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Angel´s Secret

Hunting for the Truth
von

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Double Meeting

1.Kapitel

Double Meeting
 

„Hey Haido, sag mal schläfst du?“

Hyde schlug mit einem Ruck die Augen auf und blickte direkt in die blauen Augen Gackts. Er war doch tatsächlich gerade am Einpennen gewesen. So etwas musste mal wieder ausgerechnet ihm passieren! Und dann auch noch in Gackts Gegenwart! Womit hatte er das nur verdient? Gackt grinste, sein Gesicht befand sich immer noch nur wenige Zentimeter von Hydes entfernt, welcher langsam eine rötliche Färbung annahm.

Gackts Grinsen wurde noch breiter und endlich brachte er wieder etwas Abstand zwischen sich und seinen kleinen Freund. Dieser atmete erleichtert auf.

„Sorry Ga-chan“, murmelte Hyde und schüttelte leicht den Kopf, um wieder klar denken zu können. „Ich bin nur plötzlich so müde geworden und dann sind mir die Augen zugefallen.“

„Vielleicht sollten wir dann für heute lieber Schluss machen. Schließlich will ich ja nicht, dass du meinetwegen noch Schlafentzug bekommst.“ Gackt zwinkerte ihm anzüglich zu. „Wenn dein Abend aber auch immer so lang wird, bist du selber schuld.“

Zum zweiten Mal wurde Hyde rot, was Gackt nur ein noch breiteres Grinsen aufs Gesicht zauberte. „So war das ganz bestimmt nicht!“, verteidigte sich Hyde und sah Gackt böse an. Immer, aber auch bei jeder Gelegenheit musste Gackt mit solchen Andeutungen kommen und er fiel natürlich auch jedes Mal prompt darauf rein und regte sich auf. Das war natürlich Gackts Ziel, der sich jedes Mal über Hydes beleidigten Blick königlich amüsierte. So war es dieses Mal auch nicht anders.

Eigentlich lag Gackt ja gar nicht so falsch. Die letzte Nacht war für Hyde wirklich etwas zu lang geraten. Nur aus anderen Gründen als Gackt angedeutet hatte. Doch diese Gründe würde er ihm unter keinen Umständen verraten. Nein, nur über seine Leiche.

Schnell erhob sich Hyde aus seinem Sessel, der ihm fast unfreiwillig zur Schlafstätte geworden wäre. An diesem Abend waren sie nicht wirklich viel weiter mit ihrer Arbeit gekommen. Sich einen vernünftigen Liedtext einfallen zu lassen, wenn man zum Umfallen müde war, war auch nicht gerade leicht.

Gackt und Hyde hatten vor einen Weile beschlossen mal wieder ein gemeinsames Lied aufzunehmen und jetzt hatte sich auch endlich die Zeit gefunden, um mit der Arbeit zu beginnen. Zeit schien in ihrem Beruf ein ständiger Mangel zu sein. Was auch kein Wunder war, wenn man bedachte, dass beide berühmte und erfolgreiche Sänger waren und ständig die verschiedensten Termine am Hals hatten. Eigentlich war es schon ein wahres Wunder, dass sie nun doch einen gemeinsamen Termin finden konnten.

„Ich muss sowieso noch etwas erledigen, ist also gar nicht so schlimm“, riss Gackt Hyde aus seinen Gedanken. „Was hast du denn heute noch vor, wenn ich fragen darf?“ Das ließ ihn jetzt aber doch aufhorchen. Gackt wollte noch etwas anders tun, als den Abend mit ihrer Arbeit zu verbringen. Er hatte tatsächlich noch etwas anderes eingeplant als ihn, Hyde! Diese Gedanken schien sich auf seinem Gesicht widerzuspiegeln, denn Gackt trat zu ihm und legte ihm eine Hand fast tröstend auf seine schwarzen Haare. „Nicht traurig sein Haidolein, wir machen einfach morgen weiter“, meinte er und fing auch noch an über Hydes Kopf zu streicheln. Das ging diesem dann aber doch zu weit. Hyde fragte sich zwar mit was sie weiter machen sollten, sie hatten es heute ja nicht wirklich weit gebracht, aber er musste sich jetzt nicht von Gackt den Kopf streicheln lassen wie ein kleines Kind. Er mochte zwar ein Stück (na ja vielleicht auch ein größeres Stück) kleiner sein als sein Gegenüber, aber er war immerhin noch der Ältere.

„Lass das Ga-chan! Du weist genau wie sehr ich so etwas hasse!“

Hyde trat einen Schritt nach hinten und Gackt zog traurig lächelnd seine Hand zurück. Diese Show nahm ihm Hyde aber nicht ab, dafür kannte er ihn einfach zu gut und wusste, wann Gackt seinen berühmten Mitleidsblick aufsetzte. Damit bekam er vielleicht seine Fans rum und wenn’s hoch kam noch den Produzenten, aber ihn, Hyde, auf keinen Fall!

„Meine Frage hast du aber immer noch nicht beantwortet, Ga-chan“, ließ Hyde nicht locker, ohne Gackts Blick zu beachten.

„Das ist mein Geheimnis“, meinte Gackt nur und zwinkerte Hyde mal wieder zu. Er war inzwischen wieder zu seinem üblichen Grinsen übergegangenen. Wenn Hyde nicht reagierte, machte es ihm auch keinen Spaß den Beleidigten zu spielen. Doch was er jetzt noch zu erledigen hatte, sollte er Hyde lieber nicht sagen. Er seufzte, viel lieber hätte er auch noch den restlichen Abend mit Hyde verbracht. Es hatte ihn eine große Portion Überwindung gekostet Hyde anzusprechen, nachdem ihm die Augen zugefallen waren. Denn der Anblick eines schlafenden (oder fast schlafenden) Hydes war in Gackts Augen so ziemlich das schönste was er sich vorstellen konnte. Wenn er schlief glich Hyde noch mehr einem Engel, als er es schon im wachen Zustand tat. Und allzu oft kam Gackt leider nicht in den Genuss ihn im Schlaf zu bewundern. So schwer es ihm also auch fiel, Gackt hatte heute noch etwas Wichtiges zu erledigen, das er auf keinen Fall ausfallen lassen durfte. Auch wenn die Gesellschaft mit Hyde fast nichts an Wichtigkeit übertraf, in diesem Fall musste er nachgeben.

„Wir treffen und dann einfach morgen Abend wieder bei mir. Ich bin mir sicher, uns fällt morgen auch etwas für unseren Song ein. Mach dir mal keine Sorgen und geh heute einfach ein bisschen früher ins Bett.“ Wieder das übliche Grinsen und dann legte Gackt schneller, als Hyde reagieren konnte, seine Arme um den zierlichen Körper des anderen und zog ihn an sich, um sich von ihm zu verabschieden. Hydes Herz setzte für einen Moment aus und vergaß einfach seiner Tätigkeit nachzugehen. Aber nur um dann mit doppelter Kraft drauflos-zuschlagen. Er konnte nur dafür beten, dass Gackt es nicht bemerkten würde. Ständig machte er solche Sachen. Wusste Gackt denn nicht, wie sehr er ihn damit durcheinander brachte oder tat er es genau aus diesem Grund? Hyde fand keine Antwort auf seine Frage.

Schließlich löste Gackt die Umarmung und sie gingen gemeinsam zu Tür. Nach ein paar Abschiedworten verließ Hyde Gackts Wohnung und machte sich auf den Weg zu seiner eigenen. Gackt hingegen blieb alleine zurück und ging wieder ins Wohnzimmer, um sich noch einen Moment zu setzten, bevor er los musste. Leicht lächelte er vor sich hin. Er hatte Hydes Reaktion sehr wohl mitbekommen und wusste, dass ihm seine Umarmungen nicht unangenehm waren, auch wenn Hyde immer versuchte genau das zu verbergen. Niemals würde er von sich aus zugeben, dass zwischen ihnen mehr als nur freundschaftlichen Gefühle im Spiel waren. Da musste schon ein Wunder passieren. Gackt selber fühlte sich schon seit einer ganzen Weile zu dem kleinen Sänger hingezogen und zeigte ihm das auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Leider stempelte Hyde solche Annäherungen immer als Spaß oder Scherz ab und so verliefen Gackts Versuche regelmäßig ins Leere. Hyde einfach die Wahrheit zu sagen, traute sich Gackt aber auch nicht, zu viel Angst hatte er vor seiner Reaktion. Im schlimmsten Fall würde Hyde wohl einfach schreiend davon laufen und ihn die ganze nächste Zeit ignorieren, überlegte Gackt. Und das war nun absolut das Letzte was er erreichen wollte, dann würde er ihn noch seltener zu Gesicht bekommen als jetzt schon. Nein, er konnte sich einfach nicht durchringen etwas derartiges zu tun. Wirklich sicher war sich Gackt über die Gefühle des Kleinen ja auch nicht. Oft konnte er zwar die Spannung, die zwischen ihnen herrschte spüren, aber Hyde reagierte fast jedes Mal abweisend. Aus diesen Gründen beließ es Gackt bei seinen Versuchen.

Panisch schaute er plötzlich auf die Uhr und bemerkte, dass es schon längst Zeit war los zu gehen und er mal wieder in seinen Träumereien versunken war. Schnell schnappte sich der Solosänger seinen Mantel und verließ eilig die Wohnung. Auch wenn es bereits stockdunkel draußen war, die Sonnenbrille durfte natürlich nicht fehlen. Es konnte immer und überall ein verirrter Fan auftauchen, der ihm dann nicht mehr von der Seite wich und mindestens 50 Autogramme für seine besten Freunde verlangte. Auf Bodyguards konnte Gackt auch gut und gerne verzichten, denn verteidigen konnte er sich auch alleine recht anständig und rund um die Uhr von zwei Meter großen Schränken belagert zu werden, musste er sich wirklich nicht antun. Da setzte er lieber seine sowieso geliebten Sonnenbrillen auf.

Der braunhaarige Sänger stieg in seinen schwarzen Wagen und setze diesen in Bewegung. Das Auto fuhr die fast leere Straße entlang, bog ein paar Mal ab und parkte schließlich nach etwas 20 Minuten in der Nähe eines unscheinbar aussehenden Gebäudes. Die letzten paar Meter legte Gackt zu Fuß zurück. Die äußere Erscheinung ließ niemanden darauf schließen, was sich im Inneren des Gebäudes abspielte. Doch schon wenn man sich die Zeit nahm und die Eingangstür genauer in Augenschein nahm, fiel auf, dass keine Einrichtungen zum Öffnen eben dieser vorhanden waren. Schwarz glänzend versperrte die Tür den Durchgang nach innen.

Zielstrebig ging Gackt auf die Tür zu und legte seine Hand in Höhe einer Türklinge auf des kühle Metall. Ein leises Geräusch ertönte, bevor sich die Tür ohne einen Laut von sich zu geben zur Seite bewegte und der Braunhaarige hindurch schlüpfte. Sensoren waren an dem Metall angebracht, die seine Hand abgetastet hatten und nur ausgewählten Personen den Eintritt ermöglichten. Als der Ausgang wieder versperrt war, ging das Licht an und der geräumige Flur wurde taghell erleuchtet. Gackt musste die Augen zusammenkneifen, so sehr blendete ihn das Licht. Wie sehr er doch dieses künstliche Licht verabscheute! Was würde er nicht dafür gegen, wenn sie hier statt den vielen Lampen ein Paar Kerzen anbringen würden. In seiner Wohnung befanden sich in jedem Zimmer mehrere Kerzen, sogar im Badezimmer hatte er welche stehen. Nur im äußersten Notfall ließ er sich herab und betätigte einen Licht-schalter. Jedes Mal wenn er hier herein kam verwünschte er die Beleuchtung aus Neue. Gemütlich hätte er jetzt zu Hause sitzen können und Hyde wäre bei ihm gewesen. Aber nein, die Arbeit rief ihn unaufhörlich zu sich. Gewaltsam verscheute Gackt die Gedanken an Hyde, sie würden ihn nur wieder ablenken und ging auf die Fahrstuhltür am Ende des Flurs zu.

Der Fahrstuhl fuhr nicht, wie man vielleicht hätte erwarten können, in das Obergeschoss, sondern bewegte sich nach unten. Nach wenigen Sekunden öffneten sich die Türen wieder und er betrat die Einsatzzentrale des japanischen Geheimdienstes. Wo er vorher keiner Menschenseele begegnet war, machte sich hier sofort geschäftiges Treiben breit. Männer und Frauen in Anzügen saßen hinter Schreibtischen, diskutierten miteinander oder tauschten Dokumente aus. Der Sänger mit seiner engen schwarzen Lederhose und dem nicht minder enganliegenden Oberteil fiel da schon etwas aus dem Rahmen.

„Der große Gackt-san muss natürlich wieder einen seiner berühmten Auftritte hinlegen“, wurde er von einer genervt klingenden Stimme begrüßt. Gackt blickte sich um und sah seinen Kollegen Yoshimura Takeo auf sich zukommen. Dieser hatte einen leicht genervten Gesichtsausdruck aufgesetzt, weil sich mal wieder so gut wie alle weiblichen Anwesenden bei Gackts Erscheinen zu ihm umgedreht hatten. Nicht das es etwas Neues war, aber es ging Yoshimura trotzdem auf die Nerven. Er rückte seine Brille mit den dicken Gläsern zurecht und sah mit einem leicht eifersüchtigen Blick zu Gackt hinüber.

„Tut mir ja schrecklich leid, Yoshi-chan, aber es kann halt nicht jeder so gut aussehen wie ich“, grinste Gackt zurück, denn er wusste natürlich genau weshalb ihn sein Kollege so genervt ansah. Was konnte er denn dafür, wenn er nun mal so gut aussah und ihm die Damenwelt zu Füßen lag? Und ob Yoshimura das glauben wollte oder nicht, wenn man einen kompletten Tag damit verbracht hatte vor der Kamera mit seinem schönsten Lächeln zu posieren, konnte einem selbst die eigene Schönheit in manchen Momenten auf die Nerven gehen. Und was nützte ihm sein gutes Aussehen, wenn es den kleinen Japaner, an den er sein Herz verloren hatte, so kalt zu lassen schien?

„Beeil dich Gackt, der Chef wartet schon auf dich und wenn du ihn noch länger zappeln lässt, wird er es dir bestimmt nicht danken“, meinte Yoshimura und ignorierte großzügig Gackts Veränderung seines Namens, von ihm war er sowieso nichts anderes gewöhnt.

Gackt folgte Yoshimura die Gänge entlang und spürte wie üblich die Blicke der anderen im Rücken. Als er hier angefangen hatte, war er nicht sonderlich viel bekannter gewesen als sie und nun prangte sein Bild in so gut wie jeder japanischen Zeitschrift und er war aus dem Musikgeschäft nicht mehr hinwegzudenken. Es war schon komisch wie sich die Zeiten änderten und mit sich die Menschen.

„Und hast du wieder den ganzen Tag vor der Kamera verbracht?“, fragte Yoshimura Gackt über seine Schulter hinweg.

„So ähnlich“, antwortete dieser. „Um noch pünktlich zu erscheinen, musste ich sogar mein Treffen mit Hyde verkürzen. Kannst du dir das vorstellen?“ Gackt setzte einen tieftraurigen Gesichtsausdruck auf und sein Kollege musste lachen. Der große Sänger schwärmte bei jeder Gelegenheit von dem kleinen Schwarzhaarigen, so dass sich Yoshimura schon fragte, warum er ihn noch nicht flachgelegt hatte, wenn er so vernarrt in ihn war. Wahrscheinlich war Hyde nicht so leicht mit Gackts Äußerem zu beeindrucken wie der Rest der japanischen Gesellschaft. Tja, Pech gehabt Gackt.

Beim Büro des Chefs angekommen, klopften sie an die Tür und betraten auf ein ungeduldig klingendes „Herein“ den Raum.

„Schön, dass Sie es auch noch zu uns geschafft haben, Gackt-san“, begrüßte ihn der Chef, ein großgewachsener Mann um die 50 namens Naruse, harsch und Gackt verkniff sich lieber einen entsprechenden Kommentar, den Chef wollte er nicht unnötig reizen. Deshalb verbeugte er sich nur leicht zur Begrüßung. „Wir haben wieder einen neuen Auftrag für Sie und hoffen, dass Sie dafür die nötige Zeit in ihrem Terminkalender erübrigen können“, begann Naruse-san, dem die Berühmtheit Gackts anscheinet gar nicht passte. Wenn einer seiner besten Agenten zum Rockstar mutierte, war das auch mehr als verständlich.

Naruse-san drückte auf den Knopf einer Fernbedienung und ein Fernsehbildschirm schaltete sich an. Zu sehen war das Bild eines etwa 30jährigen Mannes mit kurzgeschorenen Haaren. „Ein chinesischer Bombenattentäter“, klärte der Chef seinen Agenten auf. „Er war vor einigen Jahren in eine Reihe von Anschlägen verwickelt. Nachdem es der Polizei und den Geheim-diensten nicht gelungen war, ihn festzunehmen, ist es still um ihn geworden. Wahrscheinlich hat er sich bewusst zurückgezogen, um etwas Gras über die Angelegenheit wachsen zu lassen. In jüngster Zeit ist er aber nach unseren Ermittlungen zufolge wieder aktiv geworden. Es besteht die Gefahr von erneuten Anschlägen. Der chinesische Geheimdienst, mit dem wir in der Sache vor ein paar Jahren zusammengearbeitet haben, hat uns um Beistand in dieser Angelegenheit gebeten.“ Naruse-san grinste selbstgefällig. Unter seiner Führung hatte sich der japanische Geheimdienst in den letzten Jahren einen guten Ruf aufgebaut und seine Dienste wurden auch im Ausland gerne in Anspruch genommen. Naruse-san vergaß nicht diese Tatsache oft genug herauszuheben.

„Da es sich um einen Einsatz im Ausland handelt, sind Sie als bearbeitender Agent eingesetzt worden“, beendete der Chef seine kurze Rede. Gackt nickte und seufzte leise. Gerade wo er endlich Zeit gefunden hatte, um mit Hyde ein gemeinsames Lied aufzunehmen, musste wieder ein Auftrag anstehen, der ihn in irgendeine chinesische Provinz führte. Er hatte einfach Pech und fing jetzt schon an sich selbst zu bemitleiden. Aber da Gackt in Japan einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erreicht hatte, war es für den Geheimdienst einfach zu gefährlich ihn im Innland einzusetzen und so waren seine Einsätze fast nur auf das Ausland beschränkt. Schließlich wollte der Geheimdienst ihn auch nicht verlieren, da er einer ihrer besten Agenten war.

Gackt setzte sich auf eine Stuhl und hörte den weiteren Ausführungen des Chefs zu. Andere Mitarbeiter kamen hinzu und beteiligten sich an der darauffolgenden Besprechung bei der Gackts Einsatz geplant wurde. Er sollte mit Yoshimura schon in den nächsten Tagen nach China aufbrechen und von da aus den Einsatz mit dem chinesischen Geheimdienst durchführen. Je länger die Besprechung dauerte, desto mehr konnte sich Gackt für den Fall erwärmen und er ertappte sich sogar dabei, dass er sich unbewusst auf seinen Einsatz freute. Die Arbeit machte ihm einfach Spaß, vielleicht auch weil sie so einen großen Kontrast zu seinen sonstigen Beschäftigungen darstellte, die er aber auch über alles liebte. Er hatte eben eine Vielzahl von unterschiedlichen Fähigkeiten und war nicht nur als Musiker eine Koryphäe. Jetzt war es aber genug mit sich selber auf die Schulter klopfen, selbst für seine Verhältnisse reichte er allmählich.

Die Besprechung dauerte noch länger und als Gackt das unscheinbare Hauptquartier des japanischen Geheimdienstes wieder verließ, war es schon spät in der Nacht. Noch später war es, als er endlich wieder in seinem Bett lag. Und da hatte er Hyde noch gesagt er solle nicht so spät zu Bett gehen. Doch Gackt reichten für gewöhnlich nur wenige Stunden Schlaf in der Nacht. Es konnte auch vorkommen, dass er gar nicht zum Schlafen kam und am nächsten Tag trotzdem topfit sein musste. Er war das zu späte ins Bettgehen also bestens gewöhnt, anders als Hyde, der es immer und überall schaffte einzuschlafen und dem man eine schlaflose Nacht auch sofort ansah. Mit dem Gedanken an seinen kleinen Engel fielen schließlich auch Gackt die Augen zu und er schlief mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein.

Surprising Invitation

2. Kapitel

Surprising Invitation
 

Die Proben von L´Arc en Ciel dauerten schon den ganzen Vormittag an und Hyde spürte das unbändige Verlangen nach einem kühlen Schluck Wasser, sonst würden seine Stimmbänder noch vollkommen austrocknen und selbiges konnte der Leadsänger der Band wirklich nicht gebrauchen.

„Können wir nicht mal eine kleine Pause einlegen?“, röchelte er seinen Bandkollegen zu und diese nickten zu seinem Glück und legten keine Widerworte ein. Hyde schnappte sich seine Zigarettenschachtel und die große Wasserflasche und verließ schnellen Schritts ihren Probenraum. Er machte sich auf den Weg ins Freie, um ein bisschen Luft zu schnappen und damit der Zigarettenqualm nicht die ganze Luft in den Räumen verpestete. Diese Maßnahme war eigentlich überflüssig, denn auch Ken und Yukihiro waren starke Raucher, die nicht immer den Weg nach draußen schafften, weshalb der Zigarettenqualm sowieso in fast allen Räumen hing. Hyde seufzte, er versuchte trotzdem weiterhin immer nach draußen zu gehen, um zu rauchen.

Manchmal glaubte er, dass er eindeutig viel zu gut für diese Welt war. Aber wenn das sein einziges Problem sein sollte, dann war er damit noch gut dran. Die Sache mit Gackt ent-wickelte sich nämlich langsam auch zu einem ernstzunehmenden Problem, dessen Auswir-kungen weit größer als die seiner Gutmütigkeit werden würden. Anfangs war es ihm ja noch gelungen sich einfach taub zu stellen und alle Gefühle auf Durchzug zu schalten, aber bei jedem weiteren Treffen wurde das schwerer. Immer wenn Gackt ihn mit seinen kristallklaren blauen Augen ansah, fühlte sich Hyde als würde er von oben bis unten durchleuchtet werden und als könnte Gackt jeden noch so kleinen Gedanken erraten. Die Wahrheit war schlicht und ergreifend, dass er weit mehr für Gackt empfand, als es für einen guten Freund normal war. Und immer wenn er ihn ansah, schienen diese Gefühle noch weiter anzuwachsen. Sich das aber einzugestehen war bei Weitem nicht so einfach für Hyde und bislang hatte er sich noch mehr oder weniger erfolgreich davor gedrückt, doch langsam war es nicht mehr möglich. Gackt machte es ihm aber auch nicht gerade leicht. Wie oft hatte er ihn in der letzten Zeit in seine Arme geschlossen? An das letzte Mal am gestrigen Abend konnte sich Hyde noch allzu gut erinnern. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und ließ ihn erzittern, als er daran dachte. Vielleicht würde es einfacher sein, wenn er sich sicher war, was Gackt tatsächlich für ihn empfand. Die Möglichkeit, dass für Gackt alles nur ein Spaß war, so wie es Hyde vor ihm immer aufnahm, bestand schließlich immer noch. Tief in seinem Herzen hoffte er allerdings, dass Gackt es ernst meinte.

Hyde seufzte und trat die aufgerauchte Zigarette auf dem Boden aus, dann begab er sich wieder zu den anderen in den Probenraum.

Dieses Mal musste das Schicksal doch ein bisschen Mitleid für ihn übrig haben, denn genau in dem Moment, in dem Hyde um die Ecke bog, begann sein Handy du klingeln. „Scheiße!“, fluchte er und raste um den engen Gang. Gerade noch rechtzeitig erreichte er das verfluchte Teufelsgerät und drückte auf den Telefonhörer, um das Gespräch entgegen zu nehmen. Nicht auszudenken was passiert wäre, wenn er auch nur wenige Augenblicke später gekommen wäre. Wie hatte er gestern Nacht auch nur auf die Idee kommen können als Klingelton ausgerechnet „tsuki no uta“ einzustellen? Dafür hätte er sich selber in den Hintern beißen können! War er nicht eigentlich der Überzeugung gewesen, dass er es wieder geändert hatte? Mit den Gedanken war er natürlich wieder bei Gackt hängen geblieben und dann war ihm dieses Schrottteil von Handy unter die Finger geraten. Aber bevor Gackts Stimme ertönen konnte, hatte Hyde glücklicherweise das Handy erreicht und hoffte, dass seine Bandkollegen nicht allzu sehr auf den Klingelton geachtet hatten.

„Moshi moshi“, keuchte Hyde ins Handy und sein Herz rutschte gleich eine Etage tiefer, als er die Stimme des Anrufers erkannte. „Na mein Engelchen, was hast du denn so anstren-gendes gemacht, dass du so rumkeuchen musst?“, fragte niemand anderes als ein besorgter Gackt und Hyde konnte sich nur zu gut seinen Gesichtsausdruck vorstellen. War es ein Wunder, dass er wieder rot anlief?

„Ich hab gar nichts gemacht“, antwortete Hyde, dessen Atmung sich mittlerweile wieder normalisiert hatte. Schnell suchte er das Weite, schließlich mussten die anderen nicht unbedingt sein Telefonat mitbekommen. „Weshalb rufst du mich an Ga-chan?“, fragte er dann. „Brauche ich denn einen Grund, um bei dir anzurufen?“, maulte Gackt in den Hörer und Hyde musste unwillkürlich grinsen. „Nein, brauchst du nicht“, sagte er in einem schon versöhnlicher klingenden Tonfall. „Also was gibt´s?“ „Ich wollte dich nur fragen, ob du nicht Lust hast heute Abend mit mir essen zu gehen. Wir könnten uns danach wieder an unseren Text machen. Was hältst du davon?“, fragte Gackt schnell und Hyde glaubte in seiner Stimme einen Tick Verlegenheit bemerkt zu haben. Verlegenheit bei Gackt? Konnte es so etwas wirklich bei ihm geben oder bildete er es sich nur ein?

Hyde musste wohl einen Moment zu lange mit der Antwort gezögert haben, denn Gackt meldete sich wieder zu Wort. „Wenn du keine Lust hast, bin ich dir auch nicht böse, dann treffen wir uns eben nur für den Song.“ Nein, böse wäre er Hyde nicht, er wäre nur tieftraurig. Doch Hyde antwortete schnell: „Klar hab ich Lust mit dir essen zu gehen, schließlich sind wir ja sowieso verabredet, da können wie auch vorher noch gemeinsam essen.“ „Super!“, grinste Gackt in den Hörer. „Ich hole dich dann um halb sieben ab, okay?“ „Ist gut, mach das.“ „Bis heute Abend“, verabschiedete sich Gackt, bevor Hyde es sich noch einmal anders überlegen konnte und legte auf.

Hyde grinste und ging zurück in den Probenraum. „Kommst du uns auch mal wieder besuchen?“, fragte ihn Tetsu, der mit seinem Bass in der Hand startbereit im Raum stand. „Sorry“, meinte Hyde und ließ das Handy wieder in seine Jackentasche gleiten. Er schnappte sich das Mikrofon und begab sich ebenfalls wieder auf seine Position. „Jetzt können wir weiter machen.“ Die Band probte noch bis zum Nachmittag an ihren neuen Songs und alles verlief recht zufriedenstellend, so dass Hyde mit guter Laune wieder nach Hause kam.
 

Gackt saß nach dem Telefonat mit Hyde glücklich in seinem eigenen Probenraum und war gerade dabei seine Pläne für heute Abend, jetzt da Hyde ihm zugesagt hatte, erneut zu überdenken, als ihm sein Violinist auf die Schulter klopfte. „Sag mal Gackt, wie lange soll ich deine Viecher eigentlich noch versorgen? Nachdem du sie vor einem Monat bei mir abge-liefert hast, hast du noch nichts unternommen, um mich von den Plagegeister wieder zu befreien“, fragte You und deutete demonstrativ auf eine langgezogene Kratzspur, die aller Wahrscheinlichkeit nach von Gackts Katze Mai stammte.

„Oh“, machte Gackt. Bei allem was er in letzter Zeit um die Ohren hatte, war ihm doch tatsächlich entfallen, seine beiden Haustiere wieder von You abzuholen. Wegen seinem letzten Auftrag hatte er die beiden praktischerweise einfach bei ihm geparkt. Doch jetzt musste er ja auch wieder verreisen. Sollte sich You also ruhig noch eine Weile um sie kümmern, sie würden ihn schon nicht komplett in Einzelteile zerlegen. Hoffte Gackt zumindest.

„Wärst du vielleicht bereit und würdest sie noch ein bisschen länger nehmen?“ , fragte Gackt mit seinem breitesten Lächeln. Bevor der Gefragte antworten konnte, hatte Gackt schon: „Vielen Dank, du bist ein Schatz, You!“ geflötet und ihn einfach stehen gelassen. Der Violinist seufzte, man durfte Gackt einfach nicht den kleinen Finger reichen, denn er verschlang immer gleich die ganze Hand. Also würde er sich auf dem Nachhauseweg eine neue Großpackung Pflaster zulegen, um wenigstens seine Wunden im Kampf mit Mai versorgen zu können. Und dem kleinen Nachbarsjungen sollte er auch lieber noch mal ein paar hundert Yen zuschieben fürs Gassigehen mit Belle.

Gackt hingegen trommelte seine weitverstreuten Bandmitglieder zusammen, um die Proben fortzusetzen. Schon etwas früher als üblich entließ er sie wieder, denn er hatte noch etwas Wichtiges zu besorgen.
 

Nervös ging Hyde im Schlafzimmer auf und ab. Der Kleiderschrank stand schon eine ganze Weile offen und mehrere Kleidungstücke lagen auf dem Bett verteilt. So schwierig konnte es nun wirklich nicht sein, die passenden Klamotten für einen Restaurantbesuch auszuwählen. Er fing langsam noch an sich wie ein hysterisches Frauenzimmer zu benehmen. Okay, dachte er nach weiteren 10 Minuten in denen sich der Kleiderhaufen wieder um einiges erhöht hatte, ich fasse jetzt einfach mit geschlossenen Augen in den Schrank und was mir in die Finger kommt, muss dran glauben. Er bezweifelte zwar, dass diese Methode mit Erfolg beschienen war, aber noch länger suchen hielt er nicht mehr aus. Außerdem rannte ihm langsam aber sicher die Zeit davon und wenn er sich nicht endlich mal beeilte, stand er Gackt um halb sieben nur in Boxershorts gegenüber. Dieser würde an seinem Anblick sicher die helle Freude haben und Hyde konnte sich recht plastisch seine Kommentare vorstellen.

Als er seine Augen wieder öffnete, hielt er eine dunkelblaue Jeans und kurz danach ein dunkelgemustertes Oberteil in den Händen. Damit konnte man durchaus leben, entschied er und zog sich schnell an. Dass er selbiges auch viel einfacher hätte haben können, war ihm selber klar. Hyde ging ins Badezimmer und versuchte seine schwarzen Haare in Ordnung zu bringen. Mit dem Ergebnis recht zufrieden, wartete er schließlich im Wohnzimmer auf Gackt.

Kurz darauf klingelte es an der Tür und Hyde erhob sich, um sie zu öffnen.

„Guten Abend Haido“, begrüßte ihn ein strahlender Gackt und reichte ihm lediglich die Hand. Es langsam angehen zu lassen, das war die Strategie, die sich Gackt für diesen Abend zurecht gelegt hatte. Man durfte ihn nicht gleich von Anfang an verschrecken. „Können wir?“, fragte er und als Hyde bestätigend nickte, begaben sich beide zu Gackts Wagen.

Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander gesessen hatten, fragte Hyde schließlich: „Was hast du dir denn nun für heute Abend einfallen lassen, Ga-chan?“ „Lass dich einfach überraschen.“ Gackt zwinkerte ihm zu. „Du wirst es noch früh genug erfahren.“ „Ja, spätestens wenn wir vor dem Restaurant angekommen sind. Ich hoffe du wirst mir dann nicht die Augen verbinden, um mich noch länger auf die Folter zu spannen.“ Der Braunhaarige musste lachen. „Das hatte ich eigentlich nicht vor, ist aber ein interessanter Vorschlag. Wenn du es gerne möchtest, werde ich es das nächste Mal machen, mein Engel.“ „Nein, danke, das kannst du dir sparen. Aber wenigstens bin ich jetzt vorgewarnt, falls du tatsächlich mal auf so eine Idee kommen solltest und kann dir dann rechtzeitig eins über die Rübe ziehen.“ Sie lachte beide und nur wenig später parkte Gackt den Wagen vor dem ausgewählten Restaurant.

Es war ein französischer Nobelschuppen, mal wieder typisch für Gackt, dachte Hyde und betrat mit dem anderen Sänger das Restaurant. Sofort wurden sie von einem befrackten Kellner in Empfang genommen, der sie in französisch begrüßte und zu ihrem Tisch geleitete. Scheinbar hielt sich nur die Spitze der japanischen Gesellschaft in diesem feinen und wahrscheinlich sauteuren Lokal auf, denn wohin Hyde auch blickte, er konnte nur aufgetakelte Damen und Herren erkennen, die allesamt nach einer Menge Geld aussahen. Sie wurden zu einem Tisch, der etwas abseits der anderen lag, geführt. Dieser war mit Kerzen und Rosenblättern dekoriert und Hyde war sich sicher, dass Gackt alles im Voraus genaustes geplant hatte. Nachdem sie sich gesetzt hatten, reichte der Kellner ihnen die Speisekarten und entfernte sich mit einer Verbeugung.

Hyde schlug die Karte auf und wurde von einer Flut französischer Namen erschlagen, wovon er so gut wie keinen einem Gericht zuordnen konnte. Wie sollte er denn da etwas Essbares auswählen? Eigentlich war er sich aber sicher, dass Gackt ihm die Auswahl bestimmt schon abgenommen hatte. Und er wurde auch nicht enttäuscht.

„Also“, begann Gackt. „Damit wir nicht so lange herumraten müssen, habe ich schon überlegt, was wir essen könnten.“ Er sah Hyde fragend an und als dieser mit einem Grinsen auf dem Gesicht nickte, weil er mal wieder ins Schwarze getroffen hatte, winkte Gackt den Kellner wieder an ihren Tisch. „Willst du denn nicht wissen, was ich gleich bestellen werde? Sonst schmeckt es dir hinterher vielleicht gar nicht“, wollte Gackt wissen und guckte leicht überrascht. „Ach, ich glaube, ich kann auf dein Urteil vertrauen und wenn es trotzdem nicht schmecken sollte, können wir ja bei dir zu Hause noch Ramen essen“, antwortete Hyde, der ein kleines bisschen stolz darauf war, dass er es geschafft hatte Gackt zu irritieren, schließlich war es meistens genau anders herum.

Der Kellner kam zu ihnen und Gackt fing an zu bestellen. „Wir hätten dann als Vorspeise bitte Salat Nicoise, danach Entrecote und zum Dessert Crème Brule.“

Der kleine Sänger musste schmunzeln, als er den Zettel sah, von dem Gackt die Gerichte ablas. Auf jeden Fall klangen sie schon mal interessant, jetzt mussten sie nur noch schmecken. „Wie Sie wünschen“, erwiderte der Kellner und Hyde war tatsächlich überrascht ihn japanisch sprechen zu hören, auch wenn sein Akzent stark französisch angehaucht war.

Als er wieder gegangen war, fing Gackt plötzlich an unter dem Tisch herum zu wühlen und förderte schließlich eine kleine blaue Schatulle zum Vorschein, die er vor Hyde auf den Tisch stellte. Hyde starrte mit weitaufgerissenen Augen auf die Schatulle, Gackt lächelte ihn vorsichtig an. Fast war Hyde nicht mehr in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Genau so hatte er sich immer einen Heiratsantrag vorgestellt, mit einem Abendessen in einem schicken Restaurant und solch einem Kästchen auf dem Tisch. Aber das konnte Gackt doch nicht ernst meinen! Obwohl Hyde sich schon gewundert hatte, dass er heute Abend noch keinen einzigen Spruch von ihm gehört hatte, wo es doch sonst zu Gackts Lieblings-beschäftigungen gehörte Hyde anzügliche Bemerkungen entgegen zu bringen. Er hätte also mit etwas Ähnlichem rechnen müssen, aber doch nicht mit so etwas! Gackt sah ihm immer noch lächelnd in die Augen und Hydes Herz begann ob diesem Blick seine Geschwindigkeit zu verdreifachen. Ihm blieb nicht anderes übrig, als das Kästchen zu öffnen.

Für eine oder zwei Sekunden starrte Hyde einfach auf den Inhalt, der im flackernden Kerzen-licht vor ihm lag. Kein Ring! Sollte er jetzt vor Erleichterung aufatmen? Wie hatte er etwas Derartiges auch nur für eine einzige Sekunde glauben können? Aber musste er sich nicht eingestehen, dass er es tief in seinem Herzen gehofft hatte? Hyde versuchte den Gedanken abzuschütteln, indem er den Gegenstand, der sich stattdessen in der Schatulle befand, betrachtete. Er bestand aus blauem Glas und hatte die Form eines kleinen Engels. In Hydes Augen war er einfach nur unbeschreiblich schön. Vorsichtig und als würde er es nicht wagen die zerbrechlich aussehende Figur anzufassen, streckte er seine Finger nach ihr aus. Zögernd nahm er sie schließlich aus dem Kästchen heraus und betrachte das durchsichtige blaue Glas in seinen Händen. Endlich konnte er seinen Blick wieder von dem Engel lösen und sah zu Gackt auf, der ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte und seine Reaktion gespannt verfolgte. Bis jetzt war Hyde noch nicht aufgesprungen und hatte das Weite gesucht, ein eindeutiger Pluspunkt für seinen Plan. Doch der Ausdruck in Hydes Augen, als er das Kästchen geöffnet hatte, war Gackt nicht entgangen. Fast sah es so aus, als hätte Hyde etwas anderes erwartet, was auch immer das war. Doch enttäuscht schien er nicht zu sein, denn der Blick mit dem er den kleinen Engel in seinen Händen herumdrehte, war einfach nur glücklich zu nennen. Wieder einmal war Gackt überwältigt, wie niedlich Hyde eigentlich war. Und als der Kleinere den Kopf hob und seinen Blick suchte, konnte er förmlich das Glitzern spüren, das in Hydes Augen tanzte.

„Danke, Ga-chan“, murmelte Hyde mit belegter Stimme und wusste nicht wie er sich bei Gackt bedanken sollte, wieder fühlte er sich von seinen blauen Augen durchleuchtet und viel zu überwältigt war er von dem unerwarteten Geschenk.

„Ach, ich bin zufällig auf die Figur gestoßen und musste an dich denken. Sie passt einfach perfekt zu dir. Sie gefällt dir doch, oder Haido?“, fragte Gackt, der bei Hydes Anblick leicht verlegen klang. „Auf jeden Fall gefällt sie mir! Sie ist wunderschön! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, erwiderte Hyde darauf und konnte seinen Blick immer noch nicht von Gackts Augen lösen. „Sag einfach gar nichts“, flüsterte dieser. Er beugte sich weiter über den Tisch, bis ihre Gesichter nur noch Zentimeter von einander entfernt waren und er sehen konnte wie Hyde die Röte ins Gesicht stieg. Wenn er sich jetzt noch ein Stück weiter vorbeugen würde, dann… Gackt zögerte, eigentlich war es der perfekte Augenblick, Hyde war durch das Geschenk abgelenkt und sein Plan war bis jetzt spitzenmäßig aufgegangen. Und trotzdem zögerte er, konnte sich nicht dazu durchringen den letzten Schritt zu tun. Würde er auf diese Weise wirklich Hydes wahre Gefühle herausbekommen? Würde er einen nicht wieder gutzumachenden Fehler begehen? Er war sich so sicher gewesen und jetzt war davon nichts mehr übrig.

Hyde nahm ihm die Entscheidung ab. „Ga-chan, was machen wir jetzt?“, fragte er und zerstörte damit die knisternde Anspannung, die in der Luft gelegen hatte. Wie in Trance hatte er dagesessen und nur verschwommen mitgekriegt, wie der Jüngere ihm immer näher kam. Sein sowieso schon rasender Herzschlag hatte sich weiter erhöht, doch Gackt hatte plötzlich gestoppt. Bevor Hyde einen Fehler machen konnte, erhob er seine Stimme und zerstörte den Augenblick.

„Ähm“, überlegte Gackt und setzte sich wieder aufrecht hin. Wie dämlich konnte ein einziger Mensch eigentlich sein? Da wurde ihm Hyde auf einem Silbertablett präsentiert und lief zur Abwechslung mal nicht weg und er war zu feige, dämlich oder sonst was, um ihn endlich zu küssen. Diesen für Gackt peinlichen Moment musste er jetzt so gut es ging überspielen.

Er drehte sich um und zeige auf einen Konzertflügel, der fast direkt hinter ihrem Tisch stand. Dieser war Hyde bis jetzt noch gar nicht aufgefallen, allerdings hatte sein Augenmerk eher auf anderen Dingen gelegen. Eines dieser „Dinge“ begann wieder zu sprechen. „Wie wäre es wenn ich dir auf dem Klavier etwas vorspielen würde, solange bis unser Essen kommt?“, fragte der Braunhaarige sein Gegenüber. Weil Hyde in diesem Moment einfach nichts Besseres einfiel und er immer noch nicht klar denken konnte, nickte er nur, nicht ahnend welche Folgen das noch haben würde.

Der berühmte japanische Sänger, der in den letzten paar Minuten einiges an Selbstbewusst-sein eingebüsst hatte, stand auf und setzte sich auf den Klavierhocker. Er schlug den Deckel zurück und rückte den Hocker in die richtige Position. Dann ließ er seine Fingerspitzen über die Tasten gleiten und begann zu spielen. Am Nachmittag war er schon einmal hier gewesen, hatte sich einen passenden Tisch ausgesucht und auch das Klavier ausprobiert, um auf Nummer sicher zu gehen. Seine Finger glitten entspannt über die Tasten, eine langsame Melodie erklang. Sie hatte einen leicht traurigen Klang, der die Zuhörer sofort in ihren Bann schlug. Hyde erkannte das Lied sofort, unzählige Male hatte er es in letzter Zeit gehört und immer war er verzaubert gewesen von Gackts Gesang. Als Gackt seine Stimme erhob und zu singen begann, wurde es augenblicklich totenstill im gesamten Restaurant. Alle Anwesenden lauschten andächtig diesem kleinen Privatkonzert. Leise murmelte der Schwarzhaarige den Namen des Liedes: „hoshi no suna“ und drehte den blauen Engel unbewusst in seinen Händen. Gackt sag es für ihn, da war er sich sicher, wie sollte es auch anders sein? Weshalb nur mussten ihm jetzt Tränen in die Augen steigen? Weshalb nur mussten plötzlich alle so mühsam verdrängten Gefühle in ihm hochkommen und sich nicht mehr unterdrücken lassen? Die anderen Gäste des Restaurants, die allesamt die beiden Sänger anstarrten, nahm er schon gar nicht mehr wahr. Im normalen Zustand hätte er schon längst die Flucht ergriffen, weil es ihm zu peinlich geworden wäre, doch heute drang nichts anderes zu ihm durch als der Gesang von Gackt und sein Klavierspiel.

„Aishiteiru“, sang dieser gefühlvoll und plötzlich trafen sich ihre Blicke. Hyde sah durch die Tränen in seinen Augen wie Gackt ihn mit seinem Blick festzuhalten schien. In diesem lag eine stumme Aufforderung, doch Hyde war ihr nicht gewachsen. Wie in Zeitlupe musste Gackt verfolgen, dass Hyde sich erhob. „Es tut mir leid, Ga-chan“, murmelte er, nicht sicher ob der Sänger ihn überhaupt hören konnte. Dann drehte er sich schnell um und verließ ohne einen weitern Blick zurück das Restaurant und damit einen völlig am Boden zerstörten Gackt. Viele der Gäste drehten sich nach ihm um, aber es war ihm egal, jetzt war ihm alles egal. Er rannte wieder davon, wie schon so oft. Aber dieses Mal hatte er alles zerstört! Von weit her hörte er immer noch die Stimme Gackts, als er wie durch ein Wunder mit seinen tränennassen Augen den Weg nach draußen fand. Weshalb nur konnte er der Wahrheit nie ins Auge sehen? „Weshalb nur?“, schrie die Stimme in seinem Kopf, wohl tausendmal, weil sie keine Antwort fand.

Gackt blieb sitzen, er konnte nichts anderes tun, als weiter zu spielen. Seine Liebe ver-schwand tatsächlich, nicht nur in diesem Lied. Tieftraurig sag Gackt die letzte Strophe und legte all seine Gefühle in seine Stimme, auch wenn Hyde es nicht mehr hören konnte. Als der letzte Ton im Raum verklang, ließ er seinen Kopf sinken und merkte wie nun auch ihm die Tränen in die Augen stiegen. Er versuchte erst gar nicht sie zurückzuhalten, sollten sie ruhig fließen. Was machte es jetzt schon für einen Unterschied? Alles, aber auch alles hatte er ruiniert! Er war zu weit gegangen und hatte Hyde verloren, endgültig.

Kaum war Gackts Stimme verklungen, erhob sich ein Gemurmel unter den Gästen, Köpfe wurden zusammen gesteckt und Stühle aneinandergeschoben. Die beiden Personen, über die so angeregt diskutiert wurde, bekamen davon nichts mehr mit. Jeder glaubte den anderen für immer verloren zu haben.

Welcome to Shanghai

3. Kapitel

Welcome to Shanghai
 

Mit einem dumpfen Aufprall landete Hyde auf dem Boden. Es dauerte eine Weile bis ihm bewusst wurde, wo er sich befand. Gerade noch konnte er sich davon abhalten, seinen Kopf an den Couchtisch zu semmeln und sich eine hübsche Beule zuzuziehen. Langsam kehrte die Erinnerung an den vergangenen Abend zurück und er wünschte sich, sie würde sich sofort wieder verziehen. Dieses Gefallen tat sie ihm natürlich nicht.

Hyde zog sich wieder auf die Couch und ließ sich zurücksinken in die weichen Kissen. Sein Blick glitt über die Wodkaflasche und er stellte erstaunt fest, dass ihr Inhalt nur noch aus wenige Schlucken bestand. Gestern hatte er gar nicht mehr mitbekommen, wie viel er eigentlich getrunken hatte. Nun wunderten ihn auch die stechenden Kopfschmerzen nicht mehr, die ihn seit seinem Erwachen gequält hatten. Irgendwie musste es ihm gelungen sein den Weg nach Hause ausfindig zu machen, nachdem er das Restaurant verlassen hatte. Der Wodka war ihm noch nie so attraktiv vorgekommen wie an diesem Abend. Normalerweise trank Hyde nicht besonders viel Alkohol, schon alleine aus dem Grund, weil er einfach nicht viel vertrug. Doch gestern war nichts mehr normal gewesen. Er hatte sich die Flasche geschnappt und sich auf die Couch fallen gelassen, wo er schließlich auch eingeschlafen war. Der Sänger hatte gar nicht erst versucht in sein Bett zu gehen, wo hätte er bei dem Klamottenhaufen auch schlafen sollen? Bei dem Gedanken daran, musste er, ob er wollte oder nicht, grinsen. Darüber brauchte er sich in nächster Zeit wenigstens keine Gedanken mehr zu machen. Doch sofort wurde seine Stimmung wieder ernst. Dass er bei Gackts Liebesgeständ-nis davon gerannt war, war wohl so ziemlich der größte Fehler seines bisherigen Lebens gewesen und Hyde war sich sicher, dass ihm schon so manch gravierender Fehler unterlaufen war. Ändern konnte er es jetzt auch nicht mehr. Nachdem er eine Nacht in Selbstmitleid zerflossen war, blieb ihm nur übrig sich auf etwas anderes zu konzentrieren und alle Gedan-ken an Gackt zu verdrängen. Und im Verdrängen war er doch eigentlich ein wahrer Meister, oder nicht?

Das Telefon läutete, bevor er sich überlegen konnte, mit was er sich ablenken sollte. Nach einem kurzen Telefonat brauchte er sich darum keine Sorgen mehr zu machen, nach allem was er gerade erfahren hatte, war in den nächsten Tagen für genug Ablenkung gesorgt. Jetzt hieß es sich mal wieder eine Ausrede einfallen zu lassen, weshalb er in den nächsten Tagen nicht zu den Bandproben erscheinen konnte. Hyde bewegte sich ins Schlafzimmer und begann mit einem Seufzen den Klamottenberg vom Vortag aufzuräumen. Das meiste pfefferte er zurück in den Schrank, doch einige Teile legte er auf einem Stapel zusammen, dann hatte er nachher weniger Arbeit. Währenddessen suchte er nach einer Entschuldigung für seine Abwesenheit. Darin hatte er dank gewisser Umstände Übung.
 

In der Wohnung von Gackt begann sich auch langsam etwas zu regen. Nicht das Gackt in dieser Nacht groß zum Schlafen gekommen war. Als er es endlich geschafft hatte seinen Kopf von den Klaviertasten zu entfernen, waren die anderen Gäste schon seit längerem gegangen. Niemand vom Personal hatte sich getraut ihn anzusprechen, nach der dramatischen Szene, die sich vor aller Augen abgespielt hatte. Also hatten sie Gackt einfach vorm Klavier sitzen gelassen und gehofft, dass er von alleine aus seiner Starre erwachen würde. Letztendlich hatte er das ja auch getan. Ohne einen Blick auf den Tisch zu werfen, auf dem immer noch die Rosenblätter verstreut lagen, die Kerzen waren vorsichtshalber ausgeblasen worden, verließ Gackt das Restaurant. Vorher hatte er noch bei einer vorsichtig um die Ecke guckenden Bedienung die Rechnung für das nicht angerührte Essen bezahlt.

Zuhause angekommen, ließ er sich nicht, wie Hyde es getan hatte, voll laufen, sondern setzte sich an seinen Schreibtisch. Er zog einen Stapel Papierbögen aus einem Schubfach hervor und nahm einen Stift zur Hand. Im Schein der vielen Kerzen begann er zu schreiben. Ohne groß zu überlegen was er schrieb, ließ er seinen Gedanken einfach freien Lauf. Das meiste wurde so traurig und schmerzhaft, dass er es gleich wieder im Papierkorb versengte, um nicht beim erneuten Lesen in Depressionsanfällen zu versinken. Aus dem ein oder anderem Gedanken konnte er aber mit Sicherheit einen vernünftigen Liedtext basteln. Dieser würde wahrschein-lich auch nicht gerade vor Fröhlichkeit strotzen, zumindest würde der Text seine Fans nicht glauben lassen, Gackt wäre selbstmordgefährdet. Ob aber etwas Brauchbares dabei heraus-kam oder nicht, es half ihm zumindest etwas seine Gedanken zu ordnen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. An Schlaf war in dieser Nacht aber nicht zu denken gewesen.

Die Sonnenstrahlen schienen schließlich mit verstärkter Kraft in den Raum und bewegten Gackt dazu die Blätter, die nicht im Müll hatten landen müssen, zurück in die Schublade zu befördern. In der Küche machte er sich erst mal einen starken Kaffee, um nach der schlaflosen Nacht wieder etwas munterer zu werden. Dann genehmigte er sich eine ausgiebige Dusche und sah, nachdem er sich frische Klamotten angezogen hatte, wieder fast wie neu aus. Äußerlich gesehen zumindest. Innerlich war er immer noch zerrüttet von dem Geschehenen. Wiedergutzumachen war im Augenblick nichts mehr. Er sollte Hyde in nächster Zeit besser aus dem Weg gehen. Da kam ihm sein Auftrag in China natürlich genau richtig. Vor zwei Tagen war er noch ganz anderer Ansicht gewesen, wie schnell sich die Zeit doch ändern konnte. Aber eines war sicher: Aufgeben würde Gackt nicht, nein niemals. Er würde es immer und immer wieder versuchen, bis er Hyde endlich da hatte, wo er seiner Meinung nach hingehörte, in seinen Armen.
 

Die Ansagen wiederholten sich am laufenden Band. Immer neue Flüge wurden aufgerufen, Verspätungen verkündet und so manch eine Trantüte wurde aufgefordert sich endlich in den Boardingbereich zu begeben. Genervt fuhr sich Gackt durch die braunen Haare. Manchmal hatte er das Gefühl sein zweites Zuhause wäre der Flughafen. Aber was sollte er auch anderes erwarten, er war nun mal aufs Reisen angewiesen. Gottseidank musste er nicht zwei Stunden früher hier antanzen, es reichte meist eine halbe Stunde aus, bevor der Flug los ging. Sein Taschenberg wurde vom Personal abtransportiert, das sich mindestens genauso genervte Blicke zuwarf, wie von Gackt ausgingen, als sie den großen Haufen erblickten. Der Sänger hatte nicht darauf verzichten können seinen halben Kleiderschrank mitzunehmen. Auch wenn der Auftrag nicht mehr als ein paar Tage in Anspruch nehmen würde, war er doch nicht in der Lage gewesen sich auf das Nötigste zu beschränken. Ein Fotoshooting hatte mal wieder als Erklärung für seine Reise herhalten müssen. Die anderen von GacktJOB waren über den kurzen Sonderurlaub nicht böse gewesen, da natürlich wegen Gackts Abwesenheit die Proben ins Wasser fielen.

Endlich wurde Gackt aufgefordert sich aus dem VIP-Bereich zum Flugzeug zu begeben. Auf-atmend befolgte er mit zwei seiner Kollegen, die als Mitarbeiter beim Geheimdienst dafür eingesetzt wurden, Gackt bei seinen Einsätzen zu begleiten, die Aufforderung und ließ sich schließlich erleichtert auf seinem gemütlichen Sitz nieder. Es hatte schon etwas für sich berühmt zu sein und nicht auf die engen Sitze in der Touristenklasse angewiesen sein zu müssen. Der Flug würde bei guten Bedingungen auch nur etwa drei Stunden dauern, denn als Treffpunkt mit dem chinesischen Geheimdienst war Shanghai geplant. Von dort aus konnten die weiteren Etappen entschieden werden. Im Großen und Ganzen würde es also ein ange-nehmer Flug werden. Gackts Kollege Yoshimura, der zusammen mit ihm den Fall bearbeiten sollte, reiste ein paar Stunden später aus taktischen Gründen in einem anderen Flugzeug nach.

Es waren nun schon zwei Tage seit dem Debakel mit Hyde vergangen und Gackt hatte keine Anstallten gemacht, ihn zu treffen. So gut es ging versuchte er die Gedanken an den Älteren beiseite zu schieben, auch wenn ihm das nicht ganz gelingen wollte. Wenn er erst wieder zurück in Tokyo wäre, würde ihm schon eine Idee kommen, wie er die ganze Sache bereinigen konnte. Jetzt brauchte er einen freien Kopf, damit in China möglichst alles glatt lief.
 

„Hideto!“ Die Stimme seines Onkels riss Hyde aus seinen Tagträumen. Gedankenverloren war er durch den großen Garten auf dem Anwesen seines Onkels gelaufen. Der Schwarz-haarige liebte den Geruch der blühenden Obstbäume und den des frischen Grases. Hier, wenn ihm eine leichte Brise seine langen Haare ins Gesicht wehte, fühlte er sich glücklich und entspannt. Ja, wenn die Umstände anders lägen, würde er sich hier wohlfühlen. Doch dazu würde es wohl nie kommen.

Er drehte sich um und sah die ehrfurchteinflössende Gestalt seines Onkels auf ihn zukommen. „Hier treibst du dich wieder rum“, sagte dieser und Hyde verdrehte die Augen. Er behandelte ihn wie fast jedes Mal als wäre er immer noch ein kleines Kind. Längst hatte der Sänger aufgegeben sich dagegen zu wehren. Seinen Onkel zu kritisieren konnte auch in seiner Position Probleme heraufbeschwören. Darauf legte Hyde keinen Wert. Komplizierter musste er sich sein Leben wirklich nicht machen, das war es ohnehin schon. Sich gegen das Familien-oberhaupt der Takarai aufzulehnen, bedeutete in jedem Fall Gefahr. Jeder, der das jemals gewagt hatte, hatte diese Entscheidung hinterher aufs Bitterste bereut, gegebenenfalls er war noch in der Lage dazu gewesen. Und das waren, wie Hyde sehr genau wusste nicht gerade viele Menschen.

Freundschaftlich legte Takarai Shinobu seinen Arm um den Kleineren und ging mit ihm wieder ins Haus. Trotz der Freundlichkeit blieb Hyde wachsam. „Für deine Abreise ist schon alles vorbereitet worden. Das Hausmädchen hat deine Sachen bereits im Wagen verstaut.“ Er blickte Hyde an und entfernte seinen Arm wieder. „Du darfst mich nicht enttäuschen, Hideto. Ich zähle auf dich. Von dieser Zusammenarbeit hängt das ganze Geschäft ab, in das wir bereits viel Geld investiert haben, wie du weist.“ Hyde wusste genau wie groß der Anforde-rungsdruck war, der auf seinen Schultern lastete. Dass Shinobu-san extra noch einmal den finanziellen Aspekt betonte, machte die Sache nicht leichter. Er beugte leicht den Kopf zum Zeichen, dass er verstanden hatte. „Ich werde mein Möglichstes tun, Onkel“, sagte er mit klarer Stimme. „Das rate ich dir auch, Neffe.“ Ein Lächeln zeigte sich auf dem abgehärteten Gesicht, doch keine Freundlichkeit war darin zu finden. Es lag nur kalte Berechnung in dem Blick, den er ihm zuwarf. „Du bist der Beste den wir haben, Hideto.“ Was wie ein Kompli-ment klang, war in Wirklichkeit nichts weiter als die gleiche kalte Berechnung, die sich schon in seinem Lächeln fand.

Hyde wusste, er war nur das Mittel zum Zweck, er war das Werkzeug für die Arbeit seines Onkels und damit des Familienclans der Takarai.

Sie gingen schweigend durch den langen Flur der herrschaftlichen japanischen Villa. Es war alles besprochen, Hyde wusste, was er zu tun hatte, darum sah sein Onkel keinen weiteren Sinn in einer Unterhaltung. Er hatte noch nie etwas getan, aus dem kein Profit für ihn heraus-sprang. Endlich gelangten sie ins Eingangsportal. Zwei eingeschüchtert aussehende Dienst-mädchen öffneten die Türen und Hyde setzte sich in den schwarzen Wagen. Während die dunkelgetönten Fenster nach oben fuhren, beugte sich der Onkel noch einmal zu ihm. „Viel Erfolg in China“, reif er ihm zu, bevor Hyde in dem Auto eingeschlossen wurde.

Während der Fahrt dachte er nach. Es war ihm wieder nicht gelungen seine Mutter zu sehen. Wie lange war es nun schon her, seit er sie das letzte Mal zu Gesicht bekommen hatte? Es mussten mindestens schon zwei Jahre sein. Würde er nicht noch regelmäßig Briefe von ihr erhalten, wüsste er nicht einmal, ob sie überhaupt noch am Leben war. Immer wenn er versuchte mit ihr zu reden, ließen ihn die Hausmädchen auf Anweisung von Shinobu-san nicht zu ihr durch. Wie oft er es auch schon versucht hatte. Er konnte den Mädchen keinen Vorwurf machen, sich gegen die Anweisungen des Familienoberhaupts zu stellen, bedeutete für sie den sicheren Tod. Und mit Gewalt zu seiner Mutter zu gelangen, war sein sicherer Tod. Hyde seufzte. Wäre seine Mutter nicht in der Villa seines Onkels gefangen, wie viel besser würden die Dinge aussehen? Dann hätte er sich schon längst von seinem Onkel und dessen Handlangern befreit, denn um sein eigenen Leben machte er sich in dem Fall nicht halb so viele Sorgen wie um das Leben seiner Mutter. So blieb ihm nichts anderes übrig, als wann immer Shinobu-san nach ihm verlangte zur Stelle zu sein und seine Anweisungen zu befolgen.
 

Nach einem wirklich angenehmen Flug ohne Komplikationen landete Gackt zur Mittagszeit auf dem Flughafen von Shanghai. Er und seine Mitarbeiter wurden von Gesandten des chinesischen Geheimdienstes empfangen, die sich als Angehörige des Fotostudios ausgaben, in dem Gackt offiziell seine Aufnahmen machen sollte. In abgedunkelten Wagen fuhren sie zur Einsatzzentrale, während Gackts Koffer und Taschen in einem zugegebenermaßen sehr großen Fahrzeug in sein Hotel gebracht wurden.

Da der Braunhaarige fließend chinesisch sprach taten sich keine Kommunikationsprobleme auf. Das Quartier des Geheimdienstes in Shanghai, sah fast so aus wie das zu Hause in Tokyo, nur war es etwas kleiner, da die Hauptzentrale in Peking lag. Weil sich die Aktivitäten des Bombenattentäters nach bisherigen Ermittlungen auf den Bereich um Shanghai beschränkten, war diese Stadt auch als einstweiliger Einsatzort ausgewählt worden.

Dass Gackt nie in den Fotostudios eintraf, fiel niemandem groß auf, die ganze Aktion war akribisch geplant. Schon oft in der Vergangenheit hatte Gackt in China gearbeitet und ebenso oft war er in Shanghai gewesen. Ihm gefiel die Stadt mit ihrem Charme, der ihn ein bisschen an Tokyo erinnerte, aber trotzdem fremdländisch war. Vielleicht fuhr er ja einmal mit Hyde in den Flitterwochen nach Shanghai. Bei dem Gedanken musste er unwillkürlich grinsen.

In dem großen Gebäude angekommen, war es mal wieder das Selbe wie überall wo Gackt hinkam. Reihenweise drehten sich die weiblichen Anwesenden nach ihm um und konnten ihr Glück kaum fassen, den berühmten japanischen Sänger wieder zu sehen. Gackts Laune besserte sich schlagartig weiter auf. Nichts war so aufbauend wie die bewundernden Blicke in seinem Rücken zu spüren.

Der Chef der Zentrale in Shanghai schüttelte ihm mit einem Lächeln die Hand. „Wie schön, dass Sie kommen konnten, Gackt-san“, begrüßte er ihn auf japanisch, wechselte dann aber, weil es für ihn einfacher war, ins Chinesische. „Ich hoffe Ihr Flug war angenehm?“ Gackt bejahte und nachdem weitere Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht worden waren, kamen sie auf den Grund für die Anwesenheit des japanischen Agenten zu sprechen.

„Gerade heute morgen erst haben unsere Mitarbeiter neue Informationen erhalten. Ich muss mit Bedauern sagen, dass sich die Lage langsam zu spitzt. Die Organisation hinter Chen Fou, unserem Bombenleger, scheint schon ein konkretes Ziel vor Augen zu haben. An verschiede-nen Orten in der Stadt wurden bereits seine Gefolgsleute gesichtet“, klärte der Chef der Zentrale Gackt auf. „Ist es nicht seltsam, dass sich die Organisation in der Öffentlichkeit zeigt?“, fragte Gackt sein Gegenüber. „Eigentlich schon“, antwortete dieser. „Wir wissen auch noch nicht, ob das eine Nachlässigkeit oder taktische Kalkulation ist. Aber nach den Anschlägen vor einigen Jahren, die allesamt bis ins Kleinste durchgeplant waren, scheint Nachlässigkeit als Grund eigentlich auszuscheiden.“

Der Chef beugte sich über einen großen Stadtplan, der sich auf dem Konferenztisch befand. Verschiedene Stellen waren mit roten Stecknadelnköpfen gekennzeichnet. Ein Lächeln schlich sich auf Gackts Gesicht, als er diese altmodische Methode erblickte. Er sagte aber nichts, schließlich war er hier, um zu helfen und nicht um die Arbeitsweise der Chinesen zu kritisieren. „An den markierten Orten sind bis jetzt verdächtige Personen gesichtet worden. Wenn Ihr Kollege eingetroffen ist, sollten Sie sich zusammen mit unseren Agenten an die Überprüfung der Orte machen. Sie haben freie Hand was die Ausrüstung betrifft.“ Der Chef ließ Gackt alleine und widmete sich wieder anderen Aufgaben.

Bei einem leichten Mittagessen, bestehend aus japanischen Spezialitäten, die Chinesen glaubten wohl Gackt wäre nicht in der Lage etwas zu sich zu nehmen, das nicht aus seinem Heimatland stammte, besah sich der Sänger mit Nebenjob Geheimagent die Karte genauer. Er grübelte immer noch weshalb sich die Organisation plötzlich in der Öffentlichkeit zeigte. Jahrelang hatte sie sich nicht blicken lassen und mit einem Mal wimmelte es in der ganzen Stadt von ihren Mitarbeitern. Gackt konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es sich um eine Form der Nachlässigkeit handeln könnte. Es musste etwas anderes dahinter stecken. Die Frage blieb was!

Während er sich die Markierungen besah, fiel ihm plötzlich auf in welchem Muster sie auf dem Stadtplan angeordnet waren. Sie schienen auf einen bestimmten Punkt am Rande der Stadt zuzulaufen. Damit wurde die Sache nur noch verwirrender. Weshalb um alles in der Welt sollten die Attentäter mit erhobenem Zeigefinger auf den möglichen Punkt des Anschla-ges deuten? Glaubten sie Polizei und Geheimdienst würden nicht darauf kommen? Das konnte nicht sein, wo doch Gackt selber nicht mehr als fünf Minuten gebraucht hatte, um die Stelle, an der die Punkte zusammenliefen, ausfindig zu machen. Also war auch der chinesi-sche Geheimdienst dazu in der Lage. Nein, es musste einen anderen Grund geben. Viel wahrscheinlicher war ein Ablenkungsmanöver. Alle Aufmerksamkeit auf einen Punkt lenken und dann an ganz anderer Stelle losschlagen. Doch auch diese Theorie besaß Schwachstellen. Schon allein die Frage, weshalb solch ein Aufwand getrieben wurde, um die Stecknadelköpfe auf die Karte vor Gackt zu bekommen, wenn die Organisation sich einfach im Untergrund halten und dann unerwartet zuschlagen könnte, konnte sich der Sänger nicht beantworten.

Gackt beendete seine Mahlzeit und begab sich zu den chinesischen Geheimdienstlern. Bis Yoshimura eintraf, konnte er erst mal nichts unternehmen, also beschloss er sich etwas zu amüsieren. Er musste auch nicht lange warten, da wurde er von keiner kleinen Chinesin mit hochgesteckten Haaren angesprochen. Zögernd bat sie ihn um ein Autogramm und Gackt schrieb ihr bereitwillig noch eine persönliche Widmung unter das Foto, welches er von sonst woher zauberte. Die Frau lächelte ihm dankbar zu und verschwand mit dem Bild in der Hand. Für einen kurzen Moment erinnerte sie ihn an seinen schwarzhaarigen Engel, der sich jetzt wohl irgendwo in Tokyo befinden musste. Hyde ist aber trotzdem viel niedlicher als die Frau eben, dachte Gackt mit einem traurigen Lächeln und versuchte die Gedanken an ihn wieder beiseite zu schieben, wenigstens für die Dauer seines Chinaaufenthalts. Mit dem Glauben, Hyde würde sich noch in Tokyo befinden lag Gackt aber völlig daneben. Wie sehr er sich irrte, sollte er bald zu merken bekommen.

Fateful Discovery

4. Kapitel

Fateful Discovery
 

Yoshimura traf am späten Nachmittag in Shanghai ein. In der Zwischenzeit war Gackt zu seinem Hotel gefahren. Zum einen weil ihm beim Autogrammschreiben doch allmählich langweilig wurde und zum anderen weil er sich umziehen wollte, um nicht ganz so auffällig herumzulaufen. Er bezog immer das gleiche Hotel, wenn er in der Stadt war. Die Hotel-führung war über undurchsichtige Wege mit dem Geheimdienst verknüpft, also eine weitere Vorsichtsmaßnahme. Außerdem bekam Gackt immer dasselbe Zimmer und hatte zu diesem fast schon eine persönliche Beziehung aufgebaut.

Als er wieder in die Zentrale zurückkam, war Yoshimura auch gerade eingetroffen. Gemein-sam besahen sie sich noch einmal die Karte und Gackt weihte seinen Mitstreiter in seine Überlegungen hinsichtlich der Anschläge ein. Yoshimura stand vor den gleichen Problemen wie Gackt auch. Nach einer Unterhaltung mit den bearbeitenden chinesischen Agenten beschlossen sie in die Stadt zu fahren und sich die Stelle anzusehen, an der die Punkte zusammenführten. Vielleicht brachte das ja trotz der ganzen Zweifel ein bisschen Klarheit in die Angelegenheit.

Eine halbe Stunde saßen sie im Auto, auf dem Weg zur Stadtgrenze. „Sag mal Gackt, du wirkst so niedergeschlagen. Das ist mir gestern schon aufgefallen. Ist was passiert?“, fragte Yoshimura, da Gackt ihn nicht wie normalerweise zulaberte. Als dieser nicht antwortete, fragte Yoshimura weiter. „Hast du´s mal wieder geschafft Hyde abzuschrecken?“ „Was?“, gab Gackt von sich und blickte auf. Seinem Kollege wurde klar, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte. Dieses Mal schien es Gackt aber besonders schlimm mitzunehmen. Er wollte ihn deshalb schon in Ruhe lassen und sich einem anderen Thema zuwenden, als Gackt zu sprechen begann. „Ich hab´s dieses Mal richtig versaut“, sagte er. „Dabei hatte ich ihn fast so weit.“ Gackt blickte aus dem abgedunkelten Fenster. „Na ja, das nächste Mal wird es klappen, so leicht gebe ich nicht auf“, erklärte er zuversichtlich. „Optimistisch wie eh und je“, erwiderte Yoshimura darauf und musste lachen. „Bei diesem Sturkopf muss ich aber auch optimistisch sein, sonst hätte ich schon längst aufgeben können.“ Gackt war dem anderen nicht sonderlich böse, dass er ihn wieder dazu gebracht hatte an Hyde zu denken, dieses schaffte er auch selber ständig. Verdrängen war doch nicht so einfach, wie er anfangs ange-nommen hatte. (Vielleicht sollte sich Gackt ja ein Beispiel an unserem Hyde nehmen. Nein, lieber doch nicht, sonst kommen die beiden ja nie zusammen!)
 

Vorsichtig folgte ein kleiner schwarzhaariger Mann Chen Fou durch die verlassenen Gänge eines ebenso verlassenen Gebäudes. Nach seinem Äußerem zu schließen hätte man ihn genauso gut für einen Chinesen halten können wie Chen Fou. Anders als der Attentäter kam er aber von den Inseln, genauer gesagt von den japanischen. Der Chinese war sich noch nicht wirklich sicher über welche Fähigkeiten der Japaner verfügte, doch Takarai-san würde schon einen guten Grund gehabt haben ausgerechnet ihn zu schicken. Wollte er Chen nur zum Narren halten, biss er sich selber in den Hintern und würde seine Ware nicht bekommen. Schließlich stand der Deal, Takarai-san schickte ihm Unterstützung für sein Vorhaben und erhielt als Ausgleich, gegen eine angemessene Bezahlung natürlich, seine erwünschte Ware. Chen versuchte den Japaner neben sich also nicht nach seinem zierlichen Äußeren zu beurteilen, auch wenn ihm das nicht leicht fiel. Er musste schon zugeben, dass die von Taka-rai-san geschickte Unterstützung so schön war wie eine Frau.

Um sich davon abzulenken, machte er ihn lieber zur Schnecke. „Jetzt beeil dich endlich, halbe Portion“, rief er ihm zu, dabei war er selber höchstens sieben Zentimeter größer, dafür aber um einiges kräftiger, jedenfalls auf den ersten Blick. Die so betitelte „halbe Portion“ zwang sich innerlich zur Ruhe und verkniff sich etwas auf diese Beleidigung zu erwidern. Er war es schließlich gewöhnt nicht sofort für voll genommen zu werden. Bis jetzt hatte er aber jedem, der das anfangs glaubte, das Gegenteil beweisen können. Dieses Mal würde es genauso laufen, da war er sich sicher. Wenigstens eine Sache bei der er sich mal sicher war. „Ich komme schon“, entgegnete er stattdessen.

Chen und der Japaner kamen nach einer Weile auf dem Dach des Gebäudes an und näherten sich der Stelle, auf die Chen die ganze Zeit zugesteuert hatte. Es war schon dumm, wenn der Aufzug nicht mehr funktionierte, aber der Japaner hatte sowieso keine besondere Lust ver-spürt in diesem abbruchreifen Haus auch nur einen Fuß in den Fahrstuhl zu setzen. So oder so hätte er den Weg zu Fuß bevorzugt.

Durch das hohe Geländer von störenden Blicken geschützt, hatten sie einen guten Ausblick auf die umliegenden Gebäude. Von der Stelle an der sie standen, blickten die beiden Asiaten direkt auf ein Hochhaus in dessen Inneren sich ein großes Einkaufszentrum befand. Eigentlich kein schlechter Platz für einen Anschlag, musste der Schwarzhaarige zugeben und verfluchte im gleichen Moment seine Arbeit. Wieso Chen ihn hergeführt hatte, war ihm noch alles andere als klar, trotz aller Zusammenarbeit war es seiner Meinung nach zu gefährlich, ihm schon heute alles zu zeigen und nicht erst am Tag des Anschlags. Chen würde mit Sicherheit seine Gründe haben, auch wenn er sie jetzt noch nicht verstand. Innerlich verachtete er sich dafür, wieder wie ein Verbrecher zu denken. Es gab nichts, was er so abgrundtief verab-scheute wie solche Leute. Und immer war er gezwungen mit ihnen zusammenzuarbeiten.
 

Am Stadtrand angekommen, verließen die Agenten ihre Autos und sahen sich um. Hier befand sich, abgesehen von dem in der Innenstadt, ein weiteres großes Geschäftszentrum mit Bankgebäuden, Firmensitzen und einem gewaltigen Einkaufszentrum. Vor letzterem hielten die Autos an. Die Punkte auf der Stadtkarte liefen an diesem Ort zusammen und allem Anschein nach schien er kein schlechtes Ziel zu bieten. Reihenweise strömten Menschen in beiden Richtungen durch die Eingangsportale und verteilten sich anschließend auf mehreren Etagen, um ihren Kaufrausch auszuleben. Ein Anschlag würden sicherlich hunderte Opfer fordern, wenn die Stadt unvorbereitet getroffen werden würde. Doch Chen hatte sie ja beinahe dazu gezwungen diesen Ort unter die Lupe zu nehmen. Polizei und Geheimdienst konnten also jederzeit das Gebäude räumen lassen und damit das Vorhaben der Attentäter vereiteln.

Nachdem er das Einkaufszentrum gesehen hatte, zweifelte Gackt erst recht daran, dass es sich hierbei wirklich um den Ort des Anschlags handeln sollte. „Die Sache wird immer verzwick-ter“, wandte er sich an Yoshimura, welcher bestätigend nickte. „Schauen wir uns trotzdem im Gebäude um, wer weiß, uns kommt vielleicht der rettende Gedanke.“

Aufs Gackts Anweisung begaben sich die Agenten über einen abgelegenen Eingang für Personal und Warenlieferungen ins Innere. Alle trugen alltägliche und wenig auffallende Kleidung, selbst Gackt hatte auf seine geliebten hautengen Lederhosen verzichtet. Mit einer Sonnenbrille bewaffnet stieg der Sänger, die anderen im Schlepptau, mehrere Treppen hoch und gelangte schließlich unauffällig in den Einkaufsbereich. Sie trennten sich und jeder ver-suchte einen bestimmten Bereich nach allem Auffälligem zu durchforsten. Unerkannt bewegte sich Gackt durch die Menge. Er konnte nirgendwo verdächtige Aktivitäten entdecken und war sich sicher, dass ihre Suche, wie lange sie auch andauern würde, nicht von Erfolg beschienen war. Ebenso gut konnte es sein, dass Chen und seine Organisation genau in diesem Moment die Bombe an einer Stelle legten, die sie einfach noch nicht einer Überprüfung unterzogen hatten. Um das ganze Gebäude gründlich auseinander zunehmen, verlangte es nach einer ganzen Mannschaft von Agenten. Diese Aktion wäre mit Sicherheit viel zu auffällig und würde Chens Aufmerksamkeit auf keinem Fall entgehen können. Wenn sie seinen Verdacht nicht sowieso schon erregt hatten.

Gackt schüttelte den Kopf, das Ganze war einfach sinnlos. Er würde sich nur seine Füße vom ganzen Herumlaufen zerstören, doch damit ließ sich auch kein Menschenleben beschützen. Schnell zog er sein Handy hervor und wählte Yoshimuras Nummer. Dieser ging auch sofort an sein Mobiltelefon. Wahrscheinlich war er genauso wie Gackt froh über eine kleine Unterbrechung der ermüdenden Suche. „Yoshi-chan, ich werde mich mal draußen etwas umsehen“, sagte er nachdem sich Yoshimura gemeldet hatte. „Hier werden wir nie fertig, oder hast du Erfolg haben können?“ Als der Angesprochene, nicht anders als Gackt erwartet hatte, verneinte und auch keinen Einwand gegen seine Idee vorbrachte, verließ der Braunhaarige das Gebäude.

Draußen atmete er erst einmal tief durch, dann ließ er seinen Blick über die Umgebung schweifen. Bürohäuser zierten das Bild der Stadt, doch Gackt Blick wurde von etwas anderem gefangen genommen. Nur ein paar Meter von dem Gebäude, das er gerade verlassen hatte, entfernt, befand sich ein hoher Zaun und dahinter ein weiteres Hochhaus. Dieses musste seine glanzvolle Zeit aber schon seit längerem hinter sich gelassen haben. Die Fenster, wenn sie nicht eingeschlagen waren, wiesen Gitter auf oder waren verklebt worden. Und der Putz bröckelte langsam aber sicher von der Fassade hinab in die Tiefe. Seltsam, dass solch ein Gebäude nicht schon längst dem Erdboden gleich gemacht worden war. Gackt schlug förmlich der Geruch einer geheimnisvollen Aura ins Gesicht. Sein Instinkt sagte ihm, dass etwas faul war.

Er ging näher an den Absperrzaun heran und konnte auf einem Schild lesen, dass die Ab-brucharbeiten in einer Woche beginnen sollten. Es schien also doch alles mit rechten Dingen zu zugehen. Trotzdem wurde Gackt das ungute Gefühl im Magen nicht los und dieses rührte ganz bestimmt nicht von seinem Mittagessen her, welches ihm vorzüglich geschmeckt hatte. Ja, die Chinesen gaben sich schon besondere Mühe mit ihren japanischen Gästen, auch wenn ihm das im Moment nicht sonderlich viel weiter half.

Wenn ich nur durch den Zaun gelangen könnte, überlegte der Sänger und umrundete auf der Suche nach einer geeigneten Stelle die mit Stacheldraht besetzte Abschottung. Vom Einkaufs-zentrum gesehen auf der Rückseite des abbruchreifen Hauses entdeckte er endlich eine passende Stelle. Die Häuser auf dieser Seite waren nicht von Menschenmengen umgeben, nur vereinzelt tauchte jemand auf. Die Stelle, die Gackt ins Auge sprang, war eine lose Holzplatte im Bretterzaun. Hätte er sich nicht gerade dagegen gelehnt, um seine Füße nach möglichen Blasen abzusuchen, wäre sie ihm garantiert durch die Lappen gegangen. Man musste aber auch mal Glück haben dürfen, entschied er und besah sich die besagte Stelle genauer. An der einen Seite, da war er sich sicher, war die Holzplatte gewaltsam gelockert worden, vielleicht nicht auf den ersten Blick ersichtlich, bei genauerer Untersuchung aber mehr als wahrschein-lich. Jemand vor ihm war also auf den Gedanken gekommen, sich Eintritt in das Gelände zu verschaffen.

Nach einem Absicherungsblick nach hinten, schlüpfte Gackt vorsichtig durch den engen Spalt. Er musste seinen Kopf tief runterbeugen und passte auch so nur mit Muh und Not hindurch. Für seinen Vorgänger konnte er nur hoffen, das dieser kleiner als er war. Schnell versicherte er sich, dass die Platte wieder an Ort und Stelle war, dann nahm er den Hof vor dem Hochhaus in Augenschein. Einige große Container befanden sich auf diesem, außerdem eine hübsche Ansammlung von allen möglichen Holzplatten, die wohl nicht mehr im Zaun untergebracht werden konnten. Gackt kämpfte sich einen Weg durch eine Reihe von Fässern und versuchte den Hauseingang zu erreichen.

Darauf bedacht möglichst nichts umzuwerfen oder sonst irgendeinen Laut von sich zu geben, drang plötzlich ein Geräusch an seine Ohren. Sofort beeilte er sich außer Sichtweite zu kommen und versteckte sich hinter einer Bretterwand, die am Zaun stand. Scheinbar war, wer auch immer hier vor ihm eingedrungen war, noch nicht wieder verschwunden. Sollte es jemand von der Organisation sein? War sein Verdacht richtig gewesen? Gackt konnte sich nur Gewissheit geschaffen, wenn er einen Blick riskierte. Noch vorsichtiger als eben steckte er seinen Kopf wieder hervor. Er musste nicht lange warten, da kamen schon zwei Gestalten in sein Blickfeld. Der Boden unter seinen Füßen schien Gackt weggerissen zu werden, als er den kleinen Mann mit den langen schwarzen Haaren sah. Auf seinen Begleiter konnte er in diesem Moment keinen einzigen Gedanken verschwenden, nur unbewusst nahm er seinen kurzge-schorenen Kopf wahr. „Unmöglich!“, murmelte Gackt leise und hatte Glück, dass sich hinter ihm der Zaun befand, sonst wäre er mit Sicherheit noch ein größeres Stück nach hinten getaumelt und wahrscheinlich auf seinem geschätzten Hintern gelandet. Auch als er kurz seine Augen schloss, sie gleich danach wieder öffnete und sich schmerzhaft in den Arm zwickte, das Bild vor seinen Augen wollte sich einfach nicht ändern lassen. Überall würde er ihn wieder erkennen. Selbst in der größten Menschenmenge, selbst in einer Milliarde Menschen wenn es sein musste, würde seine zierliche Gestalt für Gackt immer herausstechen. „Wieso nur? Wieso bist du hier?“, flüsterte er, völlig weiß im Gesicht, zu sich selber und konnte nichts anderes tun als ihm mit den Blicken zu folgen und zu beobachten wie er einem mutmaßlichen Bombenattentäter folgte. Er, seine große Liebe, Hyde!
 

„Und was hältst du von meinem Plan?“, fragte Chen seinen Begleiter, als sie die Treppen wieder hinunterstiegen. „Wie soll ich dir darauf antworten, wenn du mir noch nicht die ganze Wahrheit gesagt hast?“, antwortete Hyde mit einer Gegenfrage. Chen musste grinsen, hatte der Kleine wirklich geglaubt er würde ihn schon heute in alles einweihen? Nein, so viel Vertrauen setzte er in Takarai-san nun auch wieder nicht. Wenn er morgen alles erfahren würde, war es auch noch früh genug. Sein Plan war einfach nur mit einem Wort zu beschreiben, er war perfekt. Die Vorbereitungen liefen wie am Schnürchen und sein Ablenk-ungsmanöver schien bestens zu funktionieren. Er würde den Geheimdienst schön an der Nase herumführen und sie würden ihn auch dieses Mal nicht schnappen können. Eigentlich war es für ihn ein Spiel, ein perfides Spiel bei dem eine Menge Menschenleben geopfert werden mussten, aber es bleib trotzdem ein Spiel, um genauer zu sein, es war sein Spiel bei dem er die Regeln aufstellte und der Rest diese befolgen musste. Hämisch grinste Chen in sich hinein. Immer überzeugter wurde er von seinem Vorhaben, dass er langsam vergaß Dingen, die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihm noch große Probleme bereiten konnten. Doch in den Gedanken des Chinesen spielte sich zum wiederholten Male die Szene einer zerstörten Stadt ab, in der Häuser brannten und Menschen um Hilfe schrieen. Und er sah sich deutlich als der strahlende Siegen über den Trümmern von Shanghai. Dann hatte er sein Spiel gewonnen. Lange würde es nicht mehr dauern.

Dem Japaner entging der verschwommene Blick von Chen nicht. Er sah die hämische Freude in seinen Augen funkeln und fühlte sich an seinen Onkel erinnert. Überdeutlich konnte er die Stimme von Shinobu-san hören: „Du darfst mich nicht enttäuschen, Hideto.“ Jedes Mal, wenn sein Onkel ihn wieder los schickte, konnte er diesen Satz hören und manchmal passierte es, dass er mitten in der Nacht aufwachte und das verhasste Gesicht seines Onkels im Albtraum gesehen hatte. Schnell schob er die Gedanken daran beiseite. Wenn er Chen mit diesem Aus-druck im Gesicht sah, sollte er sich lieber freuen, als an seinen Onkel zu denken. Dass die Aufmerksamkeit des Chinesen nachließ, würde es ihm leichter machen schließlich auch den letzten Teil des Auftrags in die Tat umzusetzen. Das doppelte Spiel, dass die Takarai spielten, konnte so ohne allzu große Anstrengung in die Tat umgesetzt werden, dachte Hyde grimmig.

Die beiden kamen wieder auf den Hof und umrundeten die alten Fässer, als Hyde plötzlich einer Eingebung folgend seinen Kopf drehte. Es war wie eine Ahnung, die ihn mit einem Mal erwischte. Als ob er seine Anwesenheit wahrnehmen konnte, was natürlich völliger Blödsinn war, wie er selber nur zu genau wusste. Hydes Blick fiel auf eine Bretterwand in der Nähe des Zauns, er konnte niemanden erkennen und ihn erst recht nicht. Nur der Wind strich durch den verlassenen Hof. Sicher war es nur ein durch den Stress ausgelöstes Gefühl. Weshalb sollte er dann aber gerade hier auf diesem abgesperrten Hof etwas derartiges spüren können? Hyde fand keine Antwort und folgte Chen grübelnd vom Gelände und durch die lockere Holzplatte im Zaun nach draußen.
 

Gackt starrte für geschlagene fünf Minuten auf die Stelle, wo Hyde eben aufgetaucht war. Er hatte sich keinen Zentimeter bewegen können, seit er glücklicherweise geräuschlos mit dem Zaun zusammengestoßen war. Sein Verstand hatte vollkommen ausgesetzt und der Ohn-machtsanfall stand ihm kurz bevor, als sich Hyde auch noch in seine Richtung umgedreht und für ein paar Sekunden auf den Holzstapel geschaut hatte, hinter dem sich Gackt verbarg. Von Hydes Position hatte er Gackt nicht sehen können, was auch gut so war, denn dieser war ja nach seinem Lähmungsanfall an den Zaun gefesselt.

Ganz langsam und behutsam schlich sich sein Verstand wieder in Gackts Gehirn zurück, aus dem er bei Hydes Anblick verschwunden war. Sofort begannen seine grauen Zellen nach einer Erklärung für diese Unmöglichkeit zu suchen. Hatte er einen Doppelgänger gesehen, jemanden der genauso aussah wie sein geliebter Hyde? Aber auf der ganzen Welt gab es diesen Mann nur ein einziges Mal, niemals konnte eine fremden Person wie er aussehen! Gackt würde ja wohl noch in der Lage sein, den Menschen, den er liebte, zu erkennen! Andere Erklärungen kamen ihm in den Sinn, sie waren mindestens genauso verrückt, wenn nicht sogar verrückter als die Doppelgängerhypothese. Er versuchte sich den Gedanken an einen geklonten Hyde aus dem Kopf zu schütteln und atmete ein paar Mal tief durch.

Dann musste er sich eingesehen, dass, so unmöglich es sich auch anhörte, es Dinge gab, die er nie von Hyde gedacht hätte und dieser mehr vor ihm geheim hielt als nur seine Gefühle.

Der Anblick eben war fast noch schlimmer zu ertragen, als der Abend an dem Gackt ihm seine Liebe gestanden hatte und Hyde mal wieder abgehauen war. Dieses Ereignis lag nun schon einige Tage zurück, doch die gleiche Niedergeschlagenheit überfiel Gackt auch jetzt.

Das Vibrieren seines Handys brachte ihn brutal in die Gegenwart zurück. Er hatte einen Auftrag zu erledigen, bei dem Menschenleben auf dem Spiel standen, er musste seine Gefühle mit aller Macht ausschalten, damit nicht seinetwegen Menschen zu Tode kamen. Wenn es nötig war, würde er selbst Hyde…, nein, diesen Gedanken wollte er noch nicht einmal zu Ende denken.

Endlich nahm er den Anruf entgegen und hörte die Stimme eines besorgten Yoshimuras. „Gackt, ist alles in Ordnung mit dir? Du hast dich schon seit fast einer ganzen Stunde nicht mehr bei uns gemeldet!“ Ach ja, die anderen gab es auch noch, in seiner Aufregung hätte Gackt sie fast vergessen. „Mit mir ist alles in Ordnung, macht euch keine Sorgen“, log Gackt in den Hörer. „Ich komme so schnell ich kann zurück. Was ich gerade herausgefunden habe, ist vielleicht die Spur nach der wir gesucht haben.“ Yoshimura klang erfreut und fragte nicht weiter nach weshalb sich Gackts Stimme so verzerrt anhörte.

Nur kurze Zeit später stand Gackt Yoshimura und den beiden chinesischen Agenten wieder gegenüber. Er hatte seine normale Gesichtsfarbe zwar noch nicht zurückgewonnen, doch sein schauspielerisches Talent ermöglichte es ihm einigermaßen normal zu wirken und nicht so, als hätte er gerade den Teufel in Gestalt seiner großen Liebe hinter einem Bombenleger hergehen sehen.

Stattdessen klärte er seine Kollegen darüber auf, wo er sich in der Stunde aufgehalten hatte. Großzügig ließ er die Anwesenheit von Hyde bei seinen Erläuterungen aus, als er darauf zu sprechen kam, wen er aus dem Hochhaus hatte kommen sehen. Er stellte es so dar, als hätte Chen das Gebäude mit einem seiner Mitarbeiter verlassen. Wahrscheinlich, dachte Gackt, und seine Stimmung erreichte den größtmöglichen Tiefpunkt, hatte Chen auch genau selbiges getan.

Die Agenten beschlossen in das Gebäude einzudringen und nun dieses einer sorgfältigen Überprüfung zu unterziehen. Dass sich noch weitere Mitglieder der Organisation darin auf-halten würden, war unwahrscheinlich da Chen sich ja schon zurückgezogen hatte. Trotzdem mussten sie auf alles gefasst sein und durften sich keinen Fehler erlauben. Wenigstens, dachte Gackt sarkastisch, würde ihm Hyde nicht ein zweites Mal über den Weg laufen.

So drangen die vier Agenten hintereinander und ungesehen in den Hof ein, wie es schon Gackt alleine gemacht hatte und vor ihm Hyde und Chen. Das Nichtfunktionieren des Fahr-stuhls war das Erste was Gackt feststelle, als sie ins Innere des Hauses gingen. Treppen-steigen war das Letzte worauf er heute noch Lust hatte, sonst würde er sich womöglich tat-sächlich noch Blasen an den Füßen holen. Gackt trieb zwar viel Sport, achtete dabei aber penibel darauf, dass sein Aussehen nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. So verrostet der Fahrstuhl auch aussah, er hätte in also benutzt, schon deshalb weil er sich sagte, schlimmer als das Erlebnis vorhin konnte eine Fahrt mit der Klapperkiste auch nicht werden. Diese fiel natürlich aus, weil der Fahrstuhl auch bei ihm keine Lust verspürte sich in Bewegung zu setzen.

Mit dem Rest ging Gackt also zu Fuß durch das Gebäude. Sie durchsuchten jeden noch so kleinen Winkel, konnten aber keine Bombe ausfindig machen. Wenn also hier der Anschlag stattfinden sollte, was auch immer Chen damit bezweckte mochte, konnte sie noch nicht versteckt worden sein. Würde dieses Gebäude, das sowieso in einer Woche abgerissen werden sollte, in Flammen aufgehen, würde im schlimmsten Fall das Ungeziefer dran glauben müssen, das sich in der Zwischenzeit auf allen Etagen häuslich eingerichtet hatte. Gackt kam, so sehr er seinen wiedervorhandenen Verstand auch anstrengte auf keine Lösung der Frage nach Chens Ziel.

Endlich waren alle Etagen untersucht und auch dem Dach hatten sie einen Besuch abgestattet, so dass sich die Agenten wieder auf den Rückweg machten. Inzwischen war es draußen dunkel geworden und da es noch Frühling war auch bedeutend kälter als am Nachmittag. An schlafen war nach diesem anstrengendem Tag aber noch längst nicht zu denken. Erst mussten sie wieder zurück in die Zentrale und dem Chef Bericht erstatten. Dieser war hoch erfreut, dass es Gackt gelungen war Chen Fou mit eigenen Augen zu sehen. Die Brisanz des Falles hatte sich aber weiter zugespitzt, ohne dass sie mit Sicherheit sagen konnten, in welchem Gebäude nun der Anschlag stattfinden würde. Wenigstens hatten sich die Möglichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf zwei Gebäude reduziert.

Die nachfolgende Besprechung dauerte bis tief in die Nacht an und Gackt kam wieder Mal zu Gute, dass er nur auf sehr wenig Schlaf in der angewiesen war. Als schließlich alle Pläne für den nächsten Tag beschlossen waren, verabschiedete sich der Sänger von Yoshimura, da dieser in einem anderen Hotel nächtigte und ließ sich zu seinem eigenen bringen.

Der Schlaf wollte Gackt einfach nicht von diesem nervenaufreibenden Tag befreien und ohne es zu wollen sah er wieder Hyde vor seinem inneren Auge, wie er Chen über den Hof folgte. Gackt wusste, dass es ihm nicht weiter half sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wieso in Teufelsnamen sein Engel sich dort aufgehalten hatte. Die einzige Möglichkeit, die ihm blieb, um die Wahrheit ans Licht zu befördern, war diesen Fall so schnell wie möglich zum Ab-schluss zu bringen. Gackt wollte die Wahrheit wissen, wie immer sie auch aussehen sollte. Es ging nicht in seinen Kopf hinein, dass Hyde mit Kriminellen gemeinsame Sachen machte, wo er doch keinen gutmütigeren Menschen auf den Welt kannte, als seinen Engel. Und dass Gackt sich so in einem Menschen irrte und vor allem in Hyde, war einfach ein Ding der Unmöglichkeit.

Showdown

5. Kapitel

Showdown
 

Ein durchdringender Ton, der sich zu Gackts Bedauern ständig wiederholte und immer weiter an Schnelligkeit zunahm, weckte ihn am frühen Morgen aus seinem wenig erholsamen Schlaf. Dieser hatte es also doch geschafft den Sänger ins Reich der Träume zu schicken, wenn er auch keine besonders angenehmen ausgesucht hatte. Mit einer Hand begann Gackt nach dem Ausschalter des Weckers zu tasten und seufzte erleichtert, als er ihn gefunden hatte und Ruhe einkehrte. Der Wecker zeigte sechs Uhr an, höchste Zeit aufzustehen und sich zur Zentrale des Geheimdienstes zu begeben. Der neue Tag versprach mindestens genauso anstrengend und lang zu werden wie der vergangene.

Eine erfrischende Dusche später verließ Gackt sein Zimmer und fuhr mit dem Fahrstuhl in die Eingangslobby. Er winkte der Dame an der Rezeption grinsend zu, die leicht perplex seinen Gruß erwiderte. Dann stieg er in den Wagen, welcher schon vor dem Hotel auf ihn wartete. Anderes als allgemein angenommen war sein Ziel nicht das Fotostudio, sondern die Einsatz-zentrale.

Mit Yoshimura und den bearbeitenden chinesischen Agenten setzte Gackt die Besprechung von letzter Nacht fort. Während sich die Agenten etwas regeneriert hatten, um für ihren Ein-satz fit zu sein, waren andere Mitarbeiter damit beschäftig gewesen alle Informationen über das leerstehende Gebäude zusammenzutragen, damit sie die entscheidende Frage klären konnten, was Chen mit einem Anschlag erreichen wollte. Der in den frühen Morgenstunden abgeschlossene Bericht wurde nun den Teilnehmern der Einsatzes vorgelegt.

Ein völlig übermüdet aussehender Wissenschaftler mit gewaltigen schwarzen Ringen unter den Augen tat sein Möglichstes, um nicht einzuschlafen. Nebenbei erläuterte er den Bericht mit Hilfe modernster Technik. Die Chinesen waren also doch zu mehr in der Lage, als nur Stecknadeln auf Karten zu platzieren, bemerkte Gackt im Stillen. „Unser Team hat Erstaun-liches herausfinden können“, begann der Wissenschaftler und unterdrückte mühsam ein Gähnen. „Wir haben eine Untersuchung des Bodens unter dem Gebäude vorgenommen. Halten Sie sich fest! Noch nicht einmal zwei Meter unterhalb des Hauses befindet sich ein gewaltiger Hohlraum, welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Grundwasser gefüllt sein wird.“ Er ließ eine Zeichnung auf dem Fernsehmonitor erscheinen. Um nicht aus den Lat-schen zu kippen, stützte er sich dabei zur Sicherheit an einer Stuhllehne ab. Die Agenten besahen sich die Skizze, das Haus war dargestellt und darunter der Hohlraum. Der Wissen-schaftler setzte seine Ausführungen fort. „Der Boden hält das Gewicht des Gebäudes nur noch mit letzter Kraft aus. Wenn aber eine Bombe explodieren sollte, würde die Erddecke aufreisen und durch den herrschenden Druck das Wasser nach oben schießen lassen und alle Gebäude in der Umgebung überfluten.“

Das war es also! Chens Plan mit dem er nicht nur den Geheimdienst hinters Licht führen wollte, sondern der auch zahlreichen Menschen das Leben kosten sollte, durch eine Über-flutung des Geschäftszentrums! Sie mussten schnellstens handeln. Chen hatte sich die Stelle besonders geschickt ausgesucht, denn der Grundwasserspiegel war an besagter Stelle wesentlich tiefer als in der Umgebung. Das Wasser hatte sich also in großem Maße dort ansammeln können, so jedenfalls war der Stand der Dinge.

Es wurde beschlossen auf das Ablenkungsmanöver einzugehen, um Chen keinen Grund zur Annahme zu geben, dass sie die Bombe eigentlich ganz woanders vermuteten. Die Evakuie-rung vom Einkaufszentrum sollte wie geplant am Vormittag stattfinden, wenn schon eine geschäftige Stimmung im Zentrum herrschte.

„Lasst uns anfangen!“, sagte Gackt zum Rest des Teams und erhob sich. Er und Yoshimura hingegen würden noch mit anderen Dingen beschäftigt sein als nur der Evakuierung, schließ-lich gab es einen Anschlag zu verhindern.
 

Durch die Polizei war das Einkaufszentrum vollständig abgeriegelt worden. Die letzten Menschen wurden aus dem Gebäude gebracht und verteilten sich zu den anderen auf dem Platz davor, natürlich im nötigem Abstand zu der Absperrung.

Von nicht weither wurden sie beobachtet und was sich vor seinen Augen abspielte, ließ das Herz des Beobachters immer höher schlagen. Sie sollten schwimmen, allesamt in seinem Flammenmeer und für ihn schreien. Dieses Mal erlaubte er sich nicht die Bilder in seinen Gedanken aufsteigen zu lassen, denn schon in wenigen Minuten war es endlich Wirklichkeit.

„Es wird Zeit“, sagte Chen zu seinem Begleiter und drehte sich zu Hyde um, der ihn auf das Dach begleitet hatte, aber nicht den geringsten Anreiz verspürte sich wie der Chinese über den Anblick der Menschen unter ihm zu freuen.

Sie verließen das Dach wieder und gingen zurück zum Erdgeschoss, wo schon die anderen der Organisation warteten. So waren sie insgesamt zu sechst. Glücklich betrachtete Chen seine Bombe, die er gleich zünden würde. Liebevoll strich er über sie, als wäre sie sein Kind, in Gewisserweise traf dies auch zu, er hatte schließlich lange für ihre Entwicklung gebraucht und in dieser Zeit war sie ihm immer mehr ans Herz gewachsen. Jetzt würde sie endlich ihren Zweck erfüllen dürfen.

Hyde stand still neben ihm, die restlichen Anwesenden hatten sich draußen verteilt, um das Gelände vor dem möglichen aber unwahrscheinlichen Eindringen Fremder zu schützen. Alle waren sie überzeugt vom Aufgehen des Plans. Während Chen seine Bombe an den dafür vorgesehenen Platz brachte und alle nötigen Einstellungen vornahm, schlich sich der Japaner vorsichtig nach draußen. Er wusste, dass Chen mindestens fünf Minuten brauchen würde, um alles zu seiner Zufriedenheit vorbereitet zu haben. Inzwischen kannte er ihn auch gut genug und konnte sich sicher sein, dass seine Abwesenheit nicht bemerkt werden würde.

Hyde brauchte nicht lange zu suchen, da hatte er den ersten Chinesen schon entdeckt. Nur der Gedanke an seine Mutter ließ ihn das Folgende tun. Sie würde sterben, sollte er sich weigern. Bevor sein Opfer ihn bemerken konnte, war es ihm schon schutzlos ausgeliefert. Schneller als der Chinese drehte sich Hyde herum und seine zum Schlag angesetzte Hand traf mit voller Wucht den ungeschützten Hals. Mit einem erstickten Röcheln klappte der Chinese in sich zusammen und Hyde beeilte sich ihn aufzufangen, damit es keine unnötigen Geräusche gab. Den bewusstlosen Mann zu Boden gleitend, suchte er schon sein nächstes Opfer. Genau wie der erste hatte auch der zweite Chinese keine Chance im Kampf gegen den Japaner, der es schließlich gar nicht erst zu einem Kampf kommen ließ, sondern ihn unbemerkt von hinten bewusstlos schlug. Nummer drei und vier erging es nicht besser. Seine Größe wurde Hyde bei solchen Einsätzen zum Vorteil und half ihm sich an seine Opfer anzuschleichen. Wie er schon gestern bemerkt hatte, hatten auch die Chinesen erkennen müssen, dass mehr hinter seinem niedlichen Aussehen steckte und auch er über eine Menge Kraft verfügte. Doch jetzt musste er sich wieder um den letzten verbleibenden Chinesen kümmern.

Als Chen zufrieden von seiner Arbeit aufsah, stand Hyde nur ein paar Meter entfernt, so als hätte sein kleiner Ausflug nach draußen nie stattgefunden. Auf dem Display erschien der Countdown, der ihnen noch eine halbe Stunde Zeit ließ sich aus der Gefahrenzone zu ent-fernen. Für einen von ihnen würde er jedenfalls die nötige Zeit bereit halten, der andere jedoch…

Eigentlich hatte er die Unterstützung von Takarai-san gar nicht gebrauchen können, überlegte Chen. Sein Plan war so wunderbar aufgegangen, dass er den Japaner nicht hatte einsetzten müssen. Er war auch eher eine Notfallreserve gewesen, die bezwecken sollte, dass die Japaner sich an den Deal und besonders an das zu zahlende Geld hielten. Damit hatte der Chinese letztendlich den Fehler begangen, der zu seinem Untergang führte.

„Schnell, lass uns gehen!“, reif er Hyde zu und wandte sich zum Ausgang. „Ich will mein Fest auf keinen Fall versäumen.“ „Du gehst nirgendwo hin“, sagte der Schwarzhaarige mit ruhiger Stimme. Chen glaubte sich verhört zu haben, er wollte den Worten des anderen schon keine Beachtung schenken und sie auf seine Aufregung wegen dem Funktionieren seines Plans schieben, doch so leicht ließ sich dieser nicht ignorieren. „Hier geblieben!“ Etwas schwarz Glänzendes tauchte im Gesichtsfeld von Chen auf, direkt auf seine Brust gerichtet. „Um Hilfe rufen, wird dich auch nicht weiter bringen“, meinte Hyde, als Chen seinen Mund öffnete, um genau das zu tun. So reagierten sie alle, wenn ihnen plötzlich bewusst wurde, dass er sie verraten hatte. „Niemand außer mir kann dich noch hören.“ Hyde befahl dem Bombenleger mit angelegter Pistole zu den Leitungsrohren zu gehen und fesselte ihn mit Handschellen an eben diese. Als das kalte Metall seine Handgelenke umschloss, wusste Chen, dass er verloren hatte. Die Bilder von einem triumphierenden Sieg lösten sich vor seinen Augen in Luft auf, als hätten sie nie existiert. Seine Seele schrie und weinte und fand doch keine Erlösung. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Wie nachlässig er gewesen war, wurde ihm bewusst, als er mit weit aufgerissenen Augen auf den kleinen Japaner blickte, der die Handschellen um die Rohren zuschnappen ließ. Jetzt wusste er, weshalb Takarai-san ausgerechnet ihn geschickt hatte, nur um ihn zu hintergehen. Mit einem verzweifelten Lächeln wandte er sich noch einmal an Hyde. „Wenn du mich hier sterben lässt, werdet ihr die Waffen nie bekommen. Takarai-san hat sich ins eigene Fleisch geschnitten! Und auch du wirst mit drauf gehen, wenn du nicht langsam hier verschwindest.“ Er brachte tatsächlich noch einmal sein hämisches Lachen zustande.

„Glaubst du wirklich wir hätten daran nicht gedacht? So oder so werde ich die Waffen mit nach Japan nehmen. Und deine Explosion wird fast wie geplant ablaufen, mit dem kleinen Unterschied, dass nicht gleich das ganze Viertel überflutet wird.“ Denn auch Hyde wusste nun über das Ziel von Chens Anschlag Bescheid. Ungesehen von dem, seiner Meinung nach verrückten Chinesen, war es ihm gelungen über einige, nicht gerade widerstandsfähige Mit-arbeiter die Sache mit dem Hohlraum zu erfahren. Sein Onkel hatte auch hierbei ein doppeltes

Spiel am Laufen gehabt. Er hatte über verschiedene Wege falsche Informationen nach China verschickt, auf die sowohl Chens Organisation als auch der chinesische Geheimdienst herein-fallen sollten. Wie es um den Geheimdienst stand, wusste Hyde nicht. Zumindest Chen hatte geglaubt, eine Explosion würde die halbe Stadt überfluten, obwohl sich in Wirklichkeit nur eine geringe Menge Wasser in dem Hohlraum unter dem Gebäude befand. Das Wasser würde wohl gerade reichen, um das Feuer der Explosion zu löschen. Shinobu-san liebte solche Spiele und hatte auch Hyde im Dunkeln tappen lassen. Sollte Hyde nicht in der Lage sein, Shinobu-sans Falle zu erkennen, hätte auch er verloren, denn sein Onkel würde ihn beim kleinsten Fehler fallen lassen und sich nicht weiter um sein Leben kümmern. Jedes Mal lief es auf die gleiche Weise ab, immer musste Hyde damit rechnen sein kaltherziger Onkel würde auch ihn verraten. Bis jetzt war es ihm immer gelungen seine Fallen rechtzeitig zu durch-schauen und er war am Leben geblieben, bis heute.

„Was!“, schrie Chen förmlich und sackte kraftlos nach unten. Die Japaner waren ihm über gewesen, hatten ihn mit falschen Informationen gefüttert, verraten und am Ende nahmen sie ihm auch noch seine Waffen weg. Sein Leben war ihm nun egal. Sollte er doch ruhig sterben, hier, an dieser Stelle, wo auch schon sein Traum dem Tod in die Augen hatte sehen müssen. Doch das Schicksal schien Chen seinen letzten Wunsch nicht erfüllen zu wollen.
 

Die lose Holzplatte im Bretterzaun bewegte sich vorsichtig zur Seite. Ohne einen Laut schlüpften Gackt und Yoshimura durch die Lücke, die Pistolen im Anschlag. Sie waren auf Gegenwehr gefasst und ließen ihre Blicke über den Hof schweifen. Nichts rührte sich, genau-so verlassen wie am vergangenen Tag lag der Hof vor den beiden Agenten. Gackt wurde stutzig, weshalb nur konnten sie hier so einfach eindringen? Hatten sie sich doch geirrt und der Anschlag sollte gar nicht hier verübt werden? War ihnen jemand zuvor gekommen? Oder würden sie gleich auf die erwartete Gegenwehr treffen?

Immer versucht in Deckung zu bleiben, schlichen sich die beiden über den Hof, bis Yoshimu-ra plötzlich stockte. „Gackt, sieh her!“, flüsterte er und zeigte mit der Hand auf eine Person, die allen Anschein nach völlig bewegungslos auf dem Boden lag. Schnell waren sie bei dem Mann angelang, bei welchem es sich um einen von Chens Mitarbeitern handeln musste. Gackt beugte sich hinunter und fühlte des Puls des Chinesen. „Er lebt noch“, sagte er zu seinem Kollegen. „Wer auch immer das war, er hat gute Arbeit geleistet. So schnell wird unser Freund hier wohl nicht mehr aufwachen.“ Nur kurze Zeit später fanden sie auch die übrigen Chinesen, die allesamt tiefschlafend auf dem Boden vor sich hinkomaten. Es konnte gar nicht anders sein, irgendjemand war vor ihnen hier eingedrungen und hatte die Wachposten ausge-schaltet. Er musste sehr geschickt gewesen sein, überlegte Gackt, denn nirgendwo waren Spuren von einem Kampf zu erkennen.

Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, betraten die japanischen Agenten das Gebäude. Immer noch hielten sie die Pistolen im Anschlag. Diese Vorsichtsmaßnahme schien gar nicht von Nöten zu sein, denn auch das Haus sah menschenleer aus. Nur die Bewohner aus dem Reich der Insekten und Nagetiere waren zu sehen. Während sie weiter ins Gebäude gelangten, konnten sie auf einmal ein Ticken wahrnehmen, versetzt mit einem leisen Stöhnen. Und nur ein paar Meter um die Ecke befand sich….

„Chen!“, rief Gackt aus und eilte auf den Attentäter zu. Dieser hing immer noch wie ein schlaffer Mehlsack an den Rohren. Seine Augen starrten ins Leere und nahmen sie beiden Männer, die auf ihn zukamen nicht wahr. „Zu spät“, murmelte er leise, während die Japaner versuchten ihn von den Rohren zu lösen. Gackt zog an den Handschellen, doch es war zweck-los. Ohne den passenden Schlüssen würde sie Chen hier nicht loskriegen.

Das Ticken, das sie kurzzeitig außer Acht gelassen hatten, verlangte nun mit verstärkter Laut-stärke erneut nach Beachtung. Fieberhaft sahen sie sich um, konnten aber keine Spur von der Bombe entdecken. „Wenn wir sie nicht bald finden, fliegen wir mitsamt dem Gebäude in die Luft“, fluchte Yoshimura und als ob er von diesen Worten aufgeschreckt worden wahr und entschieden hatte doch nicht sterben zu wollen, hob Chen seine freie Hand und deutete in die Richtung, in der seine geliebte Bombe versteckt war. Unverzüglich suchten sie in angegeben-er Richtung weiter und fanden schließlich auch den Verursacher des Tickens.

„Nur noch zehn Minuten!“, gab Gackt von sich und fingerte an dem Gehäuse der Bombe herum. „Es hat keinen Sinn“, vernahmen sie plötzlich die kratzige Stimme des Chinesen. „Nicht einmal ich könnte sie jetzt noch entschärfen. Sie wird explodieren.“

Fassungslos sahen die Japaner auf die schlaffe Gestalt, die immer noch an die Rohre gekettet war und nun langsam den Kopf hob. „Sie haben mich verraten“, murmelte Chen voller Wut. „Ich hatte alles genau geplant, doch schon da bin ich ihnen in die Falle gegangen. Das Haus wird einstürzen, aber mehr nicht, kein Feuerwerk, keine Überschwemmung.“ Sein Kopf sank wieder noch unten. In diesem Moment wünschte er sich Tränen zu vergießen, doch keine einzige ließ sich dazu herab seine Wange hinunter zu laufen.

„Trotzdem, wir müssen hier raus. Überschwemmung oder nicht, wenn die Bombe explodiert und wir noch hier sind, sind wir mal lebendig gewesen“, sagte Yoshimura und blickte erneut auf den Display. Jetzt hatten sie nur noch neun Minuten Zeit, um sich vom Acker zu machen.

„Du hast recht“, erwiderte Gackt und rannte zurück zu dem Hüter der Rohre. „Wir können ihn hier nicht zurücklassen. Schließlich ist es unsere Aufgabe Menschenleben zu retten.“

Er zückte seine Pistole und richtete sie auf Chen, der das Schlimmste glaubend seine Augen schloss. Wenigstens war es jetzt endlich zuende und er war nicht mehr dazu gezwungen vor sich hin zuleiden. Der erwartete Schuss erklang zwar, aber tot fühlte er sich deshalb nicht. Er spürte keinerlei Schmerzen und auch seine Augen ließen sich immer noch problemlos öffnen. Gackt ließ seine Pistole, mit der er die Handschelle am Rohr zertrümmert hatte, wieder sinken. Brutal packte er den perplexen Chen am Arm und schleifte ihn von den Rohren weg. „Mach schon!“, schrie er ihn an und Chen fand die Funktion seiner Beine wieder. „Raus hier!“, rief auch Yoshimura, doch Gackt übergab ihm lediglich den gebrochenen Attentäter und machte keine Anstalten zu gehen.

„Irgendwer ist immer noch hier“, erklärte der Braunhaarige seinem jetzt auch völlig perplexen Kollegen. „Ich will wissen wer!“

„Gackt, bist du jetzt total verrückt geworden! Hier fliegt in sieben Minuten alles in die Luft und du willst nach einer Person suchen, die sich vielleicht noch hier aufhalten könnte, viel-leicht aber auch schon über alle Berge ist! Das kann doch nicht dein Ernst sein!“ Yoshimura blickte ihn entsetzt an. Selbst für Gackts Verhältnisse grenzte es an Wahnsinn. Doch der Aus-druck im Gesicht des Sängers war todernst und er wusste, nichts was er sagen würde, konnte Gackt von seinem Vorhaben abhalten. „Keine Dummheiten! Versprich mit das!“, rief Yoshi-mura Gackt zu und als dieser nickte, schnappte er sich Chen, verließ mit dem Chinesen das Gebäude und kurz darauf den Hof. Um die vier bewusstlosen Chinesen sollte er sich am besten auch kümmern.

Gackt blieb allein zurück. Nun waren es nur noch sechs Minuten. Er wäre auch geblieben, wenn der Display nur noch zwei angezeigt hätte. Eine ziemlich genaue Vorstellung vor Augen, wer sich noch im Gebäude befand, machte er sich auf die Suche. Eigentlich konnte es gar nicht anders sein, schließlich war er gestern mit Chen hier gewesen. Aus welchem Grund hätte Chen ihn also heute nicht mitnehmen sollen. Und wieder von hier verschwunden sein, konnte er auch nicht, dann hätten Gackt und Yoshimura ihn unweigerlich bemerken müssen. „Was für ein Spiel läuft hier ab, Hyde?“, flüsterte Gackt leise. Sollte er vielleicht nach ihm rufen? Nein, das war zu gefährlich, da er trotz allem nicht wusste auf welcher Seite Hyde wirklich stand. Aber das ganze Gebäude konnte er beim besten Willen auch nicht auf den Kopf stellen, so viel Zeit war einfach nicht mehr übrig. Bevor er sich zu einer Entscheidung durchringen konnte, wurde ihm diese von anderer Seite her abgenommen.
 

Er konnte die Eindringlinge spüren, kurz bevor er sie hören oder sehen konnte. „Shit!“, ver-fluchte Hyde sein Pech. Damit hatte er nicht gerechnet, jedenfalls nicht während er noch hier war. Schnellstmöglich machte sich der Schwarzhaarige aus dem Staub und rannt zu der Treppe, die sich nur wenige Schritte von ihm entfernt befand. Sie führte auf eine Balustrade, von der aus er nach untern blicken konnte. Hyde versteckte sich, was ihm bei seiner Größe auch nicht allzu schwer fiel, konnte aber trotzdem noch einen Blick auf das Geschehen unter sich werfen. Es mussten mindestens zwei Personen sein, die zu dem an die Rohre gefesselten Chen stießen. Genaueres konnte er von seinem Versteck aus aber nicht erkennen, dafür war er doch zu klein. Auch der Unterhaltung konnte er nicht richtig folgen, da ein Knacken einge-setzt hatte, welches genau von dem Boden unter seinen Füßen herrührte. Bei seinem Glück würde er in wenigen Augenblicken durch die Decke krachen. „Immer hab ich Pech“, maulte er leise, und verstand natürlich noch weniger von der Unterhaltung unter ihm. Es schien aber wie nicht anders erwartet um die Bombe zu gehen. „Los, macht schon, raus da!“, bettete er im Stillen und endlich wurden seine Gebete auch erhört.

Nach einem lauten Schuss, bei dem Hydes Herz für einem Moment aussetzte, machten sich die Eindringlinge mit Chen im Schlepptau auf den Weg nach draußen. Der Plan den Chinesen mit der Bombe hoch gehen zu lassen, war damit zerstört. Wahrscheinlich, überlegte Hyde, wäre es das Beste gewesen ihn an Ort und Stelle zu erledigen. Er hätte ihn mit seinen eigenen Händen umbringen sollen, hätte zum Mörder werden müssen, anstatt darauf zu vertrauen, dass Chen bei der Explosion den Löffel abgab. Diesen würde er in wenigen Minuten abgeben müssen, wenn er nicht endlich von hier verschwand. Doch Hyde spürte, dass sich immer noch eine Person im Gebäude befand, einer von den Eindringlingen war wieder zurückgekommen.

Weil Hyde noch nicht bereit war, aus der Welt zu scheiden, ohne Gackt wenigstens noch einmal gesehen zu haben, stand er so vorsichtig es ging auf. Sein Fuß berührte den Boden an einer besonders brüchigen Stelle und bevor Hyde es sich versah, stürzte er mit einem erschro-ckenem Aufschrei in die Tiefe. Er fiel nicht sehr weit und landete auch nicht besonders hart, sein Verstand entschied aber trotzdem, dass es ihm reichte. Der Gedanke an Gackt war der letzte den Hyde hatte, bevor die Ohnmacht ihn mit sich riss. „Wenn ich das überlebe, dann werde ich nicht mehr wegrennen. Ich versprech´s dir, Ga-chan!“
 

Das Knacken war schon die ganze Zeit über da gewesen, fiel ihm aber jetzt erst auf. Der einzigen Laut, den Gackt vorher wahrgenommen hatte, war das Ticken der Bombe gewesen, das natürlich immer noch nicht verschwunden war. Es wäre auch zu schön gewesen. Nun wurde aber das Knacken so laut, dass es sich einfach nicht mehr ignorieren lassen wollte. Gackt schaute über sich, wo es seinen Ursprung zu haben schien. Aus dem Knacken wurde mit einem Mal ein gewaltiges Krachen und etwas, oder besser gesagt jemand, fiel mit einem lauten Aufschrei durch die Decke nach unten. Völlig unvorbereitet flog sein Engel in Gackts Arme, besser gesagt er begrub ihn vollständig unter sich. Gackt hatte wie durch ein Wunder genau unter den morschen Holzdielen gestanden, die sich Hyde als Versteck ausgesucht hatte. Den Braunhaarigen traf aber nicht nur Hydes Gewicht, sondern auch die halbe Decke verab-schiedete sich und machte es sich ebenfalls auf seinem Körper bequem. Nach ein paar Augen-blicken im Schockzustand gelang es Gackt das Holz beiseite zu schaffen und seinen und Hydes vergrabenen Körper wieder ans Licht zu befördern.

„Haido!“, keuchte Gackt und musste wegen dem aufwirbelnden Staub husten. Sofort beugte er sich über seinen Engel, der ihn gerade nicht besonders engelhaft zu Fall gebracht hatte. Hydes Augen waren geschlossen und einen schrecklichen Moment lang vermutete Gackt schon das Schlimmste, doch dann konnte es Hyde atmen hören. Er war also nur bewusstlos, was ja auch kein Wunder war nach seinem Fall durch die Decke. Zeit sich darüber zu freuen, blieb Gackt aber nicht, denn das Ticken der Bombe verlangte wieder seine Aufmerksamkeit. Er wusste nicht wie viel Zeit bis zur Detonation noch blieb, mehr als zwei Minuten konnten es aber nicht mehr sein. In Windeseile hob er den bewusstlosen Körper Hydes auf seine Arme und verließ im Laufschritt das Gebäude. Zum letzten Mal, dachte Gackt grimmig. Er raste praktisch über den Hof, immer darauf bedacht Hyde gut festzuhalten.

Zu seinem Glück hatten sich Yoshimura und Chen nicht die Mühe gemacht, sich durch das kleine Loch im Zaun zu quetschen, sondern hatten dieses erheblich vergrößert. So konnte nun auch Gackt, ohne Hyde absetzten zu müssen, vom Hof entkommen. Er war noch nicht sonder-lich weit vom Zaun entfernt, als mit einem ohrenbetäubenden Knall das Gebäude hinter ihm in die Luft flog. Schützend legte er sich über Hyde und wagte sich erst wieder zu rühren, als ein paar Minuten vergangen waren und keine Gefahr mehr von herumfliegenden Gegenstän-den bestand. Hyde so nah zu sein, ließ sein Herz schneller schlagen und so konnte Gackt es nicht verhindern, dass er etwas länger als nötig über ihm liegen blieb.

Schließlich brachte er wieder etwas Abstand zwischen sich und seinen Engel und stellte grin-send fest, dass er Hyde immer noch tiefschlafend in den Armen hielt. Den Kleinen konnte aber auch nichts in der Welt aus seinem Schlaf wecken. Gackt tastete ihn vorsichtig nach Ver-letzungen ab, was sein Herz bei der Berührung von Hydes Körper noch einmal weit schneller als normal schlagen ließ, und stellte erleichtert fest, dass er unverletzt geblieben war. Erst nachdem sich Gackt von Hydes Wohlergehen überzeugt hatte, spürte er selber einen stechen-den Schmerz an seinem Oberarm nagen. Vorsichtig legte er Hyde auf den Boden und besah sich seine eigene Wunde. Gackt musste einmal schlucken, als sein Blick auf ein Holzstück fiel, welches seine Klamotten durchbohrt hatte und nun in seinem Arm fest steckte. Er kniff die Augen zusammen und zog es mit einem Ruck raus. Blut lief seinen Arm entlang und durchtränkte sein T-Shirt. Etwas davon tropfte genau auf Hydes Gesicht und bildete einen starken Kontrast zu seiner hellen Hautfarbe. Gackt beeilte sich die Tropfen wegzuwischen, als sich der kleine Mann unter ihm zu regen begann.

Hydes Schlafbedürfnis schien heute nicht allzu groß zu sein und mit einem Seufzen machte sich Gackt ans Aufstehen. Doch als der Schwarzhaarige seine Lippen leicht öffnete, konnte Gackt sich einfach nicht mehr zurückhalten. Ohne darüber nachzudenken, beugte er sich wieder über Hyde und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Seine Lippen fühlten sich unglaublich zart an und am liebsten wäre Gackt für immer so sitzen geblieben, doch sein hartnäckiger Verstand veranlasste ihn dazu den Kuss wieder zu lösen.

„Ich liebe dich, Haido“, murmelte Gackt leise, als er sich, dieses Mal endgültig, erhob. Mit einem letzten Blick auf seinen nicht mehr wirklich schlafenden Engel wandte er sich schwe-ren Herzens zum Gehen. Liebend gerne wäre er bei ihm geblieben, doch er konnte die Konse-quenzen, die ein derartiges Handeln nach sich ziehen würde, nicht riskieren. Ein andermal würde er herausfinden, was es mit Hydes Anwesenheit in Shanghai auf sich hatte. Gackt drehte sich um und beeilte sich zu verschwinden, bevor Hyde vollends erwachte.

Während er sich zum Einkaufszentrum begab, wo er die anderen vermutete, wanderte sein Blick noch einmal über den Platz an dem vor nur wenigen Minuten noch das leerstehende Gebäude gestanden hatte. Von selbigem war nichts mehr zu sehen. Nur ein paar Betonpfeiler und wie konnte es anders sein auch einige Holzbretter ragten noch aus dem großen Teich heraus, der mitten im Geschäftsviertel entstanden war. Mit einem Lächeln auf den Lippen ließ Gackt die neuentstandene Wasserstelle hinter sich.
 

Seine Augen öffneten sich langsam und allmählich begann Hyde die Umgebung wieder bewusst wahrzunehmen. Er drehte den Kopf in alle Richtungen und überlegte wie er bloß hierher gekommen war. Das Letzte an das er sich erinnerte war sein Sturz durch die Decke. Anschließend war ihm schwarz vor Augen geworden. Hyde war sich fast hundertprozentig sicher, dass noch vor wenigen Augenblicken jemand bei ihm gehockt hatte. Dieser hatte seine Arme um ihn gelegt und leise, so dass er nichts verstehen konnte, etwas vor sich hingemurmelt. Es hatte sich in jedem Fall gut angefühlt und Hyde war ein bisschen traurig, dass die Person so schnell verschwunden war. Eine Ahnung um wen es sich handeln könnte, hatte Hyde zwar schon, nur kam ihm diese bei Weitem zu unmöglich vor. Trotzdem hatte er seinen Namen geflüstert. Vielleicht war es aber auch nur Einbildung gewesen, dann aber blieb die Frage offen, wie er an diesen Ort gelangt war.

Der Sänger konnte etwas Warmes in seinem Gesicht spüren und strich mit einem Finger darüber. Eine rote Flüssigkeit blieb daran hängen und er wusste intuitiv, dass es nicht sein eigenes Blut war.

Einige Zeit blieb Hyde noch an Ort und Stelle sitzen, dann machte er sich auf den Weg zurück. Er musste schließlich noch dafür sorgen, dass die Waffen sicher nach Japan gelangten.
 

Es gab keine Verletzte, wenn man einmal von Gackts blutigem Arm absah. Der Einsatz des chinesischen Geheimdienstes mit tatkräftiger japanischer Unterstützung war ein voller Erfolg. Rings um das gefährdete Gelände waren die Menschen auch evakuiert worden, so dass nur Gackt und Hyde die Explosion von so nah erlebten beziehungsweise verschliefen. Zufrieden begaben sich die Agenten zurück in die Zentrale, um auf ihren Sieg über Chens Organisation anzustoßen. Der Chinese und seine Gefolgsleute würden für die kommenden Jahre fest hinter Schloss und Riegel sitzen.

Und wäre Gackt nur noch einen Moment länger bei Hyde geblieben, so hätte es sein geflüster-tes „Ga-chan“ hören können. Doch sie sollten sich nicht zum letzten Mal an diesem Tag begegnet sein und dann würde das Schicksal auch Einsicht haben und Hyde keine Ohnmacht schicken.
 


 

Vielen Dank an alle, die bis hierhin gelesen haben. Ihr dürft gespannt sein, was passiert wenn sich Gackt und Hyde das nächste Mal begegnen!

Kommentare sind natürlich sehnsüchtig erwünscht!

Bis bald, himachan!

Healing

Vielen, vielen Dank für all die lieben Kommis! Ich hab mich riesig darüber gefreut !

Sorry, dass es so lange gedauert hat, das nächste Kapitel hochzuladen, aber ich war verreist. Jetzt geht es endlich weiter, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
 

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6. Kapitel

Healing
 

Stirn runzelnd sah der Sänger aus dem Fenster. Er hielt sein viertes Glas Champagner in der Hand und um ehrlich zu sein, hing ihm das Zeug langsam zum Hals heraus. Gackt fragte sich wie viele Gläser er noch trinken musste, bis er endlich wieder hier raus kam. Der Chef der Zentrale machte erneut Anstalten seine Stimme zu erheben und mit einem Aufseufzen machte sich der Braunhaarige auf eine weitere langatmige Rede mit ausführlicher Schilderung, wie genial der Geheimdienst doch den Fall gelöst hatte, gefasst, als ihm Yoshimura auf die Schulter tippte.

„Lass uns versuchen von hier abzuhauen“, flüsterte er ihm zu. „Vor lauter Langeweile betrinke ich mich sonst noch.“ „Super Idee! Nichts wie weg“, flüsterte Gackt zurück, der mit seinen Gedanken schon lange nicht mehr bei der Feier zur Lösung des Auftrags war, sondern wieder einmal über den Grund für Hydes Verbindung mit Chen brütete.

Ein lauter Tumult brach los, als sich die beiden japanischen Agenten erhoben und unter mehrfachen Entschuldigungen verkündeten, dass sie nun leider gehen mussten. Nicht wenige der chinesischen Mitarbeiten sahen nun ihre Chance gekommen, sich ebenfalls aus dem Staub machen zu können. Sollten sie diese nicht ergreifen, wäre sie noch bis spät in die Nacht oder besser gesagt bis früh am nächsten Morgen dazu verdammt sich die Lobreden ihres Chefs anzuhören. Leicht pikiert schaute sich besagter Chef die Aufbruchsstimmung an, verabschiedete seine Gäste aber mit überschwänglicher Freundlichkeit, schließlich hatte er es ihnen zu verdanken, dass der Anschlag verhindert werden konnte.

Aufatmend standen die beiden Japaner vor dem Gebäude und sahen zu wie reihenweise Chinesen daraus flüchteten. „Kommt es mir nur so vor oder werden seinen Reden jedes Mal länger?“, fragte Gackt seinen Kollegen. Yoshimura grinste müde und nickte mit dem Kopf. „Glaub mir, nicht nur dir kommt es so vor.“ Er unterdrückte ein Gähnen. „Gehen wir noch was trinken?“ „Sei mir nicht böse, Yoshi-chan, aber mir ist heute nicht danach. Ich brauch ein bisschen Ruhe“, antwortete Gackt. „Kein Problem“, erwiderte Yoshimura. „Dann hau ich mich eben gleich in die Falle. Wird mir auch nicht schaden.“ Sie verabschiedeten sich und Yoshimura ließ sich von einem Wagen des Geheimdienstes zu seinem Hotel bringen. Gackts Reaktion hatte ihn schon etwas verwundert. Normalerweise schlug er die Idee noch etwas trinken zu gehen nie aus. Der Sänger war aber den ganzen Tag schon so seltsam drauf gewesen und Yoshimura hatte das untrügliche Gefühl, dass Hyde, in welcher Weise auch immer, der Auslöser für Gackts Verhalten war.

Gackt hatte keine Lust in sein Hotel zurück zu gehen und wieder schlaflos im Bett zu liegen. Obwohl der Tag anstrengend gewesen war, fühlte er sich noch hellwach. Die Gedanken an Hyde ließen seinen Verstand kontinuierlich arbeiten. Vielleicht hätte er doch den Vorschlag von Yoshimura annehmen sollen, überlegte Gackt, als er durch die Straßen ging. Etwas Ablenkung hätte es sicher gebracht. Stattdessen lief er nun mit seiner Sonnenbrille auf der Nase in der Stadt herum, über die sich schon längst die Nacht gelegt hatte. Er schien Glück zu haben, denn offensichtlich erkannte ihn niemand. Grübelnd ließ er seinen Blick über die entgegenkommenden Menschen schweifen. Und dann sah er ihn zum zweiten Mal an diesem Tag. Nicht weit von Gackt entfernt, stieg der kleine Japaner gerade aus einem dunklen Wagen und betrat ein schickes Hotel auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Für einen Moment starrte ihm Gackt hinterher, dann nahm er die Beine in die Hand und überquerte ebenfalls die Straße. Er sollte die Gelegenheit nutzen, schließlich war weit und breit kein abbruchreifes Haus zu sehen durch dessen Decke Hyde stürzen konnte.

Vor dem Hotel angekommen, blickte der braunhaarige Sänger vorsichtig durch die Scheiben, konnte im Inneren aber keine Spur von Hyde entdecken. Er wartete noch einen Moment, dann betrat auch er das Hotel. In der Empfangshalle saßen und standen mehrere Menschen, die ihm neugierige Blicke zuwarfen und Gackt beeilte sich dem Licht zu entkommen, bevor ihn noch jemand ansprach. Hoffentlich war Hyde noch nicht auf sein Zimmer gegangen, betete Gackt im Stillen. Schließlich konnte er nicht einfach zum Empfang gehen und nach seiner Zimmernummer fragen. Und selbst wenn er diese irgendwie herausbekam, war es einfach ein Ding der Unmöglichkeit, dass Gackt einfach so an Hydes Tür klopfte.

Sein Weg führte Gackt in den Barbereich des Hotels und glücklicherweise saß sein Engel an der lang gestreckten Theke, so dass ihm eine langwierige Suche erspart blieb. Hyde sah müde aus, bemerkte Gackt. Lange Strähnen seines schwarzen Haares fielen ihm ins Gesicht und er ließ den Kopf hängen. Er würde wohl einen genauso anstrengenden Tag hinter sich haben wie Gackt und seiner war noch mit einem Fall durch die Decke und einer hübschen Ohnmacht gespickt gewesen. Gackt ging auf die Theke zu und setzte sich mit dem größtmöglichen Abstand zu Hyde, der noch nicht einmal seinen Kopf hob. Hatte er ihn nicht bemerkt oder ignorierte er ihn absichtlich?

Geschafft nach einem anstrengenden Tag hatte sich Hyde heute ausnahmsweise etwas zu trinken in der Bar erlaubt. Er starrte gedankenverloren auf das Glas vor ihm, als er plötzlich spürte wie jemand den Raum betrat. Ohne sich auch nur umzudrehen wusste Hyde sofort um wen es sich handelte. Zu sagen, dass er Gackts Anwesenheit spüren konnte, kam ihm selber wie der größte Humbug vor und trotzdem verhielt es sich genau so. Obwohl sich Hyde nicht rührte, schlug sein Herz unweigerlich um einige Takte schneller. Was um Himmels Willen machte Gackt hier in Shanghai? Und wieso bitteschön musste er ausgerechnet in dem Hotel auftauchen in dem Hyde abgestiegen war? Er erinnerte sich an das Gefühl vom Vormittag, als er glaubte, Gackt wäre während seiner Ohnmacht bei ihm gewesen. Diese absurde Vermutung rückte mit Gackts überraschendem Auftauchen immerhin in den Bereich des Möglichen. Doch halt, er sollte aufhören seinen Freund in irgendwelche komischen Machenschaften hineinziehen zu wollen, wo es doch bestimmt einen plausiblen Grund für seine Anwesenheit hier gab. Während diese Gedanken im Kopf des Schwarzhaarigen herumspuckten, breitete sich langsam ein Kribbeln in seinem ganzen Körper aus, wie immer wenn er sich in Gackts Gegenwart befand.

Dem Braunhaarigen erging es auch nicht viel besser. Lange würde er es nicht mehr aushalten einfach an der Theke zu sitzen und vor sich hinzustarren. Er dachte wieder an Hydes Reaktion als sie sich das letzte Mal gesehen hatten und beide bei mehr oder weniger vollem Bewusstsein gewesen waren.

Bitte lass ihn heute nicht wieder wegrennen, betete Gackt zu den Göttern und erhob sich von dem Barhocker. Mit so viel Optimismus wie er zustande bringen konnte und seinem bezaubernsden Lächeln auf den Lippen ging er auf Hyde zu. Kurz bevor er ihn erreichte, drehte dieser sich plötzlich zu ihm um. Für einen kurzen Moment stockte Gackt der Atem, dann brachte er ein „Hi, Haido!“ hervor und grinste ihn weiterhin dämlich an. Innerlich verfluchte er sich, dass er nicht mehr herausbrachte, aber immerhin begrüßte auch Hyde ihn und rannte nicht gleich davon. Wenn sich der Jüngere nicht sehr täuschte, lächelte er ihn sogar zaghaft an.

„Darf ich mich setzen?“, fragte Gackt vorsichtig und auf ein Nicken seines Gegenübers ließ er sich neben ihm nieder. Bevor er sich erhoben hatte, um zu Hyde zu gehen, hatte sich Gackt überlegt wie er sich verhalten sollte. Er war zu dem Schluss gekommen ihr letztes Treffen erstmal völlig zu ignorieren und sofort ein Gespräch anzufangen, damit kein peinliches Schweigen aufkommen konnte.

So beiläufig wie möglich sagte er: „Ich wusste gar nicht, dass du auch in Shanghai zu tun hast.“ „Bis vor ein paar Tagen wusste ich das selbst auch noch nicht“, antwortete Hyde wahrheitsgemäß, fügte dann aber hinzu: „Sie wollten mich mal wieder unbedingt und sofort hier haben, damit ich auch in China Werbung für mein Soloalbum mache.“ Gackt war ein bisschen erstaunt über Hydes schnelle Antwort, ließ es sich aber nicht anmerken. So ganz abwegig hörte es sich auch gar nicht an. Zu genüge kannte er selber die übereifrigen Manager, die von einer Sekunde auf die andere die seltsamsten Einfälle hatten und einen überall in der Weltgeschichte herum fliegen ließen. Doch natürlich konnte seine Geschichte nicht der Wahrheit entsprechen, schließlich hatte er Hyde bei etwas ganz anderem beobachtet.

Bevor Gackt darauf etwas erwidern konnte, fragte Hyde stattdessen: „Was machst du eigentlich hier in China? Von einer Chinareise hast du mir gar nichts erzählt.“ „Fotoshooting” antwortete der Braunhaarige wir aus der Pistole geschossen. „Mir haben sie genauso plötzlich wie dir Bescheid gesagt und mich nach Shanghai abkommandiert. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt um ein paar wunderbare Aufnahmen zu machen“, amte Gackt seinen Manager nach. Hyde musste grinsen. Dieser Mann stand aber auch wirklich den halben Tag vor der Kamera und ließ sich fotografieren. Es war also alles in Ordnung und er konnte jetzt endlich aufhören sich noch sonst was auszudenken. Obwohl sich Hyde wirklich bemühte, ließ sich das Gefühl, dass Gackt noch einen anderen Grund hatte hier zu sein, nicht abschütteln.

Er betrachtete den Sänger, der sich so dicht neben ihn gesetzt hatte, dass sich ihre Schultern berührten und konnte den Blick in seine blauen Augen nicht verhindern. Das Schweigen, welches Gackt vermeiden wollte, brach trotzdem aus, während ihre Herzen immer schneller schlugen. Schließlich war es Hyde, der den Blickkontakt löste und dessen Aufmerksamkeit auf etwas anderes fiel.

Er streckte seine Hand nach Gackts Oberarm aus und berührte vorsichtig die Stelle, an der nun notdürftig ein großes Pflaster klebte. „Was ist denn mit deinem Arm passiert?“, fragte er besorgt und tastete mit den Fingern über die Wunde. Gackt zuckte bei Hydes Berührung leicht zusammen, nicht nur weil die Wunde immer noch schmerzte. „Ach, das ist nichts Schlimmes“, log Gackt. „Ich hab mich nur etwas zu ungeschickt angestellt.“ „Bist du mit der Kamera zusammen gestoßen?“ Hydes Grinsen wurde wieder breiter, trotzdem musterte er Gackt immer noch besorgt. „So was ähnliches“, antwortete der Größere ausweichend. Er konnte ihm ja wohl schlecht sagen, dass er sich ein Stück Holz im Arm zugezogen hatte, während er ihn vor der Bombe in Sicherheit brachte.

Allerdings schien Hyde nicht überzeugt zu sein, dass mit Gackts Arm alles in Ordnung war. Er murmelte ein: „Lass mich mal sehen“ und schob den Stoff zur Seite, der die Wunde verdeckte. Als er begann das Pflaster abzulösen, zuckte Gackt wieder zusammen. Hyde verharrte in seiner Tätigkeit und starrte mit großen Augen auf den tiefen blutigen Riss in Gackts Oberarm. „Du willst mir doch nicht wirklich weiß machen, dass das nichts Schlimmes ist?“, fragte er schockiert und fügte mit Nachdruck hinzu: „Du musst den Arm auf jeden Fall versorgen lassen.“ „Ach, komm Haido. Ich werde von dem Kratzer schon nicht sterben“, versuchte Gackt ihn von seinem plötzlich erwachten Krankenschwestergen zu befreien, stieß mit dem Versuch aber auf unfruchtbaren Boden. Fest entschlossen Gackts Arm vernünftig zu versorgen, rang Hyde innerlich mit sich selber, ob er es wagen sollte ihm wirklich diese Frage zu stellen. Was hatte er schon groß zu verlieren? Nach ihrer letzten Begegnung war er sich sowieso sicher gewesen Gackt so bald nicht mehr wieder zu sehen und jetzt war er ihm so nah, dass er seinen Atem hören konnte. Diese zweite Chance musste er in Gottes Namen nutzen, um seinen begangenen Fehler wieder gut zu machen.

Hyde hob den Kopf und sah Gackt fest in die Augen. „Was hältst du davon, wenn du mit auf mein Zimmer kommst und ich deine Wunde versorge? Ich habe alles Nötige dazu dabei.“ Angespannt beobachtete er den Ausdruck in Gackts Augen und konnte Überraschung aber auch unbändige Freude darin lesen. Der Jüngere war viel zu sehr vor den Kopf gestoßen, als dass er ihm eine vernünftige Antwort geben konnte. „Ich will nur die Verletzung versorgen, weiter nichts“, grinste Hyde, obwohl sehr wohl noch andere Gedanken in seinem Kopf herumschwirrten. „An was du schon wieder denkest, will ich gar nicht wissen!“

Gackt erholte sich von seiner Überraschung und schob mit einem Ruck den Barhocker beiseite. „Worauf wartest du?“, fragte er nun seinerseits einen leicht verwirrten Hyde und hielt ihm auffordernd die ausgestreckte Hand entgegen. Mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht zog er Hyde von der Theke weg und bewegte sich in Richtung Fahrstühle. „Warte Ga-chan!“, protestierte Hyde. Dieser drehte sich wieder um und warf seinem Engel, dessen Hand er noch immer fest umklammert hielt, einen seiner anzüglichen Blicke zu. „Hast du´s dir wieder anders überlegt und willst mich nicht mehr von meinen Schmerzen befreien?“ Schmollend blickte er Hyde an, welcher ob er wollte oder nicht grinsen musste, dabei aber einen rötlichen Farbton annahm.

„Keine Angst, ich hab meine Meinung nicht geändert. Aber musst du mich an der Hand hinter dir herschleifen?“ „Wenn es dir lieber ist, kann ich dich auch tragen“, erwiderte Gackt und fügte im Stillen hinzu: „Schließlich hab ich das heute schon einmal getan.“ „Nein danke“, war die knappe Antwort Hydes, dessen Gesichtsfarbe noch mehr an rot gewann, als er sich vorstellte von den Armen des Braunhaarigen umschlossen und hochgehoben zu werden.

Die beiden Sänger erreichten noch immer Hand in Hand die Fahrstühle und ließen sich in den dritten Stock bringen. Während der Fahrt nach oben mit einem zur allgemeinen Erleichterung funktionierenden Fahrstuhl kam Gackt plötzlich mal wieder eine geniale Idee. Für den morgigen Tag hatte er keine Verpflichtungen mehr und sein Flug zurück nach Hause ging auch erst gegen Abend. Genug Zeit also sich noch ein bisschen in Shanghai herumzutreiben. Alleine hatte er dazu aber überhaupt keine Lust und wessen Gesellschaft er sich am meisten wünschte, lag klar auf der Hand. Vielleicht würde er ja Glück haben und Hyde hatte auch keine weiteren Termine mehr, der Anschlag war schließlich vereitelt worden und Chen schmachtete hinter Gittern vor sich hin. Ohne groß zu überlegen, wandte er sich an Hyde und fragte, ob sie morgen etwas zusammen unternehmen wollten. Zu seiner positiven Überraschung schlug dieser den Vorschlag nicht aus, sondern schien davon sogar angetan zu sein. Mit sichtlich gestärktem Selbstvertrauchen folgte Gackt seinem Engel zu dessen Zimmertür.

Nachdem der Ältere die Tür geöffnet hatte, betraten beide das große und geräumige Zimmer, wobei Gackts Blick sofort auf das ordentlich gemachte Bett fiel. Mensch Gackt, rief er sich selber zur Ordnung, mach bloß keine Dummheiten! Mit Mühe wandte er den Blick vom Bett ab und versuchte die Vorstellung, Hyde einfach zu packen und sich mit ihm auf selbigem niederzulassen, gewaltsam zu vertreiben. Stattdessen sah er sich nach einer anderen Möglichkeit um, wo er sich setzen konnte. Er entdeckte einen gemütlich aussehenden Sessel, der in einem anderen Teil des Zimmers stand. Während Gackt sich hinsetzte, kramte Hyde in seinem Koffer herum und förderte schließlich eine kleine Tasche zu Tage. Mit dieser in den Händen ging er auf Gackt zu, der schon sehnsüchtig auf ihn wartete. Hyde ging vor dem Sessel in die Hocke und beugte sich über Gackts Arm.

„Am besten wär´s, wenn du dein T-Shirt ausziehst“, sagte er und vermied ihm in die Augen zu sehen. Wieder starrte Gackt den Schwarzhaarigen überrascht an. Was war denn heute nur mit Hyde los? Erst bat er ihn auf sein Zimmer und dann wollte er auch noch, dass Gackt sich auszog, auch wenn es nur das T-Shirt war! So viel Initiative war er gar nicht von seinem kleinen Engel gewöhnt, sonst reagierte Hyde immer abweisend auf Gackts Annäherungen und nun so etwas!

„Ich schneide auch den Stoff durch, wenn es sein muss. Das enge Teil bekomm ich nämlich nie über deinen Arm rüber“, sagte Hyde, als Gackt nicht reagierte und zupfte an der Kleidung. „Um Himmels Willen nein!“, schrie dieser nun panisch auf. Fast so heilig wie sein Aussehen waren für Gackt seine Klamotten. In Windeseile hatte er sich das T-Shirt über den Kopf gestreift und saß nun mit nacktem Oberkörper vor Hyde. Bewundernd betrachtete der Ältere Gackts muskulösen Körper und spürte einen Kloß im Hals aufsteigen.

Um sich davon abzulenken, wühlte er in der Tasche rum und begann vorsichtig das Pflaster zu lösen. Nachdem er die Wunde desinfiziert und gereinigt hatte, bestrich er sie mit einer heilungsfördernden Salbe und wickelte schließlich einen Verband um Gackts Arm. Das alles hatte er mit einer routinierten Geschicktheit durchgeführt, die Gackt dazu brachte ihn bewundern anzusehen. „Ich hab gar nicht gewusst, dass du so eine gute Krankenschwester abgibst“, meinte er lächelnd. „Oh, ich habe noch andere Talente von denen du noch nichts weißt“, entgegnete Hyde und musste bei dem Blick in Gackts Augen einmal schlucken.

Wieder erfüllte peinliches Schweigen den Raum, wobei Hydes Hand weiterhin auf dem Arm des Braunhaarigen ruhte. Langsam und vorsichtig beugte Gackt sich schließlich herunter, so dass er Hyde die Chance gab, aufzustehen und sich von ihm abzuwenden, wenn er verhindern wollte, was Gackt vorhatte. Doch dieses eine Mal hatte der Schwarzhaarige ganz und gar nicht vor sich davon zu machen, schon alleine deshalb weil seine Beine seit längerer Zeit ihren Dienst quittiert hatten. Dieses Mal würde er nicht mehr davon laufen, so wie er es sich kurz vor seiner Ohnmacht geschworen hatte. Endlich hatte er eingesehen, wie wenig Sinn es hatte vor seinen Gefühlen davon zu laufen. Und endlich verspürte er nicht den leisesten Drang sich aus dem Staub zu machen.

Gackt legte eine Hand in Hydes Nacken und zog ihn so ein Stück zu sich nach oben, dann endlich berührten sich ihre Lippen. Wieder war der Jüngere überwältigt von den Gefühlen die Hydes zarte Lippen bei ihm auslösten und zu seiner Freude erwiderte der Ältere den Kuss sofort. Davon ermutigt zog Gackt ihn näher zu sich heran und ließ seine Zunge über die Lippen des anderen streichen, welcher dieser ohne zu zögern Einlass gewährte. Der Kuss der beiden Sänger wurde immer leidenschaftlicher und auch Hyde legte eine Hand in Gackts Nacken und fuhr mit den Fingern durch sein weiches Haar. Um ihn noch näher bei sich spüren zu können, zog Gackt den Kleineren ohne den Kuss zu unterbrechen auf seinen Schoß und festigte seine Umarmung ein Stück.

Wegen akutem Sauerstoffmangel waren sie schließlich gezwungen sich von einander zu lösen. Schwer atmend hing Hyde in Gackts Armen, seine Hände waren immer noch in den braunen Haaren vergraben. „Du schmeckst gut“, murmelte er mit einen Grinsen auf den Lippen und öffnete seine Augen, um wieder in Gackts blaue schauen zu können. „Du ebenfalls“, erwiderte dieser und begann an Hydes Ohrläppchen zu knabbern. Der kleine Sänger genoss seine liebevollen Berührungen sichtlich und seufzte leise. Plötzlich aber murmelte er: „Es tut mir leid, Ga-chan!“ Gackt hielt in seinem Vorhaben Hydes Hals mit Knutschflecken zu verzieren inne und blickte ihm stattdessen fragend in die Augen. In den braunen Augen Hydes spiegelte sich Erregung aber auch schlechtes Gewissen wider. „Dafür dass ich immer abgehauen bin und dir nie geglaubt habe, dass du es ernst meinst“, sagte er leise. „Ich dachte immer es wäre nur ein Spiel von dir.“ Er hatte das drängende Gefühl sich bei Gackt entschuldigen zu müssen. „Pscht“, machte dieser nur und sah ihn weiterhin lächelnd an. Er versiegelte seine Lippen wieder mit den eigenen. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, flüsterte er zwischen zwei Küssen. „Ich hätte nie aufgegeben, weil…“ Hyde glaubte in den kristallklaren Augen versinken zu müssen. „Weil ich dich liebe, Haido!“ Obwohl er diese Worte schon irgendwie erwartet hatte, schließlich hatte er sie schon einmal aus Gackts Mund gehört, fühlte er trotzdem wie ein unglaubliches Glücksgefühl in ihm aufstieg. Die Gewissheit, was Gackts Gefühle anging, trieb ihm Tränen der Freude in die Augen. „Ich liebe dich schon so lange. Niemals habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass du meine Gefühle irgendwann erwidern würdest.“ Gackt wurde nun selber von seinen Gefühlen überwältigt, sodass seine sonst so selbstsichere Stimme heiser klang. Zärtlich malte der Schwarzhaarige die Gesichtszüge des anderen nach, bevor er sich so weit gefasst hatte, dass er wieder sprechen konnte. „Ich liebe dich auch, Ga-chan! Eigentlich hätte ich es dir schon im Restaurant sagen sollen, aber damals hatte ich es mir selber noch nicht eingestanden.“ Noch nie zuvor hatte Hyde die blauen Augen so sehr leuchten sehen wie in diesem Moment. Noch nie zuvor war Gackt so glücklich gewesen, wie in den Sekunden als Hyde die Worte flüsterte nach denen er sich so sehr gesehnt hatte. „Jetzt habe ich keine Zweifel mehr“, setzte Hyde hinzu, kurz bevor sich ihre Lippen in einem stürmischen Kuss wiedervereinten, aus dem all die Liebe und Leidenschaft sprach, die ihre Herzen immer heftiger in Flammen setzte.

Immer stärker drängten sich ihre Körper aneinander, während sich ihre Hände immer leidenschaftlicher zu liebkosen begannen. Gackts Finger waren unter Hydes Pullover gewandert und streichelten zärtlich seine glatte Brust. Von Hydes leisem Stöhnen angestachelt, zog der Braunhaarige ihm das Kleidungsstück schließlich über den Kopf, auch wenn er dafür seinen Mund kurzzeitig von Hydes lösen musste. Der Pullover hatte wohl oder übel mit einem Fußbodenplatz vorlieb zunehmen, während sein Besitzer, glücklich von dem störendem Stoff befreit, Gackts nackte Brust an seiner spürte, was beiden Männern ein heftiges Stöhnen entlockte. Keuchend hob Gackt seinen Engel, der nun endlich ihm gehörte, auf seine Arme und trug ihn zum Bett hinüber. Schwer atmend ließen sie sich fallen und Hyde zog Gackt so nah wie möglich an sich heran, sodass dieser auf ihm zu liegen kam. Gackts Mund bewegte sich küssend zu Hydes Ohr und keuchend fragte er: „Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?“ „Glaubst du ich lasse dich heute freiwillig wieder gehen?“, raunte ihm Hyde genauso atemlos zu und seine Finger begannen Gackts Hose zu öffnen, in der es mittlerweile schon bedenklich eng geworden war.
 

Erschöpft und noch immer schwer atmend lagen die beiden Sänger in den feucht geschwitzten Laken. Sie hielten sich eng umschlugen und jeder genoss die Wärme des jeweils anderen. Liebevoll streichelten Hydes Finger über Gackts Rücken und berührten die Stellen, in die sie sich vorhin festgekrallt hatten.

„Sag mal, mein Schatz“, vernahm der Kleinere mit einem Mal Gackts leise Stimme. „Mhm“, gab er verschlafen von sich, zum Zeichen, dass er noch nicht ganz weggedöst war. „Wieso bist du wirklich in Shanghai?“ Sofort war Hyde wieder hellwach und schaute Gackt überrascht in die Augen. „Das hab ich dir doch vorhin schon gesagt. Glaubst du mir etwa nicht?“, antwortete er leicht pikiert. Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit und Angst stieg in ihm hoch. Wusste Gackt etwas über seine wahren Gründe hier zu sein? Hatte sich Hyde seine Anwesenheit am Vormittag doch nicht nur eingebildet? Und war auch Gackt mit in die Sache verwickelt? Fragen schwirrten durch seinen Kopf, auf welche die Antwort sie beide in große Schwierigkeiten bringen konnte und ihre gerade erst beginnende Beziehung stark gefährdete.

„Schon gut, Haido, ich glaub dir doch“, sagte Gackt beschwichtigend auch wenn er nicht wirklich überzeugend klang. Er wollte ihn jetzt nicht mit solchen Fragen quälen, da er genau wusste, dass Hyde ihm keine ehrliche Antwort geben würde. Obwohl ihm bewusst war, dass er früher oder später die Wahrheit erfahren musste, so wollte er nicht diese Nacht dafür opfern.

Wieder etwas beruhig und weil er einfach zu müde war um noch groß über Gackts Frage nachzudenken, kuschelte sich Hyde eng in die Umarmung seines Geliebten. Gackt hauchte ihm noch einen Gutenachtkuss auf die Lippen und murmelte leise: „Schlaf schön, mein Engel!“ Kurz darauf fielen Hyde die Augen zu und er verabschiedete sich ins Reich der Träume.

Noch lange lag der braunhaarige Sänger wach und beobachtete mit einem Lächeln wie sein Freund tief und fest in seinen Armen schlummerte. Dieser Tag war wirklich in jeder Hinsicht außergewöhnlich gewesen.
 

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Endlich hab ich es geschafft! Die beiden sind jetzt wirklich zusammen! Aber glaubt bloß nicht, dass die Probleme damit aus der Welt wäre, die fangen jetzt erst richtig an.

Also dann, bey, bey, eure himachan!

Nightmare of the Past

Und weiter geht es!

Hat ja dieses Mal auch nicht so lange gedauert *grins*. An alle, die mir einen Kommi geschrieben haben, ein ganz dickes Dankeschön!

Und jetzt viel Spaß beim Lesen!
 

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7. Kapitel

Nightmare of the Past
 

Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages drangen mit zunehmender Kraft durch die Glasscheiben der Fenster und trafen schließlich auch den japanischen Sänger, der bis eben noch seelenruhig geschlafen hatte. Im ersten Moment kam ihm die letzte Nacht wie ein schöner Traum vor, der sich sofort in Luft auflöst, sobald man die Augen öffnet. Hyde presste seine Augen aus diesem Grund fest zusammen und gleich darauf wurde ihm bewusst, dass kein Traum so real sein konnte, dass er noch immer Gackts Berührungen spürte. Er rang sich also doch dazu durch die Augen zu öffnen und wurde sogleich mit dem Anblick seines Geliebten belohnt. Die ganze Nacht hindurch hatte ihn Gackt in seinen Armen gehalten und nur für wenige Stunden, in denen er selber eingeschlafen war, aus den Augen gelassen.

„Guten Morgen, mein Engelchen“, begrüßte ihn Gackt freudestrahlend. Hyde blickte immer noch etwas verschlafen zu ihm auf. „Wenn du mich so nennst, komme ich mir vor wie ne Frau“, sagte Hyde statt seinen Guten-Morgen-Gruß zu erwidern. „Was ist denn das für eine Begrüßung?“, nörgelte Gackt mit schmollendem Gesicht. „Etwas romantischer könntest du schon sein.“ Hyde versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie niedlich er seinen schmollenden Gesichtsausdruck fand und beharrte auf seinem Standpunkt. „Ich bin ein Kerl, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte.“ „Aber das weiß ich doch, mein Schatz“, erwiderte Gackt, der wieder zu seiner fröhlichen Stimmung zurückgekehrt war. Er beugte sich dicht zu Hyde hinunter und flüsterte gegen seinen Mund: „Wie hätte ich das denn gestern Nacht übersehen sollen?“ In Erinnerung daran breitete sich ein Kribbeln in Hydes Körper aus und begierig darauf Gackts Lippen endlich wieder spüren zu können, küsste er ihn.

Eine Weile lagen sie küssend im Bett und machten nicht den Anschein heute noch aufstehen zu wollen. Dann aber riss sich Gackt mühsam von Hyde los, bevor er sich nicht mehr zurück halten konnte und noch völlig über ihn herfiel. „Lass uns damit später weiter machen“, sagte er mit Bedauern in der Stimme. „Schließlich wollten wie doch heute die Stadt unsicher machen.“ „Du hast recht, wir sollen jetzt lieber aufstehen“, meinte auch Hyde, obwohl seine Mimik und seine Stimme etwas ganz anderes sagten.

Mit einem Seufzen erhob sich der Schwarzhaarige vom Bett und machte sich auf den Weg ins Badezimmer, nicht ohne Gackt noch einen viel sagenden Blick zuzuwerfen. Dieser bereute seine Entscheidung von Hyde abgelassen zu haben auf der Stelle, als er ihn unbekleidet durchs Zimmer gehen sah und musste sich mühsam zurückhalten, um ihm nicht zu folgen. Stattdessen machte er sich daran seine Kleidungsstücke zusammenzusuchen, die um das Bett herum verteilt lagen. Als Hyde frisch geduscht aus dem Badezimmer zurückkam, saß Gackt fertig angezogen auf dem Bettrand. Der Verband auf seinem Oberarm guckte ein Stückchen unter seinem T-Shirt hervor. Beide hatten der Verletzung, seitdem Hyde sie versorgt hatte, nicht mehr allzu viel Beachtung entgegengebracht. Nun trat Hyde auf Gackt zu und fragte: „Wie geht es denn deinem Arm? Hoffentlich ist die Wunde nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden.“ Er grinste ihn an. „Es tut dank deiner Fürsorge fast gar nicht mehr weh“, antwortete Gackt, fügte dann aber hinzu, während er Hyde mit seinen Blicken fast als Frühstück missbrauchte: „Zieh dir lieber etwas an, sonst kann ich für nichts garantieren.“ Der Braunhaarige sah zu, wie Hyde das Handtuch von seinen Hüften gleiten ließ, was die Situation nicht gerade besser machte, und in seinem Koffer nach sauberen Klamotten wühlte.

Als Hyde fertig angezogen war, verließen die beiden Sänger das Zimmer und fuhren mit dem Fahrstuhl wieder ins Erdgeschoss. Dort setzten sie sich an einen der gedeckten Frühstückstische und ließen sich ihr Essen schmecken. Sie beschlossen noch zu Gackts Hotel zu fahren, damit auch er die Chance hatte seine Sachen zu wechseln, da er der vollen Überzeugung war, keinen Schritt mehr als nötig in seinem jetzigen Zustand mit den Klamotten vom Vortag am Körper machen zu können.

Nach einer kurzen Taxifahrt stürmte Gackt, Hyde hinter sich herziehend, in sein Zimmer und verzog sich sogleich unter die Dusche. Alleine zurückbleibend ließ sich Hyde auf dem ordentlich gemachten Bett nieder, während sein Blick über die zahlreichen Taschen und Koffer glitt. Gackt musste seinen halben Schrankinhalt mitgeschleppt haben, stellte Hyde grinsend fest. Es würde bestimmt sehr lustig werden, wenn sie erstmal eines Tages zusammengezogen wären. Dann würden sie bei den Mengen an Klamotten sicherlich mehr als nur ein Extrazimmer für die Aufbewahrung benötigen.

Plötzlich blieb Hydes umherschweifender Blick an einer offen stehenden Tasche haften. Er stand vom Bett auf, um sie näher in Augenschein nehmen zu können. Etwas Schwarzglänzendes steckte zwischen einer Reihe von Oberteilen und zog Hydes Blick wie magisch auf sich. Unfähig sich davon zurückhalten zu können, streckte er eine Hand aus und berührte den metallenen Gegenstand. Nur eine Sekunde später verfluchte er seine verdammte Neugierde, denn seine Finger schlossen sich um den Lauf einer Pistole. Er erkannte das Modell sofort, schließlich besaß er dasselbe. Die Angst von letzter Nacht kroch unnachgiebig in seinen Körper zurück. Hier hatte er den besten Beweis, dass er nicht der einzige war, der gelogen hatte, was den wirklichen Grund für die Chinareise betraf. Gackt spielte ein ebenso undurchsichtiges Spiel mit ihm wie umgekehrt. Und mit einem Mal erinnerte sich Hyde auch wieder an das Blut in seinem Gesicht, als er aus seiner Ohnmacht erwachte. Er war sich sicher gewesen, dass es nicht von ihm stammte. Jetzt konnte er diese Vermutung mit Bestimmtheit bestätigen, es war Gackts Blut gewesen, das aus der Wunde an seinem Arm herabgetropft war. Eine andere Möglichkeit blieb nicht, denn Hyde war jetzt völlig davon überzeugt, dass er sich Gackts Anwesenheit nicht nur eingebildet hatte. Die Waffe in der Tasche war der letzte Beweis, den er brauchte. Wieso hatte das Schicksal es nur auf sie abgesehen, fragte er sich und versuchte es so aussehen zu lassen, als hätte er die Pistole nie gefunden. Wieso musste er selbst wie auch Gackt in diese Sache verwickelt sein, von der Hyde wusste, dass sie gerade erst begonnen hatte die unsichtbaren Fäden der Gefahr immer fester um sie zu ziehen?

Nach einer Weile verließ Gackt das Badezimmer wieder und nun war Hyde an der Reihe das Verlangen nach ihm herunterzuschlucken. Der Braunhaarige kleidete sich ebenfalls an, indem er eine Tasche nach der nächsten von Grund auf durchsuchte. So gelangte er unausweichlich auch zu der Tasche, in der sich seine Pistole befand. In diesem Moment hätte er sich selber den Kopf abreisen können, wie konnte er nur so unvorsichtig sein? Ein Topagent der seine Waffe einfach so im Zimmer liegen ließ, wo gab es denn so etwas? Zu seiner Verteidigung musste man aber sagen, dass er am letzten Tag ziemlich durcheinander war, als er kurz seine Sachen gewechselt hatte, um bei der anschließenden Feier nicht mit blutigen Klamotten aufzutauchen. Bei dieser Gelegenheit hatte er sich auch gleich seiner Pistole entledigt. Wie hätte er denn ahnen können, dass einen Tag später Hyde sein Zimmer betreten würde? Ob dieser das Mordinstrument entdeckt hatte, konnte Gackt nicht feststellen. Nur seiner Selbstbeherrschung und einer Prise schauspielerischem Talent hatte Gackt es zu verdanken, dass man auch ihm seine Sorgen nicht ansah.

Endlich wieder mit frischer Kleidung ausgestattet, brachen die beiden zu ihrer Stadtbesichtigung auf. „Ga-chan, was wollen wir uns denn eigentlich ansehen?“, fragte Hyde, während sie gemeinsam durch den Flur gingen. Doch der Gefragte kam gar nicht dazu eine Antwort abzuliefern, schon erwartete ihn der nächste Schock an diesem Morgen. Im Nachhinein fragte sich Gackt, ob das Schicksal nun eine Gegenleistung für die vergangene Nacht von ihm verlangte. In diesem Moment allerdings starrte er nur offenen Mundes auf einen Fernsehbildschirm, der auf halber Höhe an der Wand befestigt war. Deutlich konnte er den kleinen Japaner erkennen, welcher sich angeregt lächelt mit einer hübschen Moderatorin unterhielt. Das konnte doch nicht wahr sein! Hyde bei einem Interview im chinesischen Fernsehen, das zur Vertiefung von Gackts Fassungslosigkeit auch noch vor zwei Tagen aufgenommen wurde, wie das eingeblendete Datum in einer Ecke zeigte. Wie um alles in der Welt konnte Hyde in einen Bombenanschlag verwickelt sein und gleichzeitig die chinesische Bevölkerung mit seinem Lächeln bei einem Fernsehauftritt entzücken?

Da Gackt wie vom Blitz getroffen mitten auf dem Flur stehen blieb und Hyde ein Stück hinter ihm ging, rasselte er natürlich voll in seinen Freund hinein. Er folgte dem Blick des Größeren und sah sich selber im Bildschirm auftauchen. In Erinnerung an den anstrengenden Tag fühlte er immer noch die Müdigkeit in allen Knochen stecken. „Hey, ich hab dir doch gesagt, dass ich hier bin um ein bisschen Werbung zu machen“, wandte er sich an Gackt, bei dem immer noch die Kinnlade heruntergeklappt war. „Die Show vor zwei Tagen kam meinem Manager wie gerufen.“ Ganz entsprach das zwar nicht der Wahrheit, aber Gackt durfte ja auch nicht erfahren, wer wirklich für den Auftritt verantwortlich gewesen war.

Nach einer geschlagenen Minute des bewegungslosen auf den Bildschirm Starrens fing sich Gackt wieder einigermaßen. Obwohl er weit davon entfernt war Hyde seine Ausführungen ohne Zweifel abzunehmen, sagte er trotzdem: „Tut mir leid, ich war nur im ersten Moment etwas überrascht dich im Fernsehen zu sehen.“ Hyde sah ihn zweifelt an. „Wie niedlich du auf dem Bildschirm aussiehst, ist immer wieder von Neuem faszinierend“, setzte Gackt grinsend hinzu und nahm Hydes Hand in seine. „Komm, lass uns jetzt gehen.“

Der Wahrheit, schwor sich Gackt, würde er in Tokyo nachgehen, nicht hier und jetzt. Jetzt wollte er einfach nur einen schönen Tag mit Hyde verbringen und keinen weiteren Gedanken mehr daran verschwenden, wie sehr sie möglicherweise in Gefahr schwebten. Vielleicht war es auf ihre innere Verbundenheit zurückzuführen, dass sich in Hydes Kopf genau die gleichen Gedanken abspielten. Auf jeden Fall verließen sie das Hotel, als hätte Hyde niemals die Pistole gefunden und als hätte Gackt niemals den Fernsehauftritt gesehen. Die Frühlingssonne schien warm auf sie herab und vor ihr waren sie einfach zwei Liebende losgelöst von Vergangenheit und Problemen.

Gackt streckte seine freie Hand aus und versuchte eins der vielen Taxis, die die Straßen unsicher machten, anzulocken. Sie mussten nicht lange warten, da trat ein Fahrer kräftig auf die Bremse und brachte seinen Wagen mit quietschenden Reifen direkt vor ihren Füßen zum Stehen. Mit dem Gefühl besser jetzt als später ihr Testament zu machen, setzten sich die beiden Sänger ins Auto. Nachdem Gackt eine Adresse, die Hyde nicht viel sagte, genannt hatte, ließ der Fahrer mit derselben Wucht, mit der er schon die Bremse gequält hatte, seinen Fuß auf das Gaspedal sausen. Unter Nichtbeachtung der gängigen Verkehrsregeln nahm das Taxi seine Fahrt durch die Stadt auf. Die japanischen Fahrgäste warfen sich einen Blick zu, der soviel sagte wie: Wenn wir schon sterben müssen, dann tun wir das jedenfalls zusammen.

Allem Anschein zum Trotz ereichten sie ihr Ziel weitgehend unbeschadet, sah man von einigen Prellungen an Armen und Beinen ab. Nachdem der Chinese hinterm Steuer seine nicht ganz verdiente Bezahlung erhalten hatte, konnten sie endlich aus dem Auto entkommen.

Glücklich atmete Hyde einmal tief durch, während ein lautes Quietschen davon zeugte, dass sich der Fahrer wieder auf die Suche nach weiteren Opfern machte. „Das nächste Mal…“, fing er an, aber Gackt war schneller und beendete seinen Satz: „gehen wir zu Fuß!“ Beide fingen an zu lachen und Hyde blickte sich endlich um, damit er sah, wohin Gackt ihn entführt hatte.

Große Bäume standen wie uralte Torwächter rings um ein hohes Portal, hinter dem sich ein wahres Paradies aufzutun schien. Mitten in der turbulenten Großstadt lag eine Oase der Stille. Es war eine Parkanlage mit versteckten Pagoden, duftenden Blumen und alten mächtigen Bäumen. Als Hyde einen Schritt durch das hölzerne Portal tat, konnte er den Duft von zahlreichen Obstbäumen wahrnehmen. Lächelnd sah er zu Gackt auf und drückte stumm seine Hand. „Wie schön“, murmelte er leise, während sie gemeinsam den Park betraten. „Wie hast du diesen Ort bloß gefunden?“ „Glaubst du ich mach den ganzen Tag nichts anderes als vor der Kamera zu posieren?“, fragte Gackt augenzwinkernd. „Ich bin schon ein paar Mal in Shanghai gewesen und durch Zufall auf den Park gestoßen. In dem ganzen Menschengewirr in der Innenstadt fallen wir nur auf, da hätten wir sicherlich in kürzester Zeit einen Haufen kreischender Chinesen hinter uns. Und da hab ich mir gedacht, wir verbringen den Tag lieber irgendwo, wo wir etwas ungestörter sind.“ Gackt grinste Hyde schelmisch zu.

Bis an sein Lebensende würde Hyde bei diesem Blick wohl rot anlaufen. „Hattest du auch schon gestern, als du mich gefragt hast, geplant hierhin zu kommen?“, wollte der Schwarzhaarige wissen. Gackt hüllte sich in Schweigen, die Wahrheit war, dass er sich am vergangenen Tag noch gar keine Gedanken über ein Ausflugsziel gemacht hatte und ihm erst in der Nacht der Einfall mit dem Park gekommen war.

Wie der Braunhaarige gesagt hatte, hier waren sie weitestgehend ungestört. Da der Großteil der chinesischen Bevölkerung zu dieser Zeit in Büros, Schulen und ähnlichen Einrichtungen schuften musste, liefen ihnen nur vereinzelt einige ältere Menschen über den Weg. Von diesen ging keine größere Gefahr aus, sie gehörten nicht gerade zu der Zielgruppe der beiden Sänger. So wurden sie die meiste Zeit nur nett angelächelt, wobei sich Hyde fragte, ob man sie für Männer oder Frauen hielt.

Eine Weile gingen sie unter den Bäumen spazieren, kamen an einem kleinen Teich vorbei, über den eine alte Holzbrücke führte und blieben schließlich inmitten der duftenden Obstbäume stehen, die Hyde schon vom Eingang gerochen hatte. Die in voller Blüte stehenden Bäume wirkten wie riesengroße rosa und weiße Blumen. Genussvoll sog der Ältere ihren Geruch ein. „Wie wär`s, wenn wir uns ein bisschen hinsetzen?“, vernahm Hyde Gackts Stimme und wurde so aus seiner Betrachtung der Blüten gerissen. Er nickte zustimmend.

Gackt wollte sich schon unter einem großen Kirschbaum niederlassen, als sein eingehender Blick auf das frische Gras fiel. „Du hast wohl Angst vor Flecken auf deiner Hose, was?“, fragte Hyde und musste bei dem Ausdruck auf Gackts Gesicht lachen. Dieser sah ihn überrascht an, genau das hatte er gerade gedacht. „Jemand, der so vernarrt in seine Klamotten ist, ist mir echt noch nicht untergekommen!“ Gackt fing an zu schmollen und Hyde musste immer heftiger lachen. „Wenn du schmollst, bist du einfach unwiderstehlich niedlich“, brachte Hyde unter andauerndem Kichern heraus. Sie blickten sich in die Augen und im gleichen Moment, in dem sich Gackt ein Stück hinunterbeugte, streckte sich Hyde ihm entgehen. Der letzte Rest von Hydes Kicherattacke wurde von Gackts Lippen gestoppt. Beide ließen sich in den Kuss fallen und für den Moment vergaß der Schwarzhaarige sogar die Bäume um sie herum.

„Ich mach dich für die Flecken verantwortlich“, meinte Gackt, als Hyde ihn zum Hinsetzten bewegte, ein Grinsen konnte er sich aber trotzdem nicht verkneifen. Froh in den Schatten des Kirschbaums entkommen zu können, platzierte sich Hyde auf Gackts Schoß und lehnte sein Gesicht an dessen Schulter. Fast sofort spürte er Müdigkeit in sich aufsteigen, von den Anstrengungen der letzten Tage hatte er sich noch immer nicht erholt. Während der Wind sanft über sie hinweg strich, drückte er Gackt noch einen Kuss auf den Mund, dann überwältigte ihn sein Verlangen nach Schlaf. Den Braunhaarigen störte es nicht besonders, dass Hyde mal wieder wegpennte, seinen Engel beim Schlafen zu beobachten gehörte schließlich zu seinen Lieblingsbeschäftigungen.

Hyde träume. Doch den Geruch der Bäume nahm er trotzdem wahr. Wie durch einen Spiegel sah er sich selber über den Rasen laufen, vorbei an den Kirsch- und Pfirsichbäumen. Fünf Jahre war der kleine Junge an diesem schicksalhaften Tag alt, an dem der Schatten in sein Leben treten sollte. Ein Schatten, der von nun an über allem schweben würde, was er tat. Wie gut für den Jungen, dass er es jetzt noch nicht wusste. Lange sollte es nicht mehr dauern, bis die Wahrheit Einzug in sein kindliches Gemüt hielt und die Freiheit, die er zu besitzen glaubte, sich als so brüchig wie Glas erwies. Das schwarze Haar hinter sich herwehend rannte er auf seinen Vater zu, der ihn lächelnd an der Hand ergriff. Gemeinsam gingen sie zur Villa und ließen ihre Schuhe wie es sich gehörte vor der Tür stehen. An zahlreichen Schiebetüren kamen sie vorbei und Dienstmädchen verbeugten sich vor ihnen. Der Junge fühlte sich seltsam beklemmt und wäre am liebsten hinaus in den Garten geflüchtet, doch die Hand seines Vaters hielt ihn fest und ließ kein Entkommen zu. Eine Tür wurde vor ihnen geöffnet und Vater und Sohn betraten das große Gemach dahinter. Im Dunkeln kniete eine Gestalt und erst beim Näherkommen erkannte der Junge einen Mann in tadellosem schwarzen Anzug mit kurzen zurückgekämmten Haaren.

„Wie schön, dass du kommen konntest. Und deinen Sohn hast du wie ich sehe auch mitgebracht“, erklang die Stimme von Takarai Shinobu, kalt und ohne jede Gefühlsregung. Was hätte ich auch anderes tun sollen, dachte der Vater grimmig, du hast mir keine andere Wahl gelassen. Doch zu seinem Bruder sagte er nur: „Es freut mich dich zusehen, Shinobu.“ Als einer von wenigen Menschen verzichtete er auf die Höflichkeitsform des Namens.

„Komm näher, Hideto-kun“, sagte Shinobu-san zu dem Jungen und winkte ihm auffordernd zu. Obwohl ihm die Angst die Kehle zuschnürte, trat er zielstrebig nach vorne und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Der abschätzende Blick des Onkels musterte ihn von oben bis unten. Von seinen schulterlangen Haaren über sein zartes Gesicht mit den großen braunen Augen bis hin zu seiner zierlichen kleinen Gestalt und wieder zurück. Sein Vater sagte oft, dass er eher eine Tochter statt einem Sohn hätte. Die Mutter konnte darüber nur herzlich lachen und fuhr fort das rabenschwarze Haar zu streicheln.

Der Onkel wandte seinen Blick wieder von Hideto ab, und so sehr sich der Junge auch anstrengte in dessen Augen zu lesen, der Blick des Onkels blieb ausdruckslos. Stattdessen begann er ein Gespräch mit seinem Bruder. Hideto hörte die Worte, konnte ihren Sinn aber nicht verstehen. Erst später wurde ihm bewusst, dass in diesen Minuten sein Schicksal entschieden wurde.

Vor Hydes Augen veränderten sich die Bilder. Plötzlich war er nicht mehr der ferne Beobachter seiner eigenen Vergangenheit, sondern steckte mitten drin. Der Albtraum, den er so gut kannte, begann ihn wieder zu quälen. Wieso hier, wieso jetzt, fragte er sich verzweifelt. Er spürte den Schmerz so tief in sich drin, dass er glaubte sein Körper würde auseinander gerissen. Und dann sah er es, es bedeckte seine Hände und beschmierte seine Kleidung, auf allem was er berührte hinterließ er seine Abdrücke. Das rote Blut, die Subtanz seiner Albträume, war das einzige was er noch wahrnahm. Er wollte schreien, die Schmerzen und die Wut hinauslassen, doch die Hände waren wie jedes Mal schneller und erstickten seinen Schrei schon im Keim. Lass es aufhören, bitte lass es aufhören, flehte er, ich kann es nicht mehr aushalten, ich kann nicht mehr!

Eine Stimme sprach sanft zu ihm, drang langsam in sein Bewusstsein vor. Hände legten sich auf seine schweißnasse Stirn, es war eine angenehme Berührung, zärtlich und liebevoll. Hydes Lider zuckten, endlich fiel der Traum von ihm ab und er öffnete seine Augen wieder. Ein paar Mal blinzelte er im Sonnenlicht, dann sah er wieder klar.

Der Schock stand Gackt ins Gesicht geschrieben, er war ebenso weiß wie Hyde. „Du hast geschrieen, Haido!“, stieß Gackt hervor. „Was hast du nur geträumt? Was kann nur so schrecklich sein, dass es dir solche Schmerzen bereitet?“ Aber Hyde schüttelte nur stumm den Kopf und klammerte sich an Gackt, immer noch meinte er das Blut an seinen Händen zu spüren. „Sag es mir, mein Schatz, ich will dir helfen!“, bat Gackt, doch wieder schüttelte Hyde den Kopf. „Ich kann nicht, Ga-chan, ich kann es dir nicht sagen!“ Ich liebe dich so sehr, doch gerade deshalb darf ich es dir nicht sagen, dachte Hyde verzweifelt. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich dich mit hineinziehe. Wenn dir dasselbe zustoßen würde… Nein, niemals, daran durfte er nicht denken, nicht einmal jetzt.

Er hob den Kopf, den er an Gackts Schulter verborgen hatte, und blickte in die blauen Augen, in denen sich sein eigener Schmerz zu spiegeln schien. „Küss mich einfach, Ga-chan“, flüsterte er leise. Gackt erfüllte ihm seinen Wunsch auf der Stelle. Es würde nicht gut werden, niemals, dass wusste Hyde, als er Gackts sanfte Lippen auf seinen spürte, aber es würde besser werden. Nur in Gackts Armen schien der Schmerz erträglich.

Gackt bettete Hyde auf den Boden und schob seine Hände unter dessen T-Shirt. Der Albtraum rückte in weite Ferne, als das Verlangen in Hyde die Oberhand gewann. Nur noch die Liebe, die ihre Körper vor Begehren erschaudern ließ, zählte und alles andere wurde unwichtig.

Sie konnten nur von Glück sagen, dass es in der nächsten Zeit niemanden in ihre Nähe verschlug.
 

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So, das war´s erst mal.

Ich hoffe, dass ich den armen Hyde mit dem Albtraum nicht allzu sehr gequält habe, aber es musste sein.

Also dann, bis bald!

Everyday Life

Das nächste Kapitel ist fertig! *yippi*

Ich glaub, bei der Szene im Garten beim letzten Kapi wären wir alle gerne dabei gewesen *grins*

Dieses Mal versuche ich den armen Hyde nicht so zu quälen. Ob mit das tatsächlich gelungen ist? Ihr werdet sehen…

Und jetzt viel Spaß beim Lesen!
 

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8. Kapitel

Everyday Life
 

Die beiden Männer warfen lange Schatten auf die Tatami-Matten. Es war schon spät und nur noch wenig Sonnenlicht fiel in den Raum. Hyde sehnte sich danach endlich nach Hause zu kommen, wo Gackt sicherlich schon auf ihn warten würde. Doch zuerst musste er die Sache mit seinem Onkel ausstehen. Hinter dem niedrigen Schreibtisch kniete ihm Shinobu-san gegenüber. Sein Gesicht lag im Schatten und Hyde konnte den Ausdruck darauf nicht erkennen. Aber er musste seinen Onkel auch nicht sehen, um zu wissen, dass er ausdruckslos und gefühlskalt wie immer aussah.

„Gut gemacht“, war das Erste, das Shinobu-san zu ihm sagte. „Du hast wie immer hervorragende Arbeit geleistet. Die Warenlieferung ist schneller als ich dachte bei uns eingetroffen. Dass Chen und ein Teil seiner Männer im Gefängnis sitzen, war zwar nicht geplant, er besitzt aber keine Informationen, die uns gefährlich werden können.“ Er hätte es natürlich am liebsten gesehen, wenn die Chinesen bei der Sache mit drauf gegangen wären, dachte Hyde im Stillen, sagte aber nichts. So lange sein Onkel aber ohne Probleme seine Waffen bekommen hatte, war er fürs Erste zufrieden gestellt. Die möglichen Probleme hatte Hyde für ihn beseitigt.

Nachdem der Sänger aus seiner Ohnmacht erwacht war und es geschafft hatte sich aufzuraffen, war er zurück zu Chens verstecktem Hauptquartier gegangen. Die verbliebenen Mitglieder der Organisation waren erstaunt gewesen ihn alleine zu sehen, nicht alle wollten sich mit Worten überzeugen lassen und so hatte er mit Gewalt nachhelfen müssen. Nach einigen gezielt eingesetzten Schlägen und einer geladenen Pistole waren alle außer Gefecht gesetzt. Anschließend ging es darum die Waffen zusammenzuschaffen. Chen war nicht so leichtsinnig gewesen und hatte alle Waffen am selben Ort aufbewahrt, noch hatte er Hyde ihren Aufenthaltsort verraten. Seine Untergebenden waren in dem Fall allerdings nicht sehr wählerisch und hatten dem kleinen Japaner, der ihnen seine Pistole an die Schläfe hielt, bereitwillig die erwünschte Auskunft erteilt. Alleine hatte Hyde den letzten Teil seines Auftrags erfüllt und die Waffen an die verabredete Stelle gebracht, von der aus sie über weitere Hintermänner illegal nach Japan gelangten. Über eine öffentliche Telefonzelle ließ er ihnen eine verschlüsselte Botschaft zukommen. Nachdem er die Waffen weitergegeben hatte, war sein Auftrag erfüllt, um den Transport mussten sich andere kümmern. Zurück im Hotel hatte es ihn an die Bar verschlagen und es war zu der Begegnung mit Gackt gekommen. Sehnsuchtsvoll dachte Hyde an seinen blauäugigen Schatz, den er nur am Morgen gesehen hatte, denn beide mussten zu ihnen Bandproben erscheinen, die den ganzen Tag vereinnahmen.

Shinobu-san sprach weiter und riss den Sänger aus seinen Tagträumen. „Wir haben ein gutes Geschäft gemacht. Lass dir nur gesagt sein, dass beim nächsten Mal der Geheimdienst nicht ganz so viel von unseren Aktivitäten mitkriegen sollte.“ Hyde horchte auf, die letzte Bemerkung seines Onkels konnte er als Drohung auffassen, die seinem vorherigen Kompliment den Wind aus den Segeln nahm. Überraschend kam diese Zurechtweisung aber nicht, er hatte schon mit etwas Ähnlichem gerechnet, blieb nur zu hoffen, dass ihn jetzt keine Konsequenzen erwarteten.

Das Oberhaupt des Takarai-clans sagte lediglich: „Du kannst jetzt gehen“ und erhob sich. Hyde tat es ihm gleich und verneigte sich zum Abschied, wie es die Höflichkeit gebot. „Gute Nacht, Onkel“, sagte er, dann verließ er dass Zimmer. Lautlos ging er durch die Flure und erreichte den Eingangsbereich. Zwei Dienstmädchen öffneten ihm die Tür und er bedankte sich mit einem Lächeln. Schnell stieg er in seinen Wagen und fuhr zu seiner Wohnung.

Durch Zufall hatten er und Gackt den gleichen Flug zurück nach Tokyo gebucht gehabt. Während sie ihr Gepäck fertig auf Wagen verladen im heimatlichen Flughafen in Empfang nahmen und mehr oder weniger freiwillige Helfer es zu den Autos bugsierten, entschieden sie sich vorläufig in Hydes Wohnung zu ziehen, aus dem einfachen Grund, da Gackt Klamotten für einen ganzen Monat mithatte. Hyde fragte sich allerdings, wo er Gackts ganzen Krempel lassen sollte, seine Schränke waren schon voll genug.

Bevor sie allerdings den Abend gemeinsam genießen konnten und Hyde hatte recht genaue Vorstellungen, was ihm darunter vorschwebte, stand das übliche Gespräch mit seinem Onkel über den Auftrag an. Doch da er nun auch dieses hinter sich hatte, stand ihrem Abend nichts mehr im Wege, so glaubte er zumindest.

Hastig parkte der Schwarzhaarige seinen Wagen in der Tiefgarage und fuhr mit dem Aufzug nach oben. Unterwegs beschlich ihn das sonderbare Gefühl, dass Gackt noch nicht da war und als er die Wohnungstür aufschloss, bestätigte sich seine Vermutung. Alle Räume lagen wie ausgestorben im Dunkeln. Wo mochte Gackt bloß stecken? Um nicht untätig herumzusitzen oder vor Hunger zu krepieren, machte er sich eine Kleinigkeit zu essen und setzte sich dann auf die Couch. Mit einem leisen Klick stellte er den Fernseher an und starrte teilnahmslos auf den Bildschirm. Er konnte nichts anderes tun als warten und wirre Gedanken im Kopf herumzuwälzen.
 

„Da!“, sagte der braunhaarige Sänger und hielt Yoshimura seinen Hals vor die Brillengläser. „Schau dir das an!“ Gackt legte seinen Kopf mit einem triumphierenden Grinsen zur Seite, damit sein Kollege auch ja nicht die roten Flecken übersehen konnte. Hinter den dicken Gläsern sah ihn Yoshimura verwirrt an. „Was hast du denn schon wieder angestellt?“, fragte er, doch dann dämmerte es ihm. „Die stammen doch nicht etwa…“, er fing an zu lachen. „Genau so ist es: von Haido!“, beendete Gackt freudestrahlend den angefangenen Satz und versuchte ebenfalls einen Blick auf die Male von letzter Nacht zu werfen, ein Unterfangen das natürlich zum Scheitern verurteilt war. „Hast du ihn also endlich rumgekriegt?“, wollte Yoshimura zur Sicherheit wissen. „Yepp“, antwortete der Sänger unter heftigem Kopfnicken. „Na dann, herzlichen Glückwunsch!“, ließ sich sein Kollege vernehmen. Jetzt würde ihn Gackt endlich mit seinen Erzählungen über die fehlgeschlagenen Versuche an Hyde dranzukommen, verschonen. Hoffentlich ersetzte er sie nicht durch ihre Bettgeschichten, dachte Yoshimura bange. Doch Gackt hatte scheinbar ein Einsehen mit ihm und fing von nichts dergleichen an. Stattdessen warf er einen Blick in den Spiegel, der auf dem Weg zum Chef an der Wand hing. Der Sänger machte keineswegs den Anschein, dass die Knutschflecke seinem Aussehen schaden könnten, vielmehr schien er sie als Siegestrophäe zu betrachten.

Zusammen betraten sie das Chefbüro. Auch Naruse-san war hocherfreut über den Ausgang des Chinaeinsatzes, er machte ihnen unmissverständlich klar, wie sehr er glaubte, dass der chinesische Geheimdienst vom japanischen abhängig war. Sie besprachen noch einige Einzelheiten, dann wechselte der Chef das Thema.

„Inzwischen haben wie einige neue Erkenntnisse über einen Waffenschmugglerring erhalten, der ganz Asien scheinbar mit Waffen und Munition versorgt. Wie sie wissen, versuchen wir schon seit etlichen Jahren Näheres darüber herauszufinden“, begann Naruse-san. Gackt wusste über die Ermittlungen in diesem Fall Bescheid, hatte ihm aber noch nie wirkliche Aufmerksamkeit geschenkt. Er beschäftigte sich eher mit handfesteren Angaben und hatte seine Einsätze fast immer, wenn es zum Kontakt mit der Gegenseite kam. Nun ließen ihn die Worte des Chefs hellhörig werden.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass der Ring seinen Sitz hier in Japan hat, ist in den letzten Tagen stark gestiegen.“ Naruse-san wandte sich direkt an Gackt. „Bei einem Einsatz auf japanischem Gebiet können Sie natürlich nur schwer in Aktion treten.“ Wieder einmal bedachte ihn der Chef mit einem bedeutungsschweren Blick wegen seiner hauptberuflichen Tätigkeit. Gackt setzte ein entschuldigendes Lächeln auf, das auch seinen Chef einigermaßen beschwichtigen konnte. „Sollten wir aber an Informationen kommen, die darauf schließen lassen, dass in nächster Zeit Waffenlieferungen aus dem Ausland geplant sind, werden Sie und Yoshimura-san sicherlich einen Auftrag erhalten.“ In seiner Brust schlug Gackts Herz merklich schneller, eine Reaktion, die sonst eigentlich nur Hyde auszulösen vermochte. War es Intuition oder etwas anderes, das ihn so neugierig auf den Fall machte?

Naruse-san entließ die beiden kurze Zeit später. Yoshimura wollte sich schon zum Gehen wenden, im Gegensatz zu Gackt hatte er den Tag damit verbracht verschiedensten Papierkram zu erledigen. Sorgfältig und ausführlich musste über jeden abgeschlossenen Fall Protokoll geführt werden. Weil man den Sänger damit nicht auch noch belasten konnte, blieb diese Arbeit an seinem Kollegen hängen. Gackt hingegen war neugierig auf die Ermittlungsergebnisse im Waffenschmugglerfall und machte sich zielstrebig auf den Weg zu den bearbeitenden Mitarbeitern. Die beiden Agenten verabschiedeten sich und Yoshimura fuhr nach Hause, wo ihn wohl anders als bei Gackt, niemand erwarten würde. Besser er dachte nicht daran, sonst wurde er nur eifersüchtig auf das Glück des Sängers und er gönnte es ihm ja schließlich nach allem was dieser schon wegen Hyde durchstehen musste. Der Agent konnte nicht wissen, vor wie vielen Problemen die beiden Sänger in Zukunft noch stehen würden.

Mit allen gewünschten Informationen ausgestattet, begab sich schließlich auch Gackt zu seinem Wagen. Er musste grinsen, denn wieder einmal hatten die Kollegen seinem Charme nicht widerstehen können und ihm auch Informationen über einen Fall erteilt, an dem er noch gar nicht arbeitete. Diese Eigenschaft hatte sich schon oft als sehr praktisch erwiesen. Nun fuhr er also zurück nach Hause, besser gesagt zu Hydes Wohnung. Ein schlechtes Gewissen machte sich in Gackt breit, als er daran dachte, dass sein Engel die ganze Zeit auf ihn gewartet haben musste. Sein Aufenthalt in der Einsatzzentrale hatte länger gedauert als er vorher annahm. Aber die neuen Erkenntnisse hatten ihm durchaus zu denken gegeben. Am Morgen hatte er Hyde nichts davon erzählt, dass er am Abend noch zu tun hatte, jetzt wäre es ihm lieber gewesen, er hätte sich irgendeine Ausrede einfallen lassen, damit Hyde jedenfalls wusste, dass er erst später kommen würde. Auch wenn es ihm gegen den Strich ging seinen Schatz belügen zu müssen.

Mit großen Schritten ging Gackt zu Hydes Wohnungstür und schloss sie mit dem Zweitschlüssel, den Hyde ihm bei ihrer Ankunft gestern in die Hand gedrückt hatte, auf. Drinnen war alles dunkel, doch Gackt machte kein Licht an. Er musste unbedingt dran denken, Hyde nach Kerzen zu fragen, dafür war es aber durchaus notwendig, dass er Hyde erst einmal fand. Aus dem Wohnzimmer hörte er Geräusche kommen, die sich nach einem vor sich hin dudelndem Fernseher anhörten. Mit seiner Vermutung lag er richtig, allerdings schenkte die Person auf der Couch dem Fernseher so wie es aussah schon seit längerer Zeit keine Beachtung mehr. Grinsend ging Gackt auf Hyde zu, der sich tief schlafend zusammengerollt hatte. „Hey, Haido, ich bin wieder da“, flüsterte der Braunhaarige leise und beugte sich zu der Kugel auf der Couch hinunter, von der er aber keinerlei Antwort erhielt. „Na gut, dann werde ich dich halt ins Bett bringen“, murmelte er vor sich hin und hob Hyde auf seine Arme, dieser zog es immer noch vor weiter zu schlafen.

Während Gackt zum Schlafzimmer marschierte, kam es ihm eher vor, als würde er ein Kind ins Bett bringen und nicht seinen Geliebten. Wie konnte ein erwachsener Mann aber auch so dermaßen süß sein? Beim Bett angekommen, legte Gackt Hyde vorsichtig hin und begann ihn nach kurzem Zögern auszuziehen, schließlich wollte er nicht, dass Hyde in seinen Sachen schlafen musste. Er beschränkte sich aber darauf den Kleineren lediglich von Hemd und Hose zu befreien und ihn nicht auch noch der Boxershorts zu berauben, um sich nicht dazu zubringen, auf falsche Gedanken zu kommen und sein Engelchen lieber in Ruhe schlafen zu lassen. Anschließend entkleidete er sich selber und schlüpfte zu Hyde unter die Decke. Dabei fiel sein Blick auf eine kleine Glasfigur, die er als den blauen Engel erkannte, den er selber Hyde bei jenem Restaurantbesuch vor etwa einer Woche geschenkt hatte. So viel war inzwischen passiert, doch er erinnerte sich noch gut an das Gefühl Hyde für immer verloren zu haben. Wie um sich davon zu überzeugen, dass es jetzt ganz und gar nicht mehr der Wahrheit entsprach, legte Gackt seine Arme um den Schwarzhaarigen und zog ihn an sich. Plötzlich konnte er ein leises „Ga-chan“ vernehmen und merkte wie Hyde immer noch schlafend seine Umarmung erwiderte. Glücklich fielen auch Gackt irgendwann die Augen zu.
 

„Aufstehen, Haido!“, weckte den Schwarzhaarigen am nächsten Morgen eine vertraute Stimme. Hyde drehte sich um und wollte weiter schlafen, doch Gackt war hartnäckig. „Hey, nicht wieder einschlafen, mein Schatz!“, setzte er hinzu und Hyde schlug ergeben die Augen auf. „Morgen, Ga-chan“, murmelte er verschlafen und blickte zu ihm hoch.

Fertig angezogen setzte sich Gackt zu ihm aufs Bett und fragte grinsend: „Wie hast du es bloß fertig gebracht aufzustehen bevor wir zusammen waren?“ „Eiserne Selbstbeherrschung“, antwortete Hyde gähnend und erst jetzt fiel ihm auf, dass Gackt etwas hinter seinem Rücken verborgen hielt. Neugierig richtete er sich auf und lugte hinter den Rücken des Braunhaarigen. Der Geruch von frischem Kaffee schlug ihm entgegen. Lächelnd zog Gackt ein Tablett hervor und platzierte es vor Hyde aufs Bett. Dieser starrte überrascht auf zwei Tassen Kaffee, Croissants und Marmelade. Bevor Hyde fragen konnte, was Gackt dazu brachte ihm Frühstück ans Bett zu bringen, meldete sich der Jüngere wieder zu Wort. „Als Entschuldigung für gestern, weil ich doch erst so spät gekommen bin und du so lange warte musstest.“ Auf seinem Gesicht spiegelte sich das schlechte Gewissen wider und seine Augen schienen förmlich um Verzeihung zu betteln. „Halb so schlimm“, meinte Hyde. „Hauptsache du bist überhaupt gekommen. Ich hab mir halt einen schönen Abend vorm Fernseher gemacht.“ Dass der letzte Satz eine Lüge war, konnte sich Gackt denken, er war aber erleichtert, dass Hyde ihm nichts nachtrug.

„Du willst mir wahrscheinlich nicht sagen, wo du dich gestern Abend herumgetrieben hast, oder?“, fragte Hyde und wie er vermutet hatte, schüttelte Gackt den Kopf. Auch gut, dachte er, ich kann mir schon denken, weshalb du es mir nicht sagen willst; was ich gemacht habe, bevor ich nach Hause kam, werde ich dir mit Sicherheit auch nicht anvertrauen. In den letzten Tagen war ihm immer deutlicher bewusst geworden, dass er Gackt aus allem was seine Familie anging auf jeden Fall heraushalten musste. Denn es war klar, sie würden nicht auf einer Seite stehen, sollten sie jemals bei einem Auftrag Hydes aufeinander treffen. Hyde wollte auch nicht wissen, was es genau mit Gackts zweiter Identität auf sich hatte, zu groß war die Gefahr seinen Geliebten mit ins Verderben zu ziehen.

Um von dem pikanten Thema wegzukommen, sah der Schwarzhaarige an sich herunter. „Sag mal, Ga-chan, nur in Boxershorts bin ich aber nicht nach Hause gekommen.“ Gackt zuckte grinsend mit den Schultern. „Ich hätte sie dir auch noch ausziehen sollen, was?“ Beide mussten lachen.

Als sie sich beruhigt hatte, wollte Gackt wissen, ob Hyde etwas dagegen hatte, wenn er ihn nach der Arbeit abholen würde. Froh ihn so schnell wie möglich wieder zu sehen, stimme Hyde dem Vorschlag zu. „Jetzt hab ich mir aber eine kleine Belohnung verdient, meinst du nicht auch?“, fragte Gackt und rückte näher zu Hyde. Lächeln ließ sich dieser von seinem Schatz in die Arme nehmen. Während sie sich küssten, erreichte der Kaffee langsam Zimmertemperatur.
 

Nervös trat Hyde von einem Bein aufs andere. Er kam sich vor wie ein Schuljunge, der etwas ausgefressen hatte und es nicht zugeben wollte. Reiß dich zusammen, reif er sich selber zur Ordnung, so schwer kann es doch nicht werden. Leider wollte sein Verstand diese Tatsache nicht wirklich akzeptieren.

L`Arc en Ciel befand sich in ihrem Tonstudio und war mit einigen Aufnahmen beschäftigt. Krampfhaft musste sich Hyde zusammenreißen, damit er sich aufs Singen konzentrieren konnte, während seine Gedanken immer wieder zu seinem gefassten Entschluss schweiften. Inzwischen legten sie eine Erholungspause ein und der Sänger ließ sich in einen Stuhl fallen.

„Sag mal, Hyde, was ist denn heute mit dir los? Du wirkst so abwesend“, fragte Tetsu unvermittelt und sah ihn mit einem besorgten Gesichtsausdruck an. Jetzt oder nie, sagte sich der Angesprochene und erhob die Stimme. „Ähm, ich wollte euch schon die ganze Zeit etwas sagen.“ Nun hoben auch Ken und Yuki neugierig die Köpfe. Alle Blicke auf sich gerichtet, fühlte Hyde wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg, noch bevor er die Worte ausgesprochen hatte. „Ich bin nämlich mit Gackt zusammen.“

Stille. Für einige Sekunden herrschte im Raum totale Stille, bis sich der Bassist wieder zu Wort meldete. „Ist das ein Scherz?“ Deutlich konnte Hyde die Überraschung sehen, die Tetsu und den anderen ins Gesicht geschrieben stand. „Glaubst du ich scherze?“, antwortete Hyde mit einer Gegenfrage und musste über die Mienen seiner Bandmitglieder unwillkürlich grinsen. Tetsu schüttelte langsam den Kopf. „Nein, eigentlich nicht“, gab er zu. Auch die beiden anderen schienen den ersten Schock überwunden zu haben, denn Ken legte den Kopf schief und meinte: „So verwunderlich ist das gar nicht. Habt ihr nicht gesehen, wie Gackt um unseren Sänger herumscharwenzelt ist? Dass er in Hyde verschossen ist, war ja nicht zu übersehen.“ Auf diese Worte erhielt er zustimmendes Nicken. Dieses Mal war es Hyde, der überrascht aus der Röhre guckte. Waren Gackts Gefühle ihm gegenüber wirklich für seine gesamte Umwelt so offensichtlich gewesen? Anscheinend war er selber der einzige, der sie immer wieder in Zweifel gezogen hatte.

„Irgendwann gibt auch der größte Sturkopf nach“, warf Yuki weise ein. Kurze Zeit später waren Bassist, Gitarrist und Drummer in eine angeregte Plauderei über Hydes Beziehung mit Gackt vertieft und schenkten der Hauptperson ihrer Ausführungen keine Beachtung mehr. Hyde blieb nichts anderes übrig, als ihnen zuzuhören. Ein ums andere Mal konnte er sich ein Lachen nicht verkneifen, besonders als es darum ging, auf welche Art und Weise sie zusammengekommen waren. Kens Theorie, Gackt hätte Hyde entführt, gefesselt und in ein abgelegenes Haus verschleppt, in dem er ihn so lange festgehalten hatte, bis Hyde endlich nachgab, war bei Weitem noch nicht das Abwegigste und Abartigste, das sie sich ausdachten.

„Hört schon auf!“, versuchte sich Hyde Gehör zu verschaffen. „Sonst bereue ich noch es euch überhaupt gesagt zu haben.“ Tetsu stand auf und legte einen Arm um die Schultern des Sängers. „Ach komm schon, Hyde. Wir meinen es doch gar nicht so. Lass uns doch den Spaß.“ „Schöne Freunde seid ihr“, maulte der Schwarzhaarige, obwohl ihm selber nach lachen zumute war. Ein bisschen den Beleidigten zu spielen, konnte aber nichts schaden.

„Ist er nicht niedlich?“, fragte Tetsu grinsend in die Runde und wuschelte durch Hydes Haare. „Kein Wunder, dass sich Gackt in ihn verliebt hat.“ „Du solltest das lieber lassen Tetsu, sonst wird noch jemand eifersüchtig“, rief ihm Ken lachend zu.

Eine Weile ging es noch so weiter, dann machten sie sich wieder an die vernachlässigte Arbeit. „Übrigens“, fiel Hyde noch ein. „Er holt mich nachher ab, dann könnt ihr euch ja selbst von unserer Beziehung überzeugen.“ Die anderen fielen nur wieder in ihr Gelächter ein, doch Hyde störte es nicht. Sollten sie doch Witze reißen, das war ihm weitaus lieber, als wenn sie einen Aufstand machten, weil er plötzlich schwul war. Kam es für seine Freunde auch noch so überraschend, so konnte er das von sich selber eigentlich kaum behaupten. Das ist Vergangenheit, zwang sich Hyde zu denken. Nur in seinen Albträumen verfolgte ihn die eigene Vergangenheit weiterhin noch hartnäckig, ansonsten versuchte er sie mit aller Kraft zu verdrängen, was ihm auch immer gut gelungen war. Bis jetzt.

Während sie ihr Material verstauten, öffnete sich plötzlich die Tür und Gackts Gesicht erschien im Türrahmen. „Hallo, Leute!“, grüßte er fröhlich in die Runde und wandte sich augenblicklich suchend nach Hyde um, der damit beschäftigt war, die Instrumente zu verstauen. Hyde ließ seine Arbeit links liegen und kam dem Neuankömmling entgegen. Die zwei Sänger umarmten sich, sobald sie sich in Reichweite befanden und küssten sich stürmisch, die Blicke der anderen außer Acht lassend. Nachdem sich ihre Lippen und Zungen wieder getrennt hatten, fragte Gackt, als wäre nicht gewesen: „Seid ihr fertig, Haido?“ „So gut wie“, antwortete dieser immer noch ein bisschen außer Atem wegen der stürmischen Begrüßung. „Denn Rest schafft ihr doch auch alleine?“, wollte er von den restlichen Laruku-Mitgliedern wissen, ließ seine Arme aber weiterhin auf Gackts Rücken ruhen. Da keine Widerworte zu vernehmen waren, nahm er Gackt bei der Hand und ging mit ihm auf die Tür zu. Unterwegs drehte sich Hyde noch einmal um und rief den drei geschockten Musikern ein „Bis Morgen“ zu. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, konnten sie deutlich Kens Stimme vernehmen, „Ich brauch ne Zigarette!“ Woraufhin Yuki ihm zustimmend beipflichtete. Hyde und Gackt tauschten einen Blick aus und grinsten sich an. „Die werden sich schon wieder erholen“, meinte der Schwarzhaarige lachend, als sie das Gebäude verließen.
 

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Und ein weiterer Auftritt von Hydes fiesem Onkel!

Bin mal gespannt, wie viel ihr aus meinen ominösen Andeutungen herauslesen könnt, aber bald kommt ein bisschen mehr Klarheit in die Sache hinein.

Bis zum nächsten Mal

eure himachan

New Challenge

Hallo ihr Lieben!

An dieser Stelle muss ich jetzt endlich mal meine Co-Autorin erwähnen, ohne die ich es bestimmt nicht bis hierhin geschafft hätte. Wer weiß, wie viele Stunden wir schon mit rauchenden Köpfen versucht haben meine wirren Ideen einigermaßen logisch in die Geschichte einzubauen. Ohne dich, Mentha-Chan, wäre es mir bestimmt nicht gelungen, tausend Dank dafür *verbeug*

Und auch ein Riesendankeschön an all die lieben Kommischreiber!

Also dann, viel Spaß!
 

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9. Kapitel

New Challenge
 

Tief über das vor ihm liegende Blatt Papier gebeugt, saß der Schwarzhaarige an seinem Couchtisch. Seit einer halben Ewigkeit, so schien es ihm jedenfalls, versuchte er krampfhaft sich Ideen für ihren Liedtext aus den Fingern zu saugen. Etwa alle zwei Minuten beging er den Fehler, zu seinem Gegenüber zu blicken, wobei alles was ihm in der Zwischenzeit eingefallen war, schnellstmöglich einen Abgang machte.

Resigniert seufzte er auf. „Arrg, wenn du mich weiterhin so anstarrst, sitzen wir Weihnachten noch hier“, brach es schließlich aus Hyde heraus.

Gackt zog eine Schnute. „Aber nur wenn ich dich angucke, habe ich die besten Ideen, mein Engelchen“, grinste er seinen Freund frech an. „Und weshalb hast du dann noch nichts aufgeschrieben?“, fragte Hyde und deutete mit der Hand auf Gackts unbeschriebenes Blatt. „Weil ich erst meine Ideen im Kopf sammle“, antwortete der Gefragte nach Hydes Meinung nicht gerade überzeugend.

Es war ein Tag vergangen seitdem Hyde seinen Freunden besagtes Geständnis gemacht hatte und nun am frühen Abend versuchten die beiden Sänger endlich mal an ihrem gemeinsamen Lied weiterzuarbeiten. Was so viel bedeutete wie, dass sie sich einen Text überlegten. Nachdem sie es eine Zeit lang zusammen versucht hatten, riss Hyde der Geduldsfaden.

„Singen wir das zusammen, kannst du dir ein Schild mit der Aufschrift ‚Gackt liebt Hyde’ wirklich sparen. Dann weiß es selbst der letzte Volltrottel!“, erwiderte der Schwarzhaarige auf einen Vorschlag von Gackt hin, der eine recht in die Tiefe gehenden Beschreibung ihrer Beziehung enthielt. „Wäre das denn so schlimm?“, wollte der Jüngere wissen und bedachte Hyde mit einem bedeutungsvollen Blick, woraufhin der Ältere Chamäleon spielte.

Das rote Chamäleon ersparte sich darauf einen Kommentar abzugeben und verdonnerte Gackt stattdessen seine Ideen aufzuschreiben, bevor er sie ihm präsentierte. So saßen sie also wenig später immer noch mit sehr jungfräulich weißem Papier am Tisch und hätten es wahrscheinlich auch weiterhin getan, wenn sich Gackts Hosentasche nicht entschlossen hätte, Laute von sich zu geben.

Gackt wollte das Klingeln seines Handys zuerst ignorieren, das Mobiltelefon erwies sich aber als durchhaltungsfähiger als der Sänger. Kurz überlegte er einfach auf den Ausknopf zu drücken, doch er konnte nicht riskieren ein wichtiges Gespräch zu verpassen. Und schließlich überwog die Neugier. Der Braunhaarige fischte das Handy aus seiner engen Tasche, in der es nur mit Ach und Krach unterzubringen war. Hydes Blick verriet ihm, dass dieser ebenso neugierig war, zu erfahren wer es wagte sie zu stören, wie er selber.

Entschuldigend blickte er Hyde an und nahm den Anruf entgegen.

„Gackt, hoffentlich störe ich dich nicht, aber hier hat sich einiges getan. Du wirst sofort in der Zentrale gebraucht“, drang ihm die bekannte Stimme von Yoshimura ins Ohr. Schlagartig wandelte sich Gackts anfängliche Neugierde in Anspannung um. Schnell erhob er sich und ging auf die Terrasse, damit Hyde sein Telefonat nicht mitbekam. Überrascht und leicht beleidigt über sein plötzliches Verschwinden sah ihm der Ältere irritiert hinterher.

„Also was gibt´s ?“, erkundigte sich Gackt nachdem er sich versichert hatte, dass die Tür auch fest verschlossen war. „Es geht um den Waffenschmuggel“, begann sein Kollege. „Wir konnten heute einen guten Fang machen und so wie es aussieht einen Mann erwischen, der darin verwickelt ist. Er muss wohl eine ganze Menge aufschlussreicher Informationen ausgespuckt haben. Genaueres wollte der Chef mir aber nicht verraten“, bei diesen Worten klang Yoshimura leicht eingeschnappt, „sondern meinte nur ich solle dich so schnell es geht herbeordern.“ „Ist gut, ich komme sofort“, sagte Gackt aufgeregt, als Yoshimura geendet hatte und legte auf.

Zurück im Wohnzimmer empfing ihn ein kleiner Schwarzhaariger mit vor der Brust verschränkten Armen. „Eine Erklärung bitte“, verlangte er von Gackt. „Warum bitteschön bist du rausgegangen? Was gab es denn, das ich nicht hören sollte?“ Hyde hatte einen Verdacht, um was es sich handelte, er war ja nicht blöd, suchte aber immer noch nach einer anderen Lösung. Damit konnte Gackt ihm natürlich nicht dienen, er wollte ihn aber auch nicht schon wieder anlügen.

„Das ist schwer zu erklären“, fing der Braunhaarige an. „Ich denke du weißt genauso gut wie ich, dass es“, er überlegte kurz, „gewisse Dinge gibt, über die wir nicht offen miteinander reden.“ Er erntete einen schockierten Blick von Hyde. Niemals hätte der Ältere geglaubt, dass Gackt ihn darauf ansprechen würde, jedenfalls nicht so schnell. Bitte, Ga-chan, ich will es gar nicht wissen, dachte er, sagte aber nichts.

„Jetzt ist bestimmt nicht der richtige Augenblick, um darüber zu sprechen. Vor allem weil ich jetzt dingend weg muss“, sprach Gackt weiter. Nun mischte sich zu dem Ausdruck auf Hydes Gesicht Enttäuschung, trotzdem nickte er. Schnell überbrückte der Jüngere, die sie trennende Distanz und zog Hyde in seine Arme, die Anspannung, die plötzlich zwischen ihnen entstanden war, konnte er damit aber nicht vertreiben. Der Kleinere lehnte sich gegen ihn und genoss die Berührung. „Schon gut, Ga-chan“, murmelte er leise und strich über seinen Rücken. Gackt legte eine Hand unter Hydes Kinn und drückte seinen Kopf sanft nach oben. Erst als sich ihre Lippen trafen, spürten beide wie die Anspannung dem gewohnten Gefühl des Zusammengehörens wich. Doch viel zu schnell löste Gackt den Kuss wieder.

„Nun muss ich wirklich gehen. Es dauert bestimmt länger, warte besser nicht auf mich“, flüsterte er ihn Hydes Haare. „Ich liebe dich, mein Engel“, setzte er noch hinzu, während er sich aus Hydes Umarmung befreite. „Ich liebe dich auch“, antwortete dieser und ließ Gackt schließlich los, dabei versuchte er es mit einem Lächeln, auch wenn dieses mehr oder weniger in die Hose ging. Nachdem Gackt noch hinzugefügt hatte, sie sollten später in Ruhe über alles reden, war es mit Hydes Versuch eines Lächelns endgültig Essig und es glich eher einer miserablen Clownsgrimasse.

Mit schlechtem Gewissen warf sich Gackt den Mantel über, schlüpfte in seine Schuhe und rief Hyde aus dem Flur ein „Bis später, mein Schatz“ zu, das dieser mit einem gedehnten „Ja“ quittierte. Am liebsten hätte Gackt auf dem Absatz kehrt gemacht, wäre zurück zu seinem Engel gestürmt und hätte ihn heute nicht mehr los gelassen, doch wie unmöglich das war, wusste er selber. Außerdem drängte ihn ein nicht zu vernachlässigender Teil seines Verstandes endlich in die Zentrale zu kommen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er schon viel zu viel Zeit verloren hatte. Aber sich von Hyde zu verabschieden, war eben auch alles andere als einfach. Nur dass sein Chef dafür Verständnis aufbringen würde, war mehr als fraglich.

Mit dem Gefühl zwei verschiedene Sachen gleichzeitig machen zu müssen, bei Hyde zu bleiben und zur Zentrale zu fahren, legte Gackt einen Fahrstil an den Tag, der schon fast mit jenem des Shanghaier Taxifahrers verglichen werden konnte. Dass er keinem Polizist begegnete und diesen dazu bewegte mit Blaulicht hinter ihm herzufahren, glich wirklich einem Wunder.

Mal wieder alleine gelassen, schlurfte Hyde zurück zur Couch und ließ sich darauf nieder. Sein Herz schlug immer noch wild, nicht nur wegen Gackts seiner Meinung nach viel zu kurzen Kusses, sondern eher wegen seinem Wunsch nach einer Aussprache. Er konnte Gackt einfach nicht die Wahrheit sagen, schon allein weil Gackt ihn dann für einen Verbrecher halten würde. Aber vor allem wegen der Gefahr, die es unweigerlich für ihn darstellen würde, die Wahrheit zu wissen.

Hyde überlegte was er den restlichen Abend anstellen sollte und einen Moment zog er in Erwägung seine Kumpels von Laruku anzurufen, verwarf die Idee aber sofort wieder. Das würde nur zu unangenehmen Fragen führen, denn sicherlich würden sie wissen wollen, weshalb er seinen Abend nicht mit Gackt verbrachte. Nein, danke, darauf konnte er getrost verzichten.

Stattdessen beschloss der kleine Sänger einen weiteren Versuch zu starten und sich einen Liedtext auszudenken. Vielleicht klappte es ja besser, wenn er nicht ständig in Gackts grinsendes Gesicht mit den wunderschönen blauen Augen blickte. Er musste aber zugeben, dass er ihn nach noch nicht einmal fünf Minuten Abwesenheit bereits schmerzlich vermisste.
 

Im Laufschritt durchquerte Gackt den langen Flur und erreichte endlich den rettenden Fahrstuhl. Dieser brachte ihn ins Untergeschoss und als die Metalltüren sich öffneten, sah er sich einem wartenden Yoshimura gegenüber.

„Gut, dass du endlich da bist“, seufzte der Geheimagent erleichtert auf, packte den Sänger am Ärmel und schleifte ihn auf das Chefbüro zu. „Naruse-san macht so langsam aber sicher die Hölle heiß“, erklärte Yoshimura unterwegs und Gackt kam nicht drumherum zu denken, dass hier aber auch gar nichts zu Stande kam, wenn er nicht da war.

Wider Erwarten brauchten sie sich nicht bis zum Büro zu begeben, denn der Chef kam ihnen entgegen. „Endlich“, sagte er bei Gackts Anblick und gab ihnen ein Zeichen, damit sie ihm folgten. „Ich hoffe Yoshimura-san hat Ihnen bereits von unserem Fang erzählt?“, erkundigte sich Naruse-san ohne den Kopf zu drehen. „Das hat er“, bestätigte Gackt „Über die neuen Informationen weiß ich aber noch nicht bescheid.“ „Dafür erhalten Sie nun alles aus erster Hand. Mal sehen wie es unserem Gast in der Zwischenzeit ergangen ist.“

Bei diesen Worten des Chefs waren sie zu einen abgetrennten Bereich gelangt, zu dem nur wenige Mitarbeiter Zutritt hatten und den auch nur die wenigsten betreten wollten. Mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet, war er niemals unbewacht, was vor allem den Zweck zu erfüllen hatte, die „Gäste“ an einer Flucht zu hindern. Nachdem diverse Verriegelungen gelöst worden waren, war der Durchgang frei und die drei Japaner traten in den taghell erleuchteten Gang. Gackt kniff die Augen zusammen und ließ seinen Blick vorbei an schusssicheren Glasscheiben und Videokameras wandern, wobei er so gut es ging die Insassen, die hier sozusagen in Untersuchungshaft saßen, zu ignorieren versuchte.

Das leise Sirren der Kameras und das Geräusch ihrer Schritte erfüllte den Gang und veranlasste den Sänger dazu innerlich zu erschaudern. Inständig hoffte er nie in die Zwangslage zu kommen und hier oder an einem ähnlichen Ort eingesperrt zu werden.

Die Agenten erreichten ihr Ziel und blickten durch die Glasscheibe auf eine zusammengekauerte Gestalt, die mit dem Oberkörper auf den Tisch gelehnt, in der Zelle saß. Gackt fragte lieber nicht nach, was der Geheimdienst mit dem Mann angestellt hatte, von alleine hatte er sich bestimmt nicht dazu entschlossen zu reden.

„Leider ist es nur ein kleiner Fisch, der keinerlei Kontakte zu den Drahtziehern des Waffenschmuggels hat, aber trotzdem die erste heiße Spur seit Jahren“, erhob Naruse-san seine Stimme und lenkte die Aufmerksamkeit der beiden anderen wieder auf sich. „Wir haben ihn mit einer beachtlichen Anzahl an Sprengkörpern und Maschinenpistolen erwischt, die alle auf einem außergewöhnlich hohen technischen Stand sind und bei denen es sich scheinbar um Neuentwicklungen handelt. Nachdem, was wir bisher aus ihm herausbekommen haben“, der Chef deutete mit der Hand auf die klägliche Gestalt hinter der Scheibe, „war es seine Aufgabe, die Waffen hier in Japan in Empfang zu nehmen und weiterzuleiten. Er konnte uns glaubhaft versichern, dass er nur für den Transport zuständig ist und nichts darüber weiß, wie die Waffen in unser Land gelangen oder was mit ihnen weiter hier geschieht. Aber“, der Chef legte eine dramaturgische Pause ein, „nun kennen wir immerhin einen der Stützpunkte, an denen die Waffen zumindest zeitweise gelagert werden. Und was das für sie beide bedeutet, ist ihnen hoffentlich bewusst?“ Fragend sah er auf seine Agenten.

„Ein Auftrag hier in Japan?“ Gackt blickte ihn überrascht an. „Der Einsatzort befindet sich nördlich von Nikko im unbewohnten Gebirge, da sollte selbst für Sie die Gefahr von Fans erkannt zu werden auf ein tragbares Risiko sinken“, antwortete Naruse-san sarkastisch. „Und jetzt wollen wir mal hören, ob sich unser Freund noch an ein paar weitere Einzelheiten erinnern konnte.“

Ein weiterer Mitarbeiter erschien auf diese Worte hin wie aus dem Nichts und bedachte die Neuankömmlinge mit einem Kopfschütteln. „Mehr Informationen sind nicht aus ihm rauszukriegen. Wir lassen aber nichts unversucht und sollte ihm doch noch etwas einfallen, wird es sofort an sie weitergeleitet“, sagte der Mann, der wie Gackt wusste, seit etlichen Jahren in dieser Abteilung arbeitete und nur selten etwas anderes zu sehen bekam, als das Weiß der Wände oder die jeweiligen Insassen. Er verbeugte sich und verschwand genauso lautlos, wie er gekommen war.

Als der Chef sich leicht enttäuscht umdrehte und den gleichen Weg zurückging, war Gackt heilfroh wieder in die normalen Abteilungen entkommen zu können. Er konnte nur von Glück sagen, dass er Hyde bereits im Voraus darauf vorbeireitet hatte, dass er länger weg bleiben würde, denn die nachfolgende Besprechung dauerte mal wieder bis mitten in die Nacht. Der Einsatz war auf den nächsten Tag angesetzt und sollte Gackt, Yoshimura und eine Reihe weiterer Agenten ins Gebirge führen, wo sie so viel wie möglich über die Waffenschmuggler in Erfahrung bringen und vor allem die entscheidende Frage klären sollten, wer hinter allem steckte.

Anspannung und Aufregung machten sich im Sänger breit, denn sein Gefühl sagte ihm, dass dieser Auftrag dazu beitragen würde endlich die Frage zu klären, die ihm nun schon so lange wie ein schwerer Stein auf dem Herzen lag. Deshalb fieberte er dem nächsten Tag entgegen, auch wenn es eine kurzzeitige Trennung von Hyde bedeutete.
 

Die andauernden Geräusche im Schlafzimmer sorgten dafür, dass Hyde seinen Schlaf abbrechen musste. Während er so langsam wieder zu sich kam, konnte er deutlich die Stimme von Gackt vernehmen, der vor sich hinmurmelte. „Nur einen Koffer! Wie soll ich denn alles in einem Koffer unterbringen können?“, fragte er sich selber und erwartete nicht darauf jemals eine Antwort zu erhalten. Seit einigen Minuten war sein einziges Ziel seine Klamotten für den Einsatz in nur einen Koffer zu quetschen und diesen auch wieder verschließen zu können. Den ersten Teil der Aufgabe hatte er bereits bewältigt, aber erst nachdem er die Hälfte der Sachen wieder aussortiert hatte und nun kämpfte er mit dem widerspenstigen Deckel, der sich auch nach „gutem“ Zureden nicht dazu entschließen konnte über dem Klamottenhaufen platzzunehmen. Weshalb war sein Chef aber auch auf die hundsgemeine Idee gekommen, dass Gackt dieses Mal nur einen Koffer mitnehmen durfte? All seine Überzeugungskünste waren an der harten Schale von Naruse-san einfach abgeprallt und am Ende war es nicht mehr nur eine Bitte gewesen, sondern ein dienstlicher Befehl. Gackt hätte sich selber ohrfeigen können, denn jetzt hatte er das Schlamassel.

„Wird´s bald!“, rief er ärgerlich und ließ sich mit einem Ruck auf den Kofferdeckel fallen, der nun zwar zuklappte, aber sich immer noch nicht schließen ließ. Hyde verkniff sich mühsam ein lautes Auflachen, was bei Gackts Anblick mindestens ebenso schwer war, wie den Koffer zu schließen. Wie Gackt auf dem Koffer saß und vor sich hinmeckerte, war einfach zu viel am frühen Morgen.

„Noch mal bitte“, kicherte der kleine Sänger und streckte sich. Völlig überrumpelt blickte Gackt zum Bett hinüber und bekam wieder einmal ein schlechtes Gewissen. Jetzt hatte er es auch noch geschafft seinen Engel aufzuwecken, der Morgen fing nicht nur toll an, er ging auch grandios weiter.

„Ich wollte dich nicht wecken, Haido. Tut mir leid, dass ich so laut war“, entschuldigte er sich und betrachtete verlegen den Grund seines Ärgers. Doch Hyde kicherte nur weiter vor sich her, woraufhin der Braunhaarige den Koffer von seinem Gewicht befreite und sich erst mal eine Verschnaufpause gönnte. Er ging zurück zum Bett und krabbelte zu seinem Engel hinüber.

„Trotzdem wünsche ich dir einen guten Morgen“, sagte Gackt und drückte Hyde einen Kuss zwischen die Haarsträhnen auf seiner Stirn. Der kleine Sänger streckte eine Hand aus und zog Gackt zu sich nach unten. „Heute ist doch Sonntag, Ga-chan“, flüsterte Hyde und kraulte seinen Schatz zärtlich im Nacken, „was machst du denn schon so früh für ein Theater?“

Gackt seufzte und kuschelte sich an Hyde. Gestern hatte er ihm gesagt, dass sie miteinander sprechen mussten und jetzt war wohl der Zeitpunkt gekommen, an dem Gackt dieses Gespräch in die Wege leiten sollte. Statt etwas zu antworten, betrachtete er Hyde liebevoll und spielte gedankenverloren mit dessen Haarsträhnen. Er sah so unschuldig aus, sein Engel, so zart und zerbrechlich, wer konnte da auf den Gedanken kommen, das Hyde mit Kriminellen zu tun hatte?

„Hey, erst weckt du mich auf und dann erfahre ich noch nicht mal, weshalb du solch einen Lärm verursacht hast!“, meldete sich Hyde zu Wort nachdem Gackt keine Anstalten machte, um seine Frage zu beantworten. Er erntete wieder ein Seufzen von Seiten des Größeren. „Du musst doch nicht etwa verreisen, oder?“, probierte es Hyde noch mal mit einer Frage und endlich rang sich Gackt dazu durch seine Stimme wieder in Gebrauch zu nehmen.

„Ich fürchte schon“, antwortete er „ich muss in die Berge und das ist auch der Grund, weshalb ich gestern so schnell weg musste. Wie lange es dauern wird, kann ich dir nicht sagen, aber Haido“, er sah dem Schwarzhaarigen tief in die braunen Augen, „ich will dich nicht mehr belügen müssen und ich bitte dich, sag mir endlich die Wahrheit.“

Als Gackt die Angst in den Augen seines Geliebten sah, zerriss es ihm fast das Herz, doch er musste mit ihm reden. Zu allem Überfluss fing Hyde auch noch an am ganzen Körper zu zittern und hielt sich selber für die größte Heulsuse aller Zeiten. Was musste Gackt bloß von ihm denken, er konnte aber auch nichts außer heulen und einpennen! Doch die Angst um Gackt schnürte ihm die Kehle zu.

Verzweifelt darüber was seine Worte bei Hyde ausgelöst hatten, drückte Gackt ihn enger an sich und zog seinen zierlichen Körper auf den eigenen. „Du hast die Pistole im Hotelzimmer gefunden“, flüsterte er leise und streichelte ihm behutsam über Kopf und Rücken. Gackt wusste, dass er mit dem nächsten Satz vielleicht einen Schritt zu weit ging, aber sein Drang die Wahrheit zu erfahren, war jetzt nicht mehr zu unterdrücken.

„Und wer glaubst du, hat dich aus dem einstürzenden Gebäude gerettet? Haido, bitte schau mich an!“ Fast mit Gewalt musste Gackt Hydes Kopf von seiner Brust trennen, an die sich der Kleinere gepresst hatte. „Was hast du mit Chen zu tun gehabt? Sag es mir bitte, ich will dir doch helfen!“

„Dann hör damit auf, Ga-chan! Frag mich nicht weiter! Ich darf dich nicht mit hineinziehen, ich will es nicht! Ich kann es nicht!“, brachte Hyde mühsam hervor, während ihm Tränen die Wangen hinabrannen und auf Gackts Hemd tropften. Der Braunhaarige musste bei diesem Anblick fast selber anfangen zu weinen, so weh tat es ihm Hyde die Tränen in die Augen getrieben zu haben.

„Nicht weinen, mein Engel!“ Vorsichtig küsste Gackt die nassen Wangen des Laruku-Sängers. In diesem Zustand hatte ein klärendes Gespräch wohl absolut keinen Sinn. Das hatte er ja wirklich spitzenmäßig hinbekommen, statt mit ihm vernünftig zu reden, weinte sich Hyde nun die Augen aus dem Kopf.

Langsam wanderten Gackts Lippen über jeden Zentimeter von Hydes nasser Haut, liebkosten sie zärtlich und näherten sich schließlich seinem Mund. Sanft erstickte er das Schluchzen des Schwarzhaarigen und verwickelte ihn in einen innigen Kuss. Darüber versiegten endlich Hydes Tränen und er ließ sich von Gackts Küssen und Berührungen mitreißen. Verlangen keimte in den beiden Liebenden auf und brachte sie dazu die äußeren Umstände wenigstens für den Moment zu vergessen.

„Ich dachte, du muss gehen, Ga-chan“, flüsterte Hyde keuchend, als ihn Gackt schwungvoll auf den Rücken drehte und in die Kissen drücke, während er selber es sich auf Hydes Körper gemütlich machte. „Schon, aber ein bisschen Zeit bleibt mit noch. Und ohne eine gebührende Verabschiedung wirst du mich nicht los“, grinste er Hyde verliebt an und stellte erleichtert fest, dass sich auch auf Hydes Gesicht wieder ein Lächeln breit machte. Gierig eroberte er erneut die Lippen des Mannes, den er am meisten auf der Welt liebte und begann ihn von der störenden Hose zu befreien. Im Gegenzug dazu machte sich auch der Ältere über Gackts sorgfältig ausgesuchte Klamotten her, so dass es dieser wohl nicht würde vermeiden können, sich ein weiteres Mal an diesem Tag anzukleiden.

Die verbleibende Zeit bis Gackt sich auf den Weg machen musste, verbrachten sie sehr beschäftig im Bett.
 

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Oh Mann, und wieder hab ich es geschafft und Haido zum Weinen gebracht *um Verzeihung bettel *

Na ja, Gackt war ja zum Glück zum Trösten da *grins*

Bis bald

eure himachan

Going Underground

Puh, endlich kann ich ein neues Kapitel hochladen!

Es wird aber auch immer komplizierter sich alles auszudenken *völlig fertig bin*

Na ja, nun will ich euch nicht weiter mit meinem dummen Gerede nerven XD, sondern es geht endlich weiter!

Wie immer viel Spaß beim Lesen!
 

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10. Kapitel

Going Underground
 

Mit Hydes Unterstützung war es Gackt schließlich doch noch gelungen seinen widerspenstigen Koffer zu schließen. Gegen Mittag musste sich der jüngere Sänger dann auch auf den Weg machen, um nicht zu spät auf dem Flugplatz zu erscheinen. Nach einem weiteren langen Abschiedskuss und einem an diesem Tag schon des Öfteren gesagten „Ich liebe dich“, verließ er Hydes Wohnung und traf wenig später beim Flughafen ein.

Yoshimura nahm ihn ungeduldig in Empfang. „Hey, ich bin doch gar nicht zu spät gekommen!“, verteidigte sich Gackt, als er die Miene seines Kollegen erblickte. „Aber mal wieder auf den letzten Drücker“, wies ihn Yoshimura zurecht und stiefelte mit dem Sänger und seinem armen Kofferträger im Schlepptau voraus.

Da es im Gebirge keinen großen Flughafen gab, flogen sie dieses Mal mit einem kleinen Privatjet und mussten sich zu Fuß zur Abflughalle begeben. Unterwegs sammelten sie die restlichen Agenten ein, die ebenfalls am Einsatz beteiligt waren. Nachdem das Gepäck verstaut war und die Passagiere ihre Plätze eingenommen hatten, konnte es los gehen.

Der Flug ins Mikunigebirge dauerte nicht lange und schon landeten sie auf einem kleinen Flugplatz nahe der Stadt Nikko. Auch in dieser Stadt gab es Gebäude des Geheimdienstes in denen sie sich einquartierten, damit die Anwesenheit des berühmten Sängers keine Fragen aufwarf und die Agenten in Ruhe ihrer Arbeit nachkommen konnten.

Eine Landkarte vor sich ausgebreitet saßen die Japaner im kleinen Konferenzzimmer. Ein dickes rotes Kreuz markierte den Ort, wo sich nach den Informationen des geschnappten Waffenschmugglers der Lagerplatz befinden sollte. Es handelte sich um ein altes und mittlerweile stillgelegtes Bergwerk, das sich etwas nördlich des hiesigen Nationalparks befand.

„Gar kein schlechter Ort, um unentdeckt Waffen zu verstecken“, meinte Gackt, er klang dabei ungewollt anerkennend, und die anderen nickten. „Dass wir einen ihrer Kollegen einfangen konnten, wird bei den Drahtziehern sicherlich nicht lange unbemerkt bleiben“, warf Yoshimura ein. „Dann werden sie bestimmt schnellstmöglich die Waffen von hier wegschaffen. Wir sollten uns also beeilen.“ Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden, sie alle fieberten einer Konfrontation mit den schon lange gesuchten Verbrechern entgegen. Gackt machte da keine Ausnahme, hatte er doch einen ganz bestimmten Grund, weshalb er in dieses Bergwerk wollte.

Zusammen mit den übrigen Agenten machte er sich daran die Ausrüstung zu überprüfen. Sie mussten auf alles vorbereitet sein, entsprechend groß war die Vielfalt an mitgenommenen Gegenständen. Langsam aber sicher kam sich der Sänger wie der reinste Packesel vor, nachdem er mit der obligatorischen Pistole, einem langen Seil für eventuelle Klettertouren, einem praktischen Messer, denn man wusste ja nie was passierte, und noch weiteren Utensilien ausstaffiert war. Hätte er jetzt noch einen schicken Wagen, wäre er der perfekte James Bond!

Dabei sehe ich viel besser aus, als dieser Filmschönling, dachte Gackt, während er sich im an der Wand hängenden Spiegel musterte. Hyde würde das bestimmt genauso sehen. Der Gedanke an seinen Geliebten brachte den Braunhaarigen wieder dazu, an das zu denken, weshalb er eigentlich hier war. Schließlich war es kein Schönheitswettbewerb, sondern ein Auftrag bei dem weit mehr auf dem Spiel stand, als nur ein hübsches Foto.

Außer Yoshimura und Gackt selber würden noch vier weitere Agenten an dem Ausflug zum Bergwerk teilnehmen und diese waren auch schon seit ein paar Minuten fertig und warteten nur noch auf den selbstverliebten Sänger. Nachdem auch dieser höchstpersönlich zum Aufbruch fertig war, begaben sich die Japaner zum Helikopter, mit dessen Hilfe sie bis in unmittelbare Nähe des Einsatzortes vordringen würden. In der Luft hinterließen sie weniger Spuren und mit Autos kamen sie eh nicht durch den Nationalpark, der jedenfalls von dieser Seite betrachtet, die Lagerstätte weiträumig abriegelte.

Yoshimura hatte Recht, viel Zeit blieb ihnen wirklich nicht mehr. So erhob sich auch nur kurze Zeit später das Fluggerät von einem Agenten gesteuert in den glasklaren Berghimmel.

Das Rattern der Maschine machte jede Unterhaltung schon im Voraus zunichte und so begnügte sich unser Möchtegern James Bond damit in den blauen Himmel zu starren, von dem herab eine immer schwächer werdende Nachmittagssonne strahlte. Ihm stand der Sinn sowieso nicht nach einer Unterhaltung, dafür schwirrte ihm einfach zu viel im Kopf herum.

Die Zeit strich dahin, während sie schneebedeckte Bergkuppen und ausladende dunkelgrüne Täler überflogen. Doch bevor Gackt dazu kam das Mikunigebirge in all seiner frühlingshaften Schönheit zu bewundern, kam der Endpunkt ihrer Reise in Sicht, jedenfalls ihrer Reise mit dem Helikopter.

„Bereit?“, wandte sich der Braunhaarige mehr oder weniger schreiend an seine Kollegen, welche ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen gaben, dass auch sie fertig zum Absprung waren. Mit dem Fallschirm auf dem Rücken trat er so nah es ging auf die geöffnete Tür zu und blickte hinunter in den Abgrund.

Es gab immer ein Risiko, bei allem was er tat, war es wie ein unsichtbarer Schatten vorhanden. So auch in diesem Moment, in dem sein Blick über die graue Felsfläche unter ihm glitt, die sich in schier endloser Entfernung zu befinden schien.

Gackt atmete einmal tief durch und mit dem Bild seines schwarzhaarigen Engels vor Augen, sprang er in die Tiefe.
 

Zuhause in seiner Wohnung lag Hyde im Bett mit den durchgewühlten Laken und schlief den Schlaf der Gerechten. Nachdem Gackt gegangen war, hatte er sich nicht mehr die Mühe gemacht und sich etwas angezogen, sondern war sofort wieder im Schlafzimmer verschwunden.

Meine Güte, so wie Gackt eben rangegangen war, hätte man ja meinen können, sie würden sich ein ganzes Jahr nicht mehr sehen! Dabei waren es doch hoffentlich nicht mehr als ein paar Tage.

Wie sehr Hyde diesen Mann doch liebte, wurde ihm mal wieder mit aller Macht bewusst. Noch niemals zuvor hatte er etwas Derartiges für einen anderen Menschen empfunden. Noch nicht einmal bei dem Ereignis, das nun schon so viele Jahre zurücklag und ihm doch noch so leibhaftig vor Augen stand. Aber er wollte nicht daran denken und verkrümelte sich wieder ins Bett, in dem er noch die Körperwärme seines Geliebten spüren konnte.

Der Schlaf überfiel ihn, doch er schickte keine schönen Träume, stattdessen versetzte er ihn zurück in die Vergangenheit. Der gleiche Albtraum wie schon so oft suchte ihn heim.

Das Blut, rot und klebrig, hing an seinen Fingern und breitete sich um die am Boden liegende Gestalt aus, in Strömen. Und der Schmerz kehrte zurück, unaufhaltsam und unnachgiebig zerriss er seine Seele. Er schloss die Augen, doch gleich ob sie zu oder offen waren, die Bilder waren immer die selben, für immer auf seiner Netzhaut eingebrannt. Schreie entkamen seiner Kehle und er hoffte auf das Ende.

Zu seinem Entsetzten öffnete die unter ihm liegende Person langsam ihre Augen, der Tod hatte sie noch nicht hinweggerafft. Das war neu und machte den Albtraum nur noch verheerenden. Denn er sah seinen Blick gefangen in blauen Bergseen gleichen Augen, Augen die er so gut kannte und so sehr liebte.

Der Schleier vor dem Gesicht Hydes verzog sich und er erkannte das Antlitz. Sein Schrei blieb ihm im Hals stecken, als er die blutverkrusteten Lippen erblickte und mit ansehen musste wie der leidende Ausdruck aus den blauen Augen verschwand, nur um einer fast noch unerträglicheren Leere platz zu machten.

„Nein“, schrie er mit wiedergefundener Stimme, immer wieder, bis der Albtraum aus seinem Geist verschwand und ihn zitternd und gleichzeitig schwitzend zurückließ.

Doch es war niemand da, der ihn in die Arme schloss und ihm zuflüsterte, dass alles wieder gut werden würde. Niemand, er war alleine. War es die Zukunft, die er gesehen hatte? Würde sich die Vergangenheit wiederholen und sein Albtraum wahr werden?

Und in diesem Augenblick schwor er sich bei allem, was ihm heilig war, dass er es nie so weit kommen lassen würde. Er würde seinen Geliebten beschützen und musste er dafür auch seine Seele an den Teufel verkaufen! Gackts Leben war ihm so viel mehr wert als sein eigenes.

Plötzlich hörte der Schwarzhaarige das Klingeln des Telefons, wobei er nicht sagen konnte, wie lange es schon versuchte, auf sich aufmerksam zu machen. Bisher waren die nervenden Geräusche nicht zu ihm durchgedrungen.

Immer noch leicht zitternd erhob sich Hyde und ging ins Wohnzimmer, um dem Lärm ein Ende zu machen.

„Moshi moshi?“, fragte der Sänger mit dem Versuch seine normale Tonhöhe beizubehalten. „Hideto-san? Verzeihen Sie die Störung, doch Ihr Onkel möchte sie sprechen“, kam die Antwort aus dem Hörer und er erkannt die Stimme von einem der Dienstmädchen. „Es ist wichtig“, setzte sie noch hinzu. Hyde seufzte und antwortete gehorsam: „Ich mache mich auf den Weg.“ Dann legte er auf.

Sein Onkel hatte die Angewohnheit, ob nervig oder nicht, ihn immer genau dann zu sich zu bestellen, wenn er mal wieder Probleme wegen Gackt hatte. Beim letzten Mal war es genauso gewesen. Nun denn, er sollte sich jetzt besser anziehen, schließlich lief er im Moment noch immer im Adamskostüm durch die Wohnung.

Eine unspektakuläre Autofahrt später traf er in der Villa ein und wurde zu seinem Onkel geleitet. „Guten Tag, Hideto“, begrüßte ihn dieser. „Ich habe dir nur eine kurze Mitteilung zu machen, lange will ich dich gar nicht aufhalten.“ Shinobu-san schenkte Hyde eines seiner gefühlskalten Lächeln bei dem die Augen stumpf blieben. Der Onkel berichtete, dass es dem japanischen Geheimdienst gelungen sei, einen ihrer Mitarbeiter zu schnappen und in Gewahrsam zu nehmen. Dem Sänger stockte der Atem, mit solch einer Nachricht hatte er nicht gerechnet.

„Natürlich habe ich sofort Anweisung gegeben, das Lager zu dem die Lieferungen gebracht werden sollten, zu räumen. Doch wir müssen uns auch auf weitere Konsequenzen einstellen.“ Seine Stimme klang so ruhig und ohne Gefühl, dass man hätte annehmen können, es interessierte ihn eigentlich nicht richtig. Hyde aber wusste es besser. Das war bisher das einzige Mal, dass es dem Geheimdienst gelungen war, jemanden von ihnen zu fassen, jedenfalls so lange er sich zurückerinnern konnte. Ihm stockte das Herz, weshalb erzählte sein Onkel ausgerechnet ihm diese Neuigkeit? Wo er doch mit den Geschehnissen beim Waffenlager gar nicht direkt betroffen war.

Um ihn einzuschüchtern, war die einfache Antwort. Ja, so musste es sein. Shinobu-san wollte ihm nur vor Augen führen wie weitreichend auch seine eigenen Fehler sein konnten, was nach der Rüge letztens auch kein Wunder war.

„In nächster Zeit ist von allen absolute Vorsicht verlangt“, sagte Shinobu-san und musterte seinen Neffen aus schwarzen Augen heraus. „Ich werde mich daran halten Onkel und dir keinen weitern Grund zur Sorge geben“, versprach der Jüngere und wurde nach diesen Worten entlassen.

Auf dem Weg zum Wagen dachte Hyde nach. Wohin brachte der geschnappte Schmuggler noch mal die Waffen, die ihm anvertraut waren? Als ihm die Antwort einfiel, schlug er sich mit der Hand heftig gegen die Stirn, denn ihn traf eine schreckliche Erkenntnis. Er war ja so blind gewesen! Das Lager war im Gebirge und wohin hatte Gackt gesagt, musste er? In die Berge! Der rote Faden, bisher immer undeutlich gewesen, verflocht sich zu einem dicken Band, so dass selbst Hyde es nicht mehr ignorieren konnte. Gackt und der japanische Geheimdienst!

„So eine verdammte Scheiße!“, entfuhr es dem Schwarzhaarigen unwillkürlich. In einem Sekundenbruchteil traf er eine Entscheidung, mit der er sein eben gegebenes Versprechen mit Sicherheit brechen würde, doch wie schon gesagt, er würde seine Seele verkaufen, um Gackts Leben zu retten. Hyde war der festen Überzeugung, dass, sollte er jetzt nichts unternehmen, sein Albtraum Wirklichkeit wurde.
 

Luft sirrte in Windeseile an Gackts Gesicht vorbei, sein Blick nach unten war verschleiert und trotzdem konnte er wahrnehmen, in welch rasendem Tempo der Boden immer näher kam. Endlich zog er an einer Kordel und sein Fallschirm öffnete sich. Der Sturz wurde durch den zusätzlichen Widerstand abgefedert und der Sänger erblickte nun auch die vier anderen Gestalten, die ebenfalls gerade ihre Fallschirme öffneten.

Zeit sich nach einem geeigneten Landeplatz umzusehen. Unter ihm befand sich ein gewaltiges Felsmassiv mit steil abfallenden Hängen. Kein guter Platz zur Landung, dachte Gackt, da würde er sich nur sein Hinterteil aufscheuern, von seinen Klamotten ganz zu schweigen. Eine Ebene kam in sein Blickfeld, einer kleinen Landebahn nicht unähnlich. Grinsend lenkte der Braunhaarige sein Fluggerät in die gewünschte Richtung. So ein lenkbarer Fallschirm hatte schon gewisse Vorteile.

Immer näher rückte der Boden und ein paar Sekunden später beendeten seine Füße den freien Fall indem sie zugegebener Maßen recht heftig mit der Erde in Kontakt traten. Ein kurzes Stück lief Gackt auf der praktischen Landebahn und befreite sich schließlich von seinem Fallschirm.

Nachdem das geschafft war, drehte er sich auf der Suche nach seinen Kollegen um und stellte fest, dass auch sie den gleichen Ort für die Landung ausgesucht hatten. Zu fünft besahen sie sich noch einmal die Landkarte, versteckten die Fallschirme, um keine unnötigen Spuren zu hinterlassen und brachen dann zum Bergwerk auf.

Nach der Beschreibung des Schmugglers befand sich der Eingang von ihnen aus gesehen an der gegenüberliegenden Seite des Berghangs. Alle hofften, dass seine Aussagen auch tatsächlich der Wirklichkeit entsprachen, doch nachdem einige angespannte Minuten vergangen waren, wurden sie nicht enttäuscht. Vor ihnen befand sich ein kleines Haus, das wegen seiner abgeblätterten grauen Farbe fast mit dem Untergrund verschmolz.

Noch konnten die Agenten nicht ausmachen, wie gut es mit der Bewachung stand und näherten sich entsprechend vorsichtig. Aber jede Vorsicht konnte nicht verhindern, dass sie auf Gegenwehr stießen und diese auch nicht besonders zimperlich war, was den Waffengebrauch anging.

„Runter!“, brüllte Yoshimura und blitzschnell wurde jede vorhandene Deckung ausgenutzt. Auch wenn es nicht ihre Absicht war Tote zu hinterlassen, das Bedürfnis jetzt ins Gras zu beißen, haftete keinem des Fünferteams an. Entsprecht zogen auch sie ihre Pistolen, als die ersten Kugeln durch die Luft flogen.

Schneller als erwartet gelang es ihnen die Überhand zu gewinnen, ohne selber Schaden davon zu tragen. In das Haus zurückgedrängt, sahen sich die drei Bewacher bald in einer Zwangslage stecken und gaben schließlich auf. Erleichtert atmete Gackt auf, während er die drei Männer mit vorgehaltener Pistole in die Knie zwang und sich die anderen daran machten, diese fachgerecht zu verschnüren. Zwei hatten jeweils eine Kugel abbekommen und waren deshalb erst mal ruhig gestellt, trotzdem blieb einer der Agenten zur Sicherheit bei ihnen.

„Dann wollen wir mal“, murmelte der Sänger und besah sich den Einstiegsschacht. „Sieht ja nicht gerade einladend aus“, meinte er. Yoshimura trat hinzu und warf ebenfalls einen Blick in das tunnelartige Loch. „Du sollst auch nicht da unten einziehen“, bemerkte er und erntete daraufhin ein Grinsen des Braunhaarigen.

Nur noch zu viert kletterten die Agenten unter Zuhilfenahme der vorhandenen Leitersprossen hinunter. Je weiter sie vordrangen, desto dunkler und kälter wurde es. Auf dem Grund des Schachtes angekommen, war Gackt irgendwie froh über die dicke Kleidung, die er trug. Auch der Helm würde sicherlich noch einen Sinn haben, er war aber trotzdem nicht besonders angetan von diesem Ausrüstungsgegenstand, zerstörte er doch seine Frisur vollkommen. Aber sich darüber zu ärgern, brachte nichts, es gab Wichtigeres zu tun.

Schweigend gingen die Japaner den engen Stollen entlang und trafen nach wenigen Metern auf eine Gabelung. Zeit sich zu trennen. Bei der kurzen Besprechung in Nikko hatten sie entschieden, dass sich Gackt und Yoshimura hauptsächlich auf die Suche nach einem der verantwortlichen Schmuggler machen sollten, um den Drahtziehern auf die Spur zu kommen. Sie gingen davon aus, dass das Lager geräumt wurde, und dass dieses Mal nicht nur mehr oder weniger unbedeutende Mitglieder daran beteiligt waren, sondern auch welche, die etwas zu sagen hatten, vor allen Dingen natürlich ihnen. Die starke Bewachung hatte dazu beigetragen diesen Verdacht zu bestärken. Die verbleibenden beiden Agenten sollten sich dann ausschließlich um das Auffinden der Waffen kümmern. Über Funk würden sie weiter in Verbindung bleiben und sich gegenseitig auf dem Laufenden halten.

So sah zumindest der Plan aus, ob das auch in der Praxis durchführbar war, musste sich noch herausstellen. Gackt würde sich einfach überraschen lassen und das Schicksal hielt auch mehr als nur eine Überraschung für ihn bereit, wie er bald feststellen sollte.

Mit einem kurzen Winken verabschiedete sich der Sänger und wählte mit Yoshimura einfach auf gut Glück den rechten Gang. Der Strahl der Taschenlampen warf nur einen kleinen zentrierten Lichtkegel auf den Boden, damit sie nicht schon von Weitem gesehen werden konnten. Doch noch immer lag der Stollen wie ausgestorben vor ihnen und schien kein Ende nehmen zu wollen. Nur die Einbuchtungen, die sich in bestimmten Abständen in den Wänden befanden, brachten etwas Abwechslung in die Sache.

„Wenn das so weitergeht, irren wir morgen immer noch hier rum“, nörgelte der Sänger vor sich hin. Er wollte endlich auf jemanden treffen und seine Informationen haben. Sie waren doch nicht etwa auf einen Gang gestoßen, der einfach kilometerweit in den Berg hineinführte, ohne sich dabei zu gabeln und vor allen Dingen ohne zu den Schmugglern zu führen?

Gerade war Gackt dabei seine getroffene Wahl bezüglich der genommenen Richtung zu bereuen, doch noch bevor Yoshimura etwas auf seine Nörgelei erwidern konnte, trafen die beiden auf die rettende Kreuzung. Diese stelle sie aber sogleich vor die nächste Frage.

„Vielleicht wär´s besser, wenn wir uns auch trennen“, überlegte der Brillenträger leise. „Einzeln haben wir wahrscheinlich doch mehr Erfolg.“ Dem konnte Gackt nur zustimmen und sollte Yoshimura zuerst auf einen der Gesuchten stoßen, konnte er ihm immer noch Bescheid geben. „Guter Vorschlag, Yoshi-chan“, bestätigte er und übersah großzügig das Augenrollen hinter den Brillengläsern. „Ich lass dich auch wählen“, fügte Gackt noch hinzu.

Wieder trennte sich Gackt von einem Kollegen und ging nun alleine weiter. Bei jeden Schritt schien seine innere Anspannung zu wachsen, doch wurde sie nicht so hart auf die Probe gestellt, wie vor wenigen Minuten, denn schon eine Kurve später, konnte er Geräusche vernehmen. Kerzengerade blieb der Sänger stehen und lauschte wie Schritte immer näher auf ihn zu kamen. Die Pistole im Anschlag drückte er sich an der Wand den Schritten entgegen. Ob die nächste Kurve, die den Ankömmling vor seinen Blicken schütze, nun hilfreich oder nicht war, wusste er nicht zu sagen. Denn als dieser um die Ecke bog, wusste Gackt eigentlich gar nichts mehr.

Es gab Momente im Leben, in denen einem das Herz stehen blieb und andere in denen sich der Verstand verabschiedete. Warum musste bei ihm nur immer beides auf einmal passieren? Auch seinem Gegenüber stand der Schock ins Gesicht geschrieben, der kleine Schwarzhaarige hatte aber wesentlich schneller wieder Zugriff auf seine graue Zellen, als Gackt.

Wie sehr diese Situation der in Shanghai glich, als Gackt seinen Engel vor dem abbruchreifen Gebäude gesehen hatte, fiel ihm erst viel später auf. Jetzt konnte er nur auf eben diesen Engel starren, der mit Grubenhelm bekleidet einen Eindruck hinterließ, den der Braunhaarige sein Leben lang wohl nicht mehr vergessen würde.

Hydes graue Zellen flüsterten ihm eindringlich zu, an seinem Plan festzuhalten, egal was auch passieren würde. „Hi, Ga-chan“, begrüßte er ihn deshalb und schaffte es sogar ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, eine Aktion die ihn selber verwunderte, doch seine Verwunderung war ein reines Nichts im Gegensatz zu Gackts. „Lange nicht gesehen“, setzte er noch hinzu, ganz so als wäre nichts gewesen. Vielleicht waren es diese Worte, die bei Gackts Zunge eine Kurzschlussreaktion auslösten und ihn herumstottern ließen, bevor er wieder klar denken konnte. „Haido… wieso… du… hier…? Ich…“, er brach ab, es brachte ja doch nichts.

Noch nie hatte der Schwarzhaarige seinen Freund derartig aufgelöst gesehen und er hatte es auch nie gewollt. Immer war Gackt der selbstsichere von beiden gewesen, der wusste was er wollte und sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Nur wenn Hyde wieder einmal weggerannt war, war auch Gackt am Boden zerstört, doch vergleichbar mit dem, was er ihm jetzt antat, war es nicht. Du musst es tun, dass weißt du, rief sich Hyde selber zur Ordnung und ging langsam auf den völlig überrumpelten Mann vor ihm zu.

Die blauen Augen mit verstörtem Blick auf sich gerichtet, kam der Kleinere immer näher. „Ich werde dir alles erklären, Ga-chan, das verspreche ich dir. Aber ich kann nicht zulassen, dass dir etwas zustößt“, flüsterte er leise, mit dem wohl vergeblichen Versuch seine Stimme in normalen Tonhöhen erklingen zu lassen. So oft hatte er diese zwei Sätze unterwegs regelrecht eingeübt, doch in diesem Moment war ihm, als müsste er sie sich von Neuem ausdenken.

Bei der Berührung von Hydes sanften Fingern zuckte Gackt zusammen und hätte über sich selber lachen können, wenn es nicht das Letzte wäre, wonach ihm zumute war. Noch einmal versuchte er es mit einem „Wieso?“, bekam aber nur ein Kopfschütteln zur Antwort. Ein einziges Wort noch und ich breche in Tränen aus, dachte der Ältere und spürte sogleich wie seine Augen feucht wurden, aber dieses Mal ließ er sie nicht fließen, hielt sie mit all seiner Willenskraft zurück. Tränen konnten eine Erlösung sein, sie konnten aber auch alles zerstören, nämlich seinen Plan.

Mit beiden Händen zog Hyde das Gesicht seines Geliebten zu sich nach unten und verschloss seine Lippen mit einem Kuss. War Gackt bis eben geschockt gewesen, so fehlte für eine Beschreibung seines jetzigen Zustands einfach jegliches Vokabular. Ohne zu denken, denn diese Fähigkeit befand sich nicht mehr in seinem Besitz, schloss der Größere die Augen und erwiderte voller Verlangen Hydes Kuss. Zärtlich fuhren die Finger des Schwarzhaarigen unter Gackts Oberteil, strichen seinen Rücken entlang und ließen diesen bei der unerwarteten Berührung leicht aufkeuchen.

Der Verstand machte sich auch langsam bei Hyde rar, gewaltsam musste er sich zusammenreißen, um nicht hier und jetzt seinen Gefühlen nachzugeben. So schwer es auch war, er durfte es nicht. Und für diese vertrackte Situation war er doch selber verantwortlich gewesen, also musste er sie auch zu Ende führen.

Wieder schickte er seine Finger auf Wanderschaft und versuchte sich nicht von Gackts Armen, die sich fest um ihn geschlungen hatten, ablenken zu lassen. Er fand die Stelle, nach der er gesucht hatte und bat Gackt stumm um Verzeihung, während er ihren Kuss weiter vertiefte. Jetzt oder nie, schrie die Stimme in seinem Kopf und der kleine Sänger drückte mit aller ihm möglichen Kraft zu.

Als Gackt seine Augen vor Schmerz und Schock aufriss und Hyde, der seine Augen ebenfalls geöffnet hatte, in die blauen Bergseen blickte, zerbarst sein Herz in tausend Stücke. Bewusstlos sank der Braunhaarige an Hydes Brust und dieser konnte seine Tränen nicht mehr aufhalten.
 

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Arrg, was hab ich denn da wieder angestellt? *schnell wegrenn und sich versteck*

Wenn ihr mich jetzt umbringen wollt, kann ich es euch nicht verübeln!

Wie konnte ich Haido auch nur so etwas tun lassen? An dieser Stelle kann ich mich wieder nur mit den Worten verteidigen, dass es einfach sein musste.
 

Winke, winke!

Eure (auf ein gnädiges Ende hoffende) himachan

Destruction

Danke ihr Lieben, dass ihr mich am Leben gelassen habt *aufatmen tu*, bei diesem fiesen Ende hatte ich schon mit den schlimmsten Morddrohungen gerechnet *grins*

Und als etwas verspätetes Dankeschön kommt jetzt endlich das nächste Kapitel, nach dem ihr eure Meinung wegen Morddrohungen an mich hoffentlich nicht ändern werdet XD

Viel Spaß!
 

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11. Kapitel

Destruction
 

Verzweifelt blinzelte Hyde seine Tränen weg und starrte auf den ohnmächtigen Gackt, der in seinen Armen hing und dessen Gewicht ihn langsam aber sicher auf den Stollenboden zog. Jetzt hieß es schnell handeln, er hatte sich eben schon viel zu viel Zeit gelassen. Jederzeit konnte einer von den Männern seines Onkels auftauchen und dass der Braunhaarige so ganz alleine hier herumschlich, war auch mehr als unwahrscheinlich. Vor allen Dingen hatte Hyde den Verdacht, dass sein Onkel noch die ein oder andere Überraschung für den Geheimdienst bereit hielt. Seit seiner frühen Kindheit an, kannte er Shinobu-san und wusste, wie dieser gegen seine Widersacher vorging und dass er ihnen selten die Chance gab, mit dem Leben davon zu kommen.

Er hatte also handeln müssen, redete er sich immer wieder ein, trotzdem ließen sich die Schuldgefühle nicht verdrängen, besonders nicht beim Anblick des schlaffen Körpers in seinen Armen. Vorsichtig schlag Hyde die Arme um den Oberkörper des Bewusstlosen und schleifte ihn den dunklen Gang entlang. Zum Tragen war ihm der Jüngere eindeutig zu groß und zu schwer.

Das Licht der Grubenlampe, die an Hydes Helm befestigt war, fiel schon nach wenigen Metern in eine Wandnische. Schnell zog er seine Last hinein und legte Gackt behutsam hinter einen Felsen auf den Boden. Ein paar Mal versicherte er sich, dass niemand die schlafende Gestalt entdecken konnte, jedenfalls solange sich keiner die Mühe machte genauer nachzusehen.

Nach einem letzten Blick zurück verließ der Schwarzhaarige seinen Geliebten. Vielleicht hatte er mit dieser Tat ihre Beziehung für immer ruiniert und vielleicht würde Gackt ihm niemals vergeben können. Doch inständig hoffte der Kleinere, dass er wenigstens dazu beitragen konnte das Leben des anderen zu retten. Dann würde er alles Weitere akzeptieren, auch wenn sich sein geliebter Sänger von nun an von ihm fern halten würde, was sowieso besser für ihn und die Erhaltung seiner Gesundheit war. So unendlich schwer es Hyde auch fallen würde.

Leise schlich der Sänger zurück durch den verlassenen Stollen in Richtung der versteckten Waffenlagerstätte. Wenn er mit seiner Vermutung recht hatte, flog hier in absehbarer Zeit alles in die Luft. Durch eine Sprengung, geschickt als Unfall oder Naturkatastrophe getarnt, verabschiedete sich Shinobu-san gewöhnlich von nicht mehr gebrauchten oder zu gefährlich gewordenen Lagerstätten. Und die im Bergwerk befindliche ließ sich ohne Frage in letztere Kategorie einordnen.
 

„Gackt! Melde dich bitte!“, dröhnte eine aufgeregte und langsam sehr nervös werdende Stimme aus dem Funkgerät, das am Gürtel des Sängers befestigt war. Dieser lag noch immer unbeweglich und vor allen Dingen ohne Bewusstsein am Boden.

Die zwei Agenten warfen sich immer wieder besorgte Blicke zu. Gackt musste etwas zugestoßen sein, das war die einzige sinnvolle Erklärung, weshalb er jetzt schon seit vier Minuten nicht auf ihr Rufen reagierte. Nachdem die beiden es bei Yoshimuras Funkgerät versucht hatten und dieser ihnen mitteilte, dass er sich von Gackt getrennt hatte, bekamen sie es zusehends mit der Angst zu tun. Dabei wollten sie dem Braunhaarigen doch eigentlich eine gute Nachricht übermitteln.

Endlich schien sich wieder Leben im Sänger zu rühren, mit dröhnenden Kopfschmerzen erwachte er aus seinem unfreiwilligen Schlaf. Das rauschende Funkgerät war daran sicherlich nicht ganz unschuldig. Gackt blinzelte die Schwärze vor seinen Augen so gut es ging davon und versuchte sich an das zu erinnern, was passiert war. Sein Verstand wehrte sich aber mit aller Kraft dagegen, er wollte es einfach nicht wahr haben. Hyde hatte ihn geküsst und im nächsten Moment konnte er nur noch einen fürchterlichen Schmerz wahrnehmen, bevor es um ihn herum dunkel wurde.

Er verstand die Welt nicht mehr. Wieso hatte Hyde das getan? Weshalb nur?

Schließlich erbarmte er sich und griff nach dem Elektroteil, als Ablenkung, um den Fragen in seinem schmerzenden Schädel zu entkommen. Gackt brachte ein gequältes „Hai“ zustande. „Bist du das, Gackt?“, fragte sein erschöpfter Kollege aufatmend. „Was ist denn nur bei dir passiert? Wir wären vor Sorge fast gestorben!“ Jemandem zu erklären was vorgefallen war, wo er es ja selber nicht verstand, danach stand dem Solisten ganz und gar nicht der Sinn.

„Keine Angst, mir geht´s bestens. Ich war gerade nur etwas verhindert.“ Na ja, zumindest der zweite Satz entsprach der Wahrheit. „Wie auch immer“, ertönte es aus dem Lautsprecher, „Wir haben auf jeden Fall die Waffenkammer gefunden und konnten auch die beiden Männer überwältigen, die hier Wache standen. Aber das Beste kommt noch. Anscheinend wollten sie das komplette Bergwerk einstürzen lassen, doch da haben wir ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Sprengladungen sind nun alle entschärft.“

„Sehr gut“, lobte Gackt die beiden, auch wenn er nur halbherzig zugehört hatte. Sonst hätte er vielleicht nachgefragt, ob sie denn sicher waren, dass damit wirklich alle Sprengsätze im gesamten Stollensystem beseitigt waren. „Also bis später dann“, sagte er nur und unterbrach die Verbindung.

Mühsam rappelte er sich auf, hob die neben ihm liegende Taschenlampe hoch und stellte erst jetzt fest, dass es eigentlich stockdunkel sein müsste. Seine Lampe war natürlich ausgeschalte, doch trotzdem konnte er immer noch etwas sehen. Ein ferner Lichtschein sorgte auch hier für ein wenig Helligkeit. Mit schwankenden Schritten verließ er sein Versteck und folgte dem Lichtschein, auf der Suche nach Antworten und vor allen Dingen nach Hyde.
 

Ein kleiner Schatten schlich zurück zu der heute mit Aufmerksamkeit überschütteten Wandnische und verpasste Gackt nur um wenige Minuten. Hyde hatte nicht lange gebraucht, um zu der versteckten Waffenkammer zu kommen, auch wenn schon eine geraume Zeit seit seinem letzten Besuch vergangen war. Als er ankam, war er nicht sicher, ob er sich freuen oder ärgern sollte, denn die Kollegen von Gackt waren schon vor ihm eingetroffen. Ungesehen beobachtete der Sänger, wie sie die aufgespürten Sprengladungen bearbeiteten und unschädlich machten. Letztendlich entschied er sich doch dazu ihnen lieber dankbar zu sein, schließlich war ihm dadurch Arbeit erspart geblieben. Und zwar eine Arbeit, um die er sich nicht gerade riss. Einer der Schwachpunkte in seinem Plan war die nötige Bombenentschärfung gewesen. Besonders viel Ahnung hatte Hyde von sollen Sachen nicht gerade, also konnte er wirklich froh sein, sein Glück nicht hier aufs Spiel setzen zu müssen.

Zurück bei der Wandnische, um den Jüngeren nun vollständig hier raus und in Sicherheit zu schaffen, stach ihm aber gleich der zweite Schwachpunkt seines Plans ins Auge. Gähnende Leere tat sich an der Stelle auf, wo kurz zuvor noch Gackt gelegen hatte. Einen unterdrückten Fluch später, hatte sich der Schwarzhaarige vergewissert, dass ihm seine Augen auch keinen Streich spielten, sondern Gackt tatsächlich verschwunden war.

Na klasse, wurde er selber bewusstlos, konnten manchmal Stunden vergehen, bis er wieder aufwachte, Gackt hingegen schien schon nach wenigen Minuten wieder topfit zu sein. Vielleicht hätte er noch kräftiger zudrücken sollen, überlegte Hyde, bevor sich ein anderer Gedanke in sein Gehirn schlich und seinen Magen zu einem schmerzvollen Zusammenziehen veranlasste. Was war, wenn der Braunhaarige doch nicht von alleine aufgewacht war, sondern hier gefunden wurde, von den Männern seines Onkels?

„Scheiße“, murmelte Hyde nun doch und machte sich zum zweiten Mal auf die Suche nach seinem Geliebten, krampfhaft darauf bedacht seine Gewissensbisse zu ignorieren.
 

Um Gackt herum wurde es allmählich immer heller und nach etwa zehn weiteren Metern endete sein Stollen in einen wesentlich breiteren und mit Deckenlampen ausgebauten Gang. Rechts oder links, stellte er sich die altbekannte Frage, kam aber nicht dazu eine Entscheidung zu fällen. Denn wieder hörte er Schritte und verschwand schnell tiefer in dem schützenden Schatten. Angespannt wartete er und nur ein paar Sekunden später, tauchte ein rennender Mann in seinem Blickfeld auf. Gackt erkannte ihn sofort und sein Herzschlag beruhigte sich wieder etwas.

„Yoshimura!“, rief der Sänger und trat in den Gang hinein. Der Angesprochene wurde langsamer, blieb aber nicht stehen. „Gut, dass du da bist, Gackt. Ich hatte schon Angst, dass sie dich erwischt haben!“, sagte Yoshimura leicht außer Atem. Zum Mitlaufen gezwungen, setzte sich auch der Sänger in Bewegung und schloss zu seinem Kollegen auf, seine schmerzenden Glieder waren dabei nicht gerade hilfreich.

„Was…“, begann Yoshimura seine Frage, wurde aber sogleich unterbrochen. „Frag lieber nicht nach, ich erzähl es dir später.“ Vielleicht, setzte Gackt noch in Gedanken dazu. „Sag mir lieber, weshalb du dich hier als Marathonläufer betätigst“, grinste er ihn an, in der Hoffnung damit seine Fragen abwürgen zu können. Auch wenn der Brillenträger nicht auf dieses Ablenkungsmanöver hereinfiel, was bei der Gesichtsfarbe des Sängers, die von weiß bis grünlich unterschiedlichste Farbvariationen annahm, einfach unmöglich war, ließ er seine Neugier außen vor und erzählte stattdessen von seinen eigenen Erlebnissen in der letzten halben Stunde.

„Du hast also einen Typen gefunden, der hier etwas zusagen hat?“, fasste Gackt noch einmal zusammen. „Richtig und falls du mir zugehört hast, wüsstest du auch, dass ich mitbekommen habe, wie er Befehle vergeben hat und ihm unbemerkt einen Peilsender unterschieben konnte.“ Yoshimura wunderte sich über die Unaufmerksamkeit des Braunhaarigen, sonst war er immer, zumindest wenn es um die Arbeit ging, die Perfektion in Person. Was mochte nur passiert sein?

„Ich konnte ihn nicht gleich auf der Stelle überwältigen, denn schließlich waren da noch genug Kerle, die mich sicherlich gleich erledigt hätte“, erzählte Yoshimura weiter. „Also wollte ich warten, bis der Typ alleine ist und ihn mir dann vorknüpfen, leider hatte er aber nicht die Absicht an Ort und Stelle zu bleiben und wenn wir uns nicht beeilen entwischt er uns noch.“ Mit dem Finger tippte der Agent auf den kleinen Bildschirm, der zum Empfangsgerät des Peilsenders gehörte und auf dem sich ein einzelner Punkt im unterirdischen Stollensystem bewegte.

„Gut“, sagte Gackt mit grimmigem Gesichtsausdruck. Zu sehr viel mehr war er einfach nicht fähig. Dieser Typ, schwor er sich, würde ihm jetzt endlich seine Fragen beantworten, er würde ihn nicht entkommen lassen. „Beeilen wir uns!“, rief er Yoshimura über die Schulter zu und rannte einen Zacken schneller. Die Schmerzen waren vergessen.

Es dauerte nicht lange, bis der kleine schwarze Punkt stehen blieb und ihre Verfolgungsjagd ein Ende fand. Gackt konnte nur vermuten, dass sie sich jetzt wieder in der Nähe des Einstieges befanden, viel zu kompliziert war das ganze System, um es komplett im Kopf zu behalten. Fast musste Yoshimura den Sänger gewaltsam zurückreißen, damit dieser nicht gleich mit gezogener Pistole in den Stollen rannte und Gefahr lief, selber unters Messer zu geraten. „Wirst du geschnappt, ist uns damit auch nicht geholfen und die Informationen können wir uns dann auch schenken“, wies er Gackt zurecht. Leicht verwundert blickte dieser seinen langjährigen Kollegen an, einen solchen Ton war er von ihm überhaupt nicht gewohnt. Allerdings rannte Gackt normalerweise auch nicht einfach kopflos in irgendwelche Stollen rein, vielleicht aber auch nur deshalb, weil sie sonst nicht von allzu vielen umgeben waren.

„Gomen“, murmelte er leise und verfluchte seine eigene Unachtsamkeit. Wollte er etwas erreichten, durfte er sich keinen Fehler erlauben.

Die beiden Agenten versuchten also erst einmal festzustellen, ob ihre Zielperson auch wirklich alleine war. Doch in dem schwach beleuchteten Raum befand sich anscheinend wirklich nur eine Person, nämlich ein großer breitgebauter Mann, der über einige Kisten gebeugt am Boden hockte. Sollten sich noch weitere Männer hier befinden, mussten sie sich schon in die schmalen Holzkisten gequetscht haben.

Nach einem letzten kurzen Blickkontakt betraten die Geheimagenten übereinstimmend den Stollen. Als der Mann am Boden seinen Kopf in ihre Richtung drehte, war es bereits zu spät, zumindest für ihn. Kalter Stahl berührte seinen ungeschützten Hals und für einen Sekundenbruchteil stand ihm die Angst in den harten Zügen geschrieben. Doch fast sofort hatte er sich wieder unter Kontrolle. „So leicht kriegt ihr mich nicht“, murmelte der Mann und ignorierte die Pistole, die Gackt nicht gerade sanft an seine Kehle drückte. „Wirklich?“, fragte der Braunhaarige mit kalter Stimme, die völlig anders klang als sonst. Eine unbestimmte Wut tobte in seinem Inneren und ließ ihn alle Rücksicht vergessen. Er wollte nur eins, die Antwort.

„Wenn du versuchst deine Männer zu rufen, bist du auf der Stelle tot.“ Gewaltsam drückte Gackt den Gefangenen zu Boden, während Yoshimura neben ihm stand und still das Geschehen beobachtete. Gackt in dieser Stimmung zu unterbrechen, konnte auf keinen Fall gut gehen, da begnügte er sich lieber ein Auge auf den Eingang zu werfen, sollte doch noch einer von den Verbrechern auftauchen, war es besser vorgewarnt zu sein. Trotz seiner Wachsamkeit entging ihm der Schatten, welcher sich nicht weit entfernt an die Wand drückte und auf jedes Wort lauschte, das im Raum gewechselt wurde.

„Für wen arbeitest du?“, verlangte der Sänger zu wissen und verlieh seiner Frage Nachdruck, indem er den Mann am Boden an die Kisten hinter ihm drängte. Dieser bedachte Gackt nur mit einem abfälligen Lachen. „Frag mich so oft du willst, eine Antwort bekommt du eh nicht. Wir haben schon auf euch vom Geheimdienst gewartet, nur so schnell hatten wir nicht mit eurem Auftauchen gerechnet. Pech für uns“, er versuchte mit den Schultern zu zucken, wurde aber vom Braunhaarigen daran gehindert. „Ich finde schon eine Möglichkeit, wie ich dich zum Reden bringen kann“, erwiderte Gackt und blickte ihn aus kalten Augen an.

Eigentlich hatte er vorgehabt den Gefangenen noch ein bisschen länger im Ungewissen über sein weiteres Schicksal zu lassen, schließlich erwies sich dieser als recht geeignet, um seine Wut etwas abzukühlen, doch Yoshimura machte dem Sänger einen Strich durch die Rechnung. „Gackt, hör schon auf! Wir haben sowieso schon zu viel Zeit vertrödelt, lass uns das Mittel jetzt ausprobieren,“ meldete er sich zu Wort und kramte ohne eine Antwort abzuwarten in seiner Tasche herum.

Beim Anblick der kleinen Ampulle, gefüllt mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, wurde dem Mann am Boden doch sichtlich anders. Mit Genugtuung nahm Gackt zur Kenntnis, wie sich auf dessen Stirn eindeutig Angstschweiß bildete. Da machte es ihm auch nichts aus, seinen Griff ein wenig zu lockern.

„Ich bin ja mal gespannt, wie das Zeugs wirkt“, sagte er und beobachtete Yoshimura, der einen Arm ihres Opfers freilegte und die feine Nadel in der Armbeuge platzierte. „Den Versuchen im Labor nach soll die Wirkung ziemlich durchschlagend sein. Also dann, los geht’s“, der Brillenträger ignorierte das heftige Zusammenzucken des Arms und spritzte das Wahrheitsserum in die Venen des Verbrechers.

Zuerst passierte nichts, nur das Keuchen des Gefangenen zerbrach die Stille. Gespannt blickten die Geheimagenten auf ihn herunter, Gackts Pistole war noch immer auf seinen Hals gerichtet. Allmählich ebbte das Keuchen ab.

„Hat es funktioniert?“, überlegte der Sänger laut, bis jetzt machte ihr Opfer noch keine Anstalten von alleine mit Reden anzufangen und die Wahrheit preis zu geben. „Wie ist dein Name?“, fragte Gackt kurzentschlossen und rüttelte etwas heftiger als zuvor am malträtierten Gefangenen. Hatte das Serum tatsächlich gewirkt? Fast hielt er es vor Anspannung nicht mehr aus.

„Hagi Akira“, vernahmen die Anwesenden eine geflüsterte Antwort. Gackt atmete erleichtert auf, auch wenn er es nicht beweisen konnte, war er trotzdem davon überzeugt, dass der Mann nun nicht mehr lügen würde. Nein, jetzt würde er endlich die Antwort erhalten, nach der es ihn so schmerzlich verlangte. Doch mit einem Mal schlich sich Angst in seine Gedanken. Wollte Gackt seine Vermutung eigentlich bestätigt sehen? Wollte er es wirklich wissen? Aber nun gab es kein Zurück mehr, entweder jetzt oder nie.

Hatte Gackt Angst, so war das ein reines Nichts im Vergleich mit der Furcht, die den Schatten nur weinige Meter von ihnen entfernt in Besitz nahm. Mit laut klopfendem Herzen hatte er die drei Personen im Inneren des Stollens belauscht und sein Pulsschlag hatte sich in den letzten Minuten mindestens verfünffacht. Er wusste was jetzt kommen würde, auch wenn er nicht sehen konnte was passiert war. Renn weg, schrie hartnäckig die Stimme in seinem Kopf, doch es war zu spät. Sowieso war es schon zu spät gewesen, von Anfang an hatte es so kommen müssen. Das Schicksal ließ sich nicht besiegen, so sehr man auch daran glaubte. „Ich wünschte es wäre anders gekommen, Ga-chan“, murmelte er leise, kurz bevor die Worte ausgesprochen wurden, die ihr Schicksal endgültig besiegelten.

„Für wenn arbeitest du?“, wiederholte Gackt seine Frage mit klarer Stimme und ignorierte den tosenden Orkan in seinem Inneren. Es dauerte nicht lange bis zum zweiten Mal die emotionslose Stimme von Hagi ertönte: „Takarai Shinobu, das Oberhaupt des Takarai-Clans.“

Ob Hagi, der mit dieser Äußerung unfreiwillig zum Verräter geworden war, noch weiteres Wissen loswerden wollte, vermochte später niemand mehr zu sagen. Denn mit seiner, zugegebener Maßen wie eine Bombe einschlagenden Reaktion schaffte es Hyde im Handumdrehen die gesamte Aufmerksamkeit auf seine Person zu lenken. Den spitzen Schrei zu überhören, war auch noch ein paar Kilometer weiter weg unmöglich, genauso unmöglich, wie es für Gackt war, nicht sofort auf den Auslöser des Geschreis zu kommen. War dem Braunhaarigen bei den Worten des Gefangenen das Herz stehen geblieben, so sollte sich jetzt besser niemand daran machen und seine Herzfrequenz einer Untersuchung unterziehen, wollte er nicht einen Totalausfall der Geräte erreichten.

Hyde brauchte einen Moment um zu begreifen, was er eben getan hatte. Dann allerdings wollte er nichts anderes als sich augenblicklich in Luft aufzulösen. Von allen Dingen, die er an diesem Tag schon verbockt hatte, und es waren nicht gerade wenige gewesen, schoss das neuste doch eindeutig den Vogel ab. Er rannte los, ohne auf den Weg zu achten, ohne auf die Schmerzen in seinem Herzen zu achten und vor allen Dingen ohne auf die Stimme hinter ihm zu achten. Gackt weiß es, dieser Gedanke beherrschte sein gesamtes Denkvermögen. Gackt weiß, dass ich auch zu diesen Verbrechern gehöre!

Während Gackt völlig planlos hinter dem Kleineren hersprintete und einen extrem verwirrten Yoshimura samt Gefangenen zurückließ, ging ihm die Bedeutung von Hagis Worten erst so richtig auf. Bis jetzt hatte er es nicht gewagt genauer über seine Vermutung nachzudenken, aus Angst vor den Konsequenzen, doch es war nicht länger nur eine bloße Vermutung. Innerhalb von Sekunden war daraus eine Tatsache geworden. Hydes Name und der Name des Drahtziehers waren ein und derselbe, das ließ nur eine Erklärung zu, sein Geliebter gehörte zu diesen Waffenschmugglern!

„Haido!“, brüllte der Braunhaarige aus Leibeskräften, im Moment war es ihm so was von egal wer seinen Ruf alles zu hören bekam, Hauptsache nur Hyde kriegte ihn auch mit. Der Verfolgte lief noch immer so schnell er konnte vor Gackt davon, fest davon überzeugt ihm nie wieder in die Augen schauen zu können. Konnte Gackt ihn jetzt nicht einfach alleine lassen, dachte Hyde verzweifelt, was sollte er ihm denn jetzt noch sagen? Es würde alles nur noch schlimmer machen, wenn das überhaupt möglich war. Nein, Hyde musste hier weg, so schnell es ging.

Die Richtung, die der Schwarzhaarige eingeschlagen hatte, erwies sich als sehr hilfreich. Flüchtig nahm er es wahr, Zeit sich darüber zu freuen, hatte er nicht, denn Gackt holte viel zu schnell auf. Nur noch wenige Meter trennten die beiden voreinander, als Hyde den für ihn rettenden Schacht erreichte. Glücklicherweise, aus der Sicht des Älteren, hatte ihn seine Erinnerung nicht getrügt und er konnte die verrosteten Metallstufen erkennen, die in die Wand geschlagen nach oben führten. Keuchend erreichte er die Stufen und begann mit ihrer Hilfe nach oben zu klettern.

„Warte, Haido“, rief Gackt zum zigtausendsten Mal, „bleib hier! Ich muss mit dir reden!“ Wieder ließ Hyde die Rufe außer Acht und bahnte sich weiter seinen Weg. „Na gut“, murmelte der Größere, „klettern kann ich auch.“ Damit hatte er nicht ganz unrecht, er schaffte es auch dem Schwarzhaarigen in den engen Schacht zu folgen, stieß aber schon nach wenigen Augenblicken auf ein unüberwindbares Hindernis. Irgendwann in der Vergangenheit musste es hier zu einem Bergrutsch gekommen sein, bei dem der Schacht bis auf ein schmales Loch verschüttet wurde. Und dieses war, ob Zufall oder Schicksal, gerade groß genug für den kleinen, zierlichen Sänger, der sich aber auch nur mit Mühe hindurchzwängen konnte und um Haaresbreite der ausgestreckten Hand von Gackt entging.

Ins Leere gegriffen startete der Braunhaarige einen verzweifelten Versuch sich ebenfalls weiter nach oben vor zu kämpfen, doch ohne mit Gewalt die Felsen beiseite zu schaffen und zu riskieren, dass ihm die Decke wieder mal auf den Schädel krachte, gab es für ihn kein Durchkommen. „Haido!“, schrie er noch lauter als zuvor und ließ die Felsen dadurch gefährlich erzitterten. Weit oben erblickte er einen zaghaften Lichtschein und musste hilflos mit ansehen, wie Hyde diesem immer näher rückte.

Das Bild vor seinen Augen verschwamm, nur noch undeutlich konnte Gackt erkennen, wie der Ältere sich ins Freie kämpfte und mit einem Mal vermeinte er durch den Schleier seiner Tränen einen Engel davonfliegen zu sehen.

Noch lange wäre er in dieser nicht gerade bequemen Position verblieben, den tränenverschleierten Blick nach oben gerichtet, hätte ihn sein Funkgerät nicht aus der Starre gerissen. Eine geschlagene Minute verstrich, bis Gackt auf das Rufen reagierte und wieder auf den Stollenboden kletterte.

„Gackt!“, brüllte ihm Yoshimura entgegen, sobald sein Ohr in Reichweite kam. „Du musst sofort verschwinden, wo auch immer du gerade steckst! Gleich fliegt hier alles in die Luft!“ Schon wieder, dachte der Braunhaarige genervt, glaubte Yoshimura wirklich, er könnte ihm mit einer läppischen Explosion Angst einjagen, nach dem was gerade geschehen war? Heute würde ihm garantiert nichts mehr auch nur irgendetwas anhaben können, da konnten noch so viele Bomben kurz vorm Explodieren stehen.

Um aber trotzdem ein Lebenszeichen von sich zu geben, ließ er sich zu einer Erwiderung herab: „Ich dachte, die Bomben wären alle entschärft worden.“ „Ich auch“, antwortete der Geheimagent, der im Moment anderes zu tun hatte, als sich über Gackts seltsame Laune zu wundern. Er jedenfalls wollte hier lebend rauskommen. „Durch die Entschärfung muss eine weitere Sprengladung ausgelöst worden sein, das hab ich von Hagi erfahren. Nachdem du dich so plötzlich davon gemacht hast, hatte ich ein bisschen Zeit mich mit unserem Gefangenen zu unterhalten.“ Ganz schaffte es Yoshimura nicht seinen Sarkasmus im Zaum zu halten. „Jetzt sieh endlich zu, dass du hier rauskommst! Den anderen hab ich schon Bescheid gegeben!“ Mit diesen Worten beendete er das Gespräch und nahm buchstäblich die Beine in die Hand, den festzusammengeschnürten Hagi vor sich her schiebend.

„Raus kommen würde ich ja gerne, nur hab ich leider keine Ahnung, wo ich mich befinde“, ging es Gackt durch den Kopf. Bei seiner Verfolgungsjagd hatte er keinen einzigen Gedanken daran verschwendet auf den Weg zu achten, solche Gedanken hätten in seinem Kopf eh keinen Platz mehr gefunden. Er rannte den Stollen zurück und wurde so langsam doch nervös, so viel Todessehnsucht steckte nun auch noch nicht in ihm.

Fast war er sich sicher den richtigen Weg gefunden zu haben, als ein so heftiger Knall das Bergwerg erschütterte, dass der Sänger mit voller Wucht an die nächst beste Wand geschleudert wurde. Der Bewusstlosigkeit ein zweites Mal an diesem Tag nahe, rappelte sich Gackt mit wackeligen Beinen wieder auf. Alles um ihn herum schien in wenigen Sekunden auseinander zubrechen, wie bei einem starken Erdbeben schüttelte es den Boden durch. Blindlings stolperte er weiter, während das Dröhnen ihm brutal in den Ohren nachhallte. Felsen krachten aus der Decke und versperrten ihm den Durchgang, zum ersten Mal war Gackt froh über Hydes Entkommen, froh ihn im Tageslicht zu wissen. Mehr kletternd als alles andere erreichte er mit letzter Kraft und zu seinem Erstaunen noch halbwegs lebendig und vollständig, den fast nicht wiederzuerkennenden Eingangsstollen.

Auch hier hatte die Explosion eindeutige Spuren hinterlassen, aber genug Leitersprossen verschont, so dass er die Chance hatte nach oben zu entkommen. Lautes Rufen schallte ihm entgegen, die Kraft zu antworten, war ihm unterwegs irgendwie abhanden gekommen. Er spürte wie die Wand bei jedem Zug nach oben weiter nachgab, Hände streckten sich ihm entgegen, er ergriff sie und ließ sich das letzte Stück helfen.

Zeit zu danken blieb nicht, Yoshimura und die anderen zogen ihn nach draußen, Gackt nahm flüchtig war, dass sowohl die beiden Agenten, der gefesselte Hagi und noch ein paar weitere Männer aus den Stollen entkommen waren. Das Krachen verfolgte sie bis weit nach draußen und als sie endlich wieder unter freiem Himmel standen, ließ sich der Braunhaarige auf den harten Steinboden sinken.

„Alles okay bei dir?“, fragte Yoshimura angespannt, noch immer hatte Gackt kein Wort von sich gegeben. Die Sonne versank in leuchtenden Rottönen hinter den Hügeln, was für eine Ironie, dachte der Sänger. Er nahm den Grubenhelm vom Kopf und fuhr sich durch die abstehenden Haare. „Ohne Helm wäre ich bestimmt tot“, meinte er nur in Yoshimuras Richtung. Mit einem schiefen Grinsen im Gesicht drehte er sich um. „Du brauchst mir nichts zu erklären, vielleicht später“, sagte der Brillenträger, „Lass uns endlich zurückfliegen! Der Hubschrauber ist schon gelandet.“ Und tatsächlich etwas weiter der Abhang hinunter, stand der Helikopter, der in diesem Moment wie das reinste Rettungsboot wirkte. „Danke!“, murmelte Gackt aufseufzend, unendlich froh diesem Ort zu entkommen.

Den Tag würde er wohl nie in seinem Leben vergessen können, dachte der Sänger und ließ sich auf den Sitz fallen, der ihm selten so bequem wie jetzt vorgekommen war.

„Ich werde dir helfen, Haido, was auch immer passiert!“, war sein letzter Gedanke, bevor ihm vor Erschöpfung die Augen zu fielen.
 

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Das war aber mal ein Kappi mit Action *lach*

Ich hoffe doch es hat euch gefallen, ich habe wirklich ewig gebraucht, um mir mit der lieben Mentha-Chan das ganze auszudenken und es dann auch noch zu Papier zu bringen, aber ich hoffe mal, dass es sich gelohnt hat XD
 

Bis zum nächsten Mal

eure himachan

An Angel´s Future?

Es tut mir furchtbar leid, dass ich so lange kein neues Kapi hochladen konnte *mich in einer Ecke verkriech*

Die dumme Schule hat mich so auf Trapp gehalten, da bin ich einfach nicht zum Schreiben gekommen *schnief*

Ich hoffe, ihr bleibt mir trotzdem weiterhin treu und es geht in Zukunft wieder schneller mit dem Hochladen *dafür bete ich*

Viel Spaß beim neuen Kapi!
 

12. Kapitel

An Angle’s Future?
 

Der Koffer stand schon seit einiger Zeit neben dem schwarzhaarigen Sänger, der sich immer noch nicht zum letzten Schritt durchgerungen hatte. Wenn er noch länger zögerte, tauchte womöglich Gackt im Türrahmen auf; etwas, das er nun ganz und gar nicht gebrauchen konnte. Nach einem „klärenden Gespräch“, wie Gackt es wohl nennen würde, verlangte es ihn nicht im Geringsten. Wie sollte er ihm jetzt noch von Angesicht zu Angesicht gegenüber treten können?

Es war für sie beide besser, wenn sich Hyde erst mal nicht mehr blicken ließ. Doch ganz klammheimlich wollte der Ältere sich nun auch wieder nicht aus dem Staub machen, also hatte er sich für die wohlbekannte Abschiedsbriefmethode entschieden. Was bin ich bloß für ein Feigling, ärgerte er sich, nahm aber trotzdem endlich die Feder in die Hand und begann zu schreiben. Leicht würde es nicht werden, ziemlich schwierig war wohl die passendere Bezeichnung, aber wozu war er denn schon Sänger und Textschreiber einer Band, dann bekam er diesen Brief doch wohl auch auf die Reihe. Er tauchte die Feder ins Tintenfass und schrieb die ersten Zeichen.
 

„Alles, was ich dir angetan habe, tut mir so leid. Ich weiß, dass du mir vielleicht nie verzeihen wirst und ich werde nie von dir verlangen, dass tu es tust. Mich allein trifft alle Schuld. So lange habe ich dir immer wieder Lügen erzählt, um der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Jetzt ist es zu spät meine Fehler rückgängig zu machen, denn ich stecke viel zu tief in der Organisation drin und kann mich nicht von ihr befreien ohne Menschen, die mir sehr am Herzen liegen zu schaden und in Gefahr zu bringen. Wie sehr ich dich schon in Gefahr gebracht habe, ist mir gestern klar geworden. Vielleicht war es falsch von mir im Bergwerk aufzutauen, es war aber der einzige Ausweg, den ich noch gesehen habe. Alles, was ich will, ist dein Leben zu retten! Auch wenn es für dich schwer nachzuvollziehen ist, so lange du mit mir zusammen bist, steckst du in Lebensgefahr! Dein Leben bedeutet mir so viel mehr als mein eigenes. Es ist mir egal, was nun mit mir passiert, nur du darfst nicht sterben!

Ich bitte dich Ga-chan, bleib am Leben! Auch wenn es dir jetzt egal sein sollte, ich liebe dich mehr als ich es dir jemals sagen könnte. Niemals werden sich meine Gefühle für dich ändern, was auch immer passiert, ich werde dich immer lieben. Versuch nicht nach mir zu suchen, bitte, versprich mir das Ga-chan!

Vielleicht kannst du es ja jetzt verstehen, weshalb ich so lange versucht habe, meine Gefühle zu ignorieren, weshalb ich dir so lange nicht glauben wollte. Nur um dich nicht mit hineinzuziehen. Ich habe es nicht geschafft, verzeih mir.

Die Zeit, die ich mit dir zusammen verbringen durfte, ist das Wichtigste, was ich besitze. Und was auch immer du jetzt über mich denkst, die Erinnerung daran kann uns niemand nehmen.

Ich liebe dich für immer!

Hyde“
 

Wahrscheinlich würde, er sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, den Brief am liebsten verbrennen wollen und einen neuen Versuch starten, doch dazu bleib keine Zeit mehr. Mit der Hand fuhr sich Hyde über die feuchten Augen und drapierte endlich das Blatt Papier gut sichtbar auf dem Wohnzimmertisch. Da musste es Gackt finden, ganz bestimmt.

Aus einer plötzlichen Eingebung heraus lief der Schwarzhaarige zurück in sein Schlafzimmer und schnappte sich den kleinen blauen Glasengel, der bis eben seinen Nachttisch geziert hatte. Vorsichtig ließ er ihn in seiner Tasche verschwinden, er konnte ihn einfach nicht zurück lassen. Vielleicht war es der letzte Funken Hoffnung, der sich noch tief in Hyde versteckte, eine Hoffnung, dass noch nicht alles verloren war. Vielleicht war es auch nur eine Erinnerung an das, was er zerstört hatte. Hyde wusste es nicht.
 

Wie lange einem ein zweistündiger Flug vorkommen kann, bekam Gackt am Tag nach dem Bergwerkabenteuer gnadenlos zu spüren. Die gesamte Zeit saß er wie auf heißen Kohlen und starrte Löcher durch die zum Glück recht stabile Fensterscheibe. Scheinbar in Endlosschleife liefen die gleichen Bilder in seinem Kopf ab und die Worte „Takarai Shinobu“, durch deren Aussprechen Hagi eine wahre Lawine ins Rollen gebracht hatte, hallten monoton wider. Niemand von den anderen wagte es den Sänger auch nur anzusprechen, der schon bei der morgendlichen Besprechung mehr als nur komisch drauf war. Zeitweise wirkte Gackt so abwesend, als befände er sich nicht mehr auf dem Planenten Erde, andererseits strotze er Sekunden später nur so vor Tatkraft und war haarscharf davon entfernt aufzuspringen und den Takarai-Clan eigenhändig bis ans Ende der Welt zu verfolgen und was er dann mir ihrem Oberhaupt anstellen würde, wollte sich niemand genauer ausmalen.

Als das Flugzeug endlich in Tokyo Kontakt mit der Landebahn aufnahm, fuhr Gackt so schnell er konnte zu Hydes Wohnung. Große Hoffnung den kleinen Sänger dort anzutreffen hatte er zwar keine, es war aber trotz allem das einzigste, was er erstmal machen konnte. Wie erwartet lag die Wohnung wie ausgestorben vor ihm. Als der Braunhaarige das Wohnzimmer bei seiner vergeblichen Suche nach etwas Lebendigem erreichte, fiel ihm auch tatsächlich sofort das weiße Blatt Papier ins Auge. Er hob es hoch und las die Worte, die Hyde vor wenigen Stunden für ihn geschrieben hatte.

Je länger Gackts Blick auf dem Brief verweilte, desto stärker nahm die Verzweiflung von ihm Besitz. Wieder und wieder starrte er auf dieselben Zeichen und als diese vor seinen Augen zu unförmigen schwarzen Flecken verschwammen, kannte er den Inhalt auswendig. Gackt ließ sich achtlos auf das Sofa fallen und schloss seine brennenden Augen, während ihm Tränen die Wangen herabliefen. Schon wieder fing er an zu weinen, wenn es um Hyde ging. In letzter Zeit war das unnatürlich oft der Fall gewesen.

Jetzt war es also passiert, das wo vor er von Anfang an Angst gehabt hatte, war tatsächlich eingetreten. Hyde war verschwunden, hatte ihn verlassen. War es ein Fehler gewesen Hyde so offen seine Gefühle zu gestehen? Hätte er vielleicht einfach weiterhin lediglich eine Freundschaft zwischen ihnen akzeptieren sollen? Nein, dachte Gackt mit aller Kraft, die er noch hatte, nichts von dem, was sie gemeinsam erlebt hatte, wollte er jemals wieder missen. Nichts von dem, was sie getan hatten, wollte er bereuen. Der Augenblick, als auch Hyde ihm seine Liebe gestanden hatte, sollte ihm für immer unvergesslich bleiben.

Neue Tränen stiegen ihm in die Augen, als er wieder Hydes letzten Satz deutlich vor sich sah: „Ich liebe dich für immer!“ „Du Dummkopf!“, war er nahe dran einfach laut zu rufen, „denkst du denn das tue ich nicht? Glaubst du ich könnte jemals aufhören dich zu lieben?“ Wie konnte Hyde auch nur für einen Moment annehmen, er würde ihm jetzt nichts mehr bedeuten, er würde ihn nicht mehr lieben? Egal was Hyde auch tun würde, Gackts Gefühle für ihn würden sich genauso wenig ändern, niemals! Auch wenn Gackt immer noch nicht genau wusste, weshalb sein Engel sich zu einem solchen Verhalten gezwungen sah und weshalb er so tief im Schmugglerring steckte, war es doch vollkommen klar, dass Hyde alles nur unter Zwang tat.

Ich werde dir helfen, dachte Gackt mit plötzlich neu aufflackerndem Selbstvertrauen, und sollte es das Letzte sein, was ich tue. Solange wir uns lieben, ist es noch nicht zu spät!
 

„Sehr gute Arbeit, Männer! Jetzt wird es nicht mehr lange dauern, bis wir die Kerle einbuchten können!“ Naruse-san machte für Gackts Geschmack fast schon ein übertrieben zufriedenes Gesicht. Langsam ging ihm dieses Grinsen verbunden mit dem Glitzern der Augen gehörig auf die Nerven. Doch wie immer hielt er lieber den Mund und wartete ab. Er würde erst zufrieden sein, wenn sie den Takarai-Clan auch wirklich gestellt hatten und er Hyde da raus geholt hatte. Früher nicht.

„Bevor wir allerdings den nächsten Einsatz planen können, müssen zunächst alle Gefangenen vernommen werden. Schließlich steht der Hauptsitz des Clans noch immer nicht endgültig fest. Solange wir nicht genau wissen, an welcher Stelle wir zuschlagen müssen, um Takarai Shinobu eindeutig als Organisationsoberhaupt zu identifizieren, können wir es uns nicht erlauben eine vorschnelle Aktion zu starten“, führte der Chef aus. Gackts Gemütszustand änderte sich durch diese Aussage nicht gerade zum besseren. Gerade wollte er protestieren, da kam ihm der Chef auch schon zuvor. „Sie können es wohl gar nicht erwarten, sich wieder in den nächsten Einsatz zu stürzen, Gackt-san“, sagte dieser, nicht ohne Spott in der Stimme.

Ganz ruhig bleiben, rief sich der Sänger selber zur Ordnung, einfach weiteratmen. „Ich will nur vermeiden, dass wir unnötig Zeit verlieren, wenn wir nicht sofort etwas tun. Takarai wird nach dem Fiasko im Bergwerk sicher nicht auf uns warten, ohne selber etwas zu unternehmen. Wenn wir ihm dabei nicht zuvor kommen, nutzen uns die neuen Informationen nachher auch nicht mehr viel“, erwiderte Gackt. Beim Aussprechen des Namens Takarai lief ihm ein eisiger Schauer den Rücken hinunter, an dieses Gefühl musste er sich wohl erst noch gewöhnen.

„Gackt-san, bestimmt wird niemand vom Geheimdienst herumsitzen und Däumchen drehen. So dicht wie jetzt waren wir der Organisation noch nie auf den Spuren, da werden wir sicher alles daran setzen, um sie endgültig zu zerschlagen.“ Naruse-san nahm den Sänger während er sprach genauer in Augenschein, irgendetwas an ihm kam dem Chef verändert vor. Gackt setzte sich immer sehr stark für seine Aufträge ein, doch dieses Mal schien sein Verlangen etwas zu unternehmen fast mit den Händen greifbar zu sein. Und zum ersten Mal begann sich Naruse-san zu fragen, was ihm bisher verschwiegen worden war. Was mochte im Bergwerk vorgefallen sein, das seinen besten Agenten so aus der Bahn werfen konnte?

„Für heute reicht es. Ruhen Sie sich die nächsten Tage aus, damit Sie für den Einsatz wieder fit sind.“ Mit diesen Worten des Chefs war die Besprechung beendet, zu der Gackt nur wenige Stunden nachdem er endlich wieder in Tokyo angekommen war, musste. Er hatte sich erheblich mehr von ihr erhofft.

Schnellen Schritts verließ der Sänger das Besprechungszimmer, bevor ihm noch der Kragen platzte und er etwas von sich gab, dass ihm mehr als nur ein paar Schwierigkeiten einbringen konnte. So wie er heute unter Stimmungsschwankungen litt, war die Wahrscheinlichkeit dafür recht hoch. Aber dass der Geheimdienst so lange abwarten wollte, bis etwas unternommen wurde, war für ihn einfach nicht nachvollziehbar.

„Na gut“, dachte Gackt grimmig, „wenn ihr nichts machen wollt, kann ich auch alleine rauskriegen, wo der Mistkerl steckt! Ich werde diesen Takarai keinesfalls entkommen lassen.“

Auch wenn er im Moment nicht genau wusste, wie er mit seiner Suche am besten beginnen sollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich alleine daran zu versuchen. Einen Vorteil hatte er zumindest: Ein Mitglied der Organisation kannte er besser als jeder andere, Hyde. Zumindest hatte Gackt bis vor kurzem angenommen, dass er Hyde so gut wie niemand sonst kannte. Doch wie viele Geheimnisse hatte der Ältere vor ihm verborgen gehalten. Noch immer blieb so viel über seinen Geliebten im Dunkeln. Hyde hatte nie viel über seine Familie erzählt und wenn Gackt genauer darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er Hyde eigentlich noch nie von ihr hatte reden hören. Jetzt, da er halbwegs bescheid wusste, was es auch kein Wunder, aber trotzdem hatte er früher nie nachgefragt. Vielleicht war genau das sein Fehler gewesen, er hätte viel früher bemerken müssen, dass etwas nicht stimmte.

Durch diese neue Erkenntnis nur noch entschlossener, stieg er ohne sich noch groß in der Zentrale aufzuhalten in seinen Wagen und fuhr wieder zu Hydes Wohnung. Lust zu sich nach Hause zu fahren, verspürte er überhaupt keine. Sollte man ihn ruhig für einen verkappten Romantiker halten, aber wenn er sich in Hydes vier Wänden befand, kam ihm der andere nicht ganz so weit entfernt vor.

Zurück in der vertrauten Umgebung machte er sich als erstes an eine genaue Hausdurchsuchung. Die aufkommenden Gewissensbisse wurden großzügig ignoriert, während Gackt Schubladen und Schränke durchforstete, immer in der Hoffnung einen Hinweis auf Hydes Familie zu finden. Doch er fand nichts, nicht die leiseste Spur, nicht ein einziges Foto, das vielleicht jemanden aus der Familie des Kleineren abbilden könnte. Stattdessen zog er einen ganzen Stapel, sorgfältig in einen Briefumschlag gelegter Bilder aus Hydes Nachtischschublade hervor, die allesamt den kleinen Schwarzhaarigen an der Seite eines fast immer grinsenden Abbilds seiner Selbst zeigten. Beim Anblick der Erinnerungsfotos musste auch der Gackt aus Fleisch und Blut grinsen, Hyde hatte alle Fotos wie einen heiligen Schatz gehütet.

Wie lange hatte es wohl gedauert, bis der kleine Sänger endlich auf seine Gefühle gehört hatte? Mit diesem Gedanken wich das Grinsen wieder von Gackts Gesicht, denn so deutlich wie nie spürte er, dass irgendwo in Hydes Vergangenheit noch immer ein Geheimnis lag, etwas das ihn so lange davon abgehalten hatte der Wahrheit ist Auge zu blicken.

„Wenn du es mir nur sagen würdest, mein Engel“, murmelte der Braunhaarige und schob die Fotos vorsichtig wieder an ihren Ursprungsort zurück. Dabei bemerkte er, dass der kleine blaue Glasengel nicht mehr an seinem Platz stand, Hyde musste ihn mitgenommen haben. Komisch, dass es ihm nicht gleich aufgefallen war, wunderte sich Gackt. Jetzt war also noch ein zweiter Engel verschwunden.

Etwa eine Stunde später wusste der Braunhaarige zwar genaustens über die Klamottenverteilung in Hydes Kleiderschrank bescheid und konnte Auskunft darüber geben wie viele Boxershorts der Larukuvocal sein Eigen nannte, aber einen Schritt weiter gekommen war er nicht. Entweder hatte Hyde nie irgendwelche Informationen über seine Familie irgendwo in der Wohnung gehabt, oder er hatte selbige bevor er verschwunden war ebenfalls verschwinden lassen.

Nach einer weiteren ziemlich sinnlos vertanen halben Stunde war endgültig klar, dass Hydes Wohnung Gackt keine Auskunft geben konnte. Also beschloss der Sänger die nicht vorhandene Taktik zu ändern und stattdessen etwas anderes auszuprobieren. Er überlegte wer außer ihm am besten über seinen Schatz bescheid wusste. Da kamen wohl am ehesten die restlichen Mitglieder von Laruku in Frage, die Hyde teilweise länger kannten als er selber. Also beschloss er Tetsu anzurufen, bei dieser Gelegenheit konnte er sich auch gleich danach erkundigen, ob Hyde bei der heutigen Bandprobe erschienen war.

Auch wenn es Gackt schon etwas seltsam vorkam sich bei jemand anders über den Verbleib seines Freundes zu informieren, kramte er die Nummer des Bassisten hervor und betete, dass er diesen auch erreichte.

Tatsächlich hatte er endlich mal Glück, denn schon nach dem zweiten Klingeln wurde am anderen Ende abgenommen und ein leicht außer Atem klingender Tetsu meldete sich.

„Hi Tetsu!“, Gackt versuchte so normal wie möglich zu klingen, „Hier ist Gackt, ich …“ Doch weiter kam er nicht, da ihm sein Gesprächspartner sofort ins Wort fiel.

„Gut, dass du anrufst, Gackt. Ich wollte mich sowieso noch mal bei euch melden. Hyde hat sich vorhin wirklich furchtbar angehört! Was hast du bloß mit ihm angestellt?“

Was wohl wie ein Scherz klingen sollte, verfehlte seine Wirkung irgendwie. Besser gesagt ging er total daneben. Tetsu hätte wohl besser fragen sollten, was Hyde mit Gackt angestellt hatte, schließlich war der Braunhaarige von seinem kleinen Engel ins Reich der Träume geschickt worden. Gackt unterdrückte mühsam ein entsetztes „Was!“ und würgte stattdessen: „Das möchtest du wohl gerne wissen!“ so anzüglich wie möglich heraus. Daraufhin hörte er Tetsu in den Hörer husten und musste unwillkürlich grinsen. „Aber mal ehrlich, nur gut, dass er sich krankgemeldet hat, sonst hätte ich ihn eigenhändig wieder nach Hause geschleift“, erzählte Tetsu weiter, nachdem er sich wieder beruhigt hatte.

Schnell versuchte der Sänger die neugewonnenen Informationen gleich gewinnbringend weiterzuverwenden. „Meinem armen Schatz geht es auch echt nicht gut, wahrscheinlich hat er sich einen Virus eingefangen.“ Tetsu zu belügen war nicht gerade etwas, auf das Gackt stolz war, aber mit der Wahrheit herauszurücken und zu gestehen, dass er keinen blassen Schimmer hatte, wo der Schwarzhaarige steckte, brachte weder diesem noch ihm selber etwas. Da musste er sich wohl oder übel eine kleine Notlüge ausdenken.

„Hyde wird wohl auch die nächsten Tage besser im Bett bleiben müssen“, spielte Gackt also weiter den besorgten Freund und bestätigte damit Hydes Alibi. „Aber weshalb ich eigentlich mit dir sprechen wollte, ist folgendes: Hast du eine Ahnung wie ich seine Eltern erreichen kann? So langsam ist es ja mal an der Zeit, dass ich mich ihnen vorstelle, auch wenn wohl die Möglichkeit, dass sie mich noch nicht kennen sollten, ziemlich gering ist. So besonders viel erzählt Hyde von seiner Familie ja nicht gerade und jetzt wo er krank ist, will ich ihm damit nicht noch auf die Nerven fallen“, beendete Gackt seine Erklärung und hoffte inständig, dass es sich in Tetsus Ohren nicht genauso bescheuert angehört hatte, wie in seinen.

„Mhm“, machte der Gefragte und dachte zu Gackts Erstaunen anscheinend ernsthaft darüber nach, nur schien auch er zu keinem Ergebnis zu kommen. „Tut mir leid, Gackt“, sagte der Musiker schließlich, „ich hab mich auch schon ein paar Mal gefragt, weshalb Hyde kein Wort über seine Familie verliert. Was seine Eltern angeht, kann ich dir auch nicht helfen.“

Gackt wollte sich schon enttäuscht verabschieden, als Tetsu plötzlich „Warte mal!“ ausrief. „Mir ist doch noch etwas eingefallen. Kein Wunder, dass ich daran nicht mehr gedacht habe, das muss schon ewig her sein. Kurz nach dem wir uns bei Laruku kennen gelernt haben, hat er mal erzählt, dass er eine zeitlang bei seinem Onkel gelebt hat oder besser gesagt leben musste. Ich weiß noch, dass ich mich damals gewundert hatte, weshalb er mit einem mal so ernst und zugeknöpft wurde, deshalb hab ich es wohl auch noch nicht ganz vergessen. Aber wir haben es seitdem nicht mehr gewagt, ihn auch nur irgendetwas über seine Familie zu fragen. Vielleicht hilft dir das ja trotzdem weiter, sein Onkel wohnte, wenn ich mich nicht irre auch hier in Tokyo.“ Scheinbar mit sich und der Welt zufrieden, dass ihm diese Information eingefallen war, bestellte Tetsu Hyde gute Besserung und Gackt beglückwünschte den Bassisten überschwänglich zu seinem glänzendem Gedächtnis.

Schnell legte Gackt auf und atmete einmal tief durch. Er hatte doch mehr erfahren, als es am Anfang danach ausgesehen hatte. Ein Onkel, der in Tokyo lebte, auf den Hyde nicht gut zu sprechen schien und bei dem er früher gelebt hatte, hierbei konnte es ich doch nur um den dreimal verfluchten Takarai Shinobu handeln! Für einen kurzen Moment hatte Gackt schon das Bild vor Augen, wie er diesem Mistkerl endlich gegenüberstand, doch noch war die Zeit nicht reif, um in Racheplänen zu schwelgen. Noch hatte er ihn nicht. Aber er wohnte in Tokyo, sofern er in den letzten Jahren nicht umgezogen war, überlegte Gackt, jetzt brauchte er doch nur noch die unbedeutende Menge von zigmillionen Menschen zu durchsuchen und dann… Gackt seufzte. Die Aufgabe, vor der er stand, blieb noch immer mehr als schwierig, aber einen Hinweis in die richtige Richtung hatte er zumindest erhalten.

Bevor er allerdings wieder in die sinnlose Grübelei von vorhin verfallen konnte, meldete sich das Telefon dieses Mal ganz von alleine zu Wort. Halb damit rechnend oder hoffend, dass es Tetsu war, dem noch mehr eingefallen war, nahm der Solist den Hörer ab.

„Wie schön, dass ich dich endlich mal erreiche“, meldete sich eine wohlbekannte Stimme triefend vor Sarkasmus, der Gackt allerdings schon seit geraumer Zeit vergessen hatte die nötige Aufmerksamkeit entgegen zu bringen.

„Ups“, gab der große Sänger ziemlich kleinlaut zur Antwort, als er Yous nicht gerade freundlich klingende Stimme erkannte. Sein Schatzi war nicht der einzige gewesen, der zu irgendwelchen Bandproben zu erscheinen hatte, nur hatte er es irgendwie fertig gebracht und sich auch noch an seine musikalischen Verpflichtungen erinnert, während Gackt sie schlicht und einfach vergessen hatte.

„Ähm, ich musste…“, begann er eine jetzt schon gescheiterte Ausrede und wurde auch sogleich mal wieder unterbrochen, was heute wohl zur Tagesordnung gehörte.

„Behalt es dies Mal ruhig für dich, was du mal wieder dringendes tun musstest“, gab You zur Antwort und machte Gackt unmissverständlich klar, dass er wirklich wütend auf ihn war. „Ich weiß ja, dass du ein vielbeschäftigter Mann bist, aber du könntest trotzdem mal ein bisschen an uns und vor allem an deine Fans denken. Selbst ein so großes Talent wie du sollte sich vielleicht einen Tag vor einem Konzert zu Proben ins Studio bequemen.“

Bei diesen deutliche Worten bekam Gackt zu spüren, dass trotz allem, was ihn bisher geschockt hatte, die unterste Grenze noch immer nicht erreicht war. Er schlug sich mit der freien Hand auf die Stirn und hatte nicht mehr nur ein schlechtes Gewissen, weil er die Bandproben nicht abgesagt hatte, hätte You nicht bei ihm angerufen, so würden seine Fans am nächsten Tag vergeblich auf ihn warten können. Das Konzert wurde auf Grund von Platzmangel einfach von seinem Gehirn verdrängt. Wie konnte man aber auch nur so vergesslich sein!

„Gomen“, murmelte er geknickt, doch You verhinderte eine großangelegte Entschuldigung von Seiten des Sängers, indem er stattdessen mit einem Hauch mehr Freundlichkeit in der Stimme sagte: „Fang bloß nicht an mich vollzutexten, sondern beweg deinen Hintern in Richtung Studio, da kannst du dich immer noch entschuldigen. Dein Hyde wird dir in der Zwischenzeit schon nicht weglaufen.“

„Bin gleich da“, antwortete der Braunhaarige einigermaßen erleichtert, dass er noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen war und beendete das Gespräch.

Vielleicht war so ein Konzert wirklich gar nicht schlecht im Moment, es würde ihn wohl oder übel etwas von seinen Sorgen ablenken können und kamen ihm die besten Ideen nicht sowieso oft beim Singen? Eine neue Taktik konnte also keinesfalls schaden.

Dass You ihn so runtergeputzt hatte, war wohl schon irgendwie gerechtfertigt gewesen, schließlich hatte er wirklich etwas Wichtiges vergessen. Aber wenn der Violinist auch nur einen Schimmer von dem hätte, was in den letzten Tagen passiert war, würde er bestimmt weit mehr Verständnis für den Sänger aufbringen als es jetzt der Fall war. Und in einem Punkt irrte sich You ganz gewaltig: Hyde war Gackt schon längst davon gelaufen.
 

Grübelnd saß der Schwarzhaarige alleine im dunklen Besuchszimmer seines Onkels und fühlte sich wie das Opfer, das auf seinen Henker wartet. Er musste schon tatsächlich einige Schrauben locker haben, wenn er freiwillig in der Villa aufgetaucht war, nachdem, was er sich im Bergwerk geleistet hatte. Gab es aber auch nur noch einen Menschen auf der Welt den es überraschen konnte, dass er heute selbstzerstörerisch drauf war? Hyde bezweifelte das und wartete weiter auf seinen Henker alias seinen Onkel.

Der Tag neigte sich schon bedenklich seinem Ende entgegen und in der Zwischenzeit musste Gackt den Brief bereits gefunden haben. Obwohl sich Hyde die Reaktion von Gackt nicht ausmalen wollte, konnte er einfach nicht verhindern, dass diverse Bilder in seinem Kopf auftauchten und er sich wünschte, dass Gackt wenigstens eine Träne darüber vergoss. Doch sollte sein Geliebter dies nicht tun, konnte ihm Hyde noch nicht einmal böse sein. Er selber hatte ihn schließlich hintergangen, belogen und zum krönenden Abschluss bewusstlos geschlagen und nicht zu vergessen, dass er ihn vor wenigen Stunden verlassen hatte, da sollte es ihn also nicht wundern, wenn Gackt von ihm nichts mehr wissen wollte. Dass der Jüngere ihm genauso gewisse Dinge verheimlicht hatte, fiel bei Hydes Gedankengang nicht weiter ins Gewicht.

Sein Onkel ließ sich heute wirklich viel Zeit, um ihm seine Standpauke zu halten und fast befürchtete oder hoffte Hyde, er würde ihn einfach ignorieren und hier versauern lassen. Schließlich vernahm er aber doch die schweren Schritte von Takarai Shinobu auf dem Gang und machte sich auf seine Strafe gefasst.

Die Tür wurde beiseite geschoben und ein schwacher Lichtschein fiel in das dunkle Zimmer, das Clan-Oberhaupt trat herein und schob die Tür geräuschlos wieder zu. Shinobu bevorzugte das Dunkle, seine Gäste und Besucher empfing er immer in dunklen Räumen, die einschüchternde Wirkung auf diese war hier am größten. Sein Blick fiel auf seinen Neffen, der am Boden hockte und keine Regung zeigte. Schon so lange stand Hideto in seinen Diensten, doch noch immer war der Widerstand den er ihm, seinem Onkel, gegenüber hegte, deutlich zu spüren. So zerbrechlich der junge Mann auch aussah, besaß er doch eine gewaltige Stärke, dass wusste Shinobu nur zu gut. Er durfte nicht denn Fehler machen und ihn unterschätzen, wie er es einmal fast getan hätte. Damals wäre es, so undenkbar es auch schien, für ihn persönlich beinahe zu einer Tragödie geworden.

Nun hatte sein Neffe aber den Bogen überspannt, hatte dazu beigetragen, dass sein ganzes Unternehmen in Gefahr geriet.

Im Dunkeln erkannte Hyde an den funkelnden Augen wie viel Wut sein Onkel auf ihn hatte, wusste, dass er einer Bestrafung nicht entgehen konnte.

„Ich bin enttäuscht, Hideto“, sagte Shinobu mit der üblichen kalten, aber ruhigen Stimme. „Dein Verhalten hat unsere schwierige Situation noch weiter angespannt. Dass du dich ohne Erlaubnis an die Lagerstelle begeben hast, werden wir nur schwer ungeschehen machen können. Die Konsequenzen sind zu weitreichend, um deinen Fehler zu ignorieren.“

Die Worte schienen nachzuhallen und ihre Schärfe war mit den Händen greifbar. Hyde blieb bewegungslos sitzen, sein Onkel schien auf eine Reaktion zu warten, doch er blickte noch nicht einmal auf. Ohne Gegenwehr sein Schicksal zu ertragen, war das einzige, was er tun konnte. Selten hörte er solch harte Worte, dieses Mal war es wohl unvermeidbar.

„Du wirst in nächster Zeit in der Villa bleiben. Von weiteren Einsätzen bist du befreit. Ich werde dir mitteilen lassen, was deinen weiteren Verbleib betrifft.“ Shinobu-san erhob sich wieder und zum ersten Mal meldete sich Hyde zu Wort.

„Du fragt gar nicht, weshalb ich gegen deine Regeln verstoßen habe“, sagte er mit ebenso ruhiger Stimme, worüber er selber erstaunt war.

„Weshalb du diesen Fehler begangen hast, interessiert mich nicht. Es ist nur schade, du warst mein bester Agent, Hideto. Jeder weitere Einsatz wird nun eine Gefahr darstellen. Aber unterhalten wir uns darüber nicht weiter. Ich habe schon eine Möglichkeit gefunden, damit es dir hier nicht langweilig wird“, meinte Shinobu während sie den nicht minder dunklen Gang entlang schritten.

Vielleicht sollte Hyde erleichtert sein, wenn er lediglich in der Villa bleiben musste, war die Bestrafung gar nicht so hart wie angenommen, auch wenn seine Verpflichtungen als Sänger wohl mehr als zu kurz kommen würden, aber immerhin blieb er am Leben. Zumindest vorerst. Doch ganz so leicht würde es ihm sein Onkel wohl nicht machen, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.

Schweigend begaben sie sich in den Eingangsbereich. Fast atmete Hyde erleichtert auf, weil endlich wieder mehr Licht in seine Augen fiel. Doch nicht nur die plötzliche Helligkeit machte sich bemerkbar, auch eine Frau erhob sich graziös von einem Sitzkissen und trat ihnen entgegen. Sie trug ein blassrosafarbenes Kostüm und verbeugte sich zuerst vor Takarai Shinobu, dann vor Hyde. Nicht verstehend, was sie hier machte, tat es ihr der Sänger gleich. Er versuchte sich sein Unverständnis nicht anmerken zu lassen, konnte aber nicht verhindern, sie zu mustern.

Mit Sicherheit war sie sehr attraktiv und wirkte wohl auf viele Männer anziehend, vielleicht hätte sie diese Wirkung auch auf Hyde gehabt, hätte dieser sein Herz nicht längst an den in seinen Augen schönsten Menschen der Welt verloren.

Ungerührt, als ob er das jemals gewesen wäre, legte Shinobu-san der jungen Frau eine Hand auf die Schulter. „Hideto, darf ich dir Oishi Megumi vorstellen? Du wirst sie heiraten.“
 

Na, wie fandet ihr Megumis Auftritt?

Da musstet ihr so lange warten und ich hab schon wieder so ein gemeines Ende fabriziert *ich bin wirklich furchtbar*

Aber vielleicht besser ich mich ja mal irgendwann *wer´s glaubt*
 

Bis zum nächsten Kapi

eure himachan

Ways of Destiny

So, hier kommt endlich eines neues Kapi *freu*

Da hab ich euch beim letzten Mal mit Megumis Auftritt ganz schön schockiert, was?

Mal sehn, ob mir so was auch hier gelungen ist ^^

Ich hoffe es gefällt euch!
 

13. Kapitel

Ways of Destiny
 

Während auf Megumis Gesicht ein leichtes Lächeln erschein und sie ihrerseits ihr Gegenüber musterte, starrte Hyde einfach weiter stur geradeaus. Das war also die Strafe, die sich sein Onkel für ihn hatte einfallen lassen. Eine gewisse Fantasie konnte selbst Hyde ihm nicht abschlagen.

Dass der Sänger bei den Worten seines Onkels und dem Anblick Megumis nicht gleich in Jubel ausbrach, schien sie nicht weiter zu stören, immer noch lächelte sie Hyde an und sagte mit einer weiteren leichten Verbeugung: „Ich freue mich sehr Sie kennen zu lernen, Hideto-san.“

„Ganz meinerseits“, beeilte der Schwarzhaarige sich zu antworten und schaffte es irgendwie so etwas wie ein Lächeln, auch wenn es nicht besonders echt wirkte, auf sein Gesicht zu bekommen.

„Megumi-san ist die Tochter eines Arbeitskollegen“, meldete sich Shinobu wieder zu Wort, „Oishi-san und ich sind uns darüber einig geworden, dass ihr beiden ein sehr schönes Paar abgebt. Für dich Hideto ist es langsam an der Zeit zu heiraten, eine Ehe mit einer junger Frau, die aus den gleichen Verhältnissen stammt wie du, ist sehr vielversprechend für eine glückliche gemeinsame Zukunft.“ Er machte eine Pause und sah Hyde aus kalten Augen an; wenn du mir widerspricht, warten nur noch mehr Probleme auf dich, bedeutete der Blick.

Hyde sagte kein Wort, behielt nur das eingefrorene Lächeln auf seinem Gesicht. Nie hatte er ernsthaft an eine Heirat gedacht, schon vor langer Zeit war ihm klar geworden, dass so etwas für ihn nicht in Frage kam, jedenfalls so lange nicht, wie gleichgeschlechtliche Ehen in Japan illegal waren. Für einen kurzen Moment stellte, er sich vor, wie es wäre Gackt zu heiraten, doch das würde wohl für immer nicht mehr als ein Wunschtraum bleiben. So oder so.

Sein Onkel wollte ihn mit der Heirat aus dem Weg räumen, dass wusste Hyde ganz genau. Er wollte ihn zwingen in normalen, wie er es wohl nennen würde, Verhältnissen zu leben, wo er ihm nicht mehr in die Quere kommen konnte. Was Hyde dabei dachte oder fühlte, interessierte ihn nicht im Geringsten, genauso wie es ihm wohl egal sein dürfte, was Megumi dazu zu sagen hatte.

Sie schien das ganze allerdings wesentlich besser aufzunehmen als Hyde, aber welche Frau hätte sich auch dagegen gesträubt einen berühmten und erfolgreichen Sänger wie Hyde zu heiraten?

„Wenn ihr euch ein bisschen besser kennen gelernt habt, wird die offizielle Verlobungsfeier stattfinden“, fuhr der Onkel fort, „da sich Oishi-san und ich einig sind, sollten keine Schwierigkeiten auftreten.“

Megumis Vater war auch Hyde kein Unbekannten, genau wie sein Onkel war auch der Oishi-Clan am japanischen Waffenschmuggel beteiligt und der Sänger hatte bei gemeinsamen Unternehmen schon mit diesem zusammengearbeitet. Eine Heirat zwischen Hyde und Megumi würde für den Takarai-Clan auf jeden Fall einen großen Vorteil bedeuten und das Kräftegleichgewicht weiter in ihre Richtung verschieben. Durch seine Aktion im Bergwerk war Hyde für seinen Onkel als Agent nutzlos geworden, damit würde dieser mit der geliebten Tochter von Oishi-san einen großen Trumpf in der Hand haben. Der Plan von Takarai Shinobu konnte für ihn also nur gewinnträchtig sein.

Mit diesen Überlegungen im Kopf verabschiedete sich Hyde kurze Zeit später wieder von Megumi, die sich zurück ins väterliche Anwesen begab. Für den nächsten Abend hatten sie einen gemeinsamen Restaurantbesuch beschlossen, mit anderen Worten, Shinobu-san hatte sie vor vollendete Tatsachen gestellt, so dass keine Möglichkeit zur Ablehnung bestand.

Nachdem Megumi die Villa verlassen hatte, ging auch Hyde auf sein Zimmer und murmelte im Vorbeigehen seinem Onkel ein tonloses „Gute Nacht“ entgegen. Nach einer Konfrontation über die Hochzeit, bei der er nur verlieren konnte, stand ihm heute überhaupt nicht der Sinn.
 

Zu Yous Verwunderung war Gackt tatsächlich nur kurze Zeit nach ihrem Telefonat im Studio aufgetaucht und hatte sich auch bei den anderen für seine Vergesslichkeit entschuldigt. Zum Glück kam niemand auf den Gedanken, ihn zu fragen, was er denn so wichtiges gemacht hatte, dass er darüber das Konzert vergessen konnte. Sie nahmen wohl alle an, ihr Sänger hätte sich nur zu ausführlich mit seinem Freund beschäftigt. Gackt ließ sie vorerst in diesem Glauben.

Ihm war auf der Hinfahrt eine geniale Idee für den Auftritt gekommen. Eigentlich hatten sie vorgehabt einen alten Song zum Besten zu geben, stattdessen wollte Gackt nun etwas völlig Neues ausprobieren. Etwas, das er für eine bestimmte Person geschrieben hatte, als diese ihm mal wieder die übliche Abfuhr erteilt hatte. Auch wenn er nicht vorgehabt hatte das Lied irgendwann zu veröffentlichen, war er von diesem Gedanken plötzlich total begeistert und konnte es gar nicht abwarten seine Idee in die Tat umzusetzen. Die Fahrt zum Studio gestaltete sich aus diesem Grund auch recht halsbrecherisch, blieb aber zum Glück ohne Folgen für den Fahrer.

Die Proben zogen sich, da der Band das Lied noch völlig unbekannt war, auch bis spät in den Abend hin. Als der Braunhaarige völlig erschöpft nach Hause fuhr, natürlich in Hydes Wohnung, legte er sich gleich schlafen, ohne vorher eine hilfreiche Idee für Hydes Rettung gefunden zu haben.

Auch der nächste Morgen brachte keine neuen Erkenntnisse, lediglich rief noch einmal You an, um sich zu vergewissern, dass Gackt das Konzert nicht schon wieder vergessen hatte. Nach einer deutlichen und hoffentlich nachhaltigen Versicherung von Gackt ließ der Violinist ihn zumindest bis zum Auftritt in Ruhe.

Wieder alleine versuchte der gerade für wenig merkfähig erklärte Sänger per Internet Informationen über Takarai Shinobu zu sammeln, stieß aber nur auf Fehlanzeigen. Eine Person dieses Namens schien es in Tokyo nicht zu geben, was eigentlich in Anbetracht der Menschenmenge, die hier lebte, schon seltsam war. Das Bild von seinem Schatz hielt ihm der Computer dagegen ständig vor Augen. Um seine Recherche nicht in ein Hyde-Anschmachten ausufern zu lassen, beendete Gackt sie lieber vorzeitig. Sollte es auf diese Weise auch nur etwas Brauchbares über den Takarai-Clan zu finden geben, würden die Spezialisten vom Geheimdienst sicherlich schneller fündig werden als er.

Auch war es langsam Zeit sich für das Konzert fertig zu machen. Es war eigentlich keine besondere Veranstaltung, irgend so ein Benefiz-Konzert, um was es genau ging, hatte Gackt längst vergessen. Bei dem schönen Frühlingswetter sollte das ganze open-air stattfinden, würde aber erst gegen Abend anfangen. Gleichzeitig war auch eine Live-Übertragung im Fernsehen geplant, sein neues Lied würde also gleich im ganzen Land zu hören sein.
 

Als der Schwarzhaarige am Abend in die Eingangshalle kam, erwartete ihn wie am Vortag eine dieses Mal in ein hellblaues Kostüm gehüllte Megumi. Auch die Verbeugung zur Begrüßung blieb nicht aus, Hyde machte sich auf einen langwierigen Abend gefasst. Er hatte den heutigen Tag mit nicht viel mehr als Grübeln zugebracht, was ihm natürlich keinen Ausweg aus dieser beschissenen Situation beschert hatte. Stattdessen war er schon jetzt mehr als nur genervt und litt unter Schlafmangel, da er in der vergangenen Nacht fast keinen Schlaf finden konnte, was bei ihm schon fast unmöglich war. Es fehlte aber einfach die richtige Einschlafhilfe.

Seine miese Stimmung hob sich auch nicht, als er und Megumi begleitet von drei Männern seines Onkels das Haus verließen und in den Wagen stiegen, der sie zum Restaurant bringen sollte. Es verstand sich ja von selbst, dass Shinobu-san seinen Neffen nicht unbewacht nach draußen gehen ließ, Hyde musste sich wohl oder übel auf ständige Begleitung gefasst machen.

Die Fahrt in die Innenstadt dauerte lange genug, um ihm das Gefühl zu geben von allen Seiten beobachtet zu werden. Ein Gespräch kam so gut wie gar nicht in Gang, auf Megumis Frage: „Sie sehen so müde aus, Hideto-san. Geht es Ihnen nicht gut?“ bekam sie nur ein achselzuckendes „Geht schon“ als Antwort und unterließ vorerst weitere Fragen.

Das Restaurant, das Shinobu-san ausgesucht hatte, lag in einem sehr belebten Stadtteil und war ein teuer aussehender Italiener. Unwillkürlich wurde Hyde an seinen letzten Restaurantbesuch erinnert, als er von Gackt zum Franzosen ausgeführt wurde und war sofort der Überzeugung, dass dieser Laden keinesfalls mit dem von Gackt mithalten konnte. Diese Einstellung war natürlich nicht besonders hilfreich, um den Abend auch nur annähernd gut finden zu können.

Bevor es dem fast verlobten „Paar“ und ihren Wachmännern allerdings gelang das Restaurant auch zu betreten, hörten sie hinter sich plötzlich einen hohen Aufschrei, der Hydes Aktion im Bergwerk beinahe Konkurrenz machte. Als Hyde sich umdrehte, konnte er das Mädchen gar nicht übersehen, das wild mit einem Buch in der Hand vor den neuen Bodyguards herumfuchtelte, diese dabei um ein Haar zusammenschlug und vor Aufregung fast quiekend: „Hyde!!! Bekomm ich ein Autogramm?“ von sich gab.

Genau, das was mir heute noch gefehlt hat, dachte der dieses Mal von einem Mädchen! angeschmachtete Sänger, versuchte sich an einem freundlichen Gesichtsausdruck und trat, die Wachen ignorierend, zu dem aufgeregten Fangirl.

„Kein Problem! Gib nur her“, sagte er mit Ausschöpfung all seines schauspielerischen Talents. Überglücklich drückte ihm die Kleine, dabei war sie bestimmt so groß wie Hyde selber, das Buch aufgeschlagen mit passendem Stift in die Hand und er setzte seine Unterschrift auf eine leere, aber schon mit Datum beschriftete Seite. Danach reichte er das Buch zurück und die kleine Gesellschaft konnte nach einer Flut von Bedankungen endlich essen gehen.

Das Restaurant verfügte über eine recht große Terrasse, auf die Megumi zielstrebig zusteuerte, nachdem Hyde keine Anstalten machte einen Platz zu suchen.

„Bei dem schönen Wetter können wir doch draußen essen, oder?“, fragte sie und erwartete wohl nicht wirklich eine Antwort.

Ein Ober kam und führte sie zu ihrem Tisch, die drei Störenfriede ließen sich zu Hydes großer Erleichterung ein paar Tische weiter entfernt nieder. Das war das erste positive, was heute passierte.

Die Speisekarte enthielt zum Glück neben der italienischen auch eine japanische Beschreibung der Gerichte, doch der Sänger starrte die Zeichen einfach an, ohne wirklich zu verstehen, was er las. Dieses Mal wurde ihm die Entscheidung vom herbeieilenden Ober abgenommen, der ganz versessen darauf schien ihnen die Tagesempfehlung schmackhaft zu machen. Ohne nachzudenken bestellte Hyde daher zweimal Linguine con Aragosta, was auch immer sie dann bekommen würden.

Kaum wurde ihnen die Vorspeise gebracht, setzte plötzlich laute Musik ein und sowohl Hyde als auch Megumi zuckten zusammen. Eine laute Stimme begann in ausgelassenem Tonfall zu erzählen, es hörte sich an, als wäre sie nur wenige Meter vom Restaurant entfernt.

„Ach ja, heute findet doch das große Benefiz-Konzert statt“, fiel Megumi ein und sie beugte sich zu Hyde rüber, damit er sie auch verstehen konnte, „der Platz ist hier gleich um die Ecke. Toll nicht?“ „Das erklärt einiges“, meinte dieser, während er lustlos in seinen Antipasti stocherte. Das Mädchen von eben war bestimmt auch gerade auf dem Weg zu der Veranstaltung gewesen.

Heute war wirklich nicht sein Tag, stellte Hyde resigniert fest, sogar das Geklatsche von den Fans war nicht zu überhören. Sein Onkel hatte ihn wahrscheinlich bewusst hier hin geschickt, nur um ihn so gut wie möglich zu quälen. Der Erfolg war nicht von der Hand zu weisen. Allerdings hatte die Musik auch etwas Gutes, eine Unterhaltung mit Megumi war bei der Lautstärke nicht notwendig. Sie schien das noch nicht mal zu stören, zufrieden aß sie ihre Antipasti und lächelte ihn hin und wieder an.

Wenigstens einer ist glücklich, dachte der Schwarzhaarige und verfiel in monotones Essenaufgabeln.
 

In seiner Umkleidekabine war Gackt mit den letzten Vorbereitungen für den Auftritt beschäftigt. Noch einmal warf er einen sehr kritischen Blick in den mannshohen Spiegel und zupfte sich die Haare zurecht.

„Man könnte fast meinen, du würdest ein Kleid tragen“, meinte Chacha und musste sich das Lachen verkneifen. „Hyde würde es doch bestimmt gefallen“, warf You ein, während der Sänger seine kichernden Bandkollegen böse anfunkelte. Aber er musste ja selber zugeben, dass sein heutiges Bühnenoutfit mehr einem langen, weißen Kleid, als einem Mantel ähnelte. Sollten die anderen ruhig ihre Witze reißen, er mochte es gerne und schließlich trug er ja immer noch eine Hose drunter, von Kleid konnte also nicht die Rede sein.

„Noch zwei Minuten!“, rief ein Mitarbeiter und steckte vorsichtig den Kopf durch die Tür.

„Beeilung Leute!“, versuchte Gackt die Aufmerksamkeit wieder auf den Auftritt zu lenken und rauschte, seine grinsenden Musiker im Schlepptau, in Richtung Bühne.

Der noch immer bestgelaunte Moderator kündigte ihn an und tosender Beifall brandete im Publikum auf, während der Braunhaarige die Bühne betrat. Zuerst folgte ein bisschen Smalltalk mit dem Moderator. Gackt hatte immerhin in der Zwischenzeit herausgefunden, wobei es bei der heutigen Veranstaltung ging und für was gespendet wurde, so dass er nicht ganz unwissend war.

„Stimmt es, dass Sie sich völlig spontan dazu entschlossen haben, einen bisher noch nie gespielten Song vorzutragen?“, fragte Gackts Gegenüber, woraufhin die Fans in Begeisterungsstürme ausbrachen.

„Stimmt genau“, grinste der Sänger, „das Lied habe ich für eine sehr besondere Person geschrieben, die mir am Herzen liegt, wie niemand sonst.“

„Na, dann wollen wir auch hoffen, dass sie dieses Lied erreichen wird“, sagte der Moderator und entfernte sich von der Bühne. Das Licht ging aus und nur ein einzelner auf Gackt gerichteter Scheinwerfer durchbrach die Dunkelheit.
 

In einem nur ein kurzes Stück entfernten italienischen Restaurant fiel einem kleinen Schwarzhaarigen klappernd die Gabel in die Hummer-Nudeln. Mit nur einem Wort hatte Gackt das fertig gebracht, wozu Megumis Lächeln nicht in der Lage gewesen war und Hyde aus seinem Dämmerzustand gerissen.

Die Worte schallten so klar und deutlich zu ihm hinüber, dass er glaubte, Gackt würde direkt vor ihm stehen, unmöglich seine Stimme nicht sofort zu erkennen. Hyde konnte nichts tun, als auf seinen Teller zu starren, was eigentlich keine große Veränderung zu seiner bisherigen Tätigkeit darstellte, mit dem Unterschied, dass er auf jedes gesprochene Wort lauschte und sie ihn erzittern ließen.

Er meinte ihn, Gackt meinte ihn, bestimmt, so musste es sein, kein Zweifel möglich. Die Gedanken schwirrten in Hydes Kopf umher, ohne ihr Ziel zu erreichen. Dann setzte die Musik ein, der Beifall erstarb und der glasklare Gesang von Gackt erklang.
 

„Kimi ni aitakute dare you ri mo aitakute

Mou ichido kono te wo tsunai de hoshii“

(Ich will dich sehen

Mehr als jeden anderen, will ich nur dich sehen

Und ich will, dass du noch einmal meine Hand hältst)
 

Gackt war, als wäre die Umgebung in weite Ferne gerückt, als wäre alles um ihn herum unbedeutend geworden, nur der Gedanke an Hyde zählte, nur der Wunsch, dass seine mit Inbrunst gesungene Bitte erhört wurde. Sein Blick verlor sich im dunklen Himmel, er merkte nicht, wie eine Träne seine Wange hinabrann und eine feuchte Spur hinterließ. Obwohl der Himmel über Tokyo zu jeder Nachtzeit hell erleuchtet wurde, blitzte plötzlich ein Lichtschein auf, eine einzelne Sternschnuppe zog für einen Augenblick über den Himmel.

„Kimi ni aitakute“, war der einzige Wunsch, den Gackt hatte.
 

Wie konnten Worte nur solch eine Kraft haben? Wie konnte ein einzelnes Lied einen alles vergessen lassen? Alle Zweifel, all die Angst, die Hyde hatte, wurden weggewischt, zurück blieb nur die bittersüße Gewissheit nach der er sich sehnte und die er doch fürchtete.

Er hob den Kopf und sein Blick traf den vorbeiziehenden Himmelskörper, in Gedanken wiederholte er Gackts Worte: „Kimi ni aitakute“.

Als er die Tränen spürte, wusste er nicht, wie lange er schon weinte.
 

„Deatta toki ni koi ni wo chite omowazu kimi wo dakishimete ita

Sonna boku ni warai nagara ´Bakame´ to karuku kisu wo shite“

(Im ersten Moment als ich dich sah, war ich bereits in dich verliebt

Als ich es dir sagte, hast du schüchtern in meinen Armen gelächelt

Und mir gesagt, dass ich aufhören sollte herumzualbern…

Dann hast du mich geküsst)
 

„Dare mo ka deai to wakare no naka de

Tashikana ai nikitsuite yuku”

(Genau so, durch die ständigen Begegnungen und Trennungen

findet man die einzig wahre Liebe heraus)
 

Während Gackts weißer Mantel im Wind flatterte, während Hyde die Röte ins Gesicht stieg, während hunderte von Fans mit leuchtenden Augen zur Bühne hinauf blickten, wusste Hyde, dass Gackts Worte die Wahrheit waren, dass er ihn liebte, immer noch, von Anfang an. Vielleicht war es die Erleichterung, die dafür sorgte, dass seine Tränen nicht aufhörten zu fließen.
 

„Kimi ni tsutaetai todokanai omoidemo

Boku no kokoro wa mada kimi wo sagashite iru“

(Ich will dir etwas Wichtiges sagen

Auch wenn diese Liebe dich nie wieder erreichen könnte

…Mein Herz sucht immer noch nach dir)
 

Er würde niemals aufgeben, solange er lebte, würde Gackt seinen Geliebten für keine Sekunde vergessen können. Auch wenn er nicht wusste, ob Hyde sein Lied wirklich hören konnte, all seine Liebe und Hingabe steckte in den Song. Eigentlich, dachte der Braunhaarige durfte es doch gar nicht zu überhören sein. Sein Blick war längst verschleiert und selbst wenn er zu den ergriffenen Fans sehen würde, hätte er sie nicht erkennen können.
 

„Wasureru koto nante dekiyashi nai kara

Kimi no tame nara sou kimi no tame nara“

(Sag mir, wie kann ich dich jemals vergessen?

Meine Liebe für dich, ja…alles für dich)
 

„Mou ichido kono te wo tsunai de hoshii

Itsumo tsunai de te wa atatakakatta“

(Ich will nur, dass du noch einmal meine Hand hältst

Deine Hand, die meine umschließt war immer so warm)
 

Die letzen Worte, die letzte Träne und dann herrschte für einen Moment Stille. Es war als ob ein Zauber über dem Platz, der Stadt, ja vielleicht dem ganzen Land lag. Ein Zauber, der alle gefangen nahm, zutiefst berührte und erschaudern ließ.

Und dann brach er los, der Sturm der Begeisterung, als ob mit einem Mal alle Emotionen und Gefühle der Fans emporkamen und sich in einem schier nicht enden wollenden Jubel entluden.

Dafür lohnte es sich zu singen, dachte Gackt, als er mit tränennassen Augen zum ersten Mal auf die ausgelassene Menge blickte. Das Erlebnis, andere Menschen durch seinen eigenen Gesang so zu begeistern, war wohl das Schönste nach einem Auftritt. Wie glücklich würde er sein, wenn es auch Hyde erreicht hatte.
 

Und ob es Hyde erreicht hatte. Und nicht nur ihn, sondern natürlich auch die restlichen Restaurantbesucher, die ihn, allen voran Megumi, anstarrten. Seine Reaktion konnte niemandem verborgen bleiben, allein schon das verheulte Gesicht des Schwarzhaarigen sprach Bände.

Genau die gleiche Situation hatte er doch schon einmal erlebt, damals war er weggerannt, so wie immer. Zum Rennen fehlte ihm heute aber irgendwie die nötige Kraft, die Gedanken schwirrten in seinem Kopf wie außer Kontrolle geratene Bienenschwärme, die auch nicht den Anschein machten sich wieder zu beruhigen. Stattdessen tauchten schwarze Flecken vor seinen Augen auf, als er das Getuschel der Menschen um ihn herum immer deutlicher hören konnte. Sein Schlafmangel verlangte, um es noch schlimmer zu machen in dem ganzen Chaos auch noch die nötige Aufmerksamkeit, bis es Hydes Verstand eindeutig reichte und er sich, ohne nach Erlaubnis zu fragen, verabschiedete.

Vielleicht konnte man es als gnädige Erlösung von oben zählen, dass Hyde mit einem kaum wahrnehmbaren Aufseufzen für die nächsten paar Stunden in Ohnmacht fiel. So bekam er jedenfalls nicht mit, was als nächstes passierte und vielleicht war das auch ganz gut so.
 

Dass die Fans Gackt so bejubelten war zwar sehr schön und er konnte nicht verbergen, dass er die Begeisterung in vollen Maßen genoss, sollte es aber auf diese Weise auch noch die nächsten Stunden weiter gehen, konnte sich die Situation zu einem echten Problem entwickeln. Nicht nur das geplante Programm würde wohl kaum weiter zu führen sein, auch die Beantwortung der Frage, ob Gackt jemals von dieser Bühne runter konnte, stand dann in den Sternen.

Zu seinem Glück meldete sich aber der Moderator wieder aus der Versenkung zurück und versuchte pflichtbewusst die Situation zu entschärfen. Ob ihm das allerdings weiter helfen konnte, bezweifelte Gackt nur wenige Sekunden später.

„Das war wirklich ein eindrucksvoller Auftritt! Als kleines Dankeschön für eure Begeisterung wird Gackt-san jetzt noch ein paar Autogramme geben“, verkündete der Moderator mit strahlendem Lächeln und Gackt war sich inzwischen sicher, dass der Mann einfach Schauspieler sein musste, anders war sein andauerndes fröhliches Auftreten nicht zu erklären.

Auffordernd blickte der Moderater den Braunhaarigen an und gab ihm deutlich zu verstehen, dass er sich endlich zu den wartenden Fans begeben sollte, bevor diese noch die Bühne stürmten. Mit einem Grinsen, das dem des Moderators in Nichts nachstand, kletterte Gackt hinunter und nahm die ihm entgegengestreckten Bücher und Stifte entgegen. Schwungvoll wollte er seine Signatur in das erstbeste Buch setzen, als ihm etwas in Auge fiel, das eigentlich gar nicht da sein konnte. Mitten auf der Seite prangte die Unterschrift von Hyde, groß und unübersehbar. Nachdem Gackt sichergestellt hatte, dass er unter keiner plötzlichen Sehschwäche oder Halluzination litt, wandte er sich an die hibbelige Besitzerin des Buches: „Wann hast du dieses Autogramm bekommen?“ Natürlich vergas er nicht einen gewinnbringenden Augenaufschlag und ein zuckersüßes Lächeln einzusetzen.

Das Mädchen konnte ihr Glück kaum fassen von Gackt angesprochen zu werden und beeilte sich seine Frage zu beantworten: „Ich hab Hyde erst vorhin gesehen, er wollte wohl zu dem italienischen Restaurant um die Ecke. Und da hat er mir…“, wollte sie ihre Erklärung fortsetzen, doch der Sänger hörte schon gar nicht mehr zu. Zum Dank für diese unbezahlbare Mitteilung setzte er seine Unterschrift unter Hydes und lief, die „Gaaaaaaaaaackt!“-Rufe ignorierend, an den Zuschauern, der Bühne und jedem, der es wagte ihm in den Weg zu kommen, vorbei.

Hyde befand sich nur wenige Meter von ihm entfernt! Sein Verstand überschlug sich förmlich bei diesem Gedanken. Er musste ihn erreichen, so eine Gelegenheit würde bestimmt nicht so schnell wieder kommen. Vielleicht würde sein Wunsch schneller in Erfüllung gehen, als er jemals zu hoffen gewagt hatte. Die Frage, weshalb sich Hyde ausgerechnet hier in einem Restaurant aufhalten sollte, wo er doch ansonsten scheinbar wie vom Erdboden verschluckt war, stellte Gackt sich erst gar nicht. Dem konnte er immer noch nachgehen, wenn er seinen Geliebten erst einmal wieder hatte.

Endlich hatte es der Braunhaarige geschafft die Menschenmenge zu umrunden und kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen, bevor er in die schwarzgekleideten Gestalten hineinrauschte, die beschäftigt vor einem ebenso schwarzen Wagen standen. Das große, verschnörkelte Schild zeigte an, dass er sein Ziel erreicht hatte.

Irgendetwas, und sei es sein normaler Menschenverstand, sagte ihm lieber nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen und das Geschehen zuerst nur zu beobachten. Während sich Gackt so unauffällig wie eben möglich in den Schatten drückte, kamen zwei japanische Mafiosi gerade mit einer dritten Person zurück, die sie zwischen sich herschleiften.

Der Braunhaarige brauchte noch nicht einmal gut sehen zu können, um Hyde sofort zu identifizieren. Wie schon so oft bei seinem Anblick blieb Gackt das Herz stehen und eine unbändige Wut auf die nicht gerade freundlich aussehenden Träger des Kleineren ergriff ihn. Später konnte er eigentlich nicht mehr sagen, weshalb er sich nicht sofort auf sie stützte, sondern zusah, wie sie Hyde in das Auto verfrachteten.

Was war nur geschehen? Die Frage jagte wie ein Stromschlag durch Gackts Kopf und ließ ihn bewegungslos zurück. Dass die seltsamen Mafiosi für Hydes Zustand verantwortlich sein mussten, war für ihn dagegen erst gar keine Frage. Wie hätte er auch drauf kommen sollen, dass Hyde nach seinem eigenen Auftritt zusammengeklappt war?

Gerade hatte er sich wieder soweit unter Kontrolle und hielt nach einer Möglichkeit Ausschau, wie er den Wagen verfolgen konnte, denn auf einen Kampf auf offener Straße wollte er sich doch lieber nicht einlassen, als eine Frau das Restaurant verließ und ebenfalls ins Auto stieg. Ihr Anblick versetzte Gackt seltsamerweise und ohne zu wissen weshalb einen Stich im Herzen. Er versuchte das ungewohnte Gefühl abzuschütteln und als sei es ein Geschenk des Himmel fiel sein suchender Blick auf ein großes schwarzes Motorrad nur wenige Meter von ihm entfernt.

Der Sänger trat aus dem Schatten, ließ das Objekt seiner Begierde, alias das Auto mit Hyde, aber nicht aus den Augen. Mit ein paar schnellen Handgriffen löste er die Sicherheitssperre des Fahrzeugs, eine grundlegende Ausbildung als Agent hatte zuweilen schon gewisse Vorteile, und schwang sich auf den Ledersitz. Er durfte keine weitere Sekunde verlieren, denn das Auto vor ihm setzte sich in Bewegung.

Während Gackt das Gaspedal durchdrückte und der Motor zustimmend aufheulte, legte der Mafiosi-Wagen ein gestrecktes Tempo vor, bei dem nicht nur eine Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten wurde. Zum ersten Mal in seinem Leben war der Solist dankbar für den dichten Verkehr auf Tokyos Straßen, verhinderte er doch, dass seine Verfolgung den Betreffenden sofort ins Auge viel. Trotzdem musste er vorsichtig sein und durfte nicht zu nah herankommen. Die Leuchtreklamen flogen an ihm vorbei, wurden zu einem einzigen grellen Streifen, während die Nachtluft seine Haare flattern ließ. Er legte sich in die Kurven und ignorierte eine rote Ampel, als ihm der schwarze Wagen durch die Lappen zu gehen drohte. Nicht wenige Blicke folgten seiner Gestalt, mit seinem wehenden weißen Mantel und dem nachtschwarzen Motorrad gab er aber auch ein einmaliges Bild ab.

Immer schneller ließen Verfolger und Verfolgte die Innenstadt hinter sich, nicht nur die Häuser wurden kleiner und verstreuten sich, auch der Verkehr nahm in den Außenbezirken beständig ab. Gackt musste seine Taktik ändern, sonst war es nur noch eine Frage der Zeit, bis seine Tarnung aufflog. Er war gezwungen sich immer weiter zurück fallen zu lassen und hätte um ein Haar beinahe die Rücklichter aus den Augen verloren. Für einige schreckliche Sekunden glaubte Gackt verloren zu habe, doch ein Einsehen des Schicksals bewarten ihn vor einem solchen Ausgang seines gewissermaßen selbstmörderischen Fahrerlebnisses. Die Lichter tauchten wieder auf und weiter ging die Fahrt durch die Straßen einer Stadt, die niemals schlief.

Bald säumten große Villen hinter hohen Zäunen die Straßen und sie schienen ihr Ziel erreicht zu haben. Rasant bremsten die Verfolgten ab und hielten schließlich vor einem der vielen gut betucht aussehenden Häusern. Auch Gackt, froh darüber, dass die Fahrt ein Ende hatte, hielt das Motorrad an. Wieder drückte er sich in die Schatten, doch diese Vorsichtsmaßnahme war anscheinend gar nicht nötig. Ohne ihm einen Grund zur Annahme zu geben, dass seine Verfolgung bemerkt worden war, öffnete sich das Eingangstor automatisch und verschluckte nur Sekunden später den schwarzen Wagen.

Als der Sänger alleine auf der menschenleeren Straße stand, kam es ihm merkwürdigerweise so vor, als hätte er sich alles nur eingebildet, als hätte es niemals einen Wagen mit Hyde drin gegeben. Er schüttelte nachdrücklich den Kopf, ließ das geklaute Motorrad an Ort und Stelle zurück und schlich mit klopfendem Herzen auf die Villa zu.

Nur noch wenige Meter und zugebener Maßen ein recht hoher Zaun trennten ihn jetzt noch von seinem Angebeteten, also nichts, was einer augenblicklichen Rettungsaktion im Wege stehen konnte. „Haido, gleich hol ich dich hier raus“, dachte Gackt mit kämpferischer Miene und machte sich daran eine geeignete Stelle zu finden, um das erste Hindernis, die Mauer, zu überwinden…., bis, ja, bis sein Blick zufällig an seiner Kleidung hängen blieb. Und Gackt wäre ja nicht Gackt gewesen, wenn sein Gehirn sich nicht sofort und in allen Einzelheiten ausgemalt hätte, was seinem schönen, weißen Mantel bei einer Kletteraktion oder gar beim Treffen auf Gegenwehr, passieren konnte. Wenn er genauer darüber nachdachte, stellte er sogar fest, dass er noch nicht einmal eine Pistole dabei hatte, Schusswaffen gehörten schließlich nicht unbedingt zu seinem normalen Bühnenoutfit. Generell betrachtet, stand er hier mit nichts weiter als seinen Klamotten am Leib, die natürlich ungemein gut aussahen und Hyde bestimmt in null Koma nichts bezaubern würden, aber wohl kaum in der Lage waren, Pistolenkugeln abzuhalten. Jetzt in diese sicher bestens bewachte Villa einzusteigen, konnte nur in einem Fiasko enden. Wahrscheinlich wäre er, sollte er es jemals mit bloßen Händen über diese bescheuerte Mauer geschafft haben, schneller entdeckt, als er auch nur „Piep“ sagen konnte. Und als Toter würde er sicher nicht mehr dazu beitragen können, Hyde zu helfen, geschweige denn ihn zu befreien.

So schwer es dem Braunhaarigen auch fiel sich das einzugestehen, aber in eben diesem Augenblick konnte er rein gar nichts ausrichten. Nachdem noch einige weitere Minuten verstrichen waren, in denen Gackts Ego seinen momentanen Tiefststand erreichte, stand er unverrichteter Dinge wieder vor dem geklauten Motorrad. Und er schwor sich bei allem, was ihm jemals heilig gewesen war, dass er sobald die ersten Sonnenstrahlen diesen Ort berühren würden, wieder hier war und dieses Mal in voller Ausrüstung.

Dazu musste er allerdings erst einmal den Ausgang aus diesem Irrgarten von Straßen finden, was gut und gerne noch den Rest der Nacht in Anspruch nehmen konnte.
 

Während Gackt den Weg zurück nach Hause suchte, kam Hyde endlich wieder zu Bewusstsein. Blinzelnd öffnete er die Augen und starrte an die weiße Decke. Er wurde das Gefühl nicht los, dass es besser war sich lieber nicht daran zu erinnern, wie er hier her gelang war. Als ihm sein Erinnerungsvermögen diesen Gefallen nicht erfüllen wollte und ihm stattdessen eine Kurzfassung der letzten Stunden gab, wäre Hyde am liebsten gleich wieder umgekippt. Sein Auftritt, oder passender sein Abgang, im Restaurant war vor allen Dingen eines gewesen: super peinlich.

Gerade hatte er sich wenigstens davon überzeugt, dass er alleine in diesem Raum lag und unbeobachtet vor sich hin leiden konnte, als Megumi in seinem Gesichtsfeld auftauchte. Irgendetwas an ihrem Blick und sei es das seltsame Lächeln auf ihren Lippen, ließ ihm die Sache gleich drei mal so peinlich erscheinen, wenn eine Steigerung überhaupt noch möglich war.

„Wieder wach?“, fragte sie immer noch lächelnd und blickte Hyde abschätzend an. Er antwortete mit einem undefinierbaren Gemurmel, verneinen konnte er die Frage ja kaum.

Dann herrschte für einen Moment Stille in dem sich der Sänger vergewisserte, dass nicht noch andere Personen anwesend waren. Megumi hingegen machte die ganze Zeit den Eindruck, als würde ihr etwas auf der Zunge brennen und sie könnte sich nur noch mühsam zügeln, es nicht einfach auszusprechen. Dass Megumis Aufregung nichts Gutes zu bedeuten hatte, davon war Hyde überzeugt.

Schließlich hielt sie es wohl einfach nicht mehr aus. Mit einem undefinierbaren Lächeln beugte sie sich dichter zum Schwarzhaarigen hinunter und fragte unverhohlen: „Das hat er doch für dich gesungen, oder?“

Schockiertes Schweigen war die Antwort. Aufgerissene braune Augen gepaart mit sich blitzschnell rötenden Wagen strahlten ihr entgegen. Diese Reaktion sagte mehr als tausend Worte, eine genauere Antwort hätte sie sich nicht wünschen können.

„Ich wusste es!“, rief Megumi aus und ihre Augen schienen vor lauter Glitzern schon fast Funken zu sprühen. „Ihr seid also zusammen? Du liebst ihn, oder?“, fügte sie noch hinzu, dabei klang es mehr nach einer Feststellung als einer Frage.

Hydes Verstand brauchte eine ganze Weile, bis das eben Gehörte einen Weg in sein Gehirn fand und die Information verarbeitet wurde. Dann allerdings war es sowieso schon zu spät. Doch als er die Augen schoss, erwartete ihn keine erneute Ohnmacht, nur Megumis Kichern erreichte seine Ohren. Jetzt wusste sie es also und leugnen war zwecklos, was hätte er auch sagen sollen. Und es war ja nicht so, dass seine Beziehung etwas war wofür er sich schämen musste. Erstaunlich war nur, dass Megumi noch nicht fluchtartig den Raum verlassen hatte, nachdem sie erfahren musste, dass ihr zukünftiger Ehemann lieber mit Männern in die Kiste stieg als mit Frauen.

„Woher?“, fragte Hyde nur und ärgerte sich nicht weiter über die Tatsache, dass sie ihn ohne zu fragen plötzlich duzte. Es hätte je eh keinen Sinn gehabt.

Ein weiteres Kichern war die Folge. „Das war aber mehr als offensichtlich!“, grinste Megumi ihn an. „Du hättest dich nur einmal sehen sollen. Als Gackt-san gesungen hat, sahst du aus, als wärst du am liebsten auf der Stelle zu ihm hin. Und deine Ohnmacht hat meine Vermutung da nur bestätigt.“

Als sie Gackts Namen aussprach, wurde auch Hyde klar, dass er nur eines wollte, endlich wieder zu Gackt und zwar sofort. Der bloße Gedanke an ihn, ließ den Schwarzhaarigen fast wahnsinnig werden vor Sehnsucht. Wie deutlich sich seine Gefühle auf seinem Gesicht widerspiegelten, zeigte ihm Megumis Grinsen. Doch er verstand sie immer noch nicht.

Er wollte gerade den Mund öffnen, um nachzufragen weshalb sie sich noch mit ihm abgab, als Megumi ihm mal wieder zuvor kam. „Das ist absolut großartig!“, brachte sie unter andauerndem Grinsen hervor. Und jetzt erkannte Hyde auch endlich was Megumis Kichern und das Glitzern ihrer Augen zu bedeuten hatte: Es war schlicht und einfach pure Begeisterung!

Hyde verstand die Welt nicht mehr.
 


 

Da hat Megumi doch eine ganz schöne Wandlung vollzogen *grins*

Ich hab einfach mal versuchen wollen, sie etwas anders darzustellen und nun ist sie zu einer absoluten Verrückten mutiert XD

Hat doch etwas Sympathisches ^^ was meint ihr?
 

Bis zum nächsten Mal

himachan

A View to a Death

Endlich hab ich es fertig, das neue Kapitel! Dieses Mal hat es wirklich extrem lange gedauert und schuld war natürlich wieder mal die Schule *wie sonst*

Aber jetzt ist es fertig und ich hoffe, ihr lasst euch nicht vom Titel abschrecken, so schlimm wird es schon nicht werden *lach*

Und als kleine Entschuldigung ist es auch recht lang geworden, also hoffe ich mal, dass es euch auch gefällt *nod*

Viel Spaß also beim Lesen!
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

14. Kapitel

A View to a Death
 

„Wie jetzt, großartig?“, meldete sich ein völlig verwirrter Hyde nach einer langen Minute des Schweigens wieder zu Wort, in der Megumi ihren begeisterten Blick kein einziges Mal von ihm abgewandt hatte. „Du sollst mich heiraten und ich liebe einen Mann… was kann denn daran großartig für dich sein?“ Hyde mochte ja zugeben, dass er noch nie gut darin gewesen war, herauszufinden was in den Köpfen von Frauen vor sich ging, aber dass er hier mit einer saß, die sich auch noch freute, nachdem sie wusste, wem sein Herz gehörte, war schon mehr als angsteinflössend. Für eines hatte der Schock aber zugegebenermaßen gesorgt, er war wieder hellwach.

Megumi ihrerseits schien auch wirklich nichts aus der Ruhe bringen zu können, sie blickte nur einmal kurz zur Tür, wie um sich zu vergewissern, dass niemand sie belauschen konnte, dann setzte sie mit wohlwollendem Lächeln zu einer Erklärung an. „Ach was Heirat! Natürlich hätte ich nichts dagegen gehabt so einen berühmten und noch dazu gutaussehenden Ehemann zu bekommen. Doch allein schon der Gedanke, was du zusammen mit Gackt für ein Traumpaar abgibst, hach! Da werd ich doch nicht mehr an so etwas denken. Und ich bin sicher nicht die erste, die findet, dass ihr perfekt zusammenpasst. Wenn du nur wüsstest, was im Internet so über euch kursiert!“ Die Schwarzhaarige grinste Hyde vielsagend zu, der natürlich sofort rosa anlief. „Du würdest Augen machen, die Fantasie von euren Fans kennt in der Beziehung wirklich keine Grenzen. Und…“, Megumi machte eine dramatische Pause, „ich bin die erste, die weiß, dass ihr auch in echt ein Paar seid!“ Ein blendendes Stahlen folgte auf diese Worte hin.

„Gewesen seid“, berichtigte Hyde mit einem Seufzen. Gleichzeitig schwor er sich niemals wissen zu wollen, was in den Untiefen des Internets alles über ihn und Gackt zu finden war. Nein, er hatte nicht die geringste Lust darauf, herauszufinden auf welche Fantasien Fans kommen konnten. Die Bekanntschaft mit einer von dieser Sorte reichte wohl für sein restliches Leben, das, wenn er seinem Onkel weiter so entgegen trat, eh nicht mehr besonders lang sein würde.

„Ich habe alles falsch gemacht!“ Wütend auf sich selber ließ sich der Sänger wieder in die Kissen sinken. „Ohne mit Gackt zu reden, bin ich einfach abgehauen. Und jetzt sitz ich hier fest, wobei ich froh sein kann, wenn mein Onkel nicht mit noch mehr Überraschungen als dieser Hochzeit ankommt. Gackt werde ich frühestens bei seinem nächsten Fernsehauftritt zu Gesicht bekommen, wenn ich bis dahin nicht vor Sehnsucht schon gestorben bin. Denn ja, ich vermisse ihn furchtbar!“ Mittlerweile war es dem Sänger egal, wie viel er Megumi über sich preisgab, die Frau schien ihn sowieso recht genau zu kennen. Und wer war zum Ausheulen besser geeignet, als jemand, der so fanatisch auf ihre Beziehung versessen war wie Megumi? „Es ist doch völlig unmöglich, dass wir uns auch nur noch einmal sehen können, selbst wenn mich Gackt zurück haben will.“ Was ich mehr als alles in der Welt hoffe, fügte er in Gedanken hinzu. „Aber ich stecke bis zum Hals in dieser verfluchten Organisation von meinem Onkel fest und Gackt gehört zu…“ Hyde stocke, fast hätte er ´zum Geheimdienst´ gesagt, aber durfte er Megumi wirklich so viel anvertrauen? Okay, seine Gefühle kannte sie auch ohne ihn danach gefragt zu haben, doch auch wenn ihm die Frau mehr als nur ein bisschen verrückt vorkam, gehörte auch sie zum Waffenschmuggelring. Mehr noch, Megumi war die Tochter eines ziemlich hohen Tieres und er hatte nicht die leiseste Ahnung auf welcher Seite sie selber in der ganzen Angelegenheit stand. Konnte er ihr also wirklich sein Vertrauen schenken?

Wie als hätte Megumi geahnt, was sich hinter Hydes angespannt gerunzelter Stirn abspielte, änderte sich für einen kurzen Moment ihr Lächeln und sie machte mehr den Eindruck einer Frau, die ganz genau wusste, was sie im Leben wollte und wie sie ihre eigenen Ziele erreichen konnte. „Ich mag dich, Hyde“, sagte sie dann unvermittelt. „und ich kann nicht mit ansehen, wie du in Quälereien versinkst, weil du glaubst alles mit deiner große Liebe vermasselt zu haben, besonders, wenn es sich dabei um Gackt handelt. Vielleicht wirke ich nicht sehr, na ja, normal auf dich“, darauf konnte Hyde nur zustimmend nicken, „trotzdem kannst du mir vertrauen, denn ich möchte dir helfen. Wir stehen beide auf der selben Seite!“

Noch immer sah Hyde die Frau im hellblauen Kostüm mit Skepsis im Blick an. „Schön und gut, dass du meine Beziehung retten willst. Aber woher weiß ich, dass du mich nicht irgendwann an meinen Onkel verraten wirst? Wie kann ich dir da die ganze Wahrheit sagen?“, fragte Hyde und schloss die Augen. Einen Verbündeten zu haben, hier in den Mauern seines Gefängnisses, war schon ein sehr verlockender Gedanke. Ein Gedanke, dem Hyde nur zu gerne nachhing.

Erneut unterbrach die klare Stimme von Megumi seine Überlegungen. „Was hast du jetzt noch zu verlieren? Ich kann dir weitaus mehr helfen, als du denkst. Niemand wird Verdacht schöpfen, wenn wir uns vertraut unterhalten, dein Onkel würde sich darüber nur freuen. Denn je schneller er uns verheiratet weiß, desto schneller ist er seinen unbeugsamen Neffen los. Du willst Gackt wiedersehen? Also gut, ich werde dir dabei nur zu gerne helfen. Doch vorher erzählst du mir alles über die Geschehnisse der letzten Tage.“

Strahlend und trotzdem mit einer gewissen Strenge blickte Megumi zu Hyde hinunter. Dieser nickte schließlich ergeben. Sein Wunsch nach einem Verbündeten, seine Sehnsucht nach Gackt und die Hoffnung, dass diese verrückte Megumi ihm tatsächlich helfen konnte, siegte über all die Zweifel und Ängste in seinem Herzen. Er hatte schon so viele Fehler begangen, hatte nie jemandem vertraut, selbst Gackt hatte er letztendlich die ganze Zeit belogen; dieses eine Mal wollte er es wenigstens schaffen einem Menschen sein Vertrauen zu schenken und sei es nur, um seinen Geliebten wiederzusehen. „In Ordnung“, antwortete der Sänger deshalb und hoffte inständig mit diesen Worten seine Fehlerquote nicht noch weiter zu erhöhen.

Megumis Reaktion bestand mal wieder aus einem Quietschen und einem funkensprühenden Blick, doch selbst das schaffte es nicht Hydes Entschluss rückgängig zu machen. Er wollte Gackt wieder haben, dafür würde er noch weit mehr ertragen, als nur Megumis Freudenbekundungen.

„Sehr schön!“, freute sie sich. „Ich bringe euch wieder zusammen und dafür bekomm ich dann einen hochromantischen Kuss zu sehen!“ Während Megumi kicherte, wurde Hyde augenblicklich wieder rosa.

„Und vielleicht ist Gackt sogar näher als du denkst…“, fügte sie noch zwinkernd hinzu.
 

Obwohl er es selber fast nicht mehr für möglich gehalten hatte, stand Gackt irgendwann tatsächlich wieder vor seiner Haustür. Es hatte ihn einige Mühe gekostet den Weg nach Hause zu finden, vor allem, weil er sich den Standpunk vom Anwesen der Takarais, denn darum musste es sich bei der Villa einfach handeln, alle paar Sekunden wieder ins Gedächtnis rief. Denn was nützte es ihm den Irrgarten lebend zu verlassen, Hyde anschließend aber nicht wieder zu finden?

Nachdem das Motorrad mit einem Platz an der Hauswand vorlieb genommen hatte, betrat Gackt zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, so kam es ihm jedenfalls vor, seinen eigenen Flur. Aus dem einfachen Grund, dass sich in seinen Koffern und Taschen zwar genug Klamotten für die nächsten zwei Monate befanden, aber leider nichts, was sich für einen Einbruch eignete, hatte er darauf verzichtet zu Hydes Wohnung zu fahren und war stattdessen zur Abwechslung bei seiner eigenen gelandet.

Ohne Licht anzumachen, ging der Braunhaarige sofort ins Schlafzimmer, öffnete den Kleiderschrank und kramte in der hintersten Ecke nach dem Stapel Einsatzklamotten. In Rekordzeit vollzog Gackt die Verwandlung vom gefeierten Sänger in einen brauchbaren Geheimagenten mit kugelsicherer Weste. Nachdem er auch die passenden schwarzen Handschuhe gefunden hatte, erlaubte er sich für einen Moment einen Blick in den Spiegel und nickte seinem Spiegelbild selbstsicher zu. Mit diesem Aussehen musste die Rettungsaktion jetzt einfach klappen. Schnell zog er noch zwei geladene Pistolen hervor, bevor er das Zimmer wieder verließ und den nächsten Zwischenstopp im Wohnzimmer einlegte. Um auf Nummer sicher zu gehen, suchte Gackt einen Stadtplan und rief sich zum wiederholten Mal die zurückgelegte Strecke ins Gedächtnis, die er anschließend auf dem Stadtplan markierte. Ein dickes rotes Kreuz platzierte er an die Stelle der Takarai-Villa. Diesen Weg würde er bestimmt nicht mehr so schnell vergessen, dachte Gackt und legte den Stadtplan zusammengefaltet auf den Couchtisch.

Die Dämmerung deutete sich schon am Horizont an, als der Schwarzgekleidete zurück zum Motorrad ging. Es war also höchste Zeit loszufahren und das Versprechen einzulösen; bevor die Sonne aufging, hatte Gackt sich geschworen wieder vor dem Tor zu stehen und dieses Mal Hyde zu retten. Trotzdem überkamen ihn leichte Gewissensbisse, während er den Motor startete. Fast schon konnte er Naruse-sans aufgebrachtes Gesicht vor sich sehen und hören, wie er ihn lauthals zur Rede stellte. Denn was Gackt mit dieser Aktion vorhatte, verstieß gleich gegen ein Duzend Regeln des Geheimdienstes. Einen Alleingang zu starten, gegen die ausdrückliche Anweisung des Chefs sich die nächsten paar Tage zurückzuhalten und auszuruhen, wenn er da mit einer kurzzeitigen Suspendierung durchkam, konnte er noch zufrieden sein. Ihm war durchaus klar, dass sein Eindringen in die Villa gefährlich war, wenn nicht sogar selbstmörderisch. Auch wenn Gackt sich gerne im Mittelpunkt sah und nichts gegen ein bisschen Publicity einzuwenden hatte, er war nicht so dumm, anzunehmen Hyde ohne Probleme befreien zu können. Nein, er stellte sich auf Gegenwehr ein, doch für seinen Geliebten war er bereit in die Höhle des Löwen zu gehen. Die Konsequenzen seines Handelns waren ihm egal, ihm, aber seinem Chef sicher nicht. Doch bis eine großangelegte Aktion geplant war, wer weiß was Takarai Shinobu in der Zwischenzeit mit seinem Hyde angestellt hatte. Gackt musste jetzt handeln, jetzt in diesem Augenblick. Er würde es sich niemals verzeihen können, sollte er zu spät kommen, nur weil er die Regeln befolgt hatte. Was waren die billigen Geheimdienstregeln schon im Vergleich zum Leben des einzigen Menschen, dem sein Herz gehörte? Deshalb verzichtete er auf einen Anruf im Hauptquartier, früher oder später würden seine Kollegen schon von seiner Aktion Wind bekommen und bis dahin, war Hyde hoffentlich längst nicht mehr in der Schusslinie.

Das Geräusch des Motors heulte durch die Straßen und jede Minute, die verstrich, brachte Gackt näher an sein Ziel. Er musste lächeln, als er daran dachte, wie aus ihm, dem gestern noch so stürmisch bejubelten Sänger in wenigen Stunden ein Einbrecher geworden war. Bei dem, was er gleich tun würde, fiel es auch nicht weiter ins Gewicht, dass es sich bei dem Motorrad um Diebesgut handelte. Nur gut, dass niemand von seinen Fans von dieser Seite an ihm etwas ahnte. Ein Diebstahl machte sich sicher nicht sehr vorteilhaft neben der Bemerkung, dass er zum sexiest man in Japan gewählt worden war.

Sein Ego befand sich auf einem bedeutet höheren Level, als Gackt zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden vor dem hohen Zaun um die herrschaftliche Villa der Takarais zum Stehen kam. Da konnte er zur Abwechslung wirklich mal auf sein Gedächtnis stolz sein. Wegen der Tatsache, dass er sich nicht ein einziges Mal verfahren hatte, war er auch recht positiv gestimmt und begann erneut nach einer passenden Stelle zu suchen, um über den Zaun zu klettern. Da seine Kleidung keine Behinderung mehr darstellte, schaffte es der Braunhaarige auch schnell und vor allen Dingen ohne ein Geräusch zu verursachen sich mit Hilfe eines kleinen Hakens an der Mauer entlang nach oben zu ziehen. Ein Blick auf die andere Seite zeigte ihm einen üppigen und weitläufigen Garten, den viele schon von der Straße sichtbare Bäume und leuchtende Blumen zierten. Erst ein ganzes Stück weit entfernt ragte die Villa in ihrer ganzen Pracht auf. Hätte es Gackt nicht besser gewusst, so wäre er bei diesem wahrhaft paradiesischen Anblick sicher nicht auf die Idee gekommen, es handle sich hier um den Sitz einer Schmugglerbande. Er musste schon zugeben, dass die ersten Sonnenstrahlen ein Versteck zeigten, wie es besser nicht hätte sein können.

Doch leider fiel sein Blick nicht nur auf das schöne Anwesen, sondern auch auf weitaus unangenehmere Dinge. Direkt vor seinen Augen befand sich ein dünnes Kabel, das einmal über die gesamte Länge des Zauns führte und an mehreren Stellen für den Bruchteil einer Sekunde rot aufblinkte. Um zu erkennen, worum es sich handelte, musste Gackt noch nicht mal eine langjährige Ausbildung als Agent hinter sich haben. „Ne Alarmanlage, war ja klar“, murmelte er leise. Bevor er allerdings Zeit hatte das Gerät genauer unter die Lupe zu nehmen, sah er gerade noch rechtzeitig die nächste technische Errungenschaft. Ruckartig duckte er sich unter der Überwachungskamera weg, die gerade erbarmungslos ihren Kopf in seine Richtung drehte. Noch einen Moment länger und sein Gesicht wäre in aller Schönheit auf den sicherlich vorhandenen Bildschirmen in der Villa aufgetaucht; auf diese Form der Medienpräsens konnte er aber gut und gerne verzichten. „Vielleicht hätte ich die Maske doch nicht weglassen sollen“, überlegte Gackt und verfluchte kurz seinen Hang sich immer nur perfekt gestylt in die Öffentlichkeit zu begeben, selbst dann, wenn er überhaupt nicht gesehen werden wollte. Er konnte nur hoffen, dass ihm diese Angewohnheit hier nicht zum Verhängnis wurde, denn solch ein Glück wie eben, hatte er bestimmt nicht immer.

Nachdem der Sänger die Kamera für einen Moment beobachtet hatte, wusste für wie viele Sekunden sie nicht direkt auf ihn gerichtet war und auch, dass es zum Glück nur eine von der Sorte gab, zog er sich blitzschnell weiter hoch. Er verlagerte sein Gewicht und schwang die Beine dann in hohem Bogen über die Mauer. Mit einem leichten Aufklatschen, aber ohne das Kabel der Alarmanlage berührt zu haben, landete er im perfekt gestutztem Gras. Damit war der erste Teil des Einbruchs geglückt, doch noch war es zu früh um aufzuatmen, die technische Verteidigung war bestimmt immer noch harmloser als die menschliche.
 

Mit ihrem üblichen Lächeln auf den Lippen verließ Megumi das Zimmer des kleinen Sängers. Hyde hatte nach einigem Drängen ihrerseits nachgegeben und nun war sie, wohl als erste Frau auf diesem Planeten, bestens in die Beziehung der beiden eingeweiht. Über den versprochenen Kuss bekam sie schon bei der bloßen Vorstellung leuchtende Augen. Die Eröffnung allerdings, dass Gackt zum Geheimdienst gehörte, war da weit weniger erfreulich gewesen. Trotzdem, sie hatte ihre Hilfe angeboten und die würde ihr Lieblingspaar auch bekommen.

Nun, da Hyde wieder eingeschlafen war, machte sich Megumi zunächst auf den Weg zu dessen Onkel. Ein bisschen die besorgte Verlobte spielen, konnte nie etwas schaden. Doch noch bevor sie das Büro von Shinobu-san erreichte, vernahm sie Stimmengewirr, was eigentlich ungewöhnlich für diese Tageszeit war. Vorsichtig geworden, blieb die Schwarzhaarige an die Wand gelehnt stehen und lauschte, dankbar für die dünnen japanischen Wände, dem Wortwechsel auf der anderen Seite.

„…deshalb sollten wir ihn abschießen, bevor er noch mehr Schaden anrichten kann und seine Kollegen herholt! Ich verspreche Ihnen, der Kerl ist so gut wie tot!“ Bei diesen kalten Worten stockte Megumi der Atem, in was war sie denn da reingeraten?

„Alles zu seiner Zeit“, hörte sie nach einem Moment der Stille eine weitere Stimme, die sie ohne Probleme als Shinobu-san höchstpersönlich erkannte. „Meinst du nicht, wir hätten es schon längst mit einer ganzen Horde von diesen Schnüfflern zu tun, wenn unser Besucher von offizieller Seite aus hier wäre?“

„Sie meinen…“, dieses Mal klang die kalte Stimme überrascht, „er ist auf eigene Faust unterwegs? Aber weshalb?“

„Um genau das herauszufinden, werde ich ihn einstweilen am Leben lassen. Unsere Gegner würden niemals einen Agenten alleine schicken, sollten sie die Villa tatsächlich gefunden haben. Doch die Fähigkeiten dieser Truppe in allen Ehren, ich trau es ihnen nicht zu.“ Gerade zu protzend vor Selbstvertrauen ließ sich Shinobu-san wohl aller Wahrscheinlichkeit über den japanischen Geheimdienst aus. „Auch als Ablenkungsmanöver halte ich diese Aktion für zu auffällig, doch zur Sicherheit werdet ihr die Wachen verstärken und das Überwachungsmaterial der letzten Stunden noch einmal durchsehen. Ansonsten will ich den Typen lebend vor mir sehen, der Rest ist euch überlassen. Fangt ihn mir ein!“, lautete die letzte Anweisung, woraufhin schnell eine Bestätigung durch die kalte Stimme folgte.

Als nächstes vernahm die aufgeregt vor der Tür stehende Megumi Schritte auf den Tatamimatten, es war also höchste Zeit von hier wegzukommen. Auch wenn Shinobu-san sie für recht vertrauenswürdig halten mochte, immerhin befand sie sich schon seit einigen Stunden ohne ständige Überwachung in der Villa, spätestes, wenn er sie hier vor der Tür erwischte, war sie die längste Zeit mit seinem Neffen verlobt gewesen. So schnell und leise es ihn ihrem engen Kostüm möglich war, drehte sie sich um und verschwand in Richtung Garten. Denn bevor sie Hyde von ihren interessanten Neuigkeiten erzählen würde, solange die Schlafmütze überhaupt wach zu kriegen war, wollte sie zuerst ihren Verdacht überprüfen. Wenn dieser zutraf, bekam Hyde sein Treffen früher als gedacht, ihren hochromantischen Kuss natürlich nicht zu vergessen.
 

So ganz allmählich wurde Gackt doch unruhig. Er war schon geschlagene zehn Minuten in diesem Garten und hatte noch immer keine Menschenseele zu Gesicht bekommen. Nicht, dass er so ein großes Verlangen nach Kontakt mit dem Takarai-Clan hatte, von seinem Angebeteten einmal abgesehen, aber hier herumzulaufen, ohne auch nur eine Wache oder ähnliches zu sehen, hatte er nicht erwartet. Was, wenn man ihn schon längst entdeckt hatte und ihn nur noch etwas länger in Sicherheit wiegen wollte, bevor der Moment zum Zuschlagen gekommen war? War es eine Falle, in die er gleich tappen würde?

Trotzdem, Gackt war schon so weit gekommen, sich jetzt nur wegen solchen Gedanken Angst machen zu lassen, wo Hyde doch so nah war, wollte er einfach nicht. Also schlich er weiter um das Haus herum, überlegte an welcher Stelle er am besten einsteigen sollte. Im hinteren Teil des Gartens standen die mittlerweile schon verblühten Obstbäume und gaben den Blick frei auf eine breite Veranda, die nur von dünnen Wänden abgegrenzt wurde und dann in den Flur überging. Diese Türen aufzubekommen, würde wirklich ein Kinderspiel werden, dachte der Braunhaarige erfreut; eine japanische Villa war eben auch für Einbrecher geradezu ideal.

Kurz bevor er aber den ersten Fuß auf die Stufen setzte, sah er gerade noch aus den Augenwinkeln eine Bewegung über sich. Alarmiert tauchte Gackt unter das Vordach, um einer möglichen Schusslinie zu entkommen und zog eine seiner Pistolen aus der Halterung. In genau diesem Augenblick sprang auch schon ein schwarzer Schatten vom Dach, auf den Gackt seine entsicherte Pistole richtete, noch bevor der Mann den Boden berührte. Sein Angreifer hatte im Gegensatz zu ihm nicht auf die Gesichtsmaske verzichtet und so kam sich der Sänger fast wie in einem Ninja-Streifen vor, als er seinen Finger um den Abzug legte und abdrückte. Die Kugel verfehlte ihre Wirkung nicht und mit angeschossenem Bein sackte der Ninja-Verschnitt zusammen. Gackt hatte schließlich nicht vorgehabt Leichen zu hinterlassen, sondern wollte die Wache nur außer Gefecht setzten. Schnell beugte er sich über den Mann, setzte an, um diesem mit der Pistole zur Sicherheit noch mal eins über zu ziehen, als er hinter seinem Rücken wieder etwas Verdächtiges wahrnahm. Bevor sich der Braunhaarige allerdings umgedreht hatte, hörte er schon das typische Geräusch einer entsicherten Pistole und konnte gerade noch den Kopf wenden, um dieser in den Lauf zu blicken. Der nächste Augenaufschlag zeigte ihm gleich zwei neue Gegner, beide bewaffnet und beide Waffen auf ihn gerichtet. Zeit, die eigene Pistole in Reichweite zu bringen, blieb Gackt nicht, bei dieser Bedrohung war selbst die kugelsicherste Weste nutzlos.

Es war also doch eine Falle gewesen und er hatte sich fangen lassen, wie der dümmste Anfänger. Wütend auf sich selbst, weil er sich so leicht von dem ersten Angreifer ablenken ließ und dabei nicht mehr genügend Aufmerksamkeit auf seine Umgebung richtete, ließ er seine Pistole sinken. Er hatte nicht den leisesten Zweifel, dass die beiden vermummten Gestalten vor ihm auch nur eine Sekunde zögern würden den Abzug zu betätigen, sollte er nur eine falsche Bewegung machen.
 

Die Hände vor den Mund geschlagen, stand Megumi in den Schatten des anbrechenden Tages versteckt auf dem Flur und beobachtete das Geschehen im Garten. Wie gerne hätte sie Gackt ein „Vorsicht!“ zugerufen, als die Wachen so plötzlich hinter ihm aufgetaucht waren, doch hätte ihm das wohl kaum noch helfen können. Zu erkennen, um wen es sich bei dem morgendlichen Besucher handelte, war ihr nicht schwer gefallen; Gackts brauner Wuschelkopf konnte einfach keinem anderen gehören. Sie hatte also mit ihrer Ahnung recht behalten, aber so wie es jetzt aussah, steckte der Sänger ganz schön in Schwierigkeiten. Zum Glück kam er nicht auf die Idee, sich zur Wehr zu setzen, sondern stand langsam auf und ging den beiden Männern voran ins Haus, während der Verletze hinterher humpelte. Megumi, zur stillen Zuschauerin verdammt, folgte der Gruppe in sicherem Abstand, schließlich durfte sie Hyde zuliebe kein Detail verpassen.

„Bleib stehen!“, knurrte einer der Vermummten hinter Gackt, woraufhin dieser anhielt. Sie standen vor einer verschlossenen Tür, die sehr viel stabiler aussah, als die anderen Türen der Villa und auch der Rest dieses Gebäudekomplexes machte einen weit modernen Eindruck im Vergleich zur Hauptvilla. Auf ein kurzes Klopfen hin folgte ein Klicken und die Tür öffnete sich. Gackt wurde mehr oder weniger hineingeschoben, bevor sich die Tür auch schon wieder schloss. Die drei Wachen entfernten sich schnell und hinterließen eine enttäuschte Megumi, die ihren Kopf an die Wand presste, doch trotzdem kein Sterbenswörtchen hören konnte.

Im Inneren des Raumes fand der braunhaarige Sänger einen länglichen Tisch und mehrere Stühle vor, ansonsten war das Zimmer bis auf ein paar Kisten an der Wand leer. Jedenfalls, was die Einrichtungsgegenstände betraf, finster dreinblickende Wachmänner standen in genügender Zahl im Raum verteilt. Gackt seufzte leise, wie sollte er denn bei dieser Bewachung jemals Hyde finden können? Sein Plan, in die Villa einzusteigen, war wirklich voll nach hinten losgegangen. Obwohl, in der Villa befand er sich schon, die Frage war viel eher, ob er das Gebäude jemals wieder leben verlassen würde.

Gerade als Gackt überlegte, sich nicht einfach auf einem Stuhl niederzulassen, weil sich keiner der Wachen zu einem Angebot sich zu setzen herabgelassen hatte, öffnete sich die Tür erneut. Der Sänger drehte den Kopf und erblickte das Antlitz eines zufrieden drein schauenden schwarzhaarigen Mannes, dem sich auch alle anderen Blicke auf der Stelle zuwandten. Keine Frage, bei einem Mann, der so viel Macht ausstrahlte konnte es sich um keinen geringeren als den Chef des Ganzen handeln, Takarai Shinobu! Sollte Gackt sich nun freuen diesem Widersacher endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen? Noch vor ein paar Tagen war er der festen Überzeugung gewesen, ihn beim ersten Blickkontakt dem Erdboden gleich zu machen, doch in anbetracht der Überzahl an Wachmännern, beschloss Gackt diese Aktion lieber auf später zu verschieben, so eilig hatte er es mit dem Sterben heute auch wieder nicht.

Noch bevor sich der Braunhaarige zu überhaupt einer Handlung durchgerungen hatte, spazierte Takarai-san an ihm vorbei und setze mit selbstgefälliger Miene zum Sprechen an: „Ein Agent in eigener Mission unterwegs, wie wird dem Geheimdienst das wohl gefallen? Nur bedauerlich, dass wir Sie so schnell aufgehalten haben, nicht wahr?“ Jeder, der Gackt kannte und wusste, dass dieser nicht gerade mundfaul war, hätte sicher mit einer hitzigen Antwort gerechnet, nur blieb diese zum großen Erstaunen, besonders von ihm selber, aus. Was hätte er darauf auch schon groß antworten können? Natürlich würde der Geheimdienst nicht gerade begeistert von seinem Alleingang sein und Luftsprünge wegen der Festnahme zu vollziehen war auch mehr als unpassend. Andererseits legte Gackt es nicht darauf an Hyde noch mehr Probleme zu bescheren, als dieser ohnehin schon hatte und schwieg deshalb auch auf die nächste Frage vom Takarai-Oberhaupt, weshalb er sich denn alleine zu ihnen bemüht hatte.

„Nun gut, wenn Sie uns nicht an Ihren Motiven teilhaben lassen wollen, sehe ich leider keine andere Möglichkeit, als dass wir uns von Ihnen verabschieden müssen. Ich denke doch nicht, dass Sie Ihr Auftraggeber sehr vermissen wird, also dann…“, Takarai-san winkte kurz seinen Leuten zu, woraufhin zwei von ihnen sofort nach vorne traten und sich zu beiden Seiten des Sängers aufstellten. Das war sie also gewesen, die Ankündigung seines Todes. Schon so oft hatte Gackt dem nahenden Tod ins Auge geblickt, manchmal wusste er selber nicht, wie er dennoch mit dem Leben davon gekommen war. Doch jetzt war es anders. Es stand außer Frage, dass man ihn gleich umbringen würde, auch wenn die kalten Worte von Shinobu-san so ausdruckslos klangen, konnte der Braunhaarige die getroffene Entscheidung in den schwarzen Augen lesen. Gerne hätte er den Geheimdienst darüber aufgeklärt mit welchen Methoden die Schmuggler zu Werke gingen und wie wenig Zeit verstrich, bevor sie ein Todesurteil fällten. Doch dazu würde er keine Gelegenheit mehr bekommen. In seinem Kopf rotierten aufs Neue die Gedanken, überschlugen sich, um verzweifelt einen Ausweg zu suchen. Wenn er seine Meinung ändern würde, wenn er doch den Grund seines Kommens nennen würde… ja, vielleicht würde sich der Zeitpunkt seines Todes nach hinten verzögern, abwenden konnte er ihn nicht mehr. Aber seinen Geliebten mit hineinzuziehen, ihn zu verraten; Gackt konnte es nicht. Auch nicht im Angesicht des Todes, auch nicht, wenn ihm nur noch wenige Minuten blieben. Seine Liebe zu Hyde hielt ihn davon ab auch nur ein Wort zu sagen. Zu sterben, ohne Hydes Lächeln vorher noch einmal sehen zu können, erschien ihm schlimmer, als der Tod selbst. Aber Hyde dem gleichen Schicksal zu überlassen, übertraf beides noch bei weitem.

Seinem trostlosen Ende ohne Ausweg überlassen, senkte Gackt den Kopf. Sich zu wehren, war genauso sinnlos, wie etwas zu sagen, also versuchte er es erst gar nicht und ließ reglos zu, wie ihm dieses Mal Handschellen angelegt wurden. „Sie sind sehr tapfer, das muss ich schon zugeben“, erklang wieder die Stimme des Mannes, der seinen Tod mit so wenigen Worten beschlossen hatte. „Die meisten in Ihrer Situation fangen an zu reden, pausenlos, nur damit wir sie am Leben lassen oder sie brechen in Tränen aus. Eigentlich ist es doch schade, Sie jetzt zu töten…“ Shinobu-san lachte leise und herzlos auf und Gackt drehte sich der Magen um. Den Mann vor sich zu packen und seine Kehle zuzudrücken, wie verlockend erschien ihm dieser Gedanke?

Ein weiteres kurzes Handzeichen später und einer der Männer öffnete die Tür wieder, bereit den Gefangenen abzuführen. Genau in diesem Moment wurde im anderen Teil des Raumes eine Stimme laut und alle Köpfe drehten sich in diese Richtung, als sich eine Wache mit der flachen Hand kräftig gegen die Stirn schlug. „Ich wusste doch gleich, dass ich den Kerl schon einmal gesehen hab!“, rief der Mann und machte den Anschein sich gleich noch ein bisschen weiter vermöbeln zu wollen. „Gestern, bei dem Konzert, dieser Live-Übertragung, da hab ich durch Zufall draufgeschaltet und ich bin zu hundert Prozent sicher, dass er dort gesungen hat. Sein Name war…“, es folge eine kurze Pause angestrengten Nachdenkens, bis dann ein „…Gackt!“ ertönte. Benannte Persönlichkeit rätselte einen Moment, wie man seinen Namen und vor allen Dingen sein Gesicht überhaupt vergessen haben konnte und sah sich dann wieder im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. „So so, Gackt-san also.“ Ein paar tiefschwarze Augen musterten ihn erneut, dieses Mal sehr viel gründlicher. „Ihr Name ist mir durchaus nicht unbekannt. Das wirft die Angelegenheit natürlich in ein ganz anderes Licht. So schnell werden Sie sich nun nicht mehr von ihrem Leben verabschieden müssen. Einen Mann mit ihrem Bekanntheitsgrad so einfach verschwinden zu lassen, das wäre selbst für uns zu riskant.“

Noch immer stand Gackt in Mitten des Raumes. Hatte sein Name ihm gerade das Leben gerettet? Wenn er also, statt seine Absichten preiszugeben, einfach seinen Namen genannt hätte, wären ihm diese qualvollen Minuten, mit dem sicheren Tod bereits vor Augen, erspart geblieben. Doch Takarai-san hatte ihn für Jemand unbedeutenden gehalten, jemand, den niemand und schon gar nicht die Öffentlichkeit je vermissen würde, sollte er sterben. Trotzdem, Gackt wusste, dass sie ihn niemals lebend gehen lassen würden, jetzt da er das Gesicht des Oberhauptes kannte und wusste, wo sie sich versteckt hielten. Es war also nur ein Aufschub an Zeit, der ihm gewährt wurde. Zeit, die die Organisation brauchen würde, um den Sänger Gackt verschwinden zu lassen, ohne zu viele Fragen aufzuwerfen.

„Bis ich entschieden habe, was wir weiter mit ihm unternehmen, sperrt ihn ein!“ Die kalte Stimme riss Gackt aus seinen Gedanken und erinnerte ihn daran, dass der Aufenthalt in der Villa bestimmt nicht halb so komfortabel werden würde, wie in einem Hotel. Als die Wachen ihn an den Schultern packten, hatte der Braunhaarige noch immer kein Wort von sich gegeben. Tonlos ging er durch die geöffnete Tür und überlegte, ob man ihn vielleicht nicht gleich erkannt hatte, weil er heute, entgegen aller Gewohnheit, so schweigsam war.
 

„Und sie haben ihm wirklich noch nichts angetan, nur eingesperrt?“ Hyde stellte nun schon ungefähr zum zehnten Mal dieselbe Frage und langsam hatte selbst Megumi nur noch ein müdes Kopfnicken dafür übrig. „Ich versichere dir, sie haben Gackt in die Zelle gesperrt und werden auch in der letzten Stunde nichts anders mit ihm angestellt haben“, erwiderte sie wie die Male davor und ging mit dem Schwarzhaarigen weiter durch die Flure. „Nachdem sie auch endlich mal mitbekommen haben, wen sie sich da geschnappt haben“, setzte sie noch kopfschüttelnd hinzu; wie man Gackt nicht erkannt haben konnte, war ihr immer noch ein großes Rätsel.

Als Megumi das Gespräch hinter der geschlossenen Tür schon als für sie nicht mehr erreichbar abgeschrieben hatte, ging die Tür plötzlich wieder auf und da bei der Enthüllung über Gackts Namen niemand mehr ans Türschließen gedacht hatte, bekam sie Shinobu-sans letzte Worte mit. Wieder war sie den Wachen und Gackt auf leisen Sohlen immer weiter in den Villenneubau hinein gefolgt, der hier schon mehr einem Hochsicherheitstrakt glich, als einem alten japanischen Anwesen. Erst als eine große, weiße Tür das Ende des Ganges markierte, blieb sie stehen und trat, nachdem man Gackt in den dahinterliegenden Raum verfrachtet hatte, den Rückzug an. Sie sah gerade noch, wie die zwei Wachen vor der Tür Position bezogen. Danach war sie in Windeseile zu Hydes Zimmer gelaufen und hatte ihm endlich ihre Neuigkeiten mitteilen können, bevor sie noch vor Aufregung platzte.

Der Schwarzhaarige seinerseits hatte die Zeit, die Megumi mit Lauschen vor einer verschlossenen Tür und Gackt mit dem Üben in seiner neuen Schweigsamkeit zugebracht hatten, hauptsächlich mit schlafen vertan. Als er dann endlich wieder wach wurde, zog er sich als erstes frische Klamotten an, davon hatte er aus gutem Grund genug im Zimmer verstaut, und versank wieder in Grübeleien über Gackt. Allesamt endeten sie darin, dass er ihn aufs Furchtbarste vermisste. Auch war er sich nicht sicher, das Richtige getan zu haben, als er Megumi von Gackts Zugehörigkeit zum Geheimdienst erzählte und dass sie so lange verschwunden blieb, machte es da auch nicht viel besser.

Schließlich wurde Hydes Herzfrequenz noch einmal recht hart auf die Probe gestellt, als ihm eine schwer atmende Megumi eröffnete, dass sich der Grund von Hydes Sehnsucht mitten in der Villa befand. Für einen langen Moment, in dem sein Herz wahre Purzelbäume schlug und er seine schlimmsten Albträume zur Wirklichkeit werden sah, starrte er sie mit weit aufgerissenen Augen an. Dann sprang er unvermittelt auf, lief zur Schiebetür und fragte im Laufen: „Wo steckt er und wieso ist er überhaupt hier?“ Megumi musste den Sänger an den Armen festhalten, damit sie ihm erzählen konnte, was sie gesehen und gehört hatte. Bis auf den Aspekt, dass Gackt nicht mehr sehr lange zu leben hatte, wenn es nach Shinobu-san ging, erzählte sie alles, was sie wusste. Diese Sache sollten die beiden doch lieber unter sich ausmachen, dachte sich Megumi.

Inzwischen waren die beiden ´Verlobten´ im Neubau angekommen. „Du kannst von Glück sagen, dass mein Onkel Überwachungskameras im Haus nicht ausstehen kann, sonst hätten sie dich bestimmt auch noch gleich gefangen genommen“, wies Hyde Megumi zurecht und sah sie vorwurfsvoll an. Diese senkte schuldbewusst den Kopf, an Kameras im Gang hatte sie tatsächlich keinen einzigen Gedanken verloren, zum Glück hatte also Shinobu-san diese Abneigung. Doch sofort setzte sie zu einer Erwiderung an. „Wer wollte denn, wenn ich dich daran erinnern darf, sofort losrennen, ohne sich vorher einen Plan zurecht zu legen?“ Jetzt war Hyde an der Reihe mit betreten aussehen. „Ich weiß“, gab er zu und lief einen Schritt schneller, „Jetzt haben wir aber wirklich genug Zeit verloren. Und lass uns vor allen Dingen leise sein, in diesem Haus ist man vor nichts sicher.“ Megumi verzichtete großzügig darauf ihm mitzuteilen, dass er es war, der sie ständig mit denselben Fragen löcherte und legte stattdessen ebenfalls einen Schritt zu.

Schnell hatten sie auch die Abbiegung in den Gang erreicht, an dessen Ende Gackts Gefängnis lang. „Hoffentlich klappt das auch“, murmelte Hyde leise, drehte sich zur weißen Wand um und legte eine Hand sachte auf die Schaltfläche, die in der Wand verankert war. Ein kaum wahrzunehmender Piepslaut ertönte und die auf dem schwarzen Untergrund erscheinende Schrift bat ihn, den Pincode einzugeben. Der erste Hindernis wäre also geschafft, sein Onkel hatte ihm noch nicht die Benutzerrechte am Computer entzogen und dieser reagierte noch auf seine Fingerabdrücke. Während Hyde schnell die Pinnummer eintippte, hoffte er, dass auch sie sich nicht geändert hatte. Ein langer Augenblick verstrich und nichts passierte, doch bevor sie einen Ausweichplan entwerfen mussten, piepte es erneut und Hyde erhielt Zugriff auf den Computer. Dankbar auf das noch vorhandene Vertrauen seines Onkels, tippte er sich zur Steuerung der Überwachungskameras durch, die genau auf die Tür zu Gackts Gefängnis und in die Zelle selbst gerichtet waren. Denn im Gegensatz zu den anderen Gebäudeteilen waren hier Kameras installiert, damit wirklich nicht die kleinste Regung der Gefangenen übersehen werden konnte. Hyde war zum Glück in dieses Überwachungssystem eingeweiht und kannte sich auch mit der Steuerung gut genug aus, um durch einen Trick eine Endlosschleife in die Kameras zu schleusen. Manchmal war es wirklich schon erstaunlich, über welche anderen Fähigkeiten man als Sänger noch verfügen musste.

Nachdem es der Schwarzhaarige geschafft hatte, dass die Moitore im Kontrollraum für die nächste Zeit immer wieder die gleiche Minute zeigen würde, in der die beiden Wachen einfach nur stocksteif vor der Tür standen, schaltete er auf die Kamera in Gackts Zelle. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er sah wie der andere Sänger mit zu Boden geneigtem Kopf auf einer Pritsche saß. Hätte Megumi ihm nicht einen nachdrücklichen Stoß in die Rippen verpasst, hätte er wohl noch eine halbe Minute mit klopfendem Herzen auf dieses Bild gestarrt. So aber wandte er so schnell er konnte den gleichen Trick wie zuvor an und drehte sich nach verrichteter Arbeit wieder zu seiner Verbündeten um.

„Alles klar, ich hab es geschafft. Jetzt bist du an der Reihe!“, flüsterte Hyde so leise er konnte und blickte der grinsenden Megumi hinterher, die wieder in die Richtung verschwand, aus der sie gekommen waren. Zur Sicherheit, falls doch etwas mit den Kameras schief gehen sollte, war sie Hyde gefolgt und startete erst jetzt mit ihrem Teil des Plans. Der Sänger wartete ein paar angespannte Minuten und lauschte auf ein Geräusch von den Wachen. Sie brauchten eine gehörige Portion an Glück, damit ihr Plan auch funktionierte.

Doch schneller als gedacht, vernahm Hyde Schritte im Gang und einen erstaunten Ausruf. Er beugte sich vorsichtig um die Ecke und sah, wie die beiden Wachen mit sehr interessiertem Gesichtsausdruck zu dem einzigsten Fester im Gang starrten, das sich genau auf ihrer Höhe befand und einen Ausblick in den Garten gewährte. Grinsend registrierte er, wie dem einen Mann die Kinnlande hinunter klappte; Megumi musste ihre Sache wohl wirklich gut machen. Da die Wachen beide abgelenkt zum Fenster starrten, als wollten sie am liebsten durch das Panzerglas springen, wagte sich Hyde vorsichtig um die Ecke und schlich auf sie zu.

Auch als der Sänger nur noch einen Meter von ihnen entfernt direkt hinter ihnen stand, zeigte sich keine andere Reaktion. Bevor die beiden noch anfangen konnten zu sabbern, streckte Hyde beide Arme aus und schlug zu. Er traf genau den empfindlichen Punkt im Rücken und die Männer sackten so schnell bewusstlos in sich zusammen, dass der Schwarzhaarige aufpassen musste, um nicht von ihrer Körpermasse nieder gewalzt zu werden. Bevor er sich der weißen Tür zuwandte, warft auch er einen Blick aus dem Fenster. Draußen ging noch immer Megumi auf und ab, die scheinbar interessiert den schönen Garten musterte und dabei nicht mit dem Zuschaustellen ihrer weiblichen Reize sparte. Das hellblaue Kostüm hatte sie durch einem knappen Minirock ersetzt, als sie vorhin in Hyde Zimmer den Plan ausgearbeitet hatten. Dieser nickte ihr kurz zu, musste durchaus zugeben, dass Megumi das nicht besser hätte machen können und wandte seine volle Aufmerksamkeit dann aber schnell dem Öffnen der Tür zu. Wieder befand sich eine Schaltfläche in der Wand, in die Hyde wie eben schon Fingerabdruck und Pincode eingab. Anschließend schob er die beiden Chipkarten, um die er die Wachen vorher erleichtert hatte, gleichzeitig durch den passenden Schlitz und nach einem Klicken sprang die Tür auf.

Hyde wagte nicht zu atmen, als er vorsichtig über die Schwelle trat und in das Halbdunkel des Gefängnisses blinzelte. Für einen Moment stand er einfach nur im Türrahmen und sah geradewegs auf den einzigen Insassen, der noch immer in der selben Stellung vor sich hinstarrte. Vor diesem Augenblick hatte er sich so sehr gefürchtet, hatte in seinen schlimmsten Albträumen seinen Liebsten hier gesehen, gefangen von seinem verhassten Onkel. Niemals hatte er es so weit kommen lassen wollen, all die Jahre, die er Gackt nun schon kannte, hatte er versucht ihn heraus zu halten aus der Organisation, in der er selber seit seiner Geburt fest verankert war. Doch am Ende hatte ihre Liebe die jahrelange Vorsicht besiegt und die Mauern des Verdrängens, die Hyde so mühsam errichtet hatte, mit einem Schwung niedergerissen. Er war machtlos gewesen sich zurückzuhalten, genauso machtlos, wie Gackt aus den Fängen seines Onkels zu befreien. So sehr hatte er sich danach gesehnt ihn wieder zu sehen und jetzt, als dieser Wunsch schneller als erwartet erfüllt wurde, kämpfte sein Herz mit der Angst Gackt für immer verlieren zu können.

Während Hydes Herz ihm Zwiespalt zwischen Glück und Frucht schneller schlug, hob der Jüngere langsam seinen Kopf. Hatte er schon gedacht, die Wachen wären zurückgekommen und sich deswegen nicht die Mühe gemacht aufzuschauen, so glaubte er jetzt eine Halluzination vor sich zu sehen. Doch als nach einer Minute die Gestalt seines Engels noch immer reglos im Türrahmen stand, war er sich sicher, dass Hyde tatsächlich gekommen war, zurück zu ihm!

„Haido…“, flüsterte Gackt leise und war über sich selber erstaunt, dass seine Stimme ihm nicht den Dienst versagte, nachdem er sie so lange nicht mehr gebraucht hatte. Ihre letzte richtige Begegnung, bei der sie sich im Bergwerk gegenüber gestanden hatten, kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Wie viel war seitdem geschehen und wie viel hatte sich zwischen ihnen verändert? Nicht nur, dass sie die Identität des jeweils anderen erfahren hatten, auch musste Gackt an Hydes Brief denken, an dessen Angst den Jüngeren in Gefahr zu bringen und ihn unverzeihlich verraten zu haben. Trotz allem war Gackt jetzt hier, weil ihre Liebe stärker war als die Angst.

Der Braunhaarige erhob sich endlich von der Pritsche und ging ein paar Schritte auf Hyde zu, der ihm nun auch entgegen kam. Irgendwo in der Mitte des Raumes trafen sie zusammen, sahen sich für einen Augenblick in die Augen ohne zu sprechen, bis der Kleinere seine Arme um sein Gegenüber schlag und sich an ihn drückte. Liebend gern hätte Gackt die Umarmung erwidert, doch noch immer waren seine Hände auf dem Rücken gefesselt. „Ich hoffe doch, du hast nicht wieder vor mich ohnmächtig werden zu lassen“, murmelte der Größere in Hydes Haare und verfluchte im Stillen die verdammten Handschellen.

„Baka!“, erwiderte Hyde und hob seinen Kopf ein Stück, um Gackt wieder ansehen zu können und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen. Mal wieder hatte er nicht bemerkt, wann ihm die Tränen gekommen waren. „Du hast mir so gefehlt…“, seufzte er, fügte dann aber sofort: „Doch du hättest nicht hierher kommen dürfen!“ hinzu, auch wenn ihm sein Herz für diese Äußerung ein schmerzhaftes Ziehen versetzte. Gackt blickte ihn traurig an, wusste zum einen, dass Hyde recht hatte, doch andererseits…

„Ich hab es nicht länger ausgehalten. Gestern, als ich dich nach dem Konzert gesehen hab, da musste ich dir folgen und herkommen. Nicht, weil ich diese Schmuggler endlich fassen wollte, das auch, aber ich will dich zurück haben, Haido! Ich will dich hier rausholen!“ Noch während er die letzten Worte sagte, wusste er wie merkwürdig es sich anhören musste, schließlich war er es, der gefangen hinter Gittern saß. Hyde runzelte kurz die Stirn, nach dem Konzert, wollte Gackt ihn gesehen haben? Wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, als er selber mal wieder für die folgenden Stunden weggetreten war, er wurde aber auch wirklich zu den unpassendsten Zeiten ohnmächtig. Bei dem Gedanken aber, Gackt wollte ihn tatsächlich wieder zurück haben, musste er unwillkürlich erleichtert lächeln.

„Jetzt sieht es aber wohl eher so aus, als müsste ich dich befreien“, meinte er grinsend, wurde dann sofort wieder ernst. Doch bevor er weitersprach, wollte er zuerst den Braunhaarigen von seinen Fesseln befreien, damit er auch selbst endlich eine Umarmung genießen konnte. Er hatte zwar keinen Schlüssel, schaffte es aber auch so die Handschellen zu lösen. Klappernd fiel das Metall auf den Boden, doch es störte sie nicht, stattdessen murmelte Gackt leise „Danke“ und konnte endlich seine Arme nach so lange Zeit wieder um Hyde legen. Dieser seufzte erneut auf und wieder ran ihm eine Träne die Wange herab.

„Mein Onkel wird dich nicht mehr gehen lassen, Ga-chan. Er bringt jeden um, der ihm in die Quere kommt und jemand vom Geheimdienst wie du…“ Hyde versagte sie Stimme, er wollte nicht daran denken, was unweigerlich geschehen würde, wenn nicht ein Wunder passierte, doch schon jetzt vermeinte er das Blut riechen zu können. Wie damals…

„Bitte Haido, denk nicht daran, nicht jetzt…“, flüsterte der Größere und drückte seinen Geliebten ein Stück von sich, versank wieder in dem sanften Braun seiner Augen. Er wusste genauso gut wie Hyde, was ihm von Shinobu-san blühte, trotzdem jetzt, für diesen Augenblick wollte er alle Angst vergessen. War nicht vorhin erst sein einziger Wunsch gewesen, Hyde noch einmal sehen zu können? Er wollte ihn auskosten, diesen Moment, dem ihm das Schicksal beschert hatte, was immer auch danach geschehen mochte, auch wenn es das letzte war, das er in seinem Leben tun würde.

„Wie hast du nur jemals daran zweifeln können, dass ich dich liebe?“, fragte er leise und beugte sich zu Hyde hinunter, legte zärtlich seine Lippen auf dessen feuchte Wangen und küsste die Tränen weg. „Versprich mir, dass du nie wieder daran zweifeln wirst.“ Hyde konnte nur mit dem Kopf nicken, zu Worten war er nicht mehr fähig. Die Sehnsucht übermannte ihn, ließ ihn wie Gackt all die Zweifel und Ängste verdrängen. Wieder wurde er von seinen tiefen Gefühlen für den Mann vor ihm überwältigt, hob erwartungsvoll den Kopf und öffnete seine Lippen noch bevor Gackts Zunge um Einlass bitten konnte. In ihrem Kuss schien alles dahinzuschmelzen, unwichtig zu werden und in Vergessenheit zu geraten. Sie vergaßen, wo sie waren und welches Schicksal auf ihren Schultern lastete, als sich ihre Körper aneinander drängten und der Verführung des leidenschaftlichen und bittersüßen Kusses erlagen.

Keiner von ihnen achtete mehr auf die Geräusche, die von der Tür des Gefängnisses herkamen, als sich Megumi, dessen Anwesenheit Hyde schon längst wieder vergessen und Gackt niemals bemerkt hatte, mit dem Ausdruck purer Glückseligkeit die Tränen der Rührung aus den Augenwinkeln wischte.
 

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Also Leute, wenn ihr in nächster Zeit einen Einbrecher braucht, steh ich da voll zur Verfügung *kicher* nach diesem Kapitel kenn ich mich da wohl bestes aus XD

Ich hoffe doch, das lange Warten hat sich für euch gelohnt und mein Ende ist doch auch mal etwas netter ausgefallen als sonst *lach*

Jedenfalls hätte ich nichts dagegen gehabt am Ende mit Megumi zu tauschen und hab ich schon erwähnt, dass ich sie sympathisch finde? ^_____^
 

Also dann, bis zum nächsten Kapitel (das hoffentlich nicht so lange auf sich warten lässt)

eure himachan

The Secret’s Revelation

Und schon wieder hat es so ewig gedauert, bis es endlich mal was Neues von mir zu hören gibt *mich tausend Mal entschuldigen tu*

Dabei liegt es dieses Mal wohl auch weniger an der nicht vorhandenen Zeit, sondern eher an dem Kapitel selber, was ich einfach nicht so richtig auf die Reihe kriegen wollte *hust*

Und das, obwohl es doch ein ziemlich wichtiges Kapi ist, denn wie der Titel schon sagt, geht es um die Enthüllung von einem Geheimnis und jetzt ratet mal von wem XDDD

Ich hoffe ihr könnt immer noch durch meine wirren Gedankengänge durchblicken, aber jetzt will ich euch nicht weiter zutexten *grins*

Sondern wünsch euch einfach viel Spaß beim Lesen ^.^
 

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15. Kapitel

The Secret’s Revelation
 

Auch nach fünf weiteren Minuten stand Megumi noch immer an der Tür des Gefängnisses und sah mit schmachtendem Blick ins Innere. Bevor sie aber ihre Beobachtung fortsetzen und herausfinden konnte, ob das schmale Bettgestell dem Gewicht von zwei erwachsenen Männer gewachsen war, die sich eben selbstvergessen darauf nieder gelassen hatten, übertönte ein lautes Quicken sogar die unüberhörbaren Laute aus Richtung des Bettes. Geschockt schlug sich Megumi die Hand vor den Mund, nachdem sie das Quicken reichlich spät als ihr eigenes erkannt hatte. Doch nicht nur Megumi lief peinlich berührt tiefrot an, auch der schwarzhaarige Sänger wies nach einem schnellen Blick in ihre Richtung dieselbe Farbe auf. Dass seine „Verlobte“ immer noch vor der Tür stand und Wache schieben sollte, fiel Hyde schlagartig wieder ein und er wäre am liebsten auf der Stelle im Boden versunken, wobei er noch von Glück sagen konnte, dass Megumi sich nicht länger mit ihrer Freudenbekundung zurückgehalten hatte.

Denn von Zurückhaltung konnte man bei ihm und Gackt schon lange nicht mehr sprechen. Hyde sah auf die Hände hinab, die sich unter sein Oberteil geschoben hatten und es allmählich immer mehr in Richtung seines Kopfes beförderten, dann weiter zu seinen eigenen Beinen, die sich um Gackts Hüften geschlungen hatten und schließlich landete sein Blick beim Gesicht seines Liebsten, der gerade dabei gewesen war, den Hals des Schwarzhaarigen mit roten Flecken zu übersähen. Nicht minder geschockt als die beiden anderen, wandte sich Gackt der Tür zu und starrte Megumi mit offenem Mund an.

Die Frau ist eindeutig verrückt, dachte Hyde, nachdem er es geschafft hatte sich von Gackt zu lösen und seine Kleidung zurück an ihren Platz zu befördern. Wahrscheinlich dachte der Braunhaarige genau dasselbe, denn es dauerte einen ganzen Moment, bis er seine Sprache wieder gefunden hatte. „Ähm… wer ist das?“, fragte er, weil ihm letztendlich einfach nichts besseres einfiel, vielleicht weil auch ihm gerade erst wieder bewusst wurde, wo sie sich eigentlich befanden. Hyde beeilte sich, wenn auch etwas widerwillig von Gackt runterzuklettern und deutete kleinlaut in Richtung Tür. „Oishi Megumi, sie hat mir geholfen hierher zu kommen und… passt auf, dass wir nicht gesehen werden…“ Die letzten Worte klangen allerdings nicht gerade überzeugend. Gackt runzelte sie Stirn und zog eine Augenbraue hoch; die Frau kam ihm merkwürdigerweise bekannt vor, als hätte er sie vor nicht allzu langer Zeit erst gesehen. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, es war die gleiche Frau, die nach seinem Konzertauftritt zu Hyde ins Auto gestiegen war und schlagartig packte ihn wieder die Eifersucht. Unbewusst zog er Hyde wieder näher zu sich und musterte Megumi eingehend. Diese zeigte sich wenig beeindruckt und hatte sich inzwischen wieder gefangen. Lieb lächelte sie Gackt an und deutete eine kurze Verbeugung an.

„Ich bin übriges Hydes Verlobte“, sagte sie unschuldig und erntete einen entsetzten Blick des Schwarzhaarigen, während Gackts Eifersucht weiter geschürt wurde. „Ich glaube DAS musst du mir erklären!“, flüsterte der Größere betont langsam in Hyde Ohr, woraufhin dieser nur leicht nickte und Megumi mit vernichtenden Blicken zu verstehen gab, dass sie genug gesehen hatte und sich um ihre eigentliche Aufgabe, das Bewachen der beiden Wächter kümmern sollte. Nachdem sie außer Sicht- und Hörweite war, fragte Gackt mit noch immer hoch gezogener Augenbraue: „Stimmt das?“ und senkte enttäuscht die Schultern, als Hyde nichts anderes übrig blieb, als bestätigend zu nicken.

„Mein Onkel will, dass ich sie heirate“, machte Hyde die Sache nicht gerade besser, „damit ich ihm keinen weiteren Schaden zufügen kann, will er mich so schnell wie möglich loswerden. Aber Ga-chan, du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, warf er schnell ein, als er sah, wie Gackts Gesicht jegliche Farbe verlor. „Megumi hat kein Interesse daran mich zu heiraten, sie will, dass wir beide glücklich werden.“ Wieder leicht rosa um die Nasenspitze verzichtete Hyde lieber auf eine Erklärung, was genau Megumi am glücklichsten machte. Gackt würde es schon früh genug mitbekommen, wenn er es nicht schon getan hatte, schließlich war Megumis Reaktion recht vielsagend gewesen.

So ganz überzeugt sah der Braunhaarige aber immer noch nicht aus, vielmehr warf er alle paar Sekunden einen Blick zu Tür, wie um sicher zu gehen, dass Megumi wirklich nicht mehr da stand und lauschte. Schließlich ließ er es aber bleiben und setzte sich wieder auf das Bettgestell, zog Hyde dieses Mal neben sich statt auf seinen Schoß, wobei er seine Hand aber weiterhin festhielt. Die selbstvergessene Stimmung, in der sie sich eben noch befunden hatten, war wieder verschwunden, genauso schnell, wie sie eben über sie gekommen war. In stummem Schweigen saßen sie nebeneinander, wussten beide wieder, dass es der letzte gemeinsame Augenblick sein konnte. Um sich davon abzulenken und ihre kostbaren Momente nicht nur mit Vorsichhinstarren zu vertun, dazu hatten sie schließlich noch genug Zeit, wenn sie wieder alleine waren, durchbrach Gackt die Stille. „Haido…“, flüsterte er leise und drückte die schmale Hand in seiner eigenen ein wenig stärker. „Ich denke es gibt noch ein paar mehr Dinge über die wir reden sollten, von dieser Frau mal abgesehen.“

Der Ältere horchte auf und ihm drehte sich halb der Magen um, denn er wusste ganz genau, auf was Gackt hinaus wollte. Es war ja auch kein Wunder, der Braunhaarige musste noch einen Haufen Fragen an ihn haben, allem voran was für einen Grund Hyde hatte bei der Organisation seines Onkel mitzumachen, ohne Gackt jemals ein Sterbenswörtchen darüber verraten zu haben. Und jetzt, es brauchte nur noch ein paar Worte, eine einzige Frage und Hyde hatte das Gefühl die Vergangenheit wieder heraufzubeschwören, wenn er auch nur das kleinste Bisschen seines so gut gehüteten Geheimnisses preisgab. Sein Herz fing heftiger an zu schlagen und unbemerkt schlich sich eine Gänsehaut auf seinen Rücken.

Erst als Gackt heftig mit seiner freien Hand vorm Gesicht des Schwarzhaarigen herumwedelte, registrierte dieser, dass sein Liebling ihm wohl schon längst die gefürchtete Frage gestellt hatte und er sie vor lauter Schwarzmalerei nur nicht mitbekommen hatte. Wenn er jetzt aber gehofft hatte, so dem Unausweichlichen entkommen zu können, machte ihm Gackt einen Strich durch die Rechnung.

„Hey, Haido, hörst du mir überhaupt noch zu?“ Die Stimme des Jüngeren klang schon leicht genervt, als er einen neuen Versuch startete, die Aufmerksamkeit des Anderen wieder auf sich zu ziehen. Natürlich war ihm klar, dass es einen mehr als nur guten Grund geben musste, weshalb Hyde ihm all die Jahre die Wahrheit verschwiegen hatte und dass es nicht leicht für ihn war nun damit rauszurücken. Doch hatte nicht auch Gackt ein Recht darauf endlich in alles eingeweiht zu werden, jetzt wo er hinter Gittern saß, weil er Hyde hatte retten wollen? Was hatten sie jetzt noch zu verlieren, wo ihr beider Leben doch schon längst in den Händen Takarai Shinobus lag?

Hyde seufzte schwer und blickte langsam wieder auf. Gackt hatte ja recht, es gab nichts, wovor er sich vor ihm hätte schämen müssen und verdammt noch mal ja, Gackt hatte die Wahrheit verdient! Er hatte schon so viel wegen ihm durchleiden müssen, schlimmer konnte es Hyde mit dem Aussprechen von ein paar Worten auch nicht mehr machen. Zumindest hoffte der Schwarzhaarige das, als er geschlagen in die blauen Augen blickte und ein leichtes Kopfnicken andeutete.

„Hai…“, hauchte er kaum hörbar und hoffte inständig jetzt die richtigen Worte finden zu können. „Es gibt etwas, was ich dir schon viel zu lange verschwiegen habe. Weil… weil ich Angst habe, es könnte noch einmal passieren…“ Dankbar nahm er wahr, wie Gackt zärtlich mit seiner freien Hand über seinen Rücken fuhr und ihn gleichzeitig wieder ein Stückchen näher gezogen hatte, aber ansonsten völlig still darauf wartete, was Hyde zu sagen hatte, ohne ihn noch weiter zu drängen. „Ich habe gehofft nie wieder daran denken zu müssen, ich habe es endlich ganz vergessen wollen, doch ich war zu schwach… der gleiche Albtraum hat mich jahrelang bis heute gequält. Und deshalb hab ich mir geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen, nie wieder! Verstehst du?“ Flehend versank er in Gackts Blicken.

Doch nein, Gackt verstand überhaupt nichts. Trotzdem nickte er beruhigend und hauchte einen kurzen Kuss auf Hydes Stirn. „Erzähl weiter“, flüsterte er und ignorierte die Verwirrung, die Hydes Worte bisher nur ausgelöst hatten.

„Und dann hab ich dich getroffen und zum ersten Mal hab ich an meinem Schwur gezweifelt, war ein paar Mal kurz davon ihn einfach zu vergessen“, begann Hyde wieder, als hätte er nie aufgehört zu sprechen. „Aber ich hab alles getan, damit es nie dazu kommt. Ich hab sie immer verdrängt, diese Gefühle, die ich doch schon so lange hatte… für dich. Es war so schwer, doch ist wusste, dass es besser so war, für uns beide… Ich weiß nicht mehr wann ich mich in dich verliebt habe, vielleicht auf den ersten Blick, vielleicht erst nach zwei Wochen… eingestanden hab ich es mir nie.“ Gackt glaubte sich gerade verhört zu haben! Das konnte doch nicht möglich sein! Wie lange kannten sie sich jetzt schon? Fast waren es schon drei volle Jahre und Hyde sollte ihn die ganze Zeit über geliebt haben? So viele neue Fragen entstanden mit einem Mal in seinen Kopf, doch trotzdem sprach er keine davon aus, zwang sich dazu weiterhin ruhig zuzuhören.

Die Augen, in denen schon ein verräterisches Glitzern aufkeimte, immer noch an Gackts Blick geheftet, holte Hyde noch einmal tief Luft, dann sprach er weiter. „Denn er hätte wieder alles zerstört, er hätte mir das genommen, was mir am wichtigsten auf der Welt ist… und das bist du Ga-chan, seit wir uns kennen, warst du es immer…“ Wie leicht es ihm plötzlich fiel darüber zu reden, das auszusprechen, was er drei lange Jahre nicht wahrhaben wollte. „Mein Vater hat ihn aufhalten wollen und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Er nennt es noch heute einen Unfall, aber das ist eine Lüge!“

Finger krallten sich heftig in das schwarze Oberteil des Jüngeren. Die Wut, die Hyde für den Mann empfand, der sein Leben so leichtfertig an den Rand der völligen Zerstörung getrieben hatte, ließ seine Stimme lauter werden und jagte einen Schauer über Gackts Rücken, so deutlich konnte er sie bei Hyde wahrnehmen. Und auch in ihm selbst wuchs der Hass auf den Onkel, denn nur um diesen konnte es sich handeln, da war kein Zweifel möglich, doch noch immer verstand er nicht, was genau…

„Er hat ihn ermordet, meinen Vater, genau wie…“ Und es war wieder Trauer, die sein Herz umspülte, gepaart mit der Angst, dem Geruch des Blutes seines schlimmsten Albtraums… Stille breitete sich in dem kahlen und unfreundlichen Gefängnis aus, als Hyde seinen Blick senkte, nicht mehr fähig weiterhin in die blauen Augen zu sehen, die ihm bis eben noch so viel Halt verliehen hatten. „Ich durfte nie etwas tun, sollte als der perfekte Agent, als Killer ausgebildet werden“, flüsterte der Schwarzhaarige leise, aber wieder mit festerer Stimme. „Mein Onkel hat es so befohlen und mein Vater hat sich nie getraut, gegen ihn anzukommen. So war es immer, seit ich fünf Jahre alt war. Die erste Zeit ging es gut, doch je älter ich wurde, desto mehr begann ich mich gegen seine tyrannische Herrschaft aufzulehnen. Und dann hab ich einen Fehler begangen, der zwei Menschen, die mir so wichtig waren, den Tod beschert hat… ich hab mich verliebt…“

Zum wiederholten Male herrschte Stille, nur unterbrochen von Hydes klopfendem Herzen. „Dann hat dein Onkel deine Freundin umgebracht?“, fragte Gackt, der langsam zu verstehen glaube, was ihm sein Liebling da eigentlich erzählen wollte. „Und deshalb deine Angst es könnte nun auch mich treffen?“

Hyde wusste nicht, ob er zuerst nicken, oder mit dem Kopf schütteln sollte. Er entschied sich beides gleichzeitig zu versuchen, was nur dazu führte, dass die Verwirrung bei Gackt wieder wuchs. „Im Prinzip hast du recht, Ga-chan… nur war es keine Frau… deswegen war mein Onkel auch so entsetzt, als er es erfahren hat. Ich war unvorsichtig, hab mich sicher gefühlt und dann ist alles furchtbar schief gelaufen.“ Jetzt war es also heraus, das wovor er sich seit damals gefürchtet hatte. Es war zu seinem Geheimnis geworden und er hatte nie wieder ein Wort darüber verloren, geschweige denn auch nur irgendjemandem anvertraut, dass er sich sehr viel mehr zu Männer hingezogen fühlte, als zu Frauen. Trotzdem hatte es nur ein Mann je geschafft ihn seinen Schwur vergessen zu lassen. Gackt, dem er jetzt und hier die Wahrheit schuldig war.

„Ich hatte meinen… meinen Freund (Weshalb das Aussprechen dieses einfachen Wortes Hyde immer noch so schwer fiel, würde ihm wohl selber für immer ein Rätsel bleiben.) mit in die Villa genommen, sonst waren wir immer nur bei ihm gewesen, doch an dem Tag war mein Onkel nicht da. Ich dachte niemand würde davon etwas merken… wie leichtsinnig von mir… Natürlich fiel es auf, dass ich nicht wie sonst alleine nach Hause kam, dazu brauchte es nicht meinen Onkel. Weshalb er früher zurück war, werde ich wohl nie erfahren… Auf einmal stand er mitten in der Tür und er brauchte keine große Erklärung, um zu erfahren, in welcher Beziehung wir standen, das war auch so offensichtlich.“ Dass der Schwarzhaarige bei diesen Worten errötete, war ihm schon vorher klar gewesen. „Oh ja, er hat sich gewundert, was sein kleiner, lieber Hideto da auf einmal für Vorlieben zeigte. Und dann hat er gelacht und ich dachte schon er würde mich in Ruhe lassen, wie einfältig ich damals doch war! Wir sollten ihm folgen und was blieb uns anderes übrig, als seinen Befehl, denn nichts anderes war es, zu befolgen? Über meine Familie hatte ich meinem Freund nicht viel erzählt, was hätte ich ihm auch sagen sollen? Dass alle Verbrecher und Mörder waren und ich ebenfalls? Nein, er hatte also keine Ahnung, was ihn erwarten würde. Ich wusste es. Ja, ich wusste, was uns in dem Raum mit den schallisolierten Wänden erwarten würde, nur war ich so dumm, zu glauben, dass mein Onkel es nicht tun würde, ihn verschonen würde. Das hat er nicht, natürlich nicht. Kaum war die Tür im Schloss, hat er die Pistole gezogen. Sonst überließ er diese Arbeit immer anderen, doch dieses eine Mal… es muss wohl eine große Genugtuung für ihn gewesen sein, mir auf diese Weise zu zeigen, was ich bedeutete… nichts… und dass es ihm egal war, was er mir antut und den Menschen, die ich liebe… Er hat ihn erschossen, ohne uns zur Rede zu stellen, zu fragen, wie viel ich meinem Freund erzählt hatte… Einfach nur geschossen und dann war alles rot… Ich weiß nicht, wann mein Vater dazu kam, ihre lauten Worte hab ich nicht mehr wirklich gehört, ich hab nur das Blut gesehen, meine roten Hände und die im Schock aufgerissenen toten Augen… Nur den Schuss hab ich gehört, gesehen wie die Pistole immer noch in der Hand meines Onkels war und dann meinen toten Vater… Ich bin ohnmächtig geworden, glaubte ebenfalls zu sterben und hab mir nichts mehr als das gewünscht. Doch so einfach hat es mir mein Onkel nicht gemacht… Für meine Unachtsamkeit sollte ich bezahlen, ein Leben lang… Seit diesem Tag quält mich ständig der gleiche Albtraum, ich muss wieder und wieder miterleben, wie mein Onkel beide erschießt und seit ich dir begegnet bin, ist es schlimmer geworden… nun sehe ich dich leblos und blutend auf dem Boden liegen…“

Langsam sah der Schwarzhaarige wieder auf, inständig darauf hoffend, dass Gackt ihn endlich verstehen konnte, jetzt wo er sein Geheimnis preisgegeben hatte. Doch dieser schwieg, sah Hyde nur aus traurigen blauen Augen an. „Es tut mir so leid, dass ich dir nicht schon viel früher davon erzählt habe. Hätte ich meine dämliche Scham schon vorher überwunden, wärst du vielleicht nicht hier gefangen! Ich hatte immer Angst, dass es wieder passiert und nun, sag mir Ga-chan“, Hydes Stimme klang flehend, als ob er immer noch auf eine Antwort hoffen würde, wo er doch besser als jeder andere wusste, dass sein Warten vergebens war, „was kann meinen Onkel jetzt noch aufhalten dich zu töten?“

Noch immer wortlos zog Gackt seinen Engel, dem bei den letzten Worten wieder Tränen, die er eben nur mit aller Mühe hatte zurückhalten können, die Wangen hinabrannen, in die Arme. „Nein, Haido“, flüsterte er schließlich, nachdem er zärtlich über den Rücken des Schwarzhaarigen gestreichelt hatte, „ich kann es dir nicht sagen, auch wenn ich mir nichts mehr als das wünsche. Vorhin hab ich ihn getroffen, deinen Onkel und ich dachte, ich hätte nur noch ein paar Minuten zu leben und würde dich nie wieder sehen können.“ Hyde schluckte merklich und drückte sich enger an Gackt. „Keine Ahnung, was er jetzt mit mir vorhat, doch meine Bekanntheit stellt wohl ein kleines Problem für ihn dar.“ Ein Hauch seines üblichen selbstsicheren Lächelns erschien auf den Zügen des Jüngeren, aber es dauerte nur einen Moment bevor es wieder dem Ausdruck der Angst platzmachen musste. „Lange wird es ihn nicht aufhalten, das weiß ich genauso gut wie du…“

Es war so schwer sich nicht einfach fallen zu lassen, zu ertrinken in der Verzweiflung, die beide überflutete, trotzdem versuchte sich Gackt dagegen zu wehren. Vielleicht hätte er aufgegeben, wäre da nicht die Person in seinen Armen gewesen, für die er leben musste, um den Albtraum nicht noch einmal von vorne beginnen zu lassen. Mit aller Stärke und Kraft zu der er fähig war, nahm er Hydes Gesicht in seiner Hände und sah ihm in die Augen, entschlossen nicht dem verführerischen Abgrund der Hoffnungslosigkeit zu verfallen. „Aber ich danke dir, Haido, dass du mir davon erzählt hast und ich verspreche dir, ich werde nicht aufgeben, damit wir das gemeinsam überstehen! Es ist anders als damals, dein Albtraum wird sich nicht wiederholen, bitte widersprich mir nicht, denn solange wir am Leben sind, will ich daran glauben und ich bitte dich, dass du es auch tust!“ Weil wir sonst wirklich verloren sind, setzte er in Gedanken hinzu. „Und… ich bin dir nicht böse, dass du so lange geschwiegen hast, ich verstehe dich, weil ich um dich zu beschützen auch alles getan hätte.“

Hyde öffnete den Mund und setzte zum Widerspruch an, während Gackt langsam den Kopf schüttelte, schon irgendwie damit gerechnet hatte und sich dann hinunter beugte. Der Kleinere wehrte sich nicht gegen die weichen Lippen, die sich sanft auf seine legten, auch wenn er gerne noch etwas gesagt hätte. Stattdessen schloss er die Augen und genoss es einfach, von Gackt innig geküsst zu werden, zwar nicht so stürmisch wie eben, aber trotzdem mit genauso viel Liebe und Hingabe. Wenigstens für einen Moment und sollte er noch so kurz sein, wollten sie es vergessen, das Schicksal, das so bleischwer auf ihren Schultern lastete.

Und genau diesen Augenblick mussten sich die beiden Wachen aussuchen, um aus ihrem komaähnlichen Schlaf zu erwachen. Auch wenn Hyde gute Arbeit geleistet hatte, kam Megumi nicht umhin zu bemerken, dass es höchste Zeit war von hier zu verschwinden, bevor sie noch gesehen wurden und aufflogen. Vorsichtig ging sie zur angelehnten Gefängnistür zurück, schlich hinein und ließ ein Räuspern hören, was ihr auch einen Moment später die Aufmerksamkeit der beiden Insassen bescherte, wenn auch nur recht widerwillig.

„Hyde, wir müssen schnell abhauen, die beiden Sumoringer da draußen wachen gleich auf“, sagte Megumi mit echtem Bedauern in der Stimme. Gackt seufzte einmal tief auf, sie hatten es erneut geschafft völlig zu vergessen, dass die Zeit nicht einfach für die Dauer ihres Zusammenseins stehen geblieben war. Wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt stand er dann aber ergeben auf und zog auch den Älteren mit sich nach oben. Dieser kämpfte gegen den Drang an ebenfalls in der Zelle zu bleiben, Gackt hier zurückzulassen erschien ihm wie der größte Fehler von allen. Obwohl er wusste, dass sie niemals eine Chance haben würden zusammen hier rauszukommen, wobei die Wachen vor der Tür noch bei weitem das kleinste Problem darstellten. Mit Gackt im Schlepptau aus der Villa seines Onkels zu entkommen, nein, das war unmöglich! Hyde bleib nichts anders übrig, als seinen Geliebten zurückzulassen, in der einzigen Hoffnung seine Bekanntheit würde ihn so lange schützen, bis sie einen brauchbaren Plan auf die Beine gestellt hatten.

„Geh, mein Engel“, riss Hyde ein sanftes Flüstern an seinem Ohr aus den Gedanken, „bevor sie dich hier finden. Es reicht wenn einer von uns hinter Gittern sitzt!“ Gackt war auch nicht gerade wohl dabei, alleine im Gefängnis zu bleiben und vor allem sich schon wieder von Hyde trennen zu müssen, aber auch ihm war klar, dass es einfach keine andere Möglichkeit gab. Schnell warf er noch einen Blick über die Schulter zu Megumi, vergewisserte sich (völlig unnötiger Weise) ob sie auch alles mitbekam und drückte Hyde zum dritten Mal an diesem Tag einen Kuss auf die Lippen. Etwas überrascht und ziemlich rot im Gesicht erwiderte der Schwarzhaarige den Kuss, der aber nur einen kurzen Moment andauerte, bis Gackt Hydes Lippen wieder entließ und mit verschwörerischer Stimme, gerade so laut, dass Megumi es hören konnte, „Ich liebe dich!“ in Hydes Ohr raunte. „Ich liebe dich auch!“, murmelte Hyde sofort, was ein sehr zufriedenes Lächeln in das Gesicht des Braunhaarigen zauberte.

Für mehr Worte blieb ihnen keine Zeit, denn das Stöhnen der Wachen drang nun auch ins Innere des Gefängnisses und Megumi ergriff Hydes Ärmel und zog ihn Richtung Tür, da er alleine scheinbar nicht dazu fähig war. Dafür bekam sie einen eisigen Blick von Gackt hinterhergeschickt, der aber trotzdem mit dem Kopf nickte und Hyde stumm zum Gehen aufforderte. Wenigstens hatte er dieser Frau noch einmal deutlich machen können, das ihr „Verlobter“ ganz allein nur ihm gehörte, dachte er, während die Tür ins Schloss fiel und ihn erneut in der Zelle einsperrte.

Hyde brauchte nur einen Blick auf die Wachen zu werfen, um festzustellen, dass es tatsächlich aller höchste Zeit war, sich aus dem Staub zu machen. So schnell er es mit seinen immer noch feuchten Augen schaffte, verriegelte er die Tür wieder und schob die beiden Chipkarten ihren Besitzern zurück an die passende Stelle. Groß darüber nachgedacht, was er machen sollte, wenn er erst bei Gackt gewesen war, hatte Hyde natürlich nicht. Alle seine Gedanken waren nur darauf gerichtet gewesen, seinen Liebsten endlich wieder zu sehen, an das danach hatte er keine Sekunde lang gedacht. Ihm bleib also nichts anderes übrig, als wieder in sein Zimmer zurückzukehren und sich dort zu überlegen, wie er ihn retten sollte.

„Hyde!“, brachte den Sänger Megumis leise Stimme ein weiteres Mal wieder zurück aus seinen Gedanken, in denen er mal wieder zu versinken drohte. Sie war schon vorgegangen und stand bereits an der Schaltfläche des in die Wand eingelassenen Computers und Hyde beeilte sich die Endlosschleife wieder zu beenden. Erneut wurde der Bildschirm von einem auf der Pritsche sitzenden Gackt geziert und wenn man die Videosequenzen der letzten halben Stunde nicht allzu genau miteinander verglich, sollte auch niemandem auffallen, dass der braunhaarige Sänger in dieser Zeit etwas ganz anders gemacht hatte, als nur allein in der Zelle zu hocken. Um sich aber nicht wieder ewig an diesen Bildern aufzuhalten, überprüfte Hyde wie weit die Wachen inzwischen zu ihrer angeordneten Beschäftigung zurückgefunden hatten. Beide hatten sich zumindest schon hochgerappelt und standen wieder an ihren Plätzen, warfen aber einen mehr als verwirrten Blick aus dem Fenster, als ob sie dort irgendeinen bösen Geist, der für ihren kurzzeitigen Gedächtnisverlust verantwortlich war, vermuteten. Der Schwarzhaarige wartete noch ab, bis sie wieder ausdruckslos und wohl innerlich darum bemüht, den Vorfall als nie passiert auszugeben, geradeaus starrten, bevor er auch hier die Kameras wieder auf ‚normal’ einstellte und zusammen mit Megumi machte, dass er von hier weg kam.

Schweigend gingen sie durch den zum Glück immer noch leeren Flur. Hyde war sich nicht wirklich sicher, wie er sich jetzt Megumi gegenüber verhalten sollte; er war noch nie besonders begeistert darüber gewesen, dass andere einen tieferen Einblick in seine Beziehungen bekamen, selbst sein Geständnis den anderen Laruku-Membern gegenüber war ihm verdammt schwer gefallen. Doch eigentlich war Megumis Reaktion noch nicht mal sehr viel anders, als die der Jungs, die vielleicht nicht in Quietschen ausgebrochen waren, aber keiner von ihnen hatte sehr viel Überraschung auf diese Eröffnung gezeigt. Wenn doch jeder in seiner Umgebung so tolerant damit umgehen würde, dachte Hyde sehnsüchtig und versuchte sich von den üblichen Bildern in seinem Kopf abzulenken.

„Und? Bist du nun zufrieden?“, wandte er sich an die Schwarzhaarige neben ihm. Megumi blickte ihn erst etwas verständnislos an, bevor sich wieder dieser träumerische Gesichtsausdruck bei ihr breit machte. „Hai, bin ich“, grinste sie und musterte ihn. „Wie mich meine Freundinnen um dieses Erlebnis beneiden werden, wenn ich ihnen davon erzähle! Nein, nein, keine Angst, ich behalte alles für mich, bis ihr selber damit herausrückt, versprochen“, warf sie schnell ein, als Hyde mit ihm Schock aufgerissenen Augen eine bedenkliche Gesichtsfarbe anzunehmen drohte. „Und weil ich viel mehr als nur einen harmlosen Kuss zu sehen bekommen hab“, sie unterbrach sich für einen genussvollen Seufzer, „kannst du dir auch weiterhin meiner Unterstützung sicher sein! Übrigens… eifersüchtig sieht Gackt einfach hinreißend aus! Steht ihm genauso gut, wie wenn du rot anläufst…“, setzte sie kichernd hinzu.

Hyde sagte nichts mehr dazu, so langsam begann er sich an ihre Reaktion zu gewöhnen. Vielleicht sollte er Gackt nur noch mal etwas genauer zu erklären versuchen, dass von Megumi nun wirklich nicht mehr als ein enthusiastisches Quietschen zu befürchten war. Wieso dieser nicht schon selber hinter ihre Absichten gekommen war, war ihm ehrlich gesagt ein ziemliches Rätsel.
 

Gackt hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, seitdem Hyde hinter ihm die Tür zugezogen hatte. Natürlich hätte er auf die Uhr gucken können, aber was brachte es schon zu wissen, wie die Minuten vergingen, er konnte so oder so lediglich abwarten, das etwas passierte. Und tatsächlich, kurz bevor er doch einen Blick auf die Uhr riskieren wollte, aus reiner Langeweile, öffnete sich die Gefängnistür erneut, nur war der Besucher dieses Mal sehr viel weniger willkommen, als der davor.

„Mitkommen“, rief ihm der Wachmann vom Eingang aus zu und der Braunhaarige stand auf, bevor sich die Kerle noch überlegen konnten dabei nachzuhelfen. Während er zur Tür rüber ging, konnte er gerade noch verhindern über die Handschellen mitten auf dem Boden zu stolpern, an diese hatten die Sänger keinen einzigen Gedanken mehr verschwendet, waren sie erst mal aus dem Weg geschafft. Jetzt ließ es sich nicht mehr vermeiden, dass sie fehlten und das man ihr Fehlen auch bemerken würde, aber Gackt war es egal; was Takarai Shinobu mit ihm vorhatte, würde sich deshalb bestimmt nicht ändern.

Vor der Tür erwarteten ihn insgesamt nun vier Wachen, was doch für einen unbewaffneten Mann gar keine schlechte Leistung war, überlege Gackt und verkniff sich ein grimmiges Grinsen. Ohne einen weiteren Kommentar abzugeben, wurde der Sänger wieder durch die Gänge eskortiert und gelangte schließlich zurück in den Raum, in dem er vorhin die Bekanntschaft mit Hydes Onkel schließen durfte. Allein der Gedanke diesem wieder gegenüber zu stehen, in dem Bewusstsein, was sein Liebling wegen diesem Mann durchleiden musste, drehte Gackt den Magen um. Hydes Worte würde ihm wohl auf ewig im Gedächtnis bleiben und wenn er nur daran dachte, dass einzig und allein Takarai Shinobu der Grund war, weshalb er nicht schon seit drei Jahren glücklich mit Hyde zusammenlebte…

Doch er zwang sich wieder zur Ruhe, es brachte nichts, vorschnell zu handeln und er würde Hyde am besten helfen können, wenn er ihm bewies, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholen würde; indem er am Leben blieb. Allerdings hätte er nicht damit gerechnet, dass Hyde einen Freund hatte, wirklich nicht. Doch zeigte ihm das nur wieder, wie wenig er den Älteren eigentlich kannte, so viel hatte er nicht gewusst, deshalb wurde es wirklich höchste Zeit, dass endlich etwas Licht ins Dunkel kam. Und zu seiner eigenen Überraschung spürte er noch nicht mal Eifersucht, wenn er an den Freund dachte, von dem er ja noch nicht mal den Namen wusste. Vielleicht weil es schon so lange zurück lang, oder weil er jetzt der einzige war, dem Hydes Liebe gehörte. Weshalb ihm dann aber bei Megumis Anblick immer wieder Eifersucht überkam, konnte er sich selber nicht erklären.

Abrupt wurde er aus seinen Gedankengängen gerissen, als er das Innere des weißen Raums betrat, wo Shinobu-san nur auf ihn zu warten schien. Der Schwarzäugige saß an einem Kopfende des Konferenztischs und bedeutete Gackt mit einer kurzen Handbewegung am anderen Ende platz zu nehmen. Mit zusammengebissenen Zähnen leistete der Sänger dieser Anweisung folge und schaute sein Gegenüber ausdruckslos an, auch wenn er ihm am liebsten an die Gurgel gegangen wäre.

„Ich hoffe der Aufenthalt bei uns ist Ihnen noch nicht zu langweilig geworden“, lächelte Takarai-san kalt und strapazierte damit Gackts Nerven bis zum Äußersten. „Aber es wird Sie bestimmt freuen, wenn ich Ihnen nun mitteile, dass uns eine Lösung für unser kleines Problem eingefallen ist und Sie nicht weiter im Ungewissen bleiben müssen. Das kann auf die Dauer doch sehr ermüdend sein, nicht wahr?“ Und immer noch hing dieses falsche Lächeln mitten in seinem Gesicht, doch dieses Mal beschloss Gackt das Spielchen mitzuspielen und er zwang sich zu dem gleichen Lächeln, denn im Lächeln und sei es noch so falsch, hatte ihm bisher noch niemand etwas vorgemacht. Am liebsten hätte er erwidert, dass er ganz reizende Unterhaltung von Shinobu-sans bezauberndem Neffen hatte und sich daher über Langeweile nicht beklagen könne, doch er ließ es bleiben und begnügte sich mit einem höflichen Kommentar über die großzügige Ausstattung der Zelle.

Im ersten Moment sichtlich verwundert zog der schwarzhaarige Japaner die Brauen zusammen, nur um dann anerkennend mit dem Kopf zu nicken. „Wirklich überaus schade, dass Sie uns bald wieder verlassen müssen, ich bin mir sicher, mit Ihnen wäre es noch sehr interessant geworden“, meinte Takarai-san mit triefend falschem Bedauern in der Stimme. Gackt wollte sich lieber nicht vorstellen, was „interessant“ bedeuten sollte und hielt stattdessen sein Lächeln weiter aufrecht, darauf hoffend auf alles gefasst zu sein, was nun kommen würde.

„Sie werden aber sicherlich nichts gegen einen Urlaub einzuwenden haben, selbstverständlich auf unsere Kosten.“ Wie musste wohl dieses Gespräch auf einen Außenstehenden wirken, überlegte der Braunhaarige, mit jedem Satz wurde es makaberer. „Aber natürlich wird es keine Rückfahrt für Sie geben. Leider werden Sie einem tragischen Unfall erliegen, doch die Trauer Ihrer Fans braucht Sie dann nicht mehr zu stören. Ich bin sicher, selbst eine Bekanntheit wie Sie, wird nach einigen Jahren in Vergessenheit geraten. Machen Sie sich deshalb also keine Sorgen.“

Shinobu-san ließ kurz mit seinem Blick von Gackt ab und zog einen weißen Bogen Papier aus einer Mappe hervor, die direkt neben ihm lag und der Aufmerksamkeit des Sängers bisher entgangen war. Auf einen kurzen Wink hin legte einer seiner Handlanger das Blatt zusammen mit einem Stift vor Gackt auf den Tisch. Nicht ganz sicher, was er jetzt damit anfangen sollte, sah dieser abwechselnd auf das Papier und wieder zu Hydes Onkel. In der letzten Minute hatte ihr Gespräch doch entschieden an Deutlichkeit zugenommen, was ihm nur Recht sein konnte. Und es hätte doch noch weit schlimmer kommen können, zumindest würde ihm noch etwas Zeit bleiben, bevor die Takarais ihn aus der Welt schaffen wollten. Jetzt dachte Gackt erst recht nicht ans Aufgeben, er würde auf keinem Fall tot und blutüberströmt in diesem Raum enden, so viel stand schon mal fest. Diese Gewissheit war erleichternd, oh ja, auch wenn seine Zukunft immer noch alles andere als rosig aussah. Denn was sollte er dagegen unternehmen, wenn das Flugzeug, dass ihn irgendwohin in den „Urlaub“ bringen sollte unterwegs abstürzte? Nichts würde er dann tun können, nur eine einzige Sache: Es niemals so weit kommen lassen. Blieb also wieder das gleiche Problem wie vorher bestehen, wie sollte er von hier wegkommen, ohne, dass Hyde seinem Onkel weiterhin ausgeliefert blieb? Alleine war es unmöglich, auch wenn er es nicht gerne zu gab, aber er brauchte Hilfe. Hätte er doch bloß dem Geheimdienst gesagt, wo die Villa zu finden war! Aber nein, er musste ja alles immer alleine durchziehen! Doch halt, der Geheimdienst! Zumindest der sollte sich doch wundern, wenn Gackt so sang- und klanglos in den Urlaub abhaute, wo sie doch gerade jetzt nahe am Ziel waren.

Er fixierte wieder sein Gegenüber und machte sich nicht mehr die Mühe zu lächeln. „Vielleicht wird es meinem Manager egal sein, ob ich Urlaub mache, wo in nächster Zeit keine weiteren Auftritte anliegen, doch meine Kollegen vom Geheimdienst dürften sich schon Gedanken über mein Verschwinden machen.“ Shinobu-san lächelte stattdessen noch immer. „Und genau aus diesem Grund werden Sie Ihre geschätzten Kollegen auch über ihr Vorgehen in Kenntnis setzten. Wir möchten natürlich vermeiden, dass diese noch annehmen, wir hätten etwas mit Ihrem plötzlichen Urlaub zu tun. Sicherlich werden Sie ihnen alles verständlich erklären können.“ Gleichzeitig sahen die beiden Männer auf das weiße Papier vor Gackt und dieser verstand endlich. „Sie schreiben doch gerne Briefe, nicht wahr?“

Woher zum Teufel der Kerl das schon wieder wusste, war dem Braunhaarigen rätselhaft, denn es traf tatsächlich zu, dass er statt wie andere Leute, die nur noch per Email und Internet kommunizierten, lieber Briefe schrieb. Er fand es einfach persönlicher und auch der Geheimdienst hatte schon ein paar von ihm erhalten, wenn es auch meistens Einladungen für seine Konzerte waren, die bis auf Yoshimura, den Gackt mehr oder weniger zum Erscheinen genötigt hatte, auf nicht sehr viel Begeisterung gestoßen waren. Bei seinem Chef war das allerdings auch kein Wunder. Auch jetzt konnte sich der Sänger schon recht gut ausmalen, wie Naruse-san wohl reagieren würde, wenn er einen Brief mit den Worten, Gackt würde dringend einen Kurzurlaub brauchen und sei deshalb für die nächsten Tage nicht verfügbar, in den Händen hielt. Ob er da auf die Idee käme, dass etwas ganz und gar nicht stimmte?

Gackt wagte es nicht zu hoffen, schließlich wartete Takarai-san bestimmt nur darauf den Brief genauestens nach möglichen Hinweisen zu durchsuchen und ehrlich gesagt glaubte er nicht, vor dem stechenden Blick dieser schwarzen, herzlosen Augen auch nur irgendetwas geheim halten zu können. Allerdings war dieser Brief die einzige Chance, die sich ihm zur Zeit bot, mit der Außenwelt in Verbindung zu treten und so sehr er sich dagegen sträubte den Befehl eines Verbrecher zu befolgen, er musste diese Gelegenheit ausnutzen!

Äußerlich ohne sichtbare Regung, wie er zumindest hoffte, nahm er den Stift in die Hand, bekam noch mit, wie Shinobu-san sich mit einem triumphierenden Lächeln zurücklehnte und versuchte einen so belanglosen Brief wie möglich zu schreiben, der trotzdem über das erste Überfliegen hinaus wenigstens einen minimalen Zweifel über seine wahren Absichten beim Geheimdienst entfachen würde, ohne dass Shinobu-san etwas davon bemerkte. Er musste schon zugeben, dass diese Aufgabe, selbst für ein Allround-Talent wie ihn gar nicht so einfach war.
 

„Was bildet sich dieser Kerl eigentlich ein?“ Naruse-san hatte den kurzen Brief nun schon zum dritten Mal durchgelesen, doch die Zeichen wollten sich einfach nicht ändern. Noch immer stand in Gackts klarer Handschrift das selbe Gefasel da. „Wie Sie mir ja selber nahegelegt haben, werde ich für die nächsten paar Tage verreisen und mich vom letzten Auftrag erholen. Ich gebe Ihnen dann rechtzeitig Bescheid, wann ich wieder da sein werde und freuen Sie sich schon mal auf meine Postkarte…“, las der Chef mit vor Wut zitternder Stimme laut vor und musste sich zusammennehmen, um das Blatt Papier nicht einfach in den nächsten Mülleimer zu befördern. Was hatte sich Gackt bloß dabei gedacht? Urlaub, ausgerechnet jetzt? Er ließ seinen besten Agenten sowieso nur ziemlich ungern auf Tour gehen, doch das sah er immerhin ein, so bekannt, wie der Sänger inzwischen war, ließen sich Tourneen einfach nicht mehr vermeiden. Aber einfach so zu verschwinden und nur einen Brief zu schicken? Hatte er ihm nicht gerade noch die Ohren vollgeheult, dass sie so schnell wie möglich etwas unternehmen mussten? Genau, das war ihm doch schon bei der letzten Einsatzbesprechung aufgefallen, Gackts merkwürdiges Verhalten und sein gesteigerter Ehrgeiz und jetzt plötzlich so was!

Bevor Naruse-san doch noch überlegen konnte, ob er den Brief zusammenknüllte und den geschätzten Herrn Sänger gleich persönlich hier antanzen ließ, sofern er sich überhaupt noch in Japan aufhielt, wurde die Tür zu seinem Büro geöffnet und Yoshimura, Gackts Einsatzpartner steckte den Kopf herein. „Chef, ich brauche…“, fing dieser an, unterbrach sich aber gleich beim Anblick von Naruse-sans rotem Kopf und kam neugierig näher.

„Gut, dass Sie kommen! Dann können Sie mir gleich mal sagen, was schon wieder mit Ihrem berühmten Partner los ist!“ Der Chef betonte das Wort ‚berühmt’ besonders deutlich und hielt dem Agenten den Brief vor die Nase, den dieser auch sofort interessiert durchlas. Verwirrung war das erste, was sich auf Yoshimuras Gesicht zeigte.

„Weshalb…“, murmelte er und las die Zeilen gleich noch mal, mit dem einzigen Effekt, dass er immer weniger verstand. In den ganzen Jahren, die er nun schon mit Gackt zusammenarbeitete, hatte er ja wirklich viele seltsame Dinge erlebt, aber dieser Urlaub passte nun absolut nicht zum Braunhaarigen. So versessen auf einen Fall, wie dieses Mal, hatte ihn Yoshimura noch nie erlebt und er glaubte auch den Grund zu kennen: Wie so oft in den letzten drei Jahren war ein gewisser Schwarzhaariger alles was Gackt im Kopf hatte und er war mit Sicherheit auch verantwortlich für dessen Besessenheit für diesen Fall. Dass Hyde auf irgendeine Weise mit der Verbrecherorganisation in Verbindung stand, davon war Yoshimura seit ihrem Bergwerkabendheuer überzeugt, schließlich muss auch der kleine Sänger dort gewesen sein, anders war Gackts Reaktion nicht zu erklären. Nur hatte er in den letzten Tagen keine Gelegenheit gehabt, diesen darauf anzusprechen, da die Agenten sich ja auf Anweisung vom Chef ausruhen sollten und Gackt schließlich auch noch andere Verpflichtungen hatte. Aber wieso sollte er nun in den Urlaub fahren, wenn Hyde vielleicht in Gefahr steckte? Nein, das passte einfach nicht zusammen! Yoshimura war sich verdammt sicher, dass mehr dahinter stecken musste!

„Chef, wenn Sie einverstanden sind, fahr ich sofort zu Gackts Wohnung und frage ihn persönlich“, schlug der Agent vor und setzte dann hinzu: „wenn er noch hier ist…“ Denn wenn seine Vermutung stimmte, steckte der Sänger ganz schön in der Klemme. Ohne lange zu überlegen, stimmte Naruse-san zu; Yoshimuras Besorgnis, welcher Gackt immerhin am besten von allen Mitarbeitern kannte, verstärkte nur sein eigenes Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.

So schnell es dem Brillenträger möglich war, verließ er das Hauptquartier und kam auch nur kurze Zeit später bei der Wohnung des Braunhaarigen an. Je länger er auf die Klingel drückte und sich nichts im Haus rührte, desto mulmiger wurde ihm zu mute. Aber da er auch nicht wirklich damit gerechnet hatte, dass ihm Gackt die Tür öffnen würde, war er darauf vorbereitet, das selber zu tun. Einem Verbrecher gleich begann er also am Türschloss rumzufummeln und hatte es auch nur Augenblicke später geschafft. Die Vormittagssonne fiel durch die Fenster, doch ansonsten regte sich nichts. Auf sein Rufen hin meldete sich natürlich wie erwartet auch niemand und ein kurzer Blick in jedes Zimmer genügte, um eindeutig festzustellen, dass der Hausherr ausgeflogen war.

Das alleine reichte eigentlich schon aus, um Yoshimuras Ahnung zu bestätigen, doch dass Gackt nicht zu Hause war, konnte natürlich auch noch andere Gründe haben, also brauchte er zuerst einen handfesten Beweis, damit der Geheimdienst etwas unternehmen konnte. Er überlegte, wie ihm die menschenleere Wohnung weiterhelfen konnte und ließ sich gedankenverloren auf dem großen Sofa nieder. Ein paar Minuten verstrichen, bis ihm der einzige Gegenstand auf dem ansonsten pingelig aufgeräumten Couchtisch auffiel. Der Agent steckte die Hand aus und zog die zusammengefalteten Papiere zu sich rüber, die sich bei näherem Hinsehen als Stadtplan von Tokyo entpuppten. Mit nun deutlich erhöhter Herzfrequenz schlug er den Plan auseinander und starrte auf ein dickes rotes Kreuz inmitten eines Villenviertels. Ebenfalls in roter Farbe führte eine dünnere Linie von der Markierung zum Ort an dem sich Yoshimura jetzt befand, wie er nach einem schnellen Blick erkannte.

Mit einem Satz sprang er wieder auf, diese Entdeckung ließ keinen Zweifel mehr übrig! Der Sänger musste herausgefunden haben, wo sich der Takarai-Clan versteckt hielt und dann, ohne Verstärkung zu alarmieren einen Alleingang gestartet haben. Und wenn sich Yoshimura jetzt nicht total irrte, dann steckte auch Hyde auf dem Anwesen fest, womit wohl auch der Grund geklärt wäre, weshalb Gackt ohne eine Nachricht zu hinterlassen dahin aufgebrochen war. Dann fiel ihm wieder der Brief ein, weshalb er überhaupt erst hergekommen war. Wenn man bedachte, dass ihn der Braunhaarige in Gefangenschaft geschrieben hatte, wurde plötzlich alles klar und dass Gackt in Schwierigkeiten steckte, war wohl noch ziemlich untertrieben formuliert!

Trotz des Zeitdrucks, dem sich Yoshimura plötzlich ausgesetzt fühlte, ging er noch einmal in Gackts Schlafzimmer zurück und was ihm vorhin nur unterbewusst aufgefallen war, bestätigte seine Theorie nun endgültig: Auf dem Boden neben dem Kleiderschrank lag ein Pistolenhalfter und von der Waffe war weit und breit nichts zu sehen.

Nachdem nun auch der letzte Zweifel beseitigt war, rannte der Agent zurück zu seinem Wagen und das Handy-Verbot am Steuer hielt ihn nicht davon ab, dem Geheimdienst seine Entdeckung mitzuteilen. Schneller als bei seiner Hinfahrt und gerade rechtzeitig zur sofortig angesetzten Einsatzbesprechung traf er wieder im Hauptquartier ein.
 

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Tada, jetzt ist es also raus, Hydes Geheimnis, weshalb ich den armen Kerl immer so gequält habe *lach*

Und wie schon gesagt, es ist mir nicht leicht gefallen das zu schreiben, trotzdem hoffe ich, dass ihr zufrieden seid!

Wir nähern uns jetzt auch bald dem großen Finale ^^ ihr dürft also schon mal gespannt sein, was die beiden Süßen noch alles erwartet!
 

Also bis bald,

eure himachan

Before Sunset

Kami-sama, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll!

Jetzt ist es fast ein ganzes Jahr her, dass ich das letzte Kapitel hochgeladen hab *sich schäm*

Aber ich hab die Story nicht vergessen und wenn das Kapi nicht so lang hätte sein müssen, dann hätte ich es auch schon zu den letzten Semesterferien hochgeladen bekommen. Doch ich wollte unbedingt genau bis zu diesem Punkt schreiben und im Semester fehlte mir leider die Zeit dazu.

Ich bin grausam, ich weiß *sich da nichts vormach*

Wenn ihr aber bis zum Ende vom Kapitel durchgehalten habt, werdet ich mich sicher verstehen ^^ *wenn es denn überhaupt noch jemand liest*
 

Ich wünsche also viel Spaß beim Lesen!
 


 

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16. Kapitel

Before Sunset
 

Alles war dunkel. Er konnte weder etwas hören noch sehen, nur die undurchdringbare Schwärze vor seinen Augen. Selbst die Zeit schien nicht zu vergehen, oder kam es ihm nur so vor? Irgendwann vernahm er ein schnelles Klopfen, rhythmisch gegen seine Brust. Ein Herzschlag, dachte Gackt, natürlich sein eigener, was hätte es auch sonst sein können? Dann plötzlich diese Schritte, immer lauter werdend, direkt hinter ihm. Viel zu spät erkannte er, dass auch sie von ihm selbst ausgingen und er kam sich mit einem Mal schrecklich dumm vor. Rannte hier durch die Dunkelheit, verfolgt von seinen eigenen, immer schneller werdenden Schritten. Und so etwas nannte sich Geheimagent! Fast hätte er aufgelacht, wäre dieses beängstigende Gefühl in seinem Innersten nicht gewesen, das sich einfach nicht abschütteln ließ. Doch wer hätte ihm das verübeln können, denn noch immer konnte Gackt nicht das geringste Bisschen sehen, ein Wunder, wie er da überhaupt rennen konnte, ohne ein einziges Mal auf ein Hindernis zu stoßen.

Gerade als sich die Frage, wo er hier überhaupt war und wieso zum Teufel er nicht einfach aufhörte zu laufen, in seine Gedanken schleichen wollte, nahm er eine Veränderung wahr. Erst war es nicht mehr als ein Windhauch, der sein Gesicht streifte, trotzdem fühlte er sie plötzlich. Diese fremde Person ganz in seiner Nähe, er konnte ihren Geruch um sich spüren, als würde sie damit ein feines Spinnennetz immer enger um ihn weben. Gackt blieb stehen, doch die Schritte verstummten nicht. Er hörte sie näher kommen, bis er das Gefühl hatte nur noch den Arm ausstrecken zu müssen und dann würde er sie berühren können. Natürlich tat er es nicht, vielleicht weil die Angst in seiner Brust zu groß war, vielleicht weil er nicht wissen wollte, weshalb er diesen Geruch zu kennen glaubte. Längst konnten seine Sinne mehr wahrnehmen, als ihm lieb war. Das leise Atmen in seinem Nacken war fast ebenso deutlich zu spüren, als würden zarte Fingerspitzen ihn dort steifen. Gackt wagte sich nicht zu rühren, wollte sich wehren gegen das Gefühl der Vertrautheit, das ihn immer stärker werdend umhüllte. Alles war ihm so gut bekannt und doch wurde er das beklemmende Gefühl der Angst nicht los. Es war als spielte die Schlange mit ihrem Opfer, kurz bevor sie ihre Giftzähne in dessen Haut stieß. Ein betörendes Raubtier war es, dass ihn in seinen Fängen hielt und auch wenn Gackt das wusste, wenn er die Gefahr so deutlich spüren konnte, schmolz sein Widerstand dahin, wie Schnee beim Anblick der sengenden Sonne. Er ließ sie gewähren, die Finger auf seiner Haut, die überall waren, die Lippen an seinem Hals, die sich so passend anfühlten, als gehörten sie dahin und nirgendwo sonst.

Dann traf ihn der Biss mit voller Kraft, giftig, tödlich, kalt. Eisiger Stahl an seiner Halsschlagader ersetzte die weichen Lippen. Gackt musste nicht sehen können, um zu wissen was es war. Den Lauf einer Pistole würde er immer erkennen können, selbst im Schlaf. Doch hatte er gedacht, das angenehme Gefühl, der betörende Duft seines Verfolgers würde verschwinden, so irrte er sich. Trotz all der Kälte, trotz dem durch die Stille hallenden Geräusch eines entsicherten Pistolenlaufs, blieb die Vertrautheit bestehen. Und genau das jagte ihm die größte Angst ein.

Dann allmählich lichtete sich die Dunkelheit und Gackt sah aus den Augenwinkeln eine Gestalt hinter sich auftauchen, doch mehr als die stählerne Schusswaffe in ihrer Hand konnte er nicht erkennen, bevor das Bild vor seinen Augen zusammen fiel und er diese ob der plötzlichen Helligkeit zusammenkneifen musste. Als er sie erneut aufschlug umgab ihn ein Dämmerlicht, doch noch immer drückte kalter Stahl gegen seinen Nacken.

Es dauerte eine Weile bis Gackt begriff, dass er in die leblosen Lichter seiner Gefängniszelle starrte und dass es ein Albtraum war, der ihn heimgesucht hatte. Ein Traum, nichts weiter als ein harmloser, unbedeutender Traum, wie ihm so viele Menschen Nacht für Nacht erlagen. Als der Braunhaarige den Kopf schüttelte, um sich von den letzten Resten der Müdigkeit zu befreien, verschwand auch der kalte Druck auf seinen Hals. Es war nur die Metallbefestigung des Bettgestells gewesen, an die sein Kopf im Schlaf gerutscht war. Genauer betrachtet befand er sich sowieso in einer recht merkwürdigen Position, doch es war ihm eh ein Rätsel wie es ihm gelungen war in dieser Umgebung und vor allem auf diesem unbequemen Untergrund einzuschlafen. Vielleicht ließ sich sein Traum darauf zurückführen, überlegte Gackt. War es nicht ein Beweis dafür, dass ihm zu viel Schlaf mehr schadete als nützte? Das ganze Gerede von Schönheitsschlaf war also nichts als Unsinn, man musste ihn doch nur angucken, um zu wissen, dass drei Stunden Schlaf in der Nacht absolut ausreichend waren! Wirklich besser ging es dem Sänger durch diese Erkenntnis allerdings nicht, zu tief steckten noch die Empfindungen seines Traum-Ichs in ihm und er wusste schon jetzt, dass sie sich nicht so leicht abschütteln lassen würden. Nannte man so etwas nicht Vorahnung? Etwas zu ahnen, bevor es wirklich eintraf… Gackt schüttelte bestimmt den Kopf, sicher war er einfach nur fertig gewesen vom letzten Tag. Wie oft wurde man schließlich von einem Schmugglerring gefangen genommen und blickte seinem nahenden Tod ins Auge? Und das der Geliebte einem seine so lange gehüteten Geheimnisse anvertraute, war auch nicht an der Tagesordnung. Wirklich, es war anstrengend gewesen, selbst für Gackts Verhältnisse. Wenn wunderte es da, dass er etwas überreagierte? Trotzdem, beim Gedanken an Hyde schnürte es ihm die Brust gleich noch viel stärker zusammen und er vermeinte wieder die sanften Klauen der Gefahr um seinen Körper zu spüren, vermischt mit diesem angenehm, vertrauten Geruch…

„Nein!“ Entschlossen stand er auf, diesen einen Gedanken wollte er auf keinen Fall zu Ende führen, denn es konnte und durfte einfach nicht sein. Lieber rief er sich in Erinnerung, wie Shinobu-san ihm am vergangenen Nachmittag gegenübergesessen hatte, um seine Urlaubspläne zu besprechen. Sein Brief an den Geheimdienst war gleich nachdem er besonders schwungvoll seine Unterschrift auf das Blatt Papier gesetzt hatte, aufs genauste kontrolliert worden und Gackt war fast ein bisschen stolz auf sich gewesen, als Hydes Onkel ohne einen Einwand von sich zu geben den Brief akzeptierte. Auch das weitere Gespräch danach war ihm noch lebhaft in Erinnerung geblieben.

„Sehr schön“, noch immer hatte der Sänger den Klang der kalten Stimme in seinen Ohren, „Jetzt werden Sie sicherlich nichts dagegen haben, sich um Ihren Flug zu kümmern, da wir das aus verständlichen Gründen leider nicht selber übernehmen können.“ Auf diese Worte war wieder das humorlose Lächeln über das Gesicht Shinobu-sans geglitten. Und Gackt war wirklich auf alles gefasst gewesen, aber mit dem Anblick, der sich ihm nun bot, hatte er doch nicht gerechnet. Das Objekt, welches einer der Männer vor ihm auf den Tisch platziert hatte, wirkte in etwa so passend in diesem leeren, weißen Raum wie sein neustes Model eines Mobiltelefons im 16. Jahrhundert. „Sehen Sie es als besondere Ehre an, dass wir es Ihnen zur Verfügung stellen, es ist ein Familienerbstück, also seinen Sie vorsichtig.“ Hätte der Sänger es nicht besser gewusst, so wäre er fast der Meinung gewesen, einen liebevollen Klang in der Stimme des Mafiosobosses wahrnehmen zu können. Stirnrunzelnd hatte er also die Hand nach dem antiken, mit dickem Stoff bezogenen Telefon ausgestreckt, das Hydes Ur-Urgroßmutter zu gehören schien und jeden Gedanken des Braunhaarigen an GPS-Ortung auf der Stelle hinfällig machte. Es war ja schon mehr als verwunderlich, dass man mit diesem Kasten noch telefonieren konnte, die Nummer zurückzuverfolgen war wohl ein Ding der Unmöglichkeit; eine gewisse Kreativität konnte noch nicht einmal Gackt Shinobu-san abschlagen. Dieser schob ihm dann auch gleich weitere Papiere über den Tisch zu, auf denen haarklein die Anweisungen für seinen Flug standen.

Nachdem der Sänger tatsächlich eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung hörte und ihr seinen Namen und seinen, oder besser gesagt Shinobu-sans Wunsch durchgab, wusste er doch recht genau, weshalb er das Flugbuchen sonst immer seinem Manager überließ. Denn bis sich die Frau wieder soweit beruhigt hatte, um nicht bei jedem erneuten Wort Gackts einem halben Ohnmachtsanfall zu erliegen, brauchte schon eine ganze Weile. Schließlich befand sich der Name des Braunhaarigen aber doch auf der Passagierliste einer Maschine, die am nächsten Abend Richtung Okinawa starten sollte. Wer dafür auf seinen Urlaub verzichten musste, um dem berühmten Sänger Platz zu machen, wollte Gackt lieber nicht so genau wissen, doch wahrscheinlich hatte er einem Menschen gerade das Leben gerettet.

Etwas zu schwungvoll ließ er dann den Hörer zurück auf die Gabel fallen, nachdem er der Dame hoch und heilig versprochen hatte, ihr so schnell wie möglich eine Autogrammkarte zuzuschicken und erntete einen gefährlich funkelnden Blick des Schwarzhaarigen, weil die Quaste des Telefons dadurch nahe am Abfallen waren. Trotzdem war er nur kurze Zeit später zurück in seine Zelle gebracht worden, wo er sich jetzt am späten Morgen noch immer befand.

Seufzend ließ sich Gackt zurück auf das Bettgestell sinken und versuchte nicht an die vor ihm liegenden letzten und vor allem Dingen hydefreien Stunden zu denken und das Gefühl der Vorahnung so gut es ging zu ignorieren.
 

Nicht weit entfernt, im japanisch eingerichteten Teil der Villa rieb sich zur gleichen Zeit ein etwa einen Kopf kleinerer Sänger müde über die von dunklen Ringen umrahmten Augen. Im Gegensatz zu Gackt hatte Hyde in dieser Nacht kaum Schlaf finden können und war fast in Versuchung geraten, sich noch einmal solch eine gnädige Ohnmacht wie beim Benefizkonzert nach dem Auftritt des Braunhaarigen zu wünschen. Wäre ihm denn wenigstens ein Weg für die Rettung seines Geliebten eingefallen, hätte die schlaflose Nacht noch einen Sinn gehabt, doch noch immer hatte er keine brauchbare Idee finden können. Auch Megumi, die von Anfang an die Rettungsaktion sehr viel optimistischer gesehen hatte als ihr „Verlobter“, wusste nicht wie sie das nächste Mal einen Kuss zwischen den beiden Sängern miterleben sollte.

Dass sich die getrübte Stimmung in Hydes Schlafzimmer noch weiter verschlechtern konnte, bewies ein dezentes Klopfen an der Tür, welches die beiden Japaner aufschrecken ließ. Nach einem kleinen Schubs von Megumi und einem gequälten „Herein“ von Hyde, erschien der Kopf eines Hausmädchens im Türrahmen, das sich sofort mit gesengtem Haupt auf die Matten kniete. „Ihr Herr Onkel wünscht Sie in seinem Büro zu sehen, Hideto-san“, sagte sie leise und erhob sich sogleich wieder, nur um die Tür lautlos hinter sich zuzuschieben. Diskretion war wohl die größte Fähigkeit der Dienerschaft im Haushalt Takarai, wobei sich der Sänger bis heute nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand freiwillig bei seinem Onkel arbeitete. Allerdings sollte er sich darüber lieber nicht auch noch den Kopf zerbrechen, denn wenn Shinobu-san ihn sprechen wollte, lag es sicher nicht an dessen Sehnsucht nach seinem Lieblingsneffen.

„Geh besser Hyde“, meldete sich Megumi nach kurzem, angespannten Schweigen zu Wort, „du solltest ihn lieber nicht zu lange warten lassen und vielleicht kannst du ja heraus bekommen, was genau jetzt mit Gackt passieren soll. Wenn wir das erst mal wissen, fällt uns sicher auch etwas zu seiner Rettung ein!“ Das klang hoffnungsvoller, als sich die Schwarzhaarige fühlte, doch ein Blick in das übernächtigte Gesicht von Hyde zeigte ihr wieder, wie notwendig es war, dass wenigstens sie die Hoffnung noch nicht aufgab und sei es nur damit zumindest ein bisschen Farbe auf die Wangen des Laruku-Vocals zurückkehrte. Dieser zuckte nur kurz mit den Schultern und erhob sich dann tatsächlich. „Du hast recht. Schlimmer kann es jetzt wohl kaum mehr kommen, es sein denn mein Onkel überlegt es sich doch noch mal anderes und sperrt mich auch gleich noch in eine Zelle.“ Das war zwar nicht ganz die erwünschte Wirkung ihrer Worte, aber immerhin verließ Hyde das Zimmer und stand kurze Zeit später vor der zugeschobenen Bürotür.

„Hideto, mein Lieber!“ Die kalte Stimme strafte die netten Worte Lügen, doch der Sänger schaffte es trotz des verhassten Anblicks seine ausdruckslose Maske aufrecht zu erhalten, obwohl er seinen Onkel noch nie so verabscheut hatte, wie in diesem Augenblick. „Setz dich bitte, ich habe ein paar Dinge mit dir zu besprechen.“ Nachdem sein Neffe der Aufforderung Folge geleistet hatte, sagte Shinobu-san gewohnt kühl: „Es freut mich zu sehen, dass du dich so gut mit Megumi-san verstehst.“ Natürlich, dachte Hyde, je eher ich verheiratet bin, desto schneller bist du mich los. „Doch jetzt ist noch nicht der richtige Zeitpunkt um über einen Termin für die Hochzeit zu sprechen, wie du vielleicht schon bemerkt hast, haben wir seit gestern einen Gast.“ Ohne sich dagegen wehren zu können, begann das Herz des Sängers schneller zu schlagen, obwohl er genau auf diese Worte gehofft hatte, um endlich genaueres zu erfahren.

„Sicher wirst du ihm schon einmal bei einem Auftritt begegnet sein, er ist recht bekannt. Sein Name ist Gackt.“ Hyde schluckte merklich und versuchte so tonlos wie möglich: „Ja, ich kenne ihn“ von sich zu geben. Aber wenn du wüsstest, wie gut ich ihn kenne und dass es praktisch nichts gibt, das ich von ihm noch nicht gesehen hätte, würde ich schon längst hinter Gittern sitzen, fügte er in Gedanken hinzu. Sollte ich denn dann noch leben…

„Gestern ist uns dieser Mann in die Quere gekommen und wie es aussieht, stellt er eine nicht zu verachtende Gefahr für unser Unternehmen dar. Du weißt, was ich mit solchen Personen zu tun pflege“, fuhr der Onkel fort und sah den Jüngeren durchdringend an, der schlagartig aus seinen Überlegungen, welche Körperteile er von Gackt wohl am besten kannte, wieder zurück in die Realität fand. „Vielleicht wunderst du dich, weshalb ich dich in diese Angelegenheit einweihe, wo du mich so enttäuscht hast. Sieh es als Belohnung dafür, dass du Megumi heiraten wirst und weil ich noch immer der Meinung bin, du seiest einer meiner besten Agenten. Doch bevor ich dich wieder auf Einsätze schicken kann, musst du mir in dieser Sache beweisen, dass du dich an die Regeln halten kannst. Gackt wird heute Abend einen Flug nach Okinawa nehmen, wo er allerdings nie ankommt. Deine Aufgabe ist es, bei der Manipulation des Flugzeuges mitzuwirken.“ Hätte Shinobu-san gewusst, was er mit diesem Auftrag von Hyde verlangte, so hätte vielleicht ein echtes Lächeln auf seinen Zügen gelegen, weil er seinen Neffen noch nie so sehr in die Enge getrieben hatte.

Noch während die gefühllosen Worte durch das Büro hallten, wurde dem Sänger schwarz vor Augen. Plötzlich hatte sein schlimmster Albtraum die wohl grausamste Wendung genommen. Nicht sein Onkel war es, der für den leblosen Gackt zu seinen Füßen verantwortlich war. Nein, er selber hatte seinen Geliebten tödlich niedergestreckt mit genau diesen Händen, die er jetzt angewidert anstarrte.

Nur sehr langsam schaffte es Hyde seinen Blick wieder zu heben und bereute es im selben Moment, als er in die schwarzen Augen vor sich sah. „Bring ihn um und du gewinnst mein Vertrauen zurück“, schienen diese zu sagen, so deutlich, dass jedes weitere Wort überflüssig wurde. „Ich erwarte dich in einer halben Stunde zum Aufbruch bereit in der Eingangshalle“, setzte Shinobu-san nach einem Moment des Schweigens hinzu und erhob sich.

Das Gespräch war beendet. Mehr gab es nicht zu sagen. Es gab nichts, dass Hyde darauf hätte erwidern können, keine Worte, um ihr Schicksal noch aufzuhalten. Denn jedes Widersprechen hätte das Takarai-Oberhaupt nur zu einem veranlasst: Seinen Neffen gleich mit in das Flugzeug zu setzten.

Mal wieder war es dem Sänger ein Rätsel, wie er es in seiner Verfassung zurück ins Zimmer geschafft hatte, doch Megumi, die mit einem leisen Aufschrei zu ihm stürmte, als er sich auf den Futon fallen ließ, schaffte es irgendwie zu ihm durchzudringen. Mit tonloser Stimme, aus der jede Gefühlsregung entwichen schien, berichtete er von dem Gespräch. „Da hab ich mich also doch geirrt! Ich darf nicht nur zusehen, wie sie Gackt umbringen, nein, ich habe sogar die Ehre es selber zu tun.“ Triefender Sarkasmus war die einzige Möglichkeit nicht völlig den Verstand zu verlieren. Denn genauso kam es ihm vor; würde er egal in welcher Weise mithelfen das Flugzeug zu manipulieren, so wäre es genau das gleiche, wie seinem Geliebten die Pistole eigenhändig an die Brust zu setzen.

Megumi seufzte schwer, ihr sehnlich erwarteter Kuss hatte sich gerade in den Tiefen des Universums verloren. „Aber Hyde, denk doch mal nach“, versuchte sie die Lage zu entschärfen und erntete ein wütendes Funkeln aus braunen Augen. „Mit so vielen Informationen haben wir doch gar nicht gerechnet und dass du wieder auf einen Auftrag geschickt wirst, kann uns doch nur gelegen kommen. Nein, bevor du dich aufregst, hör mir erst mal weiter zu“, kam sie seinem mit Sicherheit folgenden Wutanfall zuvor. „Wer sagt denn, dass du mithelfen musst? Ich weiß, dein Onkel wird dich wahrscheinlich umbringen lassen, wenn das Flugzeug nicht abstürzt, aber andererseits kannst du Gackt am Flughafen abfangen und damit haben wir endlich eine Möglichkeit ihn rauszuholen. Außerhalb der Villa wird das sicher leichter als hier. Meinst du nicht auch?“

Die Schwarzhaarige hielt angespannt den Atem an und beobachtete Hyde, dessen Gesichtsausdruck in den letzten Sekunden von am Boden zerstört über stockwütend zu langsamem Begreifen gewechselt hatte. Wie er es verdammt noch mal hasste ihr ständig recht geben zu müssen! Das war nun schon das zweite Mal an diesem Vormittag und so ganz allmählich machte er sich doch Sorgen, wieso es Megumi immer mühelos gelang alles zu durchblicken, während er selber sich nicht schlauer anstellte als ein Grundschüler! Aber wenn es um Gackt ging, hatte er sich noch nie auf seinen Verstand verlassen können, wie konnte er jetzt etwas anderes erwarten?

Um nicht noch mal ein erniedrigendes „Du hast ja recht“ von sich geben zu müssen, fragte er: „Und wie genau stellst du dir das vor? Ich werde wohl kaum der einzige sein, der zum Flughafen geschickt wird. Und dann ist da noch meine Mutter, die hier irgendwo festgehalten wird, ich kann sie nicht im Stich lassen und einfach mit Gackt abhauen. Sie ist die einzige in meiner Familie, die nicht so verdorben ist, wie der Rest. Mein Onkel wird sie umbringen lassen sobald ich weg bin, das hat sie nicht verdient“ Auch wenn er in letzter Zeit eher wenig an sie gedacht hatte, seine Mutter auf die gleiche Weise sterben zu sehen, wie seinen Vater konnte er weder ihr noch seinem Gewissen antun.

Einen Augenblick zögerte Megumi mit der Antwort. Sie war erleichtert, dass sich Hyde wieder beruhigt hatte und wenn sie es recht überlegte, war sie sogar ein bisschen überrascht, wie schnell er über ihren Vorschlag nachdachte. „Ich denke, es wird das beste sein, wenn das Flugzeug gar nicht erst startet“, fing sie ihre Erklärung an, „Mit deinen technischen Fähigkeiten schaffst du das sicher und die anderen wirst du dabei wohl einfach an der Nase herumführen müssen. Das dürfte dir doch auch nicht so schwer fallen, oder?“ Sie zwinkerte ihm kurz bedeutungsvoll zu. „Und um deine Mutter werde ich mich kümmern. Falls hier doch etwas passieren sollte, ruf ich dich auf dem Handy an. Versprochen!“

„Du hast doch keine Ahnung, wo sie überhaupt festgehalten wird! Wie willst du sie da ganz alleine rausholen?“, warf der Sänger sofort ein. Er selber hatte schließlich auch nicht den leisesten Schimmer wo genau sein Onkel sie festhielt.

Mit gespielter Entrüstung schürzte Megumi die Lippen. „Hey, du vergisst, wer ich bin! Ich kann sehr wohl auch mehr als nur gut auszusehen!“ Dieser Satz hätte genauso gut von Gackt kommen können, fuhr es Hyde durch den Kopf und er musste unwillkürlich lächeln. Tatsächlich vergas er ab und zu, dass Megumi genau wie er auch in der Welt des organisierten Verbrechens zu Hause war. Was ja auch kein Wunder war, so oft wie sie von romantischen Küssen zwischen zwei Männern redete, gab sie nicht gerade das Bild einer typischen Verbrecherbraut ab.

„Also einverstanden“, erklärte sich der Schwarzhaarige schließlich bereit und stand auf, um seine Einsatzklamotten zu suchen. Es behagte ihm zwar gar nicht, sich soweit von Gackt entfernen zu müssen, aber er sah ein, dass es notwendig war, wenn sie lebend aus dieser Sache herauskommen wollten. Und seine „Verlobte“ kannte er inzwischen auch gut genug, um zu wissen, dass sie auf der Suche nach seiner Mutter nicht lockerlassen würde.
 

Am anderen Ende der Stadt, in der Einsatzzentrale des japanischen Geheimdienstes, herrschte seit Stunden schon höchste Betriebsamkeit. Im Konferenzraum hatte sich ein Haufen Agenten versammelt, um die Pläne noch ein letztes Mal durchzugehen, während die Technikabteilung noch immer an der Ausrüstung feilte. Schließlich durfte es bei dem alles entscheidenden Einsatz zu keinem unerwarteten Fehler kommen. Über Jahre hinweg waren sie dem Waffenschmugglerring schon auf den Fersen gewesen, in den letzten Wochen so dicht wie noch nie, doch die entscheidende Veränderung hatte es erst am vergangenen Abend gegeben. Als Yoshimura praktisch durch Zufall auf den genauen Standort der Verbrecher gestoßen war. Damit hatte sich auch geklärt, wohin das Aushängeschild des Geheimdienstes, das natürlich niemand anderes als Gackt sein konnte, verschwunden war.

Schneller als vom Agenten erwartet, hatte der Chef der Zentrale, Naruse-san, eine Besprechung eingerufen und das auf der Karte aus dem Wohnzimmer des Sängers markierte Gebäude per Satellit suchen lassen. Vielleicht sollte es so etwas wie eine Wiedergutmachung sein, überlegte der Brillenträger, dafür, dass man Gackts Drängen, endlich etwas Handfestes zu unternehmen, so lange übergangen hatte. Jedenfalls vertrieben die Satellitenbilder alle noch vorhandenen Zweifel. Die große, japanische Villa inmitten eines gewaltigen Gartens, der rundum von dicken Mauern gesäumt wurde, schien nahezu perfekt für den Stammsitz eines Verbrecherclans zu sein und damit war der Einsatz beschlossene Sache.

Was allerdings zur Folge hatte, dass so gut wie niemand in den Genuss von Schlaf in dieser Nacht kam. Trotz dieses Mangels hielt die geschäftige Spannung die ganze Nacht und den darauf folgenden Tag an, bis die Vorbereitungen weitgehend abgeschlossen waren und Naruse-san seinen Agenten mit grimmiger Gewinnermine viel Glück wünschte.

Im Abstand von wenigen Minuten verließen drei geräumige Transporter das unterirdische Parkhaus des Hauptquartiers und fuhren durch die belebten Straßen Tokyos in Richtung des Villenviertels. Gegen fünf Uhr Nachmittags war es dann endlich so weit und sie standen vor der hohen Mauer des Anwesens.

Nachdem sich die Männer in Teams aufgeteilt hatten und diese um die Mauer verteilt waren, gab Yoshimura, der zum Einsatzleiter bestimmt worden war, per Funkgerät das Signal zum Einstieg. Wie schwarze Insekten begannen die Agenten hintereinander auf die Mauer zu klettern. Durch die Satellitenbilder war zwar das ganze Anwesen bekannt, aber die Verteidigungsmechanismen hatten sich nicht erkennen lassen. Da sie aber sowohl mit der Alarmanlage als auch den Überwachungskameras gerechnet hatten, erfolgte das Übersteigen der Mauer einzeln. Sie mussten ja nicht früher als nötig auf sich aufmerksam machen; Takarai Shinobu würde ihre Anwesenheit schon früh genug bemerken.

Trotzdem hatten sich alle Agenten schnell auf der anderen Seite eingefunden, ohne dass auch nur ein einziger von ihnen das dünne Kabel der Alarmanlage berührt hatte. Yoshimura gab ein Zeichen und ebenso lautlos wie Raubkatzen auf der Jagd schlichen die schwarzen Gestalten durch das dichte, grüne Gras, vorbei an den langen Schatten des abklingenden Tages, direkt in die Höhle des Löwen.
 

Inzwischen hatte Megumi eine sehr viel genauere Vorstellung von dem bekommen, was es hieß zum Haushalt der Takarai zu gehören. Und irgendwie war sie doch recht froh, dass es so bald nicht dazu kommen würde, mal abgesehen von ihrer Vorliebe für ihr Lieblingspaar.

Da Shinobu-san nachdem Hyde die Villa verlassen hatte, keine Andeutung machte, sie sollte währenddessen wieder zurück auf den eigenen Familiensitz gehen, konnte sie also ihren Teil der Vereinbarung erfüllen. So war zumindest der Plan gewesen. Doch sobald sie versuchte in den zweiten Stock zu gehen, erschien wie aus dem Nichts eines der Hausmädchen, dass sie mit höflichen Worten, aber ebenso bestimmend davon abhielt. Ihr war es fast schon ein Rätsel, wie sie es gestern zusammen mit Hyde so problemlos zu Gackts Zelle geschafft hatte. Zumindest schien klar zu sein, dass sich die Mutter des Sängers irgendwo in den oberen Stockwerken aufhalten musste.

Nach fünf fehlgeschlagenen Versuchen beschloss die Schwarzhaarige ihre Taktik zu ändern. Sie ging erneut zu Hydes Zimmer und von dort aus auf die Veranda, vielleicht hatte sie ja von außen mehr Glück. Denn zu oft durfte sie dem Dienstpersonal nicht in die Hände laufen, sie hatte schon genug unnötigen Verdacht auf sich gezogen.

So unauffällig wie möglich versuchte sie gleichzeitig den schönen Garten zu bewundern und dabei einen Blick auf die Fenster im zweiten Stock zu werfen. Das stellte sich als gar nicht so einfach heraus; sie hätte vielleicht vorhin doch nicht so vor Hyde angeben sollten. Während sie langsam das Haus in gebührendem Abstand umrundete und nach etwas Auffälligem Ausschau hielt, merkte sie nicht, wie schnell die Schatten der Bäume immer länger wurden. Mittlerweile hatte sie sich auch ein größeres Stück von der Villa entfernt, in der Hoffnung die oberen Etagen aus der Entfernung besser erkennen zu können.

Erst als sie ein merkwürdiges Geräusch hinter sich vernahm, das ihr in der Stille des Gartens in den Ohren hallte, drehte sie sich erschrocken, man könnte sie nun doch entdeckt und als gefährlich eingestuft haben, um. Und dann ging alles furchtbar schnell. Sie sah die schwarzen Gestalten kaum kommen, da waren sie schon direkt vor ihr, hatten sie umzingelt und die glänzenden Waffen auf sie gerichtet.

„Keine Bewegung!“, zischte einer von ihnen bedrohlich, während der nächste sie am Arm packte. Starr vor Schreck, mit so etwas hatte sie nun wirklich nicht gerechnet, blieb Megumi so ruhig sie konnte. Bevor sie ihre Sprache wiedergefunden hatte, zückte ein anderer sein Funkgerät und sprach leise hinein. „Yoshimura, wir haben eine Frau entdeckt. Komm besser her!“

Dieses kurze Gespräch reichte aus, um den Verstand der Schwarzhaarigen wieder in Gang zu setzten. Die vermummten Gestalten, die sie im ersten Moment für die Männer von Hydes Onkel gehalten hatte, schienen aus völlig anderen Gründen in den Garten eingefallen zu sein. Und ihr fiel nur ein einziger ein, der dazu in Frage kam.

Trotz ihrer plötzlichen inneren Aufregung wartete sie geduldig ab, bis der Mann namens Yoshimura zu ihnen getreten war, bevor sie sich laut räusperte. „Ich will ja nicht unhöflich wirken, doch Sie können mich ruhig wieder loslassen. Mit mir haben Sie die völlig falsche Person erwischt“, erklärte sie selbstsicher, stieß mit ihren Worten aber nur auf wenig Aufmerksamkeit, wobei sie wenigstens ein paar hochgezogene Augenbrauen bewirkte, wahrscheinlich aber nur, weil sie den Mut hatte überhaupt etwas zu sagen.

Okay, dann eben deutlicher, dachte sie mit kämpferischer Miene und sagte dann laut: „Wenn Sie übrigens Gackt-san suchen, dann müssen Sie mich nur danach fragen. Ich weiß ganz genau, wo er sich befindet! Und ich sag es Ihnen, wenn Sie mich endlich loslassen!“, setzte sie noch schnell hinzu, denn das Gefühl in ihrem rechten Oberarm hatte sich schon seit einiger Zeit verflüchtigt.

Dieses Mal fiel die Reaktion sehr viel besser aus. Alle Augenpaare drehten sich augenblicklich in ihre Richtung und der Neuankömmling fragte, mit dem vergeblichen Versuch seine Verwunderung und Neugierde zu unterdrücken: „Wieso sollten wir Ihnen das glauben? Ohne zu wissen, wer Sie überhaupt sind?“

Darauf schien Megumi nur gewartet zu haben. Mit einem unschuldigen Lächeln antwortete sie: „Ich bin die Verlobte von Takarai Hideto, oder wenn Ihnen der Name mehr sagte sollte, von Hyde!“ Diese Worte erzielten ebenfalls die gewünschte Wirkung, zumindest der Brillenträger riss überrascht die Augen auf. „Lasst sie los“, wies er seine Kollegen an, nachdem er sich wieder gefangen hatte, und Megumi bedankte sich mit einem weiteren Lächeln, das nun Yoshimura allein galt. „Das sollten Sie uns doch etwas genauer erklären. Vor allen Dingen, woher Sie wissen, wer wir sind und was Gackt mit uns zu tun hat“, wandte er sich wieder der Schwarzhaarigen zu.

„Mit dem größten Vergnügen“, erwiderte diese und begann mit ihrer Geschichte.
 

Konzentriert blickte Hyde auf den Schaltkasten vor sich und überlegte welches der vielen Kabel er am sinnvollsten durchtrennen sollte, damit das Flugzeug auf jeden Fall startunfähig wurde. Im Kopf ging er der Reihe nach durch, wohin die jeweiligen Farben führten und entschloss sich dann zwei Kabel schnell mit dem Messer zu kappen. Zu offensichtlich durfte seine Manipulation natürlich nicht ausfallen, zum einem sollte sie vor dem Start vom Flughafenpersonal nicht bemerkt werden, was Shinobu-sans Männer noch einmal gründlich überprüfen würden und zum anderen war Hyde um jede Sekunde dankbar, in der sein Onkel glaube, alles würde nach Plan verlaufen. Deshalb musste das Flugzeug bis zum Moment des Starts so funktionstüchtig wie möglich aussehen. Und deshalb durfte ihn in diesem Augenblick auch niemand entdecken, sonst war sein Plan mit einem Schlag zunichte gemacht.

Es war nicht leicht gewesen sich vom Rest der Gruppe, mit der er gemeinsam per Auto zum Flughafen gefahren war, unbemerkt zu entfernen und der Sänger wusste, ihm würde nicht mehr viel Zeit bleiben, bevor sein Verschwinden aufflog, also versteckte er die Kabelenden so gut es ging und klappte die Metallabdeckung wieder zurück an ihren Platz. Geschickt kletterte er unter der Maschine hervor und wollte gerade in Richtung der anderen gehen, die weiter vorne noch immer mit der eigentlich Manipulation beschäftigt waren, als seine Hosentasche anfing zu vibrieren.

Geschockt fuhr Hyde zusammen und nur wenige Sekunden später, als ein Blick auf den Display den Anrufer als Megumi identifizierte, schlug sein Herz ohrenbetäubend laut. Gackt! Irgendetwas musste passiert sein! Was, wenn sein Onkel es sich anders überlegt hatte, und ihn jetzt schon…

Bevor er sich aber erlaubte diesen Gedanken zu Ende zu führen, nahm der Schwarzhaarige zitternd den Anruf entgegen. „Hai“, flüsterte er bestürzt und sofort meldete sich die fröhliche Stimme von Megumi am anderen Ende: „Hyde! Stell dir vor, der Geheimdienst ist hier, um Gackt zu befreien und deinen Onkel festzunehmen! Du kannst wieder zur Villa zurückkommen; so wie es jetzt aussieht müssen wir uns um den Flug keine Sorgen mehr machen!“

Es verstrichen einige Sekunden, bis Hydes Gehirn die Neuigkeiten gewinnbringend verarbeitet hatte, Sekunden in denen sein Herz weiterhin raste und Megumis Stimme mit leicht besorgtem Unterton schließlich fragte, ob er noch dran wäre. Dann aber entwich ein erleichtertes Seufzen seiner Kehle und er beeilte sich zu antworten. „Das ist…“, er suchte nach den richtigen Worten, „…großartig! Ich komme so schnell es geht zurück. Und Megumi“, er wollte schon auflegen, als ihn ein Gedanke zurückhielt, „sag Gackt, dass er keine Dummheit begehen soll, was meinen Onkel betrifft.“

Es war, als wäre die Kette, die sein Herz so lange schmerzhaft zusammengedrückt hatte, mit einem Mal gesprengt worden. Erleichterung durchflute ihn, zum ersten Mal sah er einen wirklichen Hoffnungsschimmer auftauchen. Die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben ohne die Ketten, die ihn bisher gefesselt hatten. Wenn, ja wenn sein Geliebter jetzt keinen Fehler beging…

Kurz verfluchte er, dass er vorhin auf Megumi gehört und die Villa verlassen hatte, auch wenn er wusste, dass keiner von ihnen diese unerwartete Hilfe vorhersehen konnte. Doch zum Vorwürfe machen, blieb jetzt keine Zeit mehr, er musste so schnell wie möglich zurück. Trotz all der Erleichterung, ließ sich das ungute Gefühl in seiner Magengegend nicht vertreiben, denn er kannte seinen Onkel gut genug, um zu wissen, dass dieser sich niemals ergeben würde!

Als Hyde seine Aufmerksamkeit allerdings wieder dem Flughafengelände zuwandte, sprangen ihm die drei stämmigen Gestalten, die sich im Abstand von nur wenigen Metern vor ihm aufgebaut hatten, geradezu ins Auge. Mehr als ihr höhnisches Grinsen brauchte er nicht zu sehen, damit ihm klar wurde, dass er aufgeflogen war. Wahrscheinlich hatten sie auch sein Telefonat mitbekommen, nur soviel war sicher: Schnell zur Villa zurückzukehren, konnte er zumindest fürs erste vergessen.

„So eine Scheiße!“, murmelte er zwischen zusammengepressten Zähnen, als einer der Männer mit gezückter Pistole auf ihn zu trat.
 

Gackt wurde immer unruhiger. Nervös fuhr er sich zum achten Mal in Folge durch die Haare und dachte schon gar nicht mehr daran, was für einen bleibenden Schaden seine zitternden Finger in seiner Haarpracht anrichten konnten. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sein sonst so ausgeprägtes Selbstbewusstsein im Laufe des Tages fast vollständig zerstört worden war.

Aber wer hätte ihm das auch verübeln können, schließlich blieben ihm nur noch wenige Stunden zu leben und dann würde das letzte, was er jemals zu sehen bekam, ein Haufen panisch schreiender Menschen in einem dramatisch schnell auf die Erde stürzenden Flugzeug sein. Wer konnte bei dieser Gewissheit von sich behaupten, nicht selber in Panik zu verfallen?

Hatte er gestern noch so überzeugend wie möglich versucht Hyde klar zu machen, dass sie niemals die Hoffnung aufgeben durften, so konnte er jetzt nicht einmal mehr sagen, wann genau er seine heute verloren hatte.

Und das schlimmste bei allem war, er konnte nicht das geringste bisschen dagegen tun. Er konnte schließlich überhaupt nichts tun, als in dieser verdammten Zelle zu hocken, seine Frisur immer weiter zu ruinieren und zu versuchen sich mit dem Gedanken abzufinden, seinen Engel nie wieder sehen zu können. Wobei letzteres und das wusste Gackt ganz genau, absolut unmöglich war. Um seiner Stimmung den Rest zu geben, hatte er es noch nicht einmal geschafft den Traum vom Morgen zu verdrängen. Jedenfalls so weit, dass er nicht ständig von dem Gefühl, die in Todesangst kreischenden Menschen wären bei weitem nicht das schlimmste was ihn heute noch erwartete, verfolgt wurde. Zu allem Überfluss war in den letzten Stunden sein Verlangen nach einer Zigarette fast ebenso schnell wie sein Verlangen nach Hyde angestiegen und das fehlende Nikotin ließ ihn nur noch nervöser werden.

Kurzum, Gackt hatte sich noch nie in seinem Leben so miserabel gefühlt wie in diesem Augenblick, daran kam noch nicht mal die letzte Abfuhr, die er von seinem geliebten Schwarzhaarigen erhalten hatte, heran. Wie einfach es doch gewesen war, als er noch nicht geahnt hatte, welche Probleme wie eiserne Ketten auf ihrer Beziehung lasteten.

Gerade als sich der Sänger gestatte den schönen, romantischen und so zerbrechlich wirkenden Erinnerungen einer glücklichen, gemeinsamen Zeit nachzuhängen, in dem vollen Bewusstsein, dass er Hyde anschließend nur noch schmerzlicher vermissen würde, schreckte ein unerwartetes Geräusch ihn hoch. Wobei eigentlich jedes Geräusch unerwartet kam, da außer seinen Seufzern nichts die Stille in der Zelle für eine lange Zeit durchbrochen hatte.

Unwillig drehte er den Kopf in Richtung Tür, welche jetzt mit einem Ruck vollständig aufschwang und erwartete die Männer von Shinobu-san zu sehen, ihre Pistolen im Anschlag und bereit ihn zu seiner letzten Reise abzuholen. Auf Pistolenläufe blickte er tatsächlich, allerdings waren die Besitzer völlig andere als erwartet. Irritiert starrte Gackt zu den schwarzgekleideten Gestalten hinüber, die mit sichtlich erleichtertem Gesichtsausdruck auf ihn zu kamen.

Erst als einer von ihnen direkt vor ihm stehen blieb, schaltete sich sein Gehirn dankenswerter Weise wieder ein. „Mensch Gackt, hast du mir einen Schrecken eingejagt!“, rief der Einsatzleiter mit einem Seufzer, der denen des Braunhaarigen in nichts nachstand. „Verdammt, wenigstens mir hättest du sagen können, was du vor hast! Aber freu dich schon mal auf die Standpauke vom Chef, wenn du zurück bist. So begeistert, wie er über deinen Brief war“, fuhr Yoshimura fort und runzelte besorgt die Stirn, als er genauer in das Gesicht des Sängers blickte. Denn was er dort sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Klar hatte er erwartet, dass Gackt mitgenommen von der Gefangennahme war, aber ihn jemals so deprimiert und hoffnungslos zu sehen, damit hatte er nicht gerechnet. Auch nicht nachdem er von Megumi zumindest einen kleinen Teil der Geschichte erfahren hatte. Was mochte bloß wirklich alles vorgefallen sein in den vergangenen zwei Tagen? Doch Zeit für lange Erklärungen blieb ihnen jetzt nicht mehr.

Natürlich war das Eindringen des Geheimdienstes nicht lange unbemerkt geblieben. Noch während Megumi die Agenten zu Gackts Zelle führte und nebenbei Hyde über das Handy von der veränderten Situation berichtete, war es zu den ersten Kämpfen gekommen. Schnell durchschnitten zischende Gewehrkugeln die windstille Luft des Nachmittags und Yoshimura und seine Männer mussten sich einen Weg zwischen all den Gefechten suchen. Wäre die Zelle nicht schallisoliert gewesen, hätte bestimmt auch der Braunhaarige schon sehr viel eher vom Geschehen draußen etwas mitbekommen.

So aber sprach er jetzt seit Stunden zum ersten Mal wieder und verzog gleich darauf sein Gesicht, ob dem rauen Klang seiner Stimme. „Wo ist Haido?“, fragte er ohne Einleitung, setzte dann aber noch ein gnädiges: „Danke, dass ihr gekommen seid“ hinzu. Bevor Yoshimura Zeit hatte auf die Frage zu antworten, mischte sich eine weitere Person in ihr Gespräch ein.

Man konnte nicht gerade behaupten, dass Gackts Stimmung sich durch den neuen Gesprächsteilnehmer deutlich besserte. Doch Megumi zeigte sich unbeeindruckt durch seine finstere Miene, auch wenn ihr Lächeln nicht ganz so fröhlich wirkte wie sonst. „Hyde ist am Flughafen, um dein Leben zu retten. Ich hab ihm schon bescheid gegeben“, sie ließ das Mobiltelefon an einem Finger in der Luft baumeln, „er wird bald wieder hier sein. Und dann“, es war fast schon ein herausfordernder Blick den sie dem Sänger zuwarf, „hab ich aber eine Belohnung verdient, meinst du nicht auch?“

Gackt, dessen Gedanken sich bei dem Wort Belohnung in die völlig falsche Richtung bewegten, machte drohend einen Schritt auf die einzige Frau im Raum zu und Yoshimura stellte sich schützend vor diese, bevor die angespannten Nerven des Braunhaarigen mit ihm durchgehen konnten.

„Ein bisschen mehr Dankbarkeit könntest du aber schon zeigen, ohne ihre Hilfe hätten wir niemals so schnell zu dir gefunden“, wies der Einsatzleiter seinen Freund zurück, der aber von Dankbarkeit in bezug auf Megumi nicht das Geringste wissen wollte und statt einer Antwort nach Yoshimuras Pistole verlangte. „Oder soll ich vielleicht unbewaffnet rausgehen und mich über den Haufen schließen lassen?“, setzte er nach einem fragenden Blick des Brillenträgers nicht sehr viel freundlicher hinzu.

Da man mit Gackt im Augenblick wohl nicht vernünftig sprechen konnte, reichte sein Kollege ihm die Waffe, schließlich konnten ihnen die Schießkünste des Sängers bei der Überwältigung der Schmuggler nur weiterhelfen.

Kaum fühlte der Braunhaarige die beruhigende Kühle des Stahls in seiner Hand, wandte er sich auch schon zum Gehen. Nicht einen Moment länger als nötig wollte er in dieser Zelle bleiben müssen!

„Hey Gackt! Ich hab das Kommando für den Einsatz, also warte die Befehle ab!“, rief ein etwas perplexer Yoshimura ihm hinterher, stieß dabei aber genau wie Megumi mit ihrer Belohnung nur auf taube Ohren. Zeit für einen finsteren Blick in ihre Richtung blieb dem wiederbewaffneten Agenten allerdings schon noch und so langsam fragte sich die Schwarzhaarige ob Gackt nicht doch allmählich einer Aufklärung was ihre Harmlosigkeit betraf bedurfte, wie niedlich sie sein eifersüchtiges Gesicht auch fand. Zu spät fiel ihr die Warnung von Hyde wieder ein, Gackt was den Onkel anging zurückzuhalten, denn sie hatte keinen Zweifel daran wohin der Geliebte ihres „Verlobten“ unterwegs war und wen er dort zu treffen hoffte.
 

Wie oft sich Hyde in den letzten fünfzehn Jahren schon in genau diese Situation gebracht hatte, vermochte er nicht zu sagen. Sicher war nur, so ungelegen wie heute waren ihm die auf seine Brust gerichteten Pistolen noch nie erschienen. Der Hoffnungskeim in seinem Herzen drohte zu ersticken, bevor er es überhaupt schaffte das Flughafengelände zu verlassen.

„Sieh mal einer an, Takarai-san hätte seinem lieben, kleinen Neffen vielleicht doch nicht so schnell wieder vertrauen sollen“, ließ sich einer der Bewaffneten nach ein paar Minuten des hämischen Anstarrens verlauten. „Wie es aussieht hätte uns Hideto sicherlich sofort ein bisschen mehr über diesen Gackt verraten können, nicht wahr?“

Es war so klar, dass seine Wangen ausgerechnet vor diesen Typen, die er noch nie hatte leiden können, einen Rotschimmer bekommen mussten. Doch sollten sie ihn ruhig unterschätzen, das war schließlich schon immer sein Vorteil in einem direkten Kampf gewesen. Auch wenn die Männer seines Onkels es eigentlich besser wissen sollten. Vor allen Dingen sollten sie wissen, wie gründlich sich Hyde bei seinen Einsätzen vorbereitete und dass er ungern dem Zufall seinen Lauf ließ. So auch jetzt.

Nachdem der erste Schreck vorüber war tatsächlich aufgeflogen zu sein, ging der kleine Schwarzhaarige vor sich aus näher auf die Pistolenträger zu und lächelte den Wortführer harmlos zu. Perplex starrte ihn dieser zuerst nur an, riss aber schon im nächsten Moment seine Waffe herum und drückte mit einem: „Na warte, uns legst du damit nicht herein!“ den Abzug.

Der erwartete schallgedämpfte Knall wollte sich aber auch nach ein paar Sekunden nicht einstellen und bevor der Schütze zum zweiten Mal den Abzug drücken konnte, hatte er Hydes Stiefel mit Wucht in die Magengegend gerammt bekommen. Die Pistole flog ihm aus der Hand und landete ein paar Meter entfernt auf der Asphalt. Doch da hatte der Sänger schon längst zum zweiten Schlag angesetzt und den überraschten Lakaien seines Onkels ebenfalls auf den Boden gestreckt.

Zu schnell verlief der Angriff um den beiden anderen mehr Zeit zu geben, als sich ebenfalls von der fehlenden Funktion ihrer Waffen zu überzeugen. Denn schon hatte sich Hyde ihnen zugewandt. Auch wenn sie vorbereiteter auf seine Tritte waren, gelang es keinem ihm länger stand zu halten. Geschickt wich er ihrer Gegenwehr aus und nach wenigen Augenblicken hatte einer Bekanntschaft mit Hydes Handkante in seinem Rücken gemacht und sank bewusstlos zu Boden. Den nächsten traf sein Schuhabsatz in besonders empfindliche Weichteile und um ihn endgültig auszuschalten, setzte er noch einen Schlag in den Nacken hinzu.

Ohne sein Werk anschließend noch mal genauer zu betrachten, hob der Schwarzhaarige eine der Pistolen vom Boden auf und hatte nach einem kurzen Handgriff ein kleines Metallstück herausgezogen. Genau dieses war zuvor auf der Hinfahrt von Hyde zwischen Pistolenlauf und Magazin geschoben worden und hatte ihm vor wenigen Minuten das Leben gerettet. Die restlichen Pistolen hatte er ebenfalls unbemerkt bearbeitet, als Vorsichtsmaßnahme genau für den Fall, dass sein Hintergehen ans Licht kam.

Trotzdem er also auf diesen Zwischenfall vorbereitet gewesen war, hatte der ihn wertvolle Zeit gekostet. Zeit, die ihn Gackt wieder näher gebracht hätte. Denn er musste unbedingt zurück in der Villa sein, bevor der Braunhaarige seinem Onkel alleine gegenüberstand!

So schnell ihn seine Beine trugen rannte Hyde dem Auto entgegen, die neu gewonnene Waffe fest in der Hand.
 

Er wusste ganz genau, dass er zufrieden sein sollte, wenn nicht sogar glücklich. Trotzdem passten diese beiden Wörter am wenigsten zu Gackts Stimmung, als er die langen Korridore entlang lief und sich dem japanischen Teil der Villa näherte. Er hätte froh sein müssen, dass er endlich aus der Zelle befreit worden war, dass der Geheimdienst seinen Brief richtig gedeutet hatte und sich im Kampf gegen die Schmuggler gar nicht mal schlecht schlug und dass Hyde auf dem Weg hierher war und bald eintreffen musste.

Verdammt noch mal er sollte sich freuen! Schließlich war er noch am Leben und würde es voraussichtlich in ein paar Stunden immer noch sein. Warum also empfand er nichts dergleichen?

Der Lauf eines Maschinengewehrs tauchte um die nächste Ecke auf, doch Gackt sah dessen Träger, bevor dieser ihn erkennen konnte. Instinktiv riss er Yoshimuras Pistole hoch und drückte ab. Seinem Ziel blieb noch nicht mal mehr Zeit einen letzten Laut von sich zu geben. Die Kugel traf ihn zwischen den Augen und reglos kippte der Getroffene nach hinten über.

Gackt stieg über die Leiche und setzte seinen Weg ohne noch ein Mal zurückzublicken fort. Damit hatte er Nummer vier erledigt, doch mehr als einen Moment der Genugtuung brachte es ihm nicht ein. Viel mehr musste er den Gedanken verdrängen, dass er genauso gut einen seiner eigenen Männer hätte treffen können, so wenig Zeit hatte er darauf verwand sich den Mann erst anzusehen.

Mit einer Wut im Bauch, die er sich nicht so recht erklären konnte, erreichte der Braunhaarige den traditionell japanisch eingerichteten Trakt. Auch wenn er hier noch nie gewesen war, so war er sich sicher irgendwo zwischen all den Papier bespannten Wänden und Tatami-Böden sein eigentliches Ziel zu finden.

Sobald er um die ersten Ecken gebogen war, wurde es deutlich ruhiger. Der Lärm des Kampfes drang nur noch gedämpft zu ihm durch und ihm war, als hätte er die Schwelle in eine andere Welt übertreten. Sein Herz begann den Rhythmus zu beschleunigen. Hier musste er sein, der Mann auf den sich all seine Wut, sein Hass und seine schlechte Stimmung richteten. Der Mann ohne dessen Tod er nie wieder vollkommendes Glück verspüren würde, davon war er überzeugt. Takarai Shinobu, sein Name hatte sich seit damals im Bergwerk in die Gedanken des Sängers gebrannt und alles in ihm drängte danach es hier und jetzt ein für alle mal zu Ende zu bringen.

Gackt überlegte nicht lange in welche Richtung er sich wenden sollte, er vermutete das Büro von Hyde Onkel in der Mitte der unteren Etage und nur dort konnte sich dieser jetzt befinden. Abgeschirmt vor den Kämpfen, vielleicht bewacht von seinen Bodyguards und darauf wartend, dass seine Männer gewannen. Genau wie ein Feldherr aus längst vergangenen Jahrhunderten, der von einem Hügel hinab die Schlacht aus sicherer Entfernung betrachtete.

Je weiter der Agent kam, desto sicherer wurde er und nachdem ein paar aufgeschobene Türen ihm nur menschenleere Räume gezeigt hatten, öffnete er schließlich lautlos eine weitere und sah in dem rotorangen Licht der Abendsonne eine einsame Gestalt hinter dem großen, massiven Schreibtisch sitzen. Er hatte ihn gefunden.

Für einen Augenblick erschrak Takarai Shinobu, als seine Tür sich öffnete und er in dem diffusen Licht den Eindringling erkennen konnte. Er hatte nicht damit gerechnet, jemand würde bis zu ihm vordringen und kurz verfluchte er seine Abscheu vor Überwachungskameras in den eigenen vier Wänden. Zumindest vorbereitet auf seinen Besucher hätten diese ihn und ihm außerdem ein genaueres Bild von den Kämpfen vermittelt, als es nur die Aufnahmen aus dem Garten und der Gefängniszelle konnten. So hatte er zwar Gackts Befreiung und Megumi Verrat miterleben und seinen Männern Bescheid geben können, aber offensichtlich nicht schnell genug, sonst stände der Braunhaarige jetzt nicht vor ihm.

Schweigen erfüllte auch eine Minute nach Gackts Eindringen noch immer das Zimmer, in der sich der Sänger erlaubte das Glückgefühl, welches die auf sein Gegenüber gerichtete Pistole in seiner Hand in ihm auslöse, zu genießen. Diese eine Minute reichte auch aus, um die Angst wieder aus Takarai-sans Augen verschwinden zu lassen, ohne dass der andere sie je bemerkt hätte. Denn jetzt wusste er, dass Gackt genauso mit ihm spielen würde, wie er selber es in den vergangenen zwei Tagen getan hatte. Und das würde ihm Zeit geben wieder die Oberhand zu gewinnen. Unbemerkt drückte er einen Schalter an der Seite des Schreibtisches.

„Guten Abend“, begann der Jüngere schließlich das Gespräch, „ich muss mich entschuldigen, dass es mir leider nicht möglich ist die geplante Reise anzutreten. Erst habe ich hier noch etwas Wichtiges zu erledigen.“

Shinobus Gesicht zierte ein unbeeindrucktes falsches Lächeln. „Bedauerlich, ein Urlaub hätte Ihnen nur gut getan. Doch seinen Sie versichert, dass wir eine andere Möglichkeit finden werden Ihnen Abwechslung zu verschaffen. Sie sind ein talentierter junger Mann, wäre es nicht schade so viele Fähigkeiten in den falschen Kreisen verkommen zu lassen?“

Unweigerlich schlich sich ein echtes Grinsen auf Gackts Züge. Hatte Takarai-san zuvor noch die ganze Zeit versucht ihn möglichst elegant aus dem Weg zu schaffen, bot er ihm nun im Moment der eigenen Bedrohung einen Platz an seiner Seite an. „Ihr Angebot ehrt mich, trotzdem werde ich es wohl abschlagen müssen. Was können Sie mir bieten, das mich reizen würde? Unschuldige Menschen abzuschlachten? Ich verzichte.“

Mit diesen Worten wandelte sich ihr Gespräch, das Lächeln der beiden Gegenspieler erlosch im gleichen Augenblick. „Sie werden diesen Raum nicht mehr lebend verlassen.“ Gackts Stimme verlor ihren gelassenen Tonfall, sie klang nun hart und ohne Gnade, erfüllt von seinem Wunsch nach Rache für das grausame Schicksal, das sein Geliebter hatte erleiden müssen. Für dich Haido, dachte der Braunhaarige, während er immer näher auf den Schreibtisch zu ging, die Pistole unbewegt auf das Herz des Älteren gerichtet.

„Vielleicht, doch dann werden auch Sie Ihr Leben hier lassen. Glauben Sie nicht, dass ich so leicht zu schlagen bin.“

Bei diesen Worten hörte Gackt sie endlich, die Schritte in seinem Rücken und dann sah er geblendet vom schwindenden Licht des Tages Pistolenmündungen zielgenau in den Raum gerichtet, auf ihn gerichtet. War er durch sein Ziel vor Augen so blind und taub für das Geschehen hinter ihm geworden, das seine Aufmerksamkeit für nichts anderes als diesen verhassten Mann mehr reichte? Wahrscheinlich.

„Wollen Sie uns gemeinsam in den Tod reißen, Gackt-san? Ist es Ihnen so viel wert?“, sprach Takarai-san weiter, insgeheim erleichtert, dass seine Untergebenen seinem Alarmsignal so schnell gefolgt waren. Doch wie immer war sein Gesicht nach außen hin unbewegt.

Ja, wie viel war es Gackt wert diesen Mann sterben zu sehen? Sein eigenes Leben? Konnte er sich opfern um Hyde zu befreien? Vielleicht hätte er es tatsächlich getan, wenn er nicht genau gewusst hätte, dass seinem Liebsten damit nicht im Geringsten geholfen war. Denn ganz genau das war Hydes schlimmster Albtraum, den Braunhaarigen leblos und von seinem Blut umgeben auf dem Boden zu sehen. Gackt dachte an ihr Versprechen füreinander am Leben zu bleiben, das sie sich bei ihrem letzten Zusammentreffen gegeben hatten.

Er durfte es nicht brechen.
 

Hyde kam zu spät. Er wusste es, seit er die Villa betreten hatte, war er sich dessen sicher gewesen. Also warum raubte es ihm trotzdem den Atem? Jetzt, wo er vor der dünnen Wand zum Büro seines Onkels stand und jedes Wort verstehen konnte, als wäre er selber mitten im Zimmer.

Er hatte es doch kommen sehen, all die Jahre in denen ihn der Albtraum gequält hatte, wusste er, dass es sein Schicksal war. Umsonst war er davon gelaufen, nur um jetzt hier zu stehen und zusehen zu müssen, wie die beiden Männer von Shinobu-san abdrücken würden, sobald Gackt auch nur mit der Wimper zuckte.

Es brauchte nur einen kurzen Moment, indem Hydes Blut in seinen Adern gefror, um den Entschluss zu fassen. Der Sänger konnte nicht sagen woher er den Mut dazu nahm, er wusste nur, eine andere Möglichkeit gab es nicht mehr. Wenn er jetzt nicht handelte, würde Gackt sterben und er musste mit dem Wissen zurück bleiben, die letzte Chance ungenutzt gelassen zu haben.

Vielleicht sterben wir auch beide, schoss ihm durch den Kopf, als er die Pistole fest umklammerte und das Büro betrat.

Doch es war immer noch besser als ohne Gackt weiter leben zu müssen.
 

Dieses Mal hörte Gackt die Schritte sofort. Aber er drehte den Kopf nicht um. Ihm war es egal wer das Zimmer nun ebenfalls betrat, in diesem Augenblick war ihm alles egal. Erst als er den Geruch des Neuankömmlings wahrnehmen konnte, der sekundenschnell den großen Raum auszufüllen schien, riss er den Kopf herum.

Und der Albtraum von heute morgen ging weiter. Es war der gleiche Geruch, der seinen Verstand vernebelte, die gleiche Waffe, die auf ihn gerichtet war und das gleiche Gesicht, das aus der Dunkelheit vor ihm auftauchte. Blass wie der Tod und so schön wie nur ein Engel es sein konnte, starrte das Gesicht mit ausdruckslosen Augen zu Gackt, bevor es seine Pistole an dessen Halsschlagader setzte.

Da wusste der Braunhaarige, dass er den Verstand verloren hatte. Denn wenn das die Wirklichkeit war, wenn sein Engel, sein Geliebter, der einzige, dem er sein Leben geschenkt hätte, hier vor ihm stand, musste er verrückt sein. Kein Albtraum konnte so schlimm sein.

Ohne den Blick von Gackt abzuwenden, sagte Hyde mit gefühlsleerer Stimme: „Überlass das mir, Onkel. Ich werde mich um ihn kümmern.“
 


 

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Damit ist mir wohl mein bisher fiesestes Ende gelungen, oder? *zumindest hoff ich es mal*

Und hey, ich hab euch ja gesagt, dass ich grausam bin, also was habt ihr von mir erwartet?

Aber ihr könnt ganz beruhigt sein, das nächste Kapitel wird nämlich das letzte sein und da werde ich mich bemühen alle offenen Fragen zu klären. Versprochen!

Wenn ihr also wissen wollt, wie es mit den beiden weiter geht und was Hyde jetzt schlimmes mit dem armen Gackt anstellen wird *diabolisches Grinsen* dann habt bitte etwas Geduld mit mir!

Ich werde die FF auf jeden Fall abschließen, das verspreche ich!
 

Also bis dann,

eure himachan

At Gunpoint

Na ja, ganz so lange wie für das letzte Kapitel habe ich dieses Mal nicht gebraucht, aber trotzdem hat es ja wieder eine ganze Weile gedauert, bis es etwas Neues von mir zu lesen gibt.

Tut mir leid, dass ich euch so lange hab warten lassen!

Dafür hab ich eine gute Nachricht für euch ^^ *wie man´s nimmt*

Ich hatte ja angekündigt, dieses Kapitel würde nun das letzte sein, aber in letzter Minute hab ich mich dann doch umentschieden! Jetzt wird es also noch ein 18. Kapitel geben. Und Schuld daran sind ganz allein Gackt und Hyde, die sich ab ner gewissen Stelle ziemlich verselbstständigt haben *Megumi-like grins* Und weil ich sie nicht aufhalten konnte (oder wollte) und selbst neugierig bin, was passieren wird, müsst ihr nun also noch ein bisschen länger auf das Ende warten ^^

Aber nun wünsche ich erst mal vielen Spaß beim Lesen von diesem Kapitel!
 

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17. Kapitel

At Gunpoint
 

Es hätte so einfach sein können, nicht mehr denken zu müssen. Sich nur noch aufs Atmen zu konzentrieren, auf das Blut, das durch den eigenen Körper floss, das Schlagen des Herzens. Alles andere wäre weit fort gewesen, wie hinter einer dicken Mauer, durch die weder Ton noch Bild zu ihm durchzudringen vermochte.

Doch es war nicht einfach. Hier gab es nichts, das ihn schützen konnte vor einer Wirklichkeit, die er nicht akzeptieren wollte. Trotzdem wartete er noch immer darauf, dass er endlich zu verstehen begann, was mit ihm passiert war.

Vor ihm stand Hyde, der reglos mit ausgestrecktem Arm die Pistole auf ihn richtete. Kein Glanz fand sich mehr in den Augen des kleines Japaners, fast wirkten sie ebenso schwarz wie die seines Onkels. Schwarz und ohne jegliches Gefühl waren sie auf Gackt gerichtet und auch wenn nur eine Minute verstrichen war, seit der Neuankömmling das Büro betreten hatte, wirkten die beiden Sänger so als hätte die Zeit sie eingefroren.

Shinobu-san hingegen spürte den Triumph in sich aufsteigen. Hatte er noch beim ersten Anblick seines Neffen die Stirn über diesen Regelverstoß gerunzelt, so war er jetzt stolz auf die Marionette, die er erschaffen hatte. Seit Hydes fünften Lebensjahr war er es gewesen, der den Jungen nach seinem Willen lenkte, auch wenn das zur Folge hatte diesem alles von Bedeutung zu nehmen, nur um ihn an sich zu fesseln. Natürlich war Takarai-san zu keiner Zeit der Überzeugung gewesen der Jüngere würde ihm von sich aus folgen. Nein, um dessen Widerstand zu brechen war immer Gewalt nötig und wenn das den Tod des eigenen Bruders nach sich zog, dann war es eben so.

Familie bedeutete ihm wenig, nur das Potential welches das Oberhaupt in dem zierlichen Knaben vermutete, hatte ihn dazu bewogen diesen auszubilden. Und er täuschte sich nicht, Hyde war talentiert, wenn auch nicht leicht unter Kontrolle zu halten.

Doch jetzt, während die letzten Sonnenstrahlen sich auf den reglosen Gesichtern brachen, war Shinobu-san sicher richtig gehandelt zu haben, als er seinem Neffen eine zweite Chance zugestanden hatte. Solange sich seine Schwägerin in seiner Gewalt befand, hatte er den Jüngeren fest in der Hand und dieser würde, so sehr er es vielleicht auch verabscheuen mochte, seinen Befehlen folgen müssen.

„Gackt muss sterben“, hatte der letzte gelautet, eine Tatsache, an die sich Hyde wohl ebenso gut wie er selber erinnerte. Denn das Geräusch eines entsicherten Pistolenlaufs durchbrach in diesem Augenblick die Stille und die Stimme des kleinen Schwarzhaarigen fragte: „Soll ich ihn gleich hier erledigen? Jetzt ist es wohl unnötig geworden noch irgendwelche Vorkehrungen zu treffen.“

Wie hätte Takarai-san auch ahnen können, welche Qualen Hyde das Aussprechen dieser Worte bereitete? Woher hätte er wissen sollen, dass sein bester Agent all seine Empfindungen zu Eis gefrieren ließ nur um Gackts Leben zu retten?

Vielleicht, wenn er von all dem auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt hätte, wäre seine Entscheidung anders ausgefallen. Doch so hob er die Hand und brach sein Schweigen ebenfalls: „Ich denke, wir werden es wie damals machen. Nur du und ich.“ Das und ein Wink mit der Hand genügte und die beiden Wachmänner verließen das Zimmer. Die Tür schloss sich lautlos hinter ihnen.

Auch wenn sein Onkel es nicht direkt aussprach, so wusste Hyde natürlich was dieser meinte. Ihm kam es vor, als wäre er in die Vergangenheit versetzt worden, zu dem Tag, als sein Leben die schlimmste Wendung von allen genommen hatte. Jetzt hatte ihn sein Schicksal endgültig eingeholt. Wie damals fühlte der Schwarzhaarige sich vollkommen machtlos, trotzdem ein Teil seines Plans funktioniert hatte, denn nun waren sie allein. Shinobu-san hatte seinen Worten Glauben geschenkt, aber dafür erwartete er die Ausführung seiner Befehle. Ein Befehl, dem Hyde niemals nachgehen konnte. Um das zu wissen, brauchte er nicht in das Gesicht vor sich zu blicken, das er so gut kannte und doch in diesem Augenblick nicht wiederzuerkennen glaubte. Gackt spiegelte all den Schmerz wider, den er selber nicht zeigen durfte und es war zuviel für einen einzigen Menschen. Vor seinem Onkel aber blieb es verborgen.

In dem Moment bereute der kleine Sänger, dass sie sich vor drei Jahren begegnet waren. Wenn sie sich damals doch nur die Hand geschüttelt hätten und dann wieder getrennte Wege gegangen wären, dann würde sein Geliebter jetzt nicht so leiden müssen. Es wäre niemals so weit gekommen. Er war sich nicht sicher, ob all ihre glücklichen Momente diese Qualen aufwiegen konnten.

„Hideto, ich warte.“ Die kalte Stimme schien von weit her zu kommen, doch sie verfehlte ihre Wirkung nicht. Hyde drückte die Pistole stärker gegen Gackts Hals und betete für ein Wunder.
 

***
 

Es waren schon etliche Sekunden seit dem Abtritt ihres berühmten Sängers vergangen und der Einsatzleiter des japanischen Geheimdienstes für die Operation Takarai-Villa stand noch immer etwas perplex mitten in der Gefängniszelle und starrte auf die offene Tür. Hätte er seinen Freund zurückhalten sollen? War es doch ein Fehler gewesen diesem seine Pistole überlassen zu haben? Allerdings hätte selbst das wohl nichts genützt, dazu kannte Yoshimura seinen Kollegen einfach zu gut. Gackt in dieser Situation aufzuhalten, wäre sicher nur einem gelungen und er konnte nur offen, dass der auch bald hier auftauchte.

Gerade als er sich wieder darauf besann, dass es noch genug Befehle zu erteilen gab an Personen, die auch bereit waren diese auszuführen, vernahm er ein Räuspern hinter seinem Rücken. Und zwar das einer Frau.

Rasch drehte sich der Brillenträger zu Megumi um, die sich schneller als er wieder gefasst hatte und nicht nur tatenlos in der Gegend herumstehen wollte. „Gackt hinter her zu laufen wird wohl keinen Sinn haben, oder? Aber wir sollten trotzdem hier raus, Ihre Männer können doch bestimmt Hilfe gebrauchen, Yoshimura-san.“

„Natürlich, Sie haben recht“, erwiderte der Agent und lächelte sie dankbar an. Zusammen mit den anderen verließen sie die Zelle und traten wieder auf den Gang hinaus, von wo das Kampfgeschehen sehr viel deutlicher wahrnehmbar war. Der Einsatzleiter informierte sich per Funkgerät wie weit die Stürmung der Villa bisher fortgeschritten war und schickte seine Männer anschließend zu den besonders brenzligen Stellen. Zu ihrem Glück gab es davon nicht mehr sehr viele. Er selber würde bei Oishi-san bleiben und sie beschützen, zumindest das war er ihr schuldig, nachdem sie ihnen so geholfen hatte.

Allerdings hatte Megumi ihre ganz eigenen Pläne, was ihren restlichen Zeitvertreib in der Villa betraf. Schließlich gab es immer noch ein Versprechen, das sie halten musste und ohne Hydes Mutter befreit zu haben, würde sie das Gebäude nicht verlassen. Sonst konnte sie sich ihre Belohnung wirklich abschminken.

„Yoshimura-san, es gibt da noch etwas, das ich unbedingt erledigen muss und dabei könnte ich Ihre Hilfe ganz gut gebrauchen“, begann sie und versuchte sich an einem gacktgleichen Lächeln, wobei sie jedoch das Gefühl hatte bei diesem Gesprächspartner gar nicht darauf angewiesen zu sein.

Kurz runzelte der Agent die Stirn, hörte sich Megumis Erklärung aber aufmerksam an und zeigte sich nach kurzem Nachdenken auch bereit ihr zu helfen. Die Hausmädchen würden ihnen nun zumindest keine Probleme mehr bereiten, doch da fiel Yoshimura ein ganz anderes ein. „Als wir vorhin hier angekommen sind, wurde noch mal ein Komplettscan der Villa durchgeführt und in einem Zimmer im oberen Stockwerk befinden sich Kapseln, die höchstwahrscheinlich Giftgas enthalten. Das Merkwürdige ist nur, dass der Raum im japanischen Teil liegt, während sich alle anderen Waffen und die Munition im Anbau befinden. Außerdem sieht es so aus, als wären diese Kapseln in den Wänden eingebaut. Vielleicht ist das nur zur Ablenkung so eingerichtet…“

„… oder aber es ist eine Absicherung, damit niemand daraus fliehen und befreit werden kann“, ergänzte die Schwarzhaarige den angefangenen Satz. Der Einsatzleiter nickte bestätigend, genau das gleiche hatte er auch gedacht.

„Wenn sich Hydes Mutter also tatsächlich dort befindet, wird sie das Zimmer wohl nicht verlassen können, ohne dass irgendein Mechanismus aktiviert wird und das Gas ausströmt“, überlegte Megumi laut und erntete ein weiteres Nicken. „Dann können wir sie nur befreien…“

„… wenn wir den Entriegelungsmechanismus deaktivieren.“ Dieses Mal war es an Yoshimura den Satz zu beenden.

„Meinen Sie, dass noch jemand anderes außer Shinobu-san dazu in der Lage ist? Sein Vertrauen in seine Mitarbeiter scheint ja nicht immer besonders groß zu sein“, Hydes „Verlobte“ sah ihr Gegenüber fragend an.

„Selbst wenn würden wir wahrscheinlich sehr lange nach dieser Person suchen müssen. Vielleicht ist es besser einen direkten Zugriff zu wagen. Aber hören wir uns erst mal an, was das Labor in der Zwischenzeit herausgefunden hat. Die Daten wurden gleich weitergeschickt, da sollten wir jetzt Ergebnisse bekommen.“ Der Brillenträger holte einen flachen Laptop aus einer seiner vielen Taschen und nach wenigen Sekunden stand die Verbindung in die Zentrale. Ebenfalls nur Augenblicke später erschien das Gesicht ihres Kriminaltechnologen auf dem Display, welcher mit hochgewichtiger Mine schon auf ein Gespräch mit Yoshimura zu warten schien.

Der Agent brauchte nicht lange zu erklären, auf welches Detail der Untersuchungen sie scharf waren, auch so kam der weiß gekleidete Japaner sofort auf das gewünschte Thema zu sprechen. „Bei den Kapseln im zweiten Stock handelt es sich tatsächlich um Speicherungsbehältnisse für ein bestimmtes Giftgas, PX85, das selbst in sehr geringer Konzentration beim Einatmen und auch über die Haut absorbiert sofort zum Tod führt. Erstaunlich ist, dass die Kapseln in genau den gleichen Abständen in den Wänden von zwei miteinander verbundenen Räumen angeordnet sind, so als würden sie ein Gefängnis abriegeln.“

Kaum hatten die beiden Villainsassen diese Worte vernommen, warfen sie sich ein mal mehr bestätigende Blicke zu. „Habt ihr etwas über den Auslösemechanismus herausfinden können?“, fragte der Einsatzleiter angespannt weiter.

„Allerdings!“, kam sofort die Bestätigung aus der Zentrale. „Zusätzlich sind in den Wänden Drucksensoren angebracht, die bei Belastung für eine Sprengung der Giftkapseln sorgen und das Gas so ins Zimmer strömen lassen. Ausschalten lässt sich dieses Prinzip nicht, zumindest konnten wir keine Möglichkeiten dafür erkennen. Nur die Tür zum größeren Raum kann geöffnet werden. Aber dazu sind Fingerabdrücke nötig, wahrscheinlich die vom Wachpersonal und an diese zu kommen, ist von hier aus unmöglich.“ Der Mann auf dem Bildschirm seufzte. „Das wäre erst mal alles, was ich Ihnen mitteilen kann. Doch nach allem was wir bisher festgestellt haben, kann ich nur sagen, dass was immer dieser Takarai dort aufbewahrt: Besser hätte er es nicht schützen können!“

Yoshimura bedankte sich bei dem Kriminaltechnologen und schaltete den Computer wieder aus, dann sah er seine Begleitung nachdenklich an. Mit diesen neuen Informationen hatte sich seine Idee von einer Stürmung des Zimmers in Luft aufgelöst. Wie sollten sie die Frau jetzt nur befreien können, ohne, dass diese bei dem Versuch dabei ihr Leben lassen musste?

Auch Megumi dachte angestrengt nach. Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben zu Hydes Mutter zu gelangen. Wenn es vielleicht jemand versuchen würde, den die Wachleute nicht erwarten würden? Oder noch besser, jemandem dem sie vertrauen würden. Eine Person, die im Takarai-Haushalt bekannt war und an deren Loyalität es keine Zweifel gab…

Der Schwarzhaarigen fiel nur ein einziger Mensch ein, der dafür in Frage kam.

Sie blickte ihr Gegenüber fest an und verkündete: „Ich weiß, wie wir am besten in den Raum kommen. Ich werde es machen! Die Wachen werden sich bestimmt von mir überzeugen lassen und die Tür öffnen. Vertrauen Sie mir Yoshimura-san!“
 

***
 

Vorsichtig stieg die Japanerin die Treppe hinauf. Dieses Mal hatte es keine Hausmädchen gegeben, die sie höflich aber nachhaltig daran gehindert hatten. Das obere Stockwerk lag wie ausgestorben vor ihr; die Kämpfe beschränkten sich auf die untere Etage und hier im Altbau konnte man fast nichts mehr von ihnen hören. Mit einem Grundriss der Villa auf einem Computerdisplay ausgestattet, erreichte Megumi schließlich den verlassenen Flur am oberen Ende und folgte zielstrebig seinen Windungen bis zu ihrem Ziel.

Auch wenn sie kein einziges Mal aufgehalten wurde, war es trotzdem nicht einfach gewesen bis hierher vorzudringen. Yoshimura von der Notwendigkeit ihres Vorhabens zu überzeugen, konnte aber sicherlich nicht schlecht gewesen sein als Training für die Aufgabe, die sie gleich bewältigen musste. Es hatte schon ein bisschen mehr gebraucht als ihr schönstes Lächeln, bis er sie endlich hatte gehen lassen. Doch bei einem Mann der tagtäglich Gackts Lächelkünsten ausgesetzt war, hatte sie eigentlich auch nichts anderes erwartet. So machte es die Sache für sie nur interessanter.

Wobei die Zeit für solche Überlegungen definitiv nicht jetzt war, denn laut dem Grundriss würde sie nach der nächsten Ecke ihr Ziel erreichen.

So selbstsicher es Megumi möglich war, ging sie über die Tatami-Matten und erspähte in dem Dämmerlicht tatsächlich die Umrisse von zwei Männern, die in ihrer Körpergröße denen vor Gackts Zelle in nichts nachstanden.

„Guten Abend, die Herren“, begrüßte sie die beiden ohne sich von deren überraschten Gesichtern stören zu lassen. „Ich nehme an, Sie wissen wer ich bin? Takarai-san schickt mich, um die Gefangene an einen besser zu schützenden Ort zu bringen. Ich soll sie zum Anwesen meines Vaters begleiten, da die Sicherheit der Villa und vor allem dieses Zimmers durch die Kämpfe nun stark gefährdet ist.“

Die beiden Wachen tauschten einen Blick aus dem eindeutiger Zweifel für die Worte der Frau vor ihnen sprach. Einer erkundigte sich misstrauisch: „Weshalb gibt uns der Boss diese Anweisung nicht persönlich? Für alle Änderungen welche die Insassin betreffen, benötigen wir seinen ausdrücklichen Befehl.“

Megumi hatte mit dieser Vorhaltung gerechnet und erklärte selbstsicher lächelnd: „Sie können gerne versuchen ihn über Funk zu erreichen, aber das wird leider nicht mehr möglich sein. Takarai-san hat die Villa selbst schon verlassen, durch das Vorrücken des Geheimdienstes ist es wie gesagt zu gefährlich geworden noch länger hier zu bleiben. Bitte, überzeugen Sie sich selber von meinen Worten!“

Die Schwarzhaarige beobachtete wie die Männer mit den Schultern zuckten und einer von ihnen dann zu seinem Funkgerät griff. Sie hielt die Luft an, während er die nötigen Tasten betätigte. Sollte jetzt etwas schief gehen, war sie geliefert und durfte wahrscheinlich gleich zu Hydes Mutter in das Zimmer mit den Giftgaswänden ziehen. Doch die Mine des Wachmanns zeigte, nachdem er sich fast eine Minute um eine Verbindung bemüht hatte, nur ehrliche Überraschung. Erleichtert stellte sie fest, dass der Geheimdienst Erfolg gehabt hatte bei dem Versuch den Funkkontakt durch einen Störsender zu unterbrechen. Jetzt lag es an ihr den Rest zu erledigen.

„Sie sehen, Takarai-san ist schon auf dem Weg zu meinem Vater und in seinem Wagen ist der Kontakt unterbrochen. Also werden Sie sich auf mein Wort verlassen müssen. Vor der Villa wartet ein weiteres Auto um uns abzuholen; Sie beide sollen zum Begleitschutz mitkommen.“ Megumi machte einen Schritt auf die Männer zu. „Deshalb öffnen Sie jetzt bitte die Tür.“

Für einige Augenblicke herrschte eine angespannte Stille in dem nur schwach beleuchteten Flur, dann endlich nickten sich die Männer zu. „In Ordnung, Oishi-san, wir glauben Ihnen. Der Boss wird seine Gründe gehabt haben, als er Sie zu uns geschickt hat. Wenn es sein Befehl ist, werden wir die Gefangene verlegen.“

Beide drehten sich gleichzeitig um und Megumi konnte nicht genau erkennen, was sie in die Schaltflächen neben der Tür eingaben, doch diese öffnete sich keine Minute später.
 

***
 

„Du weißt was passiert, wenn ich ungeduldig werde, Hideto. Also komm, lass mich nicht warten. Deine Mutter wird es dir danken, denn wenn du ihn jetzt nicht erschießt, wird sie leider mit ihrem Leben für deinen Verrat bezahlen müssen. Vergiss nicht, dass du mir gehörst“, sagte Shinobu-san mit einer Stimme so erfüllt von Genugtuung, dass Hyde der glaubte sein Magen könne sich nicht noch weiter zusammenkrampfen bittere Galle die Kehle hochsteigen spürte.

Seine Mutter, oh ja, wieso nur hatte er geglaubt sie beide beschützen zu können? Er hätte sich längst für einen von ihnen entscheiden müssen, entweder für das Leben seines Geliebten oder für das seiner Mutter. Genau das war sein eigentlicher Fehler gewesen, wie ihm jetzt klar wurde. Vielleicht hätte er einen retten können, anstatt sie beide dieser Gefahr auszusetzen, die von seinem Onkel wie ein tödlicher Fluch ausging. Doch sein Herz hatte ihn diese Entscheidung nicht treffen lassen. „Was bin ich bloß für ein grausamer Mensch?“, fragte sich Hyde voller Verzweiflung, „Ich werde ihnen beiden nichts als den Tod bringen!“

In diesem Augenblick tiefster Hoffnungslosigkeit erklang erneut die Stimme von Takarai-san. „Es kostet mich nur eine winzige Bewegung und ihr nächster Atemzug wird sie umbringen, wird sie vergiften lassen.“
 

***
 

Für ein paar Sekunden starrte Megumi angestrengt in das Dämmerlicht hinter der Sicherheitstür bevor sie die zierliche Gestalt, die auf dem Boden kniete, ausmachen konnte. Sofort überkam sie eine Welle von Mitgefühl für Hydes Mutter. Wie viele Jahre mochte diese jetzt schon wie eine Gefangene hier festgehalten werden mit dem Wissen, dass sie nur am Leben gelassen wurde, weil sie als Druckmittel von Nutzem war? Immer zu wissen dass jede Minute ihre letzte sein konnte? Die Schwarzhaarige versuchte diese angsteinflößenden Gedanken beiseite zu schieben; sie durfte sich nicht ablenken lassen. Nicht jetzt, wo es fast geschafft war.

Die beiden Wachleute waren sehr viel weniger betroffen als Megumi. Ohne mit der Wimper zu zucken betraten sie das Zimmer und forderten dessen Bewohnerin auf ihnen zu folgen. Fast einer Marionette gleich erhob sich diese von den Matten und verließ ohne einen Blick zurück oder etwas von ihren wenigen Habseligkeiten mitzunehmen ihr Gefängnis.

Beim Anblick des eingefallenen Gesichtes, das umrahmt wurde von ergrauten Strähnen nachlässig nach oben gebundenen schwarzen Haares, hätte Hydes „Verlobte“ sie am liebsten in die Arme geschlossen. Nur mühsam schaffte Megumi es ihre kühle Fassade aufrecht zu halten und warf der viel zu schnell gealterten Frau lediglich einen mäßig interessierten Blick zu, bevor sie mit den Worten: „Also dann, beeilen wir uns besser!“ voran ging.

Ohne noch einen weiteren Satz zu wechseln, schritt die kleine Prozession über den dämmrigen Flur. Kurz bevor sie die nächste Ecke erreichten, wurde Megumi etwas langsamer, bis sie mit Hydes Mutter auf einer Höhe war. Dann, kaum waren sie beim verabredeten Ort angelangt, packte sie die Frau bei der Schulter und drückte sich mit ihr gegen die Wand um sie vor dem Folgenden zu schützen.

Genau auf diesen Moment hatten die Gestalten, welche im Schatten warteten, es abgesehen. Blitzschnell traten sie auf die Wachmänner zu. Den beiden blieb keine Zeit sich um ihre Gefangene zu kümmern, zu schnell wurden sie in einen Kampf verwickelt. Doch gegen die Übermacht der Geheimdienstagenten kamen die Männer von Shinobu-san nicht lange an. Rasch fanden sie sich gegen die dunkle Wand blickend wieder und wurden nun selber zu Gefangenen.

Erst als Megumi das beruhigende Klicken der Handschellen hörte, wagte sie es die Arme runter zu nehmen und zwischen sich und Hydes Mutter wieder etwas Abstand zu bringen. Respektvoll neigte sie den Kopf vor der älteren Frau und sagte mit einem entschuldigenden Lächeln: „Haben Sie keine Angst, jetzt sind Sie in Sicherheit! Wir werden Sie nun beschützen, das verspreche ich Ihnen. Der Geheimdienst hat die Villa gestürmt, Sie müssen nicht mehr länger hier bleiben!“

Zuerst sah es so aus, als würden die Worte nicht bis zu der Grauhaarigen durchdringen und Megumi wollte schon erneut zum Sprechen ansetzten, da hob die Andere doch den Kopf und sah sie aus tiefliegenden Augen an. „Arigatou“, sagte sie mit dünner Stimme und die Größere atmete erleichtert auf. Dann aber fragte Hydes Mutter ebenso leise wie verwirrt: „Wo ist mein Sohn? Sein Onkel zwingt ihn für sich zu arbeiten. Bitte, ihm dürfen Sie nichts antun!“

Wie gerne hätte die Schwarzhaarige darauf etwas genauso hoffnungsvolles geantwortet wie eben, aber sie konnte es nicht. Wo auch immer der kleine Sänger jetzt war, seine „Verlobte“ bezweifelte, dass er sich in Sicherheit befand.
 

***
 

Gackt hörte jedes Wort, das gewechselt wurde, doch er konnte ihre Bedeutung nicht begreifen. Denn so sehr er sich auch anstrengte, nichts schien einen Sinn ergeben zu wollen. Bei dem Blick in diese leeren Augen fühlte er nur die gleiche vernichtende Verzweiflung, die ihn seit Hydes Auftauchen in ihrer Gewalt hatte. Jedes andere Gefühl war von ihr verdrängt worden, auch seine unbändige Wut, die ihn nur wenige Minuten zuvor erfüllt hatte, existiert jetzt nicht mehr.

Er wusste nicht wie viel Zeit inzwischen verstrichen war, anfühlen tat es sich nach einer Ewigkeit. Erst als etwas in diesen dunklen Augen vor ihm aufzuflackern schien, das seinen eigenen Empfindungen gleich kam, veränderten sich die Bilder in Gackts Gedanken. Es war eindeutig dieselbe Verzweiflung, die gleiche Furcht, die auch Hyde quälte und schon die ganze Zeit über gequält hatte. Weshalb nur hatte er bisher nicht sehen können, dass sie beide genau vor dem selben Abgrund standen und zusammen in diese bodenlose Tiefe blickten? Das einzige was keinen Sinn machte und niemals einen ergeben würde, war dass sein Engel ihn umbringen wollte. Wie hatte er also auf die Frage nach dem warum eine Antwort finden sollen, wenn es keine gab? Vielleicht war es erst nötig gewesen das Gemeinsame in all ihren Qualen zu entdecken, damit aus dem Wesen vor ihm wieder der Mann werden konnte, den er über alles liebte.

Kaum waren diese Gedanken durch den Kopf des Braunhaarigen geschossen, da war ihm als fiele ein Teil seiner Verzweiflung von ihm ab und ließ ihn endlich nach diesen zu einer Ewigkeit verlängerten Minuten wieder klarer denken. Nicht weshalb Hyde ihn umbringen wollte, hätte er sich fragen sollen, sondern weshalb dieser ihn bedrohen musste. Und darauf würde es eine Antwort geben, irgendwo. Davon war Gackt überzeugt.

Tatsächlich erfolgte die Aufklärung schneller als er es nach den letzten Erfahrungen für möglich gehalten hätte. Eine Stimme, die keiner der drei Männer im Zimmer erwartet hatte, erklang. Zwar war sie gedämpft und verzogen, trotzdem gelang es dem Gehirn des Geheimdienstagenten ihre Worte auf Anhieb zu verstehen. Fast war es so etwas wie ein Glücksgefühl, das ihn durchströmte, als seine grauen Zellen sich endlich bereit zeigten der japanischen Sprache wieder mächtig zu sein. Allerdings brauchte Gackt trotzdem mehr als einen Moment, um herauszufinden wie es Yoshimuras Stimme in das Büro verschlagen hatte und auch die Bedeutung von dessen Worten wollte ihm nicht richtig klar werden.

Der blauäugige Sänger war nicht der einzige, der überrascht auf das Funkgerät an seinem Gürtel starrte, das er bisher nicht einmal bemerkt hatte und das ihm wohl von eben jenem Inhaber der Stimme zugesteckt sein musste. Aber im Gegensatz zu ihm verstanden die beiden anderen Japaner sehr wohl wovon der Einsatzleiter des Geheimdienstes sprach, als dieser jetzt seinen Funkspruch zum zweiten Mal wiederholte. „Wir haben mit Oishi-sans Hilfe die Mutter von Hyde aus ihrem Zimmer befreit. Sie befindet sich nicht länger in Gefahr. Gackt, wenn du mich hören kannst, bitte bestätige das!“

Auch wenn Onkel und Neffe die selben Worte hörten, ihre Reaktionen darauf hätten nicht unterschiedlicher sein können. Für den kleinen Schwarzhaarigen, der eben noch in den alles vernichtenden Abgrund zu stürzen drohte, bedeuteten sie eine Drehung von mehr als 180 Grad. Es war ein Wunder, das geschehen war. Ein Wunder, auf dessen Eintreten zu warten er die Hoffnung längst verloren hatte. Diese Mitteilung schaffte was ihm selber in all den langen Jahren niemals gelungen war. Sie gab ihm etwas zurück, das gestohlen und eingesperrt auf diesen Augenblick gewartet hatte, in dem das unsichtbare Band zu seinem Onkel einem Spinnenfaden gleich zerriss. Seine Freiheit, in den Sekunden als er sicher war sie für immer verloren zu haben, wurde sie zurück in seine Hände gelegt und zum ersten Mal nach so vielen Jahren spürte er in sich die Macht alleine über sein Schicksal entscheiden zu können.

Jetzt endlich war es unnötig geworden die entsicherte Pistole weiterhin auf seinen Geliebten gerichtet zu lassen. Hyde ließ den ausgestreckten Arm sinken und als wäre sie das widerlichste Ding auf der ganzen Welt fiel die Waffe zu Boden. Noch immer hatte er seinen Blick keinen einzigen Moment von Gackt abgewandt und glaube nun auch in dessen eisblauen Augen etwas anderes erkennen zu können als Höllenqualen. Es gab so viel, das er ihm sagen wollte, so viele Erklärungen, die er dem Braunhaarigen schon zu lange schuldig geblieben war, doch kein einziger Ton schaffte es seine Lippen zu verlassen.

Stattdessen waren es Tränen, die sich ihren Weg hinab über seine blassen Wangen suchten. Tränen der Erleichterung über seine neu gewonnene Freiheit, aber auch all die Tränen, die er hatte zurück halten müssen, damit sein Herz ihn nicht verraten konnte. Doch mit diesem einen Satz war es egal geworden, was sein Onkel über ihn wusste, war es egal, ob dieser seine Gefühle kannte, weil es nun nichts mehr gab, das ihn noch an Shinobu binden konnte. Deshalb tat Hyde endlich was sein Herz wollte, wonach sich jede Faser seines Körpers verzerrte und schlang die Arme um den Mann vor sich, bettete seinen Kopf an dessen Schulter. Als er schließlich spürte, wie Gackt die Umarmung erwiderte und er näher an diesen wundervoll warmen Körper gedrückt wurde, stieg ein längst vergessenes Glücksgefühl in ihm auf und gab ihm den Mut zum ersten Mal seit seinem Betreten des Büros den Blick direkt auf seinen Onkel zu richten.

Und während der Agent mit weit entfernt klingender Stimme den immer eindringlicher werdenden Funkspruch beantwortete, sah sich das Oberhaupt der Familie Takarai mit etwas konfrontiert, das er niemals erwartet hätte. Zuerst hatte er keine Ahnung gehabt, was das für ein Gefühl war, welches ihn da wie aus dem Nichts überfiel, denn bis zum heutigen Tag war es ihm noch nicht begegnet. Aber wie hätte es auch, wo Shinobu-san, der sich Zeit seines Lebens seiner Macht bewusst war und es besser als jeder andere verstanden hatte Menschen nach seinem Willen zu lenken, zum ersten Mal einer Niederlage ins Gesicht sehen musste?

Natürlich waren bei seinem Weg an die Spitze Verluste unvermeidbar gewesen, aber sie alle waren nichtig und unwichtig im Vergleich zu dem, was er dabei gewinnen konnte. Doch hier gab es nichts zu gewinnen, jetzt konnte er nur verlieren und hatte es schon getan, in dem Augenblick, als seine Marionette ihren Befehl missachtete und die Arme um den Feind schlang. Der Sieg, dessen er sich so sicher gewesen war, rann ihm wie Sand durch die Finger und viel zu spät erkannte er, dass es Schmerz war, was ihm die Brust zuschnürte. Für jemanden, der sein Leben lang andere verraten hatte, war es die bitterste Erfahrung die es geben konnte, selber verraten zu werden. Das schlimmste war vielleicht der Moment, als er begriff was ihn zu Fall gebracht hatte, als Takarai-san die beiden Männer vor sich zum ersten Mal wirklich sah. Jetzt konnte er plötzlich erkennen, was sie aneinander fesselte, so viel stärker als er es mit all seinen Tricks jemals geschafft hatte. Nur eine Liebe, so rein und bedingungslos, konnte das fertig bringen, konnte zwei Menschen gegen alle Gefahren zusammenhalten. Er hatte niemals geglaubt, dass diese Liebe existieren würde, aber nun hatte er gegen sie verloren. Es war vorbei und das wusste er.

Nachdem Shinobu-san all das in diesen wenigen Sekunden erfasst hatte, blieb ihm nur noch eine einzige Sache, die es zu tun galt. Danach würde alles ein Ende haben.

Hyde hatte keine Ahnung, was sich in den Gedanken seines Onkels abspielte und wusste auch nicht zu welchem Entschluss dieser gekommen war. Der Blick in die kalten, schwarzen Augen machte ihm nur noch einmal deutlich, dass dessen Einfluss endgültig erloschen war. Vorsichtig hob der kleine Sänger seinen Kopf wieder von Gackts Schulter und sah diesen erneut an. Er öffnete den Mund und wollte auf all die unausgesprochnen Fragen in den blauen Saphiren antworten, wurde aber vom Größeren, noch bevor er ein Wort sagen konnte, daran gehindert.

„Warte damit bis später, okay?“ Der Braunhaarige lächelte ihn zaghaft an und er konnte nicht anders als dieses Lächeln sofort zu erwidern. Doch Gackt hatte recht, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für ein klärendes Gespräch, denn schließlich waren sie nicht allein. Zuerst mussten sie sich um Shinobu kümmern und entscheiden, wie es mit diesem weiter gehen sollte.

Im Kopf des Agenten kreisten die selben Gedanken, allerdings mit dem Unterschied, dass er schon sehr genau wusste wie die Zukunft des Mafiabosses auszusehen hatte. Jetzt, wo er wieder klar denken konnte und den wichtigsten Menschen seines Lebens endlich erneut in den Armen halten durfte, kehrte die Wut zurück. Wie ein Feuer, von dem nur die ausgebrannte Glut geblieben war und das trotzdem mit neuem Material genährt in nur einem Augenblick wieder zum Leben erwachte, flammte auch die Wut in Gackt abermals auf. Noch immer umschlossen seine starren Fingen den Lauf der Pistole, die er auch im Schockzustand nicht hatte fallen lassen können. Nun löste er die Hand behutsam vom Rücken seines Geliebten und wandte sich mit ihm im Arm dem Schreibtisch und dessen Besitzer dahinter zu, während sein Hass auf diesen Mann unbekannte Höhen erreichte. Alleine dafür, dass Takarai-san es geschafft hatte ihn an Hyde zweifeln zu lassen, hatte dieser den Tod verdient.

„Jetzt werden Sie bezahlen müssen, für all die Menschenleben, die Sie zerstört haben. Jetzt gibt es niemanden mehr, der Ihnen noch helfen kann !“ Seine eigene Stimme kam Gackt wie die eines Unbekannten vor, als er langsam die Waffe ausrichtete und gleichzeitig den Kleineren an seine Brust drückte.

Sicher hätte der Braunhaarige bei all den Überraschungen heute auf diese weitere vorbereitet sein sollen, dennoch schafften es Hydes Worte mit Leichtigkeit seine gerade zurückgewonnene Fassung zu zerstören.

„Nein, tu es nicht!“, sagte der kleine Sänger in einem fast flehenden Ton und wand sich aus der engen Umarmung, um eine Hand ebenfalls auf die Pistole zu legen. Mit der anderen zog er seinen Freund ein Stück weit in Richtung Tür. „Erschieß ihn nicht, Ga-chan, bitte!“

„Was?“, brachte dieser nur hervor und blickte ihn verständnislos an. Wie konnte Hyde jetzt nur Mitleid für seinen Onkel empfinden? Wo er diesen doch am meisten von allen hassen musste?

Der Schwarzhaarige schüttelte einmal kurz den Kopf, bevor er wieder sprach. „Versteh mich bitte nicht falsch! Ich will nicht, dass sein Blut an deinen Händen klebt! Er ist es nicht wert, dass du dein Gewissen mit seinem Tod belastest!“ Beim letzten Satz wurde seine Stimme so kalt wie bei jenem Gespräch vorhin von dem Gackt nichts mitbekommen hatte. „Du würdest sonst genau das tun, was mein Onkel damals getan hat… das… das will ich nicht! Ga-chan, dein Leben ist viel zu wertvoll, um es mit seinem Blut zu beschmutzen!“ Nun lag wieder dieser bittende, flehende Ausdruck in Hydes Worten und er grub seine Finger tiefer in die schwarze Kleidung des Jüngeren.

Der Agent zog ihn mit seiner freien Hand zurück in die Umarmung, vielleicht um diesem drängenden Blick der braunen Augen zu entkommen, vielleicht weil er seinem Engel so nahe wie möglich sein wollte. „Haido…“, murmelte er leise, im Zwiespalt der Gefühle. Es war schwer seinem Wunsch nach Rache nicht einfach nachzugeben und Shinobu-san zu erschießen, damit sie ihn endlich los waren und dieser seine gerechte Strafe erhielt. Aber war es nicht noch schwerer einen Wunsch seines Liebsten nicht zu erfüllen? Konnte er tatsächlich etwas tun, was dem Kleineren so zuwider war?

„Er hätte es wirklich verdient… es brennt mir in den Fingern, ihn mit seinem Leben entkommen lassen zu müssen…“ Gackt drückte den Schwarzhaarigen soweit von sich, um ihm in die Augen sehen zu können und als er die Dankbarkeit in ihnen aufflackern sah, wusste er, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Keine Rache der Welt war es wert diese Liebe zu verlieren.

„Danke, Ga-chan!“, sagte Hyde leise und atmete erleichtert auf. „Da hast du nun wirklich was gut bei mir…“ Er lächelte sein Gegenüber mit einem Ausdruck an, bei dem der Solosänger nicht anders konnte, als zu erwidern: „Dann bereite dich schon mal gut auf heute Nacht vor!“

Für einen langen Moment blickten sie einander in die Augen, einfach nur glücklich zusammen zu sein. Fast schien es, als würden sie die Person, auf der ihr Missverständnis beruhte, schon vergessen haben, als diese wieder in den Mittelpunkt rückte und abermals für im Schock aufgerissene Augen sorgte. Es war der letzte Sonnenstrahl, der sich auf der spiegelglatten Klinge des japanischen Schwertes brach und die Aufmerksamkeit der beiden Liebenden in nur Sekundenbruchteilen auf dessen Träger lenkte. Sofort riss Gackt seine Pistole wieder hoch, doch da war es bereits geschehen.

Shinobu-san hatte nicht mehr lange gezögert, jetzt wo seine Entscheidung gefallen war. Emotionslos war er sitzen geblieben, als der Agent ihn zum wiederholten Male bedroht hatte und dann war sie gekommen, seine Chance, als die beiden Männer sich von ihm abgewandt hatten. Er wusste, dass ihm mehr als diese eine Möglichkeit nicht mehr blieb und er war froh, von sich behaupten zu können, dass er keinerlei Angst empfand. Schnell und geräuschlos hatte er eine Schublade seines Schreibtisches geöffnet und das Wakizashi von dem kleinen Sockel gehoben. Dann war Takarai-san aufgestanden, nur um sich ein paar Schritte weiter vor der offenstehenden Verandatür wieder auf den Boden zu knien, den Rücken gerade aufgerichtet und auf den Fersen sitzend. Es bereitete ihm ein Gefühl von Genugtuung, dass die beiden Sänger noch immer nichts bemerkt hatten. Sie bemerkten auch nicht, wie er seinen dunklen Kimono zurückschlug und den Blick anschließend auf der mit weißem Papier umwickelten Schwertklinge ruhen ließ.

Eigentlich hatte er niemals angenommen diesen letzten Schritt jemals ausführen zu müssen, trotzdem war er immer darauf vorbereitet gewesen, für den Fall, dass keine andere Möglichkeit mehr übrig blieb. Und der Verrat, welcher ihm durch seinen eigenen Neffen widerfahren war, machte es unmöglich jetzt anders zu handeln. Nur so konnte er dieser Schmach ehrenvoll entkommen und würde keine weitere Schande auf sich laden. Denn als Gefangener zu enden, eingesperrt für den Rest seines Lebens, würde auch das letzte bisschen an Ehre unwiderruflich auslöschen.

Als Shinobu-san jetzt seine Finger um den Griff des Wakizashis schloss, dachte er an all die Vorfahren, die schon vor ihm in eben solchen Momenten die gleiche Wahl getroffen hatten. Es erfüllte ihn mit Stolz sich nun in ihre Reihen zu begeben.

Nach einem letzten langen Atemzug hob er das Schwert und berührte mit der Spitze die nackte Haut seines Bauchs kurz unter dem Nabel. Als er den Kopf wieder hob und den Blick nach vorne richtete, sah er wie Gackt mit der Pistole auf ihn zielte, doch da wusste Takarai-san, dass er bereits gewonnen hatte.

Zum letzten Mal spiegelte sich der Ausdruck des Triumphs in seinen kalten Augen, während das Schwert in seinen Körper stieß und den Bauch von links nach rechts aufschlitzte. Bevor er die Klinge nach oben zog und so das Ritual beendete, überflutete ihn eine Welle von Schmerzen, auf die er trotz aller Vorbereitung nicht gefasst war. Dennoch schaffe Shinobu-san es den Kopf aufrecht zu halten und wartete, dass der Tod ihm Erlösung schenkte.

Dann wurde alles vor seinen Augen von einem roten Schleier überzogen und eine Taubheit ergriff von seinem Körper besitz, so dass er weder den Schuss hörte, noch merkte, wie die Kugel seinen Kopf durchschlug. Besitzergreifend und unabwendbar riss die Dunkelheit ihn fort, löschte jeden Gedanken aus seinem Gehirn und als das Oberhaupt des Takarai-Clans zu Boden sank, war es nur noch eine leere Hülle, dessen Seele der Tod schon mit ins Jenseits genommen hatte.

Und während der Agent seine Waffe fallen ließ und den kleinen Schwarzhaarigen fest an sich drückte, wurde das letzte Rot des endenden Tages abgelöst vom Rot des hervorquellenden Blutes.
 

***
 

In der Eingangshalle herrschte noch immer geschäftiges Treiben, auch wenn sich über den Rest der Villa schon längst der Mantel der Nacht gelegt hatte. Die Männer von Takarai-san, welche die Kämpfe überlebt hatten, wurden von den Geheimdienstagenten abgeführt und in die Transporter vor der Einfahrt bugsiert. Sie erwartete noch eine anstrengende Nacht, ausgefüllt mit Verhören, endlosen Befragungen und das würde erst der Anfang ihres Lebens als Gefangene sein. Yoshimura war froh, dass bei seinem Arbeitstag allmählich ein Ende in Sicht war und er die Aussicht hatte heute noch ins Bett zu kommen. Natürlich würde Naruse-san es sich nicht nehmen lassen von seinem Einsatzleiter persönlich über alles in Kenntnis gesetzt zu werden, aber wegen dem Erfolg ihrer Mission konnte dieser zumindest auf den verdienten Schlaf hoffen. Und der Geheimdienst war tatsächlich sehr erfolgreich gewesen. Sie hatten nur wenige Schwerverletzte in den eigenen Reihen zu beklagen, dafür aber umso mehr Gefangene. Dass deren Anführer nicht mehr am Leben war, schien bei den meisten von ihnen jeden Anflug von Widerstand im Keim erstickt zu haben und die Agenten konnten sich daher wohl auf eine angenehme Rückfahrt freuen.

Der Tod, den Takarai-san gefunden hatte, hinterließ aber nicht nur bei seinen Anhängern Spuren, auch Yoshimura würde sicher einige Zeit brauchen um die Bilder von dem aufgeschlitzten und blutüberströmten Mann auf den Tatami-Matten vergessen zu können. Mit diesem Anblick hatte er bestimmt nicht gerechnet, als er die Bürotür aufschob und endlich Gackt mit dem kleinen Sänger im Arm vor sich stehen sah, die beide unverletzt, aber in stillem Schock auf die Leiche zu ihren Füßen starrten.

Wieder warf er einen Blick in ihre Richtung und konnte nur hoffen, dass Oishi-san gleich hier sein würde, um den beiden zumindest ein bisschen Ablenkung zu verschaffen. Wie viel Talent diese Frau bei so etwas besaß, hatte sie heute schließlich schon mehrfach unter Beweis stellen können. Bevor sie es aber schaffte den Brillenträger selbst während ihrer Abwesenheit zu sehr in Beschlag zu nehmen, wandte sich dieser schnell seinem Laptop zu, um dem Chef die voraussichtliche Ankunft der Einsatztruppe in der Zentrale zu melden und die Gerichtsmediziner für den Abtransport der Leichen anzufordern.

„Yoshimura, das wurde aber auch langsam Zeit!“, waren die ersten Worte von Naruse-san, als er auf dem Display auftauchte. „Haben Sie jetzt endlich diesen Nichtsnutz von Superstar finden können? Er ist mir immer noch ein paar sehr gute Erklärungen schuldig.“ Der Angesprochene unterdrückte ein Seufzen und verzichtete auf den Hinweis, dass er selber noch kein einziges Wort dieser Erklärungen erhalten hatte und in Anbetracht von Gackts Zustand auch nicht mehr heute damit rechnete. Stattdessen setzte er seinen Chef geduldig über alles weitere in Kenntnis, das seit ihrem letzten Gespräch passiert war.

Zu diesem Zeitpunkt standen die beiden Sänger noch immer schweigend etwas abseits des allgemeinen Tumultes und wussten beide nicht wie sie mit dem Selbstmord von Shinobu-san umgehen sollten. Hatte sich der Braunhaarige die beiden letzten Tage über nichts mehr ersehnt, von den Wünschen die seinen Engel betrafen einmal abgesehen, als eine Kugel in den Kopf von Hydes Onkel zu jagen, so wartete er jetzt immer noch, dass sich die Befriedigung darüber einstellte. Lag es daran, dass ihm Takarai-san selbst im Tode zuvor gekommen war und Gackt ihm eigentlich nur einen Gefallen getan hatten, indem er dessen Leiden verkürzte? War deshalb sein Wunsch nach Rache nicht gestillt worden, obwohl er die tödliche Kugel abgefeuert hatte? Auch wusste der Agent nicht wie sein Freund darüber dachte, denn sie hatten seitdem das Aufblitzen der Schwertklinge ihre romantische Stimmung zerstört hatte, kein Wort mehr gewechselt. Weil er es nicht über sich bringen konnte Hyde direkt nach seinen Gefühlen zu fragen, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Kleineren weiterhin stumm an sich zu drücken.

Und fast hätte Gackt es auch noch geschafft und über all die Verwirrung in seinen Gedanken das leise Murmeln an seiner Brust zu überhören, das nicht lauter als ein Windhauch von dem schwarzen Haarschopf ausging.

„Bitte, bring mich nach Hause, Ga-chan… ich will hier weg…“ Hyde wusste, dass er schon längst etwas hätte sagen sollen. Er konnte förmlich spüren wie die Fragen im Kopf des Jüngeren auf seine Erklärungen warteten, doch ihm wollten einfach keine Worte über die Lippen kommen. Eine bleierne Müdigkeit hatte sich in seinem Gehirn eingenistet und er fühlte sich wie eine mechanische Puppe, der man die Batterien genommen hatte und die nun nur noch als unbewegliches Objekt zurückblieb. Alles was er in diesen Momenten wollte, waren dass die starken Arme ihn nicht mehr losließen, ihn fest umschlungen hielten, am besten bis in alle Ewigkeit. Nur nicht an diesem Ort.

Als sich eine warme Hand unter das Kinn des Schwarzhaarigen legte, war dieser beinahe froh, nicht selber den Kopf heben zu müssen.

„Ja“, erwiderte Gackt nicht sonderlich viel lauter, „gehen wir nach Hause! Und du versprichst mir, dass du mir dann alles erzählen wirst. In Ruhe, wenn wir alleine sind…“ Es war schon merkwürdig, dass es manchmal nur ein Lächeln brauchte und einen Blick in diese tief blauen Augen, damit alles leichter wurde. Auch jetzt schaffte es Hyde ein Nicken zustande zu bringen und seine Stimme klang überzeugend, als er sich ein „Versprochen!“ hauchend vorbeugte und seine Lippen mit leichtem Druck auf die des Größeren legte. Ihr Kuss war wie ein Versprechen und ein Beweis zugleich. Dafür dass es von nun an keine Geheimnisse mehr geben würde, damit ein Albtraum wie der des heutigen Tages nie wieder die Chance bekam, Zweifel in ihren Herzen zu sähen.

Nicht nur die beiden Sänger schmolzen bei der innigen und doch so süßen Berührung dahin, auch die Frau, der beide ihr Leben zu verdanken hatten, verharrte in ihrer Bewegung und genoss in vollen Zügen ihre lang ersehnte Belohnung. Erst als wieder etwas Abstand zwischen den Gesichtern der Männer herrschte, machte Megumi einen weiteren Schritt auf sie zu.

„Mhmmm, das war schön!“, sagte sie mit einem Seufzen und lächelte die beiden an. „Ich denke, jetzt sind wir quitt.“ Dann streckte sie den Arm aus und legte ihn der kleinen grauhaarigen Frau um die Schultern, die lautlos neben ihr aufgetaucht war.

Hydes Augen weiteten sich beim Anblick des einst so vertrauten Gesichtes und er konnte nicht verhindern, dass ihm durch die aufsteigenden Tränen die Sicht verschleiert wurde. Nach den Erlebnissen der vergangenen Wochen kam ihm die letzte Begegnung mit seiner Mutter wie die Erinnerung aus einem anderen Leben vor. Sie jetzt vor sich stehen zu sehen, war vielleicht das letzte Zeichen das er brauchte, um tatsächlich zu begreifen, dass die Zeit als Gefangener des Familienclans vorbei war. Seine Mutter war befreit, sein Onkel hatte den Tod gewählt und die Liebe seines Lebens würde nicht länger qualvoll in seinen Albträumen sterben müssen.

Sanft befreite sich der kleine Japaner aus den kräftigen Armen, die ihn noch immer fest umschlungen hielten und ging mit langsamen Schritten auf seine Mutter zu. “Okaa-san…”, flüsterte er, als ihn nur noch eine Armeslänge von ihr trennte, „es tut mir so leid! Bitte verzeih mir, dass ich es all die Jahre nicht geschafft habe dich hier raus zu holen. Ich hab es nie fertig bekommen gegen ihn etwas auszurichten…“ Hyde senkte den Kopf und spürte nur einen Augenblick später, wie ihm eine Hand mit zittrigen Fingern über die Haare strich.

„Das habe ich dir nie zum Vorwurf gemacht, Hideto, also weine nicht meinetwegen. Meinen Sohn nicht verloren zu haben, macht mich glücklich, das ist genug. Deshalb sei auch du glücklich und lass deinem Freund nicht warten.“ Sie blickte zu Gackt hinüber, der dem Gespräch etwas unschlüssig zugehört hatte.

Natürlich machte sich ein Rotschimmer auf Hydes Wangen bemerkbar, als er dem wissenden Blick seiner Mutter begegnete. „Wir werden nun genug Zeit haben über alles zu reden, aber nicht mehr heute Abend. Also los, geht schon zu ihm!“ Die Grauhaarige nickte ihrem Sohn zu und auf ihren erschöpften Züge zeigte sich das ersten Lächeln seit so vielen Jahren.

„Ich danke dir, Okaa-san“, erwiderte der Jüngere und wusste, dass sie zurück in ein normales Leben finden würde. So tief die erlittenen Verletzungen für Körper und Seele auch waren, sie war stark genug das zu überstehen, da war er sich jetzt sicher. Erleichtert durch diese Gewissheit ließ sich Hyde zurück in die schon sehnsüchtig auf ihn wartenden Arme ziehen, die sich fast schon besitzergreifend um ihn legten.

Megumi konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als sie Gackts eifersüchtigen Blick in ihre Richtung bemerkte und wollte ihn nun endlich über ihre harmlosen Absichten aufklären, als ihr etwas besseres einfiel. „Vielleicht hab ich aber noch ein bisschen mehr verdient als so einen kleinen Kuss, meinst du nicht auch Gackt? Wer weiß, wie lange du ohne meine Hilfe noch in deiner Zelle gesessen hättest und was wäre wohl aus Hyde und seiner Mutter geworden? Also…“

„Was genau willst du?“, fragte der Solosänger mit finsterer Mine und funkelte Megumi an. Er konnte einfach nicht begreifen, weshalb sich sein kleiner Engel so gut mit dieser Frau verstand.

„Ich will ein `Dankeschön´ von dir hören und eine Entschuldigung, weil du mich bisher nicht besonders freundlich behandelt hast. Das ist alles!“, erklärte die Schwarzhaarige mit Bestimmtheit und lächelte den Agenten unschuldig an. Beim Anblick von Gackts nun endgültig vor Zorn verzogenen Gesichts war sie sich nicht mehr sicher, ob sie einen wütenden Blauäugigen nicht noch interessanter fand als einen eifersüchtigen. Wobei ihr der arme Kerl nach dem heutigen Tag eigentlich schon ziemlich leid tat.

So ähnlich mussten wohl auch Hydes Gedanken gewesen sein, zumindest was das Mitleid anging, denn er sagte schnell bevor sein Freund es konnte: „Vielen Dank für deine Hilfe, Megumi! Ich weiß wirklich nicht, wie wir das ohne dich überlebt hätten.“ Innerlich war er sich vollkommen sicher, dass sie ohne den Einsatz seiner „Verlobten“ heute Abend mit dem Tod bezahlt hätten für seinen vergeblichen Versuch zwei Menschen gleichzeitig zu beschützen. „Wir stehen tief in deiner Schuld.“ Mit diesen Worten versuchte der kleine Sänger eine Verbeugung zustande zu bringen, scheiterte aber kläglich, weil Gackts Arme inzwischen mehr Ähnlichkeit mit Schraubstöcken besaßen als mit Gliedmassen.

„Das ist lieb von dir, Hyde“, kommentierte Megumi seine erfolglosen Bemühungen, „aber ich hätte gern ein `Dankeschön´ von deinem Freund. Oder ist das zu viel verlangt?“

Während der Schwarzhaarige mit flehendem Blick sein Gegenüber ansah, wurde dieser durch das Geräusch sich nähernder Schritte gerade noch so vor einer weiteren Blamage an diesem Tag gerettet. Sich dieser Frau zu Dank verpflichtet zu fühlen, war so ziemlich das letzte, was er jetzt wollte. Deshalb wandte er sich schnell von Megumi ab und blickte zu dem Neuankömmling hinüber, der sich zu ihnen gesellte.

Yoshimura stellte erleichtert fest, dass die beiden Sänger schon wesentlich mehr Farbe im Gesicht hatten, als noch einige Minuten zuvor. „Die Gefangenen sind inzwischen alle abgeführt, das heißt wir können uns jetzt auch auf den Weg zu den Wagen machen“, sagte er in die Runde und schaffte es zur Freude seines Partners den Blick aller Anwesenden auf sich zu ziehen. Etwas, über das sich Gackt wohl zum ersten Mal in seinem Leben freute. Dann fuhr der Einsatzleiter an die beiden Frauen gerichtet fort: „Wir werden Sie für heute Nacht in ein sicheres Haus bringen lassen. Morgen müssen Sie sich dann allerdings für die Aufnahme Ihrer Aussagen bereit halten, die Direktor Naruse-san sicher persönlich leiten wird.“

Megumi nickte daraufhin bereitwillig und ihr Blick haftete vermutlich eine Spur zu lange auf dem Gesicht des Agenten, als sie: „Sie können auf meine Hilfe zählen!“ erwiderte. Vielleicht war es auch ihr Lächeln, das den Braunhaarigen aufhorchen ließ, schließlich kannte er diesen Gesichtsausdruck nur zu gut. Meistens waren es so ziemlich alle weiblichen Personen in seiner näheren Umgebung, die mit genau diesen Augen zu ihm selber starrten. Aber der Blick jetzt konnte fast nur einen Schluss zulassen… Gackt hatte benahe schon nicht mehr daran geglaubt, dass seine Gesichtsmuskulatur zu einem Grinsen fähig war.

Plötzlich mit sehr viel besserer Laune ausgestattet, befreite er seinen Engel aus der engen Umarmung und legte ihm stattdessen lediglich einen Arm um die Taille.

„Danke, Ga-chan! Ich dachte schon du wolltest mich erdrücken“, murmelte Hyde leise und folgte zusammen mit dem Größeren dem vorauseilenden Agenten und den beiden Frauen. Im Gegensatz zu seinem Freund fiel ihm keiner der Blicke auf, die zwischen Megumi und Yoshimura ausgetauscht wurden.

Es dauerte auch einen Moment, bis sich der Einsatzleiter vom Lächeln der jungen Frau losriss und den Sängern mitteilte, dass sie hingegen noch heute in der Einsatzzentrale erwartet wurden und der Chef diesen Befehl fast mit jedem ausgetauschten Satz deutlich gemacht hatte. Der Schwarzhaarige konnte ein Seufzen bei diesen Worten nicht vermeiden. Er wusste ganz genau was ihn beim Geheimdienst erwarten würde, schließlich war er ein Mitglied des Takarai-Clans und hatte jahrelang in den dubiosen Geschäften seines Onkels eine führende Position inne gehabt. Auch wenn bei Gackt und offensichtlich auch bei dessen Partner nur wenige Erklärungen nötig waren, um ihnen seine Motive verständlich zu machen, so war er sicher, dass der Direktor wesentlich mehr verlangen würde. Und einen weiteren Ausflug in seine unliebsamen Erinnerungen verbunden mit einem Verhör über alle Aktivitäten des Clans, würde er heute sicher nicht mehr durchstehen können. Nicht nachdem er gerade erst von der Last seiner Vergangenheit befreit war. Vielleicht würden sie ihn noch nicht einmal gehen lassen…

Bedauernd senkte Yoshimura den Kopf. „Es tut mir wirklich leid, Hyde! Aber die Entscheidung, was mit Ihnen jetzt geschehen wird, liegt leider nicht in meinen Händen.“ ´Und in deinen auch nicht`, sollte wohl der Blick aussagen, den er seinem Kollegen zuwarf.

Inzwischen hatte die kleine Gruppe die Villa verlassen und näherte sich den Transportern vor der Einfahrt. Die Notarztwagen mit den Verletzten waren schon abgefahren und auch die Gefangenen befanden sich bereits auf dem Weg zur Zentrale. Lediglich weiß gekleidete Männer mit Mundschutz waren noch damit beschäftigt die Leichen zu verladen. Schnell wandte Hyde seine Augen von den aufgebahrten Toten ab, er hatte nicht das geringste Bedürfnis zu erfahren, unter welchem Leichentuch sich sein Onkel befand.

Als sie die Einfahrt passiert hatten, warf Gackt einen raschen Blick an beiden Seiten des Zauns entlang und atmete erleichtert auf, nachdem er in einiger Entfernung eine große, dunkle Gestalt ausmachen konnte. Jetzt war es Zeit, dass er endlich wieder handelte und nicht nur seine Fähigkeiten als Statist weiterentwickelte!

Mit diesem Ziel vor Augen blieb er stehen. „Yoshimura, hier werden wir uns jetzt trennen müssen. Haido und ich haben heute noch etwas besseres vor, als uns vom Chef anschnauzen zu lassen.“ Er lächelte den Kleineren in seinen Armen vielsagend an. „Du kannst Naruse-san ausrichten, dass wir uns ebenfalls morgen bei ihm melden werden. Denn jetzt haben wir noch ein paar wichtige Dinge nachzuholen!“

Nur am Rande registrierte der Braunhaarige, dass Megumis Gesicht schon wieder von diesem für ihn undefinierbaren Lächeln geziert wurde. Aber nun schien er endlich eine Lösung für das Problem gefunden zu haben. „Hey, eigentlich kannst du doch froh darüber sein! Wenn wir weg sind, hast du viel mehr Zeit dich um diese Frau da zu kümmern.“ Er zeigte auf jene und brachte ein Grinsen zustande, das schon fast an sein gewohntes Niveau erinnerte.

Für den Moment sprachlos starrten sowohl Yoshimura als auch Megumi den Solosänger an, der ihnen noch „Viel Spaß“ wünschte, während Hydes Mutter mit einem milden Lächeln auf dem Gesicht beobachtete wie ihr Sohn von Gackt mit sich gezogen wurde.

„Willst du mich etwa entführen?“, fragte der Ältere, nachdem er die dunkle Gestalt auf dem Gehweg erkennen konnte. Er spürte wie sein Herz schneller schlug bei dem Gedanken den Abend ungestört mit seinem Freund verbringen zu können.

Dieser lächelte erneut und setzte mir geschickten Fingern die Sicherheitssperre des ´geliehenen` Motorrads außer Betrieb, das zum Glück noch keinem weiteren Diebstahl zum Opfer gefallen war. „Ich dachte eigentlich du kommst freiwillig mit, aber wenn du dich wehrst, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig…“ Er zog den einzigen Helm hervor und reichte diesen an seinen Engel weiter, dann schwang er sich selber auf den Ledersitz der großen Maschine. „Ich hab dir doch versprochen dich nach Hause zu bringen, schon vergessen?“ Auffordernd streckte Gackt die Hand aus.

Ohne auch nur einen Augenblick mit Zögern zu vergeuden, ergriff der Kleinere diese und ließ sich hinten den Fahrer ziehen. Während der das Motorrad startete, schlang Hyde die Arme fest um seine Mitte und drückte sich an ihn. Was auch sehr ratsam war, denn die Maschine setzte sich mit dröhnendem Motor in Gang und bretterte in Richtung der Transporter los.

Auf Höhe der Villaeinfahrt wurden sie langsamer. Den anderen war ihr Fluchtmittel natürlich nicht entgangen und trotz des Lärms konnten sie deutlich verstehen, was der Braunhaarige ihnen zurief: „Übrigens vielen Dank, Megumi!“ Nur Sekunden später wurde die Maschine mit den beiden Sängern von der Dunkelheit verschluckt.

Was hätte sie jetzt dafür gegeben, statt dem Dankeschön auf das Anbringen von Kameras in deren Schlafzimmer bestanden zu haben, dachte Megumi und lächelte seufzend in sich hinein.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Anou, das ist es also gewesen, das große Finale ^^

Ich hoffe ihr seid mit meinem Ende zufrieden und auch damit, was ich nun mit Hydes Onkel angestellt habe. Ich hatte von Anfang an diesen Tod für ihn im Sinn, denn ich finde, irgendwie hat er es schon verdient so zu sterben. Was meint ihr?

Und was das nächste (und letzte) Kapitel betrifft, würde ich mich an Megumis Stelle auch ganz schön ärgern, keine Kameras in Hydes Wohnung versteckt zu haben *lach*

Da dürft ihr euch also schon mal freuen, was die beiden Süßen so alles anstellen werden. Ich selbst bin wie gesagt auch gespannt drauf *kicher*
 

Ich hoffe, ich bekomm das Kappi dann auch mal ein bisschen schneller fertig, aber bei mir weiß man ja nie XD
 

Also bis dann,

eure himachan



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Von: abgemeldet
2009-05-06T15:35:13+00:00 06.05.2009 17:35
Moahahahaha~!
Das sind ja spannende Aussichten! 8D~~~~~~~~~
Ich freue mich schon gar sehr auf das nächste Kapitel!

Glückwunsch im übrigen zu diesem gelungenen Kapitel. ^^
Von:  Mentha-Chan
2009-04-30T18:57:54+00:00 30.04.2009 20:57
Puh, endlich komm ich auch zum Schreiben XD (sorry, wenn es erst jetzt ist, aber ich wollte noch mal kurz über das schöne Kapi fliegen XD ).
Ich finde es großartig!
Es ist wirklich bewundernswert, wie du all die Handlingsstränge und Andeutungen gelöst und zu einem grandiosen Ende geführt hast. Mit von der Partie sind natürlich auch wieder die bildgewaltigen Stellen, wie Shinobus Ableben, was ich immer noch für die absolut richtige Entscheidung halte. Immerhin ist es schade, einen so perfied-perfeckten Bösewicht in einem Knast verschimmeln zu lasse, der braucht einfach ein Bösewicht-gerechtes Finale XD (dass findet man in fast jedem Bond-Film bestätigt XD, da fliegt nur alles in die Luft).
Dass Gaku mittlerweile rein äußerlich eher einem Strassenpenner, als Superstar gleicht stell ich mir irgendwie total witzig vor, aber natürlich können solche Lapalien, Haido nicht abschrecken.
Tja, was soll ich noch lang rumschwafeln, das Kapi ist von vorn bis hinten gelungen. Gackt und sein Schnuffelchen sind glücklich, der Chef tobt, Megumi und Yoshi turteln fleißig, Shino-Chan ist flöten und...ach ja da fällt mir ein...falls du dich wundern solltest, dass meine Wenigkeit schreibt und nicht das arme Menthalein...die hockt da irgendwo in Shinobus Zimmer und flennt den Boden voll (übrigens nachdem sie seine Waffensammlung geplündert hat) XD.
Von: abgemeldet
2009-04-22T19:21:02+00:00 22.04.2009 21:21
hach meinen süssen schnuckel ga-chan und haido um hasl fall *schööööööönnnnnnnnnnnnnnnnes ende* nein noch besser es gibt noch ein kapi *juhuuuuuuuuuuuu megafreu* und dich knuddel *hach ich mags wenn'se lang sind *ohwehhhhh diese doppeldeutungen* >___<
mit dir ne flauschrunde mach
und auf's finale kuschel

ganz gespannt jetzt bin *biittttööööö net so lang warten lass* sonst ganz traurig ins mauseloch verschwind


glg
de kawaiimaus


Von:  Percival_Graves
2009-04-20T11:06:34+00:00 20.04.2009 13:06
NA ENDLICH, MANNO!
xDDD
Hat es sich ja doch gelohnt, dass ich dich genervt habe. :D
Also ich persönlich hätte es ja besser gefunden, wenn Haidos Onkel verhaftet und eingesperrt worden wäre. Den Tod hat er nicht verdient, das is viel zu gut für ihn. Sein ganzes restliches Leben im Knast hätte er schmoren müssen... ><
Hat mir aber sehr gut gefallen, das Kappi.
Ich werd immer voll neidisch, wenn ich deine Sachen lese. Das kommt immer so toll rüber mit den Gedanken und Gefühlen. u_u
Und ich kanns ja kaum erwarten, bis das nächste kommt. *_________________*
*schonma anfang, zu sabbern*
*Kekse hinstell*

Das -Nii-san-
PS: Wenn das wieder so langedauert, dann... xD
Von:  Kimiko02
2009-04-20T00:44:02+00:00 20.04.2009 02:44
*glücklich seufz*
So ein schönes Ende des Finales! Und noch viel besser finde ich es, dass es nochmal ein Kapitel mit unseren beiden süßen gibt *__*
Ich an Megumis Stelle würde mich auch ärgern *lach*

Insgesamt war das Kapitel wieder superspannend (deswegen lese ich um so ne Uhrzeit auch immer noch obwohl ich schon seit mindestens zwei Stunden im Bett sein müsste ^^") und ich fand auch alles in Ordnung so, wie es passiert ist. Wobei ich mir erst so dachte, wieso hat Gaku jetzt doch geschossen, wäre doch gar nicht nötig gewesen ^^"
Aber naja, solange es Hyde ihm nicht übel nimmt, ist es ja gut.
Also wie schon gesagt, wirklich wunderschönes Ende und ich freu mich schon sehr auf das nächste Kapitel *___*
Von: abgemeldet
2009-03-21T22:26:08+00:00 21.03.2009 23:26
nu hab ich dein ff schon zum x-ten mal gelesen...und bin so gespannt wie's nu weitergeht mit gackt&hyde
*grrrrrr....der böse onkel*****ganz fies ankuck und ihm sonstwas ranwünsch* >_<

ich hoffe du machst mit der story weiter, will doch endlich wissen ob sich alles zum guten wendet Y_Y

knuddel dich

de kawaiimaus
Von:  Guren-Akai
2008-09-21T11:50:07+00:00 21.09.2008 13:50
Yahhhaaa~
Nun auch endlich nen Kommi von mir wie versprochen ^^

Freu mich voll das es weitergeht *-*
Die Story ist so intressant Ö_Ö
Bin gespannt was Haido jetzt machen wird ._.
Hoffe den beiden Hyde un Gackt passiert nix ;.;
Man weiß ja nie öö
Wäre ja auch zu schön gewesen wenn die 2 endlich in Sicherheit wären und der Onkel hinter schwedige Gardinen sitzt XDDD

Bin voll neugierig wie´s wohl ausgeht Ö_Ö
*rumhibbel*
Von:  Percival_Graves
2008-09-08T18:30:35+00:00 08.09.2008 20:30
>___________________<
Wie gemein!! XO
Erst dauert es so lange, bis du ein neues Kapitel hochlädst und dann endet es an so einer fiesen Stelle! ><
Grrrrrrrrrrrrr...
Jetzt muss ich mir glatt überlegen, ob ich die Kekse, die ich extra gebacken habe, nicht doch selber esse...
Na ja, ich will ma nich so sein.
*Kekse abstell*
Und wehe, das gibt ein Sad-End!
Dann suche ich dich heim! xDDDDDD
*bussi*
Von:  Mentha-Chan
2008-09-08T18:09:24+00:00 08.09.2008 20:09
Regie: Nach einem einjährigen Nickerchen, gräbt sich das Menthalein aus ihrem Minzbeet aus.....und wird glatt von den Leuten des japanischen Geheimdienstes niedergetrampelt.....

Mentha:,,Was zumm.....*Autsch* Hei ihr...*Aua*.........................Na wartet MUHAAHAHAHAHAHAH.''

Regie: NAch wenigen Augenblicken ist von den freveligen Leuten nichts mehr zu sehen *mysteriöse Musik einspiel* und das Menthalein kreucht ein wenig auf dem Anwesen rum (alle die ihrer sichtig werden nehmen reißaus).

Mentha:,, Hmmmmm...wo ist nur Shino-Chan?...Ahhhh da ist er ja...wieder im netten Gespräh mit Gackt, hach wie entzückend die Beiden doch sind. Hupsi da kommen ja noch mehr Zuschauer *Grrrrr* und das Haidolein...Hei! wieso bedroht der denn jetzt seinen Gackt?????Sollte dass nicht the one and only Shi-chan mchen???? *Grummel Grummel*.''

Regie: Leicht verwirrt krabbelt das Menthalein unter die japanuische Veranda (ein trockener Platz, falls es wieder länger dauern sollte XD).

Von:  Mon-Marshy
2008-09-05T12:08:10+00:00 05.09.2008 14:08
yosh, es ging weiter <3

ganz schön viel passiert mal wieder <3

aber Gackt is schön blöd, dass der glaubt dass Hyde ihn umbringen wollte o.O"
was denkt der Typ sich eigentlich.
Wie auch immer, ich freue mich auf das nächste (wenn auch letzte ;:;) Kapitel.


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