Dark Age of Camelot von Lanefenu (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 32: Von dunklen Gassen und Kerkerräumen ----------------------------------------------- Cheres verließ kaum zehn Minuten nach Alazais und dem Wächter den Thronsaal. Während er zu seinem Gemach eilte, überlegte er fieberhaft, wie er diese vertrackte Geschichte innerhalb von zwei Tagen aufklären sollte. Er war einigermaßen sicher, dass sein Bruder mit dem Mord tatsächlich nichts zu tun hatte, aber wie sollte er das beweisen? Mit einem unterdrückten Fluch riss der Elf die Tür zum Zimmer auf, welches er mit Prinzessin Levsca teilte. Die junge Nordfrau schrak hoch und musterte ihn besorgt. „Was ist passiert? Du schaust so grimmig.“ Cheres ließ sich ärgerlich auf die Bettkante plumpsen. „Dein Vater hat meinen Bruder ins Verlies werfen lassen“, gab er mürrisch zurück. „Er beschuldigt ihn, irgendwann heute früh einen Kammerdiener getötet zu haben.“ Levscas lindgrüne Augen weiteten sich ein wenig. „Und?“ fragte sie skeptisch. Cheres schnaubte. „Das Zimmer sah in der Tat aus wie eine Richtstätte, und ja, der Diener ist tot, aber das stinkt nach einer Verschwörung, und zwar drei Meilen gegen den Wind. Alazais hatte gestern keine Waffe und gemessen an dem Zustand, in dem er sich gestern befand, ist er mit Sicherheit nicht losspaziert, um einem Wächter seinen Dolch zu stehlen.“ Der Elf starrte grimmig zu Boden und Levsca schlang die Arme um seinen Bauch. „Und was passiert nun? Wird mein Vater ihn umbringen lassen?“ Cheres knirschte vernehmlich mit den Zähnen. „In zwei Tagen, wenn ich ihn nicht davon überzeugen kann, dass ein Missverständnis vorliegt.“ Levsca nickte kurz. „Ich helfe dir“, sagte sie energisch. „Hast du schon eine Idee, wer für die Tat verantwortlich sein könnte?“ der junge Elfenkrieger verzog säuerlich das Gesicht. „Jeder, der ihn loswerden will. Das trifft allerdings für halb Vasudheim zu.“ Levsca ließ sich von seinem ungeduldigen Sarkasmus nicht beirren. „Jemand ganz besonders?“ hakte sie nach. „Was ist mit Stellans Freund, diesem Kerl namens Leif? Ich habe gehört, er ist schier wahnsinnig vor Eifersucht.“ Cheres stutzte und wandte ihr den Blick zu. „Hm“, machte er nachdenklich. „Aber wie sollte dieser Leif hier unbemerkt herein gekommen sein?“ wollte er zweifelnd wissen. „Vielleicht hatte er einen Spion oder Vertrauten hier.“ „Ja…vielleicht.“ Cheres stand auf. „Ich werde ihn besuchen“, sagte er. „Wenn du mir tatsächlich einen Gefallen tun willst, talí, lass überprüfen, ob letzte Nacht noch jemand von den Dienern oder Wächtern den Palast verlassen hat, nachdem wir gekommen sind. Und, wenn das möglich ist, auch, wer in diesen Gängen gestern Nacht Dienst hatte.“ Levsca nickte und erhob sich, um ihr fein gewirktes Nachthemd abzustreifen. „Ich tue mein Bestes“, versprach sie. Unauffällig gekleidet verließ Cheres die königlichen Hallen und sah sich draußen auf dem Marktplatz um. Wieder einmal war er dankbar für Levscas Umsicht und Geistesgegenwart- wenn ihm eine Sache über den Kopf zu wachsen drohte, wurde der Elf mürrisch und drehte sich mit seinen Gedanken bisweilen nur im Kreis. Aufmerksam betrachtete er die geschäftigen Midgarder, die die Stadt verließen, um ins Grenzreich zu gehen oder auswärts Handel zu treiben. Leif wohnte in Vasudheim, und er hatte gestern nicht zu der Gruppe gehört, die Alazais misshandelt hatten. Wie also hatte er erfahren, dass Cheres den Magier nach Jordheim gebracht hatte? Wie schnell musste er gewesen sein, um es zu erfahren, ganz von Vasudheim in die Hauptstadt zu reiten und seinem Spion –so er denn einen hatte- den Mordauftrag zu geben? Je länger er darüber nachdachte, desto mehr Zweifel beschlichen Cheres. Leif gehörte zweifellos zu jenen, die einen ganz besonderen Hass gegenüber Alazais hegten, aber der Krieger glaubte mit jeder Sekunde weniger, dass er der Drahtzieher des Verbrechens war. Sinnierend schritt Cheres über den Markt und sah sich dann und wann um, bis sein Blick auf die dunklen Gassen fiel, die heimlich von den Halsabschneidern und Dieben der Stadt regiert wurden. Wie Rattenlöcher führten diese Gassen in die unbewohnten Ecken oder die Plätze, an denen die Abfälle gesammelt wurden. Unter anderem hatte auch hier das einzige Haus der Schattenklingen, das öffentlich akzeptiert wurde und mit Genehmigung des Königs junge Meuchler ausbildete, seinen Sitz. Nachdenklich starrte Cheres eine dieser schmalen, ins schattige Nirgendwo führenden Gassen an. Was, wenn sowohl Levsca als auch er selbst sich irrten? König Eirik suchte die Männer, mit denen er sich umgab, sehr sorgfältig aus, um nach Möglichkeit nicht das Schicksal zu erleiden, was dem alten Diener widerfahren war. Unter seinen treuen Dienern, die teilweise noch seinem Vorgänger gehört hatten, konnte sich Cheres nur schwerlich einen spionierenden Verräter vorstellen, und der Großteil der Wächter bestand aus Trollen, die jeder für sich bekanntermaßen die Kraft einer ganzen Ochsenherde, aber den Verstand einer einzigen Fliege hatten. Konnte man so jemandem einen perfiden Mordplan zutrauen? Immer noch starrte Cheres ohne zu blinzeln die Gassen an und fasste dann einen Entschluss. Unter seinem Umhang verstohlen nach seinen Waffen tastend, überquerte der Elf den Markt und bewegte sich auf die schmalen Schleichpfade zu. Alazais stolperte hinter dem Troll her, der ihn so fest am Handgelenk gepackt hielt, dass der Junge glaubte, seine Knochen leise knirschen zu hören. Er hatte nicht den leisesten Zweifel, dass der riesige, steinerne Gigant ihm ohne besonderen Kraftaufwand den gesamten Arm ausreißen konnte. Eine steinerne Wendeltreppe ringelte sich tief in die Kellergewölbe herab, in denen die Verliese erbaut worden waren. Kälte schlug dem Magier entgegen, und ein unterschwelliger, aber nicht zu leugnender Gestank nach dumpfer Fäulnis. In dem kleinen, kahlen Raum, in dem sie sich nun befanden, gab es kein Fenster und nur einen Tisch und einen Holzschemel. „Bei Modi, was hast du denn da angeschleppt?“ fragte der Gefängnisaufseher, ein kräftig aussehender Nordmann mit einem verfilzten, dunkelblonden Bart. „Mörder“, erwiderte der Troll mit tiefer, grollender Stimme. „Keine Sonderrechte.“ Der Nordmann runzelte die Stirn und betrachtete sich den jungen Elfen, der den Blick voller Nervosität umherschweifen ließ, skeptisch. „Welcher Idiot hat sich denn von diesem Prinzesschen umlegen lassen?“ gereizt stieß der Troll Alazais vor sich her und auf den Aufseher zu. „Weiß von nichts“, erwiderte er mürrisch. „Einsperren und festhalten, zwei Tage, dann Futter für die Krähen.“ Der Nordmann hob die Schultern. „Meinetwegen. Und keine Sonderrechte, sagst du? Soll er zu essen und zu trinken bekommen?“ der Troll wandte sich bereits mit stampfenden Schritten ab und hielt auf die Treppe zu. „Keine Ahnung“, brummte er nur. „Aha“, machte der Nordmann und umrundete Alazais dann einmal, wobei er ihn kritisch von allen Seiten musterte. „Und du bist also ein kleiner Mörder, he? Was hast du denn gemacht, mh?“ der Elf verfolgte ihn angespannt aus den Augenwinkeln und schwieg. „Tze“, murrte der Nordmann abfällig. „Dann eben nicht. Los, mitkommen.“ Er fasste den Jungen grob am Unterarm und schleifte ihn einen kurzen Gang in der rechten Ecke des Raumes entlang. Die hölzerne Tür am Ende dieses Ganges hatte ein Sichtfenster, welches sich mit einer eisernen Klappe schließen ließ. Mit dem freien Arm zog der Aufseher den eisernen Riegel zurück und stieß die Tür auf, ehe er Alazais vor sich her schubste. Der abstoßende, aber erträgliche Geruch, der schon in dem kleinen Wächterzimmer vorgeherrscht hatte, wurde auf einen Schlag so drückend, dass Alazais die freie Hand vor das Gesicht schlug und sich darum bemühte, möglichst flach zu atmen. Links und rechts erstreckte sich ein eiserner Wald aus Gitterstäben und die einzelnen, recht großen Zellen waren völlig unsinnig gefüllt worden: einer der Verschläge beherbergte wenigstens drei Nordmänner und zwei Valkyn und barst schier vor Dreck, die Zelle daneben wurde nur von einem einzigen, grimmig dreinblickenden Kobold bewohnt. Nicht wenige der Käfige waren leer, und als der Aufseher Alazais nun zu einer unbenutzten Zelle führte, erhoben sich ringsum anzügliche Stimmen, die lachten, pfiffen und auch nicht mit vieldeutigen Kommentaren sparten: „Hey, hey, Asmund, steck ihn zu uns, wir haben noch ein warmes Plätzchen frei!“ „Ho, da kommt Hibernias Prinzlein persönlich, gib ihn mir, ich werd ihm einen gebührenden Empfang bereiten!“ „Na Kleiner, tritt doch etwas näher, damit wir dir Hallo sagen können!“ Alazais hielt den Kopf tief gesenkt und bemühte sich, alles an sich abprallen zu lassen. Dennoch war er erleichtert, dass der braunhaarige Aufseher ihn allein in eine der großen Zellen sperrte, auch wenn dies die anderen Gefangenen mit sichtlicher Enttäuschung erfüllte. „Hier rein“, brummte der Nordmann und gab Alazais einen Stoß ins Kreuz. Feuchtes Stroh lag in einer Ecke auf dem steinernen Boden, gleich neben der Tür stand eine Schale mit Wasser, auf der schon eine seltsame, grünliche Schicht schwamm. Eine kurze, eiserne Kette mit einer schweren Schelle war an der Wand angebracht und der Nordmann schubste den Jungen darauf zu und gab ihm einen kurzen Schlag zwischen die Schulterblätter. Alazais brach in die Knie und spürte gleich darauf das kalte Metall des eisernen Rings um die Kehle, als der Nordmann die Schelle zuschnappen ließ. Der Elf war mit dem der steinernen Mauer zugewandten Gesicht gefesselt und die Kette war zu kurz, um sich wirklich umdrehen zu können. Sie war auch zu kurz, um sich hinzulegen, die einzige mögliche Position –und selbst jetzt lag ein unangenehmer Zug auf der Fessel- war die, so auf den Knien zu verharren. „Nun, Kleiner, genieße unsere Gastfreundschaft“, bemerkte der Aufseher gehässig. „Ich schicke dir nachher Besuch.“ Warnungslos trat er dem Elfen in die Rippen und Alazais zuckte mit einem zischenden Schmerzlaut zusammen. Lachend verließ der Nordmann die Zelle, schlug die Tür zu und schloss sie geräuschvoll ab, ehe er summend den Kerker verließ. „Ich habe doch schon alles gesagt! Was wollt Ihr denn noch hören?“ der Ausbilder der Schattenklingen, der, das war kein Geheimnis, auch gleichzeitig das Oberhaupt der meuchelnden Söldner war, machte den Hals lang, um der Dolchspitze zu entgehen, die ihm an die entblößte Kehle gedrückt wurde. „Ich will wissen, wer gestern Nacht einen deiner Männer angeheuert hat!“ zischte Cheres. „Es muss ein besonderer Auftrag gewesen sein, denn es gehört schon viel Dreistigkeit dazu, einen Meuchelmörder in König Eiriks Palast zu schicken.“ Die Schattenklinge blinzelte kurz. „Junger Herr, ich bilde meine Leute aus, um sie als Attentäter und Spione nach Albion und Hibernia zu schicken und ja, manchmal lassen sie sich auch anheuern, aber das wisst Ihr so gut wie König Eirik selbst! Uwahh, wartet!“ Cheres‘ Klinge ritzte seinen Hals und der Elf nickte grimmig. „Ich warte, in der Tat.“ Der Nordmann schluckte, sein Adamsapfel bewegte sich ruckartig. „Verratet mir wenigstens, was einer meiner Leute getan haben soll, dass Ihr so erzürnt seid! König Eirik sagt doch selbst, dass meine Zunft ihrem Handwerk nachgehen darf, wenn ein Übeltäter dabei auch gestellt wird!“ Cheres schlug die Hand gegen die Wand gleich neben dem Gesicht seines Opfers und der Nordmann zuckte zusammen. „Hier wurde kein Übeltäter gestellt, hier wurde einem Unschuldigen ein Mord angehangen!“ zischte er ihm zu. „Und gleich wird ein weiterer Mord folgen, wenn du mir nicht SOFORT sagst, was ich wissen will! Glaubst du, dass es denkbar ungünstig für einen Schattenkriecher wie dich ist, wenn er sein Augenlicht nicht mehr hat?“ provokant näherte sich Cheres‘ Dolch dem zuckenden, linken Augenlid des Mannes. „Und wag es nicht, die beiden Kerle zu rufen, die sich da hinter mir auf dem Dach verstecken!“ die Schattenklinge stöhnte leise. „Aber ich weiß doch ni…graahhh!“ die Dolchspitze schnitt in die weiche Haut gleich unter dem linken Auge und der Mann erbleichte. „Also schön, bitte, aber ich schwöre, es war nicht meine Idee!“ Der Gefängnisaufseher ließ seinen Sohn, einen mageren Knaben mit flachsblondem Haar, zu sich rufen und drückte ihm ein paar kleine Zettel in die Hand. „Für den Schmied, den Stallmeister und Gunnar aus der Taverne. Beeil dich, sie wissen Bescheid.“ Der Junge blickte verwirrt auf die zusammen gefalteten Nachrichten herunter, ehe er begriff. Mit einem fröhlichen Nicken rannte er die Treppen hinauf. Er hatte keine Ahnung, warum sein Vater manchmal Leute in das Gefängnis ließ, die gar nicht zum Schloss gehörten, aber es kam ab und an vor, wenn ein besonderer Gefangener gebracht wurde. Das letzte Mal lag schon mehr als ein Dreivierteljahr zurück, damals war ein albionischer Feuerzauberer, ein Avalonier, der angeblich aus einer Fürstenfamilie stammte, in diesem Gefängnis eingesperrt worden und kurz darauf hatte sein Vater zwei gelangweilt aussehende Priester hier herunter gelassen. Was genau die Leute taten, die die besonderen Gefangenen besuchten, das wusste der Junge nicht, aber sie gaben seinem Vater anschließend Geld und der hatte dann immer gute Laune und kaufte ihm manchmal einen Becher süßer Limonade in der Taverne oder schenkte ihm ein neues Spielzeug. Deswegen war der Junge glücklich und beeilte sich sehr, die Nachrichten an den Schmied, den Stallmeister und den Trinker Gunnar zu übergeben. Die Nordmänner lasen die Nachrichten aufmerksam, grinsten und strichen dem Jungen über den Kopf, der Schmied drückte ihm gar ein paar Silbermünzen in die Hand. „Sehr schön“, meinte der Mann und ließ seinen Hammer sinken. „Hat dein Vater auch gesagt, wann ich kommen kann?“ der Junge verbarg die Münzen in der Tasche seines fleckigen Kittels und nickte emsig. „Ich glaube, sobald Ihr möchtet, aber Ihr müsst Euch beeilen. In zwei Tagen ist…Ende, hat er gesagt.“ Der Schmied grinste abermals. „Na, das reicht auf jeden Fall. Dann will ich gleich gehen. Bist ein guter Junge, Kleiner. Auf bald.“ Das Kind hüpfte mit einem fröhlichen Winken davon: „Auf bald!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)