Des Feuervogels Glut I von Lilienkind ================================================================================ Kapitel 10: Konflikte --------------------- New Seaside-Dome Tokio (Japan), Mitte November Seit dem letzten Kampf der Phoenix waren inzwischen fünf Tage vergangen. Neben ihnen hatten in Block B sowohl die PPB Allstarz aus Amerika als auch die BEGA, jene sich erfolgreich gegen die ehemalige Bartez Batallion durchgesetzt hatten, die Vorrunde abgeschlossen und das Viertelfinale erreicht. Letzteres Team nahm unter einem neuen Namen teil, da ihr Trainer aus dem Verkehr gezogen worden war. Doch da sie nun ausschieden, war auch das nicht länger relevant. Ebenfalls waren in der zweiten Runde in Block A die White Tiger X sowie die Bladebreakers ins Halbfinale aufgestiegen, langsam wurde es Ernst. Der Einzug in Dieses stellte für die Phoenix ebenfalls kein nennenswertes Hindernis da und so saßen sie kühl und gelassen wie immer auf der Bank abseits der großen Arena, wartend auf die Eröffnung des heutigen Matches. Nur Brian quälte mal wieder die Langeweile. „…dass die sich immer so viel Zeit lassen…ich will heut´ noch ´ne Arena schrotten...“, knurrte er hinter geschlossenen Zähnen, doch Mina untersagte ihm sogleich die Teilnahme. „Bevor du noch disqualifiziert wirst“, meinte die Sechzehnjährige bestimmend, „lässt du den heutigen Kampf weg. Alex oder ich übernehmen…“ „die erste Runde. Den zweiten Kampf bestreite ich.“, unterbrach sie Kai ungefragt, „Ein dritter Kampf wird nicht nötig sein.“ Damit hatte er gleichzeitig das Gespräch beendet. Unauffällig starrte ihn die Transsylvanierin aus den Augenwinkeln an. Wieso war er plötzlich so gut in Form, saß aufrecht, vor Energie strotzend, starrte kalt, undurchdringlich wie immer und dennoch voller Tatendrang auf das Bey-Stadium. Die junge Frau war durch seine abrupte Veränderung zusehends irritiert, zwar nicht gravierend abgelenkt, doch sie spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Medikamentöse Einwirkung war auszuschließen, da „Wunderpillen“ aller Art bei ihm nur das Gegenteil hervorriefen. Möglicherweise war sein Bewusstsein, sein Charakter zu stark, zu rein um von etwas Derartigem beeinflusst zu werden… Doch es ging ihm erstmals seit Monaten bestens. Seine von einer Narbe und der blauen Kriegsbemalung gezierten Wangen wiesen endlich wieder etwas mehr Farbe auf, sie wirkten nicht mehr so ausgezehrt und kränklich wie sonst. Dennoch war er unübersehbar abgemagert. Und langsam aber sicher hatte sich die Sechzehnjährige immer öfter zu fragen begonnen, was um alles in der Welt dem junge Russen so sehr zu schaffen gemacht hatte. Irgendetwas musste während seinem Aufenthalt in Sibirien vorgefallen sein. Oder war es Talas Tod, der ihn so mitnahm? Nein, völlig ausgeschlossen. Insgeheim hatte der Sechzehnjährige (, der übrigens noch etwas jünger war als sie selbst,) den rothaarigen Russen nie besonders leiden können – und außerdem pflegte Kai schon seit langer Zeit, keine Bindungen mehr an Menschen einzugehen. Irgendwie kam ihr das bekannt vor. Ja, das hatten sie beide gemeinsam, eine grausame Vergangenheit und tiefen Hass auf die Menschen…aber mehr auch nicht. In der Zeit, als Kai sich die Nähe zu anderen Kindern so sehnlichst gewünscht hatte, hätte sie liebend gerne darauf verzichtet. Und zudem hatte jeder der Phoenix nicht gerade das Paradies hinter sich. So außergewöhnlich war das in diesen Kreisen also nicht. …in seinem Tagebuch hatte Mina nichts über die Zeit in Sibirien finden können, scheinbar wollte er diese Angelegenheit einfach vergessen. Wenn es so war, funktionierte dies jedoch nicht besonders gut. Natürlich hatte die Blauhaarige auch schon in Erwägung gezogen, er nehme Drogen. Doch seine bleichen, fein definierten Arme wiesen keine Anzeichen auf ein Fixerbesteck auf und außerdem passte so etwas irgendwie nicht zu dem jungen Halbrussen. Und…eigentlich konnten ihr die Gründe für seine Depressionen auch egal sein. Sie sollte ihre Zeit eher Alex widmen. Der Amerikaner kam mit Allem so wunderbar aus. Er war stets ruhig, ausgeglichen und führte einen gepflegten, höflichen Umgang. Er war ein richtiger Gentleman, behandelte sie respektvoll und ihrem Status angemessen. Sie war eine stolze Elite-Bladerin, jene sich von ganz unten hatte hocharbeiten müssen. Und genau das, neben vielem Anderem, schätzte der Blondhaarige an ihr. Doch wie um alles in der Welt konnte er mit seiner Vergangenheit umgehen, wie hatte er das alles verdaut? Er war als Kleinkind von seiner Familie weggerissen und dann für alle möglichen Experimente ausgenutzt worden. Auch er hatte die Menschen als überaus inhumane Geschöpfe wahrgenommen. Doch zumindest ihr gegenüber war er vergleichsweise freundlich und aufgeschlossen. Vielleicht sah er die Transsylvanierin als seinesgleichen an. Auch Sie lebte zwar getrennt von ihrer Familie, aber freiwillig. Sie war von ihr verraten, eiskalt hintergangen worden. Wie konnte er, ausgerechnet er, wo er so viel liebe von der seinigen erfahren zu haben schien, ihr Schicksal nachvollziehen? Denn er tat es, ließ es sie jeden Tag spüren, spendete ihr auf eine gewisse Weise Tost in ihrer Einsamkeit. Denn seit sie ihn kannte, war sie nicht mehr ganz so abgesondert. Der Siebzehnjährige bemerkte ihre gedankenverlorenen Blicke und erwiderte sie kurz mit einem sanftmütigen Lächeln. Seine strahlendendblauen Augen schimmerten im Licht der Scheinwerfer-Batterien. Unter seinem schwarzen, traditionellen Gewand und der silbrig glänzenden Samurai-Rüstung verbarg sich ein eleganter und dennoch kräftiger Körper. Komischerweise war er noch Junggeselle, obwohl er so attraktiv, so intelligent, so…begehrenswert war. Die weiblichen Fans lagen ihm zu Füßen, kreischten ihm alle möglichen und unmöglichen Liebesschwüre nach. Aber er ignorierte diese primitiven Geschöpfe. Trotzdem musste sich doch aber etwas in seinem Geschmack finden lassen. Er hatte keinerlei optische und charakterliche Mängel, die Frauen liefen ihm nach. Er hatte die freie Auswahl, im Gegensatz zu ihr selbst, der jungen Frau, die von der Männerwelt überhaupt nicht als solche wahrgenommen wurde. Man verachtete sie für ihre Andersartigkeit, dafür, dass sie so viel stärker war als die Menschen. Aber dafür hatte sie wenigstens ihre Ruhe. Fast jedenfalls, denn sie spürte plötzlich die raue Handfläche des Philippiners auf ihrem nachten Oberschenkel. „Du musst in der Arena ein bisschen Show machen. Die Bladebreakers sehen heute zu und ich kann die Panikmache nicht entbehren.“, raunte er ihr ins Ohr und deutete auf die VIP Tribüne. Dort kebbelten Daichi und Tyson um einen Sitzplatz. Na ja, nicht einen Sitzplatz, um DEN Sitzplatz, um genau den Sitzplatz, der der Treppe zum Snack-Shop am nächsten gelegen war. Am anderen Ende der Reihe wäre eigentlich noch einer frei, soweit Mina es erkennen konnte, und die beiden Raufbolde waren drauf und dran, die restlichen Bladebreakers in ihre „gepflegte Konversation“ einzubinden… Der Rothaarige fummelte gewagt, schob seine Finge unter den seitlich aufgeschlitzten Mini, der seine Meinung nach trotz Allem zu viel verdeckte. Die Blauhaarige warf ihm einen todbringenden Giftblick zu und schnippte seine (ihrem Urteil nach) „unförmigen Griffeln“ von sich runter. „Jetzt geht das wieder los“, dachte Alex, jener dieses Schauspiel im Übrigen bereits zum zehntausendsten Mal beobachtete. „Aber sei doch nicht so, Honey…“, säuselte er angeregt und schob das Kleidungsstück ruckartig in Richtung Gürtel, sodass (nicht nur) er einen Blick auf ihre Dessous werfen konnte. „Du widerst mich an!“, knurrte die junge Phoenix, machte eine schnelle Bewegung und entlockte dem Lüstling einen entsetzten Schmerzensschrei. Mit einer Hand richtete sich Mina ihren Rock, mit der anderen hatte er Brians Mittelhand an einem scheinbar unglaublich schmerzhaften Punkt erwischt. Das Muskelpaket kniete jammernd vor ihr und wand sich um Erlösung bettelnd. Nur zu gerne hätte ihm die herrschende Kühle ihren Dolch durch dieses und noch diverse andere Körperteile gejagt, doch sie hielt sich zurück. Hier und jetzt ein Blutbad zu veranstalten war strategisch ungünstig, da er (im wahrsten Sinne des Wortes) kampfunfähig und sie wahrscheinlich disqualifiziert worden wäre. Doch diesmal war der Achtzehnjährige wirklich zu weit gegangen. „Hör endlich auf, sonst tun dir noch ganz andere Stellen weh…und DIE zeigen dein kleines Tänzchen auf der Videoleinwand“, machte sie ihm dieses klar und ließ ihn los. Grämlich nahm der Rothaarige wieder Platz auf der Bank, natürlich mit einem übertriebenen Sicherheitsabstand zu der jungen Dame, die missgestimmt auf den Dolch in ihrer Stiefeltasche deutete. Seine Handknochen massierend fragte sich Brian, wie dieses geile Gerät so verdammt schmerzhaft sein konnte. Sie musste doch sehen, dass er an ihr interessiert war. Sie war klug, süß und gefährlich, alles was eine Frau nur haben konnte, um ihm zu gefallen, um von ihm begehrt zu werden. Und dennoch wollte ausgerechnet sie von ihm, dem großen, breiten, durchtrainierten und überdurchschnittlich gutaussehenden Brian McGuinness nichts wissen! Beim besten Willen, er konnte die Welt der Frauen einfach nicht verstehen. „Reiß dich mal zusammen Brian“, flüsterte ihm Alex zu, „du siehst doch, dass sie das nicht will.“ Doch als unhöfliche Antwort bekam er nur ein flapsiges „Was weißt du schon, Klugscheißer?“ zurück. „Scheinbar mehr als du, Arschgesicht.“, geiferte Mina streng. Da war Brian plötzlich still. „Klappe, solln´ doch nicht alle mitbekommen, dass ihr euch nicht in der Gewalt habt…“, mischte sich nun Kai in das Gespräch. „Ihr? Hab ich das richtig verstanden?“, harkte Alex nach, der seine Aussage als ungerecht und schlichtweg unhöflich einstufte. „Ja, Mina stiftet Brian doch permanent, merkt das hier keiner? Die brennt doch nur so darauf, von ihm ge…“ „Jetzt gehst du zu weit!“, schrie Alex der sichtlich Mühe hatte, nicht handgreiflich zu werden. „Wow, sag jetzt nicht du stehst auch noch auf DIE da“, der junge Russe machte eine verächtliche Kopfbewegung in Minas Richtung. Sogleich riss ihn jemand an der Schulter herum und ihn traf ein schmerzhafter Schlag ins Gesicht. Er taumelte benommen zurück, verlor das Gleichgewicht und landete auf seinem Hosenboden. „Pass auf!“, fauchte ihn die herrschende Kühle an, schritt zu ihm und stellte einen Fuß auf seine Brust, um ihn auf dem Boden zu halten. „Zieh noch ein einziges Mal über einen von uns her und ich ´geb dir ne neue Definition zum Wort „Schmerz“!“, keifte sie, ihre weit aufgerissenen Augen glühten in einem gefahrvollen Rot, ihre Pupillen hatten sich zu schmalen Schlitzen verengt und ihre Eckzähne wirkten ungewöhnlich lang. Ihre sonst gefühlskalte Erscheinung hatte sich binnen Sekunden zu einer diabolischen Szenerie gewandelt, jene den Russen zurückweichen ließ. Nach einer Weile legte sich eine Hand auf ihren Trapezmuskel, „beruhig dich bitte wieder, der ist das doch gar nicht wert…“, vernahm sie Alex´ beruhigende Stimme und ließ von dem am Boden Liegenden ab. Adrett setzte sie sich zurück auf die Bank, schlug elegant die Beine übereinander und ordnete sich ihr leicht zerzaustes Haar mit Hilfe eines blitzschnell gezückten Klappspiegels. Auch Alex und Brian nahmen bei ihr Platz, würdigten den Sechzehnjährigen keines einzigen Blickes. Insbesondere der Amerikaner befürwortete Minas Verhalten, zumal es ihn doch sehr erschreckt hatte. Kai, dieses Schandmaul…er war einfach zu weit gegangen. Sein eigenes Team so zu behandeln, wo es ihm gegenüber stets loyal gewesen war. Und gerade Mina, die es sicherlich nicht zugeben würde aber, so vermutete er, ihren Hals für jeden von ihnen riskieren würde, sogar für Kai… Jener richtete sich nun doch etwas desorientiert auf und wischte sich mit der Faust etwas Rotes vom Kinn. Seine Lippe war unter dem (zu seinem Verblüffen doch sehr kraftvollen) Schlag aufgeplatzt und blutete. Für einen winzigen Moment, so musste er sich eingestehen, hatte ihn das Erscheinungsbild der Blauhaarigen erschreckt. Wer immer sie war, sie schien eine schier unvorstellbare Energie in sich zu verbergen… Hatte er in ihrem Mundwinkel nicht überlange Eckzähne gesehen? Außerdem war sie in Transsylvanien geboren, hatte blasse Haut, dunkle Haare, war außergewöhnlich stark…Nein, das war ganz und gar lächerlich! Ein Vampir…so etwas gab es nicht. Und schon gar nicht in Japan. Das war gänzlich absurd! Herablassend lächelnd sah er hinüber zu Mina, die plötzlich sein Starren erwiderte und ihre Opale abermals in bedrohlichem Blutrot aufblitzen ließ. Es war, als könne er ihre Stimme unter seiner Schädeldecke hören, ein diabolisches Fauchen, die letzte Warnung vor einem erneuten Fehltritt… Verunsichert wich der Silberhaarige zurück. Dann breitete sich ein hämisches Grinsen über sein Antlitz aus. Die junge Frau hatte nichts anderes als nette kleine Psycho-Ticks auf Lager. Sie versuchte ihn einzuschüchtern, doch diese Masche zog bei ihm nicht. Sollte sie es ruhig versuchen, bringen würde es ihr definitiv nicht viel. Und außerdem…sich ihrer störenden Persönlichkeit zu entledigen, dürfte ein Kinderspiel werden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)