Psst von abgemeldet ([Über Dinge spricht man nicht]) ================================================================================ Kapitel 1: Ich hab es dir doch gesagt ------------------------------------- „Ich hab dich damals nie verstanden.“ „Du wolltest mich nicht verstehen...“ „Du hast gesagt, du würdest mich lieben.“ „Hab ich das nicht getan?“ „Nein, du wolltest nur dich selbst bestätigen.“ „Natürlich. Es ist alles gegen dich.“ „Ich bin noch nicht fertig! Du wolltest dir nur zeigen, das du mich bekommen kannst!“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Er lachte. Der brünette und adrett scheinende Japaner lachte. Wieso er lachte, das wusste keiner der Anwesenden genau, aber sein fröhliches Lachen war so ansteckend, das sich ihm keiner entziehen konnte und jeder seinen Laut nachahmte. Er steckte gerade in einer Aufzählung jener Dinge, die er am Tag verlebt hatte. „… und wisst ihr was er dann zu mir gesagt hat?! Er meinte, wenn er an meiner Stelle gewesen wäre, hätte er nicht eine Sekunde gezögert.“ Er hielt inne. Sein warmer Atem strömte beim Ausstoßen in den sowieso schon überhitzten Raum. „… und ich antwortete: Da haben Sie recht. Ich habe auch keine Sekunde gezögert.“ Er lachte erneut. Auch der Schwarzhaarige zwang sich zu einem verspannten Lächeln bei dem sich seine Mundwinkel leicht nach oben zogen. Eigentlich wäre keinem diese äußere Verspannung aufgefallen, denn die kindliche Niedlichkeit in seinen Gesichtszügen blieb bestehen und es bildete sich auch keine einzige Falte. Alleinig die Aura der Verbitterung und aufgesetzten Fröhlichkeit hätte ihn verraten können. Hätte, wenn nicht keiner auf ihn geachtet hätte und sie alle nicht lieber an den Lippen des Brünetten gehangen hätten. „Klasse Akira – genau das hätte ich auch erwidert. Obwohl es unser Labelchef war.“ Das kam von Tadashi, eindeutig, es war seine einschläfernde Stimme und der schweigende Japaner warf ihm einen wütenden Blick zu. Wieso bestärkte er Akira in seinen Handlungen. Wieso nahm er ihn nicht in Schutz. Merkte überhaupt einer der vier Anwesenden, ihm ausgenommen, um was es hier ging? Auch Hiroshi konnte sich nicht mehr zurück halten. „Irgendwie habe ich das Gefühl, als wollte der Alte sie anmachen. Gut, dass du dem gleich einen Riegel vorgeschoben hast.“ Er biss sich auf die Unterlippe. Auf die weiche volle Unterlippe, die gegen seinen Willen begann zu beben. Er schmeckte Blut. Bitteres, metallisches Blut und schluckte es hinunter. Es sollte keiner bemerken, woran er gerade fraß. „Hey, Ryutarou – was ist mit dir? Was hättest du gemacht, wenn einer deine Freundin so angebaggert hätte?!“ Schon wieder der verdammte Hiroshi. „Hiroshi! Ich bin entsetzt, wie kannst du nur denken das unser armer kleiner Ryu ne Freundin sich holen würde? Er ist noch immer der Überzeugung schwul zu sein…“ Um Tadashis Mund zeigte sich ein Haifischgrinsen, was ihn in seinen Augen noch unansehnlicher machte, als er sowieso schon war. Aber er sparte sich jegliche Erwiderung. Wieso auch? „Fick dich Tadashi. Nur weil dich keiner haben will, brauchst du nicht Ryu anzumachen!“ Der Schwarzhaarige hob überrascht den Blick. Woher war seine Verteidigung gekommen? Er kannte die Antwort, wie er die Stimme kannte. Er wollte sich bedanken, bekam kein Wort über die Lippen sondern begegnete nur Akiras dunklen Augen, die so verhasst verständnisvoll ihn anstarrten. „Kümmere dich um dein eigenes Zeug, Nakayama! Du brauchst dich mit deinem Kreuzzug nicht für die Schwachen und Unterdrückten einsetzen!“ Sein Tonfall war hoch geworden. Gefährlich hoch. Es erinnerte ihn an Hysterie und er schämte sich seiner Antwort. Aber was hatte Akira gewartet? Das er ihn freudestrahlend anstarren würde, so wie früher? Früher, als es noch keine Frau in seinem Leben gab? Keinen Menschen, der ihm wichtiger geworden war als er – ihm Ryutarou? Akira wendete sich von ihm ab. Peinlich berührt, so schien es ihm. Tadashi verharrte mitten in der Bewegung. Eine Falte der Wut grub sich zwischen seine Augenbrauen. „Sag mir nicht was ich zu tun und zu lassen habe, Quadratlatsche!“ Er erhob sich, fließend, schnell, wendig und der verwirrte und überforderte Hiroshi folgte ihm. Mieser kleiner Mitläufer. Schon immer keinen eigenen Willen gehabt. Es passierte wieder. Das was er nicht wollte und was immer geschah. Er war allein. Allein mit ihm. Allein mit Akira. Traum und Albtraum zugleich. „Ryu, was los?!“ brachte dieser nur hervor und rutschte ein wenig näher. „Weißt du doch.“ Er hatte eine einzige Chance. Er durfte nicht rückfällig sein. Musste ihn abweisen, wie er abgewiesen worden war und den harten Mann markieren. „Nagst du immer noch daran? Ich hab dir doch gesagt, dass es für mich okay ist, wenn es Freundschaft bleibt. Obwohl du… es mir gesagt hast.“ Er tat eindeutig so, als wäre sein Liebesgeständnis eine Art Frevel gewesen. Er … "Freundschaft?! Ich will keine Freundschaft mit dir!“ Akira rückte näher. Zu nah. Er streckte aus Reflex heraus den Arm aus und wollte eine Strähne aus dem Gesicht des jungen Mannes wischen, aber er hielt mitten in der Bewegung inne und riss die Finger zurück. Finger, die so verdächtig nah gewesen waren. „Verdammt! Versteh doch! Ich kann nicht mit Männern. Ich liebe meine Freundin einfach und du bedeutest mir auch viel! Aber nicht so viel!“ Er hatte es endlich geschafft ihn aus der Reserve zu locken. Endlich kam etwas Temperament zum Vorschein. Er setzte dazu an einen Gegenschlag zu riskieren, aber er wurde abgewürgt. „Ryu! Wieso musst du alles so schwierig machen?! Ich möchte dich nicht verlieren! Wir sind schon … lange Freunde. Wieso möchtest du diese Freundschaft opfern?!“ Der schwarzhaarige Japaner schob trotzig die Unterlippe hervor. Starrte seinen neugeborenen Kontrahenten aus glasigen Augen an. „Du hast mich geküsst!“ Seine eigene Anklage. Lange abgewogen und jetzt hervorgebracht. „Du kannst mir nicht sagen, dass es dir nichts bedeutet hat!“ Akira legte den Kopf zur Seite, kurz schien es, als wolle er einen Lachanfall unterdrücken und er beherrschte sich vortrefflich. „Ryu – sei nicht so naiv. Das war Fanservice. Das war doch nicht persönlich.“ „Und was machte dann diese Hand in meinem Ausschnitt?!“ Er fauchte – schon wieder. Er wurde in die Enge getrieben. Unweigerlich. Dabei wollte er anklagen und nicht in die Defensive getrieben werden. „Weißt du wie die Mädels in der ersten Reihe gekreischt haben?! Sie finden dich einfach unwiderstehlich.“ Dieser Blödmann wagte es! Er setzte zu einer Geste an. Strich sich mit der rosigen Zungenspitze über die Unterlippe. Neckisch, lasziv, fordernd und bewusst grausam. „Es hat aber keiner gesehen!“ Akira fühlte sich verletzt. Bestimmt fühlte sich verletzt. Aber es war so. Es hatte keiner gesehen. Es war kein richtiger Fanservice gewesen. „Und wenn schon?! Dir hat es eindeutig gefallen. Muss ich mich für alles rechtfertigen?!“ Treffer. Versenkt. „Ich… Akira… Ich glaube… ich werde Plastic Tree verlassen. Ich kann weder Tadashi noch Hiroshi mehr leiden und wenn du mich abweist, dann möchte ich dich einfach vergessen.“ Erneuter Treffer, weiter ins Schwarze. Akira rutschte nun zum äußersten Rand der Couch zurück und er hob eine Augenbraue. Verwirrt. Genauso verwirrt wie er. Hatte er das wirklich ernst gemeint? Diese Band war sein Leben, oder ein ziemlich großer Teil seines Lebens. „Unsere privaten Probleme haben damit nichts mehr zu tun und das mit den anderen Zwei renkt sich schon wieder ein.“ Er klang entsetzt. Genauso wie in dem Augenblick, als er Ryu’s Aussage von der Liebe am vergangenen Abend realisiert hatte. „Nein, tut es nicht.“ Er besah seine Fingerspitzen. Wollte nicht mehr reden. „Ich will nicht mehr streiten.“ „Du bist feige!“ Der Schwarzhaarige blickte den Brünetten misstrauisch an. „Na und, auch wenn ich es bin, hab ich kein Recht dazu?!“ Traf es Akira wirklich so sehr, dass er sie verließ? War das nicht auf groteske Weise eine Art von Zugeständnis? Akira senkte traurig sein Haupt. „Ich erkenne dich nicht mehr wieder. Du bist unser Ruhepol. Wenn du weg bist, wird es Plastic nicht mehr geben…“ Er klang so unglaublich enttäuscht. „Ich hab schon heute Morgen mit dem Manager gesprochen. Ab Morgen bin ich draußen.“ „Verräter.“ „Nein.“ „Doch.“ „Akira!“ „Ryu!“ „Hör auf! Du bist schuld!“ „Nein! Du läufst davon. Man kann alles klären!“ „Akira. Kannst du mich ein letztes Mal küssen?!“ Er ließ sich seine beiden Zeigefinger in der Mitte treffen und schaute besonnen auf diese Schnittstelle. „Ich…“ Er fing an zu stottern. „… wenn es dir peinlich ist, dann, kannst du dir nicht einfach vorstellen, ich wäre sie?!“ Er war baff. Es schien fast, als würde er ersticken. „Was hat denn – Ich muss mir nicht vorstellen du wärst sie. Aber… nur ein Kuss und auch nur, weil wir so lange Freunde waren. In Ordnung?“ Hetero. Durch und durch. Ryu begann den Traum von dem Leben mit Akira langsam zu begraben. Mit jeder imaginären Schaufelschippe mit Erde sank sein Herz ein wenig weiter in den Abgrund hinein. Es war keine gute Idee gewesen. Es war ihm unkontrolliert heraus gerutscht. Er hatte nicht nachgedacht und nun hielt ihn Akira bestimmt für einen notgeilen Spinner. Er hatte das Bedürfnis alles rückgängig zu machen. Er wollte sich in der Nähe des Anderen nicht so gezwungen fühlen. Solange, bis er dessen Mund auf seinem spürte. Dieser warme Atem, der sich mit seinem vermengte. Ein Kuss, bestimmt. Ein Kuss von vielen, die er schon von ihm bekommen hatte. Aber dieses eine Mal war er persönlich. An ihn gerichtet und es gab keine Rechtfertigung von Akira. Unter dem Motto – Es wäre alles für die Fans. Es war für ihn allein. Das Glücksgefühl strömte ungehindert durch seine Adern. Mischte sich mit dem Blut und dem Sauerstoff und obwohl er wusste, es würde einen geben und dann keinen mehr, konnte er es nicht mehr bezwingen, so sehr er auch die schwarzen Stunden danach ausmalte. Sein Körper erwärmte sich. Unweigerlich. Es drängte sich in ihm, dem Mund des Anderen noch näher zu kommen, sich an ihn zu schmiegen und sich in seine Umarmung fallen zu lassen. In die Umarmung, die nicht da war. Es kam ihm wie ein Jahr vor, vielleicht sogar länger, aber danach schloss Akira urplötzlich seinen Mund und drehte den Kopf fort von dem Sänger. Fast als würde er sich schämen. „Na dann. Ryu. Auf gute Zukunft.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)