Lass mich nicht durch die Hölle gehen von Yujianlong ================================================================================ Kapitel 1: --- -------------- Lass mich nicht durch die Hölle gehen Ich renne die Treppen des Hauses so schnell hoch wie noch nie. Angst jagt mich die Stufen hinauf. Immer wieder der gleiche Gedanke: „Lass es noch nicht zu spät sein!“ Vor meinem geistigen Auge sehe ich seinen Siluette auf dem Dach. Er war so nahe am Rand! Immer weiter renne ich, die Treppe scheint kein Ende nehmen zu wollen. Endlich, nach einer Ewigkeit so scheint es mir, sehe ich die Tür die aufs Dach hinaus führt. Ich brauche sie nicht erst aufzuschsliessen, sie ist nur angelehnt. Mit einem keuchenden Schrei stürze ich aufs Dach hinaus. Er steht noch da, noch ist es nicht zu spät. Irgendwie muss ich ihn aufhalten! Durch meinen Schrei aufgeschreckt dreht er sich um. Sein schmales, blasses Gesicht blickt verstöhrt zu mir zurück. Er scheint nicht zu wissen wer ich bin. Erst als ich seinen Namen rufe, erkennt er mich. „Geh! Es ist zu spät.“, höre ich ihn sagen. Seine Stimme klinkt, ganz ruhig. Die Angst schnürt mir die Kehle zu. Versthen kann ich seine Worte kaum. Ich nehme nur die Bedeutung wahr. Zu spät! „Es ist nie zu spät! Bitte komm da weg. Warum willst du das tun? Was ist so schreckliches geschehen? Warum?“ Meine Stimme verweigert mir den Dienst. Ich breche in Tränen aus. Stumm stehe ich da, schaue in sein blasses Gesicht. „Du kannst mir nicht helfen. Niemand kann es!“ Er steht immer noch dort, am Rande des Daches, mit dem Rücken zum Abgrund. „Woher willst du das wissen? Vielleicht kann ich dir nicht helfen, aber irgendjemand kann es bestimmt. Du darfst nur nicht aufgeben. Bitte, du darfst dein Leben nicht einfach so wegwerfen! Du lebst nur einmal! Du solltest dieses eine mal nicht verschwenden, egal wie schwer es manchmal ist!“ Während ich rede mache ich langsam einen Schritt auf ihn zu. „Was weisst du schon?“, schreit er plötzlich: „Was weisst du schon über das Leben? Bist du durch die Hölle der Einsamkeit gegangen? Hast du den wichtigsten Menschen in deinem Leben verlohren, nur weil irgend ein Idiot betrunken durch die Gegend rast? Wurde dir das Liebste genommen, weil ein anderer Mensch sein Auto nicht mehr unter Kontrolle hatte?“ „Nein! Aber wenn du dich umbringst, bringt das deine Schwester auch nicht zurück! Sie wird nicht dadurch wieder lebendig, dass du stirbst!“, langsam fällt mir nichts mehr ein um ihn zu beruhigen. Denn er hat recht, ich kenne diese Hölle nicht. Ich kenne die Einsamkeit ja, aber nur die Einsamkeit die man spührt, wenn man immer alleine ist. Nicht jene Einsamkeint die einem innerlich auffrisst, wenn man das Wichtigste verliehrt. „Warum glaubst du dann, dass man mir helfen kann?! Glaubst du an das Märchen, dass die Zeit Wunden heilt? Den Schmerz lindert? Das glaube ich nicht! Die Zeit kann solch eine tiefe Wunde nicht heilen. Willst du, dass ich den Schmerz vergesse? Das wäre nur ein Zeichen dafür, dass ich die Erinnerung an sie vergessen will.“ Auch ihm laufen jetzt die Tränen übers Gesicht. Es ist das Erste mal das ich ihn weinen sehe. Es schmerzt so sehr ihn so zu sehen. Ich kann mich noch an sein Lachen erinnern, an dieses etwas schiefe Lachen. Ich vermisse es so sehr! „Nein, es heisst nicht, dass du sie vergessen willst. Du würdest den Schmerz nur verdrängen, damit du nicht wahnsinnig wirst! Das ist nicht schlimm, das tun alle die einen geliebten Menschen verlieren. Meinst du deine Schwester will das du ihr jetzt folgst?“ Schon wieder droht meine Stimme zu versagen. Ich schaue zu ihm, sein Gesicht ist jetzt vor Wut verzerrt: „Woher willst du das wissen? Hat sie es dir erzählt? Ist ihr Geist zu dir gekommen und hat es dir geflüstert?“ Seine Stimme ist kalt und scharf: „Warum willst du mich eigentlich davon abhalten? Kommst du dir vor wie Jesus, der allen Menschen das Leben retten wollte?“ Ich hören die Wut, die seinen Stimme zum beben bringt. Erneut durchläuft mich ein Schauer der Angst, doch dieses mal, weil ich mich vor ihm fürchte. Ich zögere mit der Antwort, weil ich fürchte er könnte sich abwenden und den letzten Schritt über den Abgrund nehmen. „Ich kann dich nicht davon abhalten, wenn es dein Wille ist. Aber bitte, bitte lass mich nicht durch die gleiche Hölle gehen, durch die du gegangen bist! Ich weiss das klingt jetzt egoistisch, aber tu mir das nicht an! “ Bei diesen Worten sacken meine Knie ein und ich sinke zu Boden. Er macht einen Schritt auf mich zu, ich hebe den Kopf und schaue in seine braunen Augen und in dem Moment begreiffe ich, dass er mich nicht durch die Hölle gegen lassen wird. Er wird bei mir bleiben, wenn auch nur, weil er diesen Schmerz keinem anderen Menschen auf der Welt zufügen will. Hinter ihm geht die blutrote Sonne unter. Wenn sie wieder aufgeht, das weiss ich, werde ich erneut um ihn fürchten müssen. Jeden Tag wenn die Sonne aufgeht, beginnt der Kampf von neuem. Und noch ich weiss nicht, wie oft ich ihn noch gewinnen werde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)