Die sieben Schicksale von xxNico_Robinxx ================================================================================ Kapitel 3: Die Suche beginnt ---------------------------- "Was macht Ihr hier im Wald?" fragte Syreene Silver. Nachdem sie sich gegenseitig vorgestellt hatten, hatte Syreene den Hengst geholt und ging jetzt neben den beiden Männern einen Weg durch den Wald entlang. Sie dankte Casus, dem Gott des Schicksals, für die Fügung den König von Demetris getroffen zu haben. Die junge Frau hatte sich schon besorgt gefragt, ob man sie überhaupt in die Burg hinein gelassen hätte. "In drei Tagen muss mein Bruder sich auf den Weg nach Aphros machen, um seinen Dienst wieder anzutreten", erklärte Silver. "Meine Zeit wurde in den Tagen seines Urlaubs viel in Anspruch genommen, so dass wir keine Gelegenheit hatten etwas gemeinsam zu unternehmen. Deshalb habe ich mir für heute als König frei genommen. Und hier im Wald werde ich normalerweise nicht gestört." "Aber du musst zugeben, Bruderherz", mischte sich Kid in die Unterhaltung mit ein, "dass es eine angenehme Störung ist." Der junge Mann blinzelte Syreene verschmitzt zu und lächelte sie strahlend an. Syreene spürte, dass ihre Wangen warm wurden. Silver lachte leise. "Nun", begann Silver. "Ihr erwähntet ein Schreiben. Wollt Ihr davon erzählen?" Syreene nickte und begann daraufhin ihm von dem Tag zu berichten, an dem sie den Boten begegnet war. Sie ließ nichts aus, weder die Worte des Mannes über die Verfolger noch das Gespräch mit ihren Freunden. Leicht beschämt erzählte sie Silver auch von ihrem dreisten Handeln das Schreiben zu öffnen und den Inhalt zu lesen. Kid lachte darüber laut auf, und sein Bruder konnte sich ein belustigtes Lächeln nicht verkneifen. Dieses Verhalten hatte er bei der jungen Frau schon erwartet. Er fand es erfrischend, da sie sich so von den anderen Frauen unterschied. Bei Syreene hatte er das Gefühl, er selbst sein zu können, fernab von dem höfischen Getue, dass ihm sein wahres Ich verweigerte. "Jedenfalls", erzählte Syreene weiter, "hat der Inhalt des Schreibens mich dazu gebracht Euch persönlich davon zu berichten. Ich würde ihn Euch gerne zeigen, aber Taró hat ihn und Euren Siegelring an sich genommen, da er es aus Gründen meiner Sicherheit für besser befand. Nun, Königin Brianna hatte geschrieben, dass sie seit mehreren Zeiten keinen Kontakt mehr zu den Hara´kaas und zu Mombriar Eisenhammer hat, woraufhin sie Kundschafter ausgesendet hatte. Diese jedoch kamen bisher nicht wieder zurück. Beunruhigend ist auch, dass die Tiere, laut Berichten, Forest Green verlassen." "Etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht", meinte Silver ernst. Syreene sah ihn fragend an. "Die Hara´kaas und ich haben einen Handel abgeschlossen", erklärte er. "Viermal im Jahr kommt eine große Handelskarawane in die Stadt und verkauft mir ihre Waren. Bisher waren sie immer sehr pünktlich, doch die letzte Karawane ist nicht gekommen." "Ich habe davon gehört", sagte Kid leise. Sein Bruder wandte sich ihm zu. "Was meinst du?" "Die Tiere", meinte sein Bruder erklärend. "Bevor ich Aphros verlassen hatte, hörte ich mehrere Leute darüber klagen, dass ihr Vieh abgehauen sei. Ich vermutete, dass wilde Tiere dahinter stecken würden." "Euren Worten, unten am Fluss", wandte sich Silver Syreene wieder zu, "entnehme ich, dass Euer Freund Taró auch auf dem Weg zu mir ist?" "Ja, das ist richtig", antwortete die junge Frau. "Wir hatten beschlossen getrennt nach Castle Shelter zu kommen. Unser Treffpunkt ist das Gasthaus ,Die rote Krone'." "Sobald wir in der Stadt sind, werden wir dorthin gehen", versprach der König. "Was ist mit diesen so genannten Verfolgern? Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, wer sie sind?" "Taró wollte bei dem Boten nach möglichen Spuren suchen", sprach Syreene, während Silver nickte. "Aber ich hatte nah beim Blue Stones eine kurze Rast auf einem Bauernhof gemacht." "Bei dem alten Boris", meinte Kid. "Richtig. Jedenfalls erzählte er mir von zwei Männern, die kürzlich bei ihm aufgetaucht waren. Sie sind auf der Suche nach einer Person, die etwas besitzt, dass nicht ihr gehört." "Was waren das für Männer?", fragte Silver angespannt. "Viel konnte mir der Bauer nicht über sie sagen", bedauerte Syreene. "Nur, dass sie so seltsame Kleidung, in den Farben rot und schwarz, getragen hatten. Sie waren mit Schwertern bewaffnet und hatten ihre Gesichter verhüllt. Aber der Bauer meinte erkannt zu haben, dass einer der Männer zu den Tiermenschen gehört. Oh, und einer von ihnen hat dies hier verloren." Syreene nahm den Ring von ihrem Finger und hielt ihn dem König hin. Er sah sich das Schmuckstück eine lange Zeit an. "Diese Zeichen darauf sind mir fremd", sagte er schließlich gedankenvoll. "Auch dieses merkwürdige Auge." "Vielleicht kann dir Baringol mehr zu dem Ring sagen", schlug sein Bruder vor, der über dessen Schulter auf den Gegenstand sah. "Baringol?", fragte Syreene. "Ein Schmied", erklärte ihr Kid. "Der Beste seines Handwerks. Aber ich sollte Euch vor ihm warnen. Er ist ein sehr streitlustiger Zwerg." "Aber dafür kennt er die Techniken eines jeden Schmieds in Eredian", erwiderte Silver. "Er wird mir sagen können, wer den Ring geschmiedet hat." Der König steckte den Ring in einen Beutel an seinem ledernen Gürtel. Es dauerte nicht lange bis die kleine Gruppe den Wald verlassen hatte und sich vor Syreene eine 33 Fuß hohe Mauer aus weißem Marmor in den Himmel erstreckte. Auf der Brustwehr sah sie etwa ein Dutzend Männer mit Armbrüsten patrouillieren. Die silber-schwarzen Rüstungen der Soldaten von Demetris waren alle einheitlich. Die Männer trugen ein schwarzes wollenes Unterkleid, deren Ärmel sowie auch die Hosenbeine vom Knie abwärts, gepanzert waren. Über der Tunika wurde noch ein ärmelloses schwarzes Wams gezogen, damit das Unterkleid durch das Reiben der Rüstung nicht abgenutzt wurde. Der Küraß, aus feinstem Erz in den Schmieden der Zwerge hergestellt, bestand aus zwei Teilen: einem Brust- und einem Rückenpanzer. Beide Teile waren an den Schultern mit Lederriemen befestigt, so dass man den Küraß mühelos über den Kopf streifen konnte. Der Brustpanzer zeigte einen in Gold eingefassten Falken, das Emblem des Königshauses Hawks. Die Schultern waren durch vierschuppige Platten geschützt, und die Oberschenkel von sechsschuppigen Bauchreifen, die unter dem Küraß befestigt wurden. Bein- und Unterarmschienen komplettierten das Bild. Zusammen mit ihren Begleitern ging Syreene unter einem gewaltigen massiven Eisengitter hindurch, das nächtens heruntergelassen wurde. Die Wachen am Tor sowie auch die Leute, die ein- und ausgingen, verbeugten sich leicht vor dem König, als sie ihn sahen. Doch nachdem ihr Blick auf den Höllenwolf fiel, schnappten sie gleich daraufhin erschrocken nach Luft. Syreene rechnete schon fast damit, dass die Leute nach irgendwelchen Waffen greifen würden, um sie aus der Stadt zu verjagen, doch nichts dergleichen geschah. Das sorglose Verhalten des Königs, so vermutete die junge Frau, hielt die Leute wohl davon ab. Betrachtete man die Stadt mit ihren 1200 Einwohnern aus der Luft, dann sah man überall Häuser in verschiedenen Größen und Farben, die eng beieinander standen. Nur das Zentrum, in dessen Mitte ein riesiger Brunnen aus Granit stand, war weitflächig frei. Jedes zweite Mondalter fand dort ein Markt statt und Händler aus den angrenzenden Ländern kamen her, um ihre Waren anzupreisen. Im nordwestlichen Teil der Stadt, das die Bewohner liebevoll und mit stolzgeschwellter Brust auch das Wissensviertel nannten, befanden sich eine zweistöckige Bibliothek, mehrere Laboratorien, eine kleine Universität und ein Museum. Dazwischen stand ein großer Tempel, der dem Geschwisterpaar Secreta, Göttin der Geheimnisse, und Cognitio, Gott des Wissens, geweiht war. Jeden Tag beteten dort Akademiker und Gelehrte um Wissen und Erleuchtung. Die Straße, die Syreene mit ihren Begleitern entlang lief, führte direkt in das Zentrum und war so breit, dass problemlos zwei Fuhrwerke nebeneinander herfahren konnten und sogar noch Platz für das Fußvolk ließ. Jemand, der sich nicht in der Stadt auskannte, musste gewaltig aufpassen sich nicht zu verlaufen, da die Gassen und Straßen hier so verwinkelt waren, dass man schnell die Orientierung verlor. Am Marktplatz angekommen führte Silver die junge Frau direkt zu dem Gasthaus ,Die Rote Krone', wo sie den Wirt, ein stämmig gebauter Mann mit Augenklappe, nach ihren Freunden befragte. Mit volltönender Stimme jedoch teilte er ihr mit, dass keiner der beiden ein Zimmer bei ihm gemietet hätte. Daraufhin verließ sie mit hängenden Schultern das Gasthaus, und zusammen mit Silver und seinem Bruder wandte sie sich nach Osten. Der König führte sie durch mehrere Straßen und Gassen bis sie zu einem kleinen Haus mit Stall kamen. Syreene las auf dem Schild über der Tür ,Baringol's Künste'. Sie band den Hengst an einen Pfosten vor dem Hause an, bevor sie gemeinsam das Heim des Schmieds betraten. Beim Öffnen der Tür ertönte das Bimmeln einer Glocke über dem Türbogen, und Syreene stand in einem weitläufigen Raum. Auf der rechten Seite bemerkte sie einen massiven offenen Kamin mit einem Abzug. Daneben standen ein großer Schleifstein, den man anhand eines Fußpedals betreiben konnte, sowie ein Amboss, auf dem ein kleiner handlicher Hammer lag. An der Wand daneben hingen an Haken Schmiedewerkzeuge wie Zangen, Feile, Hämmer und seltsame Stifte, die unterschiedlich spitz zu liefen. Überall verteilt im Raum sah Syreene Fässer mit Schwertern und Regale mit Schmuck und verschiedene Waffen und anderes Werkzeug. Vermutlich schmiedet dieser Baringol nicht nur Sachen, sondern verkauft sie auch, dachte sich die junge Frau. Plötzlich öffnete sich die Tür in der gegenüberliegenden Wand, die in die Wohnräume führte und ein kleiner stämmiger Zwerg mit leicht ergrautem Haar und Bart kam herein. Er hatte den Kopf seinen Besuchern abgewandt und sprach mit jemandem in den hinteren Räumen. "Und das soll ich dir glauben?", rief er mit tiefer, leicht rauer Stimme. "Jedes Kind weiß doch, dass Höllenwölfe braunes oder schwarzes Fell haben. Du hast schon mal bessere Geschichten erzählt. Und jetzt habe ich Kundschaft! Und trinke nicht meinen ganzen Met aus!" Der Zwerg war in die Mitte des Raumes getreten und wollte sich zu seinen Kunden umwenden, als er direkt in die Augen von Ghost blickte. Einige Sekunden verstrichen bis dann der kleine Kerl erschrocken aufschrie und zurück stolperte. "Bei den zwölf Bärten des Thoros!", rief er fassungslos und schaute das Tier mit großen erstaunten Augen an. "Bitte", versuchte Syreene schnell den Zwerg zu beruhigen. "Ghost tut keinem etwas. Ihr braucht keine Angst vor ihm zu haben." Der Zwerg schaute Syreene bei ihren letzten Worten mit vor Wut blitzenden Augen an, während Kid das Gesicht verzog und laut aufstöhnte. Silver schüttelte nur ergeben den Kopf. "Wie kommt Ihr darauf, dass ich Angst habe?", fragte der Zwerg mit gefährlich sanfter Stimme. Syreene erkannte, dass sie etwas Falsches gesagt hatte und erinnerte sich, dass Kid den Zwerg als streitsüchtig beschrieben hatte. Wohl eher empfindlich, dachte sie sich. Aber bevor die junge Frau noch etwas sagen konnte, kam ihr jemand zuvor. "Weil du Angst hattest", kam es nüchtern von der Tür her. "Ich habe deinen Schrei sogar im Keller gehört." "Môrien!", rief Syreene überrascht und ein strahlendes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. "Seit wann bist du schon in der Stadt?" "Ich bin heute morgen hier angekommen", antwortete der Freund. "Und wer sind deine beiden Begleiter?" "Du ungehobelter Klotz eines Zwerges!", fauchte Baringol erbost. "Dies ist unser hochgeschätzter König mit seinem ehrenwerten Bruder. Verbeug dich also, wie es sich gehört!" "Wen nennst du einen ungehobelten Klotz?", brauste Môrien auf und baute sich dicht vor dem anderen Zwerge auf. "Meine Herren, bitte", mischte sich Silver mit beschwichtigender Geste ein. "Es gibt keinen Grund zu Streiten. Außerdem brauche ich jetzt dringend Eure fachmännischen Kenntnisse, Baringol. Ich möchte gerne, dass Ihr Euch etwas ansieht." "Ich werde dir nachher noch Benehmen beibringen", warnte Baringol Môrien, der nur mit einem verächtlichen Schnauben antwortete. Baringol nahm den Ring, den der König ihm entgegen hielt, an sich und drehte und wendete das Schmuckstück zwischen seinen Fingern, während er lange die feinen Gravuren darauf betrachtete. Dann ging er zum Amboss und legte den kleinen Gegenstand darauf ab. Und bevor seine Gäste auch nur erahnen konnten, was er vorhatte, griff der Zwerg nach dem kleinen Hammer und schlug damit leicht auf den Ring. Sofort danach nahm Baringol das Schmuckstück wieder an sich und betrachtete die Stelle, auf der er zuvor mit dem Werkzeug eingeschlagen hatte. "Nun", begann Baringol mit gerunzelter Stirn. "Ich kann Euch nicht viel zu diesem Ring sagen, da die Technik, mit der er angefertigt wurde, verfälscht ist. Aber es muss ein guter Schmied gewesen sein, der etwas von seinem Handwerk versteht. Der Ring weist keinerlei Unebenheiten auf, und auch die Breiten der Ränder sind einheitlich." "Was meint Ihr mit ,verfälscht'?" Silver war enttäuscht. Er hatte sich mehr von dem Zwerg erhofft. "Nun", antwortete der Zwerg. "Es ist üblich bei den Schmieden, dass man mit einem Hammer die Beschaffenheit einer Waffe oder eines Schmuckstückes überprüft. Dadurch erfährt man, wie sorgfältig ein Schmied gearbeitet hat und welche Materialen dieser für das geschmiedete Stück verwendete. Ihr müsst wissen, dass jeder Schmied seine eigene Technik besitzt, so dass man seine Stücke an der Arbeitsweise erkennen kann. So gibt es zum Beispiel Schmiede, die nur mit hochwertigem Erz arbeiten, dann wiederum auch welche, die das Erz mit einem anderen Material kombinieren. Es gibt natürlich auch Schmiede, die es an Sorgfalt walten lassen, wodurch ihre Arbeiten nach einiger Zeit brüchig werden, weil sie minderwertiges Material benutzt haben, um Gold zu sparen oder weil sie das Feuer nicht genug erhitzt haben. Jedenfalls konnte ich feststellen, dass mein Hammer keinerlei Spuren auf dem Ring hinterlassen hat. Und das bringt mich zu der Überzeugung, dass ein Zauber darauf liegen muss, der das Gold verhärtet." "Und was ist mit den Symbolen?", wollte Syreene wissen. "Könnte es sich nicht dabei um die Signatur des Schmiedes handeln?" "Man merkt sofort, dass Ihr nicht die geringste Ahnung über die Schmiedekunst habt", sagte Baringol geringschätzig. "Ich habe noch nie von einem Schmied gehört, der seine Arbeiten signiert. Und sollte es doch so einen geben, dann wären die Symbole im inneren Reif. Nein, der Besitzer des Ringes wollte die Gravur. Vielleicht hat er sie sogar selber gemacht. Und das bringt mich auf eine Idee. Môrien, fache bitte das Feuer an." Während Môrien zum Kamin ging und mit einem Blasebalg das Feuer schürte, ging Baringol zu einem Tisch an der rückwärtigen Wand. Dort holte er aus einem Schubfach einen leeren weißen Zettel heraus und schrieb darauf etwas nieder, den er daraufhin seinem König übergab. Silver sah, dass der Zwerg die Zeichen auf dem Ring übertragen hatte. "Was habt Ihr vor?", fragte Silver neugierig. "Ich will sehen, ob das Feuer das schaffen kann, was mein Hammer nicht konnte. Das reicht jetzt, Môrien. Das Feuer ist heiß genug." Mit einer Drehung des Handgelenkes warf der Zwerg den Ring ins Feuer. Während er darauf wartete, dass das Schmuckstück genug erhitzt wurde, zog sich Baringol lederne Handschuhe an und nahm von der Wand eine kurze Zange. Mit dem Werkzeug holte er schließlich den kleinen Gegenstand aus der Glut wieder heraus. Danach griff er nach einem Messer an seinem Gürtel und kratzte damit etwas an dem jetzt rotglühenden Ring. Baringol runzelte die Stirn, während er das Schmuckstück mit Hilfe der Zange kurz in einen Eimer mit Wasser tauchte, der neben dem Amboss stand. Daraufhin stieg laut zischend warmer Dampf aus dem Eimer auf. Nachdem der kleine Gegenstand jetzt abgekühlt war, nahm Baringol ihn in die Hand und betrachtete seine Oberfläche erneut. Dann legte er ihn auf den Amboss, schlug abermals leicht mit dem Hammer darauf und nahm ihn wieder in die Hand. "Ich muss zugeben, dass ich wahrlich eine gute Idee hatte", meinte der Zwerg zufrieden zu seinem König. "Denn jetzt kann ich Euch sagen, wer der Schmied war: Korogar Goldzahn." "Wie habt Ihr das herausgefunden?", fragte Silver beeindruckt. "Nun, wie ich vorhin feststellen konnte", meinte Baringol mit stolzgeschwellter Brust, "ist der Zauber auf dem Ring nutzlos, wenn das Schmuckstück stark erhitzt wird. Im abgekühlten Zustand jedoch ist das Gold wieder so verhärtet, dass man keinen Schaden daran anrichten kann. Mit meinem Messer konnte ich einen Teil der Gravur entfernen, weil ich dachte, dass diese Zeichen den Zauber bewirken würden, aber das ist nicht der Fall. Deshalb habe ich Euch auch die Symbole auf den Zettel in Eurer Hand aufgeschrieben. Aber unter der Gravur jedoch fand ich die Identität des Schmiedes. Denn der Ring besteht zum größten Teil aus Eisen. Nur die äußere Schicht ist aus Gold." "Sehr raffiniert", sagte Kid anerkennend. "Aber auch nur für das ungeübte Auge", betonte Baringol hochmütig, der sich nicht in seiner Ehre als Schmied beleidigen lassen wollte. "Für Korogar Goldzahn ist dies seine typische Arbeitsweise. Bei Waffen und Rüstungen ist er stets sorgfältig und benutzt nur das beste und hochwertigste Material, das es gibt. Bei Schmuck und anderen Handwerkszeug ist er aber geradezu nachlässig. Da benutzt er minderwertiges Material. Hier hat er einen Ring aus Eisen angefertigt, und ihn dann mit ein bisschen Gold überzogen, damit der Kunde keinen Verdacht schöpfen kann. Und ich bin fast sicher, dass Korogar die Gravur selbst gemacht hat. Denn so konnte er abschätzen, wie viel Gold er für den Überzug brauchte." "Wo können wir diesen Korogar Goldzahn finden?", wollte Silver wissen. Er war froh darüber, doch noch den Ursprung des Ringes erfahren zu haben. Jetzt konnten sie weiter nachforschen "Er hat seine Werkstatt in Hadesian", antwortete Baringol. "Er steht nämlich in den Diensten Königin Brianna´s. Allerdings beliefert er sie nur mit Rüstungen und Waffen." "Ich danke Euch, Baringol", sagte Silver und reichte dem Zwerg einen Geldbeutel. "Ich möchte mich für Eure Hilfe erkenntlich zeigen, denn Ihr habt mir einen großen Dienst erwiesen." "Ich stehe Euch jederzeit zur Verfügung, mein König", antwortete Baringol ehrerbietig, und verneigte sich vor dem jungen Mann. Danach verabschiedeten sich die Freunde von dem Zwerg und Môrien versprach ihm, ihn öfters zu besuchen. Wie er Syreene zu einem späteren Zeitpunkt erzählte, war Baringol sein Vetter, der von seiner der Verbannung aus dem Klan bisher nichts wusste, da er sich zu der Zeit schon in Castle Shelter niedergelassen hatte. Das eigentliche Castle Shelter war die Burg, die im 24. Jahr des Drachen von Silver´s Urgroßvater Big Hawk erbaut wurde. Der Innenhof wurde geschützt durch eine etwa 44 Fuß hohe Mauer, die eine Breite von fünfeinhalb Ellen hatte. Nach einer gescheiterten Belagerung im 25. Jahr des Feuers auf die Burg, bei der an die hundert Soldaten auf der Mauer fielen, ließ Big Hawk die Zinnen auf der Brustwehr abreißen und setzte neue darauf, die so nah beieinander standen, dass man gerade eben noch Pfeile und Bolzen zwischen ihnen hindurch schießen konnte. Dies ermöglichte den Soldaten ungehindert gegnerische Streitmächte unter Beschuss zu nehmen, ohne befürchten zu müssen selbst von einem Pfeil getroffen zu werden. Allerdings sah sich Big Hawk dadurch vor einem neuen Problem. Da die Zinnen so eng nebeneinander gebaut waren, konnten feindliche Belagerungskräfte nun problemlos an den Mauern hochklettern, ohne dass die Soldaten deren Leitern umstoßen konnten. Also ließ der König rund um die Burg einen Wassergraben ausheben, den man nur über eine Zugbrücke überqueren konnte. Der weitläufige Innenhof wurde im Laufe der Generationen von Hawks oft umgebaut, da mit der Zeit die Macht und der Einfluss der Familie gewachsen waren. Mittlerweile befanden sich auf der rechten Seite des Hofes drei Ställe mit jeweils 24 erstklassigen Streitpferden. Daneben war die Unterkunft des Stallmeisters, die Silver neu erbauen ließ, und jetzt reich an Bequemlichkeit war. Fünf Strohpuppen, die alle farblich die schwächsten Stellen eines geschützten Körpers markierten, ließen auf der linken Seite einen Übungsplatz für die Soldaten erkennen. Ein ganzes Stück entfernt daneben waren zwei Soldatenunterkünfte, eine Waffenkammer sowie ein kleines Haus für die zwei unverheirateten Kommandanten. Ein dritter Kommandant wohnte mit seiner Familie in der Stadt. Eine breite Marmortreppe führte im Norden zu der zweiflügeligen Eichentür der Burg, auf deren beiden Flügeln jeweils ein fliegender Falke abgebildet war, und die sich bei geschlossener Tür gegenseitig ansahen. Hinter dem Eingang lag eine riesige Halle mit einem erhöhten Podest am rückwärtigen Ende, auf der Silver stets Gericht hielt. Er saß dann immer auf dem imposanten Stuhl, den sein Großvater extra aus diesem Anlass hatte anfertigen ließ, da die Rückenlehne einen genau detaillierten Falken zeigte, dessen Flügeln zu beiden Seiten des Stuhles hin ausgebreitet waren. Der Effekt dieses Thrones war sehr beeindruckend und zugleich auch einschüchternd, wenn ein Angeklagter zu dem Podest aufschaute und seinen König mit scheinbar ausgebreiteten Flügeln auf dem Stuhl sitzen sah. Dieser Anblick reichte schon oft aus, dass die Leute auf die Knie fielen und ihre Taten gestanden. Aus diesem Grunde hatte Silver auch den unbequemen Stuhl, dessen Sitzfläche und die zu Klauen geformten Armlehnen nur mit weißem Samt abgepolstert waren, behalten. Zu beiden Seiten am hinteren Ende führten Treppen über einen Balkon zu den Schlaf- und Gästeräumen, und in der Mitte des Raumes stand ein großer Holztisch mit zwölf Stühlen, an dem sich zu den Abendmahlzeiten die Familie und die engsten Vertrauten einfanden. Rechts in der Mitte an der Wand befand sich ein großer offener Kamin, vor dem drei Sessel mit samtroten Bezügen standen. An den hellen kargen Steinwänden hingen lange Gobelins, auf denen verschiedene Jagdszenen mit überwiegend Falken zu sehen waren. Am meisten Stolz jedoch war Silver auf die großen breiten Glasfenster mit Fensterläden, die viel Tageslicht in die Halle einließen. Als sein Vater noch König war, waren in den Wänden nur sehr kleine Fenster eingelassen, wodurch sehr wenig Licht in die Halle kam und den ganzen Tag über Kerzen brennen mussten. Auf der linken Seite in der Wand befanden sich zwei Türen. Die erste, die dem Eingang näher gelegen war, führte zu Silver´s Arbeitszimmer, wo er über Handelsverträge grübelte, Berichte seiner Kundschafter anhörte und sich mit seinen Kommandanten Trainingspläne überlegte. Durch die andere Tür gelangte man in die Küche, in der jeden Tag ein reges Treiben herrschte. Mägde und Küchenjungen putzten, schälten und schnitten Obst und Gemüse, wuschen das Geschirr oder rupften die Federn von Hühnern und Enten. Ältere Frauen saßen an Tischen und nähten und flickten die Kleidung ihrer Herren oder wuschen die Wäsche. Und wenn der Koch mal nicht seine Untergebenen anschrie oder ihnen eine Ohrfeige verpasste, übertraf er sich stets mit fantasievollen und sehr schmackhaften Kreationen. Durch eine weitere Tür auf der rechten Seite gelangte man nach draußen, wo sich ein großes Vogelgehege und die Unterkunft des Falkners befand. Syreene war in einen der oberen Gästeräume einquartiert, wo ihr einige Mägde heißes Wasser in einen Holzzuber gossen. Der helleingerichtete Raum trug eindeutig feminine Züge, wie die junge Frau schon beim Eintreten bemerkt hatte. Eisblaue Brokatvorhänge hingen an den großen Fenstern, die mit weißen Kordeln zu beiden Seiten festgemacht waren. Zwischen den beiden Fenstern war ein kleiner Kamin, vor dem zwei zierliche und doch bequeme Stühle standen, und sich Ghost niedergelassen hatte. Er hatte die Angst der jungen Frauen gespürt und war darauf bedacht, diese nicht noch weiter zu schüren. An der Ostwand befand sich ein mit weißem Baldachin versehenes Bett aus sehr hellem und kunstvoll geschnitztem Holz. Die Matratze war mit Entenfedern gefüllt und so weich, dass man darin versinken konnte. Mehrere fliederfarbene Decken lagen über dem Bett ausgebreitet. Daneben an der Wand stand ein großer Kleiderschrank, in dessen Holz verschiedene Tiere eingeschnitzt waren. Wie auch schon in der Halle, hingen auch hier an den Wänden mehrere Gobelins, doch zeigten diese unterschiedlichen Landschaftsbilder. Der steinerne Fußboden war mit reich von Blütenornamenten bestickten Teppichen bedeckt. Während die Frauen Syreene dabei halfen den tagelangen Dreck von ihrem Körper zu waschen, betrat ein junges Mädchen von 18 Sommern das Zimmer. In ihren Armen hielt sie ein dunkelgrünes Gewand. "Lady Gwaine, die Mutter unseres geschätzten Königs", sprach das Mädchen, "lässt Euch dieses Kleid schicken." Syreene trat aus dem Badezuber heraus, woraufhin die anderen Frauen sofort damit begannen den schlanken Körper mit Leinentüchern abzutrocknen und der jungen Frau in das Gewand halfen. Danach wurde ihr das Haar kunstvoll hochgesteckt, wobei sich nur einige widerspenstige Strähnen nicht bändigen ließen und effektvoll das Gesicht umrahmte. Als die Frauen ihr Werk begutachteten, stießen sie begeisterte Laute aus und schoben Syreene vor einen Wandspiegel. Der jungen Frau stockte der Atem, als sie die Fremde in dem Spiegel betrachtete, und strich verwundert über ihr Haar. Das samtene Kleid schmiegte sich durch die breite Brustschnürung mit einem jadefarbenen Band eng an ihren Oberkörper und betonte dadurch die schlanken Konturen. Die Hände verschwanden in den Ärmeln, die sich an den Ellenbogen glockenförmig weiteten und spitz zuliefen. Der bodenlange Rock fiel in leichten Wellen an ihren Beinen hinab und an der Taille saß ein mit goldenen Ringen gegliederter Y-Gürtel, dessen Zunge bis knapp zu den Knien reichte. An den schmalen Schultern war mit Hilfe von federförmigen Broschen ein leicht rot-braunes Spitzentuch befestigt, der den tiefen eckigen Ausschnitt bedeckte. Die Enden des Tuches fielen kunstvoll am Rücken hinab. Halbhohe Lederstiefel, in demselben dunklen Grün wie auch das Gewand, saßen bequem an den Füßen. Nachdem sich Syreene wieder gefasst und sich bei den Frauen für die Hilfe bedankt hatte, ging sie zusammen mit Ghost zurück in die Halle. Dort hielten sich bereits Silver, Kid und Môrien auf, die an dem großen Tisch saßen. Sie hatten ebenfalls die Zeit genutzt und sich frisch gemacht. Silver trug jetzt eine schwarze wollene Hose und darüber eine weiße Tunika mit einer goldenen Zierborte. Um die Hüften hatte er einen einfachen braunen Gürtel mit einer Silberschnalle gebunden. Anders als sein Bruder hatte sich Kid zu seiner braunfarbigen Lederhose ein weißes Leinenhemd angezogen und darüber eine hellbraune Weste. Môrien jedoch trug wieder seine eigene Kleidung, ein rotbraunes Wollhemd und eine lose fallende Hose. Als Syreene auf den Balkon trat war es Kid, der sie als erster bemerkte. Er war nicht in der Lage seinen Blick von der atemberaubenden Erscheinung abzuwenden und folgte ihren Bewegungen mit den Augen. Syreene war bereits die Hälfte der Stufen herabgestiegen, als er aufstand und ihr entgegen ging. Von der abrupten Bewegung aufmerksam geworden, schauten Silver und Môrien dem jungen Mann hinterher. Vor Überraschung und Fassungslosigkeit über das völlig veränderte Aussehen der jungen Frau blieb Môrien der Mund offen stehen. Silver jedoch zeigte keine Reaktion. Als Kid bei Syreene ankam, bot er ihr seinen Arm und geleitete sie zum Tisch. Bei ihrem Näher kommen erhob sich Silver von seinem Platz. "Meine Mutter lässt sich entschuldigen", sprach der König zu Syreene, während sie sich neben dem Zwerg setzte. "Sie ist sehr müde und hat sich deshalb schon zur Ruhe begeben. Doch sie lässt fragen, ob Euch das Kleid gefällt?" "Ja, danke", antwortete Syreene und strich über den Rock. "Es ist wirklich sehr schön." "Auf unserem nächsten Beutezug wirst du ein Kleid tragen", meinte Môrien und betrachtete noch immer ungläubig die junge Frau neben sich. Doch dann wurde ihm klar, was er gesagt hatte und vor wem, und wurde unter seinem buschigen roten Bart leichenblass. "Die ... die Hirsche, die ... werden von deinem Anblick abgelenkt sein", stotterte der Zwerg hilflos. "Bemüht Euch nicht, Môrien", meinte Silver, der belustigt die Ausflüchte des Zwerges beobachtete. "Mir ist schon lange bewusst, wie Ihr Euer Lebensunterhalt verdient." "Und wie verdienen wir Eurer Meinung nach unseren Lebensunterhalt?", fragte Syreene wachsam und legte die Unterarme auf den Tisch. "Mit Stehlen." Silver stützte beide Ellenbogen auf die Tischplatte und legte seine Fingerspitzen aneinander, während er ungerührt in die aufmerksamen Augen Syreene´s blickte. "Ich habe hin und wieder Berichte erhalten, nach denen ein weißer Höllenwolf in Dörfern Vieh jagte, aber keines von ihnen gerissen hat. Und seltsamer Weise verschwanden zusammen mit dem Wolf auch einige Geldbeutel. So, wie auch in Clio, wie mir gestern ein Jäger erzählte, der in dem Dorf auf dem Jahrmarkt war." "Dies ist eine recht voreilige Beurteilung meiner Person, findet Ihr nicht?", erwiderte die junge Frau, die sich noch nicht zu ihrer Schuld bekennen wollte. "Ghost hat nun mal leider die Angewohnheit seinem Jagdtrieb in unmittelbarer Nähe von Dörfern nachzugehen. Und nur, weil zur selben Zeit Geldbeutel verschwinden, heißt das noch lange nicht, dass wir etwas damit zu tun haben." "Aber die Worte Eures Freundes beweisen doch die Tatsache." Silver war beeindruckt von der Frau, die mit geschickten Worten die Anschuldigung widerlegt hatte. "Tun sie das wirklich?", gab sie zu bedenken und lächelte insgeheim. "Ich habe deutlich das Wort ,Beutezug' vernommen", antwortete der König, während er den Zwerg dabei beobachtete, wie dieser nervös auf seinem Platz hin und her rutschte. "Das ist richtig", gestand sie mit einem Nicken des Kopfes. "Aber das Wort bezieht sich dabei auf die Beute von Wild. Ich weiß, dass man in einigen Eurer Wälder kein Wild erlegen darf, aber Ghost hat sich nicht an Euer Gesetz gehalten. Er ist eben nun mal ein Tier. Deshalb ist Môrien auch so besorgt, weil er meint, dass Ihr uns deswegen bestrafen könntet." Eine ganze Weile herrschte am Tisch eine gespannte Stille, in der sich Silver und Syreene gegenseitig ansahen. Dann zeigte sich ein anerkennendes Lächeln auf Silver´s Gesicht, und er schüttelte ergeben den Kopf. Er wusste, er war besiegt. Tatsächlich hatte er keinen Beweis dafür, dass die junge Frau und der Zwerg auch nur irgendetwas gestohlen hätten. "Verzeiht mir", sagte er schließlich. "Wie Ihr bereits schon sagtet, war ich mit meiner Anschuldigung viel zu voreilig. Ich hoffe, Ihr könnt mir meinen Fehler verzeihen." Syreene neigte anmutig den Kopf zum Zeichen, dass sie die Entschuldigung akzeptierte. Aber jeder am Tisch wusste, dass die Worte des Königs nicht ernst gemeint waren. Er hatte auch nicht die Absicht die Sache weiter zu verfolgen, da er seinen Gästen dankbar dafür war, dass sie ihm eine wichtige Botschaft überbracht hatten. Ihm war bewusst, dass sie sich nicht die Mühe hätten machen müssen. "Nachdem diese Sache wohl nun geklärt wäre", mischte sich Kid in die Unterhaltung ein, "verrate mir doch bitte, was du wegen des Briefes unternehmen willst." "Ich habe eine Nachricht für Brianna aufgesetzt", erklärte der König, "und Morrigân damit nach Hadesian geschickt. Sie sollte in zwei Tagen dort ankommen." "Wer ist Morrigân", fragte Môrien neugierig. Er war erleichtert, dass die Sache so glimpflich ausgegangen war. Der König von Demetris war dafür bekannt Gesetzesbrecher hart zu bestrafen. "Morrigân ist mein bester und schnellster Falke", antwortete Silver stolz. "Jedenfalls habe ich Brianna von den Schwierigkeiten mitgeteilt, die es beim Zustellen ihrer Botschaft gegeben hat. Auch habe ich noch eine Abschrift der Symbole von dem Ring mit beigefügt. Sie soll diesen Korogar Goldzahn danach befragen. Außerdem bist du, mein lieber Bruder, weiterhin von deinem Dienst in Aphros beurlaubt. Es kann sein, dass ich dich hier noch brauchen werde." "Da fällt mir", fing Kid plötzlich an. "Meister Môrien, Syreene erzählte uns, dass Ihr und Taró bei dem Boten nach Spuren suchen wolltet." "Ja, das ist richtig", bestätigte der Zwerg. "Aber wir haben den Mann nicht gefunden. Als wir zur Straße kamen, sind wir den Weg zum Dorf runter gelaufen. Das einzige, was wir unterwegs fanden, waren Spuren einer Reitergruppe von schätzungsweise sechs bis zehn Leuten." "Meint Ihr, dass es diese seltsamen Männer waren, denen der Ring gehört hatte?", fragte Silver gespannt. "Das ist schwer zu sagen. Diese Reiter hätten auch auf den Weg zum Jahrmarkt sein können." "Das ist eher unwahrscheinlich", warf Syreene mit fester Stimme ein. "Clio ist nur ein kleines Dorf, und an dem Jahrmarkt war auch nichts Besonderes. Warum sollte so eine große Gruppe also dorthin reiten? Nein, ich denke, es handelte sich bei ihnen um die Leute, die den Boten verfolgt hatten." Plötzlich öffnete sich der rechte Flügel der Eingangstür und ein blonder hochgewachsener Mann mittleren Alters trat ein. Er trug die gewöhnliche Rüstung der demetrischen Soldaten, doch ein silberfarbener Umhang, der an den Schultern unter den Platten befestigt war, wies auf seinen Status als Kommandanten hin. Es war Gorwin, ein erfahrener Krieger und Stratege, der schon zu der Zeit Red Hawks erster Kommandant wurde. Mit energischen Schritten trat der Mann an das Fußende des Tisches und verbeugte sich leicht vor den Anwesenden. "Man berichtete mir, dass Ihr schon recht früh von Eurem Ausflug zurückgekehrt seid", begann er mit tiefer Stimme. "Ich hoffe, es ist nichts passiert?" Silver stellte seinen Gästen den Kommandanten vor und erzählte ihm anschließend in kurzen Sätzen, was geschehen war. "So eine seltsam verhüllte Person habe ich heute in der Stadt gesehen", sagte Gorwin, nachdem Silver von dem Ring und dessen Träger berichtet hatte. "Diese stand vor ,Jack´s Piratenhöhle' mit zwei Pferden." "Wahrscheinlich vermuten sie schon, dass die Nachricht angekommen ist", meinte Kid nachdenklich. "Gorwin, versuch diese Person ausfindig zu machen", ordnete Silver an. "Geh davon aus, dass sie zu zweit sind. Und frag Jack, was sie wollten." "Ist das klug?", lenkte Syreene seine Aufmerksamkeit auf sich. Fragend schaute der König sie an. "Natürlich, Syreene", antwortete Kid enthusiastisch. "Wenn wir sie haben, können wir herausfinden, was sie wollen und für wen sie arbeiten." "Aber wir liegen ihnen gegenüber im Vorteil", gab die junge Frau zu bedenken. "Bis jetzt können sie nur Vermutungen darüber anstellen, ob die Nachricht angekommen ist oder nicht. Und außerdem wissen wir von ihnen. Aber wenn jetzt die Soldaten in der Stadt ausschwärmen und nach ihnen suchen, wären sie gewarnt." "Wir müssen aber herausfinden, wer sie sind", meinte Gorwin bestimmt. "Habt Ihr eine Idee, wie wir stattdessen vorgehen sollen?" Silver war von der Voraussicht der jungen Frau beeindruckt. Wieder einmal sah er sich in seiner Meinung bestätigt, dass Syreene sich von den anderen Frauen unterschied. "Verhaltet Euch ruhig und benehmt Euch so wie immer", riet sie ihm. "Verratet niemanden von den Problemen in Forest Green. Lasst diese geheimnisvollen Männer ruhig in dem Glauben Ihr hättet das Schreiben von Königin Brianna nie erhalten. Währenddessen werden Môrien und ich uns unauffällig in der Stadt umhören." "Das dürfte schwer werden", grinste Kid Syreene an. "Ein Höllenwolf in einer Stadt sorgt schon für Aufmerksamkeit. Aber ein zahmer Weißer in Begleitung einer schönen Frau ist schon eine Sensation. Unauffällig werdet Ihr Euch nicht in der Stadt bewegen können, Syreene. Aber ich hätte da auch schon eine Idee." "Dann erkläre sie uns", sagte Silver ungeduldig, während sein Bruder sich Zeit ließ und die Spannung erhöhte. "Wir geben der lieben Syreene eine Tarnung", erklärte er dann schließlich. "Wir sagen einfach, dass sie die Tochter einer Freundin von unserer Mutter sei." "Aber das erhöht die Aufmerksamkeit meiner Person nur noch mehr", bedachte Syreene. "Das ist richtig", meinte der junge Mann ungerührt. "Aber niemand würde Verdacht schöpfen, wenn ich Euch die Stadt zeige." "Für mich hört sich die Idee ganz gut an", brummte Môrien und nickte bekräftigend. Silver indessen sah seinen Bruder mit scharfen Augen an und ließ seinen Blick dann zu Syreene wandern, um ihre Reaktion auf den Vorschlag zu sehen. Doch die junge Frau schaute nur mit leicht schräggelegtem Kopf nachdenklich vor sich hin. "Und Ihr meint, es würde funktionieren?", fragte sie Kid nach einer Weile. "Aber sicher. Die Bewohner werden nur eine junge, hübsche Frau an meiner Seite sehen, die ich durch Castle Shelter führe. Und wenn wir bei bestimmten Leuten die richtigen Worte fallen lassen, werden wir sicher auch etwas über die Fremden erfahren, ohne dass jemand misstrauisch wird und sich Fragen stellt." "Diese Aufgabe könnten auch meine Soldaten durchführen", bedachte Gorwin leicht beleidigt. Er fühlte sich in seiner Ehre verletzt, denn schließlich war er kein Frischling mehr und wusste, wie man solche Operationen durchführte. "Nein, Gorwin", widersprach Silver ernst. "Mein Bruder hat Recht. Die Leute reden gerne. Und wenn deine Männer anfangen Fragen zu stellen - bestimmte Fragen -, dann weiß es nach einem Tag die ganze Stadt. So lange ich nicht weiß, was diese Leute hier wollen, will ich nicht, dass sie wegen irgendeiner Unvorsichtigkeit unsererseits gewarnt werden." Nach diesen Worten wünschte Gorwin den Anwesenden eine gute Nacht, wobei er es vermied seine Missbilligung nicht zu zeigen, und machte sich auf den Weg zu seiner Familie. Auch die Freunde begaben sich dann nach kurzer Zeit zu ihrer wohlverdienten Nachtruhe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)