Des Feuervogels Glut I von Lilienkind ================================================================================ Kapitel 17: Projekt Feuervogel - von Träumen und Ahnungen --------------------------------------------------------- Tokio, Ende November "November" Das war alles, was Kai in diesem Tag denken konnte. Ansonsten fand er in seinem Kopf nur Chaos vor. Viele Bilder und Geräusche ohne irgendeinen Zusammenhang. Es war ein matschig grauer Novembernachmittag. Kalt, nebelig und regnerisch. Aber irgendwie genau das Richtige. Gestern hatte er Mina durch Jonathan ersetzt. Es würde nun deutlich ruhiger unter den Phoenix werden. Auch wenn er sich Jonathan spätestens nach dem Finale wieder entledigen würde. Natürlich waren Alex und Brian aufs Übelste wütend auf ihn, aber das würde sich bestimmt bald wieder legen. Und das Wichigste war: Mina war weg. Spurlos verschwunden. Das war viel leichter zu erreichen als er es sich vorgestellt hatte. Fast schon merkwürdig... Kai rührte den Tee um, der inzwischen kalt geworden war. Draußen fuhren Autos am Café vorbei. Die Dämmerung setzte bereits ein, obwohl es erst 5 Uhr nachmittags war. Hatte er das Richtige getan? Hatte er sie falsch eingeschätzt? Halt, bekam er da etwa ein schlechtes Gewissen? Das war sie doch gar nicht wert...Und er hatte ihr sogar noch einen Gefallen getan. Im Idealfall gab sie nach diesem Misserfolg das Beybladen auf. Und es war besser so. Insbesondere für sie. Denn Black Dranzer war zu gefährlich. Auch wenn er sich deutlich von dem Black Dranzer unterschied, den er damals besessen hatte...nicht nur optisch. Er würde früher oder später Besitz von ihr ergreifen und sie zermürben. Es war besser für sie und für ihre Umgebung, wenn sie ihn einfach vernichtete oder versteckte. Insgeheim hoffte Kai, es würde sich genau so ereignen, wie er es geplant hatte. Und noch eins, er wollte ihr niemals wieder begegnen. Auch wenn er ihr keine Rächenschaft schuldig war, irgendein merkwürdiges Gefühl war da schon. Womöglich würde ein weiteres Zusammentreffen mit ihr dies noch verstärken. Der junge Mann zahlte die Rechnung und ging, ohne einen Schluck getrunken zu haben. Draußen richtete er den Blick zum Himmel, obwohl ihm der Regen ins Gesicht peitschte. "Schatten", dachte er. Er erinnerte sich an die unbeholfenen Versuche, irgendwie mit ihrer Gegenwart zurecht zu kommen. So sehr hatte er sich geschämt, dass er sich fast schon gewünscht hatte, ihr nie begegnet zu sein. Doch nun fehlte sie ihm. Irgendetwas hatte sie in ihm ausgelöst. Seine Erinnerungen kamen viel seltener zu ihm zurück. Auch wenn ein solches Durcheinaner von Eindrücken in seinem Kopf herrschte, konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Und er war dankbar, endlich mal an nichts denken zu müssen. Es war fast schon wie Urlaub. Aber nur fast, denn seine Schlafstörungen waren nicht verschwunden. "Pech. Man kann eben nicht alles haben...", dachte er und erblickte in der Ferne schon das Wohnhaus, in dem er sich ein Appartement gemietet hatte. Der Moment erinnerte ihn an einen Placebo-Songtext. "...the whole that we call our home" Tokio (Japan), Anfang November "Brian? Wo steckst du?" Alex wollte seinen Kollegen eigentlich in der Werkstatt besuchen. Er hatte extra für ihn eine fetttriefige Pizza - Brians Lieblingsessen - mitgebracht. Es war 20 Minuten nach Dienstschluss. Ob der Phillippine einfach gegangen war? "Brian?", rief der Amerikaner erneut und schritt in die große Halle. Dort entdeckte er den 18jährigen auf dem Boden sitzend und Werkzeuge sortierend. Er wirkte geistesabwesend, was überhaupt nicht zu ihm passte. Erst als Alex näher kam, entdeckte er den vermutlichen Grund für Brians Laune. Minas Motorrad stand in der Ecke. Es war erst vor kurzer Zeit ihr Geburtstagsgeschenk gewesen. Was hatte es also hier zu suchen? "Ich war heute in der Mittagspause bei Mina zuhause...",murmelte Brian, ohne vom Boden aufzublicken. Der Blonde schritt auf ihn zu, setzte sich und stellte den Karton neben sich auf den Boden. "Du warst in Dois Schmiede?", fragte er nach. "Ja. Ich hab mir Sorgen um sie gemacht, aber als ich nach ihr gefragt habe..." "Was? Was ist denn passiert und warum steht ihr Motorrad wieder hier?", harkte der Bronde nach. "Sie ist...g", nuschelte der Rothaarige "Sie ist was?" "Weg. Niemand weiß, wo sie hin ist. Aber sie hat Doi gebeten, mir ihr Motorrad zu übergeben. Ich soll für eine Weile drauf aufpassen..." Der Amerikaner zögerte einen Moment, dann entgegnete er: "Aber das ist doch gut. Das bedeutet, sie kommt bald wieder und holt es sich zurück!" "Meinst du? Ich weiß nicht so recht. Würde es dir gefallen, wenn man dich auf die Weise aus dem Team wirft, wie Kai es getan hat?", antwortete Brian entmutigt. "Stimmt. Ich wäre wahrscheinlich sehr enttäuscht von Kai, ...obwohl er eigentlich ständig für Enttäuschungen sorgt..." Der Amerikaner schwieg einen Monent. Er hätte nicht gedacht, dass der sonst so lüsterne Brian eine so sensible Seite hatte. Und das obwohl sie sich zusehens besser verstanden und viel Zeit mit einander verbrachten. "Ich hab dir deine Lieblingspizza mitgebracht. Und sag nicht, du hast keinen Hunger...ich hab extra nen Umweg gemacht." Der Phillippine tat zuerst unbeeindruckt, doch dann stieg ihm der köstliche Duft von Käse und Pepperoni in die Nase. Er wurde schwach. Beherzt schob Alex ihm den Karton rüber und er machte sich über sein Leibgericht her. Als Brian das erste Stück aufgegessen hatte, nutzte der Blondhaarige die Gelegenheit, um etwas anderes anzusprechen: "Brian, ich muss dir noch was wichtiges erzählen...aber bitte lach mich nicht aus. Ich meine es toternst." Dem Phillippinen blieb die Pizza im Hals stecken. Er würgte und schaffte es irgendwie, den Störenfried kurz vor einem vermutlichen Erstickungstod doch noch herunterzuschlucken. der Phillippine hatte sich gerade alle möglichen und unmöglichen Horrorszenarien ausgemalt, die ihm sein Kollege gleich beichten würde. Entweder war Mina bei ihm eingezogen, oder Alex war schwul und stand auf ihn. Er wusste nicht, was davon das Schlimmere wäre. "Hey, was soll das?", beschwerte sich der Alex, "du machst dich lustig über mich..." "Erzähl halt...", meinte der Essende nur. "Okay, aber das ist kein Spaß..." Der Amerikaner machte eine Pause. Es fiel ihm sichtlich schwer. "Ich habe seit einiger Zeit merkwürdige Alpträume..." Brian fiel ein ganzer Felsbrocken vom Herzen. Trotzdem versuchte er, Alex ernst zu nehmen. Das Thema schien ihm überraschend wichtig. "Erinnerst du dich, als wir in Voltaires Labor eingebrochen waren? Hast du damals die geborstenen Glastanks in dem abgesperrten Areal gesehen?" Der Philippine nickte. "Als ich sie gesehen habe, hatte ich so eine Art...Film vor meinem geistigen Auge, und zwar weil ich diesen Raum Nachts in meinem Alpträumen sehe. Immer und immer wieder. Ich weiß nicht, warum, aber es beunruhigt mich." Gebannt blickte der Rotschopf ihn an. Der Amerikaner fuhr fort. "Hast du dich schon mal gefragt, wie es kommt, dass du, Kai, Mina und ich alle einen Phoenix als Bitbeast haben? Wie kann das sein? Es gibt nur einen Phönix und das ist Dranzer." "Das ist in der Tat merkwüdig...Ich glaube, Black Dranzer wurde in einem Labor von Voltaire künstlich erschaffen. Aber bei unseren beiden weiß ich nicht, woher die kommen...", teilte Brian seine Gedanken mit. Er entnahm seinem Rucksack den Beyblade, auf dessen Bitchip ein Bild des Destroyer Dranzers zu sehen war. "Nun, wenn es möglich ist, ein Abbild Dranzers zu erschaffen, wieso sollte man dann nicht auch mehrere herstellen können?", fuhr Alex fort. "Weißt du, was du da sagst?!", rief ihm sein Freund entgegen, "und auf solche Ideen bringen dich Alpträume und merkwürdige Gedankenfilmchen? Und außerdem: Wie soll Voltaire bitte an Dranzers DNS gekommen sein? Kai hat damals sein Labor zerstört." "Puh!, jetzt wird es kompliziert", setzte der Amerikaner erneut zu einem Erklärungsversuch seiner Theorien an, "Ich weiß es nicht sicher, aber ich könnte mir vorstellen, dass Kai dem Labor Dranzers Erbgut zur Verfügung gestellt hat. Niemand wusste, dass Voltaire noch am Leben war. Vielleicht wurde Kai hereingelegt." "Und wieso sollte der Typ das tun? Ich meine, Dranzers Erbgut so einfach dem Labor zu überlassen..." "Hast du dich mal gefragt, wie Kai es finanziert hat, das Phoenix-Castel auszubauen? Er hat zwar ein Vermögen geerbt aber wer würde trotzdem so eine große Summe für eine Renouvierung hinzublättern?", spekulierte Alex, "In meinem Traum habe ich gesehen, wie sich Lebewesen in den Glastanks im Labor befunden haben. Auf den Computerbildschirmen stand "Bitbeast außer Kontrolle". Ich bin mir ganz sicher. Dann sind die Tanks aufgebrochen. Und diese Bilder kamen immer wieder in meinen Alpträumen vor. Nacht für nacht." "Willst du behaupten, unsere Bitbeasts stammen aus diesem Labor?", fragte Brian geschockt. Doch er wusste die Antwort bereits. Zögerlich richtete er seinen Blick auf den Blade in seiner Hand. Doch ihm wurde klar, selbst wenn es stimmte, würde das nichts ändern. Destroyer Dranzer war sein Weggefährte, auch wenn es sich um ein künstlich geschaffenes Bitbeast handelte. "Du glaubst mir den ganzen Schrott auch noch?", wunderte sich Alex. "Was denn sonst? Es klingt zwar ganz schön gruselig aber irgendwie leuchtet mir das ein...also wirds wohl stimmen.", grinste sein Gegenüber und nahm sich noch ein Stück Pizza. Mit einer Mischung aus Verwirrung und sanftem Lächeln blickte ihn der Amerikaner an. Das hatte er nicht erwartet. Aber es schien wirklich so, dass Brian ihn ernst nahm. Auch mit dem, was es für ihre beiden Bitbeasts bedeuten würde, ging der 18jährige relativ gut um. Vielleicht sollte er es einfach damit gut sein lassen. Sie beide hatten auch so schon genug Sorgen. Diese zusätzliche Panikmache war momentan unwichtig. Er beschloss, den Tag einfach Tag sein zu lassen und nicht weiter zu Grübeln. Genüsslich biss er in ein Stück der fettigen Pizza, die ihm - entgegen all seiner Abneigung gegen Fastfood - plötzlich außerordentlich schmackhaft vorkam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)