Pray for rain von Danse_Macabre ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war eine warme Sommernacht. Die Sterne strahlten vom Himmel und die Straßen waren in eine alles umfassende Stille getaucht, welche nur auf etwas zu warten schien. Ein Unglück, das im Schatten der Bäume verharrte und nach seinem neuen Opfer Ausschau hielt. Dieses „Ungeheuer“, in welcher Form auch immer, lauerte in der Dunkelheit verborgen. Es war unaufhaltsam und gefährlich, wie die Tatsache, dass die Zeit nie inne hält und der Tod zu jeder Sekunde seinen Tribut fordern kann. Nun verbarg er sich in Kyoto und wartete geduldig, bis das Rad des Schicksals sich in Bewegung setzte. Kyoto, die ehemalige Hauptstadt, war reich an Tempeln und Pavillons. Meist waren sie zwischen den Wohnblöcken aufzuspüren. Das Traditionelle kollidierte teils mit der modernen westlichen Welt. Doch gab es auch noch Straßen in Kyoto, in denen es schien, als wäre die Zeit stehen geblieben. Dort klangen durch Bambusvorhänge alter Teehäuser Shamisenlaute oder fröhlicher Gesang. Die Uhr zeigte kurz nach zwei Uhr morgens, als im Bezirk Gion Kobu, dem berühmtesten und traditionellsten Geishaviertel, endlich Ruhe einzog. Die Straßen waren im Allgemeinen leer gefegt und nur aus vereinzelten Okiyas und Teehäusern drang noch ein wenig spärliches Licht und dumpfes Gelächter. Die breite Hauptstraße war begrenzt von Bäumen, die in der Sommerhitze kühlenden Schatten spendeten. Eine Brücke schwang sich über den Kamo-Fluss, der sich quer durch Gion Kobu zog. In einer unauffälligen Seitenstraße befand sich ein langes, schmales Gebäude mit Sprossenfenstern zur Straße hinaus. Offensichtlich war dies auch eine Okiya, denn das Tor zum Eingang war verschlossen, damit keine Besucher oder gar Männer die Bewohner stören konnten. Beim Eintreten wäre man einen schön gestalteten Flur entlang gegangen mit Sicht auf den hauseigenen Garten, der ganz der japanischen Art entsprach. Alles schien hier zu schlafen, bis auf zwei Personen, die sich eng aneinander gekauert miteinander unterhielten. Sie versuchten so leise und unauffällig zu sein, wie es ihnen möglich war. Denn allein Kyos Anwesenheit im Zimmer seiner älteren Schwester war um diese Uhrzeit strengstens verboten. Das Geschwisterpaar schien sich daran aber keineswegs zu stören, flüsterte jedoch, um nicht erwischt zu werden und so unnötigem Ärger aus dem Weg zu gehen. „Kyo-chan!“ Miyaku schaute ihren kleineren Bruder fragend an. Von diesem war nur ein leises Knurren als Antwort zu vernehmen. „Ach komm schon, Kyo. Sei doch nicht so..“ Sie lachte leise und zerwuschelte mit ihrer einen Hand Kyos blondes Haar. „Mit blonden Haaren siehst du noch niedlicher aus als vorher.“ Sie kicherte und wartete belustigt Kyos Reaktion ab. Der Blonde schaute seine Schwester verdutzt an. „Mau, ich bin nicht niedlich! Und das war ich noch nie!" erwiderte er schließlich und strich sich demonstrativ seine Haare wieder zurecht. Dann zeigte er Miyaku seinen neusten Schatz. „Schau, das ist das erste Demotape von Luna Sea.“ Kyos tiefbraune Augen leuchteten beinahe in dem schimmernden Kerzenlicht, als er die Kassette voller Stolz seiner Schwester reichte. Sie betrachtete den kleinen Gegenstand nur fasziniert und strich ganz sanft über die abgenutzte Hülle. „Ich hab’s von einem ahnungslosen Typen ganz billig bekommen. Er wusste gar nicht, wie viel so ein Ding wert ist.“ Kyo grinste zufrieden. „Du hast zwar erst in einem Monat Geburtstag, aber ich dachte mir, ich schenke sie dir lieber gleich..“ Kyo lächelte seine Schwester liebevoll an, was er sonst in der Öffentlichkeit nie tat, und drückte ihr die Kassette in die Hände. Für einen Moment schaute Miyaku ihn fassungslos an. „Für mich?“ fragte sie immer noch ungläubig, doch Kyo nickte zustimmend. Sie ahnte nicht, dass die Geschichte mit dem Trottel, der Kyo die Kassette vermacht hatte, gar nicht der Wahrheit entsprach. In Wirklichkeit hatte der Blonde zwei Monate lang sein Essens- und Taschengeld gespart, um die Rarität bei einem Musikhändler für seine Schwester kaufen zu können. Miyaku musterte noch einen Moment die Kassettenhülle in ihren Händen, bevor sie zu Tränen gerührt Kyo umarmte und sich herzlich bei ihm bedankte. Dieser erwiderte die Umarmung nur zögerlich, da ihm alles schmerzte. Seine „lieben“ Schulkameraden hatten ihn auf dem Hinterhof des Schulgebäudes erwischt und ihm wieder einmal ihre grenzenlose „Zuneigung“ gezeigt. Er trug bewusst ein weites, langärmliges Hemd, das seinen Körper und damit die zahlreichen blauen Flecke und Kratzer bestens verbarg. Jede Berührung tat dem Kleineren höllisch weh, doch er beklagte sich nicht, sondern versuchte, den Schmerz so gut es ging zu ignorieren und schmiegte sich enger an Miyaku. Kyo genoss jeden Augenblick, den er mit seiner Mutter und vor allem mit seiner Schwester verbringen durfte. Sie waren die einzigen Menschen, die ihn ohne Wenn und Aber so akzeptierten, wie er nun einmal war. Ihm wurde schon oft genug gesagt, dass er als unehelicher Sohn einer Geisha nicht erwünscht sei, geschweige denn dass er gute Aussichten auf einen gesellschaftlichen Aufstieg habe. Aber seine Mutter liebte ihn dennoch genauso wie ihre Tochter und kämpfte jeden Tag für seine Existenz. Kyos „Verbrechen“ bestand nicht nur darin, dass er als Junge in diese Welt geboren worden war, sondern auch ein kränkelndes Kind zu sein. Seine halbe Kindheit hatte er im Krankenhaus zugebracht, was wohl einer der Gründe war, dass es ihm auch jetzt noch schwer fiel, soziale Kontakte zu knüpfen. Davon abgesehen war seine Erscheinung nicht gerade unauffällig. Er war ein kleiner, dürrer Junge, der mit seinen 16 Jahren immer noch kleiner als seine ältere Schwester war. Außerdem hatte er nun blonde Haare, die ihm ins Gesicht hingen. Im Ganzen erinnerte Kyo eher an ein kleines, wildes Katzenjunges, als an einen jungen Mann aus gutem Hause, was ihn automatisch zum Opfer der grausamen Spielchen seiner Klassenkameraden machte. Der Knackpunkt war allerdings die Tatsache, dass ihn die anderen Menschen gar nicht interessierten, was er nicht mal aus Höflichkeit zu verbergen versuchte. Somit wurde er als Außenseiter abgestempelt und keiner in der Schule sprach mit ihm und selbst im Allgemeinen wurde er gemieden. Nicht einmal die zahlreichen Visuals schienen ihn akzeptieren zu wollen. Das störte Kyo aber genauso wenig, solange seine Familie für ihn da war. Es war ihm zwar klar gewesen, dass sein Verhalten nicht richtig war. Aber was war schon richtig? Miyaku und Kyo hatten sich das Demotape angehört, als ihr Blick auf die Uhr fiel und es wurde ihnen bewusst, dass es bereits ziemlich spät bzw. früh war. Sie konnten der Müdigkeit kaum noch standhalten. Deshalb machten sie es sich auf dem ausgebreiteten Futon gemütlich und beschlossen zu schlafen. Kyo kuschelte sich wie immer an seine Schwester. „Gute Nacht.“ wünschte er seiner Schwester noch, bevor sie kurz darauf im Land der Träume schwebten. Es war kurz nach vier Uhr, als Kyo plötzlich von einem undefinierbaren Geräusch aus dem Schlaf gerissen wurde. Mit riesiger Wucht riss ihn etwas von seiner Schwester weg. Benommen schüttelte er den Kopf und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. Die gleiche Kraft riss ihn wieder blitzschnell nach oben und entpuppte sich als schwarzgekleideter, maskierter Mann, der ihn offenbar ohne große Mühe über dem Boden halten konnte. Bevor der Kleinere das jedoch realisieren konnte, vernahm er die herzzerreißenden Schreie seiner Schwester. Sie schien nach ihm zu rufen... Schmerz... Dunkelheit... Blutgestank... Schwarz... Stille... Kyo schrak zusammen und öffnete schlagartig seine riesigen, mandelförmigen Augen. Sein Blick glitt hektisch umher und der Blonde stellte fest, dass er sich immer noch im Zug befand. Ihm war nicht wirklich klar, ob er wegen der wachsenden Übelkeit oder durch das nervtötende Geräusch des bremsenden Zuges geweckt wurde. Seine Alpträume waren wie immer grausam und erschreckend real, jedes kleine Detail durchlebte er wieder und wieder. Sogar der widerwärtige Blutgeruch, die Schmerzen an seinem Hinterkopf, die durch den Schlag ausgelöst worden waren, und, was am schlimmsten war, die verzweifelten Schreie seiner Schwester wiederholten sich in seinen Träumen. Sein Körper schien bei jedem Mal stärker zu zittern. Kyo blickte abwesend an die Decke, ließ dann seinen Blick schweifen und betrachtete die von außen feuchte Fensterscheibe. Der Regen hinterliess deutlich seine Spuren und die Tropfen stachen deutlich hervor. In dem matten Glanz der Scheibe spiegelte sich die kleine Gestalt wieder. In seinen fast nachtschwarzen Augen, in welchen vor sechs Wochen das Schimmern verloschen war, spiegelten sich nur die Lichter einer kleinen, unbekannten Stadt. Langsam beruhigte sich sein Atem. Bilder und Eindrücke, die ihm den Schlaf raubten, verblassten allmählich. Kyo schaute gleichgültig auf die vorbeirauschenden Lichter, die ganze Welt schien unbeteiligt an ihm vorbei zu ziehen. Sein kleines Universum war in jener Sommernacht zerbrochen, als die Menschen, die ihm in seinem Leben als einzige etwas bedeutet hatten, in den Tod gerissen wurden. Das einzige, was Kyo noch geblieben war, waren die Erinnerungen an sie und eine alles zerfressende Leere. ...Nichts... rein gar nichts. Nicht einmal der Schmerz schien seiner Seele noch inne zu wohnen. Er hatte den Eindruck, dass sein ganzes Inneres zu Staub zerfallen war und seine Gefühle für immer verstummt waren. Eine Frage brannte in Kyo. Weshalb war er noch hier und nicht wie seine Familie einfach verschwunden? Ob er jemals eine Antwort auf diese Frage finden würde, wusste der Blonde nicht. Im Moment interessierte es ihn auch nicht wirklich. Er wollte nur eins, friedlich einschlafen und nie wieder aufwachen. Vielleicht würde er auf der anderen Seite seine Lieben wieder treffen.. Aber er hatte sich darüber noch nicht wirklich Gedanken machen können, denn sein Vater, den er noch nie zu Gesicht bekommen hatte, liess ihm keine Möglichkeit dazu. Vor ungefähr einer Woche wurde er von ihm aus dem Waisenhaus, dieser kleinen Hölle, geholt und hierher geschickt. Sein Vater behauptete, er habe nichts von Kyos Existenz gewusst, sonst hätte er sich bereits eher um ihn gekümmert. Er könne ihn jedoch unmöglich bei sich aufnehmen, denn das würde nicht nur seinem, sondern auch dem Ruf seiner Familie schaden. Dem Kleineren war das im Prinzip gleichgültig, also widersetzte er sich dem Willen seines Vaters nicht und liess sich in einer Gastfamilie unterbringen. Kyo lächelte bitter. Er schloss wieder seine Augen und döste ein Weilchen, bis er das kleine Städtchen Kimitsu erreichte, das für die nächsten Jahre sein Zuhause werden sollte. Mit einem einzigen Koffer als Gepäck stieg Kyo aus und schaute sich zunächst auf dem scheinbar leeren Bahnsteig um. Es war ihm die Fahrt so unendlich kalt gewesen, dass er mit jedem Windhauch am ganzen Körper erzitterte. Plötzlich nahm er eine Bewegung auf dem menschenleeren Bahnsteig wahr und wand sich abrupt um. Zwei lächelnde Personen näherten sich ihm. Die kleinere von beiden hatte lange, schwarzglänzende Haare und verbeugte sich leicht vor Kyo. Die größere Person schaute ihn nur freundlich an. Wie sich herausstellte, handelte es sich um seine Gasteltern. Kyo konnte erkennen, dass die Frau dasselbe Parfüm wie seine Mutter benutzte, auch wenn nur ein Hauch davon in der Luft lag. Irgendwie erinnerte ihn die zierliche fremde Frau an seine Mutter. War es wegen ihres Geruchs, ihrer Haare oder des mütterlichen Lächelns? Er wusste es nicht genau, aber ihr Anblick tat ihm weh. Es schmerzte ihn, sie anschauen zu müssen. Aber er konnte seinen Schmerz gekonnt verbergen, so wie immer. Er verschloss sich Fremden gegenüber und setzte seine Maske der Gelassenheit auf. Im Gegensatz zu seiner Mutter trug seine Gastmutter westliche Kleidung, was den Anblick für den Blonden etwas erträglicher machte. Schweigsam folgte Kyo seinen Gasteltern und stieg mit in ihr großes Auto. Nach einer kurzen Fahrt erreichten sie sein neues Zuhause. Misstrauisch musterte er das Haus, welches nun sein Heim sein sollte. Es handelte sich um ein Einfamilienhaus, das nach westlichem Vorbild erbaut worden war. Eigentlich sahen alle Häuser links und rechts der Straße aus, als wären sie einem amerikanischen Grundstückskatalog entsprungen. Die Einfahrt führte zu der Eingangstür. Davor erstreckte sich ein Stück Garten, mal mit Beeten, mal nur als Grünfläche. Dem Blonden gefiel das alles nicht. Er war an so etwas nicht gewöhnt. Allerdings war dieses Haus gewiss viel besser als das Waisenhaus. Seine Gastmutter zeigte ihm sein neues Zimmer und meinte, er könne sich dort erholen. Dabei hatte sie das seltsame Gefühl, etwas vergessen zu haben, wusste aber nicht genau was. Leicht den Kopf schüttelnd und mit einem Lächeln im Gesicht wünschte sie Kyo eine gute Nacht und verließ das kleine Zimmer. Kyo liess seinen Koffer einfach neben dem Bett stehen und schaute sich nur kurz in dem Raum um. Sein Körper war schwer vor Müdigkeit, so dass er das lästige Licht ausschaltete und sich auf das Bett fallen liess. An Betten war er ebenfalls nicht gewöhnt, wie auch an westlich orientierte Häuser. Es fühlte sich jedoch besser an, als er es sich vorgestellt hatte: das weiche Kissen, die Decken und die Matratze fühlten sich angenehm an. Vermutlich, weil er die Augen kaum offen halten konnte, war ihm nicht aufgefallen, dass das Zimmer offensichtlich bewohnt war. Denn es war voll von seltsamen Gegenständen, in der Ecke stand eine rote E-Gitarre und Poster zierten die Wände. Kyo entledigte sich seiner Kleidung und schlüpfte unter die Decke. Dabei fiel ihm ein seltsam fremder, aber angenehmer Geruch auf. Der Blonde fragte sich, was wohl die Quelle dieses Geruchs war, kam aber zu keinem Schluss. Es war weder Parfüm noch etwas ähnliches. Er schnupperte noch kurz an dem Kissen und stellte fest, dass dieser Duft eine unheimlich beruhigende Wirkung auf ihn hatte. Nach wenigen Augenblicken war er bereits tief eingeschlafen, ohne dass ihn diesmal Alpträume heimsuchten... Für Die war es eine lange Nacht gewesen, eine verdammt lange sogar. Nicht nur dass Kaoru ihn schon wieder die ganze Zeit auf die Tanzfläche geschleift hatte und sie mal wieder um die Wette gesoffen hatten; nein, er hatte ihn auch noch unverschämterweise mit irgendeinem Mädchen bekannt gemacht. Das Mädchen war wie alle andern auch, die Die schon öfters in solchen Clubs kennen gelernt hatte. Sie waren alle sofort angetan von seinem Charme, seinem guten Aussehen und wollten sofort mehr von ihm. Tja, wie er zu sagen pflegte, konnte er zu einem hübschen Mädchen doch nicht „nein“ sagen. Auf diese Weise hatte er mit ziemlich vielen Bekanntschaft gemacht und zählte somit zu einem der größten Herzensbrecher des kleinen Städtchens. Das hielt die Mädchen jedoch nicht davon ab, ihm trotzdem ständig nachzulaufen. Diese Nacht war es wieder ein neues Mädchen, oder kannten sie sich schon von früher? War er das erste Mal bei ihr? Die hatte diesmal ganz schön viel getrunken und wusste es nicht mehr so genau. Er erinnerte sich nur daran, wie er in einem grusligen rosa Zimmer erwacht war und ihn eine riesige Hello-Kitty-Plüschfigur von dem Bücherregal psychopatisch anglotzte. Dieser Blick liess den Rotschopf erschaudern, erschrocken hatte er hektisch überlegt, wie alt wohl die Besitzerin dieses Untiers sein könnte. Er nahm endlich seinen ganzen Mut zusammen, wandte sich zu der Gestalt neben sich um und betrachtete forschend ihr Gesicht. Nach einem kurzen Augenblick atmete er erleichtert auf und liess seinen Kopf zurück in die Kissen sinken. Die junge Frau neben ihm schien doch alt genug zu sein, ohne dass er als Perversling beschimpft oder von zornigen Brüdern oder Vätern verfolgt und zur Heirat gezwungen werden würde. Was ihn jedoch wirklich wundern würde, denn wer würde schon jemanden wie ihn als Schwiegersohn wollen? Er genoss zwar einen etwas besseren Ruf als sein bester Freund Kaoru, denn die meisten hielten ihn für eine Schwuchtel, die gern komische Klamotten trug. Aber der Ruf als oberflächlicher Dorfcasanova, der sich gern mit der Schwuchtel abgibt, war nicht gerade viel besser. Die fragte sich immer noch, warum diese Mädchen ihm immer wieder nachliefen und die Möchte-gern-Machos von der Oberstufe unbedingt seine Kumpels sein wollten. Dachten sie etwa, auf die Art hätten sie eine größere Chance, bei den Mädchen zu landen? Die zuckte innerlich mit den Schultern. Na, wie dem auch sei, dachte er sich und verliess geräuschlos das gruslige Zimmer und das Haus. Dies Blick fiel auf die Anzeige seiner Armbanduhr. 3:45 Uhr. Es war Samstag und demnach fuhren in der nächsten Zeit weder Bus noch Bahn. Er fluchte leise und entschloss sich, zu Fuß zu gehen, anstatt Geld für ein Taxi zu verschleudern. Es waren ja „bloß“ ungefähr 40 Minuten Fußmarsch bis zu ihm nach Hause. Knurrend und etwas bibbernd machte er sich auf den Weg. Die kochte vor Wut, so dass ihm die Kälte um seinen Körper und sein Frieren nicht auffiel. Er seufzte und vergrub beschämt seine Nase in dem weichen Schal, ein Andenken an das erste Konzert, das er mit Kaoru besucht hatte, und den er seit seinem 16. Lebensjahr fast immer bei sich trug. <... ich habe mich ja selbst abschleppen lassen. Niemand hat mich gezwungen...> Wie jedes Mal begann er sich zu fragen, warum er es wieder getan hatte und wie jedes Mal fühlte er sich so leer, wenn er allein nach Hause lief. Allein.. Plötzlich blieb der Rothaarige mitten auf der Straße stehen und schaute sich um. Es war niemand da, der ihn hätte begleiten können. Nicht mal Kaoru. Er schüttelte den Kopf und setzte sich wieder in Bewegung. Auf einmal fiel es Die wie Schuppen von den Augen, weshalb Kaoru ihn ständig in Clubs mitschleppte und ihn ständig unter Leute bringen wollte. Die hatte keine Geschwister, so dass sein guter Freund Kaoru die Rolle seines großen Bruders einnahm, dabei hatte dieser ständig versucht, seinem jüngeren Freund etwas beizubringen. Diesmal hatte er wohl versucht, ihm verstehen zu geben, dass Die eine der wichtigsten Lebenserfahrungen, nämlich eine richtige Beziehung, fehlte. Die grinste bitter vor sich hin. Oh ja, Die hasste diese Frau wirklich. Sie war wohl der einzige Mensch auf dieser Welt, den er bis jetzt aus ganzem Herzen hasste. Schon allein bei dem Gedanken an sie fielen ihm nur derbe und vulgäre Ausdrücke ein. Er konnte einfach nicht nachvollziehen, warum Kaoru ständig auf sie reinfiel. Kurz bevor Die das Haus, in dem er lebte, erreichte, fing es auf einmal heftig an zu regnen. Der Rothaarige beschleunigte seine Schritte, während der Regen unter seine Kleidung kroch. In Windeseile befand er sich vor der Eingangstür, die durch ein Vordach regengeschützt war. „Brrrr.“ Er schüttelte heftig seinen Kopf, so dass einige Wassertropfen seine feuerrote Löwenmähne verließen und auf den inzwischen feuchten Boden landeten. Eilig suchte er in seinen Taschen nach dem Schlüssel, fand ihn endlich und öffnete die Tür. Möglichst leise und unauffällig, um niemanden zu wecken, schlich er sich ins Haus, die Treppe hinauf und in sein Zimmer. Es war warm und stockdunkel in dem kleinen Raum. Die verspürte keine Lust, das Licht anzuschalten und steuerte geradewegs sein Bett an. Unterdessen zog er sich seine nassen Klamotten aus und schmiss sie achtlos zu Boden. Als er sein Bett erreichte, liess er sich erst einmal auf die Decke fallen, wobei sich seine Augen automatisch schlossen. Leicht überrascht stellte er fest, dass die Decke sich seltsam warm anfühlte. Vermutlich hatte er es sich nur eingebildet, weil ihm so kalt war. Schwerfällig von der Müdigkeit drehte er sich um und wollte unter die Decke schlüpfen, als er etwas Warmes und Weiches in seinem Bett entdeckte. Es war ihm aber in dem Moment ziemlich egal, was das denn nun war, denn sein Körper verlangte nach Schlaf und schrie förmlich danach. Schließlich schlüpfte er unter die Decke, kuschelte sich automatisch an die Wärmequelle und war auch schon eingeschlafen. Die träumte irgendetwas Merkwürdiges. Es war, als würde er nach etwas furchtbar Wichtigem suchen und als würde er es auch finden. Doch als er es kurz in den Händen hielt, entglitt es ihm wieder. Die konnte sein Objekt der Begierde nicht genau erkennen, aber es roch bittersüß und fühlte sich warm und weich an... Plötzlich wurde er von einem starken Schmerz, den er im Nacken verspürte aus seinem Traum gerissen. Verwirrt fand er sich auf dem Boden wieder und die Decke über ihm schien sich zu bewegen und ein leises Knurren von sich zu geben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)