Love between war, peace and the endless sky von Ling-Chang (Der Waldläufer und die Botin) ================================================================================ Waldläuferfähigkeiten --------------------- Shokaten war schon lange am Horizont verschwunden, als die Sonne unterging. Aus der Ebene wurde schnell hügliges Land und bald ging es nur noch auf und ab. In der Ferne sah man die Schwärze der Nacht und davor noch einen sanften Blauton. Alina klammerte sich noch immer an Falke fest. Wie ein kleines Kind hielt sie die Augen geschlossen und vergrub ihr Gesicht in seinem Umhang. Estel-Gwelwen preschte derweil unaufhaltsam durch Shokaten. Sie mussten Stunden gereist sein, da hob Alina ihren Kopf. Falke sah sie über die Schulter an und als sich ihre Blicke trafen, lächelte er. „Falke?“ „Hm?“ „Wo sind wir?“ „In Shokaten, my Lady …“ „Aha. Und wo genau?“ „Ich glaube … recht weit im Westen.“ „Ich glaube?“ „Ich weiß es …“ „Ach so.“ Falke sah seine Mitreisende noch einmal an und blickte dann wieder nach vorne. Er bemerkte, wie Alina ihr Kinn auf seine Schulter legte und ebenfalls geradeaus sah. So ritten die Beiden lange Zeit weiter. Innerhalb von wenigen Tagen verließen sie das Hügelland und erreichten eine große Berggruppe. Der folgten sie nach Norden. Alina schaute sich um. Es war trostlos hier. Die Bergfüße waren schwarz, als hätte hier einmal ein großes Feuer gewütet. Sie sah zu den Spitzen der Kolosse auf und versuchte einen ungefähren Punkt auszumachen, an dem der Berg zu ende sein würde, doch es war nur schwer zu erkennen, denn dort oben war Nebel. Falke bemerkte, wie Alina aufmerksam ihre Umgebung ansah und schließlich entschloss er sich dazu, ihr etwas darüber zu erzählen. „My Lady?“ „Ja?“ „Kennt ihr Daranduin?“ „Nein, wer oder was ist das?“ „So hieß der größte Berg. Er war reich an wertvollen Bodenschätzen und Mineralien. Lange stritten sich Menschen, Zwerge und Orks darum.“ „Oh, aber ich habe gar keinen großen Berg gesehen!“ „Das liegt wohl daran, dass er nicht mehr existiert. Daranduin war ein gefährlicher Berg. Sein Hang war so steil wie eine Klippe und so gefährlich wie ein Heer ausgerüsteter Orks. Alle natürlich mit aufgestellten Speerspitzen. Immer wieder versuchten Menschen die Mineralien abzubauen oder den Hang zu besetzen, um gute Geschäfte machen zu können, doch alle, die dorthin gegangen sind, kamen niemals zurück. Entweder getötet von den eigenen Mitstreitern, die extrem neidisch waren, oder hinterrücks ermordet von den Rivalen. Manchmal, aber auch nur sehr selten, holte sich die Natur einige Leute als Opfer. Sie gab den Gierigen eine gerechte Strafe. Doch es gab eine Reisegruppe, die die Mutternatur soweit erzürnte, dass sie den Menschen, Orks und Zwergen das nahm, was alle am meisten begehrten.“ „Daranduin.“ „Richtig.“ „Aber wie?“ „Regenfälle suchten Shokaten und Akitanal heim. Sehr lange fiel Tropfen für Tropfen vom Himmel herab und setzte die Umgebung von Daranduin unter Wasser. Und damals, vor ein paar Jahrhunderten, sahen die Handwerker die wahre Natur ihres so heiß geliebten Berges. Die Hänge lösten sich in Matschlawinen auf und kamen unweigerlich talwärts. Die Menschen, Zwerge und Orks flüchteten so gut sie konnten, doch nur die Wenigsten überlebten. Orks, die bekanntlich gern in Höhlen lebten und auch auf dem Daranduin gehaust hatten, waren innerhalb von Minuten erstickt, ertränkt oder erreichten niemals das Tal. Zwerge, die auch gerne in ihren Hallen unter der Erde lebten, kamen nur selten wieder, denn ihre festen Steinhöhlen hielten ab und zu stand. Doch die Menschen, die am Fuße des Berges hausten, noch rechtzeitig die Gefahr bemerkt hatten und geflohen waren, überlebten. Der Rest kehrte niemals zurück. Mutternatur hatte allen gezeigt, was es heißt, sie zu erzürnen. Dennoch haben es nur Wenige begriffen, nämlich diejenigen, die es zu weit getrieben haben.“ „Die Reisegruppe?“ „Nein, die kehrte niemals zurück. Doch die Rassen, aus denen die Reisegruppe bestanden hatte, die hatten es verstanden. Das Zeichen, das ihnen gegeben worden war.“ „Die Elben?“ „Ja, aber nicht nur die. Auch die Halblinge.“ „Aber die Elben haben sich doch gar nicht darum geschert, was auf dem Berg war!“ „Nein? Vielleicht nicht was darauf war, doch was darin war, das konnten sie nicht vergessen. Auch nicht im Sinne der Mutternatur, die sie so liebten.“ „Was war darin?“ „Die Seele einer neuen Gabe der Natur.“ „Gabe der Natur?“ „Lady Alina, bevor ich euch das erzähle, muss ich euch etwas fragen.“ „Was?“ „An welche Götter glaubt ihr? Oder glaubt ihr überhaupt an etwas?“ „Nun, Mutter erwähnte nur einen Gott. Die Menschen nennen ihn >Gott<. Nicht mehr und nicht weniger.“ „Glaubt ihr an ihn?“ „Nicht wirklich … Aber warum ist das so wichtig?“ „Weil ab hier an die Geschichte vom Glauben der Halblinge und Elben geprägt ist.“ „Woran glaubten sie denn?“ „Wir glauben an viele Götter. An Götter und Göttinnen für jedes unerklärliche Wunder.“ „Welche zum Beispiel?“ „Den Gott des Lebens und des Todes und dessen Frau, die Göttin der Gefühle.“ „Oh, ah ja …“ „Wollt ihr die Geschichte weiterhören?“ „Liebend gern, aber das mit den Göttern muss ich mir noch mal überlegen!“ „Die Seele der neuen Gabe der Natur war schlicht und ergreifend das Verstehen der Sprache der Tiere. Dieser Plan war von der Obersten Göttin Mielikkie erst neu erstellt worden und noch ungereift. Egal, wer diese Gabe zuerst fand, der erhielt das größte Geschenk der Natur seit Anbeginn unserer Existenz. Die Elben strebten danach, Mutternatur zu gefallen. Sie suchten diese Gabe mitsamt ihrer untergeordneten Rasse. Die Halblinge, mit vermischtem Blut und nicht einrassig, rangen danach, etwas zu können, wofür sie bewundert würden. Denn sie hatten nichts, was die Anderen nicht besser konnten. So stürzte sich die Reisegruppe in ihr Verderben und mit ihnen fiel das Wohlwollen der Natur. Mielikkie, verletzt von der Machtsucht ihrer Kinder, nahm die Gabe und ließ sie in ihren Palast im Himmel bringen. Seitdem verweilt diese, nun ausgereifte, Gabe hinter Schloss und Riegel.“ „Was passierte mit den Halblingen und Elben?“ „Mutternatur nahm ihnen etwas, was beide Völker am meisten brauchten. Den Elben nahm sie ihre Unsterblichkeit. Sie versperrte das Tor zu den unsterblichen Landen, auf denen die Elben nach ihrem Scheintot wanderten. Den Halblingen jedoch nahm sie das, was im Nachhinein das Verletzendste war, was ihnen widerfahren konnte.“ „Was?“ „Mielikkie befahl der Natur den Halblingen den Willen zu brechen. Zwar schickte sie eine Wahrsagerin, die ihnen ihren Glauben zurückgab, doch strebte dieses Volk seitdem nach nichts mehr. Sie wählten den leichtesten Weg, streiften ziellos umher und starben an ihrer Naivität. Damals gab es einen König, den jeder kennt, aber den alle fürchten. Sein Name war Akito. Alle meinten, er töte, weil er die Rassenvermischung als unmöglich abtat, doch er ermordete nur die, die die Natur enttäuschten. Mielikkie hatte sich erhofft, dass die Halblinge ihren Willen aus etwas Anderem ziehen würden, doch das ist niemals geschehen. Nâyalâths Erben hatten versagt. Irgendwann fand ein Mann seinen Willen und seine Ehre zurück. Er war ein Halbling! Er traf auf viele weitere seiner Rasse und schließlich einte er dieses Volk. Zusammen schafften sie es, das 5. Königreich zu errichten und mit der Zeit fanden sie ihre Stärke.“ „Das Waldläuferleben und die Stärken, die damit verbunden sind?“ „Ja. Es mag immer noch Halblinge geben, die keinen Willen haben, doch diese haben sich für das Exil entschieden.“ „Was für eine atemberaubende Geschichte! Aber was ist mit Daranduin passiert?“ „Bei dem Unwetter rutschten die meisten Hänge herab und letztendlich schrumpfte Daranduin zu einem kleinen Berg.“ „Steht Daranduin noch?“ „Ja. Seht nach Westen. Dort bei der Hügelkette!“ „Sind Berge!“ „Ja, aber schaut genauer hin. Bemerkt ihr den kleinen Berg direkt vor der Hauptberggruppe nicht?“ „Oh, doch! Das ist Daranduin?“ „Ja, das ist der Berg, der den Elben und uns Halblingen das Verderben brachte.“ „Wart ihr da schon mal?“ „So oft, dass ich es nicht mehr zu zählen vermag.“ „Ist es da … besonders?“ „Auf der Bergspitze steht ein Tempel für alle Götter der Halblinge und Elben.“ „Ist es schön dort oder noch immer gefährlich?“ „Es ist traurig, aber so gefährlich wie in dem gleichen Schloss wie die Prinzessin von Shokaten zu wohnen.“ Alina musste lachen. Ihr Blick streifte den kleinen Berg, nach dem sich alle so gesehnt hatten und ihr fiel auf, dass er von weitem ganz sanft glitzerte. Inzwischen war es Abend geworden und Alina dachte immer noch über diese unglaubliche Geschichte von Falke nach. Schließlich kam sie zu dem Entschluss, dass das Ganze so unmöglich klang, das es wahr sein musste. Estel-Gwelwen galoppierte immer noch ohne Rast durch die wieder flachen Landen. Falke schien auch zu überlegen, aber Alina musste noch unbedingt eine Frage loswerden. „Falke? Warum kämpfen wir eigentlich gegen Akito, wenn er eigentlich nur Gutes getan hat?“ „Akito übertrieb es. Er ließ nach einiger Zeit, weil er dachte, dass alle die Natur enttäuscht hatten, nicht nur viele der Halblinge töten, sondern er begann im Namen der Götter auch Völker zu verringern, die mit dem Ganzen nichts zu tun hatten. Er ermordete Unschuldige und das ist eine der größten Sünden, die du begehen kannst, wenn sie nicht sogar die Höchste ist.“ „Ach so … Das wusste ich nicht.“ Viele Stunden ritten sie so weiter ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Alina bemerkte, wie die Sonne unterging und der Mond die Nacht begrüßte. Inzwischen war sie müde geworden und kurz darauf schlief sie ein. Jemand rüttelte sie wach und als sie die Augen aufschlug, sah sie Falke. Er machte einen besorgten Eindruck und Alina fragte sich, was ihm widerfahren war. „Orks. Ein ganzer Stamm ist direkt vor uns. Ich fürchte, dass wir nicht nach Nâlíeth kommen, wenn wir darauf hoffen, die regulären Grenzen zu überschreiten.“ „Und was jetzt?“ Falke hatte Estel-Gwelwen angehalten und sah auf das Lager, das nicht weit von der derzeitigen Position der beiden Reisenden aufgeschlagen worden war. Er sah hinab und überlegte. Langsam wandte er sich wieder Alina zu. „Wir werden zu Fuß weiter gehen müssen, denn selbst für Estel-Gwelwen wird es jetzt zu gefährlich.“ Alina nickte. Falke stieg ab und half auch ihr vom Pferd. Er flüsterte Estel-Gwelwen etwas ins Ohr, woraufhin der Hengst sich umdrehte und den Weg zurück galoppierte, wo sie gerade hergekommen waren. „Folgt mir, my Lady, und bleibt immer in meiner Nähe.“ „Gut.“ Die Beiden schlichen sich den Hügel hinab und etwas abseits vom Lager knieten sie sich hinter ein Gestrüpp. Alina rückte näher an Falke ran und fragte ihn: „Ich dachte, die Orks lagern nicht.“ „Aber diese sind schon am Zielort. Dem Punkt, an dem sich Akitos Truppen aufeinander treffen werden. Kommt!“ Im Entengang schlichen sie weiter und versteckten sich hinter dem einzigen Zelt, dass aufgebaut worden war. Darin hauste wohl der Häuptling. Alina kniete sich hin und Falke lehnte sich an das Zelt. Von Drinnen drangen Stimmen heraus, doch sie sprachen nicht Menschensprache. Alina verstand nur Gegrunze und so langsam musste sie sich zusammennehmen, nicht gleich loszuprusten, denn das Gespräch klang so bescheuert, dass man schon von weitem erraten konnte, dass es sich dabei um einen simplen Streit zwischen Orkhäuptling und Sekretär handelte. Alina sah zu Falke der wieder die Augen geschlossen hatte. Er war auf das Gespräch konzentriert und schien das ganze ehrlich verstehen zu wollen. Alina fiel erneut auf, dass Falke dem Prinzen zum Verwechseln ähnlich sah. Von ihrer Position konnte sie ziemlich gut unter seine Kapuze sehen, doch erkennen konnte sie nicht mehr, als seine Gesichtszüge. Zugern hätte sie gewusst, welche Farbe die Haare und Augen von ihrem Mitreisenden hatten. Alina bemerkte, wie Falke ganz plötzlich in die Hocke ging und nach ihrer Hand griff. Bevor sie überhaupt mitbekam, was geschah, drückte er sie bereits flach auf den Boden und legte sich neben sie. Kurze Zeit später lief eine Orkpatroullie vorbei. Falke sah auf. Als auch Alina ihre Hockposition wieder aufgenommen hatte, viel am Waffenstand eine Blechbüchse runter. Im Lager wurde es still. Alina sah sich um. Sie hatte daran keine Schuld. Falke rückte näher und flüsterte ihr ins Ohr: „Eine Maus!“ Alina erschrak. Sie hasste Mäuse. Das kleine Wesen kam ihren Füßen immer näher und Alina wich Schritt für Schritt nach zurück. Dann war es direkt vor ihr und starrte sie an. Alina sprang auf. Falke schaffte es gerade noch aufzustehen und ihr die Hand über den Mund zu legen. „Pst!“ Alina kniff die Augen zusammen. Wie sie Mäuse hasste. Falke versuchte ihre erstickten Schreie zu dämpfen. Immer wieder sagte er ihr, sie solle leise sein, doch damit bewirkte er nur, dass Alina panischer wurde. Die Maus strich um ihre Füße und Alina riss sich von Falke los. Ihr rutschte ein markerschütternder Schrei raus. „IH! EINE MAUS!“ Falke schlug sich vor den Kopf, als er hörte, wie sich im Lager alles regte und die Schritte der Patroullie sich näherten. Die Maus hatte sich wohl in Windeseile verzogen, denn der Schrei war wirklich beängstigend gewesen. „Gut, gemacht!“ „Verzeiht, Falke …“ Falke zuckte mit den Schultern und sah sich um. Noch waren sie nicht entdeckt worden, aber man hörte aufgeregtes Suchen. „Wie gut könnt ihr laufen, my Lady?“ „Ganz gut. Ich bin die Schnellste in Nâlíeth!“ „Wie lange haltet ihr das durch?“ „Sicherlich ein paar Minuten.“ „Mist.“ Falke erklärte ihr, dass sie wohl rennen müssten. Orks waren verdammt schnell, auch wenn sie schwere Rüstungen anhatten. Die Wesen konnten allemal mit einem Waldläufer mithalten. Alina ließ sich schließlich Huckepack nehmen und Falke lief los. „My Lady, ihr hättet sowieso nicht laufen können. Das fällt mir gerade so ein.“ „Warum nicht?“ „Euer verstauchter Knöchel!“ „Stimmt, den habe ich wohl vergessen …“ Als sie losrannten, wurden sie von den Orks entdeckt. Man hörte einen Befehl und bestimmt zehn von ihnen nahmen die Verfolgung auf. Falke lief so schnell er konnte, aber die Orks holten langsam auf. Alina wurde nervös. Hätte sie nicht geschrieen, wäre das niemals passiert. Falke lief immer schneller. Vielleicht rettete das ihnen das Leben. Alina staunte. Falke lief unheimlich schnell und bestimmt schon über eine Stunde lang. Der Abstand zwischen ihnen und ihren Verfolgern hatte sich um Einiges vergrößert. Lange Zeit liefen sie weiter. Langsam fragte Alina sich, ob Falke nicht müde wurde, weil er schon so lange lief und sie zudem auch noch tragen musste. „Falke?“ „Ja?“ „Wirst du nicht müde?“ „Nein. Das ist eine Kleinigkeit für einen Waldläufer.“ „Ach so …“ Am Mittag des nächsten Tages hatten sie ihre Verfolger abgehängt. Falke deutete auf ein entferntes Zeltlager und sagte: „Eine Karawane. Dort werden wir etwas rasten.“ „Gut.“ Er blieb stehen und ließ sie von seinem Rücken runter. Beide gingen auf die Zeltansammlung zu. In der Ferne sah man das geschäftige Treiben der Mitglieder. Hosted by Animexx e.V. 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