Dark Age of Camelot von Lanefenu (Llienne's Life) ================================================================================ Kapitel 16: Zurück in die Heimat -------------------------------- Schankwirt Hurley schmunzelte und nickte gutmütig. Während er das frisch gebraute hibernianische Bier zapfte, bestürmte mich Keena abermals mit Fragen. "Rückt mal etwas zusammen," befahl sie und zog zwei der wackeligen Schemel vom Nachbartisch heran. Es war nicht zu übersehen, dass Zaphykel von der Aussicht auf eine Plauderstunde auf solch engem Raum nicht besonders begeistert war, aber darauf konnte ich nun keine Rücksicht nehmen. Mit vor Wiedersehensfreude leicht geröteten Wangen quetschte ich mich zwischen Keena und Jerali und strich mir die kurzen, noch etwas feuchten Haare hinter die Ohren. "Also, ich versuch jetzt mal, mich nicht verwirren zu lassen," begann ich. "Königin Brigit meinte, die Zeit wäre hier anders verstrichen als drüben im Schlachtfeld. Na ja, das würde den Tag-Nachtwechsel erklären, als ich nach dem Teleport wieder hier im Innenland war." Doch ich wartete noch einen Moment, als eine stämmige, rothaarige Keltin uns das Bier brachte. Ernst nahm ich einen der hölzernen Humpen auf und sah meinen Gefährten in die Augen. "Zuerst aber will ich euch sagen, dass ich mich freue, euch wieder zu sehen. Ich hab euch ehrlich vermisst." Gindar lächelte warm, doch Jerali und Keena wechselten einen Blick, seufzten dann theatralisch und verdrehten die Augen. "Sie wird ja richtig rührselig," meinte die Inconnu. "Zuckerschock, ich glaub, ich bekomme einen Zuckerschock!" setzte Keena noch einen drauf. Schmollend zog ich die Nase kraus und nahm einen gewaltigen Schluck Bier. "Ach, geht doch zum Teufel." Die Beiden lachten und Keena wuschelte mir durch die Haare, als wäre ich noch ein Kind. "Ist gut, aber erst erzählst du. Ich platze vor Neugierde." Ich brummte unverbindlich, nahm dann aber einen weiteren Schluck, um meine Kehle vorsorglich anzufeuchten und begann zu erzählen. Nicht alles, wahrlich nicht. Die expliziten Details um Zaphykel und mich ging ja nun wirklich niemanden etwas an und ich bemerkte, dass der Elfenprinz sich unmerklich etwas versteift hatte, als ich bei der Erwähnung der Hilfe durch den Murgar angelangt war. Befürchtete er, ich würde ihn in Verlegenheit bringen und etwas ausplaudern? ich wusste nicht so recht, ob ich nicht tatsächlich ein wenig beleidigt sein sollte. Meine Freunde unterbrachen mich nur selten, wenn, dann durch ein überraschtes "Ist nicht wahr!" oder "Oha!". Keena konnte sich ein anzügliches Pfeifen nicht verkneifen, als ich mit finsterer Miene erzählte, wie der Elfenwächter mich in das Haus gesperrt hatte und was ich ihm da zugetraut hatte. "Ach komm schon," feixte sie. "Du bist doch bloß enttäuscht, dass dir das entgangen ist." Aus dem Augenwinkel sah ich einen dezenten Rotschimmer auf Zaphykels Wangen erblühen und musste mir ein schadenfrohes Grinsen verbeißen. "Wie auch immer. Nachdem dieser Klops, Entschuldigung," ich warf einen kurzen Blick auf den Firbolg-Schankwirt, "der Bolg mich dann beinahe ertränkt hat, durfte ich endlich zur Königin. Ihr könnt euch das nicht vorstellen, ich dachte, ich werde nun gevierteilt oder Mikata haut mir höchstpersönlich den Kopf ab. Und dann saß da Brigit auf dem Thron!" Gindar schmunzelte und führte seinen Humpen an die Lippen. "Scheint so, als hätten sie dich mit größtem Vergnügen verschaukelt." "Hm. Und dann auch noch unmittelbar nach dem ganzen Ärger. Gut, dass ich meine Axt nicht dabei hatte." "Nun hör auf, ohne Hektik und Abwechslung langweilst du dich doch zu Tode." "Na, du musst es ja wissen." So wurde noch eine Weile weiter geflachst und wir nahmen unsere zweite Runde Bier im Empfang. Zaphykel jedoch lehnte einen weiteren Humpen ab und erhob sich. "Ihr habt euch sicher noch eine Menge zu erzählen und ich muss auch noch einige Dinge erledigen," meinte er gelassen. "Wir sehen uns dann sicher noch später, spätestens, wenn ihr...," er vermied es, mich anzuschauen, "wenn ihr abreist. Auf bald, und danke für das Bier." Kurz neigte der Elf den Kopf, schob seinen Schemel zurück und verschwand mit ausgreifenden Schritten aus der Taverne. Jerali sah ihm verblüfft nach. "Was denn, ist ihm schlecht?" Keena hob grinsend die Schultern. "Vielleicht ist ihm auch das Bier auf die Blase geschlagen. Diese Spitzöhrchen können doch nichts vertragen." Ich sah nachdenklich zur Tür und unterdrückte ein Seufzen. Von den anderen hatte offenbar niemand den tief deprimierten Ausdruck im Gesicht des Hibernianers bemerkt. Überhaupt hatten sie ihn, der er während unserer fröhlichen Unterhaltung so gut wie gar nicht den Mund aufgetan hatte, kaum zur Kenntnis genommen. War vermutlich besser so, sonst wären doch noch unangenehme Fragen aufgekommen und ich war eine miserable Lügnerin. "Also," sagte Keena und rieb sich die Hände, "so schick es hier ist, ich kann dieses Giftgrün und den ganzen Rosenduft nicht mehr ertragen. Vermutlich bin ich schon so verweichlicht, dass ich Frostbeulen bekomme, wenn wir wieder nach Hause gehen. Aber das soll mir recht sein. Wann brechen wir auf?" Jerali legte Brakalu einen Arm um die schmalen Schultern. "Ich vermisse Albion auch. Nicht nur Annwn, sogar die gräßlich sonnigen Hügel von Camelot, und das will schon was heißen." Ich hob die Schultern. "Wir können gehen, wann immer wir wollen, sagt die Königin." Brakalu sah mich aufmerksam an. "Besonderrs glücklich wirrkst du aberr nicht," bemerkte er. Ich sah ihn überrascht und beinahe ein wenig erschrocken an. "Wie kommst du darauf? natürlich will ich ebenfalls nach Hause, ich habe für lange Zeit genug von Hibernia." Der kleine Nekromant zuckte flüchtig die Achseln. "Dann habe ich mich eben geirrrt." Ich sagte lieber nichts dazu. Natürlich wollte ich heim, schon allein um zu sehen -und bei dem Gedanken zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen- ob mein Bruder Storvag auf dem Schlachtfeld die Wahrheit gesprochen hatte. Ich musste mich selbst davon überzeugen, ob meine Mutter noch lebte. Nichts hielt mich hier. Oder? "Na, wenn wir uns eh alle einig sind, lasst uns doch sofort gehen," schlug Keena vor. "Warum bis morgen warten? ich hab hier kein Gepäck. Ihr etwa?" die anderen schüttelten den Kopf und ich folgte ihrem Beispiel mechanisch. "Llienne, du bist doch erwiesenermaßen unser Sprachrohr hier und hast die besten Kontakte zur Königin. Wie wäre es, wenn du hingehst und ihr Bescheid sagst, dass wir abreisen?" meinte Gindar. Ich war davon wenig angetan. "Jetzt?" fragte ich lahm. Der Ordensbruder runzelte die Stirn. "Jetzt oder in einer Stunde, ist das wichtig? was ist los mit dir?" ich sah ihm fest in die Augen. "Nichts," erklärte ich ruhig. "Du hast schon recht. Ich werde mit der Königin sprechen. Und zwar jetzt." Energisch stand ich auf. "Wartet ihr hier auf mich? ich beeil mich." Sie stimmten zu und wirkten voller Tatendrang und Ungeduld. Sie hatten wirklich keine Sorgen als die, schnellstmöglich ihre lang entbehrte Heimat wieder zu sehen. Beinahe beneidete ich sie ein wenig darum und spürte das altbekannte Selbstmitleid in mir aufsteigen. Schnell wandte ich mich ab und zur Tür. Lediglich Brakalu sah mir ernst und mit einem Hauch von Mitgefühl hinterher. Ich fühlte mich nicht ganz wohl dabei, mutterseelenallein durch Tir na nOgh zu streifen. Wenn die Königin mir auch ihre persönliche Freundschaft versichert hatte, gab es sicherlich noch genug Hibernianer, die in mir nichts anderes als das sahen, was ich war: eine Reichsfeindin, die Fremde aus dem eisigen Norden. Es war zwar nur selbstverständlich, aber der Gedanke brachte einen leisen Hauch von Bitterkeit mit sich. Scheißkrieg, dachte ich resigniert und schlich durch die marmornen Gassen. Und dann passierte es tatsächlich. Ich spürte einen kräftigen Schlag im Rücken, der mir die Luft aus den Lungen trieb und mich erschrocken aufkeuchen ließ, derweil ich haltlos nach vorne stolperte und den Kampf um die Balance nach einem kurzen Moment verlor. Als ich auf die Knie fiel, hörte ich Schritte hinter mir und sah eine kräftige Hand, die die Holzkeule aufhob, welche meinen Rücken getroffen hatte. "Es ist eine Schande, dass der Abschaum plötzlich lustig durch unsere Hauptstadt marschieren darf," hörte ich eine verächtliche junge Männerstimme. Ich wandte den Kopf und sah dort einen schwarzhaarigen Kelten mit blauen Tätowierungen im Gesicht, eine knorrige, rotäugige Sylvanerin und einen Lurikeen mit honigfarbenem Flaum am Kinn. Sie wirkten alle noch recht jung, Gesichter, die ich mir gut in den niederen Schlachtfeldern vorstellen konnte. Ich versuchte aufzustehen und der Kelte hieb mir abermals zwischen die Schulterblätter. Ächzend sank ich zurück. "Wer hat gesagt, dass du hochkommen sollst, Barbarin? solche wie ihr sollten so nahe wie möglich beim Straßendreck bleiben." Ich holte tief Luft und sah mich flüchtig um, doch bis auf die drei Unruhestifter war niemand in Sicht und selbst wenn, war die Chance auf Hilfe denkbar gering. So versuchte ich es mit Vernunft. "Ich bin auf dem Weg zu eurer Königin. Lasst mich bitte vorbei, dann werdet ihr uns nie mehr zu Gesicht bekommen, denn wir wollen ohnehin abr..." ein Tritt in die Nieren ließ mich verstummen. "Hör auf zu quatschen, dein Gekrächze tut meinen Ohren weh," sagte die junge Sylvanerin angewidert. Der Kelte ging neben mir in die Knie und griff unsanft eine Handvoll meines kurzen Haares. "Mein Vater ist euretwegen gestorben," zischte er mir ins Ohr. "Weil ihr unsere Relikte und unsere Festungen rauben wolltet. Ihr seid blutgieriges Gesindel. Und was ihr uns nicht wegnehmen könnt, das verbrennt oder tötet ihr." Sein Griff verfestigte sich und wurde schmerzhaft. "Und nun lauft ihr auch noch mit der größten Selbstverständlichkeit durch mein Heimatland. Das kann nicht wahr sein!" ich stöhnte leise, denn es fühlte sich an, als wolle er mir die Haare büschelweise ausreißen. "Es tut mir Leid um deinen Vater," presste ich hervor, "aber dafür kann ich nichts. Auch nicht dafür, dass unsere Reiche im Krieg liegen." Das war natürlich richtig, aber sicherlich nicht das, was der Kelte hören wollte. Roh riss er meinen Kopf zurück, so dass ich meine Nackenwirbel protestierend knacken hörte. "Mynlin, hast du zufällig ein Messer?" fragte der Schwarzhaarige im Plauderton und der Lurikeen fummelte eilig an seinem Gürtel, ehe er seinem Gefährten eine kurze Klinge reichte. Ich sah sie gebannt an. "Was meinst du," wollte der Kelte leise wissen, "ob's dir gefallen würde, wenn wir uns auf eure nordischen Barbarenmethoden verlegen? soll ich dir die Nase abschneiden? ein Ohr vielleicht? oder einen Finger?" er nickte auf meine rechte Hand. Ich spürte mein Herz ein wenig schneller klopfen. "Du wirst sie loslassen, und zwar augenblicklich," erklang eine leise, vertraute Stimme. Hoffnungsvoll sah ich auf und blickte direkt in Zaphykels Gesicht. Der Kelte gehorchte, wenn auch nur widerwillig. "Eure...," er zögerte merklich, "Hoheit. Sie ist doch nur..." Zaphykel hob die Hand, und der Schwarzhaarige verstummte. "Sie ist unser Gast. Wenn ich noch einmal sehe, dass einer von euch Hand an sie oder ihre Gefährten legt, werde ich euch auspeitschen lassen. Ich hoffe, ihr habt das verstanden." Sie zogen die Köpfe ein, doch funkelte vor allem in den Augen des Kelten mühsam beherrschter Zorn, gepaart mit Trotz. Sie akzeptieren ihn nicht, dachte ich beiläufig. Noch nicht. Zaphykel schien das auch zu merken. Kurz angebunden ruckte er mit dem Kopf. "Geht schon." Und endlich taten sie, was der Elf verlangte. Nicht, ohne mir noch einen wahrhaft mörderischen Blick zuzuwerfen, ließ sich der Kelte von der Sylvanerin und dem Lurikeen fortziehen. "Danke," sagte ich leise. Zaphykel streckte die Hand aus, zog sie dann aber wieder zurück. "Ist alles in Ordnung mit dir?" gab er ebenso leise zurück. Ich nickte. "Ich wollte..." Zaphykel wandte den Blick ab. "Ich weiß, wohin du wolltest. Ich...ich schätze, ich werde dich besser begleiten." Er hielt mir nun doch die Hand hin, und nach kurzem Zögern ergriff ich sie, um mich mit einem Schwung auf die Füße ziehen zu lassen. Schweigend gingen wir nebeneinander her. Innerlich wartete ich nur darauf, dass mich der Elf abermals bitten würde, hier zu bleiben, doch nichts dergleichen geschah. Ein vorsichtiger Seitenblick präsentierte mir einen regelrecht gefrorenen Gesichtsausdruck und ich hielt das Schweigen lieber aufrecht. So dauerte es nicht lange, und wir standen vor dem Thronsaal. "Du kommst zurecht?" fragte Zaphykel. Ich nickte wortlos. "Gut." Er sah kurz zu Boden. "Dann...sehen wir uns später noch einmal, hoffe ich." Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich rasch ab und verschwand hinter der nächsten Biegung. "Ja," murmelte ich, halb zu mir selbst und starrte betrübt in die Richtung, in welche der Hibernianer geflüchtet war. Erst das leise Räuspern der Palastwache riss mich aus meinen Träumereien. "Du willst zur Königin?" fragte sie überflüssigerweise. "Wenn das möglich wäre? oder ist sie gerade beschäftigt?" ich klang beinahe ein bisschen schüchtern und ein Lächeln huschte über das Gesicht der Elfenwächterin. "Ich glaube, das ist sie, aber das macht es nicht unmöglich," meint sie mit einem kleinen Zwinkern und öffnete mir die Tür. Ich grinste zurück und huschte durch den schmalen Spalt. Das gerade Erlebte hatte mit deutlich gemacht, dass ich hier wirklich nicht länger bleiben konnte. Zaphykel würde nicht immer da sein, um mich zu retten. Und Keena hatte schon Recht- Hibernia war einfach kein Ort für uns, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit würde ich bei meiner Heimkehr in Midgard nicht nur Frostbeulen davontragen, sondern auch noch schneeblind werden. Mit solcherlei rosigen Aussichten tappte ich vorsichtig in den Thronsaal und fand Brigit in reichlich unköniglicher Haltung, die Beine so weit gespreizt auf dem Thron sitzend, dass sich jede Dame mit Grauen abgewandt hätte. Sie hatte einen Stapel von Pergamentbögen neben sich und einen in der Hand. Mit gerunzelter Stirn und mürrisch verkniffenem Mund las die Elfe den Inhalt der Dokumente und wirkte so vertieft, dass ich nicht recht wusste, ob ich überhaupt bemerkt wurde oder reichlich ungünstig kam. Als annähernd dreißig Sekunden verstrichen, machte ich schon den Mund auf, um auf mich aufmerksam zu machen, als Brigit das Wort ergriff: "Was kann ich für dich tun, Llienne?" ich kratzte mich ein wenig beklommen am Ohr und trat näher, ehe ich ungeschickt vor der Herrscherin knickste. "Also, ich wollte nur Bescheid geben. Meine Freunde und ich würden gerne aufbrechen...nach Hause, wenn das möglich ist." Unter dem leicht verwirrt anmutenden Blick Brigits geriet ich ins Stocken. "Schon so früh?" fragte die Elfe und klang tatsächlich beinahe ein wenig enttäuscht. "Natürlich habt ihr meine Erlaubnis, aber ich dachte, ich könntet noch ein wenig bleiben. Ich muss mich noch für so viele Dinge erkenntlich zeigen." Die Worte erfüllten mich mit Verlegenheit und unsicher scharrte ich mit einem Fuß. "Das müsst Ihr nicht. Wir haben uns gegenseitig geholfen, und..." Brigit wedelte die Worte wie einen üblen Lufthauch beiseite. "Ohne deine Freunde und dich würde ich immer noch in Murdaigean festsitzen und mein Sohn wäre vermutlich tot," sagte sie leise. "Also beschäme mich bitte nicht weiter und hör auf, so bescheiden zu sein." Ich hob den Kopf und erwiderte ihren freundlich-eindringlichen Blick fest. "Dann helft mir jetzt und bringt uns sicher zum nächsten Teleporter. Das wäre der größte Gefallen, den Ihr mir und auch meinen Freunden tun könntet." Die Elfe lehnte sich seufzend zurück. "Also schön. Ich weiß, für all die Strapazen, die du erleiden musstest, ist das ein jämmerlicher Ausgleich, aber erlaube mir, meinem Schatzmeister Bescheid zu geben, dass er dich und deine Freunde so angemessen entlohnt, wie es Jeder tun würde, dem ihr so viele Dienste erwiesen hättet." Ich dachte kurz über den Vorschlag nach und nickte dann. Mir persönlich bedeutete Gold nichts, aber ich wollte nicht abgerissen und bettelarm zu Hause aufkreuzen und meine Familie hatte notgedrungen immer sehr sparsam gelebt und konnte ein wenig Unterstützung sicher gut gebrauchen. Die Königin nickte huldvoll, stand auf und trat an einen kleinen Tisch heran, um schwungvoll eine Notiz unter einen der Pergamentbögen zu schreiben. "Mein Sohn wird dich sicher vermissen," bemerkte sie dabei beiläufig und obwohl ihre Stimme keineswegs lauernd klang, fuhr ich unmerklich zusammen und vermied es, Brigit anzuschauen. Hatte man uns bemerkt und ihr davon erzählt? bei dem Gedanken wurde mir heiß und kalt. "Er ist sehr freundlich," krächzte ich völlig aus dem Zusammenhang gerissen und stellte noch in der selben Sekunde fest, wie unglaublich dämlich das klang. Die Elfenherrscherin schien ähnlich zu denken und hob ganz kurz eine Augenbraue, enthielt sich dann aber dankenswerterweise jeglichen Kommentars. "Ich lasse das hier zum Schatzmeister bringen und werde euch Kleider und Nahrung bereitstellen lassen. Bitte finde dich mit deinen Freunden in einer halben Stunde am Haupttor von Tir na nOgh ein." Damit war ich wohl entlassen und ließ ein schnelles Nicken sehen, ehe ich abermals knickste und den Thronsaal verließ. Draußen atmete ich tief und so geräuschvoll ein, dass die Wächterin neben mir leise auflachte. "Dein Kopf ist so rot wie eine Tomate, Mädchen," meinte sie nicht unfreundlich. "Ich bin eine Tomate," erwiderte ich geistreich. "Treulos und doof." Hastig verließ ich Alainn Cuir, das Lachen der Plastwache in den Ohren. Während ich mich beeilte, zu meinen Freunden zurück zu kehren, um die Nachricht von unserem bevorstehenden Aufbruch zu überbringen, bemerkte ich nicht, dass mich eine kleinwüchsige Gestalt, die nur ein Lurikeen sein konnte, mit schier brennenden Blicken verfolgte. Dark Age of Camelot, Part 3 Ich saß an dem schlichten Grab und spielte gedankenverloren mit meinem schulterlangen Zopf. Ein resigniertes Seufzen kam mir über die Lippen, denn ich war schon lange nicht mehr hier gewesen, wie ich schuldbewusst feststellte. Ein kurzer Krampf durchzuckte meinen Unterleib und ich kniff kurz die Augenlider zusammen. Seit mein Körper endgültig der einer Frau geworden war und mich monatlich unter heftigen Schmerzen bluten ließ, hatte ich einige Bedenken, mich so oft still und heimlich zu Odins Tor zu schleichen, wo ich mich dann mit Zaphykel traf. Der Gedanke verstärkte das schlechte Gewissen noch. Was würde wohl geschehen, wenn ich doch noch schwanger werden würde? "Mutter," murmelte ich mit leiser Melancholie und strich mit den schwieligen Fingern über die schwarze Graberde. Storvag hatte nicht gelogen, auch wenn die Umstände ihres Todes ein wenig anders gewesen waren. Sicher, sie war von Sorge zerfressen gewesen, aber was sie schließlich das Leben gekostet hatte, waren gleich zwei Dinge: eine Vergiftung, die vom Verzehr einiger schwarzer Beeren her rührte, die sie wohl verwechselt haben musste, und eine entzündete Wunde am Bein, der meine Mutter erst dann die nötige Aufmerksamkeit gewidmet hatte, als sich ein roter, ominöser Strich wie eine überlange, dünne Schlange über ihr Bein in Richtung Herzen wand. Und Storvag war verschwunden. Ich dachte oft an den Tag meiner Heimkehr, auch wenn dieser schon wieder drei Jahre zurücklag: Die Hibernianer hatten Brakalu, Gindar, Keena, Jerali und mich mit allen Ehren verabschiedet und Königin Brigit versicherte uns noch einmal ihrer persönlichen Freundschaft. Als die Kraft der Teleportmagie uns ins eisige Midgard zurückschickte, bekam ich erstmals Gelegenheit, nach der ganzen Aufregung die ersten Anzeichen von Panik zu verspüren. Hatte ich vor gar nicht so langer Zeit geglaubt, mein Zuhause niemals lebend wieder zu sehen, so war es nun unvermutet zum Greifen nahe. Ich gewährte mir noch ein wenig Aufschub, indem ich mit Keena zusammen Brakalu, Gindar und Jerali so weit an die Reichsgrenzen begleitete, wie wir es wagen konnten. Der Abschied fiel mir wirklich schwer, denn ich hatte die drei Albioner tiefer ins Herz geschlossen, als mir vorher bewusst gewesen war. Wir versprachen uns, uns nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren und dann standen Keena und ich nebeinander und sahen unseren ehemaligen Feinden nach, wie sie hoch aufgerichtet am Horizont und damit vorübergehend aus unserem Leben verschwanden. "Ich werde die beiden Fische vermissen," meinte das Katzenmädchen wehmütig. "Und Gindar war ja irgendwie auch ein feiner Kerl. Verdammt, ich hasse es, rührselig zu werden, aber ich könnte glatt heulen. Alles dein schlechter Einfluss, Llienne!" lächelnd drückte ich ihre Hand und bemerkte dabei, dass meine Finger leicht zitterten. Das registrierte auch Keena. "Machst du dir Sorgen wegen deiner Familie?" fragte sie leise. Ich nickte fahrig. "Sorgen ist kein Ausdruck, ich mach mir fast in die Hose," gestand ich halblaut. Sie erwiderte den Druck meiner Hand. "Ich bringe dich heim. Und wenn etwas ist, dann komm zu mir." Ich nickte erneut, fühlte mich aber nur minimal besser. Das alles war nun überstanden. Statt grün und blau geprügelt und anschließend aus dem Haus geworfen zu werden, hatte mich mein Vater zunächst nur wortlos angestarrt. Sein Anblick war erschreckend- die blonden Haare wiesen nun sehr viel mehr Grau auf, tiefe Falten zerfurchten sein Gesicht und er ging leicht gebeugt. Der große, stattliche Nordmann, der immer ein unerschöpflicher Quell aus Wut und Stärke gewesen zu sein schien, war mit einem Mal ein alter Mann geworden, der den Verlust von Frau und einem Sohn betrauerte und statt seinem Frieden eine gänzlich aus der Art geschlagene Tochter zurückbekommen hatte. Tatsächlich schlug er mich seitdem nie mehr, brüllte mich auch nicht an und verlangte -sehr zu meiner Erleichterung- nicht, dass ich mein altes Problem namens Leifnir Havocbringer heiratete. Wir lebten nebeneinander her und seine zerstreute, desinteressierte Art, die mir deutlich zu verstehen gab, dass ich geduldet, aber keineswegs mehr erwünscht war, begann mir alsbald mehr auf die Nerven zu fallen als sein früherer Jähzorn. "Llie!" rief eine Stimme und ich hob den Kopf. Mein jüngerer Bruder Lars stapfte gemächlich auf mich zu und ich kam nicht umhin, bei seinem Anblick stolz zu lächeln. Lars war mächtig gewachsen und versprach schon jetzt, der Stolz des Hauses zu werden. Er trug die dichten blonden Haare so lang, wie es bei einem Mann -oder eher Jungen- gerade noch erlaubt war und bemühte sich auf rührende Weise, sich mehr wie ein Erwachener als ein Kind zu verhalten, auch wenn es dazu eindeutig noch zu früh war. "Was ist?" gab ich zurück und rutschte ein wenig zur Seite, woraufhin er sich neben mir nieder ließ. "Hast du schon das Neuste gehört?" wollte er wissen und ich zuckte die Schultern. "Ich höre über den Tag verteilt 'ne Menge Neuigkeiten." Er schnaubte unanständig. "Ist klar. Aber weißt du auch, weswegen ganz Jordheim diesmal in Aufregung ist?" er begann, mir auf die Nerven zu gehen. "Und?" brummte ich. Plötzlich fiel die Lässigkeit von ihm ab und mein Bruder rückte noch etwas näher an mich heran. "Etwas Schreckliches ist passiert," zischte er, als hätte er Angst, jemand könne ihn hören. "Verräter spinnen eine Intrige gegen den König. Und die müssen total verrückt geworden sein, denn sie...sie haben Behemoth frei gelassen!" meine Augen weiteten sich ein wenig. "Bei Bragis Eiern," sagte ich entsetzt, "weiß Vater das schon?" Lars zuckte mit den Schultern. "Der kriegt doch eh kaum noch was mit. Was wird passieren, Llie? wie weit ist Darkness Falls von hier entfernt?" ich blickte mich um, als erwartete ich, jeden Moment die furchterregendste Kreatur dieses verfluchten Loches hinter mir aufragen zu sehen. "Ziemlich weit," erwiderte ich schließlich. "Ich denke, ich gehe mal nach Jordheim und höre mich um." Ein kurzer, beißender Krampf grub sich in meine Eingeweide und mit einem gepressten Knurren ergänzte ich: "Sobald ich ein bisschen von diesem widerlichen Tee getrunken habe, den die Händlerin von neulich mir gegeben hat." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)