Minoru von lightnik (Seltsame Krankheit) ================================================================================ Kapitel 13: Die Kitsune ----------------------- „Los jetzt!“, grollte der Erste und wandte sich zum Gehen. Plötzlich durchschnitt etwas mit surrendem Laut die Luft neben ihm und bohrte sich neben ihn in den Baum. Yumi schrie vor Entsetzen auf und der Anführer der Wilderer taumelte erschrocken einige Schritte rückwärts. Halb benommen sauste er herum, um nach dem Angreifer Ausschau zu halten. Seine beiden Handlanger, Minoru und Kazuya drehten sich ebenfalls wachsam um. Einer der Wilderer, der nun das Schwert nur noch zitternd in der Hand hielt, riss die rot unterlaufenen Augen auf. „Ein…Ein…Ein Dämon!“, schrie er und stolperte ungeschickt nach hinten. Diesen Moment hätten Kazuya, Minoru und Yumi zur Flucht nutzen können, doch sie waren selbst wie erstarrt. Alle starrten nur das Wesen an, das hinter ihnen auf die Lichtung getreten war: Die Kreatur hatte pechschwarzes Fell und aus seinem zu einer grässlichen Grimasse verzerrtem Gesicht funkelten zwei wütende, glühendrote Augen. Er stand aufrecht wie ein Mensch, doch seine Hände glichen eher scharfen Klauen, die einen großen Bogen umschlossen, dessen Sehne bereits wieder gespannt war, jederzeit bereit ein weiteres, dieses Mal vielleicht tödliches Geschoss, abzuschießen. „Weg von den Kindern!“, knurrte die tiefe, raue Stimme des Dämons. Nun löste sich der Anführer aus seiner Erstarrung. Er hob die Armbrust an und zielte auf den Dämon, sein zweiter Handlanger hatte den Bogen ebenfalls auf das fremde Wesen gerichtet. „Was willst du mickriger Dämon denn schon allein gegen uns drei ausrichten? Wenn du deinen Pfeil abschießt, wird dich einer von uns sofort töten!“, grollte der Anführer fast schon belustigt. Kazuyas Blick konnte gar nicht schnell genug über die Lichtung jagen, wie dämonische Gestalten aus dem Dickicht sprangen, bis die Lichtung scheinbar von einer schwarzen Mauer mit unzähligen, roten Augenpaaren umschlossen war. Der Anführer der Wilderer verzog wütend die Mundwinkel, seinem zweiten Handlanger klappte die Kinnlade herunter und er ließ hilflos den Bogen sinken. Der Dritte warf jammernd das Schwert zur Seite und flehte um sein Leben. „Weg von den Kindern!“, dröhnte die Stimme des Dämons erneut. Der Anführer fluchte hasserfüllt, ließ aber dennoch seinen Blick noch ein Mal über die Lichtung schweifen. Doch als er einsah, dass seine Fluchtchancen gleich null waren und er bei jeder falschen Bewegung gleich von mehreren Dutzend Pfeilen durchbohrt werden würde, ließ auch er die Waffe fallen und entfernte sich von Kazuya und Yumi. Minoru, der noch etwas abseits von seinem Bruder und Yumi stand vergaß beinahe das Atmen. „Sie werden uns alle töten!“, dachte er bitter und warf Kazuya einen hilfesuchenden Blick zu. Der jedoch hatte sich schützend vor Yumi gestellt, obwohl es ohnehin aussichtslos war. Sofort, als die drei Männer auf Abstand gegangen waren, lösten sich mehrere Dämonen aus der schwarzen Masse, ergriffen Yumi, Minoru und Kazuya und rissen sie mit sich. Kazuya versuchte zwar, sich zu wehren, doch gegen die Übermacht der Dämonen kam selbst der muskulöse Schmied nicht an. Er warf einen besorgten und hilflosen Blick über die Schulter zu Yumi und Minoru, als die Dämonen sie mit sich zerrten. Yumis Gesicht schien wie eine steinerne Maske aus Angst. Minoru konnte er nicht mehr sehen, denn sofort trieben ihn die Dämonen zum Weitergehen an. Auch die drei Männer waren nicht zu sehen, offensichtlich waren sie mit den anderen Dämonen auf der Lichtung zurückgeblieben. „Aber warum?“, fragte sich Kazuya. Prompt bekam er die Antwort: Drei angstverzerrte Schreie ließen ganze Vogelschwärme aufgeschreckt davon flattern. Im selben Moment ertönte ein lautes, luftschneidendes Zischen wie vorhin, doch dieses Mal war es nicht nur ein Pfeil, sondern gleich mehrere Dutzend. Und dieses Mal, dessen war sich Kazuya sicher, verfehlte nicht einer sein Ziel. Irgendwo hinter Kazuya hörte er Yumi leise Wimmern. Plötzlich überkam auch Kazuya die gnadenlose Gewissheit, dass sie das gleiche Schicksal erleiden würden, wie die Wilderer. Kazuya schüttelte widerwillig den Kopf, ehe die düsteren Gedanken an einen grausamen Tod seinen Verstand vernebeln konnten. „Wenn sie uns hätten töten wollen, hätten sie uns ebenfalls auf der Lichtung lassen können…“, versuchte sich Kazuya einzureden. Mittlerweile kam das Rauschen des Flusses wieder näher. Minoru fragte sich, wo man sie wohl hinbrachte. Doch er wagte es nicht, zu fragen. Er bemerkte kaum, dass der Wald nun auch wieder etwas lichter wurde, der Boden feuchter und moosiger. Seine Gedanken schwirrten wie ein aufgebrachter Bienenschwarm in seinem Kopf. Plötzlich wurde er ruckartig an der Schulter festgehalten und zum Stehen gebracht. Ein stechender Schmerz durchfuhr seine Schulter ob der rücksichtslosen Brutalität. Minoru konnte ein schmererfülltes Ächzen gerade noch unterdrücken. „Ein einfaches Halt hätte es auch getan!“, dachte er grimmig. Jetzt erst registrierte Minoru, dass sie den Fluss nun wieder erreicht hatten. Der Dämon, der ihn gerade so unsanft gestoppt hatte, gab ihm noch einen kleinen Stoß, sodass Minoru ungeschickt nach vorn stolperte und nun in einer Reihe mit Kazuya und Yumi stand. Kazuya, der neben ihm stand, warf ihm sofort einen beschwörenden Blick zu, keinen Widerstand zu leisten. Minoru nickte widerwillig. Einer der Dämonen – er war offensichtlich der Anführer des kleinen Trupps – trat vor die drei, wandte ihnen aber den Rücken zu. Er machte irgendein Pfeifgeräusch, das – so fand Minoru – Ähnlichkeit mit dem Zwitschern eines Vogels hatte. Nur kurze Zeit später trat ein weiterer Dämon aus dem Dickicht. Er schien sich nicht großartig von den anderen zu unterscheiden: pechschwarzes Fell und ein unansehnliches Gesicht mit rotfunkelnden Augen. Was wurde hier gespielt? „Wir haben sie gefunden. Gerade noch rechtzeitig.“, berichtete der Anführer des Trupps mit tiefer Stimme. Plötzlich klang er nicht mehr so bedrohlich – oder kam es Minoru nur so vor? Der andere Dämon nickte. „Gut. Und die Wilderer?“, fragte er – oder besser gesagt sie, denn es war die sanfte Stimme einer Frau. Minoru, Kazuya und Yumi sahen die Dämonin alle leicht überrascht an. „Tod, wie du es wolltest. Wenn du willst, gehe ich schon mal voraus und sage Vater bescheid.“, entgegnete der männliche Dämon. „Ja. Richte ihm aus, dass wir in Kürze das Lager erreichen werden und in etwa ein oder zwei Tagen ankommen werden.“, antwortete die Dämonin. Der andere nickte und hob zum Abschied die Hand. Dann konnte Minoru nur noch staunend mitverfolgen, wie die schwarze Gestalt geschickt über einige größere Felsen sprang, die aus dem Fluss ragten und somit den Fluss überquerte. Ein Mensch hätte es niemals geschafft, die glitschigen Steine, die nur eine sehr unregelmäßige Brücke bildeten, zu passieren, ohne den Halt zu verlieren und dann von der unberechenbaren Strömung mitgerissen zu werden. Minoru verstand rein gar nichts mehr. Was hatten die Dämonen mit ihnen vor? Jetzt wandte sich die Dämonin ihm, Yumi und Kazuya zu. Eine ganze Weile stand sie einfach nur so vor ihnen und sah sie an. Minoru fühlte sich immer unbehaglicher. Von den anderen Dämonen rührte sich keiner. Schließlich hob die Dämonin unnötig langsam die Hand und…striff ihr schwarzes Fell zu Seite. Minoru hob verwirrt die Augenbrauen. Es war nur ein täuschend echter Umhang! In derselben Bewegung entledigte sie sich auch ihres furchteinflößendes Gesichtes – ein Maske! Unter der Fassade kam das wohl hübscheste Mädchen zum Vorschein, das Minoru jemals gesehen hatte. Auch Kazuya und Yumi, die sich jetzt offensichtlich von ihrem ersten Schock erholt hatte, sahen die Dämonin verblüfft an. Nachdem die blasse Maske mit den roten Augen und der grotesken Form nun nicht mehr ihr Gesicht verunzierte, konnte Minoru kaum glauben, dass ihm eine Dämonin gegenüberstand. Sie hatte ein hübsches, feingeschnittenes Gesicht und seidiges Haar, das in einem wallenden, braunroten Wasserfall über ihren Rücken floss und teilweise aufwendig geflochten war. Sie hatte eine zierliche Figur, aber dennoch zeichneten sich hier und da feine Muskeln ab. Ein schlichtes, braunes Kleid, das ihr bis zum Knie reichte und mit einer eleganten Schnürung am Rücken geschlossen wurde, schmückte ihren Körper. Minoru schätze, dass sie etwa im selben Alter war, wie er. Das einzige, was ihr dämonisches Blut verriet, waren die spitzen Ohren und die – wunderschönen – topasfarbenen Augen, wie sie kein Mensch haben konnte. Zwar hatte Kazuya ebenfalls recht helle Augen, die zwei dunklen, bräunlichen Bernsteinen glichen, doch das war kein Vergleich. Die Dämonin bemerkte Minorus bewundernden Blick und schenkte ihm ein umwerfendes Lächeln. Beschämt sah Minoru zu Boden. „Nun, es freut mich, dass wir uns endlich richtig kennenlernen.“, begann die Dämonin. „Mein Name ist Kasumi. Mein Vater ist das Oberhaupt der Kitsune – oder Fuchsdämonen, wie ihr uns nennt. Sicher wisst ihr es nicht, doch wir sind uns bereits begegnet.“ Kasumi hob ihren linken Arm. Leinentücher waren darum gewickelt und reichten vom Handgelenk bis knapp unter den Ellenbogen. Etwa in der Mitte des Arms zeichnete sich eine rote Linie auf dem Stoff ab. Plötzlich ergriff Yumi das Wort: „Es gibt eine Legende…Sie besagt, dass manche Füchse die Fähigkeit haben, menschliche Gestalt anzunehmen. Meine Großmutter erzählte, dass die Kitsune ebenfalls solche Gestaltenwandler sind. Diese Wunde…Bist du der Fuchs, den wir vor den Wilderern gerettet haben?“ Kasumi lächelte erneut. „Du weißt viel über uns, Yumi. Aber ich hätte auch nichts anderes erwartet, von Chiyokos Enkelin.“, meinte Kasumi. „Und ja, ich bin dieser Fuchs, den ihr vor einem grausamen Tod bewahrt habt. Ich habe mich unvorsichtigerweise zu weit ins das Gebiet der Menschen vorgewagt und bin nahe des Waldrandes in die Falle der Jäger getappt. Ich kann von Glück reden, dass ihr, Yumi, Kazuya und Minoru, mich gerettet habt. Dies rechne ich euch sehr hoch an, denn ich weiß, in welch eine Gefahr ihr euch begeben habt. Zumal es in diesen Zeiten, in denen Itachi eine Machtübernahme plant und den Hass der Menschen gegen alle Dämonen und besonders gegen uns Füchse schürt, nicht selbstverständlich ist. Ich stehe tief in eurer Schuld. Und in diesen düster werdenden Zeiten jemanden zu finden, der sich für den Frieden einsetzt, so wie ihr, ist gewiss ein Geschenk der Götter. Dies wusste ich vom ersten Moment an. Auch wusste ich, von welcher Bedeutung dieses Geschenk ist. Deshalb habe ich euch beobachtet, nachdem ich meine Wunde notdürftig versorgt hatte. Daher kenne ich nicht nur eure Namen, sondern auch die Absichten, in denen ihr losgezogen seid. Ich weiß, dass ihr herausgefunden habt, dass Sasuke, den wir alle als warmherzigen Menschen schätzen und der uns den Frieden brachte, von seinem eigenen Bruder vergiftet wird. Wir ahnten schon länger, dass Itachi finstere Pläne gegen seinen Bruder hegt. Doch wir konnten nichts tun. Wir wollen keinen neuen Krieg. Ich weiß, dass du, Yumi, uns um Hilfe ersuchen wolltest. Wir jedoch müssen euch ebenso um Hilfe bitten, denn ihr seid unsere letzte Hoffnung auf den Erhalt des Friedens – auch, wenn das sehr drastisch klingt. Deine Großmutter Chiyoko war bereits bei den ersten Friedensverhandlungen mittätig und wir hoffen, dass du, Yumi, als ihre Enkelin ähnliches erreichen kannst.“ Yumi nickte, griff in ihre Tasche und zog eine längliche Schriftrolle heraus. Sie war aus Pergament und ein rotes Band verschloss das Dokument. Behutsam löste sie es und rollte das Pergament auf. Es beinhaltete, so konnte man der Titelzeile entnehmen, den Vertrag über den Frieden zwischen Menschen und Dämonen. Am Ende des Pergaments prangten das Siegel Sasukes aus rotem Wachs und daneben der schwarze Pfotenabdruck eines Fuchses. „Meine Großmutter gab mir dies, als Beweis meiner friedlichen Absichten. Sie erzählte mir, dass Sasuke ihr dieses wichtige Dokument anvertraut hatte. Und sie wünschte sich, dass es niemals einen Anlass geben solle, der diesen Vertrag zunichte machen würden. Denn er sei schon mit zu viel Blut geschrieben worden.“, erklärte Yumi. Kazuya war erleichtert, dass sie jetzt offenbar weniger Furcht hatte und dennoch war er erstaunt, wie sich das Geschehen gewendet hatte. „Weise Worte! Doch dies ist wahrlich nicht der richtige Ort, um dies zu besprechen. Wir haben in der Nähe ein kleines Lager. Dort können wir uns ausruhen und reden.“, schlug Kasumi vor. Yumi, Minoru und Kazuya nickten dankbar, denn nach dieser Aufregung, sehnten sie sich nach ein wenig Ruhe… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)