Minoru von lightnik (Seltsame Krankheit) ================================================================================ Kapitel 20: Die Zeremonie ------------------------- Stille. Nur das leise Säuseln des Windes war zu hören. Alle Augen waren auf die drei Ratsmitglieder und die Menschen gerichtet. „Wir wurden bereits von eurem Anliegen in Kenntnis gesetzt.“, sprach Isamu. „Doch bitte, tragt uns noch ein Mal vor, aus welchem Grund ihr uns aufgesucht habt.“ Nach einem kurzen Blickwechsel mit Kazuya und Minoru trat Yumi zögerlich vor. „Wir ähm…“, sie atmete tief durch und fasste all ihren Mut zusammen. „Schon seit einiger Zeit spielen sich seltsame Dinge in unserem Dorf ab. Der Dorfherr Sasuke-sama ist an erkrankt. Sein Bruder – Itachi – hat seit dem die Rolle des Oberhauptes im Dorf übernommen. Seit dem treiben sich zwielichtige Gestalten im Dorf herum. Wilderer wurden früher bei uns nie gern gesehen. Doch plötzlich schleichen sie durch unseren Wald.“, Yumi warf Kasumi einen vielsagenden Blick zu. Mittlerweile trug Kasumi keinen Verband mehr um ihren verwundeten Arm, Wunden heilten bei Dämonen bekanntlich schneller. Doch die Spuren der Falle, die ihre scharfen Zähne in Kasumis Handgelenk gegraben hatte, zeichneten sich noch immer als weiße Narben auf ihrer Haut ab. Yumi fuhr fort: „Immer mehr Soldaten werden zur "Bewachung" des Dorfes aufgestellt, wer weiß wofür…Ich bin Heilerin. Meine Großmutter Chiyoko und ich verkehrten früher oft am Hof bei Sasuke-sama. Seit seiner Erkrankung versuchten wir, ihn zu heilen. Doch irgendwann begann Itachi, uns von seinem Bruder fernzuhalten. Es schien, als wolle er gar nicht, dass Sasuke-sama geheilt wird…Und vor einigen Tagen fand ich auch heraus warum. Itachi will ihn langsam vergiften. Als ich das letzte Mal bei Sasuke-sama war, um zu sehen, ob die bisherigen Heilmittel Wirkung gezeigt hatte, nahm ich einen seltsamen Geruch wahr. In den Unterlagen meiner Großmutter suchte ich nach einem Kraut oder einer anderen Pflanze mit diesem Geruch und schließlich stieß ich auf die hochgiftige Yámaiblume. Sie ist sehr selten und für ein Gegenmittel benötigt man noch seltenere Zutaten. Itachi wusste das genau und er wollte nicht, dass das irgendwer herausfindet.“, Yumi machte eine kurze Pause. In der Menge kam leises Raunen auf, welches jedoch abrupt wieder verstummte, als Isamu die Hand hob. „Sprich weiter, Menschenkind.“, bat das Oberhaupt der Kitsune. „Nun…Wir sind uns sicher, dass, sollte Sasuke-sama nicht bald wieder gesund werden, schlimme Dinge passieren werden. Wie bereits erwähnt, finden sich immer mehr Krieger in unserem Dorf ein. Ich vermute, Itachi sammelt sie für einen Angriff auf Euren Stamm und die anderen Dämonen des Waldes. Er hat noch nie einen Hehl aus seinem Hass auf die Dämonen gemacht…Egal wie…wir hatten allen Grund zu der Befürchtung, dass uns bald ein weiterer Krieg zwischen Menschen und Dämonen bevorsteht…Deshalb sind wir aufgebrochen, um das Heilmittel für Sasuke-sama zu finden, und um Euch um Hilfe zu bitten.“ Yumis Hand glitt in ihre Tasche und zog ein Pergament hervor – der Friedensvertrag, den Chiyoko aufbewahrt und Yumi mitgegeben hatte. Ein weiteres Raunen ging durch die Menge. Mit zittrigen Fingern überreichte Yumi das Dokument dem Anführer der Kitsune. Dieser nahm es entgegen und rollte es aus. Wieder Stille. „Dies zeigt eure guten Absichten.“, sagte Isamu nach einer Weile des Schweigens. Plötzlich erhob sich Senshi ruckartig von seinem Platz. „Mag sein, dass sie gute Absichten haben. Aber es sind Kinder! Wie sollten sie schon etwas gegen Itachi ausrichten können? Wir haben den Menschen bereits eine Warnung zukommen lassen, doch Itachi sammelt weiter seine Männer! Wenn wir noch lange warten, wird es zu spät sein! Noch können wir einen Kampf gewinnen, wenn wir jetzt handeln und angreifen!“, warf Senshi ein und sah seinen Klanführer ernst an. Yumi musste schlucken. Sie dachte an den Brand im Lagerhaus, welcher offensichtlich die Warnung der Kitsune war. Sie dachte an den Vorfall im Wald mit den Wilderern, an die dämonischen Krieger, an ihre Schnelligkeit und Stärke. Sie dachte an den ersten Dämonenkrieg zurück. Nein, womöglich hatten die Menschen im Dorf wirklich keine Chance, wenn sie jetzt angegriffen würden. Tränen stiegen ihr in die Augen. „Bewahr Ruhe, Senshi! Wir dürfen nicht überstürzt handeln! Wir müssen alles tun, um einen weiteren Krieg zu verhindern! Lasst uns versuchen, dieses Heilmittel zu finden!“, widersprach Yukiko und erhob sich nun ebenfalls. Sie war nur von kleiner Statur und doch schien Senshi soviel Respekt vor ihr zu haben, dass er sich nun wieder hinsetzte. Yukiko nickte ihm zu und wandte sich dann an Isamu. „Ich schlage vor, dass wir den Kindern eine Chance geben. Denkt an die furchtbaren Zeiten des Krieges damals…Wie viele musste ihr Leben lassen?! Noch heute höre ich die Schreie der weinenden Frauen und Kinder in meinen Träumen. Schreie von Füchsen und von Menschen. Schreie voller Angst und Verzweiflung. Schreie um ihre Väter, Mütter, Brüder, Schwestern, Freunde…So etwas darf nie wieder geschehen!“, fuhr Yukiko mit rauer Stimme fort. Schweigen. Betretene Blicke. Die Augen vieler Frauen füllten sich mit Tränen, manche schluchzten sogar. Kazuya und Minoru ballten unwillkürlich die Fäuste, als sie an ihre Mutter dachten. Für einen Moment kam der Schrecken der Kriegsjahre wieder hoch. Mittlerweile war es Nacht, die Sterne am schwarzen Himmel wurden nur von einzelnen Wolken bedeckt. Und obwohl der Mond hell schien, lastete die Dunkelheit plötzlich schwer auf den Schultern aller, denn sie erinnerte an die finsteren Zeiten im Krieg… „Was schlägst du vor, Schamanin?“, fragte Isamu und brach endlich das furchtbare Schweigen. Auch seine Stimme hatte einen kaum merklichen, melancholischen Unterton. Hatte er etwa auch jemanden verloren? Minorus Blick huschte zu Kasumi. Wie eine Statue stand sie neben den ältesten, den Blick auf Yukiko gerichtet, ihre Miene lediglich erwartungsvoll, nicht traurig. Und doch zitterten ihre Hände…Ob sie ihre Mutter ebenfalls im Krieg verloren hatte? Minoru wollte jetzt nicht über diese Frage nachdenken. „Hm…Wir sollten Inari um Rat bitten.“ Erneutes Raunen und Tuscheln, diesmal aufgeregter und lauter als zuvor. Yumi wechselte einen fragenden Blick mit Minoru und Kazuya. Isamu nickte. Yukiko verneigte sich leicht. „Ich werde die Zeremonie einleiten.“, krächzte sie. Anschließend gab sie Mei, die noch immer neben Minoru und Kazuya stand, ein Zeichen. Diese nickte, wandte sich um und verschwand in der Dunkelheit. Dommmmm… Wieder Trommeln. Das dumpfe Dröhnen leitete die Zeremonie ein. Minoru, Kazuya und Yumi hatten inzwischen ebenfalls am Rand Platz nehmen müssen. Yukiko saß nun nicht mehr an der Seite der zwei anderen Ratsmitglieder, sondern stand vor dem großen Lagerfeuer. Die Flammen bildeten einen glühendroten Kontrast zu der Schwärze der Nacht. Als Mei wiederkam, wurde sie von vier anderen Kitsune begleitet. Langsam erklomm der kleine Prozess die Hügelkuppe. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, als sie das obere Plateau des Reisberges erreichten. Mei hielt inne und verharrte schließlich am Rande der Versammlung. Die vier anderen traten in den Feuerschein, der ein orangefarbenes, flackerndes Licht auf ihre Körper warf. Ihre schmalen Gesichter waren mit seltsamen Zeichen bemalt. Minoru stieß seinen Bruder leicht mit dem Ellenbogen an. „Siehst du, ich hab doch gesagt, dass manche Kitsune so komische Zeichen auf ihren Gesichtern haben!“, wisperte er. „Verhaltet euch ruhig, ihr dürft die Zeremonie nicht stören!“, raunte Kasumi, die plötzlich hinter den Menschen stand. Beschämt und leicht erschrocken presste Minoru die Lippen zusammen. Kazuya zuckte mit den Schultern und beobachtete die vier Kitsune neugierig. Auch Yumi musterte die seltsamen Symbole. So viel im Schein des Feuers zu erkennen war, trugen die sie alle unterschiedliche Zeichen. Eine junge, hübsche Füchsin mit langem, wallendem Haar hatte ein wellenförmiges Symbol auf der Stirn. Auf den Armen eines anderen Kitsune befanden sich Muster aus Punkten. Zwei parallele Striche befanden sich auf den Schultern des dritten Kitsune. Dem letzten verzierten drei gezackte Linien die Wangen. Minoru hob eine Augenbraue. Dommmm… Die vier Kitsune ordneten sich auf ein Nicken von Yukiko um das Feuer herum an. Erst jetzt bemerkte Minoru, dass jeder von ihnen einen Gegenstand in den Händen hielt. Dommm… Wieder wurde das Trommeln schneller. Niemand wagte es auch nur sich zu räuspern. Dommm…Domm… Die Kitsune hoben den Gegenstand in die Höhe. Minoru kniff die Augen zusammen, um im flackernden Feuerschein etwas zu erkennen. Die Füchsin hielt eine Schale in den Händen. Neben ihr stand der Fuchs mit den Punkten, auch er hielt eine Schale. Ihr Inhalt war dunkel und sah wie Erde aus. Der mit den beiden Strichen hatte einen Dolch erhoben. Und der letzte von ihnen einen kleinen Beutel. Dommm… Enttäuscht darüber, dass er nicht mehr erkennen konnte, blickte er zu Yukiko. Domm… Sie hob die Hand. Der Wind säuselte über den Hügel. Dann schien die Luft plötzlich still zu stehen und der Wald hielt scheinbar den Atem an. Domm…Dommm…Dommm… Die Kitsune breiteten nun die Gegenstände vor dem Feuer aus. Jetzt erkannte es Minoru. In der ersten Schale musste sich Wasser oder ähnliches befinden, denn die rote Feuerglut spiegelte sich auf der Oberfläche einer Flüssigkeit. Der letzte Kitsune mit dem gezackten Linienmuster auf den Wangen öffnete das Beutelchen. Blätter? Minoru runzelte die Stirn. Domm…Dommm…Dommm… Der Trommelschlag wurde noch immer schneller, doch nun erkannte Minoru eine Art Rhythmus. Die vier Kitsune begannen um das Feuer zu tanzen. Alle anderen beobachteten das Spektakel neugierig und ehrfürchtig. Minorus Puls stieg an, raste fast. Domm…Dommm…Dommm… Immer schneller und schneller tanzten die vier Kitsune um das Feuer. Yukiko begann irgendetwas zu murmeln. Das „Domm…Dommm…Dommm…“ der Trommel war noch immer zu hören, doch auf einmal schien es, als würde es von weit her kommen. Auch die Umgebung, die zuschauenden Kitsune, selbst Kazuya, Yumi und Kasumi schienen mit dem Schwarz der Nacht zu verschmelzen. Nur noch die vier Tanzenden und das flackernde Feuer schienen zu existieren. Minoru wurde schwindelig von den schnellen und doch eleganten, fließenden Bewegungen der Tänzer und dennoch konnte er den Blick nicht abwenden. Es war, als hätten sie einen Bann gesprochen, der Minorus Blick festhielt. Minoru schauderte, als die Zeremonie ihren Höhepunkt erreichen zu schien. Kazuya sog die Luft scharf ein und beugte sich ungläubig nach vorn. Yumi starrte mit offenem Mund auf das Schauspiel. Doch von all dem bemerkte Minoru nichts, so gefesselt waren seine Sinne. Das Feuer begann sich aufzubäumen, wurde zu einer Säule aus wirbelnden Flammen, die sich dem Himmel entgegenstreckte. Funken tanzten in der Luft, wie die vie Kitsune am Boden. Und plötzlich erzitterte die Oberfläche des Wassers in der Schale, die vor dem Feuer stand, und… …– kleine Wassertropfen erhoben sich wie von selbst daraus! Doch nicht nur das! Auch die Erde aus der zweiten Schale begann tatsächlich zu Schweben, auch der Dolch erhob sich wie von Geisterhand! Die Blätter wurden von einem geheimnisvollen Windzug aufgewirbelt – doch es war ansonsten windstill! – und flatterten wie Insekten um das Feuer… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)