High-School-Crash-Kurs von Himeka ================================================================================ Kapitel 7 --------- Krankenhaus gleich Tod. Es war das erste, was ihm durch den Kopf ging, doch er sagte nichts. Nichts wäre der ungewissen Situation gerecht geworden. So wartete er ab, was kommen würde, während seine Hände vor Angst feucht wurden. Auf seinem Gesicht sah man allerdings nichts von diesem inneren Dämon. „Deine Großmutter wurde während der Mittagspause von einem Auto angefahren und liegt im Koma.“ Der Direktor wusste nicht, wie er es schonender hätte ausdrücken können. „Im Biyoin-Krankenhaus. Du solltest da allerdings nicht allein hinfahren. Gibt es jemanden, den du mitnehmen könntest?“ Diese Worte nahm er längst nicht mehr wahr. Die Augen weit aufgerissen, entsetzt und bewegungsunfähig stand er im Raum und starrte blind vor sich hin. „Kuroyuki-kun?“ Wie betäubt drehte er sich um, den Mann vor sich ignorierend, riss die Tür auf und rannte los, durch die Flure, Gänge, hinaus, zum Bus, ohne etwas wahrzunehmen. Der Bus war jedoch gerade weg, so lief er einfach weiter. Angst, Sorge, Panik schwirrten durch seinen Kopf. Und: /Sie. Darf. Nicht. Tot. Sein. Dass lass ich nicht zu!/ Kojirô wartete vor der Tür. Er lief unruhig auf und ab, als auf einmal die Tür aufgerissen wurde und er einen Schatten an sich vorbeirennen sah. Er rannte Yashiro sofort hinterher. Er musste zugeben, dass der Jüngere nicht gerade langsam war. Aber Kojirô schaffte es trotzdem locker, an ihm dran zu bleiben. Selbst als er den Bus erreicht hatte, welcher gerade weggefahren war, lief er weiter. Yashiro hörte einfach nicht auf zu rennen. Kojirô legte noch einen Zahn drauf, überholte ihn, und zwang ihn dazu zu stoppen, indem er sich vor ihn stellte. Ob das so eine gute Idee war, würde sich zeigen. Yashiro nahm nur am Rande wahr, dass da plötzlich jemand vor ihm stand, aber zum Reagieren war es schon zu spät. Ohne noch irgendwas tun zu können, rannte er mit voller Wucht in ihn rein. Kojirô verlor das Gleichgewicht unter den Füßen und fiel auf den Boden, Yashiro oben drauf. Der Schwarzhaarige versuchte, sich aufzurappeln, verfing sich mit einem Fuß aber in einer Stofffalte von Kojirôs Jacke und schlug der Länge nach hin. Verzweifelt und von panischer Sorge beseelt, schlug er um sich, um den vermeintlichen Angreifer loszuwerden. „Hey, jetzt bleib doch mal ruhig.“ Kojirô wusste erst mal nichts anderes zu sagen, um ihn zu beruhigen, und sich vor den panischen Schlägen zu retten. Also musste er sich dazu durchringen. Yashiro war total in Panik verfallen..... und Kojirô gab ihm eine saftige Backpfeife. „Verdammt, jetzt beruhig dich mal wieder! Egal was passiert ist, es wird niemanden Helfen, wenn du hier so durchdrehst!“ Die Backpfeife saß. Und wie. Wie in Trance hob Yashiro die Hand und langsam fokussierten sich seine Augen auf den Halbjapaner vor sich. Trotzdem dauerte es noch fast eine Minute, bis er ihn wirklich erkannte. „Kojirô...“ „Ja, ich bin es! Und du scheinst jetzt wieder etwas bei Verstand zu sein.“ Yashiros Augen wurden wieder klar. „Was ist den eigentlich passiert?“ Unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, weiteten sich seine Augen wieder. Stimmt ja! Er musste... „Ins Krankenhaus.“, sagte er tonlos und stand auf, lief einfach wieder los. Immerhin war seine blinde Panik jetzt klarsichtige, kalte, berechenbare Angst. Besser. Oder? Krankenhaus? Was wollte er im Krankenhaus? Dann fiel es Kojirô wie Schuppen von den Augen. Seine Großmutter! Um was anderes konnte es gar nicht gehen. Kojirôs Augen weiteten sich. „Welches Krankenhaus?“, fragte er dann schnell. „Biyoin!“, rief Yashiro zurück, während er einfach weiterlief. Er wusste, wo das Krankenhaus lag, hatte sich extra darüber informiert, als sie hergezogen waren. Für einen solchen unwahrscheinlichen Fall. Unwahrscheinlich und trotzdem war es eingetroffen. ... Kojirô kannte das Krankenhaus auch. Seine Mutter hatte ihm aus Sorge alle Krankenhäuser rausgesucht, als er in das Internat gekommen war. Er heftete sich an Yashiros Fersen und folgte ihm weiter. Auf halben Weg erreichten sie von hinten den Bus und stiegen ein, fuhren die letzte Strecke, bis fast vor die Tür. Yashiro sprang aus dem Bus und überfiel die Dame am Empfang förmlich mit der Frage, wo seine Oma war. Ihre Antwort hatte Yashiro fast dazu gebracht, sie anzuspringen und zu erwürgen. „Sie können jetzt nicht zu ihr, die Dame liegt in der Not-OP und wird operiert. Am besten, Sie gehen in die Cafeteria und warten dort, trinken vielleicht ein bisschen...“ Rücksichtsvoll wie ein Elefant im Porzellanladen, wirklich! Kojirô nahm ihn bei der Hand und brachte ihn zu den Wartestühlen. Vorher hatte er der Dame allerdings einen Blick zugeworfen, der es in sich hatte. Er holte Yashiro noch einen Becher Wasser und setzte sich dann neben ihn. Doch lange blieb Yashiro nicht sitzen. Er knallte den Becher auf den kleinen Tisch und rannte wieder hinaus zu der Frau. „Ich will wissen, wie es ihr geht und was passiert ist!“, forderte er. Die Frau schickte ihm einen Blick. „Ach ja? Fragen Sie doch die Zeugen.“ „Können vor Lachen. Ich kenn doch nicht mal ihre Namen.“ „Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.“, erwiderte sie. „Gehen Sie jetzt, Sie halten alles auf!“ Yashiro ging. Direkt in Richtung Not-OP. „Hey. Sie können da nicht lang!“ Doch das war Yashiro egal. Kojirô lief die ganze Zeit hinter Yashiro her. Er verstand dessen Unruhe, wüsste er selbst nicht, was er in solch einem Fall machen würde. Als er dann jedoch Mitten in den Operationssaal gehen wollte, hielt er ihn auf. „Hey, das geht nicht! Du würdest sie nur stören. Was wäre, wenn sie dadurch einen Fehler machen würden?“ Kojirô packte Yashiro energisch an der Schulter und zog ihn mit sich. „Lass mich los! Ich muss ihr helfen! Ich bin der Letzte, den sie noch hat!“, rief Yashiro und stemmte sich gegen ihn. „Bitte!“, setzte er nach und dann fast flehentlich: „Bitte!“ Kojirô nahm ihn jetzt richtig in den Arm. „Nein. du kannst im Moment nichts anderes für sie tun, als an sie zu glauben. Glaube daran, dass sie die Kraft hat und weiterleben will.“ Yashiro tat ihm leid. Diesem Jungen blieb auch nichts erspart. Yashiro starrte vor sich hin, als sich die Arme um ihn schlossen, stoisch, unnachgiebig, aber als er die Worte vernahm, überwältigte ihn alles. Tränen traten in seine Augen, seine Finger krallten sich in Kojirôs Jacke und er klammerte sich an ihn. Er wollte ja daran glauben, aber... es war doch nie so gewesen. Bei seiner Mutter nicht, bei seiner Schwester nicht... und sein Kaninchen damals hatte es auch nicht überlebt. Wieso sollte er sich an falsche Hoffnungen klammern, wenn die Hoffnung, wird sie zerstört, umso mehr verletzte. Kojirô stand mit Yashiro vor der OP-Tür. Der Kleinere klammerte sich völlig fertig an ihn und Kojirô stutzte für einen Augenblick, als er eine Veränderung bemerkte. Das Licht über der Tür war erloschen. Kojirô bugsierte Yashiro ein wenig aus dem Weg, damit die Ärzte mit der Großmutter aus dem Raum fahren konnten. Sie mussten nicht lange warten, bis sie Schatten hinter der Tür sahen. Yashiro hob ebenfalls den Kopf, hatte er Geräusche gehört und bemerkte im nächsten Moment das erloschene Licht. Sie waren fertig! Zittrig ließ er Kojirô los, machte einen Schritt auf die Tür zu und wischte sich die Tränen aus den Augen, als er mit hoffnungsvollem Lächeln die Ärzte erwartete. Sie kamen, allesamt fertig und ganz und gar nicht zuversichtlich. Einer der Ärzte kam zu ihnen. „Sind sie Verwandte von Frau Kuroyuki?“ Yashiro nickte. „Wie geht es ihr?“, fragte er atemlos. „Sie ist in einer kritischen Phase... Wenn sich ihre Werte nicht bald stabilisieren, sehe ich schwarz.“ Sprachlos, fassungslos, angstvoll, ohnmächtig. All das war in seinen Augen zu lesen, als er sich Kojirô zuwandte. „Bleibst du... hier? Bleibste mit mir hier?“, fragte er zittrig. „Wenn du das möchtest, auf jeden Fall.“ Kojirô nahm Yashiros zittrige Hand. Dann nannte der Arzt ihnen die Nummer des Zimmers, in welches die Großmutter jetzt gebracht werden sollte. Beide machten sich auf den Weg um das Zimmer zu suchen. Als sie es schließlich erreichten, war Yashiro längst in einem Zustand völliger Akzeptanz. Sie traten ein und Yashiro wandte sich mit ein paar leisen, gezwungen leichten Worten an seine Oma. Leise, vorsichtig und behutsam nahm er ihre kalte Hand und drückte sie leicht. „Was machst du nur für Sachen?“, fragte er leise, lächelte. „Was soll ich denn ohne dich tun? Du kannst mir doch keinen solchen Schrecken einjagen.“ Er sank neben ihr auf die Knie und begann ihr aus der Vergangenheit zu erzählen, leise, ruhig, bis ihm die Worte ausgingen. Irgendwann wurde er müde und dämmerte weg, immer im Wissen, dass Kojirô an seiner Seite war. Und er war da. Er beobachtete die beiden die ganze Zeit. Als Yashiro endlich einschlief, beruhigte auch Kojirô sich ein wenig. Er ging kurz auf die andere Seite des Bettes und flüsterte der Oma ein paar Worte ins Ohr: „Lassen sie ihn bitte nicht allein! Aber sollten sie nicht mehr die Kraft dazu haben, werde ich mich um Yashiro kümmern. Ich mag ihn... Ich mag ihn wirklich.“ Dann ging er kurz vor die Tür, um sich etwas zu trinken zu holen und sich frisch zu machen. Er durfte nicht schlafen. Er musste unbedingt über Yashiro wachen. Als er wieder ins Zimmer kam, nahm er sich den einen Stuhl, der in der Ecke stand, und setzte sich neben Yashiro. Er beobachtete die beiden und hatte so gegen Morgen das Gefühl, aus Richtung der Oma eine Bewegung wahrzunehmen. Kurze Zeit später erstrahlte der Raum in vielen blinkenden Lichtern und ein durchdringendes Piepen ließ Yashiro aus seinem Schlaf hochschrecken. Er schreckte hoch. Piepen, hell, lang anhaltend, durchdringend. Im nächsten Moment Panik. In den nächsten Minuten bekam er nicht mit, was passierte. Er wusste weder, dass er schrie, noch dass er wieder weinte, weder dass Kojirô ihn von der alten Frau wegzog, noch dass die Ärzte sie beide hinauswarfen. Auch dass man ihn vernahm und ihm Fragen stellte, nahm er nicht wahr. Er war apathisch. Total. Er bekam nicht einmal mit, wie ihm eine der Schwestern ein Beruhigungsmittel verabreichte, um seine Schreie zu stoppen. Nicht einmal, dass er daraufhin plötzlich einschlief. Es war grauenvoll mit anzusehen. Yashiro, der total durchdrehte, und Kojirô, der neben ihm stand und nicht viel zu tun wusste, als ihn zu umarmen, um ihn zu beruhigen und zu verhindern, dass er wie verrückt um sich schlug. Allerdings half das alles nichts. Erst nachdem er ein Beruhigungsmittel bekam und einschlief, kehrte ein wenig Ruhe ein, weil sowohl seine Schreie als auch sein Weinen langsam verklangen. Kojirô war die ganze Zeit bei ihm. Selbst als er schlief, und Kojirô eigentlich auch schlafen sollte, nahm er Yashiros Hand und saß die ganze Zeit neben dem Bett, in dem er lag. Irgendwann merkte Kojirô eine starke Müdigkeit in sich aufsteigen, versuchte aber mit allen mitteln, sie zu vertreiben. Er holte sich Kaffee und wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht. Er musste durchhalten. Er hatte es der Oma versprochen... und sie hatte doch noch die Hand gehoben, wie zur Zustimmung. Oder hatte er sich das alles nur eingebildet? Als Yashiro sich wieder aus dem Land der Träume wagte, stellte er zuerst fest, dass der Schmerz in seiner Brust längst nicht mehr so zerstörerisch war, eher war es ein dumpfes Pochen in seinem Inneren. Aber da war auch noch etwas anderes. Eine unbestimmte Wärme. Er schlug die Augen auf und erblickte im nächsten Moment Kojirô neben seinem Bett. Er saß auf einem Stuhl, der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, lange Wimpern lagen fächerförmig auf den Wangen und der Mund war leicht geöffnet. Und immer noch hielt er seine Hand. Die Wärme in seinem Herzen nahm zu, lenkte seine Gedanken von dem Schrecken in der letzten Nacht fort, ließ ihn vergessen, was seinen Geist bedrückte. Es war, als würde Kojirô es einfach verdrängen. Vorsichtig setzte Yashiro sich auf, ohne die Hand loszulassen, die ihn hielt. Wieso? Wieso war er immer da? Wieso kümmerte er sich um ihn, obwohl er am Anfang doch wirklich gemein zu ihm gewesen war? Wieso tat er so viel für ihn? Obwohl er doch nie etwas zurückgab? Wieso opferte er sich so für ihn auf? Für nichts und wieder nichts. Er hatte einmal gesagt, dass er sich... zu ihm hingezogen fühlte... Ob es vielleicht das war? Tat er es... aus Liebe? Unwillkürlich wanderten seine Augen zu den Lippen des anderen, den Augen, die so vertrauensvoll geschlossen waren. Ob... ob er ihn immer noch liebte? Plötzlich zog sich sein Herz zusammen und er senkte den Kopf. Was empfand er eigentlich für den anderen? Immerhin hatte er ihm alles gesagt, oder? Alles über sich. Und er fühlte sich wohl in seiner Gegenwart, oder? Ja! Er hob den Kopf wieder und krabbelte näher zu ihm. Kojirô war so lieb zu ihm. So.. lieb. Es überfiel Yashiro wie einen Eimer Eiswasser, als er sich ein wenig vorlehnte und unglaublich vorsichtig erst mit den Fingern über die weichen Lippen fuhr und ihn letztendlich küsste. Allein diese simple, behutsame Berührung sandte tausende elektrisierende Schauer über seinen Rücken. Kojirô spürte eine leichte Wärme über seine Lippen wandern, bis sie schließlich durchdringend wurde. Als sich diese Wärme von seinen Lippen löste, schlug er die Augen auf und sah Yashiro vor sich sitzen. Er hatte ihn... geküsst. Es schien Yashiro wieder besser zu gehen. Er war nicht mehr so blass und die dunklen Ringe unter seinen Augen waren auch verschwunden. Kojirô war froh, ihn so zu sehen. Als sich die blauen Augen plötzlich öffneten, wurde Yashiro erst wirklich bewusst, was er gerade getan hatte. Er hatte einen Jungen... geküsst. Geküsst! Ihn... /Oh mein Gott!/ Er wich ein Stück zurück, senkte den Blick und wandte sich ein bisschen ab. Oh je. Was nun? Was hatte er sich dabei nur gedacht? „Entschuldige...“, murmelte er kaum hörbar. Mann, war ihm das peinlich! Kojirô wusste nicht, was er sagen sollte. Er nahm eine Hand, legte sie Yashiro unters Kinn, hob so seinen Kopf und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. Diese großen, runden, schwarzen Augen, in denen Kojirô beinahe versank. Yashiro war einfach unglaublich. Er schaffte es in jedem Augenblick, Kojirôs Kopf so lehr zu saugen, dass nur er darin Platz hatte. Es übermannte ihn, als wäre ihm ein Baseballschläger über den Kopf gezogen worden. Er liebte Yashiro. Und zwar noch mehr als vorher. Die warmen Finger unter seinem Kinn ließen Yashiro zusammenzucken. Er blickte in die Augen seines Freundes, hatte Angst davor, was er darin sehen würde, Angst vor Verachtung, Angst vor Hass. Er fand nichts dergleichen. Irgendetwas anderes, aber keinen Hass. Tränen sammelten sich in seinen Augen und eine stahl sich über seine Wange, rann über die Haut und tropfte schließlich auf die Decke, auf der er noch immer saß. Irgendwie fühlte er sich fürchterlich, innerlich zerrissen. Einerseits hatte er das gewollt und irgendwie auch genossen, aber andererseits... Er hatte Kojirôs momentane Hilflosigkeit ausgenutzt, sein Schlafbedürfnis, das nur da war, weil er ihm solche Probleme machte. Und das auch nur, weil er das plötzliche Bedürfnis danach gehabt hatte, die Einsamkeit in sich zu vertreiben. Denn so kam es ihm vor. Immer noch. Er nutze den anderen aus. Und das schon die ganze Zeit. Seit sie sich kannten. Immerzu. Weil er so selbstsüchtig war. Seine Hände krallten sich in die Decke. Und trotzdem hasste Kojirô ihn nicht. Es war doch wirklich zum Verrückt werden. Womit hatte er diesen Jungen verdient? Und vor allem... hatte Kojirô es wirklich verdient bei ihm zu sein? Langsam hob er die Hand, strich damit hauchzart über die Wange des anderen. „Du... solltest das nicht tun.“, erklärte er leise und eine weitere Träne rann über seine Wange, während er lächelte. „Es ist nicht gut für dich. ... Ich... ich bin verflucht. Wenn du weiter bei mir bleibst, wirst auch du sterben und... das willst du doch nicht. Oder?“ „Woher willst du wissen, was gut und was nicht gut für mich ist?“ Kojirô hasste es, dass Yashiro ständig so negativ dachte. Er sah die Träne über seine Wange laufen und wischte sie vorsichtig mit seinem Daumen weg. „Ich liebe dich. Und ich würde für dich das Opfer bringen. Ich würde alles für dich riskieren, also hör auf, da irgendwelche Dinge reinzuinterpretieren.“ Kojirô sah Yashiro in die Augen. „Ich bleibe bei dir, weil ich dich liebe und mir wird nichts passieren.“ Dann legte er seine Lippen sanft auf die seines Freundes. Nichts passieren? Wie gerne würde er das glauben. Wie gerne genau das akzeptieren.... Aber er vertraute ihm doch, nicht? Seine Augen schlossen sich und er ließ sich fallen. Wenn Kojirô sagte, dass ihm nichts passieren würde, dann... hatte er doch Recht damit. Oder? Oder etwa nicht? Für den Moment war es ihm egal und die bohrende Frage verkam zur Nebensächlichkeit, als sein ganzes Denken von Kojirô und dem Gefühl von dessen samtenen Lippen auf seinen in Anspruch genommen wurde. Kojirô dachte an nichts anderes, als an Yashiro. Die Gefühle für den anderen übermannten ihn einfach und er konnte rein gar nichts dagegen tun. Kojirô hob Yashiro vom Bett und trug ihn nun auf den Armen. Die Wärme des anderen tat ihm sichtlich gut. Wie aus Reflex schlang Yashiro seine Arme um Kojirôs Hals, lehnte sich gegen seine Schulter. „Wohin gehen wir?“, fragte er leise, kaum verständlich gegen seinen Hals, drückte seine Nase dagegen. War schon ein schönes Gefühl. Er war schwerelos... „Ich weiß nicht... erst mal raus aus dem Krankenhaus. Wahrscheinlich zur Schule. Da haben wir zumindest vorerst Ruhe.“ Die beiden verließen das Krankenhaus und gingen zur Bushaltestelle. Der Bus kam auch schon kurze Zeit später. Sie stiegen ein und fuhren den Weg bis vor die Schule. Dann gingen sie schnellstens in Kojirôs Zimmer. Und die ganze Zeit über schwiegen sie, auch jetzt noch. Yashiro ließ sich auf das Bett fallen und wartete. Wartete... auf nichts. Er wusste noch, dass er dabei war, etwas zu tun, was er bereuen würde, dass er dadurch jemanden verlieren würde, aber er wusste nicht mehr was genau. Und eigentlich war es ihm auch egal. Seine Augen suchten und fanden recht bald Kojirôs, wanderten dann zu dessen Lippen... Und auch Kojirô suchte Yashiros Augen und sah sie. Groß. Schwarz. Einfach zum knuddeln. Er setzte sich neben ihn aufs Bett und nahm seine Hand. Dann ließ er sich nach hinten fallen und zog Yashiro mit sich. Fast erschrocken riss der Junge die Augen auf, war es doch ein Einbruch in seine Apathie. Doch dann begann er zu lächeln, drehte sich zur Seite, dass er Kojirô ansehen konnte und kuschelte seinen Kopf gegen dessen Brust. Kojirô legte seine Hand auf Yashiros Rücken und zog ihn so noch enger an sich. Der andere fühlte sich gut an und Kojirô genoss es in vollen Zügen, ihn zu berühren und zu spüren. Sekundenlang herrschte Schweigen, dann sprach Yashiro aus, was er dachte: „Du bist ganz warm. Das ist irgendwie schön.“ Längst hatte er die Augen geschlossen. Wie ein stetiger Tropfen auf einen völlig still liegenden See, drang Kojirôs Anwesenheit auf seine Seele ein, verursachte seichte, angenehme Wellen. „Ich mag dich.“ Hatte er ihm das nicht schon mal gesagt? Früher mal. Ganz früher... Irgendwann einmal... Dieses Kompliment trieb Kojirô die Röte ins Gesicht. Diese Offenheit von Yashiro erstaunte ihn, aber er dachte nicht weiter darüber nach. Er drehte Yashiros Kopf zu sich, strich ihm mit zwei Fingern über die Wange, blickte ihm die tief in die Augen und hauchte ihm dann einen Kuss auf die Lippen. Auf diese wunderschönen, warmen Lippen. „Ich mag dich auch sehr gern. Ich liebe dich. Wenn du bei mir bist, geht für mich die Sonne auf.“ Yashiro starrte ihn an, wusste einfach nicht, was er angesichts dieser Worte sagen sollte. Er hatte es ja gewusst, wusste dass er ihn liebte, wo er das doch schon einmal von ihm gesagt bekommen hatte. Aber solche Worte... Seine Lippen verzogen sich zu einem engelsgleichen Lächeln, bevor er den Kuss ebenso zart zurückgab. Wieder überfiel ihn ein Deja-vú. Leuchtende Augen, eine Hand, die ihm etwas entgegenstreckte. Was war das nur? Sah aus wie eine Kette. Dann schliefen die beiden Arm in Arm und mit einem Lächeln auf den Gesichtern ein. Nachts machte Kojirô ein paar Mal die Augen auf, um in Yashiros schlafendes Gesicht zu blicken. Er sah so... schön aus. Wie ein Engel in Menschengestalt. Er strich dem Schlafenden sanft übers Gesicht und schloss dann wieder die Augen. Am nächsten morgen wurde er von der in sein Zimmer scheinenden Sonne geweckt. /Ich sollte mir Rollos anschaffen.../, murrte Kojirô in Gedanken. Die sonne störte Yashiro wenig, auch die Bewegungen nicht. Im Gegenteil. Sein Hirn und damit sein Unterbewusstsein hatten sich damit abgefunden, dass er nicht in Gefahr war, weshalb er tief und friedlich schlief. Allerdings krallten sich seine Finger in Kojirôs Hemd fest, nicht gewillt, die Wärmequelle vor sich gehen zu lassen. Als Kojirô sich aufrichten wollte, merkte er sofort Widerstand an seiner Seite. Yashiro hatte sich in sein Hemd gekrallt. Kojirô fing unbewusst an zu lächeln und lehnte sich wieder zurück. Er wollte Yashiro nicht wecken und beobachtete ihn noch ein bisschen. Die Idylle wurde innerhalb von Sekunden unterbrochen: Yashiro riss plötzlich die Augen auf und ließ ihn auf der Stelle los, richtete sich auf. Dann flog die Tür auf. Yashiros Blick wurde zu Eis, als der Mann rein kam, den er auf dieser Schule wohl am meisten verabscheute: Mathelehrer Takehito Kurodo. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)