A Memory in my Heart von Jami-san ================================================================================ Kapitel 1: I ------------ Autor: Jami-san (also ich...XD...) E-Mail: jami-san@gmx.de Thema: Eigene Serie/ Shounen Ai Genre: Drama, Romantik, Shounen Ai, Fantasy Part: 1/? Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha* (Und sie werden wie immer leiden *evilgrins*) Musik: Ja, ich hab dann doch mal beschlossen, mich irgendwie von meiner Sucht nach den PoT-Musicals und dem Bleach Musical zu lösen und habe beim Schreiben eine Zusammenstellung von verschiedenen Ghibli Soundtracks interpretiert von Kaoru Kukita gehört. Sehr schön entspannend und beruhigend. (Hätte ich weiter die Musicals gehört, wärs mit dem Schreiben wahrscheinlich wieder nix geworden XD) Widmung:Dieses erste Kapitel widme ich meiner lieben Brieffreundin Debi-chan, weil sie mich mit ihrer Geschichte dazu inspiriert hat endlich selbst mal wieder etwas zu schreiben. Dafür bin ich dir sehr dankbar! *knuddl* Kommentar: O.o Gott, eigentlich wollte ich ja gar nicht so viel schreiben. Aber irgendwie wurde es immer und immer mehr, und ich war immer noch nicht an der Stelle, bis wohin ich das Kapitel schreiben wollte. *drop* Dann muss ich noch darauf hinweisen, dass es für mich ungewohnt ist in dieser Erzählperspektive zu erzählen. Bisher hatte ich mich auf eine Person beschränkt, aus deren Sicht ich alles erzählt habe. Aber ich wollte einfach mal etwas Neues ausprobieren. Außerdem habe ich schon zu viel für die einzelnen Charaktere im Kopf, als dass es sich anders darstellen ließe. Ansonsten denk ich, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen! ^^ Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.< A Memory in my Heart I Schweiß rann ihm den Rücken hinunter, während er mit wachsamen Augen über die weite Ebene starrte, die sich vor ihm erstreckte. Die eine Hand zum Schutz der Augen erhoben, damit ihn die Sonne nicht blendete, wanderte sein Blick langsam von links nach rechts und wieder zurück. Nach jedem noch so verräterischem Zeichen hielt er Ausschau. Das Blitzen eines von Metall reflektierten Lichtstrahls, eine Staubwolke, die sich am Horizont abzeichnete oder ein anders geartetes Zeichen, dass sich die Truppe des Laohk-Clans nähern würde. Die Sonne hatte beinahe ihren Höhepunkt erreicht und brannte heiß auf die Erde. Die Luft über dem Boden flimmerte von der Hitze; am Himmel war nirgends auch nur eine Wolke zu erblicken. Die heiße Luft brannte in den Lungen beim Atmen und ließ den Menschen vergessen, dass es tatsächlich Sauerstoff war, den er da inhalierte. Die Existenz von Wind schien von der Natur vergessen. Die Maroh Ebene, die sich nordwestlich der gleichnamigen Stadt erstreckte, war wie ausgestorben. Eine Ausnahme bildete natürlich die kleine Truppe des Clans, dem Lestard angehörte, die in seinem Rücken lauerten und warteten. Warteten, dass endlich der lang ersehnte Kampf kommen würde und vielleicht dieses Mal die ebenso lang ersehnte Entscheidung fallen würde. Viel zu lange nun dauerte schon der Krieg der beiden verfeindeten Clans. Ein Kampf, der viele Opfer gefordert hatte und unter dem die Bewohner von Maroh litten. Allerdings war dies nur den wenigsten der Beteiligten klar. Lestard dagegen war sich dieser Tatsache nur zu deutlich bewusst. Immer noch wanderte sein Blick über die östliche Grenze der Ebene, an welcher der so genannte Nebelwald begann. Es wäre schwer die gegnerische Truppe rechtzeitig von dort zu sehen, weswegen die Wache seine volle Aufmerksamkeit erforderte. Jedoch fiel es ihm schwer die nötige Konzentration aufzubringen. Seit ihre Spione vor gut einer Woche gemeldet hatten, dass der Laohk-Clan sich zum Kampf zu rüsten schien, wirbelten die Gedanken in seinem Kopf hin und her und kamen niemals zur Ruhe. Dabei beschäftigte ihn nur eine Frage. Würde >er< unter den heutigen Kämpfern sein? Würde er >ihn< heute wieder sehen? „Du bist ein solcher Narr…“, flüsterte er zu sich selbst. „Es gibt jetzt Wichtigeres! Konzentriere dich auf deine Aufgabe!“ Er schlug sich leicht mit der Hand gegen den Kopf und zerzauste unwirsch sein hellbraunes Haar, als es ob es so möglich wäre die unliebsamen Fragen und Sorgen aus eben diesem zu verbannen und konzentrierte sich wieder auf seine Beobachtungsaufgabe, ohne zu bemerken, dass er selbst beobachtet wurde. „Er sieht nicht gut aus. Ich habe ihn schon lange nicht mehr so ernst und besorgt gesehen. Nicht seit damals…“ Eine junge Frau musterte Lestard mit aufmerksamen Augen, wie er dort auf der kleinen Anhöhe stand, und nach Feinden Ausschau hielt. „Von wem redest du?“, fragte ein Mann neben ihr, der gerade damit beschäftigt war noch einmal den Sitz seiner Rüstung zu überprüfen. Sie warf ihm einen leicht erzürnten Blick zu. „Von wem ich rede? Von deinem so genannten besten Freund!“ Aus ihren hellgrünen Augen schienen Funken zu sprühen. „Sie ihn dir doch an!“ Sie wies mit der Hand auf Lestard, der gerade seinen vergeblichen Versuch startete, sich seine Gedanken selbst aus dem Kopf zu prügeln. Auf ihre Geste hin wandten sich ein Paar sturmgrauer Augen Lestard zu. „Llynia, das ist nun mal nicht leicht für ihn. Immerhin ist nicht klar, ob >er< unter ihnen ist und mitkämpfen wird.“ Ein Seufzer, der irgendwo zwischen Mitleid und Resignation lag entrann Llynias Kehle. Unruhig begann sie mit einer Strähne ihres langen roten Haares zu spielen, wie immer, wenn sie nachdachte oder nicht weiter wusste. „Ich weiß, aber ich hatte gedacht oder vielleicht auch nur gehofft, dass er inzwischen doch darüber hinweg wäre.“ Sie zögerte kurz. „Vielleicht wäre es besser, wenn Lestard heute nicht mit hierher gekommen wäre.“, fügte sie schließlich mit etwas leiserer Stimme hinzu. „Das ist nicht dein ernst!“, ereiferte sich ihr Gesprächspartner. „Wir können auf Lestard nicht verzichten.“ „Ich weiß…, das weiß ich doch, Zylo. Es ist nur…ich habe so eine komisches Gefühl…, wie eine böse Vorahnung…“ Ihre Stimme wurde noch leiser, sodass Zylo Schwierigkeiten hatte die letzten Worte zu verstehen. Eigentlich hatte sie gar nicht darüber sprechen wollen. Irgendwann im Laufe der vergangenen zwei Jahre hatte sie festgestellt, dass das Aussprechen ihrer Vorahnungen häufig dazu beitrug, dass sie auch tatsächlich eintraten. Schwieg sie, trafen sie eindeutig seltener ein. Warum wusste sie bis heute nicht und Llynia war sich sicher den Grund dafür niemals zu erfahren. Früher war es so viel einfacher ein Gefühl in dieser Hinsicht von Gewissheit abzugrenzen. Zylo sah sie alarmiert an. „Vorahnung? In welchem Sinne? Vorahnung im Sinne von du hast einfach ein ungutes Gefühl oder eine richtige Vision?“ Forschend sah er ihr direkt ins Gesicht und erkannte, wie unwohl sie sich fühlte. Ja, wenn er sich nicht vollkommen täuschte, konnte er sogar so etwas wie Angst in ihren Augen lesen, bevor sie den Blick abwandte. Einige Sekunden des Schweigens entstanden bevor Llynia schließlich antwortete. „Es…es ist nur so ein Gefühl. Du weißt, dass ich…“ Sie sprach nicht weiter, als sie spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete und ihre Augen brannten. Es war auch nicht nötig. Zylo wusste auch so, was sie sagen wollte. Seine Hand verkrampfte sich zu einer Faust. Auch er hatte heute noch eine Rechnung zu begleichen. Verstohlen wischte die Rothaarige sich mit dem Handrücken über die Augen, bevor sie sich wieder Zylo zuwandte und ihn mit einem falschen Lächeln bedachte. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um über Vergangenes zu trauern. „Wahrscheinlich bilde ich es mir nur ein. Denk nicht weiter drüber nach.“ „Wie du meinst“, kam die zögerliche Antwort. „Es wird aber trotzdem nicht verkehrt sein, wenn ich mal mit Lestard rede. Vielleicht hilft es ihm ja.“ Er streichelte ihr kurz über die Wange, spürte, wie sie sich in seine Hand schmiegte und ein flüchtiges Lächeln umspielte seine Lippen. Dann drehte er sich um, atmete einmal noch tief durch und ging die paar Meter die kleine Anhöhe hinauf; ein Paar aufmerksame grüne Augen im Rücken. Lestard zuckte unwillkürlich zusammen, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte. Allerdings entspannte er sich sofort, als er Zylo erkannte und konnte nicht verhindern, dass sich ein leichtes Grinsen auf seine Lippen legte. Seine Augen wandten sich jedoch fast sofort wieder der Ebene zu und tasteten diese vorsichtig ab. Eigentlich war ihm jetzt nicht nach Gesellschaft zumute. Zylo ließ seinen Blick ebenfalls kurz suchend über die Ebene schweifen. Stellte jedoch mehr oder weniger beruhigt fest, dass es vom Laohk-Clan noch keine Spur gab. „Nervös?“, durchbrach er schließlich das Schweigen zwischen ihnen mit einem kurzen Seitenblick auf seinen Freund. Die Frage war in einem neckischem Tonfall gestellt, doch war Lestard klar, dass Zylo sie durchaus ernst meinte. „Nicht mehr, als vor anderen Kämpfen auch“, kam von ihm die ausweichende Antwort. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Zylo lediglich zweifelnd eine Augenbraue hochzog, ansonsten aber nicht weiter darauf einging. Lestard war ihm dankbar dafür. Die Wahrheit sah natürlich anders aus. Er war sich sicher, noch nie eine solche Angst vor einem Kampf verspürt zu haben. Er wusste, egal wie sehr es sich auch wünschte, dass es anders wäre, >er< würde unter den feindlichen Soldaten sein. >Er< würde nicht ruhen, ehe >er< ihn, Lestard, tot sehen würde. Gleichgültig ob sein Hass nun gerechtfertigt war oder nicht. Für >ihn< war er schuldig und obwohl er nun so viel Zeit hatte darüber nachzudenken, war ihm bis heute nicht eingefallen, wie er >ihn< vom Gegenteil überzeugen sollte. Ein trauriger Seufzer kam über seine Lippen, der Zylo dazu veranlasste seine Aufmerksamkeit wieder ganz Lestard zu zuwenden. Die Traurigkeit und den Schmerz, den er in Lestards dunkelblauen Augen las, gingen ihm durch Mark und Bein. Es tat ihm im Innersten seines Herzens weh, seinen besten Freund so leiden zu sehen. Ja, er hatte es gewusst, dass Lestard noch lange nicht darüber hinweg war. Die Situation, die zur Trennung von >ihm< geführt hatte, war ebenso sinnlos grausam. Nicht nur Lestard, auch er selber, Llynia und viele ihrer Kameraden konnten lange nicht begreifen, wie es soweit hatte kommen können. Im Ansatz konnte er nachempfinden, wie sich Lestard fühlen musste. Doch wirklich begreifen konnte es wohl keiner. Er wusste nur, dass die Trauer und der Schmerz seinen besten Freund langsam aber sicher zerstörten. Gleichzeitig wusste er, dass man einen solchen Verlust nicht von heute auf morgen überwinden konnte. Schon gar nicht unter den Umständen unter denen ihn Lestard erlitten hatte. Gerne hätte er etwas gesagt, um Lestard zu trösten. Jedoch gerade als er dazu ansetzen wollte, kam ihm Lestard selbst zuvor. „Ha, wir werden diesen Schwachmaten schon zeigen, wer hier das sagen hat!“ rief er und warf sich in die Brust. Jegliche Traurigkeit war aus seinem Blick verschwunden. Stattdessen hatte sie Selbstbewusstsein, Lebensfreude und einer Spur von Hohn Platz gemacht. Das war die Maske, die Lestard immer zur Schau trug, weil ihn jeder so kannte. Lebensfroh, fröhlich, lachend und etwas laut. Nun war die Reihe an Zylo zu seufzen. Diese Maskerade störte ihn, glaubte er doch, sein Freund vertraue ihm nicht genug, um ihm seine wahren Gefühle anzuvertrauen. Lestard zog in gespieltem Erstaunen die Augenbrauen hoch. „Was denn? Zweifelt der Herr etwa? Du brauchst dir keine Sorgen zu machen! Die sollen sich nur her trauen!“ Spielerisch ließ er sein Schwert aus der Scheide gleiten und zerteilte mit ein paar Hieben die Luft vor ihm, um seine Kampftauglichkeit gleich zu demonstrieren. Zylo konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln und traurig zu grinsen. „Wem glaubst du eigentlich etwas vormachen zu können?“ Lestard hielt in seinen Kampfübungen inne, seine Miene nun merkwürdig verschlossen. Ein leichtes Lüftchen regte sich und brachte die stehende Luft in Bewegung, was sie seltsamerweise noch stickiger werden ließ, anstatt etwas Abkühlung zu verschaffen. Ernst blickten sich die beiden Freunde an. Jeder wusste auf unbestimmte Weise in welche Richtung die Gedanken des jeweils anderen gingen. Wieder war es Zylo, der das Schweigen brach. In einer Lautstärke, so dass Lestard die Worte schon fast von seinen Lippen ablesen musste, stellte er die entscheidende Frage. „Was tust du, wenn du Damion heute begegnen solltest?“ *** Einige Kilometer entfernt, in der Nähe des Randes vom Nebelwald, waren die Truppen des Laohk-Clans inzwischen fast vollständig aufmarschiert und formiert. Der bevorstehende Kampf wurde mit Spannung erwartet. Natürlich waren die laohkanischen Spione nicht weniger aktiv gewesen, als die des Rhelan-Clans, sodass auch der Laohk-Clan fast vollständig über die Aktivität seiner Feinde im Bilde war. Überall sah man Männer noch ein letztes Mal prüfend über ihre Klingen streichen, ihre Schilde kritisch begutachten oder die Bögen noch ein letztes Mal spannen. Trotz des beschwerlichen Marsches, den sie schon hinter sich hatten, fühlten sich die wenigsten von ihnen erschöpft. Fast die ganze letzte Nacht hatten sie sich am Rand des Nebelwaldes entlang geschlagen. Immer darauf bedacht in der Nähe der vordersten beiden Baumreihen zu bleiben und nicht näher in den Wald hinein zu geraten. Es war allgemein bekannt, dass, wer einmal zu weit in den Wald hinein gelangt war, nie wieder herauskommen würde. Egal welche Jahreszeit gerade war, im Nebelwald herrschte immer ein nahezu undurchdringlicher, silbern glänzender Nebel, welchem der Wald auch seinen Namen verdankte. Die Bäume waren von unterschiedlichster Art und Tausende von Jahren alt. Dementsprechend waren sie sehr hoch und verwachsen. Überall von Moosen und Flechten überwuchert, erschienen sie gerade nachts völlig lebendig, malten sich doch dann die unterschiedlichsten Gesichter und Fratzen auf ihren Rinden ab. Obwohl die Soldaten größtenteils gestandene Männer waren und sich nicht einer unter ihnen befand, der es offen zugegeben hätte, so war diese Nacht des Marsches eine der längsten ihres Lebens gewesen. Die Geräusche die aus dem Wald drangen, gepaart mit eben jenen unheimlichen Schattengesichtern und –illusionen hatten bei vielen von ihnen an den Nerven gezerrt. Allerdings nicht genug, um ihrer Blutgier und Mordlust auch nur geringfügig zu mildern. Selbst ein weniger guter Beobachter konnte das gefährliche Blitzen in den Augen nicht übersehen. Besonders in dem dunkelgrünen Paar eines jungen Mannes konnte man mehr als unverhohlene Kampflust lesen. In ihnen vereinten sich Wut, Schmerz, Trauer und ein unbeschreiblicher Hass, der sich auf jede Faser seines Körpers zu übertragen schien. Ungeduldig spielten seine Hände mit den Zügeln seines Pferdes, während er stur geradeaus auf die Maroh Ebene starrte, den Punkt fixierend, wo sie scheinbar mit dem Himmel zusammen stieß. Er wusste, dass sie dort warten würden, bis sich ihre eigenen Truppen in Bewegung setzen würden. Dies sollte also der Ort sein, an dem er endlich Rache nehmen würde. Ein nahezu grausames Grinsen voller Erwartung begann sich auf seinen Lippen abzuzeichnen. Jedoch konnte es die Traurigkeit, die sich gleichzeitig darin versteckte, nicht vollständig verbergen. Eine behandschuhte Hand, die direkt vor seinen Augen wedelte, riss ihn aus seiner angespannten Starre. Eigentlich brauchte er den Kopf gar nicht zu wenden, um zu wissen, wer neben ihm Halt gemacht hatte, ohne dass er selbst es bemerkt hatte. Dennoch tat er es und seine Augen trafen auf ein Paar blaugrüner, in denen sich ein unbeugsamer Kampfwille vermischt mit Arroganz widerspiegelte. Es war ein Gesicht, das er schon sehr lange kannte und das doch wieder so anders war als... ja, als was eigentlich? ‚…als das, wonach du dich sehnst!...’, flüsterte ihm eine hinterhältige Stimme in seinem Hinterkopf zu. Nur ganz kurz, und so leise, dass der Gedanke schon wieder weg war, kaum das er ihn auch nur hatte greifen können. Wie immer, wenn Damion in diese blaugrünen Augen schaute, blieb nur ein unbestimmtes Gefühl der Beklemmung zurück, dass er nicht weiter zu interpretieren im Stande war. „Was ist los, Kleiner? Hab ich was im Gesicht, oder warum starrst du mich so entgeistert an?“, wurde er von der tiefen Stimme seines Gegenübers erneut aus seinen Gedanken gerissen. Es klang nicht böse, eher ein wenig belustigt; gleichzeitig war sie bar jeglichen Gefühls. Damion machte eine unwirsche Geste mit der Hand, die seinen Unmut zum Ausdruck brachte. „Du sollst mich nicht immer ‚Kleiner’ nennen!“, maulte er, wie ein kleines Kind. „Du weißt genau, dass ich das nicht mag, Thoras.“ Er hatte jetzt absolut keine Lust auf solche Spielchen. Es gab wesentlichere Dinge, auf die sie sich jetzt zu konzentrieren hatten. Missmutig blies er sich eine Strähne seines schwarzen Haares, die ihn störte, aus dem Gesicht, während er also versuchte Thoras so gut es ging neben sich zu ignorieren und wandte seinen Blick wieder der Ebene vor sich zu. „Mach dir keine Sorgen. Heute werden sie dafür bezahlen, was sie angetan haben! Heute wird der Rhelan-Clan untergehen und du wirst endlich seinen Tod rächen können.“ Der belustigte Ton war aus Thoras Stimme verschwunden. Er sprach ganz ernst und ruhig mit einem gewissen Nachdruck. Damion sah ihn auch weiterhin nicht an. Wenn er es getan hätte, wäre ihm vielleicht das hinterhältige, schadenfrohe Aufglimmen in Thoras Augen aufgefallen, mit denen er ihn aufmerksam musterte. Ja, auch für ihn war heute ein großer Tag. Denn noch vor Sonnenuntergang würde er diesen Mann endgültig besitzen und niemand könnte ihn ihm mehr entreißen. ‚Lestard, du hast verloren!’ Ein diabolisches Grinsen zog Thoras Lippen auseinander. Damion bewegten ähnliche Gedanken. Endlich, nach zwei langen, für ihn fast endlose Jahre hatte er die Möglichkeit den Tod seines Bruders zu rächen und dessen Mörder zur Rechenschaft zu ziehen. Nie würde er diese Nacht vergessen. Diese eine Nacht, die alles für ihn verändert hatte; in der das Vertrauen in den Menschen, der ihm alles bedeutet hatte, bis ins tiefste erschüttert und zerstört wurde; in der sich für ihn alles als Lüge heraus stellte, woran er geglaubt hatte; in der aus Liebe ein unergründlicher, alles verzehrender Hass wurde. ...dunkle Gassen… Regen, der unaufhörlich fällt… von überall ertönen Schreie, Rufe, das Geräusch sich kreuzender Klingen… …rauschendes Blut in den Ohren… überdeutlich hallt der eigene keuchende Atem wider… Angst… Nervosität… Hoffnung… …das Geräusch von Schritten, die sich von hinten näheren… ein Körper, der sich schützend vor ihn wirft… „Lauf Damion! Lauf weiter!.... Ich halte sie auf!“ …Tränen… ein heftig schlagendes Herz… Schmerzen… …laufen… weiter, immer weiter… so schnell es geht… …Zweifel… …Umkehr… …totale Lähmung… „Wenn du wüsstest, wie lange ich auf diesen Augenblick gewartet habe!“… höhnisches, kaltes Gelächter… „STIRB!“ …ein Schwertstreich… ein stummer Schrei… …das Gesicht des Mörders… in der Dunkelheit leuchtende blaue Augen… …kalt… höhnisch… trunken vor innerer Erregung… …seine Augen… sonst voller Liebe… jetzt voller Hass… …dann Nichts… Unwirsch schüttelte Damion den Kopf, als sich die vergangen Bilder gegenseitig durch seinen Kopf jagten. Er hatte nie ganz verstanden, was in dieser Nacht geschah. Immer, wenn er sich genauer zu erinnern versuchte, waren höllische Kopfschmerzen die Folge. Sein Körper wehrte sich offensichtlich dagegen, alles noch ein mal zu erleben. Und doch; die wenigen Bilder, die immer wieder den Weg aus seinem Unterbewusstsein an die Oberfläche fanden, reichten vollkommen aus, um seinem Hass Nahrung zu geben und ihn weiter zu treiben, ihn zu überzeugen, dass er jetzt auf der richtigen Seite stand. Er spürte, wie sich eine schwere Hand auf seine Schulter legte und einen sanften Druck auf sie ausübte. „Denk nicht zu viel nach. Lass dich von deinen Gefühlen leiten“, sagte Thoras mit ruhiger Stimme. „Glaub mir, dann wird alles gut. Alles wird so werden, wie es werden soll.“ Ein undefinierbares Lächeln umspielte seine Lippen. Damion schenkte Thoras einen dankbaren Blick. So gut es vom Pferd aus ging, beugte er sich zu ihm hinüber und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Allerdings fing sein Pferd bei dieser Aktion an nervös zu tänzeln, sodass er gezwungen war schnell wieder von Thoras abzulassen. Für einen Außenstehenden kaum erkennbar, doch von Thoras aufmerksamen Augen keineswegs unbemerkt, hatte das lodernde Feuer in Damion neue Nahrung bekommen und brannte stärker als jemals zuvor. Thoras war sich sicher. Die Zeit des Erwachens war nah. *** Alles lief von Anfang an so ab, wie Lestard es befürchtet hatte. Es hatte noch einige Stunden gedauert, ehe die Armee des Laohk-Clans aufgetaucht war. Wie erwartet hatten sie sich tatsächlich die Strecke entlang des Nebelwaldes gewagt. Lestard war deswegen überrascht gewesen, hätte er ihnen doch niemals so viel Mut zugetraut. Aber anscheinend konnte die Zeit doch einige Dinge ändern. Auf das übliche Treffen der Truppenführer wurde in einer Art stillschweigendem Einverständnis verzichtet. Es wäre auch müßig gewesen zu erfragen, ob eine der beiden Parteien bereit war, die Schlacht kampflos aufzugeben. Wäre dies der Fall, hätten sie sich den Krieg der letzten Jahre ersparen können, unter dem im Endeffekt doch nur die allgemeine Bevölkerung litt. Lestard hoffte nicht nur für sich und den Clan, sondern für die Bewohner der ganzen Provinz, dass die Fehde bald beigelegt werden würde. Vor allem aber musste ein Macht- und Einflussgewinn des Laohk-Clans verhindert werden. Die Schlacht war blutig und forderte auf beiden Seiten eine hohe Anzahl von Opfern. Lestard zählte schon lange nicht mehr, wie viele Schädel er gespalten, Gliedmaßen von ihren Besitzern abgetrennt oder ganze Körper in der Mitte zerschlagen hatte. Genauso wenig spürte er die eigenen Wunden. Einem riesenhaften Hünen war es tatsächlich gelungen seinen Brustpanzer zu zertrümmern. Dafür war sein eigener Körper nun von der Schulter bis zum Bauchnabel gespalten. Lestard selbst hatte einige Kratzer im Gesicht, die immer noch leicht bluteten. Ein Speer hatte ihn übel am Bein erwischt und auch so fanden sich über seinen gesamten Körper verteilt zahlreiche Schnitt- und Schürfwunden. Doch körperlicher Schmerz war schon lange bedeutungslos für ihn geworden, da er ohnehin niemals stärker sein konnte, als die Qualen, die sein Herz ertragen musste. Fast hätte er den Hieb mit der Streitaxt nicht kommen sehen. Im letzten Moment schaffte er es mit einer Drehung auszuweichen und den Schwung gleichzeitig zu nutzen, um sein Schwert seinem Gegner seitlich in die Schulter zu stoßen. Während sein Gegner durch die Wucht seiner eignen Attacke und den unerwarteten Schwerthieb kurz taumelte, besann sich Lestard nicht lange. Instinktiv ging er aus der Drehung in einen Frontalangriff über und rammte sein Schwert in den massigen Körper vor ihm. Blut spritzte und der grobschlächtige Kerl stieß einen gurgelnden Schrei aus. Ruckartig drehte Lestard kurz die Klinge herum, ehe er sie aus seinem Opfer herauszog. Der grobschlächtige Kerl ging zu Boden. Etwa zum gleichen Zeitpunkt, nur wenige Meter von Lestard entfernt, machte auch Damion einen seiner Feinde nieder. Flüchtig meinte er, dass Gesicht des Mannes, dessen Kopf er eben mit einem sauberen Schwertstreich abgetrennt hatte, zu kennen. Ja, er war sich sogar fast sicher, dass er ihm einmal beim Tragen von Wassereimern geholfen hatte. Wieder flammte ein kurzes Unwohlsein in ihm auf. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, er eigentlich gar nicht hier sein sollte. Nicht so. Doch genauso schnell, wie es gekommen war, verschwand es auch wieder. Sein Pferd hatte Damion schon ziemlich früh im Laufe des Kampfes einbüßen müssen. So kämpfte er sich zu Fuß durch die Männer, immer auf der Suche nach einem einzigen. Die Luft um ihn herum war erfüllt von Schreien, schmerzerfüllten wie aggressiven, sterbende wie auftrumpfende. Die Hitze des Tages war nicht verflogen und es war schwer mehr als drei Schritte weit zu sehen, da die Krieger den Boden aufgewühlt hatten. Der Staub biss in den Augen und erschwerte das Atmen. Überall lagen Leichen und Verletzte in ihrem eigenen Blut und dem ihrer Kameraden und Feinde. Der Geruch von Schweiß, Dreck und des roten Lebenssaftes war so intensiv, dass man ihn förmlich schmecken konnte. Er wandte sich um, auf der Suche nach dem nächsten Rhelan-Anhänger, der es wagte seinen Weg zu kreuzen. Er sah, wie einer der Leute vom Laohk-Clan, der mit dem Rücken zu ihm stand, von vorne aufgespießt wurde. Ein kurzer Ruck ging durch den massigen Körper, ehe er schließlich dumpf auf den Boden fiel. Die Sicht auf dessen Mörder wurde frei, und Damion spürte deutlich, wie sein Herzschlag einen kurzen Moment aussetzte, nur um dann mit der zehnfachen Geschwindigkeit zurückzukehren. Er blickte direkt in das Gesicht von Lestard, der seinen Blick mit einer Mischung aus Unglauben, Trauer und unterdrücktem Zorn erwiderte. Die Zeit stand still. Das Getöse um sie herum spielte keine Rolle mehr; war vollkommen in Vergessenheit geraten. Zwei Paar Augen tasteten das Gesicht des jeweils anderen ab. Vorsichtig, lauernd, verzweifelt Ausschau haltend, nach etwas, was sie vor zwei Jahren verloren hatten. Ziellos, unstetig wanderten sie hin und her, wobei sie eins aufs Tunlichste vermieden: eine direkte Begegnung mit den Augen des anderen. Sowohl in Damions als auch in Lestards Innern war eine regelrechte Angst vor dem Moment erwacht, in welchem sich ihre Augen unweigerlich treffen würden. Keiner konnte einschätzen, welche Folgen dies für sein Seelenleben bedeuten würde; welche Gefühle durch einen einzigen Blick wach gerufen werden konnten. Und doch geschah, was unweigerlich geschehen musste. Es war nur der Bruchteil einer Sekunde von Nöten, und schon waren sie Gefangene der Seelenspiegel des jeweils anderen. Sowohl in Damion als auch in Lestard breitete sich ein merkwürdiges, nicht weiter definierbares Gefühl aus. Beide konnten in den Augen des Anderen so viel erkennen, was ihnen so vertraut war; was sie in den beiden Jahren so sehr vermisst hatten. Gleichzeitig erkannte jeder die Veränderung, die statt gefunden hatte. Es war etwas Fremdes in den Blicken, was sie nicht zu greifen in der Lage waren. Die Magie des Augenblicks hielt sie gefangen. Damion konnte es nicht verhindern. Unweigerlich tauchte er in das dunkle Blau von Lestards Augen ab. Blau. Dunkelblau, wie das Blau der Nacht. Die Nacht, die Angst bedeutete. Nacht, die Schmerz verursachte. Die Nacht, die seinen Tod brachte. Ein Schrei brach sich aus dem tiefsten Innern seiner Seele einen Weg; stürmte hinaus in die Welt. Etwas in Damion war zersprungen. Die Splitter des Gefühls, das er hatte, als er eine gewisse Kälte in Lestards Augen zu erkennen glaubte, rissen die alten Wunden auf, die trotz der Zeit nie vollständig verheilt waren. Der Schrei, voll Wut, Zorn und Hass, durchbrach die fesselnde Magie, die sie beide gelähmt hatte. Von einer Sekunde auf die andere existierte wieder eine Welt um sie herum. Alles war wieder da, die kämpfenden Clananhänger, der Staub, der Dreck, die Hitze und der Gestank. Mit flammenden Augen stürzte sich Damion auf Lestard. Keinerlei Zurückhaltung lag in seinem Angriff. Das Schwert, zum Zuschlagen bereit, hatte er über dem Kopf erhoben. Aus jeder seiner Bewegungen sprach die pure Mordlust. Oh ja, er wollte Blut sehen. Sein Blut! Das Blut des Mannes, der seinen geliebten Bruder auf dem Gewissen hatte. Fast hätte Lestard zu spät reagiert. Doch noch im allerletzten Moment gelang es ihm sein eigenes Schwert hochzureißen und somit die Attacke Damions abzuwehren. Das Kreischen von aufeinander treffendem Stahl durchdrang die Luft, um schließlich in den wilden Geräuschen der Schlacht um sie her vollkommen unterzugehen. Der Aufprall der Schwerter war so heftig, dass sogar einige Funken aufglimmten. Lestard erschrak vor der Entschlossenheit des Angriffs. Doch nicht so sehr, wie vor der Mordgier, die er in Damions Augen lesen konnte. Sekundenbruchteile waren sie sich sehr nah, stemmten sich gegeneinander, bevor sie beide ein Stück zurückweichen mussten. Lestard wollte etwas sagen, doch ließ ihm Damion kaum Zeit um überhaupt wieder zu Atem zu kommen. Erneut stürzte sich der Schwarzhaarige auf seinen ehemaligen Geliebten. Wiederum parierte Lestard den Schwerthieb nur knapp und zeigte keinerlei Ambitionen seinerseits zu einem Gegenangriff überzugehen. Ihre Klingen verharrten gekreuzt. Lestards dunkelblaue Augen trafen auf die dunkelgrünen Damions. In ersteren stand Schmerz, Unverständnis und Trauer, in letzteren Wut, Zorn, und Hass. „Verteidige dich vernünftig, oder du stirbst schneller, als dir lieb ist!“, zischte Damion. Lestard schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht gegen dich kämpfen.“ Keine Emotion, die ihn bewegte konnte man aus seiner Stimme heraushören. Es war eine sachliche Feststellung. Etwas, was so natürlich war, wie, dass jeden Tag die Sonne auf und wieder unter ging. „Ahhhh!“ Wieder brach ein Schrei aus Damion heraus. Verzweiflung, Wut, Hass. Immer und immer wieder führte er einen Schwertstreich nach dem anderen gegen Lestard aus. Und immer und immer wieder parierter dieser sie erst im letzten Augenblick, um so zu verhindern, dass er verletzt wurde. Doch kein Angriff seinerseits folgte. „Warum? Warum greifst du mich nicht an? Warum konntest du ihn damals so einfach töten? Was hält dich jetzt davon ab, mich genauso umzubringen?“ Ein gewisser Widerwillen schwang in Damions Worten mit. Tief in seinem Innern, vergraben unter all den negativen Emotionen, die er über die Jahre geschürt hatte, gab es in ihm einen winzigen Teil, der nie hatte glauben wollen, dass Lestard der Mörder seines Bruders war. Der Lestard, den er geglaubt hatte zu kennen, über alles geliebt hatte, hätte nie etwas getan, was ihn so verletzte. Und doch stand er ihm jetzt mit gezogenem Schwert gegenüber. Führte einen Angriff nach dem anderen aus und konnte einfach nicht mehr zurück, weil er den Weg jetzt schon so weit gegangen war. Ein Feuer brannte in seinen Augen, in dem sich alles widerspiegelte, was gewesen war, und was ihn in diesem Augenblick bewegte. Lestard schüttelte schon beinahe resignierend den Kopf. „Wie kommst du nur darauf? Wie kannst du glauben, dass ich ihn hätte töten können? Nicht nur, dass Jendraél dein Bruder war, nein, er war auch mein Freund. Was haben sie dir nur erzählt? Was haben sie dir eingeredet? Womit konnten sie dich nur von einer solchen Idee überzeugen?“ Etwas Flehendes trat in seinen Blick und seine Stimme. „Verdammt, Damion, du musst mir glauben! Ich habe ihn nicht umgebracht!“ Damion schüttelte den Kopf. Er war verwirrt. So viele Dinge schossen ihm durch den Kopf. Verschwommene Erinnerungen: Bilder ihrer fröhlichen gemeinsamen Zeit, Bilder jener Nacht, Wortfetzen von Dingen, die Thoras ihm gesagt hatte. Alles hatte doch so gut zusammen gepasst. Aber warum konnte er das Leuchten in Lestards Augen nicht ignorieren? Weshalb sah er genau, ohne es wirklich wahrzunehmen, dass diese Augen nicht logen? „Du elender Lügner“, flüsterte er so leise, dass Lestard ihn kaum verstand. „Du verdammter Lügner! Steh gefälligst zu den Dingen, die du getan hast!“, brach es schließlich aus ihm heraus. Ohne Vorwarnung kamen ihm Thoras frühere Worte in den Sinn. >Denk nicht zu viel nach. Lass dich von deinen Gefühlen leiten. Glaub mir, dann wird alles gut. Alles wird so werden, wie es werden soll.< Eine unheimliche kalte berechnende Ruhe ergriff von ihm Besitz. Entschlossen hob er sein Schwert für einen letzten Angriff. Erneut stürzte er sich mit einem Kampfschrei auf Lestard, eigentlich davon überzeugt, dass dieser wieder im letzten Augenblick parieren würde. Lestard jedoch befand sich nicht mehr in der Lage überhaupt zu reagieren. Er konnte nicht mehr. Was nutzte es weiter zu kämpfen, wenn Damion ihm sowieso nicht glaubte? All seine Hoffnung hatte er darauf gesetzt, dass er ihn hier und heute irgendwie überzeugen würde. Ohne Damion hatte er einfach keine Kraft mehr. Warum hatte er nicht zuerst Thoras begegnen können, um diesen dazu zu zwingen Damion die Wahrheit zu sagen? Sein Blick war starr auf Damion gerichtet. Ein ironisches Lächeln lag auf seinen Lippen. ‚Wenn ich durch dein Schwert sterben darf, dann fürchte ich den Tod nicht. Es war uns also doch nicht vergönnt glücklich zu werden.’ Die Zeit hatte ihren normalen Fluss verloren. Sie spielte keine Rolle mehr. Die Geräusche um sie her waren merkwürdig verzerrt. Zwar hörten sie immer noch die Schreie, das Klirren und die dumpfen Schläge, aber sie waren unwirklich und nebensächlich. Alles schien sich nur auf diesen einen entscheidenden Augenblick zu konzentrieren. Damion rannte auf Lestard zu, die Spitze seines Schwertes genau auf dessen Herz gerichtet. Lestard hatte den Griff seines Schwertes mit beiden Händen umklammert zur Abwehr bereit. Doch in jener Sekunde, in der Damion schon damit rechnete das erneute Klirren von aufeinander prallendem Stahl zu hören, blieb der erwartet Widerstand durch die Klinge des anderen aus. Erschreckend mühelos fuhr sein Schwert in den Körper seines ehemaligen Geliebten. Ein warmer Schwall Blut spritzte ihm entgegen. Er spürte, wie es in einzelnen Bahnen sein Gesicht herab lief, sah, wie es neben seiner Klinge aus dem erbebenden Körper floss. Im letzten Augenblick hatte Lestard sein Schwert fallen lassen und den tödlichen Schwertstreich erwartet. Er spürte keinen Schmerz, als der blitzende Stahl in seinen Körper drang. Es war ehr ein unangenehmer Druck, der sich langsam auf seine Brust herabzusenken begann. Fast so, als ob ein schweres Gewicht langsam auf ihr ablegen würde. Seine Augen fixierten die von Damion, welche sich vor Schreck geweitet hatten. „Ich…ich schwöre dir…“ Es erschreckte ihn selbst etwas, wie schwer ihm das Sprechen fiel. Mit großer Anstrengung gelang es ihm eine Hand zu heben, und die Schwertklinge zu umfassen und sie noch weiter in seinen Körper zu schieben. Auf diese Weise war Damion gezwungen näher zu ihm heranzukommen. „Ich…ich…“ Ein Hustenanfall schüttelte Lestards Körper und förderte erneute den warmen roten Lebenssaft zutage. „Ich…habe…Jendraél nicht...nicht getötet…“ Eine winzige, atemlose Sekunde lang hielt er noch den Blick Damions gefangen, versank ein letztes Mal in diesen wunderschönen dunkelgrünen Augen, bevor er röchelnd zusammenbrach. In Damion zerbrach etwas. Seine Augen weiteten sich. Er spürte, wie sie sich mit Tränen füllten. Immer noch sah er die Verzweiflung in Lestards Augen, die nun geschlossen waren. Diesen verzweifelten Wunsch, dass er, Damion, ihm endlich glaubte. Konnte jemand der schuldig war in so einer Situation auf seiner Unschuld beharren? Niemals! Der Blick Lestards verfolgte ihn. Plötzlich brach die Gewissheit über ihn herein, dass Lestard die Wahrheit sagte. Ihm wurde bewusst, dass er die letzten zwei Jahre nach den Lügen des Laohk-Clans gelebt hatte. Zwei Jahre lang hatte sich sein ganz Hass auf die Person gerichtet, die er doch eigentlich liebte. Seine Sicht verschwamm weiter, als tausende von Tränen sich endlich ihren Weg in die Welt suchten. Seine Beine versagten ihren Dienst, wodurch er neben dem leblosen Körper von Lestard in die Knie sank. Fahrig, verzweifelt suchten seine Hände den Kontakt zu eben diesem. Vorsichtig strichen sie durch das verschwitzte und blutverschmierte Gesicht, streichelten durch die sonst so seidigen hellbraunen Haare. Auf die Berührung hin, öffneten sich Lestards Augen noch einmal. Erblickten das verzweifelte, traurige Gesicht des Schwarzhaarigen. Er versuchte etwas zu sagen, brachte jedoch nicht mehr als ein Würgen zustande, wobei er noch mehr Blut spuckte. Hastig schüttelte Damion den Kopf, um ihm zu signalisieren, dass er nicht sprechen solle. Schluchzend saß er da. Das Einzige, woran er denken konnte, war, dass er seinen Geliebten verraten, verleugnet und schließlich getötet hatte. Dass er den Menschen umgebracht hatte, der ihm neben seinem Bruder immer das Wichtigste auf der Welt gewesen war. Nur weil er zu naiv gewesen war und so dumm, auf die Lügen Thoas’ hereinzufallen. Damion spürte, wie sich eine kalte Hand auf seine Wange legte. Lestard streichelte ihn sanft und beruhigend. Alles, was zwischen ihnen gestanden hatte, war verschwunden, schien nie existiert zu haben. Die Mauer hatte Risse bekommen, hatte gebröckelt und war nun schließlich zusammengefallen. Damion glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als ihm klar wurde, dass Lestard ihn anlächelte. Wie konnte er das tun? Womit hatte er, Damion, solch eine liebevoll Behandlung verdient? Wenn etwas den Schmerz in ihm verschlimmern konnte, dann dieses zärtliche Verhalten. „…Lestard…“ Mehr konnte er nicht sagen, bevor seine Stimme unter heftigem Schluchzen ihren Dienst versagte. Mehr brauchte er nicht sagen. In diesem einen Wort lagen all seine Gefühle, die ihn in dieser Sekunde bewegten und Lestard verstand sie. Er hörte sie deutlich heraus: Das übergroße Schuldgefühl und die Reue, die Damion empfand. Der Schmerz, die Trauer, die Hilflosigkeit, die Verzweiflung und der Unglaube über die eigene Naivität und fehlende Einsicht. Es war ein Flehen nach Vergebung, die von Damion als niemals möglich gesehen wurde, die Lestard ihm aber schon längst hatte zukommen lassen. Ein letztes Mal leuchtete das dunkle Blau seiner Augen auf, als er dieses eine Wort, seinen Namen, vernahm, bevor das Leben in ihnen brach. Es war das letzte Wort, das er hörte, bevor sich seine Sinne aus der Welt zurückzogen und eine willkommene, auf merkwürdige Art vertraute tiefe schwarze Stille ihn in sich aufnahm. Beim Anblick des schwindenden Lebens in Lestards Augen spürte Damion, wie sein Herz auseinander gerissen wurde. Zurück blieb eine Leere, die keine war. In seinem Innern tobte ein Sturm, der ruhiger nicht hätte sein können. Er fühlte gar nichts bei all dem Chaos der Emotionen in ihm drin. Ihm wurde heiß. Unerträglich heiß. *** Plötzlich schoss inmitten des Schlachtfeldes auf dem sich der Laohk-Clan und der Rhelan-Clan bekämpften, ein riesiger Wirbel aus Feuer empor. Thoras betrachtete das Schauspiel aus sicherer Entfernung. Ein diabolisches Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Er ist also endlich erwacht.“ To be continued (?) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)