Harry Potter und die Unmöglichkeit von Zeitreisen von J-chan82 ================================================================================ Kapitel 29: Antworten --------------------- A/N: Tut mir so unendlich Leid, dass ihr so lange warten musstet, vor allem, weil ich das Original schon so lange fertig habe, aber erst einmal hatte ich dann keine Zeit, mich der Übersetzung zu widmen, dann hatte ich das meiner Betaleserin geschickt, sie hatte dann zuerst keine Zeit, dann war ihr Laptop im Arsch und dann hatte sie es einfach verschwitzt… Aber jetzt ist das neue Kapitel auch endlich für euch da! Ich bedanke mich noch mal gaaaaaanz doll für eure Reviews und hoffe wirklich, dass dieses Kapitel zumindest etwas von der langen Wartezeit wieder gutmachen kann... Jetzt aber wirklich! Viel Spaß beim Lesen! Kapitel 29: Antworten Harry lag flach auf seinem Besen, als er über das dunkle Gelände von Hogwarts mit halsbrecherischer Geschwindigkeit jagte und den Besen an seine Grenzen trieb. Am Ende brauchte er nur etwa eine Minute bis er die Tore erreichte und durch die Schutzzauber brach. Sofort als er spürte, wie die schimmernde Magie der Schutzzauber ihn durchdrang, drückte er seinen Besen in einen steilen Tiefflug und sprang in dem Moment vom Donnerblitz, in dem er nahe genug am Boden war. Er fing seinen Sturz ab, indem er sich im Gras abrollte, und sah, wie sein Besen in einem Busch verschwand. Aber er hatte jetzt keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, was damit geschehen sein könnte. Harry sprang schnell wieder auf die Beine, stellte sich den Raum aus seiner Vision in seinen Gedanken vor und drehte sich auf der Stelle. Harry hatte das Apparieren noch nie gemocht, dieses Gefühl durch einen Gummischlauch gezwängt zu werden, aber manchmal war es einfach notwendig - wie in diesem Augenblick. In dem Moment, da sich seine Umgebung von der Landschaft um Hogwarts herum zu dem steinwandigen Raum aus seiner Vision verwandelt hatte, hatte er gerade genug Zeit, mit der Hand zu winken, um einen hölzernen Stuhl in den Weg eines roten Lichtstrahls fliegen zu lassen. Clara und das Mädchen in ihrem Armen schrien, als überall zersplittertes Holz flog, aber Harry zögerte nicht, vor sie zu treten, mit erhobenem Zauberstab und mit einem gesenkten Blick auf Voldemort. Die roten Augen des Dunklen Lords richteten sich auf ihn mit einer Ruhe, die fast entnervend war. Er war offenbar von dem unerwarteten Auftauchen des jungen Mannes überrascht, denn das leichte Stirnrunzeln deutete an, dass er wütend war, gestört worden zu sein. Dennoch ließ er es nicht an sich heran. Harry musste ihm wirklich zu seinem Poker-Face beglückwünschen, aber er wusste, dass sein eigener Gesichtsausdruck nicht viel anders war, als er Voldemort ruhig betrachtete, seinen ganzer Körper angespannt und bereit, jeden Zauber auszuführen, den er brauchen könnte. „Hallo Tom“, begrüßte er ihn, seine Lippen verzogen sich zu einem überlegenen Grinsen. „Ich habe darauf gebrannt, dich zu treffen.“ „Sie sind dieser Potter-Junge“, stellte Voldemort fest, seine roten Augen betrachteten ihn neugierig als das zischende Geräusch über seine Lippen kam. Parsel. Das Grinsen auf Harrys Gesicht weitete sich ein wenig. Voldemort hatte also seine Nachricht von Halloween bekommen. Anstatt mit dem gleichen Zischen zu antworten, entgegnete Harry jedoch in normalem Englisch: „Nun, wenn deine Definition eines 21-jährigen Junge ist, dann bin ich es, ja. Nett, dich kennen zu lernen, Tom.“ Voldemort fletschte die Zähne, als er diesen Namen hörte - den Namen seines Vaters - und hob seinen Zauberstab. „Ich werde nicht einmal fragen, wie Sie diesen Ort gefunden haben, da es so aussieht, als wären Sie immer für eine Überraschung gut, wie ich gehört habe. Jedoch sollten Sie sich eines bewusst machen, Mr. Potter – hier her zu kommen war töricht, denn Sie werden diesen Ort nicht mehr lebend verlassen.“ „Wirklich?“, entgegnete Harry, der nicht einmal den Augenkontakt zum anderen Zauberer unterbrach, sein Zauberstab noch immer bereit. Er spürte einen leichten Druck auf seinem Okklumentikschild, welcher sich schnell verzog, als er bemerkte, dass es unmöglich war, hindurch zu brechen. Harry versuchte herauszufinden, was er jetzt tun sollte, denn als er von der Vision aufgewacht war, mit dem Wissen, dass er sie retten musste, war das wie nicht seine höchste Priorität gewesen, als ihm plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoss— Das war seine Chance! Lord Voldemort war direkt vor ihm und hatte keine Ahnung, zu was er, Harry Potter, fähig war – zu was er bestimmt war! Er konnte den Überraschungsmoment benutzen, um die Prophezeiung zu erfüllen und den Dunklen Lord ein für alle mal zu besiegen. Das war seine Chance, die Zukunft von den Leuten aus dieser Zeit zu ändern. Seine rechte Hand war total angespannt, seine Gedanken ein absolutes Durcheinander. Alle möglichen Zauber gingen ihm durch den Kopf. Harry hatte während seiner Nachforschungen und seines Trainings in all den Jahren entdeckt, dass es viel mehr tödliche Flüche gab als nur den Todesfluch. Und es fiel ihm schwer, einen auszuwählen. Ein Teil von ihm wollte, dass Voldemort das gleiche grüne Licht sah, mit dem er so viele Leute getötet hatte; ein anderer Teil von ihm wollte, dass Voldemort litt, bevor er starb. Es gab so viele Möglichkeiten. Er konnte jeden einzelnen dieser Flüche ausführen, aber tief im Inneren wusste Harry auch, dass er ebenfalls den Unverzeihlichen aussprechen konnte… Plötzlich holte ihn ein leises Wimmern hinter ihm aus seinen Gedanken. Seine Haltung leicht verändernd, sah er aus seinen Augenwinkeln heraus, wie sich das kleine Mädchen an ihre Mutter klammerte und Clara ihn mit einer Mischung aus Hoffnung und Furcht in ihren Augen anstarrte. Sofort erinnerte ihn das an den Grund, warum her überhaupt hier her gekommen war… Zähneknirschend konzentrierte er sich wieder ganz auf seinen Gegner. Wenn er jetzt einen Kampf mit Voldemort anzettelte, könnten Clara und ihre Kinder ins Kreuzfeuer geraten… Verdammt! „Was ist los, Mr. Potter? Haben Sie ihren Fehler endlich eingesehen?“ Voldemort schmunzelte mit einem verdorbenen Lächeln. Wenn Harry in diesem Moment nicht Okklumentik gebrauchen würde, war er sich sicher, dass er Voldemorts Triumph fühlen würde. Doch Harry lächelte ihn bloß mit Bedauern an. „Genau genommen, nein… Ich habe nur gerade festgestellt, dass ich unser Treffen vorzeitig verlassen muss. Aber keine Angst, wir werden uns wiedersehen. Expelliarmus!“ Anscheinend hatte Voldemort nicht erwartet, dass Harry die Offensive ergreifen würde, besonders nicht mit diesem Zauber. Er verlor beinahe seinen Zauberstab, doch während er darum kämpfte, ihn nicht loszulassen, war Harry schon zu der jungen Frau und den beiden Kindern herumgewirbelt. So schnell und sanft wie möglich, nahm er das Kind in seine Arme und zog Clara, die noch immer das Baby fest an ihre Brust drückte, auf ihre Füße. „Halten Sie sich fest“, sagte er zu ihr. Doch gerade, als er Disapparieren wollte, musste er seinen Plan ändern. Mit einem Schnippen seines Zauberstabs ließ er den Tisch vor sich springen, um die volle Wucht des grünen Lichts zu ertragen – des Todesfluchs. Er explodierte in tausende kleiner Splitter, welche über ihm, Clara und den Kindern nieder regneten. Um die anderen vor den Splittern zu schützen, wandte er seinen Rücken zu Voldemort, doch er bewegte sich auch schon wieder, bereit einem weiteren Fluch auszuweichen, der in ihre Richtung fliegen könnte. Er sprang zur Seite, wobei er Snapes Familie mit sich zog, vorsichtig, um die Kinder nicht zu verletzen. Leise fluchend zuckte Harry zusammen, als sich ein größerer Splitter in seine rechte Schulter bohrte. Er wirbelte schnell herum und den stechenden Schmerz in seiner Schulter ignorierend, schlitzte er mit seinem Zauberstab durch die Luft. Voldemort blockte den violetten Lichtstrahl und feuerte sofort einen weiteren Fluch auf Harry ab, der sich zu Boden fallen ließ, um dem roten Strahl auszuweichen. Harry errichtete zauberstabslos einen Schildzauber direkt vor sich und Snapes Familie, während er schnell wieder auf die Beine kam und seinen Zauberstab wieder hob. Seine Hand zitterte ein wenig. „Du wirst uns nicht aufhalten“, sagte Harry so gelassen wie möglich. Seine Schulter tat höllisch weh, der Schmerz breitete sich schon bis zu seinen Fingerspitzen aus und er konnte schon etwas Feuchtes und Warmes an seinem Arm herunterlaufen fühlen. Blut. Er wusste, dass sie schnell verschwinden mussten, oder sie würden diesen Ort niemals verlassen. Aber er brauchte einen Plan und um einen Plan zu formulieren, musste Voldemort weiter reden. Glücklicherweise, dachte Harry, als er ein trockenes Grinsen unterdrückte, war das eine von Voldemorts großen Schwächen. Er mochte sich wirklich gerne reden hören. Voldemort lachte, ein kaltes, grausames Geräusch, das Harry noch immer Schauer über den Rücken jagte. Er würde sich niemals daran gewöhnen. „Mr. Potter”, höhnte Voldemort und schüttelte seinen Kopf spottend. “Habe ich nicht gesagt, dass es töricht war, hier her zu kommen? Erkennen Sie jetzt Ihren Fehler? Ich werde die liebe Clara und ihre Kinder töten und Sie hätten Glück, wenn ich Sie auch einfach umbringe… Ich bin mir sicher, dass einige meiner treuen Diener Sie wirklich gerne persönlich kennen lernen würden. Jedoch fühle ich mich im Moment etwas gnädig, Mr. Potter, gnädig, Ihnen einen Ausweg anzubieten. Den einzigen Ausweg.“ „Der da wäre?“, schnauzte Harry, der seine Umgebung aus seinen Augenwinkeln betrachtete, als er sich plötzlich an etwas aus seiner Vision erinnerte. Das war ihre Chance! „Sie sind ein mächtiger Zauberer, Mr. Potter. Verbeugen Sie sich vor mir und werden sie zu Einem der Meinen… Empfangen Sie mein Mal und stehen sie in meinen Reihen, wenn ich den Untergang der Zauberwelt, so wie Sie sie kennen, hervorbringe. Ich könnte sogar darüber nachdenken, Ihre Freunde zu verschonen…“ „Niemals!“, schrie Harry. Im gleichen Moment schoss ein orangefarbenes Licht aus der Spitze seines Zauberstabs, das den Dunklen Lord überrumpelte. Ein schnelles Grinsen erschien auf Harrys Gesicht, als Lord Voldemort von fliegendem Popel angegriffen wurde, aber er nutzte diesen Moment, um mit seinem Zauberstab auf die Decke zu zielen, wo der Kronleuchter hing. „Reducto!“ rief er und der mächtige Zauber ließ nicht nur den Kronleuchter auf Voldemort niederstürzen, sondern auch einen großen Teil der Decke. Harry verschwendete keine Zeit um sein Werk zu betrachten, sondern drehte sich schnell wieder um, ergriff das kleine Mädchen und Clara mit dem Baby und drehte sich auf der Stelle. Sie verschwanden mit einem lauten KNALL. Den Bruchteil einer Sekunde, nachdem sie verschwunden waren, traf ein grüner Lichtstrahl auf dem Boden auf, wo sie noch vor wenigen Augenblicken gestanden hatten, und ein Aufschrei reiner Wut hallte durch den Raum. Niemals zuvor in seinem Leben war Harry mit so vielen Leuten auf einmal appariert. Das Gefühl durch einen Gummischlauch gezwängt zu werden war sogar noch erstickender und als er den Widerstand der Schutzzauber traf, dachte Harry fast, dass sie es nicht schaffen würden. Und sie hätten es auch nicht geschafft, wenn sie nicht so weit gesenkt worden wären, wie Harry gebeten hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ Harry seine Magie losbrechen und presste vorwärts. Mit dem lautesten KNALL, den er je gehört hatte, wenn jemand apparierte, landeten sie auf dem Boden des Krankenflügels und fielen dort sofort auf die Knie. Harry musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien, und stand langsam auf, wobei Clara und Jocelyn sich noch immer an ihm festklammerten. „Verdammte Scheiße, Harry!“ Rons erschrockener Ausruf ließ seinen Kopf herumwirbeln, wo drei Augenpaare auf ihnen ruhten. Ron, Dumbledore und Madam Pomfrey schauten sie mit erschrockenen Gesichtsausdrücken an, offenbar durch das unglaublich laute Geräusch des Apparierens alarmiert. Harry konnte sich nur vorstellen, wie sie aussahen. Erschöpft, schmutzig und vielleicht sogar blutig. „Hi Leute“, begrüßte er sie mit einem schiefen Grinsen. „Ich bin zu Hause.“ Doch bevor noch jemand etwas sagen konnte, wurde die Tür zum Krankenflügel aufgeworfen und ein rasender Severus Snape trat mit großen Schritten herein, gefolgt von einer erschöpft aussehenden Hermine. Er schien sie nicht zu bemerkten, denn er ging direkt auf Albus Dumbledore zu. „Schulleiter, was--?“ „Severus?“, fragte eine leise, zitternde Stimme. Harry ließ Clara los, als sie einen unsicheren Schritt nach vorne trat. Im gleichen Moment drehte Snape sich um und erblickte sie endlich. Seine Augen weiteten sich in offensichtlichem Unglauben. „Oh Severus!“ Ein Schluchzer entkam ihren Lippen, als sie die Entfernung zwischen sich und Snape schnell hinter sich brachte und in seine Arme fiel. „Clara?“ Snape schaute an ihr und dem überraschend ruhigem Baby in ihren Armen herunter, und dann zu Harry, fassungslos. Als sie die Stimme ihres Vaters hörte, drehte das kleine Mädchen, das ihr Gesicht in Harrys Hemd begraben hatte, sich um. „Daddy!“ schrie sie, als Harry sie auf den Boden setzte und rannte auf Snape zu. „Jocy“, hauchte er, als er sich mit seiner Frau hinkniete, um das Mädchen zu umarmen. „Wie…“ Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte Harry beim Anblick von Severus Snape, der absolut sprachlos war - womöglich zum ersten Mal in seinem Leben - gelacht. Stattdessen sagte Harry mit einem betonten Blick, „Ich habe sie vor Voldemort gerettet. Jetzt sind Sie dran.“ Ihre Augen trafen sich einen Moment lang, als ob sie ohne Worte miteinander kommunizierten. Schließlich nickte Snape bloß und stand auf nachdem er sanft den festen Griff von seiner Familie gelöst hatte. „Madam Pomfrey, würden Sie bitte…“ Er half seiner Frau ebenfalls auf und führte sie zu der Schulkrankenschwester herüber. Aber Madam Pomfrey schien sich nicht sicher zu sein, was sie tun sollte, da sie auch besorgte Blicke in Harrys Richtung warf. „Es geht mir gut, Madam Pomfrey“, sagte Harry, der nach Strich und Faden log. „Sie sollten sich wirklich um Professor Snapes Familie kümmern. Es geht ihnen viel schlechter als mir. Ich glaube, dass zumindest Mrs. Snape in den vergangenen Wochen unter mehreren Cruciatus Flüchen leiden musste.“ Nach einem langen, bohrenden Blick half Madam Pomfrey Clara dabei, sich auf eines der Betten hinzusetzen, mit Jocelyn direkt neben ihr. Dumbledore warf Harry einen fragenden Blick zu, bevor er sich zu der gerade wieder vereinigten Familie und Madam Pomfrey gesellte. Harry konnte nur wenig von dem leisen Gespräch zwischen der Krankenschwester und Clara hören, welches stockte, als Madam Pomfrey ihren Zauberstab über das Baby in Claras Armen hielt. Ein erleichterter Schluchzer hallte durch den Krankenflügel und Harry sah, dass etwas Anspannung Snapes Schultern verließ, als Madam Pomfrey ihnen mitteilte, dass der kleine Junge unverletzt war und wie durch ein Wunder die gesamte Qual der letzten Stunde verschlafen hatte. Snape schien nur auf diese Mitteilung gewartet zu haben, denn er warf Harry nur noch einen weiteren Blick zu und nickte noch einmal, bevor er zur anderen Seite des Krankenflügels ging, wo Draco in einem Bett lag, todstill. Sein Gesicht blasser als jemals zuvor. Harrys Herz setzte beinahe einen Schlag aus und er bemerkte fast nicht, wie Ron und Hermine neben ihm zum Stehen kamen, als er dachte, dass er vielleicht zu spät gewesen war. Dass Draco schon tot war. Doch dann bemerkte er den grünen Lichtball, der über dem stillen Körper schwebte und pulsierte, wenn auch ungleichmäßig und schwach, und seufzte. Er war nicht zu spät. „Harry?“, fragte Hermine besorgt und holte ihn aus seinen Gedanken. „Was ist passiert?“ Anscheinen war sie von der momentanen Situation zu abgelenkt, um an ihren Partner zu denken. „Jaah“, stimmte Ron zu. „Geht es dir gut?“ Er legte eine Hand auf Harrys Schulter, seine verletzte Schulter, und Harry zuckte zusammen, als er seine Zähne wieder zusammenbiss, weil eine neue Schmerzwelle durch seine rechte Schulter und seinen ganzen Arm herunter strömte. Schwarze Punkte erschienen vor seinen Augen, als sich der Schmerz mit der Erschöpfung seines Körpers vermischte. Durch Schutzzauber zu apparieren machte wirklich nicht so viel Spaß, selbst wenn sie gesenkt waren. Erschrocken zog Ron seine Hand weg und schaute sie mit weiten Augen an. „Verdammt, Kumpel. Dir geht es nicht gut. Du blutest!” „Ist schon okay“, zischte Harry, der noch immer versuchte, die schwarzen Punkte loszuwerden. „Nur noch ein bisschen länger…“, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu irgendjemand anderem, als sein Blick wieder auf Snape ruhte. Der Meister der Zaubertränke hatte eine Ampulle aus einer der vielen Taschen seines Umhangs gezogen und goss jetzt die blutrote Flüssigkeit in Dracos Mund. Endlich bemerkten auch Ron und Hermine, wen Harry anstarrte, dem erschrockenen Laut, der Hermines Lippen entkam, nach zu urteilen. Sie trat einen eiligen Schritt vorwärts, aber Harry ergriff sanft ihren Arm und schüttelte seinen Kopf, als sie ihn anschaute. Aus seinen Augenwinkeln heraus, sah er, wie sie sich auf die Unterlippe biss, aber sie unternahm keinen weiteren Versuch, zu Draco zu rennen. Und bald, nur etwa eine halbe Minute später, begann das grüne Licht regelmäßiger und stärker zu schlagen und Snape trat mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zurück, als er Harry wieder anschaute und nickte. Da sie sein Nicken als Zeichen nahm, dass sie jetzt gehen konnte, riss Hermine ihre Hand aus Harrys schwachem Griff und eilte an Dracos Seite. Sie ergriff seine sonderlich steife Hand und es verbreitete sich sofort ein Lächeln auf ihren Lippen. Sogar Harry konnte es aus der Entfernung sehen – etwas Farbe war in Dracos blasses Gesicht zurückgekehrt. Es sah so aus, als ob alles in Ordnung kommen würde. Plötzlich, jetzt, da er sich endlich entspannen konnte und der Rest des Adrenalins, das ihn bis jetzt aufrecht gehalten hatte, aufgezehrt war, wurde alles um ihn herum schwarz. Er hörte nur noch Ron seinen Namen rufen, bevor er nichts mehr wusste. ~*~ Harrys Kopf pochte schmerzhaft und er war so müde. Das waren die ersten Gedanken, die Harry durch den Kopf schossen, als er langsam seine Augen öffnete. Doch, sobald er sie geöffnet hatte, begrüßte ihn grelles Licht und er schloss sie mit einem leisen Stöhnen wieder. Der Schmerz in seinem Kopf wurde stärker, wenn das überhaupt möglich war, und Harry wollte nichts mehr, als wieder in dieses herrliche Nichts zu versinken. „Potter?“ Harry hörte wie sein Name geflüstert wurde und langsam, vorsichtig, öffnete er seine Augen wieder. Das Licht tat immer noch weh und ohne überhaupt darüber nachzudenken, winkte Harry mit seiner erschöpften Hand, woraufhin sich die Vorhänge vor den Fenstern des Krankenflügels von selbst schlossen. Er seufzte fast vor Erleichterung. Das war viel besser. Als er seinen Kopf in die Richtung drehte, von wo er die Stimme gehört hatte, sah er Draco Malfoy im Bett neben sich. In dem schwachen Licht konnte Harry sehen, dass Draco noch immer blasser als sonst war, aber er war wach und fühlte sich offenbar viel besser als zuvor. „Draco?“, krächzte her; seine Kehle tat fast genauso weh wie sein Kopf. Er schluckte, bei dem Versuch etwas Flüssigkeit in seine Kehle zu bekommen. „Sei leise“, sagte Draco, als er zu dem Platz zwischen den Betten nickte. Erst jetzt sah Harry Hermine, die auf einem Stuhl zusammengerollt war, fest am Schlafen. Als er seinen Kopf etwas zu der anderen Seite drehte, konnte er in der Dunkelheit den Schatten seines großen und schlaksigen besten Freundes erkennen. Er schlief ebenfalls auf seinem Stuhl und es sah wirklich unbequem aus. Ein kleines Grinsen erschien auf Harrys Gesicht, als er Draco wieder seine volle Aufmerksamkeit widmete. „Wie fühlst du dich?“ „Nicht tot“, antwortete Draco mit einem schwachen Grinsen. „Und das ist ein großer Fortschritt, oder?“ Harry erwiderte das Grinsen. „Da stimme ich dir zu.” In dem Versuch, es sich ein bisschen bequemer zu machen, versuchte er sich auf seine Seite zu legen, aber seine noch immer wunde Schulter erinnerte ihn daran, dass er es besser nicht tun sollte. Zusammenzuckend gab er auf und legte sich wieder auf den Rücken. „Wie lange war ich bewusstlos?“ „Nicht einmal einen ganzen Tag. Es ist jetzt spät am Nachmittag. Ich bin heute Morgen aufgewacht und Hermine hat mir erzählt, was du getan hast, nachdem mich Madam Pomfrey aus ihrer Ganzkörperklammer befreit hatte“, erzählte Draco ihm. „Kannst nicht mal einen Tag überleben, ohne den Helden zu spielen, was, Potter?“ „Klappe, Draco“, grummelte Harry, aber er war froh, dass Draco sich schon wieder sehr wie sein altes Ich verhielt. Seine Augen wanderten durch den dunklen Krankenflügel und in diesem Moment bemerkte er noch etwas anderes. „Wo sind Clara und ihre Kinder?“ „Madam Pomfrey hat sie heute Morgen entlassen, obwohl sie da einen ziemlichen Aufstand gemacht hat. Aber Snape war wirklich hartnäckig, dass seine Frau und Kinder sich in seinen Zimmern wohler fühlen könnten.“ Harry hatte erwartet, dass Draco antwortete, aber stattdessen war es Rons Stimme, die ihm dies berichtete. Sein bester Freund ging um das Bett herum, sodass er nun zwischen Harry und Draco stand und streckte seinen Rücken. „Aber nun erzähl mir, Kumpel, woher wusstest du, dass Snape eine Familie hat, und woher zum Teufel wusstest du, dass sie in Gefahr war?“ „Das würde mich auch interessieren“, sagte Hermine, die inzwischen auch von dem Lärm aufgeweckt worden war, verschlafen mit einem etwas missbilligenden Ton in ihrer Stimme. „Ich meine, es wäre einfach herauszufinden, dass er eine Familie hat, wenn man weiß, wo man suchen muss, aber ich habe darüber nachgedacht, woher du hättest wissen können, dass sie in Gefahr waren, und ich bin nur zu einem Schluss gekommen.“ Harry wagte es nicht, Hermine anzuschauen. Er wusste, dass er mit seinem Verhalten am vergangenen Abend sein Geheimnis verraten hatte und dass er die Konsequenzen jetzt tragen musste, hauptsächlich die Enttäuschung und Wut seiner Freunde. Aber verglichen mit dem anderen Geheimnis, dass er noch vor ihnen hatte, war das nichts. „Harry, wann genau hat sich die Verbindung zwischen dir und Voldemort wieder aufgebaut?“ Er schaute zu Hermine auf, froh, dass er den höchstwahrscheinlich enttäuschten Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht sehen konnte, und seufzte. „Ein paar Stunden, nachdem wir in dieser Zeit angekommen waren. Und ich hatte die erste Vision, bevor wir in die Winkelgasse gegangen sind.“ „Du hast uns die ganze Zeit angelogen?“, fragte Ron, der ungläubig seinen Kopf schüttelte. „Das ist mehr als ein halbes Jahr!“ Hermine kniete sich neben Harrys Bett hin und schaute ihn eindringlich an. „Harry, weißt du, wie gefährlich das war? Wenn Voldemort—“ „Nein“, unterbrach Harry sie bestimmt. „Kein ‚wenn Voldemort’. Ich habe so Informationen gesammelt, Hermine. Wertvolle Informationen. Und wenn ich Okklumentik benutzt hätte, wäre Snapes Familie jetzt tot!“ „Aber, Harry, verstehst du nicht?“, schrie Hermine gellend. „Voldemort weiß noch nicht, wer wir sind und wir wollen, dass es so bleibt! Er hätte es durch eure Verbindung herausfinden können!“ „Er weiß es nicht“, sagte Harry zu ihr, als er spürte, wie langsam die Wut in ihm aufstieg. Eigentlich wusste er, wie Hermine darauf reagieren würde, und er hatte es ihnen deshalb nicht erzählt, aber er hätte Snapes Familie nicht einfach sterben lassen können! Nicht, wenn er sie hätte retten können. „Er weiß nichts über die Verbindung und ich glaube sowieso, dass die Verbindung nur einseitig ist. Er weiß es nicht…“ Er ergriff seinen Kopf, als er merkte, dass die Kopfschmerzen mit voller Kraft zurückkamen. Es war ein Wunder, dass Madam Pomfrey noch nicht aus ihrem Büro gekommen war, bei dieser Unruhe. „Bitte, Hermine, ich kann das jetzt nicht…“ Hermine stieß einen langen und tiefen Seufzer aus, der Harry sagte, dass sie mit ihm noch nicht fertig war, aber er konnte sie schließlich nicken sehen. „Hier“, sagte sie, und nahm eine Ampulle vom Nachttisch. „Das ist ein schmerzstillender Zaubertrank, gemischt mit etwas Traumlosen Schlaf. Madam Pomfrey wies mich an, dir das zu geben, solltest du aufwachen und Schmerzen haben. Sie sagte, dass du viel Ruhe brauchst. Deine magische Energie ist stark geschwächt und es dauert ein paar Tage, bis du wieder dein altes Selbst bist, magisch gesehen. Um ehrlich zu sein, weiß ich noch immer nicht, wie du das gemacht hast, obwohl ich dir jetzt schon sagen kann, dass das, was du getan hast, absolut unverantwortlich war. Aber du kannst es mir immer noch später erzählen. Jetzt trink das.“ Hermine drückte die Ampulle an Harrys Lippen und er trank den Inhalt, wenn auch etwas widerwillig. Obwohl er müde war, hatte er noch immer einige Fragen. Doch ein paar Sekunden später fühlte er schon, wie der Schmerz nachließ und seine Augenlider schwerer wurden. Aber direkt bevor er wieder im Nichts versank, konnte er einen schmunzelnden Ron in seine Ohren flüstern hören: „Du hast besser ein paar Antworten parat, wenn du aufwachst, Kumpel. Denn Hermine besteht immer noch darauf, dass es unmöglich ist, in Hogwarts rein und raus zu apparieren.“ ~*~ Als Harry das nächste Mal aufwachte, waren Ron und Hermine nicht mehr da und Draco schlief. Er bemerkte erleichtert, dass seine Kopfschmerzen weniger geworden waren und jetzt nur noch erträglich pochten und er musste nicht einmal blinzeln, als er in die Morgensonne schaute, die in den Krankenflügel schien. Sich langsam aufsetzend, drehte Harry seine Schulter. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er merkte, dass sie überhaupt nicht mehr wehtat. Nun musste er nur noch Madam Pomfrey davon überzeugen, ihn gehen zu lassen. Eine Aufgabe, die sich wahrscheinlich als schwieriger erwies, als viele erwarteten, denn sobald Harry seine Beine über die Bettkante geschwungen hatte, bereit aufzustehen, stürmte Madam Pomfrey aus ihrem Büro und scheuchte ihn wieder ins Bett. „Professor Potter!“ sagte sie streng. „Zurück ins Bett, aber sofort! Und sie werden dort die nächsten paar Tage bleiben.“ „Madam Pomfrey, es geht mir gut“, sagte Harry, obwohl seine Proteste auf taube Ohren stießen. Die Schulkrankenschwester fuchtelte mit ihrem Zauberstab über ihm herum, die ganze Zeit etwas murmelnd, bis sie schließlich nickte. Anscheinend verlief seine Genesung zu ihrer Zufriedenheit. „Haben Sie neben den leichten Kopfschmerzen noch weitere Beschwerden?“ „Nein, Madam Pomfrey“, antwortete er gehorsam, und schaute die ältere Frau mit weiten, unschuldigen Augen an, in der Hoffnung, dass sie nachgeben und ihn gehen lassen würde. Ihre Stirn runzelte sich bei dem Blick, den Harry ihr zuwarf, und er hätte schwören können, dass er ein leichtes Ziehen an ihren Lippen sehen konnte, bevor sie ihren Blick gefährlich senkte. „Obwohl Sie sich besser fühlen, brauchen sie noch immer viel Ruhe, Professor. Ich werde sie frühestens in zwei Tagen aus dem Krankenflügel entlassen. Aber da sie sich besser fühlen, werde ich dem Schulleiter, Professor Snape und ihren Freunden erlauben, sie heute Nachmittag zu besuchen, da sie mir bereits erzählt haben, dass sie viele Fragen haben, die sie beantworten sollen.“ Dieses Mal stöhnte Harry und fiel zurück ins Kissen. „Können Sie ihnen nicht einfach sagen, dass ich mich dafür noch nicht gut genug fühle?“ „Wirklich, Professor Potter“, sagte Madam Pomfrey missbilligend. „Ich werde dem Schulleiter ausrichten, dass Sie ihn nach dem Mittag erwarten.“ Nachdem sie gegangen war, schloss Harry bloß seine Augen wieder. Er überlegte, ob er sich nicht aus dem Krankenflügel schleichen sollte, aber zum einen wäre das kindisch und zum anderen nahm er an, dass Madam Pomfrey um ihn herum einige Überwachungszauber errichtet haben musste, um ihr Bescheid zu geben, wenn er beschloss, das Bett zu verlassen. Daher hatte er keine andere Wahl, als auf das Mittagessen und das unausweichliche Gespräch danach zu warten. Und der Mittag kam viel früher als erwartet. Draco war ebenfalls aufgewacht, als der Geruch von Essen durch den Krankenflügel wehte und er verweigerte die Zaubertränke, die Madam Pomfrey ihm mit der Mahlzeit verabreichen wollte, weil er wusste, dass sie ihn nur wieder schläfrig machen würden und er wollte bei dem Gespräch dabei sein. Zumindest hatte Harry nun etwas Gesellschaft, während er darauf wartete, dass die anderen kamen. Kurz nachdem die Hauselfen die Teller vom Mittagessen weggeräumt hatten, öffnete sich die Tür zum Krankenflügel und Professor Dumbledore trat herein, gefolgt von Ron, Hermine und Snape mit seiner Frau und ihren Kindern. Harry bemerkte sofort, dass Clara schon viel besser aussah als am Tag zuvor, genauso wie Jocelyn und das Baby. Es war wirklich ein Wunder, was ein Bad und ein oder zwei Nächte erholsamen Schlafs ausrichten konnten. Aber sie waren nicht die einzigen mit bemerkbaren Veränderungen. Severus Snape sah wie ein neuer Mensch aus. Sein frisch gewaschenes Haar war ordentlich zurückgebunden und etwas Licht war in seine dunklen Augen zurückgekehrt. Es machte wirklich einen großen Unterschied zu der normalerweise so bedrohlichen Ausstrahlung des Zaubertränkemeisters. Madam Pomfrey trat bei ihrer Ankunft sofort vor und lud Jocelyn in ihr Büro zu einer Tasse heißem Kakao und ein paar Keksen ein. „Bitte lassen Sie mich auch den kleinen Selvyn mitnehmen. Ich bin mir sicher, ich kann für die Dauer des Gesprächs auf ihn aufpassen“, sagte sie zu Clara und wies auf das Baby in den Armen der blonden Frau. Clara zögerte einen Moment, doch legte schließlich das Baby in Madam Pomfreys Arme mit einem dankbaren Lächeln auf ihrem Gesicht. „Ah, Harry, Eirian“, begrüßte Dumbledore sie freundlich, als er ein paar bequeme Sessel um die zwei Betten heraufbeschwor und sich in einen davon setzte. „Es ist eine Freude zu sehen, dass ihr euch besser fühlt als vor zwei Tagen. Ich muss zugegeben, ihr habt mir einen Moment lang Sorgen bereitet. Aber nun da Madam Pomfrey sagt, ihr seid bereit, würde ich sagen, sind wir alle sehr interessiert an ein paar Antworteten, Harry. Was mich am meisten interessiert – woher wusstest du, dass Mrs. Snape und ihre Familie in Gefahr waren?“ Harry seufzte, da er gewusst hatte, dass dies höchstwahrscheinlich die erste Frage sein würde. Er zögerte und warf einen flüchtigen, misstrauischen Blick zu Snape, den Dumbledore bemerkte. „Natürlich… Ich verstehe deinen Widerwillen. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Bevor sie hier her gekommen sind, mussten Professor Snape und seine Familie einen Schwur ablegen, dass sie nichts von dem, was sie hier jetzt hören, verraten werden. Es ist also sicher.“ „In Ordnung“, gab Harry schließlich nach und begann dann seine Geschichte. Er fing damit an, wie er herausgefunden hatte, dass Snape eine Familie hatte und ihnen dann von der Verbindung zwischen sich und Voldemort und seinen Visionen erzählt. Seine Freunde reagierten überhaupt nicht auf die Neuigkeiten, außer vielleicht Hermine mit einem missbilligenden Blick auf ihrem Gesicht, da sie bereits den Teil mit der Verbindung am Tag zuvor gehört hatten. Die Reaktionen der anderen waren genauso, wie er es erwartet hatte – Dumbledore hatte einen gedankenversunkenden Ausdruck auf seinem Gesicht, Clara war sichtlich geschockt von dieser Offenbarung und Snape sah aus, als ob es ihm schwer fiel, nichts zu sagen, doch sein Gesicht war unglaublich blass. „Nun“, schloss Harry seinen Bericht, „bevor jemand von euch etwas sagt, möchte ich noch einige Dinge klarstellen. Ich glaube, dass diese Verbindung zu Voldemort“ – Harry ignorierte das Zusammenzucken um sich herum – „einseitig ist. Er weiß nicht, dass ich manchmal in seinem Kopf lande oder seine Gefühle spüren kann. Und nein: Hermine, ich werde keine Okklumentik anwenden, das habe ich dir gestern schon gesagt. Die Informationen, die ich so herausfinde, sind viel zu wertvoll. Falls du es vergessen haben solltest, habe ich vor nicht einmal zwei Tagen drei Leben gerettet. Ohne die Vision wären Clara und ihre Kinder jetzt tot!“ Harry hatte nicht bemerkt, dass sein Atem in kurzen Stößen kam, bis er seinen Ausbruch beendet hatte. Seine Kopfschmerzen kamen langsam zurück, aber er sagte nichts. Er durfte keine Schwäche zeigen, nicht jetzt. Er musste ihnen zeigen, dass er es ernst meinte. „Potter hat Recht“, sagte Draco plötzlich, seine Stimme viel stärker als man erwarten würde, nachdem er fast gestorben war. „Seine Verbindung zum Dunklen Lord könnte wirklich zu unserem Vorteil sein. Er scheint nur etwas vergessen zu haben – er hat nicht drei Leben gerettet. Er hat vier gerettet. Ich bin mir sicher, dass Professor Snape mir niemals das Gegengift gegeben hätte, wenn Harry seine Familie nicht gerettet hätte – nichts für ungut, Professor.“ „Ist in Ordnung“, entgegnete Snape, als seine Lippen sich zu einem leisen Grinsen verzogen, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde schnell ernst, fast verteidigend. „In der Tat hätte ich ihn sterben lassen. Der Dunkle Lord hat mir versprochen, dass er meine Familie verschonen würde, wenn ich einen von Ihnen töte. Aber ich hätte bemerken müssen, dass er nie zu seinem Wort stehen würde.“ Harry schaute ihn mit Verständnis in seinen Augen an. Er konnte Snape wirklich verstehen. Wenn Voldemort jemanden aus seiner Familie gefangen hätte, einen der Menschen, die ihm nahe standen, und gedroht hätte, sie zu töten, wenn er nicht das tat, was er ihm befahl, war Harry sich sicher, dass er das gleiche getan hätte. Um die zu beschützen, die er liebte, würde er sich von nichts aufhalten lassen. „Aber Sie waren hinter mir her, nein, Voldemort war hinter mir her. Nachdem er entdeckt hatte, dass ich ein Parselmund bin, hatte er gedacht, es wäre besser, mich zu beseitigen, nur für den Fall, dass ich für ihn eine Bedrohung darstellen könnte. Es ist bei den Weasleys geschehen und ich vermute, dass es der Eierpunsch war, der vergiftet gewesen war, aber ich weiß immer noch nicht, wie Sie das zustande bekommen haben.“ „Charlie Weasley“, erklärte Snape müde und Clara nahm seine Hand. Harry war ein wenig überrascht, dass Snape seine Hand nicht wegzog. „Ich hatte ihn seit kurz vor Halloween unter dem Imperius Fluch. Es war ein Hogsmeade Wochenende. Er war ein leichtes Ziel und er stand Ihnen nahe. Niemand hat je vermutet, dass er es war, der die Schlange ins Schloss gelassen hatte. Ein einfacher Schwellzauber war alles, was man brauchte, um die Schlange wachsen zu lassen. Und dann, vor Weihnachten, nachdem der Dunkle Lord mir befohlen hatte, Professor Potter zu töten, war ein weiteres Hogsmeade Wochenende, an dem ich den Fluch auffrischte und ihm seine neuen Befehle und den Zaubertrank gab. Er sollte das Gift in Ihr Glas tun, aber etwas muss schief gelaufen sein.“ „Ich habe meinen Eierpunsch nicht getrunken“, sagte Harry. „Draco hat meinen getrunken.“ Harry bemerkte seinen Schnitzer zu spät und sah schon, wie Snapes Augen sich weiteten, als sie zu Draco wanderten und auf ihm ruhten. Langsam dämmerte Verständnis auf dem Gesicht des Zaubertränkemeisters. Harry hatte schon gewusst, dass dieser Mann hochintelligent war, aber er hatte nicht erwartet, dass er es so schnell herausfinden würde. Für mehrere lange Augenblicke starrte Severus Snape Draco an, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen und murmelte etwas Unverständliches. „Draco Malfoy?“, fragte er schließlich, wobei seine Stimme Unglauben verriet. Harry beobachtete, wie Dracos graue Augen, die nun etwas Überraschung verrieten, Snape schwarze trafen, bevor der blonde Slytherin langsam nickte. „Unglaublich“, murmelte Snape, und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. „Wie ist das geschehen? Welcher Zauber war das?“ Harry stieß einen tiefen Seufzer aus und massierte seine Stirn. Von den all den Leuten, die von ihrer Situation erfahren mussten… Nun, es gab nichts mehr, was er tun könnte, um das zu ändern, und schließlich deutete ja auch alles darauf hin, dass Snape die Seiten gewechselt hatte. Voldemort hatte seine Druckmittel nicht mehr und Snape war intelligent genug, um zu sehen, dass Voldemort seine Todesser nur benutzte. Außerdem könnte es ein großer Vorteil sein, einen Zaubertränkemeister wie Severus Snape auf ihrer Seite zu haben, während sie den komplizierten Zaubertrank brauten. „Proferre Temus“, antwortete Harry schließlich. „Harry!“, rief Ron geschockt aus. Harry wandte sich seinem Freund zu und zuckte mit den Schultern, da er genau wusste, dass Ron seine Feindseligkeit gegenüber Snape nie überwunden hatte. „Es ist egal, Ron. Er ist jetzt auf unserer Seite und er kann niemandem davon erzählen.“ „Wenn du das sagst“, entgegnete der Rotschopf mürrisch. „Severus“, unterbrach Dumbledore das, was ein Streit zwischen den beiden Freunden werden könnte, indem er sich an den Zaubertränkemeister wandte, „wenn Sie irgendwelche Fragen bezüglich des Zaubers haben, können Sie gerne mich und ich bin mir sicher, auch Miss Granger fragen. Ich merke jedoch, wie beide Patienten langsam müde werden und ich möchte dieses Treffen kurz halten. Wenn es also keine weiteren wichtigen Fragen gibt, möchte ich dieses Treffen gerne vertagen, zumindest bis Professor Potter seine volle Gesundheit wiedererlangt hat.“ „Danke, Schulleiter“, sagte Harry dankbar. „Ich habe noch eine Frage“, sagte Hermine, fast schüchtern. „Harry, ich möchte wissen, wie du zurückgekommen bist. Ich habe es gestern noch einmal nachgeschlagen, und Geschichte von Hogwarts sagt eindeutig, dass man nicht in das Schloss apparieren kann. Wie hast du das also geschafft?“ Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf Harrys Gesicht aus. Er liebte es einfach, wenn er Hermine beweisen konnte, dass sie zumindest teilweise falsch liegt. „Du hast Recht, ’Mine. Man kann nicht in das Schloss apparieren, wenn die Schutzzauber bei voller Kapazität sind. Doch, wenn du dich erinnerst, habe ich Ron gesagt, dass er Albus bitten soll, die Zauber auf 70 Prozent zu senken. In unserer Zeit habe ich das Apparieren mit Albus geübt, besonders in schwierigen Situationen. Auf Schutzzauber zu treffen war eine dieser Situationen. Ich kann in Hogwarts apparieren, wenn die Schutzzauber bei 80 Prozent liegen, aber vor zwei Tagen wusste ich, dass ich nicht allein sein würde, wenn ich wiederkam, deshalb mussten die Zauber noch niedriger sein.“ „Das ist unglaublich“, murmelte Hermine. „Harry, soweit ich weiß, bist du die erste Person, die das jemals geschafft hat!“ Das Grinsen auf Harrys Gesicht wurde sogar noch weiter. „Nun, ’Mine, es wäre nicht das erste Mal, dass ich der erste bin, der etwas schafft.“ Ron fing laut an zu lachen und eine leichte Röte stieg in Hermines Gesicht auf, als sie leicht auf den Arm des Rotschopfs schlug und dabei etwas murmelte, das wie ‚Halt den Mund’ klang. „Professor Potter“, sagte Severus Snape plötzlich respektvoll, als Ron endlich aufgehört hatte zu lachen, und sah dabei etwas unbehaglich aus. Er warf seiner Frau ständig flüchtige Blicke zu, doch sie lächelte in bloß aufmunternd an. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, richtete er sich voll auf und sagte: „Ich— Danke. Dafür, dass Sie meine Frau und meine Kinder gerettet haben. Ich stehe in Ihrer Schuld.“ Harry nickte ihm bloß zu. „Gern geschehen.“ Harry streckte seine Hand aus und fuhr fort: „Und bitte, nennen Sie mich Harry.“ Severus Snape betrachtete Harrys Hand für ein paar lange Sekunden, sodass es fast schien, als würde er das Angebot ablehnen, aber dann brachte er schnell die Entfernung hinter sich und ergriff die Hand fest, als sich ihre Blicke trafen. „Danke, Harry.“ „Und noch einmal, gern geschehen, Severus.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)