Zodiac von mystique (∼ Die etwas andere Art der Rache ∼ KaibaxWheeler) ================================================================================ Kapitel 6: Der Engsti(e)rnigkeit zuviel --------------------------------------- Vorwort(e): Wir haben den 25.01 und ein gewisser Wassermann hätte heute einen besonderen Tag. Das ist meine Art, diesen Tag wert zu schätzen X3 Ich bedanke mich bei: ange_gardienne, Friends, xXxfirexXx, night-blue-dragon, Favole, Yoshiru, risuma, BlackPanther1987, Arkady, Freak_in_the_Cage, ray-rei-chan, kuestenfee1, Rina-, Sweet-Akane, diea, Erlkoenig, Ayuyu, J-Squard, kahori, Sinieja_Koschka, Yamis-Lady, Shady, Schneefisch And here. We. Go! „Großmutter, warum hast du so große Augen?“ „Damit ich dich besser sehen kann.“ „Und warum hast du so ein großes Maul?“ „Damit ich dich besser fressen kann!“, grollte Kaiba. Ein Ruck ging durch seinen Körper, als er nach vorne sprang und mich anfiel. Mit einem Aufschrei verlor ich den Halt. „Ach wie gut doch, dass ich weiß, dass du Rotkäppchen Wheeler heißt!“ *~* „Heilige Scheiße.“ Ich hockte - kauerte vielmehr - inmitten meiner zerwühlten Decke, das Gesicht in den Händen vergraben und versuchte, meine beschleunigte Atmung zu beruhigen. Erfolglos. „Nein, nein, nein ...“ Meine Stimme verklang zu einem kümmerlichen Wimmern, meine Schultern zuckten, ich rang um meine Fassung. Mein Blick wanderte zu dem Telefon, das auf einem Kleiderhaufen thronte und mich hämisch anzugrinsen schien. Duke konnte ich nicht anrufen - nicht schon wieder. Mit niemandem konnte ich über das reden, was mich in diesem Moment beschäftigte. Es war die Büchse der Pandora, die ich, ohne es zu merken, nicht nur geöffnet, sondern aufgerissen hatte. Das Schloss war dabei kaputt gegangen und schließen ließ sie sich nicht mehr. Wenn man einmal anfing, in diese Richtung zu denken, kam man davon nicht mehr los. Duke hatte mich darauf aufmerksam gemacht, ich war nicht imstande gewesen, es zu widerlegen oder zu leugnen und hatte damit unwiderruflich kapituliert. Verfluchte - „Herrgott!“, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als heißkalte Schauer meinen Rücken hinabjagten. Der alleinige Gedanke an Kaiba ließ mich erzittern. Es verstrichen Minuten, das Ticken meines Weckers begleitete mich mit penetranter Ruhe. Schließlich wich die Anspannung und meine Augen wurden schwer. Die Müdigkeit siegte über den Schrecken, und ich hieß sie willkommen, war dankbar über ihre Macht. Mit einem Seufzen ließ ich mich nach hinten fallen, zog die Decke hoch und schloss die Augen. Ich verdrängte das Bild von Kaiba in der Kleidung der Großmutter - das Gefühl der paralysierenden Faszination, als ich ihn in meinem Traum erkannt hatte - und konzentrierte mich auf meinen Wecker, blendete alles weitere aus. Ich würde es niemals jemandem erzählen, geschweige denn später daran zurückdenken können, ohne mich dabei schämen zu müssen, aber in dieser Nacht zählte ich tatsächlich Schafe (keine Wölfe, zum Teufel noch mal!), bis ich schließlich um halb drei einschlafen konnte. *~* „Stell dich nicht so an, Joey.“ Ich stelle mich nicht an, Téa, es geht ums Prinzip.“ Sie verdrehte die Augen. „Sei zur Abwechslung mal etwas aufgeschlossener.“ Nichts lag mir ferner, als Aufgeschlossenheit. Wie sollte - wie konnte - ich in einer Situation wie dieser Aufgeschlossen sein? Und wieso war Kaiba so ruhig? Er tat, als ginge es ihn nichts an, doch er war neben mir das Zentrum der derzeitigen Aufmerksamkeit und der Protagonist der Handlung. „Ihr seid doch verrückt.“ Und ich untertrieb. Ich war viel zu nachsichtig, „wahnsinnig“ traf es eher, doch ich war tatsächlich noch rücksichtsvoll genug, es Téa nicht an den Kopf zu werfen. Dabei hatte sie das eigentlich verdient. „Joseph, ich verstehe deine Problematik nicht.“ Sie nannte mich bei meinem vollen Namen, sie taxierte mich durchdringend und sie zwang mich, mit Kaiba zu proben. Hier. Jetzt. So! „Wheeler, komm zur Sache.“ Kaiba besaß ein Talent dafür, es schmerzhaft genau auf den Punkt zu bringen. Langsam drehte ich mich zu ihm um, hätte es lieber schnell und ruckartig gemacht, doch ich konnte nicht. Ich wollte ihn anschreien, ihn schütteln, doch stattdessen sagte ich: „Das werde ich.“ Téas Anwesenheit rückte in den Hintergrund, Kaiba verlangte nun danach. Das Wolfskostüm kratzte, es war eng und ich fühlte mich unbeholfen und dennoch streckte der Wolf die Klauen aus, packte den Jäger am Kragen seines Kostüms und zog ihn zu sich. *~* „Joey, du siehst grausam aus.“ Ich sah Tristan nicht einmal an, ich murrte und behielt die Augen geschlossen. „Was hast du bloß heute Nacht getrieben?“ Ich wimmerte und kniff die Augen fester zusammen. Erinnere mich nicht daran Alter, dachte ich und biss mir auf die Lippen, um den Gedanken nicht laut auszusprechen. „Gelernt“, sagte ich stattdessen und hätte beinahe über meine eigene Aussage gelacht. Tristan nahm mir diese Aufgabe ab. „Guter Witz, Mann.“ Er klopfte mir auf die Schulter. Dann griff er nach meinem Arm uns zog mich hoch. Ich hatte nicht die Kraft, mich dagegen zu wehren. „Und jetzt komm, wir haben Pause, häng da nicht so rum. Téa will außerdem mit dir reden.“ Das fühlte sich an, wie ein Schlag ins Gesicht. Augenblicklich war ich wach und riss mich von Tristan los. „Nein verdammt, Wolf und Jäger werden nie zur Sache kommen!“, fuhr ich ihn an. Tristan starrte mich an. Sämtliche Anwesenden im Klassenraum ebenfalls. Und Kaiba, der soeben im Begriff gewesen war, den Raum zu verlassen. Heilige - „Alter“, begann Tristan ungläubig und machte einen vorsichtigen Schritt auf mich zu. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Nein, nichts war in Ordnung. Ich war besessen von Kaiba, fixiert auf meine Rache, hatte ihn in der Hand wie niemand zuvor und träumte skurrile Konstellationen von Rotkäppchen, in denen der Wolf und der Jäger - „Komm.“ Tristan legte einen Arm um meine Schultern und bugsierte mich langsam aus dem Klassenraum. An den stechenden Blicken und an Kaiba vorbei, der zu meiner Verwunderung schwieg und nicht die von mir selbst gegebene Vorlage nutzte. Zwei Minuten später schloss Tristan die Tür zur Jungetoilette hinter sich, kippte einen Mülleimer um und platzierte mich auf dem Metallgestell. Er verschränkte die Arme und sah mich auffordern an. „So, Alter, und jetzt raus mit der Sprache.“ Ich sah ihn verständnislos an, dann verstand ich es. Ich grinste müde. „Nein Tris, ich hatte gestern keinen Damenbesuch.“ Ich wünschte, es wäre so gewesen, dann hätte ich wenigstens nicht solchen Mist geträumt. „Hältst du mich für blöd?“ Er hob die Augenbrauen. „Wer behauptet denn so was?“ Mir fehlte die Zeit, um gekränkt zu sein, ich war vielmehr verwirrt. Wovon sprach er. „Was?“ „Denkst du, ich merke nicht, was hier vorgeht?“ Ich versteifte mich. „Du kommst an einem sonnigen Montagmorgen in der kurzen Pause in den Englischraum gestürmt und fragst vollkommen aufgewühlt nach allen Schülern des Sternzeichen Skorpions in unserer Stufe. In derselben Woche entwickelst du ein obsessives Interesse an Sternzeichen und plötzlich sieht man dich und Duke ohne Unterlass aneinander kleben. Dann kommen die Märchen ...“ Er ließ die Arme sinken und seufzte. „Joey, du wirst mir unheimlich. Sternzeichen und Märchen? Denkst du, das fällt uns nicht auf? Bei allen - bis vor zwei Wochen interessierten dich nur Duel Monsters und Mädels!“ Ich schluckte und schwieg. Mir fehlte eine Erwiderung. Natürlich hatte er Recht, mir war bloß nicht bewusst gewesen, wie offensichtlich mein Verhalten gewesen war. Ich schürzte die Lippen und verfolgte meine letzten Schritte gedanklich zurück. Natürlich war mein Verhalten auffällig. Ich hatte zwar immer die Konfrontation mit Kaiba gesucht, doch besonders in der letzten Zeit - in den letzten Tagen - ist mein Auftreten zunehmend selbstsicherer geworden. Verdächtig selbstsicherer. „Ich zwing dich nicht dazu, es mir zu sagen“, seufzte Tristan und wich meinem Blick aus. „Aber ich will klarstellen, dass du es mir erzählen kannst, wenn dir danach ist.“ Oh Gott. Tristan wurde sentimental. Er sah mich nicht direkt an und hatte abweisend die Arme verschränkt, doch ich kannte ihn gut genug, um die Anzeichen zu erkennen. Tristan wurde nie gefühlsduselig, aber es gab Augenblicke - es gab Gelegenheiten - in denen er mir auf seine eigene, ganz tristan’sche Art zu erkennen gab, dass sein Vorsatz, es nicht zu sein, ins Wanken geriet. Ich kannte Tristan länger, als ich Yugi kannte. Wir hatten Seite an Seite einige waghalsige Prügeleien verloren, hatten gemeinsam Scheiße gebaut und zusammen die Konsequenzen ausgebadet. Und heute auf dem Jungenklo zeigte Tristan mir nun, dass ich ihm etwas bedeutete. Das war so ergreifend, ich verspürte den unbändigen Drang, meinen Kopf in dem Mülleimer zu vergraben, auf dem ich saß. Ein Wheeler wurde nie von Sentimentalitäten angesteckt. Fast nie, denn es gab Ausnahmen. „Bleib locker.“ Ich grinste Tristan nun um einiges ehrlicher an, als vorher. „Es ist alles halb so wild.“ „Joey, du hast Kaiba gestern mit einem Spruch aus Rumeplstelze angegriffen“, entgegnete Tristan ernst. „Gar nichts ist halb so wild!“ „Rumpelstilzchen “, korrigierte ich ihn matt, nickte jedoch zustimmend. Leugnen war zwecklos. Alles, was ich sagte, wurde vor Tristan - von Tristan - gegen mich verwendet. „Und das ist mir rausgerutscht. Kaiba hat mich aufgeregt.“ „Premiere.“ „Spar dir die Ironie. Hör mal, ich weiß es zu schätzen, dass du dir Sor -“, ich unterbrach mich, denn ich wusste, wie Tristan darauf reagieren würde. „Ich weiß, dass ich mich ... anders verhalte, aber Kaiba hat - und Téa auch! Stundelang in der Stadt ... und Schuhe! Ich wollte doch nur, dass Kaiba endlich versteht, wie es ist, immer ... und dann hab ich das gelesen und dachte, das kann kein Zufall sein! - und Duke war so zuverlässig, wir haben zusammen ... und es funktioniert, Tristan!“ Ich holte tief Luft und sah meinen besten Freund aufmerksam an, wartete auf eine Erwiderung. Tristan starrte mich an, ein Ausdruck absoluter Fassungslosigkeit zierte sein Gesicht. „... Schuhe?“, wiederholte er nach einigen Sekunden und ich wusste, dass er nichts von dem verstanden hatte, was ich ihm zu erklären versucht hatte. „Nein, nicht Schuhe. Kaiba!“ Ich gestikulierte hilflos mit den Händen. „Tristan, hast du mir nicht zugehört?“ Ich musste es wohl vereinfachen. Bevor ich dazu in der Lage war, öffnete sich die Tür und Haare erschienen in unserem Blickfeld. Es konnte nur Yugi sein. „Da seid ihr ja! Wir haben euch schon gesucht.“ Tristan und ich wechselten einen Blick. Uns war klar, dass wir die einzige Chance vertan hatten, uns auszusprechen. Ich hätte lügen müssen, wenn ich sagen wollte, dass ich es nicht erwartet hätte. oOo Ich war hin und hergerissen zwischen Hysterie und Verzweiflung. Ich hatte mal gelesen, dass ein Gefühlsausbruch Stress abbauen sollte - und zwar besser, als jede Therapie es könnte. Ich spielte mit dem Gedanken, Téa darauf anzusprechen, denn immerhin war sie eine Frau und niemand kannte sich besser mit Hysterie aus als eine Frau. Wenn ich dagegen Fragen zu Stress hatte, musste ich bloß zu Kaiba gehen. „Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?“ Niemand hatte gesagt, dass Téa mich verstehen würde, bloß weil sie zufällig eine Frau war. Es war nicht alltäglich, dass ich sie auf derartige Themen ansprach. Noch dazu ohne für sie ersichtlichen Grund. Denn ich war nicht so dumm, ihr von meinen Träumen zu erzählen. Wenn ich mich schon für verrückt hielt, musste sie mich danach für komplett wahnsinnig halten. „Natürlich Téa. Wenn du es mir nicht sagen willst, dann ist das okay.“ „Ich meine nur, du bist in letzter Zeit ... komisch. Erst soll ich Kaiba einer bestimmten Arbeitsgruppe zuteilen und dann muss ich ihn überreden, überhaupt am Schulfest teilzunehmen - obwohl von vornherein klar war, dass er es nicht freiwillig tun würde.“ Komisch - das traf es wohl am genauesten. Die ganze Situation war komisch, verzwickt und absolut verrückt. „Das ist alles deine Schuld“, murmelte ich Duke zu, der neben mir stand und dem Gespräch mit zunehmender Belustigung folgte. Natürlich konnte er sich seinen Teil denken. Er erwiderte meinen Blick voller Unschuld und zuckte mit den Schultern. Wenn Duke mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, wäre dieses Chaos gar nicht erst ausgebrochen. Ach, wem redete ich das ein. Früher oder später hatte es eskalieren müssen. Wenn Duke nicht gewesen wäre, hätte der Kaibawolf mich wohl wirklich erst anfallen müssen, bevor ich es kapiert hätte. Ich musste es einsehen, meine Freunde konnten mir nicht weiterhelfen. Zumindest solange nicht, wie ich die Karten nicht offen vor ihnen auf den Tisch legte. Doch es stand außer Frage, dass ich eben dies nicht tun konnte. Téa hatte mir nur geholfen, weil sie nicht genau gewusst hatte, welchem Zweck ihre Hilfe diente. Sie handelte nach dem Motto Was ich nicht weiß, macht mich nicht mitschuldig. Sie war gerissen und ich wusste, dass ich nicht mehr mit ihrer Unterstützung rechnen konnte, wenn sie wüsste, welches Ausmaß meine Rache bereits angenommen hatte. Solange sie zu ahnen glaubte, dass ich mir einen kleinen Streich für Kaiba ausdachte, musste sie sich keine Sorgen machen. Bei Yugi war es auf ... andere Weise ähnlich. Natürlich würde er mich nicht im Stich lassen. Nicht Yugi. Nicht die personifizierte Loyalität. Aber er würde es nicht gerne machen, er würde versuchen mich umzustimmen - und im selben Zug wissen, dass er mich erreichen konnte. Dennoch würde er mich unterstützen. Aber ich war nicht so mies, Yugi einfach auszunutzen. Dann sollte er lieber weiterhin glauben, ich hätte mit mir selbst Frieden gefunden und meine Differenzen mit Kaiba auf ein Minimum reduziert. „Was machen die Schuhe, Téa?“ Ich wechselte geschickt das Thema. Augenblicklich vergaß sie, wovon wir eben noch geredet hatten und ein Glanz erschien in ihren Augen, den man nur bei Frauen sehen konnte. „Denen geht es wunderbar.“ Sie lächelte verzückt. „Ich kann mich gar nicht entscheiden, welches Paar ich zuerst einweihe.“ Es war schön zu wissen, worin ich mein Monatsgeld investiert hatte. Blieb nur zu hoffen, dass diese Investition wenigstens noch den Winter überstand und sich bis zur Frühjahrskollektion hielt, dann konnte ich meinen Frieden finden. „Was für Schuhe?“, fragte Yugi und war tatsächlich interessiert. Yugi, Kumpel, was hatte die viele Freizeit, die du wieder mit Téa verbracht hast, nur aus dir gemacht? Es schien wieder an der Zeit für die alljährliche Männerumpolung, bei der Tristan und ich - und Duke, wenn ihm auch danach war - Yugi mit echten Männerthemen konfrontieren würden: Frauen, Autos und Horrorfilme. Duel Monsters stand außer Frage, das würde Téa ihm nie austreiben können. Selbst, wenn sie es gewollt hätte - was sie glücklicherweise nicht tat. Yugi wäre die Woche danach zwar nicht zurechnungsfähig - wie sollte eine derart reine Seele wie er auch sonst auf derart viel nackte Haut, PS und Gewalt reagieren? Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, wie kaputt Bakura daran gehen würde - aber Yugi würde wenigstens bei Worten wie Make-Up, Schuhen und Boygroups nicht mehr aufhorchen. Sein Interesse für Haarpflegeprodukte würden wir ihm jedoch nicht nehmen können. Nie. Den Rest der Pause verbrachten wir tatsächlich damit, uns Téas Schwärmereien für ihre neuen Schuhe anzuhören. So weit war es also schon gekommen. Wo war Kaiba, wenn man eine Auseinandersetzung wirklich mal gebraucht hätte? oOo Ich brauchte mir Kaiba nicht erst herbeizuwünschen, ich bekam ihn. Es war keine Überraschung, denn mein Dienstag beinhaltete immer eine Doppelstunde Kaibatime. Diese Stunden erwiesen sich bis heute als nervenaufreibend, laut und zumeist demütigend. Kaiba und ich waren nicht die einzigen, die eine Freistunde hatten, doch wir machten sie über kurz oder lang zu unseren Freistunden. Genauer gesagt, machte ich sie zu unseren Freistunden. Es stand außer Frage, dass ich diese gewonnene Zeit nicht in der Bücherei verbringen würde. Naiv wie ich war, hatte ich zu Beginn des Schuljahres angenommen, ich befände mich auf der sicheren Seite, solange ich während dieser Zeit die Schulbücherei mied. Denn wo sonst würde Kaiba sich aufhalten? Überall, bloß nicht dort, musste ich wenig später feststellen. Ich hatte mich auf das Dach zurückziehen wollen, denn dieser Ort war ruhig, abgelegen und leer. Irrtum, denn Kaiba hatte genau denselben Gedanken gehabt. Beunruhigend, zu wissen, dass wir in dieser Hinsicht gleich dachten. Widerlegte dieser Umstand nicht seine Behauptung, ich sei dümmer als er? Oder hieß es, dass er genauso dumm wie ich war? Stur wie ich war, hatte ich es nicht eingesehen, den Platz für Kaiba zu räumen. Arrogant wie Kaiba war, hatte er es nicht für notwendig erachtet, mich überhaupt zu beachten. Und dieses Verhalten hatte mich letztendlich dazu gebracht, jeden Dienstag das Dach aufzusuchen und den Konflikt mit Kaiba zu suchen. Hatte er einen schlechten Tag, brauchte ich zwischen sieben und neun Minuten, um ihn dazu zu bringen, mich zu beachten und auf mich einzugehen. Hatte Kaiba einen guten Tag, schaffte ich es selbst durch miese Beleidigungen nicht. Reagierte er nach fünfzehn Minuten dann noch immer nicht auf mich, brauchte ich es gar nicht länger versuchen und konnte den Rest der Doppelstunden sinnvoller nutzen. Aber gab es denn etwas Sinnvolleres, als sich mit Kaiba anzulegen? Natürlich gab es das, aber sinnvoll hieß nicht gleich reizvoll. Ich würde nicht immer und immer wieder die Konfrontation mit Kaiba suchen, wenn sie für mich keinen Gewinn bringen würde. Ich war kein Masochist. Ein Konflikt mit Kaiba, unabhängig davon ob ich ihn verlor oder ... na ja, gewinnen konnte man es auch nicht nennen, wenn Kaiba das Interesse verlor und einfach schwieg oder die Schulglocke unsere Diskussion unterbrach. Eine Auseinandersetzung mit Kaiba hatte ihren eigenen Reiz. Es war die Herausforderung, dieses Wissen, dass ich mich mit jemandem anlegte, der meinte durch seinen Status weit über mir zu stehen. Jemand, der dachte, Geld und Macht zeichneten ihn als besseren Menschen aus. Es war diese absolute Überzeugung, dass Kaiba sich irrte und ich mit meinen Auffassungen richtig lag - dass Kaiba sich dessen bloß nicht bewusst war - die mich zu meinem Handeln trieb und es mich irgendwie genießen ließ. Auf eine seltsame, in der Tat sehr seltsame Art und Weise. Ich würde wetten, dass niemand meine Faszination verstand. An schlechten Tagen verstand ich sie ja selbst nicht. Egal ob Kaiba mich ignorierte, niedermachte oder demütigte, ich kehrte jeden Dienstag auf das Dach zurück. Darauf aus, ihm ein einziges Mal das selbstherrliche Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, ihn einen Moment lang seiner Sicherheit zu berauben und ihm zu zeigen, wie es war, nicht er zu sein. Meine Stimmung hatte sich in der letzten Stunde verbessert. Die Besorgnis meiner Freunde hatte mich im Nachhinein aufgemuntert, denn das Wissen um ihre Sorge war tröstlich und beruhigend. Mit Tristan verstand ich mich besser denn je, wir hatten zwar unsere Chance vertan, doch er merkte, dass ich es ihm zumindest versucht hatte, zu erklären. Als ich nun die Tür zum Dach öffnete, wehte mir kühler Wind entgegen. Ich schlug den Kragen meiner Schuluniform hoch und trat nach draußen. Natürlich war Kaiba schon da. Er war immer vor mir da, ich konnte den Weg hierher rennen, Kaiba würde trotzdem schon auf dem Dach sitzen. Alles schon probiert. Nutzlos. Der Umstand, dass Kaiba tatsächlich auf dem Boden saß, dass er es wirklich akzeptierte, keinen Stuhl zu haben, auch keinen Tisch oder ähnlichen Komfort - wenn man in einer Oberschule denn irgendwo von Komfort sprechen konnte und durfte - überraschte mich jedes Mal aufs Neue. Das war so ... nicht Kaiba. Wie oft hatte ich ihn schon darauf angesprochen - neutral, genervt, gereizt, sogar entgegengeschrien hatte ich ihm die Frage an einem sehr schlechten Tag von meiner Seite aus - und bloß einen abschätzigen Blick als Antwort bekommen, als läge die Antwort auf der Hand. Und das tat sie, wie ich dann herausgefunden hatte. Kaiba war bereit, diese Unannehmlichkeit hinzunehmen, wenn er dafür seine Ruhe hatte. Denn penetranten Blicken seiner Mitschüler entkam. Wobei ich ihm diese Ruhe mit Freuden zu vermiesen versuchte. Und trotzdem hatte Kaiba das Dach nie verlassen, denn er besaß die Fähigkeit, mitten in einer Diskussion einfach abzuschalten. Er hörte dann auf, mir Beachtung zu schenken und ließ sich von nichts wieder zurück in das Gespräch bringen. Unheimlich. Immer wieder. Die Tür fiel, von einer besonders starken Windstoß getroffen, laut hinter mir zu. Kaiba blickte nicht einmal von seinem Laptop auf. Er arbeitete, tat nie etwas anderes. Ich überquerte das Dach, ließ meine Tasche in meine Ecke fallen und setzte mich, lehnte mich an den Sicherheitszaun hinter mir. Der Wind war unangenehm, der Himmel grau und es würde bad regnen. Beste Voraussetzungen für die Kaibatime. Ich beobachtete Kaiba mit unverhohlenem Interesse. Kurz hielt er beim Tippen inne, sah auf und erwiderte meinen Blick. Wortlos unterbrach er nach wenigen Sekunden den Blickkontakt und setzte seine Tätigkeit fort. Uh, wir hatten heute aber einen guten Tag. Einen außerordentlich guten Tag. Wenn Kaiba sich so verhielt, hatte er gute Laune. Ich redete mir gerne ein, dass es heute an meinem Horoskop lag. Wenn ich tatsächlich Seto Kaibas Stimmung beeinflussen - ja sogar festlegen - konnte, was für Möglichkeiten hätte ich dann noch? Ein kalter Schauer durchlief mich, als ich mich an den Kaibawolf der letzten Nacht erinnerte. Wieso ich ausgerechnet jetzt daran dachte, wusste ich nicht. Ich verwarf diese Gedanken und konzentrierte mich stattdessen auf die Gegenwart. Es wurde Zeit, die tatsächliche Wirkkraft meiner Arbeit auszutesten. „Hab gehört, deine heißgeliebte Firma hat einen herben Rückschlag erlitten.“ Man musste informiert sein, wenn man Kaiba erwischen wollte. Seine Firma zog immer. Die Information selbst hatte Duke mir heute vor der ersten Stunde zukommen lassen. Ich war nicht so verzweifelt und saß den liebenlangen Morgen vor dem Fernseher, bloß um Kaiba einmal aus der Reserve zu locken. So weit käme es noch. Kaiba zuckte nicht einmal bei meinen Worten. Einen bemerkenswert guten Tag hatte er heute. Die Kaiba Corporation wirkte normalerweise immer. Und wenn sie auch nur ein kurzes Innehalten in der gerade durchgeführten Tätigkeit bewirkte, aber reagieren tat Kaiba jedes Mal auf sie. Normalerweise. „Man munkelt, ob du in der Lage bist, einen drastischen Wertabfall der Aktien aufzuhalten.“ Ich übernahm die Aussage Wort für Wort von Duke, der sie wiederum aus dem Radio hatte. „Und die Verkaufszahlen deiner Produkte tendieren ebenfalls -“ „So beruhigend es auch für viele sein dürfte, dass du in der Lage bist, inhaltsleere Aussagen der Massenmedien auswendig zu lernen Wheeler - ich gehöre nicht zu diesen Menschen, denen du vergeblich zu beweisen versuchst, dass dein IQ über dem eines Grundschülers liegt.“ So viele Worte auf einmal. Und alle für mich. Da störte es mich nicht einmal mehr, dass er mich unterbrochen hatte. Etwas anderes hingegen störte schon. „Willst du damit sagen, Grundschüler seien schlauer als ich?!“ „Wheeler, in der gegenwärtigen Zeit gibt es Kindergartenkinder, die in der Lage sind, vierstrophige Gedichte frei vorzutragen. Du musst schon mehr bringen, als mich mit anderthalb Sätzen, deren Fremdwörter deinen Horizont übersteigen, beeindrucken zu wollen.“ Er machte sich tatsächlich die Mühe, mit mir zu argumentieren. Zwar beleidigte er mich, aber das auf geschickte Weise. Kaiba, hatten die Horoskope dich wirklich so beeinflusst? „Wer sagt, dass ich dich beeindrucken will? Wenn das mein Ziel wäre, hätte ich heute meine Duel Disk mitgebracht.“ Hier Kaiba, sieh das als geschenkten Elfmeter. Was würdest du jetzt daraus machen? Einen Moment lang wirkte er, als setze er bereits zu einem gezielten Kommentar an - ein Kommentar der ohne Zweifel die Worte unter meinem Niveau, Verliererdeck und Battle City beinhaltete - und stockte. Unvermittelt hielt Kaiba inne, sein Blick verfinsterte sich und er schwieg, setzte stattdessen seine Arbeit fort, als habe er nie damit aufgehört. Als hätte er nicht bis vor einem Moment vorgehabt, mich unangespitzt in den Boden zu rammen. Das war beinahe zu gut, um tatsächlich wahr sein zu können. Ich hatte es vorher schon getestet und bestätigt bekommen, aber dieser Moment auf dem Dach, während der Kaibatime, gab mir das Gefühl unantastbar zu sein. Wenn ich es wollte, würde Kaiba ohne Schuluniform zum Unterricht erscheinen, er würde regelmäßig am Sportunterricht hat teilnehmen. Wie niedlich naiv ich doch war, ich könnte noch viel fieser sein. Ich könnte ihn dazu bringen, sich bei Yugi für jeden hämischen Spruch zu entschuldigen - kommen Sie mit sich und jenen, denen Sie bisher mit wenig Freundlichkeit entgegengetreten sind, ins Reine - sich mir gegenüber freundlich zu verhalten - begegnen Sie positiver Strahlung (= Joey Wheeler) mit derselben Einstellung - sich vor der gesamten Schule zum Affen zu machen - seien Sie ausgelassen, versprühen Sie Frohsinn, lassen Sie die Welt an ihrem Glück teilhaben. Kaiba hatte mir ohne es zu wollen die Macht gegeben, ihn nicht mehr Seto Kaiba sein zu lassen. Dieser Einfluss war so groß, dass er regelrecht furchteinflößend war. Wenn ich wollte, würde Kaiba in Aktien für Doughnuts investieren, weil er denken würde, andernfalls eine Finanzkrise seiner Firma zu provozieren. Er würde eine Benefitsgala zum Wohl der Wale halten oder Geld für den Schutz der tropischen Wälder spenden. Er würde kleinen Kindern Lollis schenken, weil das angeblich sein Glück verstärken würde. Und vielleicht, schoss es mir mit einem Mal durch den Kopf, war es dann irgendwann an der Zeit einen kleinen Erpresserbrief an Kaiba zu schreiben und die Bombe platzen zu lassen. Ich kenne dein peinlichstes Geheimnis, Seto Kaiba. Wenn du nicht willst, dass es morgen in allen Boulevardblättern der Stadt steht, verlange ich - Wieso war es immer so schwer, sich eine angemessene Summe auszudenken? Eine Millionen Yen waren noch zu großzügig, aber ich wollte auch nicht größenwahnsinnig werden. Trotzdem durfte man doch träumen und sich etwas zusammen spinnen, oder nicht? - eine Menge Geld. Außerdem sollst du dich öffentlich bei mir, Joey Wheeler - ja Kaiba, ich kenne dein kleines menschliches Manko, um das sich alle Welt reißen wird - entschuldigst. 

Okay, das ging jetzt ins Lächerliche über. Kaiba würde sich nie öffentlich bei jemandem entschuldigen - schon gar nicht bei mir. Selbst, wenn sein Leben davon abhinge. Du wirst von nun an nett zu mir sein, mich respektieren und es werden keine abfälligen Spitznamen mehr fallen. Des Weiteren verlange ich eine eigene private Duel Arena, einen Ferrari, ein Ferienhaus auf Hawaii und eine Reise nach Europa. Muhahaha! „Ich würd gerne mal nach Europa ...“ „Bitte?“ Ich war so tief in meinen Wunschfantasien versunken, dass ich Kaibas Anwesenheit ganz vergessen hatte. Wenn er wüsste, was ich mir gerade alles auf seine Kosten ausgemalt hatte ... „Nichts. Ich hab nur gerade gedacht, dass ich mir Europa gerne mal ansehen würde.“ Als ob es Kaiba wirklich interessieren würde. Ich erzählte es ihm trotzdem. „Da gibt es nichts zu sehen“, bemerkte Kaiba ausdruckslos, während seine Finger unablässig über die Tastatur wanderten. Ich verschränkte die Arme. „Woher willst du das denn bitte wissen?“ „Alles schon gesehen, Wheeler.“ Ich dachte, es gäbe nichts zu sehen. Natürlich musste er es mir dennoch unter die Nase reiben. Angeber. „Na Klar, Alter. Das Kolosseum in Rom, den Eiffelturm in Paris ...“ Verdammt, mir fiel nicht mehr ein. Kaiba nahm mir jedoch die Aufgabe des Nachdenkens ab: „Wenn man erst davor steht, ist alles halb so imposant, wie billige Werbeprospekte Glauben machen wollen.“ Ich lachte freudlos. „Als ob du wirklich davor gestanden hättest. Du bist doch höchstens mit deinem widerlich teuren Privatjet drübergeflogen.“ Er bedachte mich mit einem langen Blick. „Ausnahmsweise hast du tatsächlich Recht, Wheeler.“ Als hätte ich es nicht gewusst. Das war so typisch Kaiba, dass es regelrecht wehtat. „Dass es dir nicht gefällt, Kaiba“, bemerkte ich und verschränkte die Arme hinterm Kopf, „ist höchstens ein noch stärkerer Grund für mich, diese Orte sehen zu wollen.“ Kaiba schenkte mir längst keine Beachtung mehr. „Denn alles, was dir nicht passt, ist für mich gleich viel schöner. Nehmen wir doch nur das Schulfest. Jeder hier weiß, dass du keinen Wert darauf legst. Ich find das ganze klasse, welchen besseren Vorwand kann es geben, um Unterricht für dessen Vorbereitung ausfallen zu lassen?“ Ich wusste, dass er mir nicht zuhörte. Wenn kümmerte es? „Ich hoffe, du weißt zu schätzen, dass ich dich vor einer ganz schönen Blamage gerettet habe. Wobei der Anblick von dir als Wolf durchaus seinen Reiz gehabt hätte.“ Kaiba hatte keine Ahnung. Das wäre einem wahr gewordenen Traum gleichgekommen. Der Jäger erschoss den Wolf, schnitt ihm anschließend den Bauch auf, um die Großmutter zu retten. Der Kaibawolf musste sich dem Wheelerjäger unterwerfen. Und sie lebten glücklich, bis an ihr Lebensende - abgesehen vom Kaibawolf, denn der wäre ziemlich angefressen. „Reguliere deine Obsession, Wheeler.“ „Was?“ Kaiba hatte mich stechend fixiert, ich war mir seiner Aufmerksam bis zu diesem Moment nicht bewusst gewesen. „Wheeler, seit gestern zeigt du ein derart befremdliche Gefallen an Märchen, dass sich mir die Frage stellt, ob dir bewusst ist, dass sie ursprünglich für Kleinkinder gedacht sind. Kommst du soweit mit?“ „Natürlich weiß ich, dass Märchen für Kinder sind“, gab ich schnippisch zurück. „Und ich bin nicht von ihnen besessen.“ Kaiba neigte leicht den Kopf. „Merkst du das denn nicht?“ Er ließ mir keine Zeit, zu antworten. „Seit Gardner sich gestern über die Thematik dieser ... Veranstaltung“ - Kaiba nahm das Schulfest nicht für voll, das sah ich an dem Weg, wie er den Mund verzog - „ausgelassen hat, redest du öfter darüber als sie.“ Da konnte er mir viel erzählen. Das stimmte doch nicht. ... oder? Ich hatte meine Fixierung auf Kaiba auch nicht wahrgenommen, bis Duke mich darauf aufmerksam gemacht hatte. Und hatte es ebenfalls im ersten Moment nicht glauben wollen. „Das bildest du dir ein, Kaiba.“ „Aber sicher, Rumpelwheeler.“ Der Spitzname ließ mich unweigerlich zusammenzucken. Verdammt, meinen Ausrutscher hatte ich schon wieder ganz vergessen. „Das war ein Versehen“, gestand ich zerknirscht. „Dein Gehabe hat mich einfach genervt.“ „Na das überrascht aber, Wheeler.“ Ja ja, sollte er mir doch gleich sagen, dass meine Reaktion auf ihn immer die gleiche war. Er sagt etwas Arrogantes, ich werde wütend, erwidere etwas nicht minder Angreifendes, um es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen und Kaiba kommentiert mein Verhalten abfällig. Dieses Spiel wiederholten wir, bis er mich mit einer besonders gezielten (und in jedem Fall beleidigenden) Bemerkung den Wind aus den Segeln nahm. „Red du nur“, murmelte ich. „Ganz wie du willst.“ Natürlich hatte Kaiba es gehört. Aber wenn ich ihn anschnauzte, konnte er einfach so auf Durchzug stellen und nahm mich nicht mehr wahr. Wo war da bitte die Logik? „Ich bin trotzdem nicht von Märchen besessen.“ „Ganz wie du meinst. Wenigstens hast du erkannt, wo dein Platz ist.“ Konnte er es nicht einfach lassen, musste er darauf anspielen? „Sei lieber dankbar dafür, dass ich dir die Rolle abgenommen habe. Sonst würdest du beim Schulfest im grauen Wolfskostüm die Besucher bedienen.“ Es wäre ein Anblick für die Götter gewesen, aber Kaiba, dieser Feigling, musste ja kuschen! Kaiba klappte seinen Laptop zu. Wollte er mir etwa die Ehre seiner vollen Aufmerksamkeit gönnen? „Wheeler, du wirst irreal. Als ob ich es jemals so weit hätte kommen lassen.“ Er verschränkte die Arme. „Außerdem bist du doch eine kostengünstige Bereicherung für die Veranstaltung, denn du brauchst nicht einmal ein ganzes Kostüm, um wie ein Hund zu wirken. Vielleicht ein Paar Ohren und ein Halsband, dann erkennt jeder deine Rolle.“ Seine Mundwinkel hoben sich zu einem hämischen Lächeln. „Ein Wolf ist doch sogar eine Aufwertung für dich. Und wenn daraus nichts wird, sollten wir Devlin einfach fragen, ob er das modische Hundekostüm noch besitzt, das dir so ausgezeichnet stand.“ Mir wurde schlagartig kalt. Ach du heilige - „Woher weißt du -“ Ich unterbrach mich, die Frage konnte ich mir selbst beantworten. Als ich damals gegen Duke im Duell verloren hatte und das Hundekostüm hatte tragen müssen, war das anschließende Dungeon Dice Spiel zwischen Yugi und Duke im Fernsehen übertragen worden. Ich hatte bloß nie angenommen, dass Kaiba - ich hatte nie daran gedacht ... nie befürchtet...! Scheiße. Das war der Gipfel der Demütigung. Während der gesamten Dungeon Dice Auseinandersetzung hatte ich mir hämische Kommentare anhören und Befehle von Duke entgegennehmen müssen. Ich war verdammt noch mal wie ein Hund behandelt worden! „Ich hatte keine Ahnung ...“ Dass du das gesehen hast. Dass du einen meiner schlimmsten Momente miterlebt hast. Dass du die Unverschämtheit besitzt, mich daran zu erinnern, Kaiba! Ich konnte es nicht sagen. Mir fehlten die Worte, ich rang nach Luft. „Bemüh dich nicht, Wheeler. Ich weiß, dass es deine größte Rolle im Fernsehen war und sie stand dir hervorragend.“ Dieser elende - „Ich hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, dich zu mieten. Denn kleine Kinder lieben dich bestimmt in dieser Rolle. Und jetzt noch das Schulfest. Deine Publicity als Wolfsjunge muss dadurch ja ungeahnte Höhen erreichen.“ Was zuviel war, war zuviel. Ich sprang auf. „Nimm das sofort zurück, du hast keine Ahnung, wovon du redest!“ „Nein Wheeler, ich weiß genau, wovon ich rede. Du solltest aufhören, es zu verdrängen.“ „Wer verdrängt hier irgendwas? Du bist doch der, der an -“ Ich biss mir auf die Lippen, um nicht weiterzusprechen. Verdammt. Ich biss fester zu, als der Drang, Kaiba die Wahrheit doch ins Gesicht zu schleudern, bloß um sein Entsetzen zu sehen, übermächtig wurde. „Der was?“ Kaiba betrachtete mich, als schätze er den Wert meiner Worte ab. Der an Horoskope glaubt, Yugi aber immer wieder heuchlerisch erklärt, er glaube nicht ans Schicksal! Der sich von Sternen festlegen lässt, welche Unterwäsche er trägt! Ha, was sagst du jetzt, Kaiba?! „Der ... absolut keine Ahnung hat!“, bluffte ich ihn an. „Du hast keine Ahnung Kaiba, das ist dein Problem und wenn du Bescheid wüsstest, dann -“ Würdest du Zeter und Mordio schreien, dir die Haare raufen und die Fassung verlieren. Ich wollte es ihm ja sagen, ihm die Wahrheit wie den Baseball vom Montag ins Gesicht schleudern und das Resultat bewundern. Aber ich durfte es nicht, denn letztendlich würde ich es doch nur bereuen. „Wheeler.“ Kaibas Stimme war schneidend. „Komm zum Punkt.“ Aber genau das konnte ich nicht. Ich wollte Kaiba am liebsten am Kragen packen, ihn schütteln und anschreien, ihn mit der Wahrheit schockieren, ihn seiner Beherrschung berauben. Ich wollte, dass er begriff, dass er genauso Makel besaß, wie jeder andere Mensch auch, dass selbst Seto Kaiba Macken hatte. Peinliche, eigene Macken. Ich wollte, dass Kaiba den Wolf spielte, ich wollte der Jäger sein, ich wollte nicht mehr so versessen auf meine Rache sein. Ich wollte nicht mehr so auf Kaiba fixiert sein ... nicht mehr. Nicht ... so. Mist, ich war es immer noch. Und es wurde immer schlimmer. Unvermittelt verkrampfte sich meine Haltung. Ich starrte Kaiba an, starrte in dieses ernste Gesicht, das selten andere Regungen zeigte, in den wenigsten Fällen positive. Starrte ihn an und wusste nicht, was ich eigentlich von Kaiba wollte. Wenn ich meine Rache gewollt hatte, hätte ich ihn einfach mit dem letzten Horoskop dazu zwingen müssen, die Welt mit positiver Energie zu beglücken. Kaibas lächerliche Versuche, diese Forderung zu erfüllen, in dem Glauben, dass ihre Nichterfüllung ihm ungeheures Pech bringen würde, wäre eine Genugtuung gewesen. Stattdessen hatte ich mir einen komplizierten Plan ausgedacht, der Kaiba viel später bloßstellen sollte. Ich hätte doch wissen müssen, dass irgendetwas im Nachhinein nicht funktionieren würde - und wenn es an Kaiba selbst scheitern sollte. Trotzdem hatte ich mir die Mühe gemacht und ... alles bloß wegen Kaiba. Letztendlich handelte ich bloß für Kaiba. Ich hatte mich selbst zum Hund gemacht für Kaiba. Was war hier los? Warum beharrte ich so auf meine Rache, wenn ich nicht einmal wusste, was ich eigentlich wollte. Wenn einige wenige Worte von Duke mich derart aus der Bahn warfen. Wenn ich anfing, mich von Dingen beherrschen zu lassen. „Wheeler, wenn es dich so überfordert -“ „Du machst mich wahnsinnig, Kaiba!“ Ich hatte diese Worte geschrien und Kaiba zum Schweigen gebracht. Doch das nahm ich nur am Rande wahr. „Du treibst mich in den Wahnsinn!!“ Ich packte meine Tasche und verließ das Dach. Blickte nicht einmal mehr zurück. Hätte ich es getan, hätte ich vielleicht die momentane Verwirrung auf Kaibas Gesicht gesehen und mich besser gefühlt. So jedoch stürmte ich die Stufen hinunter, meine Konzentration dabei einzig auf den Versuch richtend, vor Wut nicht über meine eigenen Füße zu stolpern. Ich verließ das Schulgebäude. Ging auf direktem Weg zu den Bushaltestellen. Jeden weiteren Unterricht und das Treffen der Arbeitsgruppen am Nachmittag schwänzte ich. Ich hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Meinen Freunden hatte ich mit keinem Wort meinen Entschluss mitgeteilt, auch das hinterließ kein bitteres Gefühl. Ich war wütend - nein, ich kochte regelrecht - und verfluchte Kaiba in sämtlichen Sprachen, die ich kannte. Denn letzten Endes war alles seine Schuld. Zurück in meiner Wohnung griff ich die nächste offene Chipstüte, die ich fand, stellte das Radio auf volle Lautstärke und verbrachte den Nachmittag mit Frustessen, Kaiba verwünschen und meinem ganz persönlichen Stressabbau: Singen. Aber nicht richtig, sondern falsch. (Die Töne durften nicht stimmen, was würde es sonst für einen Sinn machen?) Ich ignorierte die Anrufe von Téa, später die von Tristan und Duke. Am Abend bestellte ich mir eine Pizza mit extra viel Käse und nahm auf meine eigene Art Rache an Kaiba, indem ich wahllos die Kundenhotline der Kaiba Corporation anrief und die Leute am anderen Ende mit verrückten Fragen und Bestellungen versuchte in den Wahnsinn zu treiben. Es war albern und kindisch, aber meine einzige Möglichkeit, mich davon abzuhalten, darüber nachzudenken. Denn das hätte alles nur noch schlimmer gemacht, als es bereits war. Irgendwann gegen Mitternacht holte mich die Müdigkeit ein. In dieser Nacht fingen Die Träume an. Sie waren denen der letzten Nacht nicht unähnlich, ebenso verzerrt und von Märchen beherrscht, doch etwas hatte sich geändert. Es war das erste Mal, dass ich davon träumte, einen Kerl zu küssen. Und zum Teufel noch mal, dieser Kerl war Kaiba. Als hätte ich nicht schon genug Probleme. Nachwort(e): Freud lässt grüßen. Er hätte an Joey wahrlich seine Freude. Schreibt mir doch, wie es euch gefallen hat, ich bin gespannt auf Eindrücke, Kritik, Lob, Vorwürfe, äh ... - eigentlich alles ^ ^" Ihr hört von mir beim nächsten Kapitel! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)