Stigma von abgemeldet ================================================================================ STIGMA Ich, der seine Vergangenheit verloren hatte, fragte nie nach deiner. Als du vom Himmel wie ein Vogel fielest, da hatte ich nicht nach dem Morgen gefragt, hatte einfach deine Hand ergriffen und du ließest es zu. Wozu kamst du zu mir? Etwa um mein Stigma zu werden? Eine kleine Unterkunft. Die hölzernen Balken knarrten bei jedem Schritt. Es muffelte ein bisschen nach Schimmel. Das Bett unordentlich und Tito darin. „Stork?“ das war wieder deine Stimme „Ja?“ „Was ist, warum ist es so dunkel? Machst du Licht?“ deine Augen waren in die Decke gerichtet und schauten ins Nichts. „Ich kann das nicht, Tito…“ „Bitte komm zu mir und…“ du hast dich in die Decke gekrallt, ich wusste, dass du Angst hattest, ich wusste auch, dass es dir schmerzte es mir gegenüber zuzugeben. „Dunkel ist gut Tito, da kannst du dir ausmalen was du auch immer willst“ „Deine Stimme, Stork, du, du lügst!“ deine Träne schimmerten kaum merklich. Mir, dem, der dich einfach behalten hatte, ohne dir die Möglichkeit zu geben selber zu entscheiden, schmerzte es nicht minder dich so verletzt zu wissen. „Stork?“ du machtest deine Augen zu und schienst wieder in Erinnerungen zu schwelgen. „Nicht, hör auf, Tito…“ deine Augenbrauen wanderten, dir bekam mein Krächzen sichtlich nicht. Es wollte nicht mehr hell werden, ganz so, als ob die Sonne wusste, dass du sie nicht mehr sehen konntest. „Mir ist kalt Stork…“ sagtest du und tastetest nach weiteren Decke. „…“ „Stork, mir ist kalt!“ deine Stimme wurde lauter. „…“ „STORK!!“ deine panische Stimme zerriss den Umhang der Dunkelheit… „warum antwortest du nicht?“ Du, der so rein wie der blaue Himmel einst war, wusstest nichts von Brandy, Blut und dem Geruch des Schießpulvers. Was soll einer, der keine Zukunft hat, dir, einem, der nach nichts mehr dürstet, geben? Soll die Welt, so grau wie sie ist dich, der so hell lächelt, haben? Muss ich, der Blut auf deiner Jake entdeckte, dich weiter belügen? „warum sagst du denn nichts?“ graue Augen schauten mich, der es nicht mal fertig brachte dich zu befreien, maßlos traurig an. Du tastetest mich am Gesicht und suchtest offensichtlich nach einem Anzeichen meines Wohlbefindens. „ was willst du finden Tito?“ deine tiefen und bodenlose Augen zeigten mir die Antwort. „Stork… ich…“ deine Augen füllten sich wieder mit Tränen, du sagtest aber nichts weiter. Die Kerze, die als einzige Lichtquelle im Raum, Schatten auf den Wänden tanzen ließ, verglühte kaum merklich, ich, der einziger in deiner Welt, fühlte, wie du langsam in meine Arme fielst. Du warst warm. Ich wusste nichts von dir, nichts von deiner Welt, nichts von deinen Wünschen. Dein ruhiger Schlaf zeigte mir, einem, der dich jetzt haben konnte, dass es dir, einem der es sogar zulassen würde, dass es in deinem Traum weder mich, die Welt oder den Himmel gab. Du schliefest ruhig und atmetest gleichmäßig, nicht mal mein Zittern könnte dich aus deinem Traum holen, nicht mal meine Berührung riss dich in unsere grausame Welt zurück. Die Feder, in meiner Hand benetzte sich langsam mit Tränen. „Tito…“ Deine Wunde, die du immer so sorgfältig vor mir verbargst war vielleicht vernarbt, aber ich sah immer noch das blutende Fleisch darunter, die Flüssigkeit, die dir dein Leben ermöglichte, für die ich sogar die ganze Welt vernichten würde. Du zucktest zusammen, als ich sie etwas berührte. Automatisch zupftest du an deiner Jake, deine braun – weiße Jake, und deine blauen Hosen… erst nach dem du dich unsanft im Schlaf wandest, sah ich, das meine Hand an deinem Knie ruhte. Die Kerze verglimmte mit einem rauchenden Schweif, der sich langsam im Raum ausdehnte und diesen spezifischen Geruch von sich gab. Warum kam mir „Brandy“ wieder in den Sinn… am nächsten Morgen rollte ihre Leiche über den Asphalt… was würde ich machen, wenn es deine währe? Was sollte ich ohne dich, der mich sogar meine Vergangenheit hinter mich lassen ließ, anfangen? Der, der seinen Herrscher für dich tötete…. Tito…der Vogel, der den grauen Himmel bezwungen hat, der mir meinen Weg zeigte und dafür mit seinem kostbarsten Gut zahlte. Das einzige Fenster, ich schaute heraus, regen? Nein, es gibt doch keinen regen mehr… dann sind wohl die Gläser der Brille verdreckt, dachte ich, ohne zugestehen zu können, dass es hinter den Gläsern regnete. Am nächsten Tag lagst du wie jeden Morgen in meinen Armen. Dieses scheußliche Gefühl der Taubheit kroch meine Arme hoch, aber ich wagte deinen Traum nicht zu störe. Der morgendliche Duft rief zum Aufbruch, aber ich lies mir Zeit. Die Gedanken tanzten wieder irgendwo, zwischen Himmel und Erde. „Stork?“ deine Stimme so schwach, dass es mich schauderte, bahnte ihren Weg in mein Ohr. „Tito?“ „bist du die ganze Nacht auf dem Boden gesessen?“ du riebest dir die verschlafene Augen „seit wann bist du schneller wach als ich?“ dir kam es gar nicht in den Sinn, dass ich überhaupt nicht geschlafen hatte. „was ist das, in deiner Hand?“ mit weit aufgerissenen Augen hieltest du die Feder, die meine tauben Hände wohl nicht mehr fest genug vermochten zu halten. „eine Feder, Tito“ „ist es die… Feder? Die weise mit grünlichem Touch?“ sah ganz danach aus, als ob du dich erinnert hättest, aber es war nicht die, es war die, die ich aufhob, als wir vom Grab des Stolkers gingen. Es war die, die mir den lang ersehnten Himmel vorheuchelte… damals glaubte ich wirklich daran. „warum isst du nichts?“ er antwortete mir nichts nur inspizierte ganz eifrig die Feder, seine Augen, wie grau sie auch waren zeigten einen blauen Schimmer, den Schimmer, den du vor der Verletzung hattest. Mein Herz in der Brust zog sich zusammen und stach unerträglich zu. Mir wurde schwarz vor Augen, bevor ich auf dem Boden auftraf sah ich den grauen Himmel aus dem Fenster, dann die frisch lackierten Balken und letztendlich die Schwärze, die du Tag ein, Tag aus sehen musstest. Ich wusste nicht, ob ich aufwachen sollte, aber ich konnte dich doch jetzt nicht alleine lassen… mit viel Mühe machte ich meine Augen auf, die schweren Lieder hingen übermächtig und versperrten mir den vollen Blick. Dich sah ich nicht, ich sah nichts außer unscharfen grauen Striche. Ich tastete um mich herum, nichts, alles war leer. Ich versuchte nach dir zu rufen, aber meine Lippen gaben keinen Ton von sich. Was war geschehen, du gingest auch sonst nicht ohne mich weg…außer damals, als du diesen Schwalbenschwanz verfolgtest. Bei diesem Gedanke krampfte wieder alles in mir zusammen. Unter großen Schmerzen wandte ich mich auf den Bauch um mich abstützen zu können und wisperte ganz leise deinen Namen. „Stork?“ etwas bewegte sich neben mir unter der Decke. Ich erblickte deinen Haarschopf, plötzlich erschlaffte alle meine Glieder und mein Kopf knickte ein Stück ab, „Du bist da, Tito“ sagte ich und lies mich wieder fallen. „Wie komme ich eigentlich aufs Bett?“ aus dem Augenwinkel sehe ich dein Gesicht unter der Decke hervorkommen, es ist voll mit blauen Flecken: „Ich habe dich hinaufgelegt.“ antwortetest du und lächelst mich wieder hell an. „woher kommen dann die blauen Flecke?“ fragte ich und schloss vor Erschöpfung meine Augen. „Ach das, das… ich bin gefallen“ antwortetest du und verschwandest wieder schnell unter dem schützenden Stück Stoff. Ich tastete nach einer Zigarette, aber ich fand sie nicht. „Suchst du danach?“ Tito reichte mir die Zigaretten und schaute unsicher in die Gegend herum. „Es ist irgendwie kälter als sonst, nicht wahr Stork?“ „…“ Du schautest schuldig in meine Richtung, wahrscheinlich wartetest du auf meine Erklärung, warum ich dich, den ich nie alleine lassen versprochen hatte, doch allein lies. Der erste Zug seit Langem fühlte sich gut an, der Rauch tat es dem Nebel gleich und verschwand unmerklich in der frischen Luft. Wie oft wollten wir das Spielchen noch weiter treiben, wie oft wollten wir aufwachen nur um in der nächsten Sekunde wieder einzuschlafen? Wie lange konnte ich Tito belügen und er mich? Wann erlöschen die Fragen und geben endlich ruhe? Der letzte Zug brannte in meiner Kehle, ich kniff meine Augen zusammen. Ich schaute wieder in deine Richtung, du hieltest mich immer noch anvisiert. „Stork deine Papierfetzen, mit denen man alles kaufen kann, sind alle… und der Besitzer der Herberge hat uns hier gesehen… und wollte die Bezahlung… du warst nicht da…“ ich sah deine Hände noch kräftiger ineinander greifen „wollen wir im Freien übernachten, so, wie damals“ ich glaubte er wusste, dass er nicht in meine Richtung schaute. „Woher kommen die Blauenflecke?“ fragte ich noch mal. Er wusste genauso gut wie ich, dass ich es bereits verstand. „…wollen wir gehen, Stork?“ „Ja“ Jetzt zogen wir wieder in der unbestimmte Richtung hielten uns an der Hand, er, der nicht wusste was mit dem Vermieter geschah, um nicht hinzufallen und ich, der das Schicksal des Vermieters besiegelte, um mich nicht zu verlaufen… „Es duftet nach Holz… sind wir im Wald?“ war das erste, was du seit dem sagtest. „Ja“ „Ich bin müde, Stork“ sagtest du, ohne aufzusehen. „…“ Ich nahm dich auf meine Hände, du wolltest es dir nicht gefallen lassen, aber du warst zu schwach um dich zu währen. So gingen wir noch eine weile weiter. Das tiefe Schwarz, das meine Seele absorbieren schien, umarmte mich immer fester, ich stolperte und fiel hin. Die kalte Erde bettete mich unsanft auf ihrem Antlitz. Die verödete Äste stachen auf mich ein, Schmerz? Nein, dieser Schmerz war nichts im vergleich mit seinem, ich öffnete behutsam meine Umarmung und suchte schnell nach Verletzungen, fand keine und seufzte. Hustend richtetest du dich auf und hörtest dich um. Mein unregelmäßiger Atem lies dich wohl bemerken, dass es etwas nicht stimmte. Unruhig fühltest du nach, zuerst mein Gesicht, dann meinen Nacken, später meine Arme, Beine und letztendlich mein Rücken, es war nass. „Stork, bist du in eine Pfütze gefallen?“ dein Auge zuckte und dein Mund verformte sich zu einem schiefen Lächeln. „Ja“ hörte ich mich sagen. Du stütztest dich auf meinen Brustkorb und lauschtest noch eine Weile weiter, dann sprangst du auf und verschwandest zwischen unzähligen Bäumen, die dich einfach verschlungen. Mein Rufen und Flehen wurden nicht entlohnt, ich hörte nur die Stille um mich. Das Grau drückte mehr als sonst. „Pf, jetzt liege ich wieder so, wie ich lag, als ich mein Gedächtnis verlor, nur dass es nicht mehr die „Reliquien der Vergangenheit“ sind, die mich umgeben, sonder verstorbene Bäume, die wir, Menschen umbrachten.“ Ob du es wusstest, dass alles um dich herum, tot war? Du warst das einzige, was überhaupt man als lebendig bezeichnen konnte. Ob du deinen blauen Himmel in mir gefunden hast? Oder bist du jetzt weg, weil du erkannt hast, dass es keinen Sinn hat? Eine warme Hand fuhr mir durch die Haare „Tito?“ keine Antwort … „Stork, Stork, ich bin zurück!“ die jämmerliche Bäume, gaben genauso jämmerliches Echo ab. Das Echo verstummte und der Wind sauste in den hohlen Baumstämmen, mehr kam nichts als Antwort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)