeit meiner Cousine getroffen hatte. Und nach all diesen Monaten durfte ich endlich einen neuen Zustand genießen: nämlich den, dass mich dieser Kerl schon seit einer Woche nicht mehr gesprochen hatte.
 

Als ich nach meiner „Krankheit“ wieder zur Schule zurückkehrte, zog Rioroute nämlich genau das durch, was er vorher versprochen hatte – er ignorierte mich wohlweislich! Richtig: keine dummen Anmachsprüche, keine sinnlosen Liebesbekundungen, kein Verfolgen mehr, gar nichts! Er verbrachte nicht mal mehr die Pausen mit Drake, weil auch Ritz und ich immer mit dabei waren. Stattdessen stand er entweder bei Shinichi herum oder er redete mit Saiki und Shampoo. Nun ja, er redete nicht nur mit den beiden. Er erzählte ihnen immer irgendwelche Geschichten, bei denen sich die beiden vor Lachen ausschütteten oder er flirtete mit ihnen. Shampoo war jetzt so selig, dass ihr Schwarm nun immer in ihrer Nähe war und sie anbaggerte.
 

Ich, die es aber besser wusste, würde es anders formulieren: sie offenbar anbaggerte.
 

Denn mir war trotzdem nicht entgangen, dass er mir bei seinen Flirts mit den Mädchen immer wieder Seitenblicke zuwarf – kurz und aus den Augenwinkeln zwar, aber immerhin. Wahrscheinlich wollte er abschätzen, wie ich darauf reagieren würde. Nun, wenn ich ehrlich war … ich war wütend. Dass er nun auf solche Maßnahmen zurückgreifen musste! Wie ein Kleinkind, das seine Freundin eifersüchtig machen will!
 

(Sagte ich gerade Freundin? BÄH!)
 

Was aber noch schlimmer war, dass Shampoo sich durch seine dummen Aktionen Hoffnungen machte und mir entsetzlich Leid tat.
 

Außerdem ignorierte er mich nicht vollständig. Ab und an, wenn ich ihn aus den Augenwinkeln beobachtete, sah ich, wie er mich eindringlich anschaute, ernst und traurig. Wenn ich aber zu ihm schaute, sah er weg.
 

Und was das Schlimmste daran war: ich fühlte mich schuldig. Klar wollte ich nicht, dass er für den Rest meines Lebens an mir haften blieb, wie ein Blutegel. Aber ihn verletzen wollte ich genauso wenig.
 

Aber so viel dazu.
 

Ich folgte Mrs. Whitton in einen kleinen Raum neben dem, in dem wir regelmäßig unsere Chorproben abhielten und fragte: „Sie wollten mich sprechen, Mrs Whitton?“
 

Die Chorlehrerin sagte: „Nun ja, Helen … ich habe nämlich einen Vorschlag … nein, vielmehr ist das eine Bitte. Also, wie du weißt, steht bald unser Schulfest vor der Tür.“
 

Ich nickte. Das Schulfest war eine Jubiläumsfeier zum 20jährigen Bestehen unserer Schule. Und das sollte an einem Samstag in drei Wochen mit allem Drum und Dran gefeiert werden. Die Sport-AG’s veranstalteten Spiele für die Kleinen, die Kunstclubs arbeiteten daran, die Wände der Schule besonders zu verschönern (Ritz roch in letzter Zeit nur noch nach Farbe und war wegen dem ganzen Stress so zickig, dass sie jeden anblaffte, wenn er oder sie sie falsch ansah) und es gab sogar ein kleines Festprogramm. Die Theater-AG hatte etwas einstudiert und nun vermutete ich, dass auch unser Chor natürlich nicht tatenlos bleiben würde.
 

Wie erwartet, erzählte Mrs Whitton: „Ja, und ich habe mir auch gedacht, dass auch unser Chor einen kleinen Beitrag dazu leisten könnte. Ich habe mir nämlich überlegt, dass wir für das Fest einige moderne Lieder vortragen könnten. Jetzt habe ich mir vorab überlegt, wer welchen Part singen könnte. Und deshalb habe ich dich zu mir gerufen.“
 

Ich holte tief Luft. Jetzt käme sicher etwas von Souffleuse oder Requisiten oder so was. Na ja, was soll’s … wenn’s weiter nichts war …
 

Wie falsch ich doch mit meinen Vermutungen lag!
 

Die Lehrerin fuhr fort: „Ich habe mir schon überlegt, welche Lieder wir singen würden. Und einige davon können meiner Meinung nach nur dann ganz besonders gut gesungen werden, wenn diese in einem Solo interpretiert werden. Eins davon ist ‚Get here’ von Oleta Adams; ein Lied, das mir besonders am Herzen liegt. Ich denke, wir könnten das quasi als Abschluss unseres Beitrages sehen. Ich habe lange überlegt, wer von uns das Lied singen könnte. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass nur eine Stimme wirklich dazu passt. “
 

Ich machte große Augen. Es kam doch jetzt nicht allen Ernstes das, was ich glaubte, was nun kommen würde!
 

„Deshalb möchte ich dich fragen, ob du Interesse daran hättest, das Lied zu singen?“
 

BANG! Tatsächlich! Es kam genau das! Und trotzdem war ich wie erschlagen …
 

Ich … in einem Solopart … und das auch noch während eines ganzen Liedes!

Und dazu noch solch ein schweres Lied!

Und obendrein als Letzte!

Mir wurde leicht schummrig und ich musste mich an einem Stuhl festhalten.

Ich kann das nicht. Es geht nicht. Ich bin doch nicht gut genug! Außerdem wollte ich da nicht die alleinige Aufmerksamkeit auf mich ziehen! Wieso konnte ich nicht einfach ganz hinten stehen und im Chor mit allen anderen singen?
 

„Ich weiß nicht, ob ich die richtige Person dafür bin“, antwortete ich matt.
 

„Und wieso nicht?“
 

Die Lehrerin war tatsächlich verwirrt. Das heißt also, dass sie ihren Vorschlag ernst gemeint hatte! Sie wollte mich nicht veräppeln!
 

„Ich … ich meine … wieso kommen Sie auf mich?“, stammelte ich. „Es gibt in unserem Chor so viele gute Sängerinnen, viele davon sind weit besser, als ich! Ich … ich würde mich doch mit diesem Lied nur hoffnungslos überfordern! Außerdem … ich mag das nicht, wenn mich alle anstarren …“ Verlegen schaute ich zu Boden.
 

Mrs Whitton wartete, bis ich zu Ende gestottert hatte und fragte: „Bist du jetzt fertig? Dann hör mir zu, was ich dir sagen will. Du singst hier schon so lange und dein Gesang hat sich stetig verbessert. Sicher, es ist nicht perfekt und du hast, wie ich schon oft angemerkt habe, eine Technik, die noch ausbaufähig ist, aber du hast etwas in deiner Stimme, was so kein anderes Chormitglied hat: viel Gefühl. Du legst mehr Gefühl in einen einzelnen Ton, als manche in ein gesamtes Lied. Und genau das ist das Wichtigste für ‚Get Here’!“
 

Und dann sagte sie mir etwas, was ich zum einen sehr ungeheuerlich fand und mich zum anderen stark zum Nachdenken brachte: „Helen, ich kenne dich schon so lange. Ich habe dich immer beobachtet. Du hast dich sowohl bei den Proben, als auch bei den Auftritten immer hinter den Rücken der anderen verschanzt und hast ungefähr so laut gesungen, wie eine Hundepfeife. Und das lag nie daran, dass du wirklich schlecht warst, nein, im Gegenteil! Es war vielmehr dein niedriges Selbstbewusstsein! Du wolltest einfach nicht auffallen! Und genau das ist der Grund, wieso du diesen Solopart nicht willst, oder? Warum versteckst du dich hinter den anderen?“
 

Ich öffnete den Mund, um zu antworten und schloss ihn wieder. Dann öffnete ich ihn wieder, nur um ihn wieder zu schließen. Mir fehlten die Worte.
 

„Habe ich denn keinen Grund dazu“, hörte ich mich auf einmal wieder sprechen. „Ich … ich bin keine Meistersängerin. Und … auch sonst nichts, was man sich gerne anschaut. Ich … ich mag nicht ausgelacht werden …“
 

Die Lehrerin seufzte: „Und genau das meine ich mit ‚niedriges Selbstbewusstsein’. Du darfst nicht niemals schlechter sehen, als du bist. Denn dann werden dich alle auch so sehen. Wenn ich ehrlich sein soll, ich verstehe nicht, warum du dich so siehst. Du bist eine tolle Sängerin und ein hübsches Mädchen. Und niemand wird dich auslachen. Du musst einfach immer deinen Kopf hochhalten und dir sagen, dass du so, wie du bist, einfach perfekt bist.“
 

Ich wurde rot und gleichzeitig begannen meine Augen zu brennen.
 

„Ich will ehrlich zu dir sein: ich akzeptiere kein ‚Nein’“, sagte die Lehrerin. „Ich bestehe darauf, dass du das Lied singst. Ansonsten werde ich es wieder aus dem Programm nehmen und auf ewig sauer auf dich sein. Ich werde fortan nur noch ‚Sie’ zu dir sagen und dir immer, wenn ich dich sehe, die Zunge rausstrecken!“
 

Sie zwinkerte mir schalkhaft zu und nun musste ich lachen.
 

„Okay, ich singe das Lied! Aber nur unter einer Bedingung: wenn Sie mich bei den Vorbereitungen unterstützen!“, antwortete ich.
 

„Was wäre ich denn für eine Chorleiterin, wenn ich das NICHT täte?“, fragte Mrs. Whitton.
 

So steckte auch ich in der nächsten Zeit in emsigen Vorbereitungen für das Schulfest. Es galt, alle Lieder, außer, die, in denen ich keinen Gesangsbeitrag hatte, auswendig zu lernen und einzustudieren. Unser Chor traf sich fast jeden Nachmittag und auch am Wochenende, um zu üben.
 

Der gesamte Druck, vor einer ganzen Schule, samt Besucher, teils sogar Fremden, zu singen und innerhalb von drei Wochen alle Parts perfekt zu können, ging nicht spurlos an uns vorbei. Stella Gallieri, ein wunderschönes, wenn auch eingebildetes Mädchen mit langen, schwarzen Locken, einer haselnussbraunen Haut und tiefblauen Augen, kriegte einen Heulkrampf, weil sie sich einen Fingernagel abgebrochen hatte. Joshua Charlton, ein Junge, der Prinz Andrea nicht unähnlich sah, nur dass er in seinen schulterlangen, blonden Haaren immer ein Haarband trug und normalerweise ein ruhiger und in sich gekehrter Junge war, der von allen Mädchen umschwärmt wurde, haute, weil er zum dritten Mal den Text seines Sololiedes „Here without you“ von Three Doors Down vergessen hatte, vor Wut seine geliebte Gitarre so stark auf die Bühne, dass eine Saite riss. Und auch ich war nervlich am Ende; ich zickte meine Mutter an, weil sie zu meinem Gemüse Kartoffeln anstelle von Reis gemacht hatte und mit Ritz hatte ich wegen einer Belanglosigkeit einen solchen Streit, dass ich ihr gerne die Haare rausgerissen hätte.
 

Ich hasste Mrs. Whitton. Und ich hasste Oleta Adams.

Wieso musste ich diesen Solopart machen?

Wieso hatte ich dem überhaupt ZUGESTIMMT?

Ich musste wahnsinnig gewesen sein.

Ich konnte das doch gar nicht. Ich würde mich elendig versingen, für den Fall, wenn ich den Text überhaupt können würde. Und alle würden mich mit Salat und Tomaten bewerfen.

Da hatte ich es wieder: meine Nerven gingen mit mir durch.
 

Ich war so beschäftigt mit den Songs und den Proben, dass ich auf mein Umfeld nicht mehr achtete. Und folglich wusste ich nicht mehr, was Rioroute machte. Ob er die beiden Mädels immer noch anbaggerte oder mich heimlich beobachtete – ich sah es nicht. Wobei … na ja … in einer Pause stand er doch bei Drake, Ritz und mir. Ritz malte die ganze Zeit in der Luft und murmelte etwas von „Perspektive ändern … den Schatten in ein dunkleres Rot …“ und ich hatte mich in meine Notenzettel vertieft. Der arme Drake stand als tragische Figur zwischen seinen beiden Freundinnen und konnte mit keiner reden, aus Angst, angeblafft zu werden. Wahrscheinlich war Rioroute deshalb zu uns gestoßen, damit Drake nicht so dumm herumstand, wie ein Laternenpfahl. Ich war so gestresst, dass ich nicht einmal merkte, dass der Kerl auch mit mir sprach und auch nicht, dass ich ihm – dieses Mal sogar in einem ganz normalen Ton – antwortete.
 

Und dann geschah DAS.
 

Ungefähr eine Woche vor dem Fest war ich nach einer nachmittäglichen Chorprobe unterwegs zu meinem Fahrrad, bis ich Stimmen vernahm, die mir äußerst bekannt vorkamen. Eigentlich wollte ich weitergehen, aber dann erkannte ich die Stimmen und blieb wie versteinert hinter einem Busch stehen. Ich fühlte mich, als hätte ich Fieber. Es waren Michael Slater und Martin Ford.
 

Michael Slater war mein erster Freund gewesen. Ich hatte seit der dritten Klasse für ihn geschwärmt; er war sehr gut aussehend mit seinem dunklen Bürstenschnitt und den schönen großen braunen Augen, außerdem war er offen und hatte Sinn für Humor. In der fünften Klasse hatte er spitz gekriegt, dass ich ihn mochte und hatte mich (o Wunder!) tatsächlich gefragt, ob ich mit ihm gehen wolle. Ich war so selig gewesen, bis ich ca. zwei Tage später herausfand, dass er mich nicht liebte und eigentlich nur deswegen mit mir zusammen war, damit ich von meiner Schwärmerei abließ. Er hatte mich also nur veräppeln wollen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie tief mich das getroffen hatte, auch wenn ich nach außen hin die Starke und Optimistische war. Aber das war trotzdem nichts gegen das Erlebnis mit Martin Ford.
 

Martin war damals in der siebten Klasse zu uns gekommen; er trug eine Basecap, Basketballshirts und breite Jeans und war mit seinen blonden Haaren und blauen Augen außerordentlich hübsch. Außerdem war er selbstbewusst und ließ sich von niemandem etwas sagen. Die Lehrer hatten alle ihre liebe Not mit ihm, aber wir, seine Kameraden, waren sofort von ihm fasziniert. Die Jungen rissen sich um seine Freundschaft und die Mädchen waren allesamt in ihn verliebt. Darunter – leider! – auch ich. Ich gehörte nie zu den Beliebten und hatte höchstens ein paar Worte mit ihm gewechselt, aber zu der Zeit war eine große Party geplant, zu der ich auch geladen war und ich schwor mir, dass ich ihm dort meine Liebe gestehen würde. Ich weiß noch heute nicht, was ich mir jemals dabei gedacht hatte, es ihm zu offenbaren und erst Recht weiß ich nicht, wieso ich dachte, dass er mir eine Chance geben würde. Aber das tat nichts zu Sache, weil er nie davon erfuhr, vor allem deshalb, weil er die Party als Anlass wählte, um mich vor versammelter Mannschaft, inkl. zweier hübscher Mädchen in seinen Armen, lächerlich zu machen. Es war eine schreckliche Erfahrung für mich gewesen. Jedes Mal, wenn ich den Film „Ungeküsst“ mit Drew Barrymore sah, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, weil ich dort oft das Gefühl hatte, dass man meine eigenen Erfahrungen mit hereingenommen hatte.
 

Ich hoffe, dass dies nun erklärt, wieso ich Jungen gegenüber nur noch schwer Vertrauen fassen konnte.
 

Mir war rätselhaft, wieso sich die Beiden ausgerechnet hier und jetzt trafen (sie zündeten sich gerade ihre Zigaretten an und tranken aus Bierflaschen, daher nahm ich stark an, dass sie die Ruhe nach der Schule bzw. die versteckte Lage, die sie gewählt hatten, dazu nutzten, damit niemand sie erwischte). Ebenso wenig war mir klar, was sie Dringendes zu besprechen hatten, aber auch hier vermutete ich, dass es nichts Dringendes sein konnte, den Gesprächsfetzen, die zu mir durchdrangen, nach zu urteilen. Sie sprachen von irgendwelchen Partys, die gelaufen waren oder anstanden, was alles bisher passiert war, wer wie viel getrunken und wie viel Mädels angebaggert hatte, dann schwärmten sie über die Mädchen, die sie toll fanden, darunter auch Saiki Haneda, und schließlich kamen sie auf das Thema Schulfest und wie wenig Lust sie darauf hatten. Warum ich mir dieses Geschwätz antat, wusste ich nicht. Ich wollte mich gerade auf den Weg machen, als ich hörte, wie Michael und Martin zum Programm des Festes kamen, wer was geplant hatte und so gelang eine Überleitung zu unserem Chor.
 

„Hast du gehört, was die vom Schulchor machen wollen? Die wollen tatsächlich irgendwelche bescheuerten Lieder nachsingen!“, lachte Martin Ford. „Sind wir hier auf einer Castingshow, oder was?“
 

„Krass peinlich!“, kommentierte Michael Slater. „Auf so was stehen doch nur alte Omis. Ich würde so was nie mitmachen, wenn ich in diesem blöden Chor wäre.“
 

„Und die wollen da auch noch Solonummern machen“, fuhr Martin fort. „Ist ja noch schlimmer! Damit alle Welt sieht, wie einer abloost!“
 

„Hast du übrigens gehört, dass die Helen Riley als Abschluss singen muss – und das auch noch allein?“, fragte Michael.
 

„Das gibt dieser peinlichen Veranstaltung doch das nötige Niveau!“ Lachend zog Martin an seiner Zigarette. „Ich kapiere nicht, wieso die ausgerechnet die Riley dafür genommen haben! Wenn es doch wenigstens die Stella Gallieri gewesen wäre, die sieht ja geil aus! Aber die Riley … so wie die aussieht, sollte die am besten gar nicht auftreten und wenn, dann mit einer Papiertüte überm Kopf!“
 

Michael lachte. „Da sagst du mir was! Aber warst du nicht mal mit der zusammen?“
 

Martin brauste auf: „ICH? Sag mal: wofür hältst du mich? Ich habe doch kein Herz für bedrohte Tierarten! Aber du … DU warst doch mit der zusammen, oder?“
 

„Ja, aber doch nicht, weil ich in die verknallt war, um Gottes willen!“, rechtfertigte sich Michael. „Ich hatte es satt, wie die mich andauernd angeglotzt hat mit ihren doofen Kuhaugen und bin daher mit ihr gegangen, um die kurz darauf wieder fallen zu lassen, bloß damit die Alte endlich aufhört, mir hinterher zu sabbern!“
 

„Ach so ist das!“ Martin trank ein Schluck aus der Bierflasche. „Na, da hast du auch Recht. Ich hätte auch kein Bock drauf, dass mich SO EINE anschwärmt. Was hätte ich denn da noch für einen Ruf?“
 

Mir reichte es. Am liebsten wäre ich hervor gesprungen, hätte deren Zigaretten in deren Bierflaschen geschmissen und dann die Bierflaschen über den beiden ausgeleert. Schlimm genug, dass diese hohlköpfigen Esel darüber wett eiferten, wer wie viel Alkohol vertragen und wer wie viele Mädchen abschleppen konnte, sie machten auch noch eine Art Wettbewerb daraus, wer mir am ärgsten das Herz gebrochen hatte. Und das war bei Weitem nicht das Schlimmste. Wieso mussten sie so reden? Ich hatte den beiden doch nie etwas getan! Was stimmte nicht mit mir, dass man so über mich dachte? Ich wollte mich aufrichten und gehen, merkte aber, dass ich wie paralysiert war. Mein Gesicht war tränennass.
 

„Ach so ist das also!“
 

Vor Schreck wäre ich beinahe aus meinem Versteck gefallen und dem Knall, der von einer zerbrochenen Flasche kam, nach zu urteilen, ging es Michael und Martin ähnlich. Denn eine dritte Stimme hatte sich zu denen der beiden Jungen gemischt; eine Stimme, die ich nicht identifizieren konnte und die mir trotzdem seltsam bekannt vorkam. Diese Stimme klang nach blanker Wut.
 

„So ist das also“, knurrte die Stimme. „Jetzt weiß ich alles. Alles klar. Jetzt ist mir klar, wieso Helen so abweisend ist.“
 

Interessiert lugte ich zwischen zwei Buschzweigen hervor, um mir die Szene anzuschauen und herauszufinden, wer da sprach … und musste mich stark an den Zweigen festhalten, um nicht tatsächlich aus meinem Versteck zu fallen.
 

Der Urheber der Stimme war Rioroute.
 

Ich wusste zwar nicht, was ER hier, an diesem Ort machte und dann auch noch zu der Zeit, aber das erschien mir momentan nebensächlich. Aus meinem Versteck heraus sah ich ihn, wie er da stand, mit dem Ellbogen an einen neben stehenden Baum gelehnt, die personifizierte Wut in seinem Gesicht. Hatte ich damals, als er mich auf Shinichi ansprach, gedacht, dass er wütend schaute, so war das nichts im Vergleich zu DEM Gesichtsausdruck. Wenn ich ehrlich bin: dieser Gesichtsausdruck machte mir sogar Angst.
 

Betont cool stand Martin auf, kickte die Glasscherben der Flasche weg und fragte: „Was willst du denn hier?“
 

Als Antwort kriegte er eine gepfefferte Ladung Flüche und Schimpfwörter von Rioroute. Dann sagte er: „Ist doch egal, was ich hier will! Die Frage ist: was habt ihr, Schwachköpfe für ein Recht, so über Helen zu reden? Was denkt ihr eigentlich wer ihr seid, dass ihr so über einen Menschen reden könnt und dann auch noch über Helen? Denkt ihr, ihr seid die Coolsten oder was? Und dann prahlt ihr auch noch damit, dass ihr sie nach Strich und Faden veräppelt habt? Ist ja kein Wunder, wieso Helen glaubt, dass sie jeder nur anlügt!“
 

Ich spürte, wie meine Paralyse wieder einsetzte, dieses Mal aber nicht vor Entsetzen, sondern eher vor Überraschung. Ich hatte Rioroute tatsächlich als einen Playboy abgestempelt, der sich wohl einen Spaß daraus machte, so viele Mädchen wie möglich anzubaggern – niemals hätte ich gedacht, dass er so reden und denken konnte.
 

„Was geht dich das an?“, fragte Michael. „Kann dir doch egal sein, was wir über die Riley reden!“
 

„Was es mich angeht? WAS ES MICH ANGEHT?“ Rioroute schlug so hart auf den Baum neben ihm, dass einige Blätter von den Zweigen fielen. „Mir ist es verdammt noch mal nicht egal! Glaubt ihr, ich stehe hier rum und höre noch weiter zu, wie ihr über Helen redet?“
 

„Ach so, jetzt ist mir alles klar“, sagte Martin. „Du bist ihr Freund nicht wahr? Einen tollen Geschmack hast du, muss ich sagen! Oder bist du einfach nur blind?“
 

Rioroute ballte seine Hände zu Fäusten. Ich dachte schon, er würde Martin eine runterhauen. Aber er beschränkte sich darauf, zu antworten: „Ihr seid diejenigen, die keinen Geschmack haben! Und Ahnung habt ihr ebenfalls keine! Ihr wisst gar nicht, was gut ist! Es wird eine Zeit kommen, da werdet ihr euch um so eine wie Helen reißen.“
 

Daraufhin lachten die beiden Jungs laut auf. „Du hast Nerven, Junge“, sagte Michael. „Ich würde mich nicht mal um die reißen, wenn die die einzige Frau auf dem Planeten wäre.“
 

Rioroute lief vor Wut knallrot an und seine Fäuste zitterten. „So, das reicht! Ich werde mir das nicht mehr länger anhören.“
 

Ich hatte eine leise Vorahnung, was nun kommen würde. Aber ich hatte keine Lust, zuzuschauen, wie sich Rioroute alleine mit zwei Jungs prügelte – und dann auch noch wegen mir. Also kam ich aus meinem Versteck heraus und stellte mich zwischen Rioroute und den beiden Jungs.
 

„Helen, was machst du denn hier?“, fragte er mich und Michael und Martin schauten mich mit einer Mischung zwischen Überraschung und Entsetzen an.
 

Ich erwiderte ihre Blicke fest, sagte aber zu Rioroute: „Bitte hör auf. Ist schon gut. Du musst dich jetzt nicht mit denen wegen mir abgeben.“
 

„Helen, die beiden haben dich beleidigt und … hast du überhaupt gehört, was die über dich gesagt haben? Ich lasse mir doch so was nicht bieten!“, war Rioroutes ärgerliche Antwort.
 

„Ja, ich habe alles gehört. Aber … mich stört das nicht, dass die Beiden so reden und es lässt mich auch völlig kalt. Außerdem … die beiden sind es doch nicht wert, dass du dich mit denen hier anlegst!“
 

Und ohne eine Antwort von irgendwem abzuwarten, zog ich Rioroute am Ärmel und vom Szenario weg. Ich hörte, wie Michael und Martin uns blöde Sprüche hinterher riefen, aber ich hörte nicht was. Wie ich schon zu Rioroute sagte: es war mir auch egal, was die sagten. Wieso das so war, wusste ich nicht, vor allem, weil ich noch vor einigen Minuten so tief getroffen war von ihren dummen Sprüchen. Lag es daran, dass sich Rioroute so für mich eingesetzt hatte? Ja, das mochte sein. Es war schön, zu sehen, wie jemand so für mich ein stand und vor allem diesen Beiden die Stirn bot, die dachten, sie wären die Coolsten der Schule und könnten sich alles erlauben und keiner würde sich trauen, gegen sie anzugehen. Dazu kam noch, dass Rioroute nicht gewusst hatte, dass ich die ganze Zeit über zugehört hatte – er hatte sich ernsthaft und vom Herzen für mich eingesetzt. Wahrscheinlich war es dieser Umstand, der dazu führte, dass ich von einem Moment auf den nächsten darauf pfiff, was Martin und Michael von mir dachten. Wenn es jemanden gab, der für einen kämpfte, war es einem egal, was solche Vollidioten über einen sagten.
 

„Helen, wieso hast du mich von denen weg gezogen?“, fragte er mich. „Die beiden verdienen eine Lektion, so wie die über dich reden!“
 

„Nein, ist schon gut“, antwortete ich. „Es tangiert mich peripher, was die sagen!“
 

„Es – was?“ Er machte große Augen.
 

Ich unterdrückte ein Lachen. „Es ist mir egal. Egal, ob du dich jetzt mit denen anlegst oder prügelst oder sonst was – die beiden werden ja doch nicht von ihrer Meinung ablassen. Und ändern werden die sich schon mal gar nicht. Also warum für die Beiden wertvolle Energie verschwenden?“
 

„Na ja, ich hätte denen gerne etwas auf die Glocke gegeben, aber wenn du das sagst …“ Er zuckte die Achseln.
 

Daraufhin sagte ich ihm das, was ich ihm eigentlich schon vor längerer Zeit hätte sagen müssen: „Danke, dass du dich so für mich eingesetzt hast. Und … bitte entschuldige, dass ich … dass ich dir gegenüber immer so gemein gewesen bin!“
 

Ich wurde knallrot. Es war nicht leicht, einzusehen, dass man Unrecht gehabt hatte.
 

Rioroute schaute mich mit Riesenaugen an und schließlich lächelte er breit und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ach, kein Thema“, antwortete er. „Kann ich sogar verstehen, nach all dem, was du mit diesen Trotteln durchgemacht hast. Ich habe mich ja auch nicht viel besser benommen, was? Wie ein Elefant im Porzellanladen! Nein, das war nicht mal mehr ein Elefant, das war ein Mammut!“
 

Ich musste lachen, ob ich nun wollte, oder nicht. Schließlich hielt ich ihm seine Hand hin und fragte „Frieden?“
 

Begeistert schlug er ein.
 

Wie es nicht anders zu erwarten war (sowohl von mir, als auch – sicherlich - von Ihnen, lieber Leser, die wir Rioroute inzwischen kannten), brachte er mich daraufhin nach Hause. Ich musste mein Rad schieben und brauchte somit eine gute halbe Stunde für den Nach-Hause-Weg, aber … seltsamerweise war es mir egal. Es war auch schön, sich mit ihm zu unterhalten, jetzt wo er nicht mehr seine „Anmachsprücheplatte“ abspielte und auch ich jetzt erfahren hatte, dass er sich nie über mich lustig gemacht hatte.
 

Und in den nächsten Tagen hingen wir – zum Erstaunen aller – immer zusammen. Er war in den Pausen immer bei Drake, Ritz und mir und wir gingen immer zu viert zu den Klassenräumen. Ritz konnte sich ein fieses Grinsen, gespickt mit einigen spitzen Bemerkungen nicht verkneifen, aber ich stand da drüber. Vor allem, weil ich tief im Inneren wusste, dass ich das verdient hatte. Und was die anderen dachten, machte mir nichts aus. Rioroute war wirklich sehr nett und er konnte einen sehr gut zum Lachen bringen. Ich vergaß sogar den ganzen Stress rund um die Proben und das Einstudieren der Lieder.
 

Und dann stand das Schulfest vor der Tür. Ich hatte die Nacht vorher kaum geschlafen und konnte auch nichts essen. Ob man mir sagte, man sei sehr stolz auf mich, wie z. B. meine Mutter oder man mir sagte, die würden unseren Auftritt mit Freuden ansehen und warten, bis ich einen Patzer machte – ich hörte alles nur nebensächlich. Ich fühlte mich wie ein Zombie – unfähig, was zu sehen und zu denken und nichts anderes vor Augen, außer die eigene Nervosität.
 

Das Fest war wirklich toll: die Kleinen erfreuten sich an den Spielen und Hindernisparcours, die man für sie entworfen hatte und es gab überall Kuchen, Würstchen, Salate und Getränke zu kaufen. An den Gängen standen Ritz und die anderen Künstler und strahlten über das Lob, das ihnen die Besucher gaben. In der Aula fanden Aufführungen des Orchesters und Theaterclubs statt, die allesamt gut ankamen. Ich sah auf den Weg zu unserem Chorraum, in dem wir uns für unseren Auftritt fertigmachen wollten, fast alle meine Klassenkameraden, nur Rioroute nicht. Er schwänzte doch nicht etwa, dachte ich mir und zog eine Schnute. Doch als ich an unserem Chorraum ankam, sprang Rioroute sofort aus meinen Gedanken.
 

Mir klappte der Unterkiefer herunter.
 

„Na, Helen, was sagst du zu meiner Überraschung für euch?“, fragte Mrs. Whitton lächelnd.
 

Unsere Chorleiterin hatte anscheinend eine echte Stylistin engagiert, die von einem Chormitglied zum anderen eilte, dem einen ein schönes, passendes Kostüm verpasste, dem anderen hübsch frisierte und dem dritten eine Maske auftrug. Es stellte sich heraus, dass sie eine Freundin von Mrs. Whitton war, die mit Freuden zugesagt hatte, hier zu helfen.
 

Ich musste grinsen. Wenn wir schon heute mit Pauken und Trompeten versagten, so würden wir wenigstens gut dabei aussehen.
 

Kurz darauf hatte ich weniger Grund zum Grinsen. Mrs. Whitton stellte mich ihrer Freundin Bethany vor und diese beäugte mich kritisch. Ich dachte schon, dass von ihr so etwas kommen würde, wie ‚Es tut mir leid, HIER kann ich nicht helfen’ oder ‚Am besten, du stellst dich so hin, dass dich niemand sieht’, aber dann sagte sie: „Ich habe genau das Passende für dich. Ein langes, weißes Kleid! Und die Haare hinten hoch gesteckt, dazu Perlenschmuck … ja, das würde dir klasse stehen!“
 

Sie zog mich zur Garderobe und förderte das besagte weiße Kleid zutage, bei deren Anblick mir erneut die Kinnlade herunterfiel. Und dieses Mal so, dass ich befürchtete, mir würde der Kiefer brechen.
 

Es war ein bodenlanges Kleid, mit langen, weiten Ärmeln, einem kleinen Ausschnitt, einer schön geschnittenen Taille und einem weiten Unterkleid – mit weißen Blumenstickereien um den Ärmel und der Spitze des Unterkleides herum.
 

„Na, was sagst du dazu?“, fragte mich die Stylistin.
 

Ich konnte nichts sagen. Ich war baff. Dieses Kleid sollte für MICH sein?
 

„Ich … ich weiß nicht, ob … haben Sie was Schlichteres für mich?“, stotterte ich.
 

„Gefällt es dir etwa nicht?“, wollte Bethany wissen.
 

„Doch, klar!“, antwortete ich. „Es ist nur …“
 

Es ist nur, dass das Kleid viel zu gut für mich war. Es sollte jemand anders tragen, jede andere, nur nicht ich.
 

Doch Bethany wollte nichts mehr hören. „Dann probier es doch drüben an.“
 

Seufzend begab ich mich in den Raum, in dem mir Mrs. Whitton damals wegen ihrer Pläne für das Fest gesprochen und mich in den Untergang geführt hatte. Es dauerte recht lange, das Kleid anzuziehen, weil ich an den engen Stoff nicht gewohnt war. Als ich aus dem Raum trat, schauten mich Mrs. Whitton und Bethany mit großen Augen an und übertrafen sich gegenseitig mit Komplimenten und Beschreibungen, wie toll es mir stand. Aber als ich mich auf den Weg zum großen Spiegel machte, um mich selbst zu betrachten, zog mich Bethany zu einem der Frisierstühle.
 

„Du kannst dich später angucken, wenn du magst; jetzt müssen wir dich erst mal ganz schnell schminken und frisieren, sonst wird’s mit der Zeit noch knapp!“, sagte sie.
 

Dann fing sie an, meine Haare hochzustecken, Make-Up auf mein Gesicht und Eye-Liner und Wimperntusche auf meine Augen aufzutragen. Als sie schließlich meine Lippen geschminkt hatte, sagte sie, sie sei fertig und ich durfte mich endlich im Spiegel betrachten.
 

Ich sah auf mein Spiegelbild und mir klappte der Unterkiefer auf den Frisiertisch.
 

Das war nicht ich. Nein, das konnte nicht sein!
 

Ich wischte mit meinem Unterarm über das Spiegelbild, um mich zu vergewissern, dass das Bild weder aufgemalt noch aufgeklebt worden war. Aber dem war nicht so. Mein Spiegelbild tat es mir gleich und putzte über die Glasfläche.
 

Und trotzdem konnte ich es nicht fassen, wer mich da anschaute. Ich hatte erwartet, mein ursprüngliches Spiegelbild wieder zu sehen. Aber das tat ich nicht. Stattdessen schaute eine wunderschöne Frau auf mich zurück, mit einem eleganten und glänzenden Haarknoten, einer Perlenhalskette, hübschen Augen mit geschwungenen Wimpern und einem schönen Mund.
 

„Und, was sagst du?“, fragte Bethany.
 

Aber ich konnte nichts sagen. Stattdessen zwickte ich mich in den Unterarm. Ich nahm an, dass ich eingeschlafen war, während Bethany mich geschminkt hatte.
 

Es tat weh. Also schlief ich nicht. Also träumte ich nicht.
 

Bethany verstand durch mein Verhalten offenbar auch so, was ich zu dem Ganzen sagte. Sie lachte und wies mich an, mich im riesigen Spiegel nebenan komplett zu betrachten.
 

Da war die wunderschöne Frau wieder und sah mich aus dem Spiegel heraus an. Die schöne Frau mit dem schönen, weißen und langen Kleid. Und als ich langsam begriff, dass ICH die wunderschöne Frau war, geschah etwas Seltsames. Die wunderschöne Frau ergriff von mir Besitz. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Ich war nicht mehr ich. Ich war diese wunderschöne Frau. Eine, die quasi schrie: „Hier bin ich!“; eine, die gesehen werden musste, sonst wäre es doch schade! Ich war nicht die hässliche, unscheinbare, graue Helen. Ich war wunderschön.
 

Und diese „Verwandlung“ ging weiter. Ich hatte das Gefühl, fliegen zu können. Ich hatte das Gefühl, alles schaffen zu können, was ich mir vornahm. Ich war auch nicht mehr nervös wegen dem anstehenden Auftritt, im Gegenteil: ich freute mich darauf.
 

„Boah, Helen, du siehst einfach wunderschön aus!“, sagte Silvia, ein Chormitglied. „Wie eine griechische Göttin!“
 

Ich nahm es nur wie durch einen Schleier wahr. Ich war damit beschäftigt, mein neues Ich zu hinterfragen und willkommen zu heißen. Ich fühlte mich wie in einem Rausch. Es dauerte auch dann an, als wir uns alle für unseren Auftritt vorbereiteten und uns schließlich im Raum hinter der Bühne positionierten, woraus wir schreiten würden, wenn wir unseren jeweiligen Auftritt hatten. Ich stand neben Joshua, der mich mit so einem offenen Mund anstarrte, als hätte er versucht, einen Fußball zu schlucken und dann vergessen, den Mund zuzumachen und neben Stella, die mich mit todbringenden Blicken musterte. All dies registrierte ich nur vage. Ich dachte nur daran, dass ich gleich endlich auf die Bühne gehen und allen mein neues Ich präsentieren würde. Eine schöne Frau, ein Schwan, die endlich die Federn des hässlichen Entleins hinter sich lassen würde. Eins wusste ich: ich würde mir nie wieder dumme Kommentare über mein Aussehen anhören müssen. Und wenn - das war mich egal, denn ICH wusste, dass es anders war.
 

Unsere Show hatte begonnen. Mrs. Whitton trat unter tosendem Applaus auf die Bühne, begrüßte alle Anwesenden und kündigte den ersten Auftritt von Chase an, einem farbigen Jungen, der der beste Sänger in unserem Chor war und vor Aufregung so blass war, dass man es trotz seiner Hautfarbe erkannte. Als er dann schließlich auftrat, hielt ich es nicht mehr aus und spähte durch den Vorhang auf die Bühne. Die gesamte Schule, inkl. deren Familien und Bekannten - so schien es mir zumindest - war anwesend. Vorne rechts sah ich meine Eltern, Drake und Ritz und etwas weiter hinten konnte ich Martin, Mike und Shinichi erkennen. Es war seltsam, aber nicht mal ihr Anblick brachte mich aus der Fassung. Ich hatte das Gefühl, unbesiegbar zu sein. Rioroute dagegen konnte ich nirgendwo finden. Ich zog eine Schnute: er würde doch nicht etwa meinen Auftritt verpassen?
 

Letzten Endes kam der Moment, wo ich auf die Bühne musste. Zwar mit der Hälfte des Chors zusammen, aber immerhin. Und als ich mich in die hintere Reihe auf die Bühne stellte, sah ich Rioroute. Er saß in der Mitte und direkt vor der Bühne – eine Stelle, die ich vom Vorhang hinter der Bühne aus nicht gesehen hatte. Und – er war nicht allein.
 

Neben ihm saßen noch mehr Leute, die ich nicht kannte, aber sofort erriet, wer die Leute waren. Da waren ein hochgewachsener Mann mit einem freundlichen Gesicht und Rioroutes dunkelblonden Haaren und eine Frau, die eine Brille trug, lächelte und strahlte und Rios braune Augen hatte. Auch saßen da vier Jungs, die aufgrund der Ähnlichkeit nur Rios jüngere Brüder sein konnten.
 

Das allein war schon eine Überraschung. Was noch dazu kam, war die Tatsache, dass er sich eine weiße Bluse angezogen und sich die Haare gekämmt hatte, etwas, was ich gar nicht von ihm kannte. Ich verpasste fast meinen Einsatz und hatte Glück, dass mir Sylvia, die neben mir stand, aus Versehen auf den Fuß trat, so dass ich aus meinen Gedanken gerissen wurde und singen konnte.
 

Unsere Darbietung war ein voller Erfolg. Joshua kam mit seinem Solo so gut an, dass sämtliche Mädchen im Saal kreischten und ihm Blumen auf die Bühne warfen. Stella dagegen versang sich öfters, aber das schien den Meisten egal zu sein, weil sie bei ihr was zu gucken hatten. Die anderen Chormitglieder glänzten auch und Mrs. Whitton konnte ihren Stolz auf ihren Chor kaum verbergen.
 

Und schließlich neigte sich die Vorstellung dem Ende entgegen. Und meinem Solo. Noch vor einem Tag hatte ich bei diesem Gedanken das Gefühl, als wären sämtliche meiner inneren Organe mit brasilianischen Feuerameisen gefüllt. Aber heute war es irgendwie anders. Als ich auf die Bühne ging und die Scheinwerfer auf mich schienen, hätte ich dem Publikum beinahe zugeschrien: „Seht mich an! Seht mein neues Ich an! Ich bin nicht mehr das Mauerblümchen von vorher!“ Und als die Musik ansetzte, war ich erstaunt darüber, dass meine Stimme nicht mehr wie sonst zitterte. Ich machte mir keine Sorgen mehr darüber, dass ich einen Ton nicht treffen könnte oder generell versagen würde. Stattdessen glaubte ich an mich und wusste, dass ich es schaffen würde. Und so wurde mein Solopart zum Symbol der Entstehung meines neuen Ich’s: federleicht, klar, kraftvoll. Als ich zu Ende gesungen hatte, war für einen Moment Stille im Raum. Dann brach der Tumult aus.
 

Von allen Seiten kam kräftiger Applaus; nicht so eine Art „höfliches Klatschen“, sondern ein Trommelfell zerreißendes Klatschen inklusive Beinstampfen, Pfiffen und lauten Jubelrufen. Die einzigen, die sich nicht am Jubel beteiligten, waren Martin Fort und Michael Slater; aber ich sah, dass die beiden zu baff waren, um irgendetwas zu machen … wahrscheinlich deshalb, weil die – wie sagten sie es doch gleich? – hässliche Helen, die mit einer Papiertüte auf dem Kopf hätte auftreten sollen, auf einmal SO aussah.
 

Ich sah die strahlenden Gesichter von Drake und Ritz, die „Zugabe“ verlangten; ich sah Shinichi, der mir grinsend zujubelte; ich sah meine Mutter, die sich ihre Tränen mit einem Taschentuch wegwischte und meinen Vater, der einen Arm um sie gelegt hatte und zeitgleich kräftig mitjubelte; ich sah, wie mir Jenny zupfiff … aber meine Aufmerksamkeit war auf einem Menschen gerichtet, der direkt vor der Bühne, inmitten seiner Familie saß, und der mir stehend zujubelte, mit einem Strahlen im Gesicht und einem Glänzen in den Augen … und ich muss zugeben, dass dieses Glänzen, vermischt mit dem Bühnenlicht, mit das Schönste war, was ich jemals gesehen hatte.
 

Und mir war alles klar. Nun wusste ich, was ich tun sollte.
 

Rioroute hatte sich von Anfang an ehrlich für mich interessiert. Er war immer lieb zu mir, auch wenn ich mich ihm gegenüber benommen hatte, wie eine Furie. Er hatte nie aufgegeben, auch wenn mit Sicherheit viele über ihn gelacht hatten, ja sogar gegen ihn gewesen sind. Und – er hatte sich für mich eingesetzt, wo andere mich verletzt und beleidigt hatten.
 

Auch heute hatte er seine gesamte Familie zur Vorstellung unseres Chors mitgebracht, nur damit sie alle zusammen mich und die anderen bei unserem Auftritt sahen. Und jetzt jubelte er mir mit solchen Augen zu, Augen die alles, was er fühlte, aussagten – Stolz, Freude, Liebe … und vieles mehr.
 

Ich begriff, dass es nur für mich nur eins gab.
 

Ich würde ihm eine Chance geben.
 

_________________________________________________________________________
 

Und wieder ein neues Kapitel! Zwar habe ich ihn viel später hochgeladen, als erwartet, muss aber zugeben, dass der innere Schweinehund Schuld daran war, dass ich nicht viel früher fertiggeworden bin. Ich hoffe, ihr seid mir nicht böse -.-.
 

Ich mag diesen Kapitel besonders, weil er Helens zurückhaltende Art erklärt, ebenso ihren Wendepunkt Rioroute gegenüber beschreibt. Ob jetzt für die beiden alles gut werden wird? Einfach weiterlesen^^!!!
 

Ich danke allen meinen Lesern, denjenigen, die meine FF kommentieren uvm. Besonders hervorheben möchte ich hierbei Cherry, die mir in all der langen Zeit treu geblieben ist und sich die FF immer noch antut, obwohl ich immer Ewigkeiten brauche, um neue Kapitel hochzuladen *gomen*! Ebenfalls vielen Dank an den Bruder von Cherry, der die FF durch die Schwester mitverfolgt.



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Kommentare zu dieser Fanfic (23)
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Von: abgemeldet
2011-09-29T16:12:15+00:00 29.09.2011 18:12
Hey Süße ^^

Vielen Dank für die lieben Grüße am Ende ;)

Also zu deinem Kapitel:
Klar merkt man, dass du lange raus bist, aber trotzdem ist es wie immer echt witzig gemacht.
Ich muss immer schmunzeln, wenn ich ein neues Chap von dir lese.
Ich liebe Helen und Rioroute so wieso. =)
Deine Charaktere haben so viel Leben in sich. Selbst nach so langer Zeit habe ich nichts deiner Geschichte vergessen und habe mich sehr gefreut, als ich gesehen habe, dass du ein neues Kappi hochgeladen hast.

Hier und da kleine Rechtschreibfehler über die ich immer gerne wegsehe, da ich sie auch zu gerne mache. xP
Deine Geschichte hat wirklich sehr viel Persönlichkeit.
Ich mag Helens Gedankengang und ihren Umschwung.
Ich finde nicht, dass er zu plötzlich kam.
Sie hatte schließlich lange Zeit nachzudenken... es ist echt langweilig den ganzen Tag zu hause zu hocken. xD
Also ich selbst habe auch immer so viele Einfälle und ziehe alles in Betracht. Ich konnte mich sehr gut mit Helen identifizieren.

Übrigens finde ich gut, dass sie geschwänzt hat.
Ich habe jetzt mein Abitur hinter mir und jetzt ist mir klar geworden, dass ich nie mehr die Schule schwänzen kann... irgendwie habe ich das Gefühl etwas verpasst zu haben. Also herzliche Glückwünsche Helen! ;)

Ich fand das Chap echt gut und freu mich schon riesig auf das nächste. =D

Sag bitte wieder Bescheid, wenn es soweit ist. =)

Hab dich ganz doll lieb
Cherry-chan & Brüderchen ^^
Von: abgemeldet
2010-04-12T14:36:49+00:00 12.04.2010 16:36
Hey Süße!

Endlich konnte ich das 5. Kapitel lesen! *sternchen in den Augen hab*
Ich habe meinem Bruder die ganze Story nochmal vorgelesen, da wir das letzte Chap ja 2007 gelesen hatten.

Wir lieben deine Story immer noch! =D

Das neue Kappi war wieder richtig geil!
Rioroute ist wirklich der Beste!
Mein Bruder und ich haben uns erstmal überlegt, wie er wütend aussieht. Deine Beschreibung hat sehr gut geholfen =)
Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass Wut nicht sehr gut zu ihm passt. xD
Aber er tat uns Leid, weil er ja von Helen abgewiesen wurde. T.T
Der Brief daraufhin war aber wieder richtig geil! xDDDD
Wie er ihr einfach an den Kopf schmettert, dass Shinichi nichts von ihr will.

Wir haben Ritz auch ganz lieb gewonnen, die sich ja immer so lieb für Rioroute einsetzt. ^^
*ein Hoch auf Ritz*

Wir mögen Helen natürlich trotzdem noch, obwohl sie Rioroute so verletzt hat. Sie einfach total süß und man kann ja schon nachempfinden, dass sie sich genervt fühlt.

Wir hoffen natürlich immer noch, dass die beiden zusammen kommen xP

Irgendwie empfinden wir Empathie gegenüber Shampoo, die sich ja zwischen Rioroute und Helen stellt, aber andererseits ergeht es ihr ja genauso wie den beiden.
Helen will etwas von Shinichi, doch das wird nicht erwidert und Rio will etwas von Helen, doch das wird auch nicht erwidert. Also haben alle eigentlich das gleiche Problem, nur Ritz nicht und Shinichi. xD
Wobei das ja auch noch kommen kann ^^

Hoffentlich erkennt Helen, dass sie eigentlich in Rio verliebt ist!
Die beiden wären sooooo süüüüüüß! =D

War auf jeden Fall wieder ein echt schönes Chap.
Wir freuen uns schon auf das nächste ^^
Wäre nett, wenn du wieder Bescheid sagen würdest. =)

Hoffentlich bleibst du noch ein bischen in der langweiligen Abteilung, in der du dann ganz viel schreiben kannst. xP

Bis zum nächsten Mal!

hdgdl
Cherry-chan ^-^

*kekse und Tee da lass*
Von: abgemeldet
2007-08-14T09:37:17+00:00 14.08.2007 11:37
haaaa!!!
total geil das kappi abba wann is es denn so weit dass sich helen endlich ihre gefühle für rioroute entdeckt oda wird es die nie geben???
die ff is mega geil echt jetzt!!!
ich mag sie voll gerne und du musst mir bitte bescheid geben wenne neues kappi hochgeladen hast
muss abba auch ganz schnell weiter schreiben
hdl
Lg kashi_stalkerin
Von: abgemeldet
2007-07-17T11:28:18+00:00 17.07.2007 13:28
ERSTÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖ!!!

Geiles Kapitel! *kranklach*

Die arme Helen... sie "verschandelt" sich, damit Rio sie hasst und er findet sie noch schöner! xDDDD
ACH Rio ist einfach klasse. xP

Helen tut mir Leid, wegen Shinichi... sie "liebt ihn" und er beachtet sie nicht wirklich... =(
Aber eigentlich mag sie ja Rio! *fest von überzeugt ist*

Voll geil ist immer: Und schon wieder ein verlorener Tag wegen Rio!
Was macht er denn so schlimmer?!
Er tut ihr nie etwas und sie ist immer wütend...

Ihre Haare hätten stufig bestimmt geil ausgesehen xDDDD

Auf dem Bild, bei der Charabeschreibung sieht sie total hübsch aus.
Normalerweise müsste sie mit Männern umringt sein. xP

Ich will unbedingt wissen, wie es weiter geht ^-^

Schreib schnell weiter bitte! =)
Die ff ist mega toll ^-^

Ich liebe sie!

Lese sie meinem Bruder vor, wenn ich selbst auch ein Kappi lese und er mag die ff auch.
Meistens findet er die storys bei animex blöd, aber die fand er toll ^-^

Ich habe sie ihm ausgedruckt =)

Er mag Rio auch xDDDD
Ich lese ihm zwei Kapitel vor.
Ich: Und wie findest du sie?
Er: Rioroute ist voll der lässige!
xDDDD
Nur mal so nebenbei... mein Bruder ist 17 xP

Ich warte auf das nächste Chap =D

Sag dann bitte Bescheid.

hdgdl
*knuddel*

dööö cherry-chaaan ^.^
Von: abgemeldet
2007-07-15T11:24:17+00:00 15.07.2007 13:24
Ach ja und noch etwas...

Rio ist soooooooooooooo süüüüüüüüüüüüüß!
Das er extra für Helen die Schule wechselt und Stress mit seinen Eltern auf sich nimmt.
*schmelz*

Helen mag Shinichi... der ist ja auch süß xP

Aber sie muss mit Rio zusammen kommen...
Shampoo darf ihn nicht haben!
Aber Rio liebt ja Helen.

SUPER FF!
*freuZ*

Ich will weiter lesen, aber ich muss ja aus machen!
*flenn*

*seufz*

Bis später!

liebs dia
*knuffZ*

cherry-chan ^.^
Von: abgemeldet
2007-07-15T11:22:02+00:00 15.07.2007 13:22
ERSTÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖ!

KAWAI!
Mega geiloooo Kappiiiiii =D

Ich bin genau wie Helen... xD
Auch wenn ich es chamant finde, wenn mich Jungs mögen, zeige ich ihnen immer die kalte Schulter und werfe ihnen böse Worte an den Kopf. xP
Meine Eltern hätten mich Helen nennen sollen xDDDDDDD
*lölZ*

Auf alle Fälle super Kapitel. Sehr schön geschrieben ^-^
Ich lese meistens keine langen Kapitel, dann lese ich die Story einfach nicht, aber die musste ich einfach lesen.
Die Story ist endgeil!
*lüftsprünge mach*

Lese später weiter, jetzt muss ich aus machen -.-
Freu mich schon!
=DDDDDDD
*grins*

Du schreibst super! *peace*

hdgdlfiue
*kizzez*
*knuddel*
*umjump*

deine cherry-chan ^-^
Von: abgemeldet
2007-07-15T10:21:15+00:00 15.07.2007 12:21
Das Kappi war mega geilooooooooo xDDDDDDDDDDD

Der Soldat James Ryan! Ein geiler Film ^-^

Armer Ryo! Ich liebe den Kerl voll. Ich würde ihm sofort verfallen! =)
*schmelz*
Der ist doch echt kawai!
Wie süß er singt =D
"My heart will go on" xDDDDD
Celin Dion... ein geiles Lied =))))
Titanic... ^-^

Ich habe mich echt totgelcht!
Helen wie sie sich immer verflucht. Der Spruch war gemein von ihr, aber sie hat es ja wirklich nicht böse gemeint.
Man merkt aber, dass sie etwas für ihn empfindet. Sie macht sich immer Gedanken darüber, wenn Rio traurig guckt usw... total knuffig =D

AAAAAAAH! Ich liebe die ff =DDDD
Ich muss weiter lesen!

Du schreibt wirklich gut. Man kann die ff flüssig lesen... ist wirklich gut =>
WEITER SO!

Ich habe zwei neue ff's... einmal Zorro+Sanji "Der Mensch für mich allein" und einmal "Unser gemeinsames Jahr" mit selbstausgedachten Personen. Die Frau heißt Heaven und der Mann John... Kannst du ja mal lesen, wenn du Lust hast. =)

Muss weiter lesen!!!!
*gröl*

hdgdlfiue
*kizzez*
dööö cherrüüüü-chaaan
Von: abgemeldet
2007-07-10T18:14:58+00:00 10.07.2007 20:14
Also, erstmal sag ich etwas zu den Personen. Ich find den Charackter den du Helen verpasst hast cool (Brillen-träger rocken XD). Du hast ihre Rolle auch gut umgesetzt, abba dazu später. Was mir acuh gefällt ist die "VErbindung" die du bei Shinichi und Saiki (Hobbies- Chemie O___o wasn freak XD) aufgestellt hast. ^^ das hat was~

Zum Prolog:
Durch das siezen kommt die Charackteristik die Helen hat klasse raus. Diese höfliche Strebermäßige. Auch ohne Steckbrief wär ihre Person und Rolle die sie in dieser Geschichte spielt gut rausgekommen, das is klasse *daumen heb*. Mir gefällt auserdem dieser Humor der da so is *__*. Nur find ich persönlich, dass diese liebeserklärung ein wenig "dabbisch" is, und da kommen wir auch gleich zum

1. Kapitel:
mir gefällt ihre Reaktion auf seine "dabbische" Liebeserköärung. Mir gefallen generell ihre Reaktionen auf seine Sprüche, die sind cool. Da fühlt man sich irgendwie total bestätigt, da ich meistens sowas ähnliches dachte, das gefällt mir XD. Auh find ich die Verfolgungsjagt klasse. An einer Stelle (keine ahnung mehr wo die war o.O) hat sie irgednwie angefangen zu kreischen und is wieder weggerannt. An dieser Stelle musste ich irgendwie an alte Zeichentrickserien denken, wo dann ein kreischendes Mädchen mit erhobenen Händen von einem Kerl wegrennt. Nur dass die immer nur im Kreis rennen... naja, ich fand, dass eigentlich super, dass man so einen klassiker in einer neueren, frischeren Form sehn konnte (kA, ob du das für extra gemacht hast, abba egal XD)
auserdem fand ich den Vergleich mit Bollywood cool, das war auch so ne sache an die ich gedacht hab XDDD
so! ich glaub das war alles was ich loswerden wollte o.O

auch wenn ich keine liebesgeschichten mag, das was ich gelesen hab war super, dein Stil gefällt mir gut. Und ich finde es gut, dass du so gute Steckbriefe gemacht hast, besonders für leute wie mich die die meisten Serien net kennen XDDD

Miss Red_
Von:  Satislay
2007-06-29T07:36:54+00:00 29.06.2007 09:36
Also ich muss zugeben, ich war anfangs ein wenig verwirrt. Ich hab im prolog geglaubt, dass du sprichst und nicht, dass das schon teil der geschichte ist. Dann bin ich aber wieder reingekommen und hab ich gut amüsiert. Vor allem der anfang gefällt mir sehr, die anmache von Rioroute (ist das richtig geschrieben) ist herrlich!
Überhaupt mag ich den kerl irgendwie. Bei Helen denke ich immer an arale (Dr. Slump), wahrscheinlich wegen der brille. Ich kanns nachvollziehen, war selbst mal brillenträgerin (eigentlich noch immer und gerade in diesem moment aber ansonsten kontaktlinsen).
Eine witzige idee, noch andere anime-charas einzubauen wollt ich noch sagen.

Von: abgemeldet
2007-06-27T20:53:24+00:00 27.06.2007 22:53
KAWAI!

xDDDD
Rioroute ist echt total süüüüüß =D
Ich würde ihn sofort nehmen ^-^
Der ist doch total putzig und sein Name ist auch voll geil. xP

Ich mag das Kapitel =DDDD

Ich muss sofort weiter lesen =)

Also bis zum nächsten Kappi ^-^
*keks geb*
Du schreibst wirklich wunderbar! *knuddel*


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