It's your love story von abgemeldet (~The Suicide Book~) ================================================================================ Kapitel 7: 07 ~ Ungeplant ------------------------- author's note: der Titel ist blöd, aber mir ist auf die Schnelle jetzt nichts anderes eingefallen (obwohl er schon passt aber irgendwie nach nichts klingt... ich mag Titel, die toll klingen, nach solchen suche ich auch Bücher im Laden aus)... aus meiner Idee für ein Kapitel werden grad drei... auwaia, wie lang soll das hier noch werden...? es passieren ständig Dinge, die ich nicht mit eingeplant habe... wie Emiru's Auftritt in diesem Kapitel... anyway... proceeding to: nana ~ 07 Ungeplant Das Telefon klingelte erneut als Kamijo nach dem Essen gerade wieder ans Klavier zurückkehren wollte. Er stellte die Tasse mit dem frischgebrühten Tee auf den Wohnzimmertisch und langte nach dem Hörer. „Hallo...?“, meldete er sich und wurde im nächsten Augenblick auch schon von Emiru zugequatscht, welcher es scheinbar nicht einmal für nötig hielt, sich mit seinem Namen zu melden. „Kamijo, warum bist du nicht an dein Handy gegangen und hast mich heute nicht zurückgerufen, ich wollte dich doch so was wichtiges fragen und zwar wollte ich mit dir heute Nachmittag ins Tierheim fahren, um eine Katze zu kaufen, die für mich gemacht ist aber irgendwie habe ich jetzt verschlafen aber na ja, es ist ja noch nicht so spät und deshalb dachte ich, wir könnten das vielleicht doch noch machen und ich bin ganz aufgeregt und wenn du jetzt nicht abgenommen hättest, hätte ich Kazumi gefragt aber der ist ja bei seiner Freundin und hach, ich bin so froh, dass du dran bist und ich will unbedingt ins Tierheim und deshalb musst ganz schnell herkommen und mich abholen, damit wir...“ An dieser Stelle wurde es Kamijo zu viel und er unterbrach Emiru‘s Geplapper energisch. „Emiru, das ist jetzt wirklich ungünstig... Ich texte grad und Ayako müsste auch bald wieder hier sein...“ Emiru schmollte. „Och, Kamijo...“, meckerte er. „Das würde doch gar nicht lange dauern, du kannst doch schnell mit dem Auto vorbeikommen... Außerdem hast du mir versprochen, das zu machen...“ Kamijo saß in der Falle, denn er hatte es tatsächlich versprochen. „Texten kannst doch immer noch, sieh mal, ab Übermorgen machen wir eh Pause und bis Sylvester haben wir nur ein einziges Konzert, aber ich will Weihnachten nicht allein feiern, also entweder du holst mich ab und wir fahren ins Tierheim oder du feierst Weihnachten mit mir...“ „Um Gotteswillen...“, entfuhr es Kamijo und Horrorvisionen stiegen vor seinem geistigen Auge auf: ein Weihnachtsabend in Emiru‘s knallpinker Maple Kiss-Wohnung, der Bassist vermutlich im rosa-weißen Maidenkleidchen und er notgedrungener Weise im Anzug, das Geplappere würde nie aufhören und außerdem hatte er eigentlich schon andere Pläne und wenn Sanaka nachher zu ihm kam, würde er ihn fragen, was er eigentlich an diesem besonderen Tag so vor hatte. Aber zuerst... „Okay, Emiru, weißt du was, ich denke, ich habe noch etwas Zeit, also könnte ich noch vorbei kommen...“ „Super, aber beeil dich... Bis gleich...“ Mit diesen Worten legte er auf. Kamijo starrte noch einen Augenblick den Hörer an, bevor er auflegte, zur Couch schlich, sich seufzend fallen ließ und sich mit einem Blick in den dampfend heißen Tee abermals wünsche, einfach sang- und klanglos darin untergehen zu können... Kurz vor acht schloss Kamijo seine Haustür auf und wankte in den Flur. Er ließ seine Jacke achtlos fallen, stieg aus den Schuhen und ließ auch diese einfach stehen und schleppte sich ins Wohnzimmer auf die Couch, wo er sich erst einmal eine Zigarette anzündete. Er war mit den Nerven vollkommen fertig, Emiru hatte sein wirklich bestes getan. Nach den Anruf des Bassisten hatte sich Kamijo in sein Auto gesetzt, um ihn abzuholen, aber es gab eine Baustelle auf dem Weg, von der Kamijo nicht gewusst hatte, da das Radio seines Autos nicht funktionierte. Also hatte er versucht, in der spätnachmittäglichen Rush Hour einen anderen Weg zu finden, wobei er beinahe eine halbe Stunde nur im stop-and-go-Verkehr festgehangen hatte. Als er dann endlich bei Emiru ankam, wartete der Bassist schon schmollend vor seiner Haustür, zu Kamijo‘s Schrecken nicht in normalen Zivilklamotten, sondern in einem rosa-schwarzen Fummel, welcher, wie Emiru auf Kamijo‘s zögernde Nachfrage hin erklärte, einfach passender sei, ein Kätzchen zu finden, welches, wie Emiru wieder und wieder betonte, wie für ihn gemacht sei. So waren sie also zum Tierheim am anderen Ende der Stadt gefahren, wobei sich Emiru darüber mokiert hatte, dass Kamijo‘s Autoradio zu wirklich nichts zu gebrauchen sei und er stattdessen die Pausen füllen müsse, was er auch ausgiebig getan hatte. Endlich, nach einer gefühlten halben Ewigkeit, waren sie am Tierheim angekommen, welches diesmal, zu Kamijo unendlicher Erleichterung, offen war. Doch auch dort nahmen Emiru‘s Eskapaden kein Ende. Er eilte von Käfig zu Käfig in dem großen Raum, bemängelte die nicht artgerechte Haltung der Tiere, verlangte alle paar Sekunden Zustimmung von Kamijo und stand vor jedem Käfig, gab den Tieren Namen, pries ihre äußerlichen Vorzüge und fragte der Dame, welche die Tiere fütterte, Löcher in den Bauch. Kamijo war in gebührendem Abstand hinter ihm her geschlichen und hatte sich irgendwann nach draußen gestohlen, um wenigstens halbwegs ungestört eine Zigarette rauchen zu können. Eine halbe Stunde später hatten beide mit einer kleinen schwarz-weiß gemusterten Katzendame, welche Emiru liebevoll Marie taufte, das Heim verlassen. Auf der Rückfahrt hatte Emiru mit Marie auf dem Rücksitz gesessen, weil er den großen Käfig nicht in den Fußraum des Beifahrersitzes stellen konnte und hatte alle paar Minuten erwähnt, wie glücklich er sei, nun da er ein Kätzchen gefunden hatte, welches ach so gut zu ihm passte. „Ich feier Weihnachten übrigens mit Leila und meiner Nachbarin und natürlich mit Marie...“, hatte er Kamijo noch beim Aussteigen zugerufen. Der hatte ihm nur ein müdes Lächeln geschenkt. Wenigstens eine gute Sache hatte dieser Ausflug also gehabt... „Hey, warum sagst du nicht, dass du da bist, Kamijo...?“, empörte sich plötzlich eine Stimme rechts von ihm und Kamijo drehte sich zur Seite. „Ayako...“, entfuhr es ihm erschrocken. Er hatte sie gar nicht gehört. „Bist du also auch mal wieder da...?“, fragte er nach der Schrecksekunde bissig, doch sie lächelte nur und ließ sich neben ihm auf der Couch nieder. „Ich muss dir doch nicht erzählen, dass ich auch einen Job habe und außerdem warst du in letzter Zeit so abgespannt, dass ich keine große Lust hatte, herzukommen...“ „Ach...“, bemerkte Kamijo; etwas klügeres viel ihm so schnell nicht ein. Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und steckte sich gleich darauf eine neue an. Ayako sah ihm dabei missbilligend zu. „Du rauchst zuviel...“ „Möglich...“ „Hast du schon mal daran gedacht aufzuhören...?“ „Nein...“ „Dann wäre es vielleicht mal an der Zeit...“ „Kein Interesse...“ Sie verzog das Gesicht, dann plötzlich setzte sie sich auf seinen Schoß, nahm ihm die Zigarette aus der Hand, legte sie in den Aschenbecher und strich mit der Hand über die Kopfreihe seines Hemdes. „Ich wüsste dich vom Rauchen abzulenken...“ Kamijo blinzelte. „Ich...“ Doch in diesem Augenblick klingelte es an der Haustür. Dankbar für diese Unterbrechung, denn auf diese Art von Annäherung hatte er jetzt, nach diesen nervenaufreibenden letzten drei Stunden, nicht wirklich Lust, schob er sie von sich und schickte sich an, zur Sprechanlage zu gehen, doch Ayako hielt ihn am Arm fest. „Wir müssen noch über etwas reden...“ „Meinetwegen aber ich hatte einen anstrengenden Tag und das da ist bestimmt Sanaka...“ Er war es tatsächlich, aber Kamijo hatte auch mit niemand anderem gerechnet. Er öffnete die Tür und der Jüngere warf sich ihm an der Tür leidenschaftlich in die Arme. „Honey...“ „Sanaka... Wirf mich doch nicht gleich um, du Nuss...“ „Och, so hab ich das aber am liebsten, Darling... Du unter mir...“ Sanaka lachte laut und versuchte Kamijo zu küssen, doch hielt ihm die Hand vor den Mund. „Nicht so laut, ich bin nicht allein...“ „Willst du mich etwa eifersüchtig machen...?“ „Bitte...“ Kamijo sah Sanaka flehend an, bevor er sich aus der Umarmung löste und umdrehte... und Ayako in der Wohnzimmertür stehen sah... ~~~~~~~~***~~~~~~~~ Etwa auf der Hälfte hatte Mayu aufgehört zu lesen und das Buch beiseite gelegt. Dann hatte er die Decke vom Sessel genommen und sie sich um die Schultern gelegte. Als ihm jedoch immer noch nicht wärmer wurde, hatte er sich noch mit dem Rücken an die Heizung gelehnt. Zusammengekauert saß er dort mit geschlossenen Augen, während seine Gedanken nur so durch seinen Kopf rasten. Seine Wangen fühlten sich rissig und klebrig an von den vielen Tränen, die auf ihnen getrocknet waren. Das Schicksal all dieser Menschen in den Zeitungsartikeln hatte ihn tief bewegt, so sehr, dass er seine Tränen irgendwann einfach nicht mehr zurückhalten konnte. Es war alles dabei gewesen von der Kurznachricht am Rande, dem Lückenfüller, dem normalen Zwanzig-Zeilen-Text bis hin zum Zwei-Seiten-Bericht, in welchem Teile von Abschiedsbriefen zitiert und trauernde Angehörige zu Wort gekommen waren. Neben einigen Artikeln hatte Mayu kurze handschriftliche Notizen in roter Tinte gefunden; kleine Buchstaben, welche Satzfetzen, kurze Texte und manchmal auch nur einzelne Worte bildeten. Doch diese hatten es meistens in sich gehabt, wodurch Mayu noch mehr Tränen in die Augen gestiegen waren. Doch er hatte ihnen freien Lauf gewährt, hatte noch nicht einmal ein Taschentuch benutzt. Die emotionale Verzweiflung hatte ihn mit sich hinfort geschwemmt und er war zuerst wie gebannt gewesen, doch die anfängliche Faszination hatte sich schon auf den ersten zehn Seiten wieder gelegt und war einem Gefühl gewichen, welches Mayu auch jetzt, da er das Buch weggelegt hatte, noch immer im Herzen spürte... Verzweifelt schniefend stand er auf und flüchtete, noch immer mit der Decke um die Schultern, in die Küche, um sich eine Kanne Tee zu kochen, doch das heiße Getränk verfehlte seine Wirkung und Mayu konnte sich erst beruhigen, nachdem er sich mit zitternden Fingern eine Zigarette angesteckt hatte. Er setzte sich auf einen der Küchenhocker und inhalierte den Rauch so tief, dass ihm schwindlig wurde. Aber so musste er wenigstens nicht mehr denken... ~~~~~~~~***~~~~~~~~ „Sanaka, dein Handy liegt hier drüben...“, sagte Kamijo verlegen und zog den etwas verdutzten Freund ins Wohnzimmer, wo sich Ayako wieder auf der Couch niedergelassen hatte. Doch der andere beachtete ihn nicht, sondern ließ seine Blicke prüfend über die junge Frau gleiten. „Das ist also deine Freundin...“, stellte er fest bevor er sie förmlich begrüßte, was Kamijo sehr peinlich war. Doch er wurde errettet, denn Ayako‘s Handy klingelte in diesem Augenblick und sie stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort, aber mit einem prüfenden Blick auf die beiden Männer, das Wohnzimmer und ging auf den Balkon. Kamijo sah ihr nach und wartete, bis sie außer Hörweite war und das Handy am Ohr hatte, dann packte er Sanaka am Arm und zog ihn in die Küche, wo er ihn anfuhr. „Verdammt noch mal, musst du denn jeden Mal gleich mit der Tür ins Haus fallen...? Ein Glück, dass ihr Telefon geklingelt hat...“ Sanaka sah die Situation gelassener. „Mann, jetzt hab dich doch nicht so, du meintest doch, sie bekäme so was eh nicht mit... Außerdem bin ich dein Freund und wir haben uns lange nicht gesehen, zumindest in ihren Augen und da kann ich dir doch wohl schon mal um den Hals fallen...“ „Sicherlich aber lass doch bitte beim nächsten Mal deine Kommentare dazu...“ „Mmmh, das klang vorgestern Abend aber noch ganz anders, honey...“ Kamijo schloss die Augen und verwünschte sein Talent, immer wieder in Situationen zu geraten, die potentiellen Stresscharakter besaßen. Er atmete einmal tief durch, bevor er sagte: „Jaja, Sanaka...“ Er öffnete die Augen wieder und schrak zurück, denn Sanaka stand nun direkt vor ihm und lehnte sich vor um ihn zu küssen. „Mal was anderen, Kamijo...“, flötete er und leckte ihm sanft über die Lippen. „Wo hast du denn letzte Nacht geschlafen...?“ Kamijo errötete schlagartig und Sanaka kicherte. „Warum...? Wie... Wie kommst du darauf...?“ „Mmmh, ich bin eben ein spitzenmäßiger Beobachter... Du hast die Klamotten eines anderen Mannes an... Deine riechen immer nach Salem Pianissimo und Platinum Egoist, egal, wie oft du sie wäscht und du benutzt das Parfüm immer und überall... Nur heute rieche ich nichts und außerdem kenne ich dieses Hemd nicht und auch nicht die Hose...“ Kamijo war sprachlos. Und Sanaka setzte noch einen drauf, indem er fragte: „Mit wem hast du geschlafen und warum trägst du seine Sachen...? Ist das auch der Grund, weshalb ich dich gestern Abend nicht auf dem Festtelefon erreichen konnte...?“ „Warum hast du mich eigentlich nicht auf dem Handy angerufen...?“, versuchte Kamijo abzulenken. „Die Nummer kenn ich nicht auswendig, viel zu lang... Du lenkst ab... Also...? Warum so sprachlos...?“ Kamijo starrte den anderen einen Augenblick an, bevor er seinen Ärger darüber, dass er die Fassung verloren hatte, herunter kämpfte. „Nur weil ich mal nicht zuhause bin, heißt das noch lange nicht, dass ich mit irgendwem irgendwo schlafe, klar...? Ich bin ja nicht du... Ich hatte meine Autoschlüssel verlegt und habe bei Mayu übernachtet... Zufrieden...?“ Sanaka sah ihn jedoch nur stirnrunzelnd an. „Und warum trägst du dann seine Sachen...?“ Kamijo murrte leise, dann erzählte er ihm von seinem Malheur mit dem Schlüssel, der Nacht bei Mayu, wobei er allerdings auf sämtliche Details verzichtete und dem Kaffee, dem der Gitarrist ihm über die Sachen gegossen hatte. Sanaka grinste zuerst, dann fing er an zu lachen. „Du nimmst wirklich alles an Pech mit, was du kriegen kannst, nicht, Kamijo...?“ „Jaja, spar dir deinen Spott...“ Sanaka grinste noch immer, als er sich auf einen Küchenstuhl setzte und die Arme vor dem Oberkörper verschränkte. „Hast du denn nun herausgefunden, was mit ihm los ist...?“, fragte er und Kamijo senkte den Blick und schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich... Er hat zwar zugegeben, dass da etwas ist aber nicht, was und ich glaube auch nicht, dass er das in nächster Zeit tun wird... Vielleicht braucht er einfach Urlaub...“ Sanaka musterte ihn. „Du aber auch, so wie ich das sehe... Du siehst, mit Verlaub, furchtbar aus...“ Kamijo seufzte und erzählte ihm von Emiru und dessen neuem Schoßtier, was Sanaka abermals dazu bewegte, den Kopf zu schütteln. „Ich glaube, dein Problem ist, dass du nicht nein sagen kannst, kann das sein...?“ Kamijo antwortete ihm nicht, stattdessen setzte er sich auf den Küchentisch und stützte ein Bein auf dem Stuhl ab, auf dem Sanaka saß. „Ich hatte es versprochen...“, versuchte er sich wenige Augenblicke später zu rechtfertigen. „Eine ehrliche Haut...“, grinste Sanaka und griff nach Kamijo‘s Hüften, um ihn vom Tisch zu sich auf den Schoß zu ziehen. Dann küsste er ihn und begann, ihm das Hemd aus der Hose zu ziehen... ~~~~~~~~***~~~~~~~~ Nach der fünften Zigarette fühlte Mayu sich wenigstens etwas ruhiger und er kehrte ins Wohnzimmer zurück. Er griff abermals nach dem Buch und schlug es auf, diesmal von hinten. „Das Leben geht solange weiter bis es irgendwann einfach endet... Oder wir es beenden...“ stand auf der letzten Seite in roter Tinte. Hoshina musste die Worte sehr schnell geschrieben und danach sofort das Buch zugeklappt haben, denn die Tinte war verwischt und die Schrift verzerrt. Auf den folgenden Seite entdeckte Mayu weitere Sprüche: „Wo ist der Sinn im Lebens, wenn der Weg, den wir zu beschreiten haben, schon vorgegeben ist...?“ „Es liegt eine Sehnsucht in der Welt, an der wir sterben müssen...“ „Meine Alpträume werden von Nacht zu Nacht schlimmer, irgendwann werde ich springen müssen, um ihnen zu entkommen...“ „Ich habe ihr vertraut, so vollkommen vertraut, wie ich es vorher in meinem ganzen Leben noch nie getan habe... Doch sie hat mich einfach fallen lassen, als sie mich nicht mehr benutzen konnte...“ „Ich leide, um mir meines Lebens bewusst zu werden... Dieses Leid ist der einzige Zustand, in dem ich mir gefalle und ich würde auch Dinge tun, die ich nicht mag, nur um weiter leiden zu können, denn es ist die einzige heroische Tat zu der ich fähig bin...“ Nachdem er den letzten Spruch gelesen hatte, erfasste Mayu eine solche Panik, ein Gefühl von absolutem Schmerz, dass er aufsprang, in den Flur rannte, eine Jacke vom Hacken riss und aus seiner Wohnung stürmte. Erst an der nächsten U-Bahnstation bemerkte er, dass er das Buch noch immer in der Hand hielt... ~~~~~~~~***~~~~~~~~ „Bist du des Wahnsinns...? Wir sind nicht allein...“, zischte Kamijo und versuchte, von Sanaka‘s Schoß zu rutschen, was ihm jedoch nicht gelang, denn Sanaka hielt ihn fest und küsste ihn abermals. Er knöpfte ihm das Hemd auf und Kamijo wehrte sich stärker, was Sanaka jedoch nur ein Grinsen entlockte, bei welchem Kamijo sich ernsthaft zu fragen begann, ob das immer noch ein Spiel oder bereits bitterer Ernst war. Mit einem Kniff in Sanaka‘s Seite schaffte er es aber letztlich doch aufzustehen. „Kamijo, was tust du da...?“, erklang plötzlich Ayako‘s Stimme in der Küche und Kamijo drehte sich zu ihr um. „Eine kleine Meinungsverschiedenheit...“, antwortete er und knöpfte sein Hemd wieder zu, wobei er Sanaka einen ärgerlichen Blick zuwarf. Die ganze Sache wurde ihm zunehmend peinlicher. „Aber Sanaka wollte sowieso gerade gehen...“ Mit diesen Worten verließ Kamijo die Küche und wartete im Flur auf den anderen. Der trat verlegen neben ihn. „Tut mir leid, honey, ich wollte dich doch nur foppen...“, entschuldigte sich Sanaka und senkte den Blick. Er schlüpfte in seine Schuhe, zog die Jacke an und blickte Kamijo erneut ins Gesicht. Als der jedoch keine Anstallten machte, etwas zu erwidern, knuffte er ihn in die Seite. „Hey, ich sagte doch schon, dass es mir leid tut... Was mir noch einfällt: wir geben kurz vor Neujahr ein Konzert, vielleicht willst du kommen...? Ich wollte dich Vorgestern schon fragen, habe es aber vergessen...“ „Mal sehen...“, murmelte Kamijo. „Wenn du versprichst, dich zu benehmen...“ „Ich kanns versuchen... Melde dich bei mir, ich warte auf dich... Bye, honey...“ Sanaka gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor er im Treppenhaus verschwand... ~~~~~~~~***~~~~~~~~ Mayu stand zögernd in der Dunkelheit des Hauseingangs; die Beleuchtung über der Tür war defekt und nur die kleinen Lichter auf den Klingelknöpfen der Namensschilder gaben einen leichten, grünlichen Schimmer ab. Zwar wusste er, wie er zu Kamijo‘s Wohnung gekommen war, aber nicht wirklich weshalb. Ein innerer Drang, den er sich nicht ganz erklären konnte, hatte ihn hier her getrieben. Denn zugegeben; Mayu hatte neben Kamijo geschlafen und zum ersten Mal seit Wochen keine Alpträume gehabt. Auch hatte er sich nach dem Aufstehen wirklich wohl in der Anwesenheit des anderen gefühlt und die Sache mit dem Kaffee tat ihm ein wenig leid. Mayu strich über die linke Jackentasche, in welche er das Buch gesteckt hatte und drückte den Klingelknopf... ~~~~~~~~***~~~~~~~~ Kamijo lag auf der Couch und sah Ayako dabei zu, wie sie geschäftig durch die Zimmer lief, immer wieder mit ihrem Handy am Ohr und einem seltsam entrücktem Gesichtsausdruck. Sie schien immer mit der gleichen Person zu sprechen und Kamijo fiel auf, dass sie hin und wieder errötete und dass sie, wenn dies geschah, immer darauf bedacht war, ihr Gesicht vor ihm zu verbergen. Und dieses Verhalten machte ihn nervös. Als sie wieder an ihm vorbeilief, das Handy am Ohr, packte er kurzentschlossen ihren Arm und hielt sie fest. „Ayako, bitte... Hör doch mal auf, hier ständig auf und ab zu rennen...“ Doch sie warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu und antwortete: „Ich telefoniere...“ Ich hätte Sanaka doch nicht rauswerfen sollen, dachte Kamijo und vergrub sein Gesicht in den Sofakissen, als es an der Haustür klingelte... „Mayu, was führt dich denn hierher...?“, entfuhr es Kamijo, als er den anderen vor seiner Wohnungstür stehen sah. Verblüfft sah er Mayu an und winkte ihn, als der nichts erwiderte, hinein. Ayako lief noch immer durch die Wohnung, also verzichtete Kamijo darauf, beide einander vorzustellen, sondern nickte nur wortlos als Mayu mit einem Kopfnicken auf sie deutete und fragend die Augenbrauen hob. „Kann ich dir was anbieten...? Tee vielleicht oder möchtest du etwas essen...?“ „Tee wäre nett, danke...“ Nachdem sich beide mit jeweils einer Tasse in den Händen auf dem Sofa niedergelassen hatten, Ayako war inzwischen im Schlafzimmer verschwunden, blickte Kamijo Mayu fragend von der Seite her an. Mayu hatte bis auf den Dank für den Tee noch kein weiteres Wort gesagt und saß einfach da, blickte über die Tasse, welche er an seine Lippen gehoben hatte, hinweg und schwieg. Als er plötzlich den Kopf drehte und Kamijo‘s direkten Blick mit einem eigenen beantwortete, errötete Kamijo und sah wieder geradeaus. Beide schwiegen einige Augenblicke, dann sagte Kamijo: „Du hast Sanaka knapp verpasst... Hast du ihn unten noch gesehen...?“ Mayu schüttelte den Kopf und beide schwiegen wieder eine Weile. Dann setzte Mayu seine Tasse auf dem kleinen Wohnzimmertisch ab. „Tut mir leid, ich wollte dich eigentlich nicht stören, aber ich wusste nicht, dass...“ Doch Kamijo hatte bereits den Kopf geschüttelt. „Du störst schon nicht, keine Sorge...“, antwortete er und wandte sich dem anderen nun auffordernd zu. „Aber warum bist du hergekommen...? Hättest du vorher angerufen, hätte ich zu dir kommen können oder wenigstens was anderes als kalten Reis und Bonitoflocken im Haus gehabt...“, sagte er ein wenig verlegen und lächelte. Mayu blickte ihn an und zu Kamijo‘s großer Überraschung beantwortete er das Lächeln, wenn auch ein wenig zögerlich. „Das ist egal...“, sagte Mayu und errötete ebenfalls und Kamijo kam sich plötzlich vor wie in einer billigen TV-Soap. Er räusperte sich aber bevor er etwas sagen konnte, stand Mayu auf und begann gemächlich, durch das Zimmer zulaufen, während Kamijo ihn von der Couch aus dabei beobachtete. Als Mayu am Klavier ankam, strich er mit den Fingern über die Tastenabdeckung und deutete kurz mit einem Blick auf Kamijo auf den kleinen Klavierschemel. Kamijo nickte und Mayu setzte sich, dann schlug er die Klappe auf und fuhr nun über die Tasten. Dann schlug er eine an. Kamijo beobachtete ihn weiter schweigend. Er wusste, dass Mayu nur bedingt Klavier spielen konnte; der andere hatte ihn immer ein wenig beneidet um seine eigenen Fertigkeiten an diesem Instrument aber Kamijo hatte auch bereits in frühester Kindheit damit begonnen. Als er, noch in der Grundschule, die Filmmusik für sich entdeckt hatte, hatte er jede freie Minute genutzt, um zu üben und konnte nun mit einigem Stolz behaupten, dass er wirklich gut und sauber spielen konnte, sowohl vom Blatt, als auch nach Gehör. Das Komponieren war erst in der Oberstufe dazu gekommen, als er dieses kleine Mädchen an einer Straßenkreuzung gesehen hatte und die Melodie, welche sie gesummt hatte, ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Da hatte er zum ersten Mal einen Notenpapierblock gekauft und sich hingesetzt, um alles aufzuschreiben. Mayu schlug einen weiteren Ton an und Kamijo schloss die Augen, als Mayu beide Hände auf die Tasten legte und zu spielen begann. Er spielte nicht virtuos und auch kein besonderes Stück und Kamijo hätte sicherlich auch nur mit einer Hand spielen können, was Mayu nun mit beiden spielte, aber er genoss es unheimlich, dass zur Abwechslung ihm mal etwas vorgespielt wurde. Er atmete ruhig ein und aus und Mayu veränderte sein Spielen, vertauschte Töne, ließ einige weg und änderte langsam die Melodie. Dann hörte er auf. Kamijo öffnete die Augen und sah, dass Mayu nun ihn beobachtete. „An was schreibst du grad...?“, hörte er den anderen leise fragen und Kamijo erhob sich und trat ans Klavier. „Ich habe einfach so ein bisschen vor mich hin geklimpert und immer wenn es gut klang, habe ich es aufgeschrieben...“ „Mmmh...“ Mayu nickte, dann deutete er auf die Blätter. „Darf ich...?“ „Natürlich...“ Mayu nahm die Notenblätter und legte sie so, dass er vom Blatt spielen konnte, schien jedoch schon nach wenigen Augenblicken zu merken, dass es wirklich nur Melodiefragmente waren, welche Kamijo da zusammengeschrieben hatte. Kamijo lachte. „Die Übergänge muss ich noch schreiben und einen Text... Für unsere neue Single...“, sagte er und fügte leicht verlegen hinzu: „Wenn es fertig wird... Ich habe so viele Blätter herumzuliegen mit Liedteilen, dass ich gar nicht mehr weiß, womit ich anfangen soll...“ „Kamijo, du plapperst schon wieder...“, unterbrach ihn Mayu und schenkte ihm abermals ein Lächeln. Kamijo räusperte sich und ließ sich dann neben Mayu auf dem Schemel nieder. „Nunja, ich... Muss es ja ausnutzen, wenn du nun schon mal hier in meiner Wohnung bist... Warum bist du eigentlich gekommen, Mayu, hat das einen besonderen Grund...?“ Mayu starrte Kamijo aus großen Augen an und plötzlich erinnerte er sich wieder an das Buch in seiner Jackentasche und all die Dinge, welche es beinhaltete und abermals ergriff ihn die kopflose Panik, welche ihn hierher geführt hatte. Mit der Ruhe, welche sich seiner bemächtigt hatte, als er Kamijo‘s Wohnung betreten hatte, war es nun schlagartig vorbei. Kamijo hatte sich zu ihm gedreht und warf ihm einen fragenden Blick zu. Mayu schloss die Augen und bewegte sich einen Augenblick lang gar nicht, kämpfte mit einigen Mühen seine Panik hinunter und zwang sich im nächsten Augenblick, Kamijo mit derselben Gelassenheit anzusehen, welche er schon beim Frühstück nicht sonderlich überzeugend zur Schau hatte stellen können. „Mayu...? Alles okay bei dir...?“, hörte er Kamijo fragen und er spürte, wie der andere ihm die Hand auf die Schulter legte und sah, wie er zu einer weiteren Frage ansetzen wollte. Mayu sprang plötzlich auf und schlug die Abdeckung der Klaviertasten zu, wobei er Kamijo‘s linke Hand nur deshalb verfehlte, weil der Sänger, erschrocken ob Mayu‘s plötzlicher Reaktion, die Hand von den Tasten gezogen hatte... Mit einem lauten Knall schlug die Abdeckung zu und Kamijo erschreckte sich noch einmal. Er starrte Mayu aus großen Augen an, bevor er sich ebenfalls erhob. „Ich muss gehen...“, sagte Mayu tonlos und wollte schon an ihm vorbeilaufen, aber Kamijo griff nach seiner Hand und hielt sie fest. „Mayu...“, rief er und stemmte sein gesamtes Gewicht gegen die Versuche des Gitarristen, sich von ihm loszureißen. „Mayu, verdammt noch mal, so langsam mache ich mir wirklich echte Sorgen um dich... Jetzt sag mir doch endlich, was mit dir los ist, ich muss das jetzt wissen...“ Und als der andere ihm keine Antwort gab, sondern nur zu Boden starrte, fügte er hinzu: „Du kannst mir vertrauen, das weißt du doch, nicht...?“ „Wie kann ich dir vertrauen, wo ich mir noch nicht einmal selbst vertrauen kann...“, antwortete Mayu und versuchte abermals, Kamijo zu entkommen. Der jedoch zog ihn in eine Umarmung, einfach weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte. Eine Tür schlug mit lautem Knall zu. Beide zuckten zusammen und Kamijo spürte, wie Mayu‘s Arme sich um hin legten. „Wir müssen noch über etwas reden, Kamijo, erinnerst du dich...“, ertönte es plötzlich von der anderen Seite des Zimmers her und beide, noch immer in der Umarmung des jeweils anderen, blickten erschrocken in diese Richtung. Dort stand Ayako mit vor der Brust gefalteten Armen, ihr Telefon in der Hand und schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen anklagend an. „Zuerst lässt du dich von diesem Sanaka umarmen, küssen und sitzt auf seinem Schoß, obwohl ich nur ein Zimmer weiter bin und nun umarmst du den da und willst ihn gar nicht mehr loslassen...“, sagte sie, biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. „Da wird es dich ja auch sicherlich nicht sonderlich stören, dass ich meine Sachen gepackt habe und gehen werde... Denn irgendwie klappt das mit uns beiden nicht so wirklich und jetzt, wo ich dich mit den beiden gesehen habe, zweifle ich an deiner Liebe zu mir...“ Als Kamijo keine Antwort gab, schniefte sie kurz und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Dann schrie sie ihn an. „Du hast dich nie dafür interessiert, was ich eigentlich will und mit mir geredet hast du auch nicht... Glaubst du, ich lass mir alles gefallen...? Ich gehe jetzt und, nur damit dus weißt, ich komme nicht wieder...“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und lief in den Flur. Kamijo bemerkte verwirrt, dass ihm der Mund offen stand und schloss ihn. „Das ist doch jetzt nicht wahr, oder...“ Er ließ Mayu los und lief in den Flur, wo Ayako bereits ihren Mantel angezogen hatte und nun in ihre Schuhe schlüpfte. Eine kleine Reisetasche stand zu ihren Füßen. Sie drehte sich nicht zu ihm als er ihren Namen sagte und verließ ohne eine Reaktion auf ihn die Wohnung. Kamijo stand noch einen Augenblick da, unfähig zu verstehen, was hier soeben passiert war und eine hilflose Wut bemächtigte sich seiner. Mayu war im Wohnzimmer stehen geblieben und hatte alles mit großen Augen verfolgt. Als Kamijo zurück ins Wohnzimmer kam, wusste er nicht wo genau ihm der Kopf stand. Er lief an Mayu vorbei, welcher sich nicht vom Fleck rührte. Seine Hände formten Fäuste, in ihm wurde die Wut immer größer und er spürte das Verlangen, auf irgendetwas einzuschlagen, zu schreien, um sich zu treten und seinen ganzen Frust aus sich heraus zu befördern, seine ganze Wut und Hilflosigkeit. Noch nie hatte ihn jemand so verlassen, wie Ayako es gerade getan hatte und überhaupt; was war das für ein gottverdammter Abend gewesen... Kamijo lief ruhelos durch das Wohnzimmer und versuchte seine angestaute Wut unter Kontrolle zu halten. Seine Zigaretten vom Tisch nehmend und sich im Laufen eine davon ansteckend ging er zum Klavier um zu spielen, aber er klappte die Tastenabdeckung gleich wieder zu. Sein Atem kam stoßweise, sein Herz schlug wie wild. Er war nicht in der Lage, sich zu beruhigen. „Kamijo...“ Kamijo beachtete Mayu nicht, als er an ihm vorbei in die Küche lief und sich dort auf einen der Stühle fallen ließ. Die Fingernägel hatte er tief in die Handballen gekrallt, so wie er es immer tat, wenn er das Gefühl hatte, vor lauter Gefühle platzen zu müssen. „Kamijo, beruhige dich, du hast schon die Packung ganz zerdrückt...“, erklang Mayu‘s ruhige Stimme von der Küchentür her. Kamijo drehte sich zu dem anderen, wobei Asche auf seine Hose fiel, was er jedoch nicht weiter beachtete. „Beruhigen soll ich mich also, Herrgott noch mal...“, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, bevor er aufstand und sich an die Spüle stellte. „Es bringt doch nichts, sich jetzt aufzuregen... Sieh mal...“ „Wer regt sich denn auf...?“, zischte Kamijo und drückte die noch nicht zuende gerauchte Zigarette im Aschenbecher aus, wobei er sich ob seiner zitternden Hände verbrannte. „Was für ein gottbeschissener Abend... Erst terrorisiert mich Emiru und hält mich vom Texten ab, dann nervt mich Sanaka mit seiner verdammten Sorglosigkeit, dann Ayako mit ihrer...“ Kamijo fuchtelte nach Worten ringend mit den Armen durch die Luft. „Aber natürlich regt mich das nicht auf, ich bin ganz ruhig, Mayu... ICH BIN RUHIG...“ Die letzten Worte warf er dem Gitarristen regelrecht an den Kopf und dann passierte etwas, was Kamijo in seiner Aufregung so vollkommen überraschte, dass er einfach nur dastehen und es geschehen lassen konnte: Mayu trat an ihn heran, hielt ihn an den Armen fest und küsste ihn... to be continued... ********************* stay tuned for the next crime... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)