the greatest P... von ling-thesnarf ================================================================================ Kapitel 3: Kat -------------- Kat Auf allen Wegen gibt es Prüfungen. Auf dem Weg zu einer Neuen Liebe ist das für gewöhnlich die Versuchung, zu einer alten Liebe zurück zu kehren. Josh kannte dieses Gefühl nur zu gut. Es hatte sehr lange gedauert bis er nicht mehr alles dafür getan hatte, Jessica zurück zu bekommen. Der Haken an der Sache war, dass sie Schluss gemacht hatte, während er noch Jura studiert hatte. Und da er selbst der Verlassene war, hatte ihn das schwer getroffen auch wenn er einsah, dass es rational betrachtet die richtige Entscheidung gewesen war. Sie waren sehr verschieden gewesen und beide zu stur –was in Kombination mit Jugend alles sehr schwierig machen kann-, um Kompromisse zu suchen. Doch als Jessica ihn verlassen hatte… nun ja. Hätte er sie verlassen, hätte ihm seine Würde verboten, wieder zu ihr zurück zu gehen. Josh war kein wankelmütiger Mensch und wollte auch nicht so wirken. Doch als Verlassener hatte er diese Barriere nicht und darum hatte er auch nie den Kontakt zu Jessica abgebrochen. Die Hoffnung blieb schließlich. So manch eine Beziehung war daran zerbrochen, dass er noch zu sehr an Jessica gehangen hatte. Aber das war sehr lange her. Heute war sie eine Freundin, seine beste Freundin. Die Person, von dem er wusste, dass sie hinter ihm stand und ihn verstand und seine Entscheidungen akzeptierte… zumindest hoffte er das. Jerry hatte darauf bestanden, Jessica kennen zu lernen. Und Jessica fand Jerry, nachdem sie die Aufzeichnung des weihnachtlichen Talkshowbesuchs gesehen hatte, auch sehr interessant. „Also gut, Jerry.“, hatte Josh schließlich eingelenkt, „Aber könnten wir bitte irgendwo hingehen, wo auch Frauen willkommen sind?“ „Ach Josh, die netten Herren im Blue Boys haben nichts gegen Frauen. Sie wird sich da sehr wohl fühlen.“ „Jerry!“ Sie saßen in einer Bar, nachdem sie ihm Kino gewesen waren. Nicht das Blue Boys, aber ein Etablissement gleicher Spielart. Zumindest nahm Josh das an, nachdem der Kellner ihm zugezwinkert hatte. Jerry zog mit einem gemeinen Grinsen an seiner Zigarette und beobachtete ihn über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg. „Lass mich raten: Du hast ihr die Kleinigkeit verschwiegen, dass du schwul bist.“ Josh grummelte und nippte an seinem Bier –alkoholfrei natürlich. „Ich bin praktisch erst seid ein paar Monaten schwul, Jerry. Es ist schwierig seine ehemaligen Freundin zu erklären, dass man das Ufer gewechselt hat. Ich will nicht, dass sie sich schuldig fühlt.“ „Du willst nicht, dass deine Ex sich schuldig fühlt, du willst nicht, dass sich deine Eltern vor den Kopf gestoßen fühlen, du willst nicht, dass deine Kollegen-…“ „Hör auf damit.“, fuhr Josh ihm dazwischen. „Na gut.“ Jerry drückte die Zigarette aus. „Okay, wie wär’s mit Billard? Niko spielt furchtbar, wenn sie es also nicht kann fühlt sie sich nicht ausgeschlossen. Was sagst du?“ „Ja, Billard klingt gut.“ Gesagt getan. An einem Samstag im Februar trafen sich Jerry, Nikos, Jessica und Josh in einer Billardhalle in Santa Monica. Zu Joshs Erleichterung sahen sowohl Jerry als auch Jessica normal aus. Jessica, die sonst eine Vorliebe für extravagante Ohrringe hatte, beließ es bei Kreolen, die zu ihrer schwarzen Bluse und den dunklen Jeans passte. Jerry trug ebenfalls Jeans und dazu ein Greenpeace T-Shirt- er war nicht bei Greenpeace und hatte das Stück wahrscheinlich nur um seine liberale Einstellung zu demonstrieren- und hatte sich ein schwarzes Tuch um den Kopf gebunden, auf dem seine Sonnenbrille ruhte. „Jerry, darf ich dir Jessica Jackson vorstellen? Jess, das ist Jeromé Montaniére.“ Jerry warf Josh einen kurzen, amüsierten Blick zu, als der ihn mit seinem vollen Namen vorstellte. „Hi, Mr. Jeromé Montaniére.“, sagte Jessica grinsend und sprach Jerrys Namen übertrieben französisch aus. Jerry zog eine Grimasse und schüttelte Jessica die Hand. „Nennen Sie mich Jerry, Miss Jackson. Jeromé nennen mich eigentlich nur Leute, die mit mir im Bett waren.“ Dabei linste er zu Josh hinüber, dem augenblicklich die Kinnlade herunter fiel. Mit einem schrägen Grinsen zog Jessica eine Augenbraue hoch. „Verstehe. Französisch, hm?“ „Genau.“, entgegnete Jerry mit zweideutiger Betonung. Oh Herr, dachte Josh. Jetzt fingen die beiden schon an verruchte Gespräche zu führen! Na ja, das hieß zumindest, dass sie sich mochten. Wenn man es recht betrachtete, schwammen die beiden genau auf einer Wellenlänge. Beide völlig verrückt. Das einzige Problem hätte werden können, dass Jessica mal Joshs Freundin war und dass Jerry… Dass Jerry… was, Bennet? Bist du jetzt total wahnsinnig? So was darfst du nicht mal denken! Josh wurde heiß und kalt und er gemahnte sich zur Ruhe. Es hätte eigentlich alles ganz friedlich gehen können. Jerry wusste zwar, dass Josh total verkrampft war, aber durch das Billardspiel hatte er was zu tun und das lockerte die Stimmung. Irgendwie mochte Jerry Jessica. Die Dame hatte eine Art kultivierte Impertinenz an sich, die ihm gefiel, doch sogleich hatte er im Hinterkopf, dass sie es wahrscheinlich genau dieser Eigenschaft verdankte, dass sie Josh rumgekriegt hatte. Mit Impertinenz hatte Jerry selbst nicht zu geizen, aber was die Kultur anbelangte… Nicht dass er ein Barbar wäre, aber er wusste, dass das, was er unter kultiviert verstand, sich wohl etwas von Joshs Meinung dazu unterschied. Ehrlich gesagt, wusste er nicht so recht einzuschätzen, auf was Josh wert legte. Und genau deshalb sollte er sich mit Jessica gut stellen: Sie wusste es garantiert. Doch dann passierte etwas, was Jerry nicht im Geringsten erwartet hatte. Nikos setzte zum Stoß an, wobei er sich fast die Zunge vor Konzentration abbiss, doch dann investierte er etwas zu viel Kraft und die weiße Kugel schoss knapp an Jerry vorbei vom Tisch. Ein Mann, der direkt hinter Jerry stand fing die Kugel auf. Jerry fing an zu lachen und drehte sich um. „Tut mir leid, Mann. Er wollte Sie bestimmt nicht-…“ „Ich weiß. Aber der Junge war ja schon immer etwas übermütig.“ Jerry erstarrte als er das Gesicht des Mannes im Widerschein der Lampe über dem Billardtisch erkannte. „Kat?“ Josh legte die Stirn in Falten. Wer war das denn? „Wir haben uns lange nicht gesehen. Jeromé.“, sagte der Fremde lächelnd. Josh wurde wieder ganz warm. Es lag nicht nur daran, dass er Jerry „Jeromé“ nannte, auch so hätte Josh gewusst, dass zwischen diesen beiden was gelaufen war. Das erkannte er an Jerrys Gesicht. So lächeln sah man ihn selten. Es war einerseits tiefe Freude darin, aber auch etwas wissendes, mit dem man jemanden bedachte, mit dem man etwas sehr intimes geteilt hatte. Josh räusperte sich geräuschvoll, um Jerry wieder in die Realität zurück zu bringen. Jerry zuckte unvermittelt zusammen. „Oh.“, machte er, „Ähm Kat, das sind Josh und Jessica und… na Nikos kennst du ja.“ Nikos stützte sich lässig auf den Queue und hatte ein zuckersüßes Lächeln aufgesetzt. „Hallo, alter Karottenkopf.“, sagte er. Kat grinste und zupfte an einer Strähne seiner roten Haare, die er zu einem lockeren Zopf zusammengebunden trug. Bis auf seine Frisur sah er sehr adrett aus: dunkle Hosen, darüber ein weißes Jackett und eine orangefarbene Sonnenbrille vor den dunklen Augen. „Hi, Nicky. Na bist du immer noch mit Arthur, dem Brummbär zusammen?“ „Klar, ist ja nicht jeder so ein Windhund wie du.“ Kats Augen huschten zu Josh und Jessica hinüber und er zuckte die Schultern. „Wo er Recht hat…“ Dann lächelte er wieder. „Da Jerry wohl mein Name entfallen ist: Ich bin Kat Podolski. Nett, euch beide kennen zu lernen.“ „Ebenfalls.“, sagte Josh, obwohl das etwas verkrampft klang. Er warf Jerry einen Blick zu und zog eine Augenbraue hoch. Zu seiner Verwunderung wurde Jerry nur rot wich ihm aus. Was ist denn bloß los mit ihm? Josh konnte es kaum fassen. Was hatte dieser Kat bloß mit Jerry angestellt, dass es ihm in Kats Gegenwart glatt die Sprache verschlug? „Spielen Sie doch eine Runde mit.“, schlug Jessica vor, „Ich wollte ohnehin mal kurz verschwinden.“ „Oh, wollte nicht stören.“, sagte Kat hastig und sah Jerry an, „Ich wollte nur kurz Hallo sagen. Oder…“ „Nein… ähm… du störst nicht.“ Jerry sah Josh flehend an. „Wäre doch okay, oder?“ „Meinetwegen.“, sagte Josh und bearbeitete den Queue mit dem blauen Stein. Was hätte er auch anderes sagen sollen? Jerry schien das so sehr zu wollen. Eine halbe Stunde später saßen Kat und Jerry allein an der Bar. „Ich hab alle vergrault, was?“ Kat zog eine verzeihungsheischende Grimasse. „Nein. Du hast doch gehört: Jessica musste nach hause. Und Josh musste sie fahren.“ Und Nikos war offenbar der Meinung gewesen, das Feld räumen zu müssen, damit Jerry frei Bahn für…was auch immer hatte. Jerry steckte sich eine Zigarette an. Er wusste selbst, dass er nicht ganz Recht hatte. Josh war nicht besonders erfreut über Kats Auftauchen gewesen. Danach war er wieder so verkrampft wie vorher, obwohl es dazu gar keinen Grund gab. Sicher, Jerry, Kat und Nikos hatten sich etwas anzüglich unterhalten, aber das hatte Jessica doch nicht gestört. Er hat ein Gesicht gemacht, als hätte ich ihn vor seiner Freundin bis auf die Knochen blamiert, dachte Jerry etwas säuerlich. Warum störte es ihn überhaupt so? Er sollte sich jetzt besser etwas mit Kat beschäftigen. Josh würde sich schon wieder fangen, allerdings war es fraglich, wie lange Kat bleiben würde. „Nikos ist ganz schön bissig gewesen.“, bemerkte Kat und schwenkte sein Glas, so dass die Eiswürfel klimperten. „Kein Wunder. Das letzte Mal bist du ohne ein Wort verschwunden.“ Kat nahm seine Sonnenbrille ab und sah ihn zum ersten Mal heute direkt an. „Wie kommt es, dass er mir anscheinend böser ist als du?“ Du verfluchter Mistkerl, dachte Jerry. Eigentlich hatte Kat Recht: Jerry hätte ihm eine Szene machen müssen. Oder ihn doch wenigstens abweisen. Aber nein. „Ich bin dir böse.“, behauptete Jerry, doch Kats wissendes Lächeln machte ihm deutlich, wie fadenscheinig seine Worte waren. Es war immer das Gleiche. Schon als sie sich kennen gelernt hatten. Es war hier gewesen, in dieser Billardhalle. Jerry hatte damals hier als Kellner gearbeitet, das war kurz nachdem er nach Amerika gekommen war. Kat war Fotograf und es war praktisch Jerrys Einstieg in dieses Metier gewesen, als Kat ihm Angeboten hatte, in seinem Fotoladen zu arbeiten. Na ja, Kat hatte natürlich Hintergedanken gehabt und diese auch in die Tat umgesetzt, ohne dass Jerry dem große Hindernisse in den Weg gestellt hätte. „Wie war es in Ägypten?“, wechselte Jerry das Thema. Das Problem an einer Beziehung mit Kat, war dessen Bedürfnis „zu reisen“. Das galt sowohl für andere Länder als auch für andere Betten. Daher lief es mit ihm und Jerry auf so etwas wie eine Freundschaft mit gelegentlichen sexuellen Einlagen hinaus, die nun schon über zehn Jahre dauerte. Das letzte Mal war Kat einfach abgehauen, ein paar Wochen später kam eine Karte aus Ägypten. „Ach, ich war gar nicht so lange da.“, sagte Kat beiläufig, „Da werde ich ja verknackt, wenn ich nem hübschen Bengel etwas zu nahe trete.“ „Das muss ja die Hölle gewesen sein.“, erwiderte Jerry trocken und folgte mit seinem Blick der Rauchwolke, die er in die Luft blies. Dieser verdammte Nymphomane! „Du kennst mich zu gut, Jeromé.“ Immer diese Kleinigkeiten… Kat verstand es mittels winziger Anspielungen, Jerrys Gedanken sofort zu ihrer gemeinsamen Zeit wandern zu lassen. Ja, bei Gott, er kannte ihn zu gut! Er kannte seine ganze Lebensgeschichte, all seine Gedanken, seine reichhaltigen Fantasien und jede verdammte Windung dieses Tattoos, das sich über Kats ganzen Oberkörper zog. Das schlimme daran war, dass er dem nie überdrüssig wurde. Kat war eine Droge, von der Jerry einfach nicht loskam. Reiß dich zusammen!, beschwor Jerry sich selbst. „Wohin bist du stattdessen gegangen?“, fragte Jerry weiter, immer noch ohne Kat anzusehen. „Ach, ich war hier und da. Mein Geschäft läuft auch ohne mich. Obwohl es mich schwer getroffen hat, als mein bester Mann den Laden verlassen hat.“ „Oh, bitte!“ Kat lachte. „Hey, ich war auch kurzzeitig in Frankreich. Hab mein Französisch aufpoliert.“ „Davon bin ich überzeugt.“ Was war Jerry froh, dass Kat keine Gedanken lesen konnte. Sonst hätte er gewusst, dass Jerrys trockener Ton nicht dem Entsprach, was wirklich in ihm vorging. „Ich hab schöne Bilder gemacht. Willst du sie dir vielleicht mal anschauen?“ „Kat, ich weiß wie Frankreich aussieht!“ Jetzt drehte sich Jerry doch zu ihm um und konnte nicht verhindern, dass er etwas gereizt klang. Kat ging auf, dass Jerry heute nicht ganz so willig war wie sonst, was ihn doch etwas misstrauisch machte. Den Kopf auf die linke Hand gestützt sah er Jerry abschätzend an. „Du bist so zugeköpft heute.“ „Ich bin nicht zugeköpft.“, schnappte Jerry und drückte die Zigarette aus bis er das Gefühl hatte, sein Finger hätte eine bleibende Delle im Aschenbecher hinterlassen, „Ich hab nur keine Lust mehr, mich nur alle halbe Jahre mal für ein paar Tage von dir nageln zu lassen, bis dich wieder irgendwas sticht und du Hals über Kopf die Stadt verlässt.“ „Autsch.“ Kat sah tatsächlich etwas betreten aus und hob entschuldigend die Hände. „Ich wusste nicht, dass dich das so verletzt, Jerry.“ „Du wusstest nicht, dass-…“ „Hey, ich habe nie was von einer festen Beziehung gesagt!“, stellte Kat mit Nachdruck klar, „Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass ich nur etwas Spaß haben will und du warst damit einverstanden. Also mach mir jetzt keine Vorwürfe. Okay, ich hätte letztes Mal nicht einfach so gehen dürfen.“, räumte er ein, „Das tut mir Leid. Aber das mit uns war-…“ „Immer nur Sex, ja, ja.“ Jerry ärgerte sich über die Szene, die er Kat machte. Es stimmte, er war mit einer Affäre einverstanden gewesen. Außerdem war das, was er jetzt als „nur Sex“ bezeichnete mehr gewesen, als er bei manchen Beziehungen mit anderen Männern gehabt hatte. „Ich will mich nicht mit dir streiten, Jerry.“, sagte Kat und stand auf, „Vielleicht reden wir noch mal, wenn wir uns beide wieder beruhigt haben.“ Mit diesen Worten legte er eine Dollarnote auf den Tresen und verlies den Raum. „Merde!“, fluchte Jerry und legte den Kopf in die Hände. Er hatte nicht gewollt, dass es so ausging. Was war nur mit ihm los? Früher hatte es ihn nicht gestört mit Kat eine offene Beziehung zu haben. Wenn er bei ihm war, hatte sich Jerry nie beklagt- dafür war er zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Wieso hatte Jerry seine Einstellung so plötzlich geändert? Er ahnte es. Und es gefiel ihm überhaupt nicht. „Verdammt.“ Er knallte ebenfalls sein Geld auf den Tisch und folgte Kat nach draußen. Wie verrückt sprintete er die Treppe nach unten und kam keuchend auf dem Parkplatz an. „Du bist furchtbar inkonsequent, Jerry.“ Er fuhr herum und sah Kat neben dem Eingang stehen, sein Handy in der Hand. „Hast du darauf gewartet, dass ich dir nachlaufe?“ „Das würdest du mir zutrauen?“ Eigentlich nicht, aber man wusste ja nie, wie Kats moralische Vorstellungen in letzter Zeit verändert hatten. Kat wartete jedoch nicht, bis Jerry antwortete. „Mein Auto springt nicht an.“ Er hielt sein Handy hoch. „Und beim Abschleppdienst geht niemand ran.“ „Oh.“, sagte Jerry und ging zu ihm hinüber. Es war ziemlich kalt und er vergrub die Hände in den Taschen. „Ähm… Kat, es tut mir Leid. Du hattest Recht, ich sollte dir keine Vorwürfe machen.“ Ein leichtes Lächeln verzog Kats Mund. „Verzeihst du mir, dass ich einfach gegangen bin?“ Jerry machte noch einen Schritt auf ihn zu. „Na gut. Ich verzeihe dir.“ „Komm mal her.“ Dann schloss Kat ihn in die Arme und Jerry fühlte wie er ihm alles zu verzeihen begann. Oh Gott, das ist nicht gut…Trotzdem schlang er unwillkürlich die Arme um Kat. „Ich hab dich vorhin gar nicht richtig begrüßt.“, murmelte Jerry ohne Kat loszulassen. Er roch nach diesem sündhaft teuren Rasierwasser, das er immer in einer privaten Drogerie kaufte. Das Zeug klebte an jeder Art von Klamotten wie Sekundenkleber und war Jerry noch so vertraut als wäre Kat nie fort gewesen. Jerry schloss die Haustür auf und bat Kat hinein. In dem Moment in dem er das Licht anschaltete, ging die Tür der Erdgeschosswohnung auf. War ja klar. Miss Lawrenz musste ganz zufällig in diesem Moment… öhm… in den Keller und Kartoffeln holen! „Warum essen Sie um diese Zeit noch Kartoffeln, Miss Lawrenz?“, fragte Kat, „Sind Sie schwanger?“ Die ältere, dunkelhäutige Dame tätschelte ihren Bauch unter dem Blumenkleid. „Sie sind noch genauso charmant zu Frauen wie eh und je, Mr. Podolski.“, fauchte sie ihn an und watschelte in den Keller. Kat und Jerry warfen sich einen Blick zu. „Was hast du erwartet?“, fragte Jerry grinsend, „Es kann unmöglich verborgen bleiben, wenn Elvis das Gebäude betritt.“ Miss Lawrenz war die Mieterin, die am längsten in diesem Haus wohnte, und sah es als ihre Aufgabe an, alles zu wissen, was ihre Mitmieter betraf. Natürlich wusste sie auch über Kat und Jerry bescheit, schließlich hatte sie einen Narren an Kat gefressen und Jerry schon häufig über ihn ausgequetscht. Trotzdem würde sie sobald Kat wieder gegangen war zu Jerry sagen, dass es mit diesem Windhund nie etwas werden würde. Ein Fakt, den Jerry mal wieder geflissentlich ignorierte. Letztes Mal war er sich sicher gewesen, dass es mit ihm und Kat auf jeden Fall vorbei war. Doch jetzt ließ er ihn schon wieder in seine Wohnung und Kat Podolski ließ man nicht für ein Kaffeekränzchen in die Wohnung. Natürlich hatte Jerry ihn unter dem Deckmantel, einen Kaffee trinken zu wollen eingeladen, aber seien wir ehrlich: Diese Phrase war schon mehr als durchschaubar. In Jerrys Dachgeschosswohnung befand sich alles im selben Raum, außer das Arbeitszimmer und das Bad, so dass er in der Küchenzeile Kaffee machen und Kat gleichzeitig im Auge behalten konnte. Die Wohnung sah ziemlich unaufgeräumt aus, überall lagen Anziehsachen herum, weil Jerry sich vorhin einfach für nichts hatte entscheiden können. Da er Joshs beste Freundin hatte kennen lernen sollen, war er sehr kritisch gewesen, was sein Outfit anbelangte. Ständig hatte er Joshs blamiertes Gesicht vor sich gesehen angesichts der schrägen Klamotten, die er wieder trug. Kat hatte sich nie über seine Garderobe beschwert. Ihm kam es mehr darauf an, was darunter war… Kat ließ seinen Blick durch die Wohnung gleiten und blieb an der kleinen Sony-Kamera hängen die auf dem Schreibtisch lag. „Aha, das ist also der japanische Killer, hm?“ Jerry löffelte gerade Kaffeepulver in den Filter und sah nur kurz hoch. „Ja. Die ist echt klasse.“ „Arbeitest du jetzt nur noch mit Digitalkameras?“ „Ich hab auch noch andere da. Aber du kennst ja mein Geschick mit den Entwicklerflüssigkeiten.“, sagte Jerry und füllte Wasser in die Maschine, wobei die Hälfte daneben kleckerte. Leise lachend kam Kat zu ihm hinüber und lehnte sich an die Anrichte. „Ja, ja, du und deine Flüssigkeiten.“ Jetzt geht’s los. Scheinbar unbeeindruckt wischte Jerry weiter auf der Anrichte herum, doch kaum, dass Kat neben ihm stand, ging sein Herzschlag schneller. Das war wie in diesen Horrorfilmen, in denen man nur deshalb Angst hat, weil man ganz genau weiß, was als nächstes passiert. Nur, dass Jerry wollte, dass es passierte. Oder? Kat nahm die Sonnebrille ab- hätte Jerry noch ein deutlicheres Zeichen gebraucht? „Jeromé?“ „Ja.“ Jerry drehte sich zu ihm um. „Hast du wirklich vor, mit mir Kaffee zu trinken?“, fragte Kat skeptisch und zog Jerry zu sich heran, bis ihre Gesichter nur noch ein paar Zentimeter von einander entfernt waren. Widerstandslos ließ Jerry es geschehen, warum hätte er sich auch sträuben sollen? Es machte ihn selbst skeptisch, dass er sich so zurück hielt. „Ist dir das noch nie in den Sinn gekommen?“, gab Jerry etwas patzig zurück. Glaubte Kat etwa, dass er so seinen Begierden unterworfen war, dass er an nichts anderes denken konnte? „Bei dir?“, flüsterte Kat und zog eine Augenbraue hoch, „Nie im Leben.“ Jetzt tat er es doch. Ein Kuss von Kat Podolski und Jerry war Wachs in seinen Händen. Kats weiche Zunge schob sich in seinen Mund, seine rechte Hand verschwand unter Jerrys Shirt und Jerry konnte nichts weiter tun als ihn an sich zu drücken und es geschehen zu lassen. Irgendetwas war anders. Es hatte Zeiten gegeben, da wäre Kat kaum trocken und angezogen bis in die Küche gekommen, so schnell hatte Jerry ihn ins Bett gezerrt. Doch jetzt fühlte sich Jerry so unentschlossen und unsicher wie ein vierzehnjähriger Bengel vor seinem ersten Mal. „Kat, warte.“ Mit ungeheurer Anstrengung machte er sich von Kat los und drehte sich zur Anrichte um. Seine Knie fühlten sich so weich an, dass er sich festhalten musste. „Was ist denn?“ Kat klang verwirrt. Eine Abweisung war er von Jerry nicht gewöhnt. „Hab ich was falsch gemacht?“ „Nein.“ Er hatte nichts falsch gemacht. Er hatte alles so gemacht wie immer. „Oder doch?“ Jerry schüttelte den Kopf und sah Kat wieder an. „Kat… ich glaube, ich kann… das so nicht mehr tun.“ Kat war…gelinde gesprochen überrascht: „Was? Wer bist du und was hast du mit Jerry gemacht?“ „Kat!“ „Ja, schon gut…“ Kat setzte die Brille wieder auf und stellte sich neben Jerry an die Theke. „Was ist los, Jerry, hm?“, fragte er und versuchte ruhig und mitfühlend zu klingen, obwohl er sich nicht darauf eingestellt hatte- ganz im Gegenteil… „Ich hab keine Ahnung!“, rief Jerry aus und sah Kat fast verzweifelt an, „Ich meine…du und ich….also…Scheiße, als du das letzte Mal zurück gekommen bist, war ich so heiß auf dich, dass wir es in deinem Auto treiben mussten! Vorhin hab ich gedacht es wäre wieder so und ich hab mich darauf gefreut mit dir allein zu sein, aber jetzt…“ Völlig kraftlos sank er auf den Boden und hielt sich den Kopf. „Jetzt hab ich das Gefühl als ob es ein Riesenfehler wäre…“ Kat hockte sich vor ihn hin und nahm seine Hände. „Jerry, wenn du es nicht willst, verstehe ich das…“ „Ich will ja! Verdammt, hast du eine Ahnung, wie lange ich schon keinen Sex mehr hatte?“ Kat konnte nicht umhin etwas zu kichern, allerdings brachte ihn ein Funkeln aus Jerrys Augen zum schweigen. „Sorry…“ Er ließ Jerrys Hände los und setzte sich neben ihn. „Also…ich will ja nicht arrogant klingen, aber bisher konntest du mir nie widerstehen. Entweder liegt das daran, dass ich dir das Herz jetzt endgültig püriert hab-…“ „Gefühllos bist du gar nicht, was?“ „Natürlich nicht. …Um meinen Gedankengang zu Ende zu führen: wenn es nicht ersteres war, dann…bist du in jemanden verliebt, Jerry?“ Jerry fuhr zu ihm herum und starrte ihn an. „Das geht dich überhaupt nichts-…“ „Also ja.“ Kat seufzte und strich Jerry leicht lächelnd über den Oberarm. Jerry widersprach Kats Worten nicht. „Hör zu, Jerry, unter diesen Umständen ziehe ich mich zurück. Konzentrier dich auf denjenigen, den du wirklich haben willst, nicht auf den untreuen Mistkerl, der neben dir sitzt. Ich werde nicht fragen, wer deine neue Flamme ist, obwohl ich es mir denken kann…“ Jerry spürte noch wie Kat ihm einen Kuss auf die Wange hauchte, dann hörte er die Tür ins Schloss fallen. Irgendwie war er erleichtert und traurig zugleich…erleichtert, weil er die Droge Kat Podolski überwunden hatte und traurig…aus demselben Grund. Bei Kat hatte er sich immer sicher sein können, dass dieser irgendwann wieder zu ihm zurück kommen würde…doch was Jerrys neue Liebe anging, war er sich nicht sicher, ob sie überhaupt jemals erwidert werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)