Eine etwas andere Lovestory von Hisushi (Was wäre das Leben, wenn es niemanden gäbe, der einen liebt?) ================================================================================ Kapitel 1: Kopfschmerzen und andere, kleine Aussetzer ----------------------------------------------------- Itoe öffnete ihre Augen. Der Schmerz in ihrem Kopf kehrte zurück, sodass sie sich aufsetzte und das Gesicht in ihren Händen vergrub. Es war ein Tag wie jeder anderer. Mit Kopfschmerzen aufstehen, Aspirin, und dann wieder auf irgendeine Party von irgendwelchen Leuten die sie manchmal gar nicht kannte, hauptsache es gab was zu Trinken umsonst. Obwohl sie erst sechzehn war, war sie schon auf mehr Partys gewesen als jeder andere im gesamten Leben. Jeden Abend machte sie sich auf die Suche nach ihm, den Mann, der ihr zuhören, sie trösten, sie auch in den Arm nehmen und einfach nur lieben würde. Aus Frust, ihn wieder nicht gefunden zu haben, trank sie. Denn so konnte sie vergessen. Sie sah zur anderen Seite ihres Bettes. Leer. Sie Atmete tief ein und ließ einen erleichterten Seufzer aus. Es war ihr schon passiert, dass sie in fremden Wohnungen, Orten oder neben fremden Menschen aufgewacht war. Ihre Eltern bekamen nie etwas davon mit, da diese wegen Geschäftsreisen selten zu Hause waren und somit nicht mitbekamen, was ihre Tochter Abends trieb. Sie schlüpfte aus ihrem Bett in ihre Pantoffel und ging die Treppe runter um sich Aspirin zu holen und Frühstück zu machen. Ihre Eltern waren momentan in Thailand. Wegen irgendeiner Security-Firma. Sie ging in die Küche und nahm sich aus dem Medikamentenschrank ein Döschen Aspirin. Als sie die Schlaftabletten und die Rasierklingen ihres Vaters sah, dachte sie wieder nach, griff nach ihnen und überlegte. Warum lebe ich überhaupt, wenn es doch sowieso niemanden gibt, der für mich da ist und mich liebt? Tränen stiegen in ihr hoch. Rasch legte sie die Rasierklingen und Tabletten zurück. Das ist Schwachsinn, irgendwen wird es schon geben. Irgendwen... Itoe zog sich ihre marineblaue Schuluniform an, packe schnell ihre Bücher und Hefte ein und verließ das Haus. Auf dem Weg zu Schule begegnete sie ein paar Klassenkameradinnen, mit denen sie den Rest des Schulwegs ging. Die anderen brabbelten, giggelten und tratschten über Gott und die Welt. Sie ging nur gedankenverloren neben ihnen her, nahm nur hin und wieder ein paar Wortfetzen auf. Unter ihren Stimmen hörte sie ein Piepen und ein leises Surren. Sie ging weiter, blickte auf ihre Füße hinab. Auf einmal war etwas mit dem Bild passiert, was sie noch vor Sekunden vor Augen hatte. Etwas war mit dem Boden passiert, er sah anders aus. Bahngleise! Nun hörte sie auch die Rufe ihrer Klassenkameradinnen, sie solle von dort verschwinden, doch schon hörte sie das Rattern eines Zuges. Wie gelähmt starrte sie die Bahn an, die auf sie zugerattert kam. Ihr wurde eiskalt. Zum Ausweichen hatte sie keine Zeit mehr, sie konnte nicht mal einen Finger rühren. Ist das das Ende?, fragte sie sich und zum zweitenmal an diesem Tag verschwamm ihre Sicht und Tränen rollten über ihre Wangen. Vielleicht sollte es so sein? Vielleicht sollte sie sterben ohne je erfahren zu haben, was es bedeutet, jemand anderen außer den Eltern zu lieben? Plötzlich packte sie eine kräftige Hand am Arm und riss sie zu sich. Sie spürte den Luftzug der Bahn, der ihr Haar zerzauste. Geistesabwesend starrte sie der Bahn nach, die hastig bremste. „Alles okay?“, fragte die Person an die sie sich anlehnte, um nicht umzukippen. Es war eine große Person, etwa eins neunzig. Zitternd nickte sie, zum Sprechen fehlte ihr die Kraft. Immer noch war sie schockiert darüber, was hätte passieren können. Nun verließen sie nicht nur ihre Sprechmuskeln, sondern auch ihre Beine, sodass sie vor der Person auf dem Boden zusammen sank. „Ist wirklich alles in Ordnung? Du bist ja ganz blass! Weinst du?“, fragte die Person und hockte sich vor Itoe. „Brauchst du ein Taschentuch?“ Langsam schüttelte sie den Kopf. „Ist schon... Ist schon wieder okay.“, stammelte sie, ohne die Person anzusehen. „Das glaube ich irgendwie nicht. Du bist von der Akina-Highschool, nicht wahr? Sind das da auf der anderen Seite deine Freundinnen?“ Nun nickte Itoe und wischte sich mit zittrigen Händen die Tränen von den Wagen. Die Person half ihr hoch und nun sah sie, dass es ein Junge war, nach der Uniform her zu deuten von der Kyoshi-Highschool. „Ich bring dich nach Hause, okay?“, sagte er und ging mit ihr auf ihre Klassenkameradinnen zu, bat diese, sie zu entschuldigen und fragte nach Itoes Wohnort. Auch ihre Kameradinnen waren kreidebleich und fragten immer wieder, ob ihr nichts passiert wäre, ob sie in Ordnung sei. Wieder nickte Itoe. „Alles in Ordnung. Ich lebe ja noch...“, sagte sie schwach und ließ sich von dem Jungen nach Hause bringen. „Wem hab ich denn zu verdanken, dass ich jetzt nicht über fünfzig Meter verteilt bin?“, fragte sie ihn, ohne ihn anzusehen. Da sie noch nicht wieder ganz Herrin ihrer Kräfte war, stolperte sie doch der Junge fing sie auf. „Mein Name ist Haru Fudo. Und ich glaub, alleine kannst du noch nicht laufen.“, sagte er und beim letzten Satz hob er Itoe auf seinen Rücken, sodass er sie Huckepack tragen konnte. „Danke, Haru-kun.“, sagte sie leise und klammerte sich an ihm fest aus Angst, sie könne nach hinten kippen. Ein paar Minuten später standen sie vor der Tür von Itoes Haus. Sie gab ihm den Schlüssel, sodass er aufschließen konnte. „Kann ich kurz mal telefonieren?“, fragte er und setzte Itoe auf der Wohnzimmercouch ab. „Wegen der Schule, sonst denken die noch, ich schwänze.“ Sie reichte ihm ihr Telefon. Er wählte eine Nummer, wechselte ein paar Worte mit jemanden, legte auf und setzte sich zu Itoe. „Soll ich dir ’nen Tee machen?“, fragte er, während sie sich in eine Decke einwickelte. „Geht schon. Geh lieber zur Schule, sonst verpasst du noch was.“, sagte Itoe, wünschte sich aber insgeheim, dass Haru beleiben würde. „Das kannst du vergessen.“, erwiderte dieser wiederum, ging in die Küche und setze heißes Wasser für Tee auf. „Schau dich doch mal an! So kann man dich doch nicht alleine lassen. Wo ist denn hier ’ne Kanne?“, fragte er und öffnete einige Küchenschränke. „Neben dem Kühlschrank. Wieso? Wie seh ich denn aus? Ist es etwa so schlimm?“, fragte Itoe etwas beleidigt, jedoch mit einem hauch Ironie im Unterton. Sie fühlte sich wirklich überhaupt nicht gut. Sie fasste sich an den Kopf. Sie hätte noch eine Aspirin nehmen sollen. „Hast du Kopfschmerzen?“, fragte Haru, der mit einem Teeservice aus der Küche kam. „Das kommt von den vielen Partys und dem Alkohol, ich an deiner Stelle würd’s lassen. Soll ich dir ’ne Schmerztablette geben?“ Itoe sah in verwundert an. „Woher weißt du, dass ich...?“, setzte sie an, doch Haru kam ihr mit seiner Antwort zuvor. „Ich hab dich beobachtet. Auf ein paar Partys hab ich dich gesehen. Okay, ich hab dich auf vielen Partys gesehen. Doch irgendwie schien dich niemand zu kennen.“ Itoe senkte den Kopf. Sie schämte sich, dass sie jemanden bei ihren „Durstlöschungen“ intensiv beobachtet hatte. Haru setzte sich neben sie und seufzte. „Warum machst du das? Merkst du nicht, wie dich der Mist kaputt macht?“, fragte er, nun aber verärgert und mit einem Hauch von Zorn im Gesicht. Itoe nickte. „Ich bin dann lockerer und offener, alles geht leichter und ich kann die Probleme für ’ne gewisse Zeit vergessen.“, sagte sie bedrückt, konnte Haru dabei aber nicht in die Augen sehen. Plötzlich begann ihr Herz zu rasen. Noch nie hatte jemand mit ihr darüber gesprochen. Noch nie hatte sich jemand um sie gesorgt oder war böse mit ihr. Abgesehen von ihren Eltern, aber es war sehr lange her, dass sie sauer auf Itoe waren. „Hör mal,“, begann Haru, legte einen Arm um sie, sodass sie mit dem Kopf auf seine Brust sank, „Du musst aufhören, so zu denken. Hast du noch nie was von ’ner Alkoholvergiftung gehört? Wenn du Pech hast, kann’s dich umbringen! Und dafür bist du nicht geboren worden. Auch wenn’s manchmal überhaupt nicht gut aussieht, musst du dir immer was gutes vor Augen halten. Klar, es geht einem nicht immer gut, manchmal fühlt man sich richtig mies oder allein. Aber vergessen und verdrängen ist das schlimmste, was man dann machen kann. Denn später kommt alles wieder wie eine riesige Welle auf dich zu und haut dich um. Dann fühlst du dich noch dreckiger und das sammelt sich alles an, kommt immer und immer wieder. Ich muss es wissen.“, fügte er mit gesenkter Stimme hinzu. Nun sah er traurig aus und Itoe fragte sich, was ihn auf einmal so bedrückte. „Was ist los?“, fragte sie. „Erzähl weiter, ich hör dir zu.“ Haru sah sie an. Was ihn wohl quält?, fragte sie sich bedrückt. Er selbst fühlt sich nicht wohl und hilft mir kleinem Deprikeks noch, wo er mich doch fast gar nicht kennt. Wieder seufzte Haru. „Es ist so, eigentlich dürfte ich dich nicht belehren. Ich hab es bis vor ein paar Wochen ja auch nicht besser gemacht. Daher kann ich dich so gut verstehen, weil ich das gleiche gemacht habe wie du.“ Verwundert sah Itoe ihn an. „Und wie hast du’s geschafft, aufzuhören?“, fragte sie nun ungemein interessiert. „Ich hab dich gesehen.“, antwortete er. „Ich hab in dir mein Spiegelbild gesehen und gemerkt, dass es so nicht weiter gehen kann. Ich war nach den Partys schlecht gelaunt, depressiv und furchtbar aggressiv. Ich fühlte mich von Party zu Party mieser.“ Stundenlang redeten die beiden über die Partys, ihre gemeinsamen Probleme. Sie merkten gar nicht, dass die Sonne schon unter ging. „Kommen deine Eltern heute nicht nach Hause?“, fragte Haru als er aus dem Fenster blickte und den blutroten Himmel sah. „Nee...“, antwortete Itoe. „Die sind mal wieder auf Geschäftsreise. Die sind andauernd weg.“ Nie sind sie da, dachte sie traurig. Sie wissen gar nicht, wie’s in mir aussieht. „Ich muss langsam nach Hause, sonst machen sich meine noch Sorgen.“, sagte er und zwinkerte Itoe zu. Ihr wiederum entgleisten die Gesichtszüge. „Nein! Bleib doch noch. Bitte!“, sagte Itoe hastig. „Ruf doch deine Eltern an und sag, dass du bei mir bist!“, fügte sie hinzu, griff nach dem Telefon auf dem Couchtisch, wollte aufstehen, verhedderte sich jedoch in der Decke in die sie immer noch eingewickelt war, stolperte und fiel genau vor Harus Füßen auf die Nase. Haru lachte, Itoe rieb ich jedoch die Nase und versuchte, sich aus der Decke zu befreien und aufzustehen. „Lach nicht, sonst komm ich mir lächerlich vor.“, sagte sie beschämt und schon wieder stiegen Tränen in ihr hoch und ein unangenehmes Gefühl machte sich in ihrem Hals breit. Sie wollte nicht, dass Haru jetzt schon ging. Sie fühlte sich in seiner Nähe so unglaublich wohl. „Tut mir leid.“, sagte er, wobei er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte und half Itoe auf. „Du bist aber auch ein Schussel.“, sagte er, während er ihr aus der Decke half. „Ich hab nur ein gewisses Gleichgewichtsproblem, wenn ich am Abend zuvor... na ja, du weißt schon.“, sagte sie, wobei ihr Kopf puterrot anlief und klammerte sich an Haru fest, da sich ihre Beine wie Wackelpudding anfühlten. Ihr Gleichgewichtsproblem spielte dabei jedoch keine Rolle. Etwas anderes ließ sie wie Schnee im Sommer zerfließen. „Du, Haru-kun, sag mal... Hast du eine Freundin?“ Haru lächelte. „Nein. Aber warum willst du das wissen?“ Wieder konnte Itoe ihn nicht ansehen. Ihr war das ganze total peinlich, obwohl ihr Herz einen Hüpfer machte, als er sagte, dass er keine Freundin habe. „Ich mein, du kennst mich kaum, hilfst mir aber sofort und so... Ich mein, du bist nett und lieb und überhaupt.“ Er sah sie an, als ob etwas in seinem Kopf auf Hochtouren lief. Itoes Herz begann zu rasen. Wenn mein Herz weiter so schnell schlägt, bekomm ich noch ’nen Herzinfakt, dachte sie. „Ach so...“, sagte er langsam. Ihm schien ein Licht auf zu gehen. „Du meinst, wir zwei?“ Itoe nickte, Haru jedoch grinste. „Aber nur, wenn ich bei dir übernachten kann.“ Itoes Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. „Übernachten? Wieso?“ „Dann können wir weiter reden.“, sagte Haru, zwinkerte. Itoe schmolz dahin und klammerte sich noch fester an Harus Schuluniform. „Ach, komm einfach her.“, sagte er, packte sie an Kopf und Schultern und küsste sie. Akte „Itoe-0001“ abgeschlossen ; ) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)