Zum Inhalt der Seite

Dark Age of Camelot

Erinnerung an einen besonderen Tag (für Fellnase)
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Gedanken

Eine Erinnerung an einen besonderen Tag:
 

Es war niemand mehr da. Stille senkte sich über die Wälder, die Brücken warfen düstere Schatten im fahlen Mondlicht und nichts malte mehr ein Bild der Kämpfe, die auch heute wieder den Boden hatten erzittern lassen. Es war die Zeit, um sich von Wunden zu erholen, wohlverdiente oder auch heimtückische Siege zu feiern und die Toten zu betrauern. Der Elf, der still im Schatten seiner Heimatfestung saß, tat nichts dergleichen. Er lehnte den Kopf an die Mauer, hielt die Augen geschlossen und hing seinen Gedanken nach. Die vollkommene Stille war wunderbar beruhigend, doch die Geschehnisse des Tages hallten noch in ihm nach- wie nach beinahe jedem kampfgeprägten Tag.

Meistens berührten den Elfen die Erlebnisse nur wenig- das Prinzip war ja doch immer das Gleiche. Ein Haufen Leute mit verschiedenen Ansichten und unterschiedlicher Herkunft fand sich zusammen, um Magie und Waffen sprechen zu lassen. Warum? nun, wenn man die Einzelnen gefragt hätte, hätten sie vermutlich viele kluge -oder auch unsagbar dumme- Antworten gegeben, aber darauf kam es nicht an. Sie taten es, weil sie es für richtig hielten. So einfach war das. Und er, Cheres selbst? er musste sich eingestehen, dass es darauf weder eine kluge oder eine schlechte Antwort gab. Pflichtgefühle seiner Heimat gegenüber hätten ihn vermutlich nicht gerade nach Thidranki getrieben. Rachegelüste kannte er nicht und er brauchte weder sich selbst noch irgendwem sonst etwas beweisen- dazu hatte er zuviele getötet, war zu oft besiegt worden. Er kam zu dem Schluss, dass es wohl ganz einfach das Vergnügen sein musste, und daran war wahrhaftig nichts Heldenhaftes- ob man nun einen Käfer unter dem Stiefelabsatz zertrat oder einen viel jüngeren und schwächeren Bretonen erschlug, gab es da letztlich einen großen Unterschied?

Cheres seufzte, unzufrieden mit sich selbst. Gestattete er seinen Gedanken einmal, sich nicht in wohlüberlegten und logischen Bahnen zu bewegen, dann schweiften sie ab und ließen es zu, dass ein solcher Unsinn seinem Hirn entsprang. Er stand auf und klopfte sich den Staub vom Umhang. Während er den Blick nachdenklich über das verlassene Tal schweifen ließ, merkte er nicht, wie sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen stahl. Denn heute war etwas geschehen, was nicht seinem gewohnten Tagesablauf entsprach, etwas, das über schlichtes Töten noch hinausging- etwas, dass es endlich einmal wert war, dass er -wie in diesem Moment- eingehender darüber nachdachte:
 

Cheres stand auf Fagans Brücke und wandte den Kopf der Banshee zu, die eben in diesem Moment unter einem gnadenlosen Schlag der Schattenklinge in die Knie ging. Der Elf knirschte mit den Zähnen- für den Meuchler waren die ganzen Fingerfuchtler, wie Cheres seine magiebegabten Mitstreiter still nannte, ein gefundenes Fressen. Und sie wurden einfach nicht klüger- kopflos liefen sie genau unter den Zinnen von Thidranki Faste herum und machten sich damit zu perfekten Zielen für die Schattenklinge und seine bogenschießenden Gefährten, die dann auf den Zinnen auftauchten und die Unvorsichtigen prompt für ihre Vorwitzigkeit bezahlen ließen. "Komm' weg da," zischte Cheres, stürzte mit einem Satz nach vorn und packte den Jüngsten ihrer Truppe, einen hoffnungslos leichtsinnigen Beschwörer, grob am Arm. Er hatte die Bewegung kaum ausgeführt, da erklang ein scharfes Sirren und er spürte einen stechenden Schmerz in der Schulter. Der Pfeil, der ihn zum ungezählten Male getroffen hatte, besaß nicht genug Kraft, um ihn ernstlich zu verletzen, aber der Schwertmeister konnte sich durchaus etwas reizvolleres vorstellen, als von einem midländischen Bogenschützen in ein Nadelkissen verwandelt zu werden. Sein Kopf ruckte hoch, und wie er fast erwartet hatte, war auch diesmal die Valkynjägerin die Schützin gewesen. Er hob ihr die Faust entgegen und fauchte etwas auf elfisch, das in deutlichem Gegensatz zu den gewählten, formvollendeten Worten stand, mit denen er sich für gewöhnlich auszudrücken pflegte. Die Jägerin, die zwar nicht die Beleidigung, wohl aber den Tonfall verstanden hatte, lachte nur und warf ihm einen spöttischen Handkuss zu, ehe sie wieder mit den Schatten verschmolz.

Der Beschwörer starrte Cheres einen Moment lang ungläubig an, bevor er sich von ihm auf die halbwegs sichere Brücke zerren ließ. "Da rein," befahl der Schwertmeister mit schneidener Stimme und stieß den leichenblassen, um Atem ringenden Jungelfen unsanft in den Brückenturm. "Ruh dich einen Moment aus und bleib hinten, oder sieh zu, dass du alleine klar kommst. Nochmal lasse ich mich nicht für dich spicken, verstanden?" der Jungelf hielt sich den Arm, der schlaff an seiner Hüfte ruhte. "Ja, hab ich," murmelte er, "aber...es sind zuviele und sie kommen nicht aus der Festung, das ist doch hoffnungs..." doch er hatte keinen Zuhörer mehr. Eben erklang wieder ein Schrei, dieses Mal hatte sich die Schattenklinge die Mentalistin vorgenommen.

Cheres sah, wie die Elfe zum Flussufer zurückwich, aber ihre Bewegungen waren langsam und schwerfällig, das lähmende Gift des Meuchlers breitete sich bereits in ihrem Körper aus. Doch auch die anderen Gruppenmitglieder hatten die Schattenklinge bemerkt, und reine, hibernianische Magie fegte zu beiden Seiten an Cheres' Gesicht vorbei. Der Meuchler zog sich hastig zurück und wollte in Richtung Festung fliehen, und ehe Cheres wusste, was er tat -nämlich genau das, was er dem Jungelfen eben noch untersagt hatte- rannte er bereits los und zog im Laufen seine Klingen. Die Magier, die ebenfalls auf Vergeltung sannen und sich aus dem Schutz des Brückenturms wagten, wurden sogleich von den zielsicheren Pfeilen begrüßt und sahen sich gezwungen, wieder auf die Brücke zurückzuweichen. Indes hatte Cheres den Fliehenden eingeholt und stieß ihm ohne zu zögern sein Rapier und Stilett in den Rücken, was die Schattenklinge überrascht aufschreien und ins Stolpern bringen ließ. Obwohl schon gefährlich nahe an der Festung und von den Wachen, die die Krieger ihre Kämpfe meist unter sich ausmachen ließen, misstrauisch ins Visier genommen, machte Cheres keine Anstalten, sich zurückzuziehen. Dafür hatte sein Stolz nun doch schon ein paar Schrammen zuviel abbekommen. Grimmig schlug er auf den Nordmann ein, und dieser drehte sich nun doch um, offenbar darum bestrebt, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Er wich einem wütenden Hieb des Schwertmeisters aus und hob dann seinerseits die Waffen. Funken stoben auf, als Axt und Rapier klirrend aufeinanderprallten. Cheres spürte einen harten Schlag im Rücken und taumelte kurz- sollte ihm seine angekratzte Würde nun gar zum Verhängnis werden? er kam zu dem Schluss, dass er zum sterben noch einige Sommer zu jung war, flüsterte ein paar lautlose Worte und wie aus dem Nichts erschien über den Kämpfenden eine grün leuchtende, von Geisterhand gehaltene Klinge reiner Macht, die sich nun in das Geschehen einmischte und zusammen mit den Schwertern des Elfen erbarmungslos auf den Meuchler niederfuhr.

Der Nordmann gab einen erstickten, gurgelnden Schrei von sich und brach in die Knie, und Cheres sparte sich die höfliche Verbeugung, die er einem besiegten Gegner normalerweise zuteil werden ließ- dazu war der andere zu tückisch vorgegangen, und außerdem spürte er inzwischen warmes Blut, das ihm an Bein, Hüften und Schulter über die schon recht mitgenommene Rüstung floss. So hastete er eilig zur Brücke zurück und gönnte sich nur einen Blick über die Schulter: der Pfeil, der ihn gerade schmerzhaft getroffen hatte, stammte -welch Überraschung- von der Valkynjägerin. Als sich ihre Blicke trafen, zögerte die Midgarderin kurz, ehe sie langsam grinste und eine Geste wie eine Umarmung machte. Cheres ging auf das Spielchen ein, erwiderte das Grinsen und scharrte verlegen mit einem Fuß, ehe er sich nun ebenfalls in den Brückenturm zurückzog.

"Hast du ihn erwischt?" fragte der junge Beschwörer aufgeregt. Cheres griff nach hinten, brach den Pfeil mit einem kurzen Ruck und einem schmerzerfüllten Zischen ab und zog ihn in einer einzigen Bewegung aus der durchschlagenen Rüstung. Er nickte nur und setzte sich ein wenig schwerfälliger als sonst. Die Mentalistin, die die Attacke des Meuchlers doch noch überstanden hatte, schenkte ihm einen glühenden Blick und beugte sich schüchtern über ihn, um einen wohltuenden, regenerierenden Zauber wirken zu lassen. Cheres seufzte tief, als das dutzendfache Brennen und Stechen langsam nachließ. "Gehen wir," sagte er unvermittelt. Die anderen starrten ihn an. Ein Eldritch hob unsicher die Hände und ließ sie wieder sinken. "Aber...wir können doch nicht einfach so gehen!", protestierte er. Cheres sah ihn stumm an. "Du hast es doch gesehen," fuhr der Eldritch erhitzt fort, "sie verspotten uns und machen sich über uns lustig und du verlangst, dass wir einfach...gehen?" Cheres erwiderte den Blick so lange, bis der andere den Kopf senkte. Dann streifte er nochmals jedes Mitglied der Gruppe mit einem langen, forschenden Blick. Sie waren ausnahmslos Magier, allesamt um einiges jünger als er und so blauäugig, dass sie sich vermutlich gleich wieder als Zielscheiben zur Verfügung stellen würden, denn nichts anderes war seit einer geschlagenen halben Stunde der Fall. Er stand auf und klopfte imaginären Staub von seinem Umhang. "Tut, was ihr wollt, aber wenn sie euch auslachen, solltet ihr euch vielleicht Gedanken machen, warum sie das wohl tun." Er lächelte spöttisch, als er ihre bestürzten und auch verärgerten Gesichter sah.

"Dann geh doch," grummelte der Eldritch, mied aber immer noch Cheres' Blick. Die anderen nickten nach kurzem Zögern. Die Banshee, die sich erschöpft an die Mauer lehnte, machte eine wegwerfende Handbewegung. "Einen Reisenden sollte man nicht aufhalten, selbst wenn er seine Gefährten im Stich lässt," sagte sie schroff. Cheres wandte sich ab. "Du sagst es. Viel Vergnügen noch."
 

Dass die anderen ihn nun vermutlich verachteten, kümmerte Cheres nicht wirklich- er machte aus seiner eigenen Verachtung keinen Hehl. Vielleicht würde ihm seine Arroganz eines Tages teuer zu stehen kommen, doch dann starb er lieber allein und hochmütig, denn als Witzfigur inmitten von Krieg spielenden Kindern. Er hielt den Kopf gesenkt und spähte aus dem Augenwinkel aufmerksam zu allen Seiten, als plötzlich ein heiseres und durchaus bedrohliches Knurren an seine Ohren drang. Wie aus dem Boden gewachsen stand geduckt ein struppiger, zähnefletschender Wolf vor ihm. Cheres identifizierte ihn sofort als den Getreuen eines midländischen Jägers, und wo sein Tier war, da war der Jäger meist nicht weit. Um den Wolf bei einer eventuellen Flucht nicht an den Fersen zu haben, hob er seine Schwerter und brachte das Tier mit wenigen Streichen zur Strecke- kläglich aufwinselnd und mit zuckenden Beinen tat es seine letzten Atemzüge, und Cheres, der die Schwerter sinken ließ und sich umwandte, hörte plötzlich einen Laut, der wie ein vorwurfsvolles Schluchzen klang.

Angespannt ließ er den Blick über die Bäume und den Käfersumpf schweifen, als ihn urplötzlich ein winziger Stein am Kopf traf. Überrascht wirbelte er herum und sah sich der Valkynjägerin von Thidranki Faste gegenüber. Cheres wich sofort ein Stück zurück und hob drohend die Klingen, doch die Valkyn stand nur leicht vornüber gebeugt da, legte den Kopf schräg und musterte ihn aufmerksam. Das gefiel Cheres nicht- solch ein Benehmen war er nicht gewöhnt und es brachte ihn aus dem Konzept. Er überlegte einen Moment, ob er einfach vorstürmen und sie attackieren sollte- ohne ihren Bogen und im Nahkampf wäre sie ihm höchstwahrscheinlich hoffnungslos unterlegen. Andererseits hätte sie ihn auch aus sicherer Ferne angreifen können, während er sich noch mit ihrem Wolfsgefährten beschäftigt hatte. Verwirrt starrte er sie an, nun wirklich unsicher geworden. Die Valkyn schien das zu spüren. Sie ging in die Knie, klaubte einen Stock auf und kritzelte etwas ins weiche Erdreich. Dann sah sie auf und betrachtete ihn erwartungsvoll.

Cheres kam widerwillig ein winziges Stück näher. Er fürchtete sich nicht, nur kam ihm das Ganze immer sonderbarer vor. Dazu kam allerdings die Neugier, und er senkte den Kopf, um die für ihn völlig verständnislose Kritzelei ins Auge zu nehmen. Natürlich war das midländisch und er konnte nicht einmal die Buchstaben lesen. Verwirrt zuckte er die Achseln, deutete auf den Boden und schüttelte den Kopf. Die Valkyn blinzelte und lächelte ihn dann an, ehe sie sich mit dem Finger auf die Brust tippte und ein winziges Wort sagte: "Fellnase!" sie sprach mit einem eigenwilligen Akzent und ihre Stimme klang rauh, wie er sich das bei einer Midgarderin immer vorgestellt hatte, doch die scharfen Augen blitzten ihn fast freundlich an. "Fellnase?" wiederholte der Elf zweifelnd, sicherlich hatte er sich verhört. Fellnase nickte bekräftigend und deutete dann auf Cheres' Brust. Der Schwertmeister zögerte und fragte sich, warum er dieses absurde Spiel eigentlich mitmachte- sie waren Feinde, noch vor wenigen Minuten hatte sie ihre Pfeile auf ihn abgeschossen und zugeschaut, wie er einen ihrer Kampfgefährten getötet hatte. Zu seiner Überraschung legte er jedoch die Hand auf die Brust und nannte ihr ebenfalls schlicht seinen Namen. Fellnase grinste, vielleicht klang er für sie genauso seltsam wie es umgekehrt der Fall war. Während sie sich noch mit offener Neugier betrachteten, wehte plötzlich ein Schrei zu ihnen hinüber: "Warte, Cheres, wir..." der junge Beschwörer blieb erschrocken stehen und der Eldritch, der mit äußerst mürrischem Gesicht hinter ihm hergestapft war, prallte beinahe gegen seinen Rücken. Er überwand die Überraschung jedoch deutlich schneller als sein Gefährte und eine schimmernde Kugel reiner Magie formte sich in seinen Händen, die er einen Herzschlag später auf die ebenfalls erstarrte Valkyn schleuderte.

Was dann geschah, konnte sich Cheres weder heute noch im Nachhinein erklären. Er hob die Hand, als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen und kam den beiden Hibernianern mit schnellen Schritten entgegen. "Halt," befahl er scharf, "lasst das!" die Elfen waren so überrascht, dass sie tatsächlich die Hände sinken ließen. Während Fellnase sich reflexartig duckte und den getroffenen Arm umklammerte, sah sie aus leicht geweiteten Augen zu, wie die drei Elfen in einer schnellen, melodisch klingenden Sprache miteinander sprachen, offensichtlich waren die beiden Neuankömmlinge genauso verärgert wie der Blonde, der sich 'Cheres' genannt, denn dieser hob jetzt die Stimme und der andere Elf, der sie angegriffen hatte, antwortete in derselben Lautstärke und deutete herrisch auf Fellnase. Das Wortgefecht wurde noch einen Moment fortgeführt, ehe sich die beiden offenbar geschlagen gaben. Während der Jüngere eine regelrecht unglückliche Miene aufgesetzt hatte, spuckte sein Gefährte seitwärts aus und stapfte dann wortlos zurück in Richtung Fagans Brücke.

Cheres stand noch einen Moment da und sah ihnen nach, bevor er sich langsam, um sie nicht zu erschrecken, zu der Jägerin umwandte. Fellnase starrte ihn kurz an, dann war sie mit einem blitzschnellen Satz bei ihm, schlang die Arme um den Elfen und zog ihn in eine kurze, aber beinahe stürmische Umarmung. Cheres versteifte sich und starrte die Valkyn regelrecht schockiert an, während seine Hand automatisch zu seinem Rapier gezuckt war. Doch da ließ Fellnase bereits wieder von ihm ab, ließ stattdessen das Grinsen, mit dem sie ihn eben mehrmals zur Weißglut getrieben hatte, aufblitzen und wich ein wenig zurück. Verdattert und reichlich schief grinste Cheres zurück und folgte dem Blick, den Fellnase den beiden davonstolzierenden Elfen zuwarf. Da er wusste, dass die Midgarderin ihn nicht verstehen konnte, nickte er kurz abfällig in Richtung Brücke und verdrehte die Augen. Fellnase grinste noch ein wenig breiter, ehe sie die Augen aufriss und warnend hinter den Elfen deutete. Cheres fuhr sofort herum- und sah sich einer halben Gruppe von Albionern gegenüber stehen. Er linste kurz über die Schulter und war nicht überrascht, dass Fellnase blitzschnell in die Schatten entschwunden war. Dann sterbe ich nicht an Arroganz, sondern durch Dummheit und die Zähmung einer Valkyn, dachte er mit einer Art Galgenhumor. Langsam löste er seine Schwerter vom Gürtel und stürzte sich auf den erstbesten Albioner, einen noch recht jungen Inconnu, der in eine Kettenrüstung gehüllt war und neben seinem Schild mit einer Peitsche bewaffnet war.

Der Elf wartete nicht, sondern rief sogleich seine magische Klinge zur Unterstützung und ließ diese zusammen mit dem Rapier und seinem Stilett auf den angesichts dieses wütenden Angriffs überraschten Arawnritter niedergehen. Der Treffer war mehr als kritisch und der Inconnu schrie schmerzerfüllt auf. Wütende Stimmen brüllten etwas in einer für ihn unverständlichen Sprache und ein stechender Schmerz kroch seinen Rücken hinauf- so kalt, dass es fast wieder heiß wirkte, trafen ihn die Zauber eines Theurgen, der ihm mit einem hasserfüllten Blick ein Eiswesen nach dem anderen entgegen schickte. Nun waren auch zwei Highlander heran und einer gab dem Schwertmeister einen heftigen Schlag mit dem Schild, der ihn für einen winzigen Moment nahe an den Rand einer Ohnmacht brachte. Cheres spürte, wie die Schwerter seinen kraftlos werdenden Fingern zu entgleiten drohten und verzweifelt schlug er abermals zu- mit einem klagenden Laut brach der Inconnu zusammen. Er bemerkte nicht, dass Fellnase ihn aus dem Schatten heraus mit zusammen gekniffenen Lippen betrachtete. Sie hob ihren Bogen und spannte ihn langsam, und im selben Moment verlor der Elf das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.

Die Valkyn verharrte, denn die Albioner wandten sich unverzüglich um, vielleicht, um Hilfe aus ihrer Festung zu holen. Der Highlander, der ihn mit dem Schild angegriffen hatte, gab Cheres einen letzten, verächtlichen Tritt und folgte dann seinen Gefährten, die bereits den Rückweg eingeschlagen hatten. Fellnase wartete noch einen Moment und entspannte dann vorsichtig ihren Bogen. Sie gab ihre Tarnung auf und humpelte eilig zu dem Gestürzten hinüber. Der Elf war ohnmächtig, aber ganz offensichtlich nicht tot- die Albioner hatten es zu eilig gehabt. Fellnase schaute sich verstohlen nach links und rechts um, unschlüssig, was sie nun tun sollte. Es widerstrebte ihr, den Hibernianer liegen zu lassen- jeder zufällig Vorbeilaufende würde ihn mühelos töten können. Sie biss sich auf die Lippen und sah ihn wieder vor sich, wie er zwei metallene Klingen und eine aus reiner Energie schwingend, ihren Pfeilen zum Trotz der Schattenklinge nachgejagt war. Sie seufzte, packte ihn unter den Achseln und zog ihn hoch. Tragen konnte sie ihn nicht, und so stützte sie ihn, um ihn umständlich hinter sich herzuziehen. Cheres stöhnte leise und öffnete blinzelnd ein Auge. "Was..." begann er, doch Fellnase schüttelte nur den Kopf und zog ihn weiter. Er biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien und stolperte mühsam neben ihr her. Sie schlug den Weg in Richtung seiner Portalfestung ein, wie er alsbald feststellte. Verwundert und noch arg benommen betrachtete er sie von der Seite und schwieg, bis die Festung vor ihnen auftauchte- dass sie selbst in der Zwischenzeit von niemanden gesehen worden waren, kam einem Wunder gleich. Fellnase blieb in respektvollem Abstand zu den Meisterzauberern stehen, strich sich eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr und ließ den Elfen vorsichtig los. Cheres stützte sich verstohlen an einem Baumstamm ab und musterte die Valkyn mit ehrlicher Verwirrung. "Ich...danke dir," sagte er, und wenn sie die Worte auch wieder nicht verstand, dann wohl den Tonfall. Sie warf ihm einen Handkuss zu, grinste- und war dann einfach verschwunden.

Cheres starrte noch einen Moment auf die Stelle, wo Fellnase gestanden hatte und fragte sich, ob er vielleicht kopfüber vom Brückenturm gefallen war und das alles nur geträumt hatte. Die zahlosen Blessuren, die er schmerzhaft spürte, waren zumindest durchaus real, und weit weniger elegant als sonst schlurfte er zur Festung hinauf.
 

Das alles ging dem Elfen jetzt durch den Kopf, und er schmunzelte und rieb sich den Nacken. Mit einem letzten, langen Blick auf das ausgestorbene Tal zog er sich in die Festung zurück. Wo Fellnase jetzt wohl wahr? nun, vielleicht würde er das morgen herausfinden- und zufrieden kam er zu dem Schluss, dass er damit wenigstens einen Grund hatte, für den sich eine morgige Rückkehr nach Thidranki lohnen würde.

Rückblicke

Eine Erinnerung an einen besonderen Tag, Part 2
 

Statuengleich saß der Elf am Strand des Mondsees. Er hielt den Kopf tief gesenkt und seine Augen waren auf das vom Vollmond beschienene Wasser gerichtet, ohne es wirklich zu sehen. Irgendwo schrie ein Käuzchen, ansonsten herrschte Grabesstille. Dieser Teil des Landes wurde nur noch selten besucht und gerade deshalb schätzte Cheres ihn so. Er ließ eine behandschuhte Hand durch den feinen, feuchten Sand gleiten. Ein flüchtiger Lufthauch liebkoste sein Gesicht und endlich hob er den Kopf. Nachdenklich, ohne zu blinzeln starrte er zum Himmel hinauf- zweimal spiegelte sich der Vollmond in seinen weit offenen, noch immer gedankenversunkenen Augen. Er fühlte sich gut. Matt, erfüllt, vielleicht ein wenig teilnahmslos, aber sehr ruhig, beinahe entspannt. Zahllose versorgte Wunden, von denen einige nur oberflächlich waren und andere zu den Prachtstücken der letzten Monate gehörten, brannten, stachen und pochten noch immer ein wenig und erinnerten ihn an den erlebten Tag. Diesen hatte er einmal mehr in Thidranki verbracht. Die Frage nach dem 'Warum', diesem kleinen, interessanten Wörtchen, stellte er sich schon lange nicht mehr. Bluten und leben und eindeutig zuviel denken, das war es, was momentan sein Leben dominierte. "Cheres gràidhean, du bist ein Narr," stellte er leise und mit einem mokanten Lächeln fest. Bedächtig hob er seine rechte Hand und betrachtete sie im silbernen Mondlicht interessiert. Sie war geschwollen und gerötet und in der Mitte hatte sich das rohe Fleisch zu einem hässlichen, mit verschorftem Blut bedeckten Klumpen verformt. Die Worte der Druidin klangen ihm noch in den Ohren nach: "Legt einen Verband an, in Danas Namen! wollt Ihr, dass sich die Wunde entzündet? daran könnt Ihr sterben, Ihr junger Narr," doch für den Moment wurde ihm schon bei dem Gedanken, die Verletzung anzurühren, übel. Er bewegte die Finger vorsichtig und spürte den stechenden Schmerz noch bis in die Fingerkuppen. Der Midgardjäger hatte gut gezielt, und hätte Cheres seine schweren Handschuhe nicht getragen, wäre ihm vielleicht auch ein sauberer Durchschuss gelungen. So konnte er fürs Erste dennoch kein Schwert mehr halten. "Ein Narr," wiederholte er laut. Schweigend starrte er wieder auf das Wasser und ließ seine Gedanken noch einmal Revue passieren.
 

"Seid gegrüßt, Cheres. Wieder auf dem Weg zur Jagd?" der Angesprochene warf einen Blick über die Schulter. Hinter ihm stand ein hochgewachsener Kelte mit flammend rotem Haar und durchdringend blauen Augen. "Ihr seid mir gegenüber im Vorteil," antwortete Cheres. "Ihr kennt meinen Namen, doch ich weiß den Euren nicht." Der Kelte grinste. "Es lag mir fern, Euch zu beleidigen, Nevasca. Ich kenne Euch nicht, ich habe Euch lediglich ein paar mal beim Kämpfen beobachtet. Schöne Waffen," er wies mit dem Kopf auf Cheres' schmucklose, aber sorgfältig polierte und geschliffene Schwerter. "Es kämpft sich einfach schlecht mit stumpfen Klingen," gab der Elf höflich zurück. Das Lächeln des Kelten verrutschte ein wenig. "Zweifellos. Viel Glück, Nevasca. Auch Ihr könntet es heute brauchen, es sind viele Gelbschneefresser unterwegs." Cheres' Gesicht gab nichts preis. Er starrte den Kelten nur an, bis dieser die Stirn runzelte, sich räusperte und sich dann achselzuckend abwandte. Dabei murmelte er etwas, das sich ein wenig nach "merkwürdiger Kerl" anhörte. Cheres sah ihm noch einen Moment mit durchdringenden Augen nach, drehte sich schließlich einfach um und verließ alleine die Portalfestung.

Ihm war klar, dass er bereits jetzt ein wunderbares Ziel bot. Links und rechts des Umarin-Tales versteckten sich nur allzu gerne feindliche Meuchelmörder und Bogenschützen. Hier hatte schon so mancher junger Abenteurer mit überstürztem Abenteuerdrang ein rasches Ende gefunden. Die Wachen halfen einem hier nicht mehr. Entweder kam man unbehelligt zu seinem Ziel, man floh, oder man kämpfte und starb womöglich im Schatten der mächtigen Bäume, wobei man die Festung dann noch sehen konnte. Nicht nur ein rasches Ende, sondern ein reichlich unrühmliches. Cheres schmunzelte- und in derselben Sekunde zischte ihm ein Pfeil genau vor die Füße. Sein Kopf flog zur Seite und die blauen Augen glitten über die Bäume, zwischen deren Stämmen sich auch einige extrem aggressive Dachse verborgen hielten. Alles, was er sah, war der Zipfel eines Umhangs, welcher hinter einem mächtigen Stamm verschwand. Cheres bückte sich, riss den Pfeil aus dem Erdboden und brach ihn in der Mitte entzwei. Er ließ die Stücke achtlos fallen, wandte sich mit einem Ruck ab und setzte seinen Weg in Richtung Thidranki Faste fort.
 

Auf Fagans Brücke war niemand und die Feste befand sich zu seiner milden Überraschung nicht in midländischer Hand- stattdessen wehten rotblaue Banner mit einem goldenen Kelch über den Zinnen. Der große Kampf konnte noch nicht allzu lange her sein- am gegenüberliegenden Ufer erblickte er ein verwaistes Katapult, und nirgendwo waren Wachen zu sehen. Während Cheres das Bild noch in sich aufnahm, spürte er die Anwesenheit einer weiteren Person. Er blieb ruhig stehen und spannte sich nur ein wenig an. Ein feiner Hauch streifte seine Wange, und jemand raunte ihm ein zischendes "Buh!" in die Ohren. Der Schwertmeister fuhr herum und riss seine Waffen vom Gürtel. Es erklang ein leiser, erschrockener Schrei und eine rotschwarz gekleidete Elfe mit dunkelblau schimmernden Haaren stand vor ihm, die Hände schützend erhoben. Cheres' Stilett schwebte keinen Zentimeter vor ihrer Kehle. "Mhhh, bin ich in Gefahr?" fragte die Elfe und schielte auf die schmale Klinge, wobei sich ein breites Grinsen auf ihr Gesicht stahl. "Meine Güte," knurrte Cheres und ließ mit einer ärgerlichen Bewegung das Stilett sinken. "Was denn? ist der Herr nervös?" fragte die Elfe, trat zu ihm heran und legte ihm die Arme um den Nacken. Cheres starrte sie an, die Elfe erwiderte den Blick gebannt- und gab ihm einen kurzen, schmatzenden Kuss auf die Nasenspitze. "Hallo," sagte sie schief lächelnd. Der Schwertmeister seufzte leise. "Wenn Feinde vorbeikommen und uns sehen, bist du so tot wie ich, Tsurara." Die Elfe grinste. "Du forderst dein Schicksal täglich heraus und stirbst nicht. Manchmal siehst du zwar aus, als hätten dich die Wölfe zerfetzt...ein Jammer übrigens!... aber du schlägst dem Tod immer wieder ein Schnippchen. Langsam frage ich mich, ob du das eigentlich willst." Cheres zog eine kurze Grimasse. "Frag lieber nicht." Tsurara schmunzelte. "So, so. Hast du eben zufällig von Feinden gesprochen? tut mir leid, aber die suche ich seit einer halben Stunde verzweifelt. Nachdem die Albioner die Festung genommen hatten, gab es noch zwei- drei kleine Kämpfe an der Königsbrücke und seitdem lässt sich hier niemand mehr blicken." Cheres warf einen kurzen Blick auf die verlassenen Zinnen. "Irgendwer behauptete, es wären Midgarder in der Gegend. Viele." Tsurara drehte sich einmal um die eigene Achse. "Es muss das Alter sein," sagte sie bedauernd. "Ich sehe nichts. Vermutlich haben die alle keinen B..." was immer sie sagen wollte, es verwandelte sich in einen erschrockenen und schmerzerfüllten Aufschrei. Wie aus dem Nichts war ein lodernder Feuerball über das Wasser geflogen und hatte die Elfenmeuchlerin getroffen. Es stank nach verbranntem Leder und Haar, und Cheres reagierte, ohne nachzudenken- er packte Tsurara und stürzte sich mit ihr kopfüber von der Brücke.

Ihre durchaus nicht gewichtslosen Rüstungen zogen sie tief unter Wasser und ihre Umhänge hingen wie Säcke voller schwerer Steine von ihren Schultern. Cheres schwamm mühsam unter die Brücke, wobei er die andere Elfe hinter sich herzerrte. Ihre Köpfe durchbrachen die Wasseroberfläche und Tsurara hustete keuchend. "Das hab ich jetzt davon, verdammt. Danke, mein Guter." Der Schwertmeister nickte. "Bleib hier, versteck dich. Vermutlich brauche ich gleich deine Hilfe." Tsurara nickte nur, und Cheres schwamm ans Ufer. Tropfend, mit schwappenden Stiefeln sprang er auf die Brücke und sah sich dem avalonischen Zauberer gegenüber. Der Mann wirkte einen Moment vollkommen überrascht, und Cheres gedachte nicht, die Chance ungenutzt verstreichen zu lassen. Mit einem Satz war er bei dem Albioner und stieß mit beiden Schwertern nach ihm. Der Mann schrie auf vor Schmerz, taumelte zurück und fiel ohne alle Eleganz ins Wasser. Cheres sprang ihm nach, wandte den Kopf und sah Tsurara, wie sie beinahe liebevoll ihre Schwertspitze aus der sauber durchschnittenen Kehle des Avaloniers zog. Blut quoll aus der Wunde und färbte das Wasser in nahem Umkreis rot. Die beiden Elfen nickten sich abermals zu und tauchten auf. Tsurara lachte und wrang ihren Umhang aus. "Das war schon alles?" fragte sie mit echter Enttäuschung und schüttelte ihre lange Haarmähne, um Cheres damit eine weitere Dusche zu bescheren. Der Schwertmeister kniff die Augen zusammen, bis der Sprühregen aufhörte und hob seinen schwarzen Umhang, der nass und schwer im Dreck schleifte. "Du siehst aus wie eine versengte Hündin," bemerkte er beiläufig. Tsurara riss die Augen auf. "Wie?" fragte sie entsetzt, hob die blanke Waffe und betrachtete aufmerksam ihr hübsches Profil, das sich auf der silbrig schimmernden Klinge spiegelte. Da bemerkte sie das spöttische Funkeln in Cheres' Augen und rammte mit einem mürrischen Laut das Schwert in die Scheide zurück. "Wie du aussiehst, sage ich dir lieber nicht," brummte sie. Plötzlich verstummte sie, legte den Kopf schräg und spähte aufmerksam über die Schulter. "Da kommt jemand." Cheres folgte ihrem Blick, doch es war nur eine Gruppe ihrer eigenen Landsleute. In ihrer Begleitung befand sich eine Belagerungsmeisterin. "Heda," rief ein junger Lurikeen. "Sind Feinde unterwegs?" Cheres verzog kurz einen Mundwinkel und Tsurara kniff ihm grinsend in den Arm. "Wie Ihr seht, ist uns so langweilig, dass wir die Gunst der Stunde genutzt und ein Bad genommen haben," antwortete sie ernsthaft. Der Lurikeen starrte die tropfenden Elfen an und war offensichtlich nicht sicher, ob die Worte tatsächlich ernst gemeint waren. Ein massiger Firbolgdruide legte seinem Wolf die Hand zwischen die Ohren. "Wir wollen die Faste holen," sagte er mit der tiefen Stimme, die jedem Vertreter seines Volkes eigen war. "Habt ihr Lust, euch anzuschließen?" Tsurara zögerte und sah Cheres an. Dieser lächelte leicht. "Ich nicht, aber geh nur. Dass du vor Langeweile stirbst, wollen wir sicher beide nicht. Bring mir irgend ein kleines Andenken mit." Tsurara grinste. "Wie du meinst. Slàn leat!" Cheres neigte kurz den Kopf. "Slàn leibh." Er sah ihr nach, wie sie mit der Gruppe zum Tor strebte, ehe sie dort wieder in die Schatten tauchte.

Cheres schlenderte allein am Flussufer entlang. Noch immer klatschnass und mit wie meist nachdenklich gesenktem Kopf mochte er einen geradezu amüsanten Anblick bieten- als schäme er sich für etwas. Bei dem Gedanken musste er grinsen. "Böser Elf, ein Kind von einem Avalonier umgebracht, und das auch noch zu zweit," flüsterte er zu sich selbst. Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da spürte er einen kurzen, reißenden Schmerz im Rücken. Einen Moment stand er starr, unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren. Hitze durchflutete seinen Körper, dann eine schneidende Kälte. Er keuchte überrascht und fuhr endlich herum, um direkt in ein junges, bärtiges Gesicht zu blicken, aus dem ihm ein Paar dunkelbrauner Augen hasserfüllt entgegenstarrte. Blut und eine seltsame, undefinierbare Flüssigkeit tropften von den kurzen Äxten der dunkel gekleideten Schattenklinge. Die Waffen des Nordmannes fuhren erneut herab und fügten Cheres einen kurzen, tiefen Schnitt im linken Oberschenkel zu. Der Elf hob nun seinerseits die Schwerter, parierte einen weiteren Hieb und beschwor seine magischen Klingen herauf. Der Midgarder machte einen beinahe komischen Satz zur Seite und versuchte, ihn nochmals von hinten anzugreifen. Cheres folgte der Bewegung und bohrte dem Meuchler sein Rapier in die Schulter. Der Bärtige grunzte vor Schmerz, taumelte nur einen Herzschlag lang und versuchte wieder, den Elfen zu umkreisen. Cheres spürte, wie langsam die Wut in ihm emporwallte. "Willst du kämpfen oder tanzen, amhlair?" zischte er und tat etwas, das keine andere Bezeichnung als unsportlich verdient hatte: während der Nordmann noch versuchte, hinter seinen Rücken zu gelangen, sprang Cheres nun seinerseits vor, verhakte einen Fuß hinter des anderen Bein und machte eine kurze, ruckartige Bewegung. Der Anblick regte beinahe schon wieder zum Lachen an: wütend aufbrüllend, geriet der Meuchelmörder ins Taumeln und Cheres half der Entscheidung, ob er fallen sollte oder nicht, mit einem weiteren, kurzen Tritt gegen die Kniescheibe nach. Der Mann wollte sofort wieder aufspringen, doch da setzte ihm Cheres beinahe gemächlich die Spitze seines Rapiers an die ungeschützte Kehle, und die Schattenklinge verharrte. Seine dunklen Augen starrten einen Moment auf die blanke Klinge, ehe er dem Elfen ins Gesicht sah. Cheres erwiderte den Blick schweigend, und betrachtete den feinen Schweiß, der sich auf des anderen Stirn zu sammeln begann. Der Nordmann saß in einer nicht besonders bequemen Haltung, und er konnte sich auch keinen Zentimeter rühren, so nahe schwebte die Schwertspitze vor seinem Adamsapfel. Die Schattenklinge wartete noch einen Moment, und als Cheres sich noch immer nicht rührte, stieß er ein paar kurze Worte in seiner Muttersprache hervor. Der Schwertmeister verstand kein Wort, doch es bereitete ihm keine Mühe, den Tonfall zu deuten- nervös und ärgerlich, aber keinesfalls ängstlich. Cheres deutete mit den Augen auf die fallen gelassenen Äxte seines Gegners und zog langsam seine Waffe zurück. Der Nordmann blinzelte. "Steh auf," sagte der Elf und klang dabei regelrecht gelangweilt. "Kämpfe richtig mit mir, oder flieh. Mir ist es gleich." Der Nordmann konnte seine Worte natürlich ebensowenig verstehen, doch Cheres' leicht verächtliches Gesicht und der schroffe Tonfall sagten ihm ebenfalls genug. Er stieß einen zornigen Laut aus, riss seine Äxte an sich und stürzte sich auf sein Gegenüber. Cheres lächelte, parierte zwei ungestüme Hiebe und bohrte der Schattenklinge seine Schwertspitze in die unversehrte Schulter. Diesmal zögerte er nicht, sondern zwang die Waffe mit einem Ruck tiefer durch Leder und Fleisch. Blut rann über die Schneide und der Nordmann brüllte auf. Cheres blinzelte, zerrte mit einem Ruck die besudelte Klinge aus des anderen Schulter- und führte mit beiden Schwertern eine blitzartige Bewegung aus. Wie ein gefällter Baum stürzte die Schattenklinge nach hinten und stieß einen letzten, röchelnden Atemzug aus- Blut sprudelte aus der durchschnittenen Kehle.

Cheres trat einen Schritt zurück und verneigte sich ernst. Ein scharfer Schmerz fuhr ihm durch den Rücken, und er langte tastend hinter sich. Als er stirnrunzelnd seine Hand betrachtete, klebte hellrotes Blut an den Fingerspitzen. Ein sonderbares, leichtes Schwindelgefühl ließ seine ersten Schritte etwas unsicher werden. Verdammtes Gift, dachte er und spürte kalten Schweiß im Gesicht. Seine Schläfen pochten unangenehm und er ging auf wackeligen Beinen auf den Fluss zu. Mit einem Aufseufzen ließ sich der Elf in die Hocke sinken, füllte die hohlen Hände mit dem kühlen Nass und klatschte es sich ins Gesicht. Als er blinzelnd die Augen öffnete, sah er das durch die Wellen leicht verzerrte Gesicht einer Valkynjägerin im Wasser. Er fuhr so heftig herum, dass seine Halswirbel knackten, doch hinter ihm war nichts. Was genau war das für ein Gift? dachte er zynisch. Ein leises Knurren erklang und Cheres erstarrte. Als er jetzt sehr viel bedächtiger den Kopf wandte, stand dort ein struppiges Wolfswesen und betrachtete ihn gesenkten Hauptes. Der Elf erhob sich vorsichtig, umfasste seine Klingen und trat einen Schritt auf das Tier zu. Ehe er noch die Waffen heben konnte, flog wie aus dem Nichts ein winziger Stein auf ihn zu und traf ihn an der Stirn. Irritiert blinzelnd ließ er die Augen zu allen Seiten huschen, während ihn ein reichlich seltsames Gefühl beschlich- irgendwie erinnerte ihn dieser Moment an etwas...bevor sich der Gedanke noch voll entwickeln konnte, stand wie aus dem Boden gewachsen eine leicht vornüber gebeugte Gestalt hinter dem Wolfswesen. Cheres betrachtete sie misstrauisch- grünbraune Kleidung, ein mächtiger Bogen aus ebenfalls waldgrün gefärbtem Holz, eine Flut kurzer, zerzauster Haare und eine mit feinem Fell versehene Nase. "Du?" fragte der Elf zweifelnd. Es mochte auch ein Zufall sein und er verwechselte sie, doch das Aufblitzen in den Augen der Valkyn erzählte etwas anderes. Sie starrte ihn einen Moment lang nur an, ehe sich ein Grinsen auf ihre Lippen stahl. Cheres lächelte zögerlich. "Warst du das eben? bei meiner Festung?" Fellnase legte blinzelnd den Kopf schräg und Cheres streckte einen Arm aus und tat, als zöge er eine unsichtbare Bogensehne bis zum Ohr. Dann nickte er ihr zu. Die Valkyn gab ein glucksendes Geräusch von sich und nickte ebenfalls. Plötzlich wurde sie ernst und trippelte in einem Halbkreis um ihn herum, um die Verletzung an seinem Rücken zu betrachten. Cheres folgte ihr mit den Augen, doch seine Hände lagen locker auf den Hüften- dass die merkwürdige Jägerin ihm ganz offensichtlich nicht nach dem Leben trachtete, hatte sie ja hinlänglich bewiesen, indem sie ihm Dasselbe vor gar nicht so langer Zeit gerettet hatte. Fellnase zog die Nase kraus und pfiff leise durch die Zähne, doch Cheres winkte müde ab. "Das ist nichts." Die junge Valkyn runzelte die Stirn und sagte ein paar unverständliche Worte. Cheres zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf, um in derselben Sekunde ein schmerzerfülltes Zischen auszustoßen: die Jägerin betastete die Wunde mit beinahe wissenschaftlich anmutender Neugier, und obwohl sie die Finger nur zaghaft über seinen Rücken wandern ließ, rief die Berührung ein unangenehmes Brennen hervor. Beinahe reflexartig fuhr er herum und schlug nicht gerade sanft ihre Hand herunter. "Lass das," sagte er schroff. Die Valkyn schürzte die Lippen und blinzelte vorwurfsvoll, zog aber gehorsam die Finger zurück.
 

Der Elf knurrte zwei Worte, die sie nicht verstand, doch der Tonfall war mehr als ablehnend. Fellnase schüttelte ihre honigbraune Haarmähne und trat einen halben Schritt zurück. Spitzohr ist offenbar schlecht gelaunt, sehr sogar, dachte sie. Obwohl er schon wieder einen ihrer Landsleute nach Walhalla geschickt hatte, empfand sie kein Bedauern -Leben und sterben, sehr viel mehr durfte man in Thidranki nicht erwarten-, stattdessen stahl sich wieder ein Grinsen auf ihre Lippen. Er guckte so grimmig wie ein Zwerg, ein sehr bartloser Zwerg, freilich, und sie selbst hatte an diesem Tag ausgesprochen gute Laune. "Wunde waschen, dann geht es besser. Ich kann helfen!" schlug sie gönnerhaft vor, doch der Elf sah sie nur verständnislos an. Sie humpelte an ihm vorbei und kramte dabei in den groben Wildledertaschen, die sie an den Gürtel geknotet trug. Neben ein paar Feuersteinen, einem blütenweißen Knochen, einigen midländischen Kräutern und ein paar groben Kupfermünzen förderte sie schließlich einen rauhen, jedoch sauberen Wollfetzen hervor. Fellnase blickte über die Schulter und bedeutete dem Elfen, ihr zu folgen. Er zögerte noch einen Moment, ehe er sachte nickte und an ihre Seite trat. "Hier viel zu viel los, schmerzhaft für beide, wenn entdeckt werden," murmelte Fellnase. Sie beschleunigte ihren Schritt ein wenig und steuerte auf die unbewohnte Insel zu. Diese bot zwar auch keine Garantie für Sicherheit, doch es kam sehr selten vor, dass sich die Kämpfenden hierher verirrten. Was sie nicht merkte, war, dass ein Paar Augen ihr aus dem Schatten heraus aufmerksam folgte.

Fellnase blieb so abrupt stehen, dass der Elf ihr beinahe in den Rücken gestolpert wäre. Sie drehte sich um und betrachtete ihn kritisch. "Gift und Seuche, mmh. Ich keine Heilerin bin, aber Wildkräuterchen gut, sehr gut." Sie steckte eine Handvoll des getrockneten Grünzeugs in den Mund, zerkaute es und spuckte die Paste in das Tuch. "Setzen, Elfchen," befahl sie munter. Der junge Mann sah sie einmal mehr mit fragendem Blick an, und sie deutete auf den grasbewachsenen Boden. Er gehorchte und sagte in der gleichen Bewegung ein paar Worte, wobei er mit einer Hand abwinkte. Fellnase ignorierte die Geste, kroch hinter ihn und drückte ohne langes Zaudern den Fetzen auf die Fleischwunde. Sie spürte, wie sich der Körper unter ihr anspannte, und tätschelte ihm beinahe mütterlich die Schulter. "Schmerzen fühlen, gut, denn dann man noch lebt und sie heilen," murmelte sie. Während sie mit dem Tuch über seinen Rücken fuhr, betrachtete sie ihn mit unverhohlener Neugier. Sie hatte natürlich schon Elfen aus der Nähe gesehen und gegen viele gekämpft, aber die Begegnungen waren stets feindlicher Art gewesen. Noch nie hatte sie mit einem gesprochen -sofern man ihre kümmerliche Kommunikation denn Gespräch nennen konnte- und noch viel weniger hatte sie einen auf diese Art berührt. Die ominösen Spitzohren mit ihrer langen Lebensspanne wurden in nicht wenigen Skaldenliedern besungen, und die allermeisten dieser Lieder waren mehr als boshaft. Glasähnlich, ätherisch, und zerbrechlich wie die Blumen ihres Heimatlandes, hieß es da beispielsweise spöttisch. Dieser Kelch war wohl spurlos an dem Schwertkämpfer vorbeigegangen. Von schlankerem, schmaleren Wuchs unterschied er sich grundlegend von den Nordmännern ihrer Heimat, doch makellos konnte man ihn keinesfalls nennen- Fellnase bemerkte eine Vielzahl von Narben, von denen die meisten oberflächlich waren, andere jedoch tief und auffällig. Sie versuchte im Stillen, sein Alter zu schätzen und stellte verwundert fest, dass das gar nicht so einfach war- sein Gesicht wirkte jung und keine silbernen Strähnen zogen sich durch das helle Haar. Doch in den stechendblauen Augen sah sie einen harten, abweisenden Ausdruck- als hätte er schon eine Menge gesehen, von dem ihm das Wenigste gefiel. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Hand die kreisenden Bewegungen eingestellt hatte und sie ihn ganz offen anstarrte. Der Elf hatte ihr seinerseits das Gesicht zugewandt und erwiderte den Blick ernst. Fellnase blinzelte und ihre katzenähnlichen Ohren bewegten sich schuldbewusst. "Viel besser schon," sagte sie schließlich und lächelte, wobei sie die scharfen Zähne entblößte. Der Elf sah sie noch einen Moment prüfend an, ehe er das Lächeln erwiderte.
 

Cheres schmunzelte amüsiert, als er den Ausdruck leiser Verlegenheit in den Augen der Valkyn bemerkte. Es störte ihn nicht, mehr als eine halbe Minute von diesem seltsamen Wesen angestarrt zu werden. Sie wirkte auf ihn so faszinierend, wie es anders herum offensichtlich ebenfalls der Fall war. Ohne erhobene Waffen war er einer Midgarderin noch nie so nahe gewesen wie jetzt, und umgekehrt konnte es nicht anders sein. Er hatte die Valkyn bisher eher für so etwas wie nur halbgezähmte Tiere gehalten, primitiv, mit viel Stärke und Schnelligkeit ausgestattet, aber ohne größeren Intellekt. Und Gnade hatte er von keinem Vertreter dieses Volkes erwartet. Fellnase hingegen war ihm ein echtes Rätsel. Er hatte sich immer noch keinen Reim darauf machen können, wieso sie ihn gerettet hatte und wieso sie ihm nun schon wieder half. "Wirklich bedauerlich, dass ich dich nicht verstehen kann," sagte er plötzlich. Die Worte waren ihm herausgerutscht, ohne dass er sich dessen bewusst war. Fellnase legte den Kopf schräg und betrachtete ihn neugierig. Cheres deutete erst auf seine Brust und legte dann den Finger an die Lippen, ehe er auf die hockende Valkyn deutete. "Ich würde gerne mit dir reden," sagte er langsam und deutlich. "Ich," er tippte sich selbst an die Brust, "mit dir," er deutete auf Fellnase, "reden" dabei legte wieder den Finger an den Mund.
 

Fellnase starrte ihn neugierig an, als der Elf mit seiner Pantomime begann. Im ersten Moment begriff sie nicht, doch dann weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen und sie rutschte automatisch ein winziges Stück zurück. Sie ließ sein seltsames Gebaren noch einen Moment auf sich einwirken, doch es gab keinen Zweifel- was er ihr zu sagen versuchte, konnte nichts anderes bedeuteten, als dass er den Wunsch verspürte sie...aufzufressen! Elfen so verrückt? dachte sie schaudernd. Von so etwas hatte sie noch nie gehört, doch wer wusste schon, was in den Köpfen der Hibernianer vorging. Sicherheitshalber sprang sie auf die Beine und starrte mit großen Augen auf ihn hinuter. Das instinktive Misstrauen, das sich die Vertreter der verfeindeten, fremden Völker seit dem langen Krieg entgegebrachten, kam plötzlich wieder in ihr hoch. Sollte er versuchen, sie anzurühren, konnte sie sich immer noch blitzschnell im Schatten verstecken.
 

Cheres blinzelte verwirrt, als er den Schrecken im Gesicht der Valkyn bemerkte. Er stand ebenfalls auf und legte den Kopf schräg, ohne jedoch einen Schritt in ihre Richtung zu tun.
 

Fellnase spielte mit den Ohren, als sich der Elf erhob. Sie stieß einen leisen Pfiff aus, und wie aus dem Nichts sprang ein struppiger Schatten hinter ein paar Bäumen hervor. Ihr Wolfsgefährte drückte sich an ihre Seite und maß den Elfen mit höchst argwöhnischen Blicken. Er schnüffelte in der Luft, stieß einen leisen, grollenden Laut aus- und stürzte sich mit einem gewaltigen Sprung auf den Hibernianer. Fellnase machte ein verdutztes Gesicht und stieß ein einziges, befehlendes Wort aus, doch ihr Gefährte ignorierte sie schlichtweg. Er warf den Elfen, der mindestens ebenso überrascht war wie die Valkyn und keine Anstalten zu einer Gegenwehr machte, mit einem kurzen Stoß zu Boden und baute sich knurrend über ihm auf. Für einen Moment herrschte absolutes Schweigen, ehe der Wolfshund mit einem kehligen Laut den Kopf hinunter stieß. Fellnase öffnete den Mund zu einem stummen Schrei, doch statt ihm die Kehle durchzubeißen, begann das Tier, dem Liegenden begeistert mit der rauhen Zunge über das Gesicht zu fahren. Fellnase starrte noch einen Moment ungläubig auf die einmalige Szene, ehe sie sich auf den Hintern plumpsen ließ und in unaufhaltsames Gekicher ausbrach. Zum Teil schwang echte Erleichterung in ihrer Stimme, doch das Bild war darüber hinaus einfach zu köstlich, als dass sie den Augenlick jetzt schon beenden wollte. Sie ließ ihren Gefährten noch einen Moment lang gewähren, ehe sie, noch immer kichernd befahl: "Jetzt genug davon, Hündchen." Der Wolfshund winselte demütig und kroch rückwärts von dem Elfen hinunter. Fellnase beugte sich grinsend vor, und der Hibernianer setzte sich mit einer schnellen Bewegung auf. Bei seinem leicht fassungslosen Gesichtsausdruck musste sie sich beherrschen, um nicht schon wieder in Gelächter auszubrechen- wie eine stolze Katze, der man warnungslos einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet hatte. Der junge Elf runzelte die Stirn, doch nach einem Moment lächelte er erneut, wenn es auch ein klein wenig gequält wirkte.
 

Cheres seufzte innerlich. Er war nie mit einer übermäßigen Portion Humor gesegnet worden, und er empfand die Situation eher demütigend als belustigend. Ergeben sah er Fellnase beim Lachen zu, doch er spürte, dass die Valkyn es nicht böse meinte. So gab er sich innerlich einen Ruck und erwiderte ihr Grinsen. Unvermittelt streckte die Jägerin die Hand aus, um ihm aufzuhelfen und Cheres zögerte. Sie schien bei weitem nicht so zaghaft zu sein wie er, wie er schon einmal festgestellt hatte- damals, als sie ihn bei Fagans Brücke umarmt hatte, als wären sie alte Bekannte und keine Reichsfeinde. Widerwillig, beinahe vorsichtig hob er ihr endlich ebenfalls die Hand entgegen- und spürte einen kurzen, heftigen Schlag. Wie betäubt senkte er den Blick und starrte auf den midländischen Pfeil, der in seiner Handfläche steckte. Fellnase folgte seinem Blick fassungslos. Langsam, beinahe träge begann sich der Handschuh des Elfen rund um den Schaft herum rot zu färben, und Cheres keuchte auf. Fellnase sprang auf die Beine und sah sich wild um. Ihre Augen wurden schmal, als sie hinter einem Baum die kleingewachsene Gestalt eines Kobolds erkannte. Der Jäger legte eben in derselben Sekunde einen weiteren Pfeil auf die Sehne. Diesmal zielte er auf die Brust des knieenden Elfen. Fellnase stürmte mit drei Sätzen auf ihn zu. "Nein, nein, lass das!" rief sie und sprang ihm ohne nachzudenken ins Schussfeld. Der Kobold stieß einen unterdrückten Fluch aus und ließ den Bogen sinken. "Was in Skadis Namen geht denn hier vor?" sagte er mit schnarrender Stimme. "Bist du wahnsinnig geworden? was treibst du da mit einem von DENEN?!" Fellnase baute sich vor ihm auf. Ihre Nasenflügel bebten. "Dies meine Sache ist," sagte sie leise, während sie wie zufällig die Eckzähne entblößte. "Du ihn zufrieden lässt, verstanden? meine Sache!" ihre Stimme wurde von einem leisen, unmissverständlichen Knurren begleitet. "Das ist Verrat," sagte der Kobold. Seine Augen blitzten. "Du verbrüderst dich mit einem Feind." Fellnase starrte ihn weiterhin an. "Es nicht gut für dich, wenn du nicht gehst jetzt," sagte sie leise. Die Lippen des Kobolds verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. "Oh, ich schätze, ich brauche auch gar nicht mehr viel tun," sagte er wie beiläufig und die Valkyn bemerkte, dass der Kobold sie gar nicht mehr anblickte sondern über ihre Schulter starrte. Sie fuhr auf dem Absatz herum und sah drei Nordmänner und einen Frostalf, die ebenso plötzlich wie lautlos die Insel betreten hatten. Bis auf den jüngsten Nordmann ihrer Gruppe trugen sie allesamt Kettenrüstungen- und hatten ihre Waffen gezogen. Fellnase öffnete vor Überraschung und Schrecken den Mund, ehe sie sich aus ihrer Erstarrung löste und auf die kleine Gruppe zueilte.

"Schau an, schau an, was haben wir denn da," bemerkte ein schwarzhaariger Nordmann gerade und starrte mit gerunzelter Stirn auf den Hibernianer hinunter. Dieser war aufgestanden, doch er überragte den Elfen dennoch um Haupteslänge. "Ein Blattfresser, und noch dazu allein." Der Mann, der neben ihm stand, verschränkte lässig die Arme vor der Brust. "Nicht ganz," sagte er betont und warf Fellnase einen langen, schwer deutbaren Blick zu. "Was tun wir jetzt?" fragte der Frostalf und steifte Cheres mit einem leicht angewiderten Blick, als würde ihm die Nähe des Elfen Übelkeit bereiten. "Oh, das ist einfach. Tötet den Bastard," sagte der Schwarzhaarige und lächelte dabei. Er packte den Hibernianer bei den Haaren und schmetterte ihm eine gepanzerte Faust ins Gesicht. Der Schlag war so wuchtig, dass er den Schwertmeister erneut zu Boden schleuderte. Fellnase stöhnte auf, als hätte der Hieb sie selbst getroffen. Der Frostalf machte einen gemächlichen Schritt nach vorn und trat dem Liegenden dann mit ungebremster Kraft in die Seite. Fellnase glaubte, das leise Knacken einer brechenden Rippe zu vernehmen. Der Koboldjäger hatte sich inzwischen ebenfalls zu der Gruppe gesellt. "Der gehört mir," bemerkte er und nickte auf den Pfeil, der immer noch in der Hand des Elfen steckte. Mit einer einzigen, geübten Bewegung riss er ihn heraus und lächelte, als der Schwertmeister einen gepeinigten Aufschrei nicht mehr unterdrücken konnte. Fellnase zitterte am ganzen Leib. "Aufhören, bitte," sagte sie heiser. "Das...das nicht gerecht ist!" anstelle einer Antwort bekam sie vom schwarzhaarigen Nordmann eine Ohrfeige. Der Schlag war nicht besonders fest und schmerzte kaum, doch er hätte die Worte der Valkyn nicht besser abschneiden können, wenn der andere ihr höchspersönlich die Klinge in den Leib gerammt hätte. "Wir unterhalten uns später," sagte er leise.

Indes hatte sich der jüngste der Gruppe, ein Nordmann, den man mit seinen vielleicht siebzehn Jahren und dem spärlichem, flaumigen Bart kaum als solchen bezeichnen konnte, ebenfalls zu dem Elfen herabgebeugt. Ein Grinsen, indem sich Vorfreude und Verachtung mischten, lag auf seinem Gesicht. "Wolltet ihr auch schon immer mal wissen, wie so ein Spitzohr ohne seine verdammten Löffel aussieht?" fragte er hämisch. Die anderen glucksten nur, doch Fellnase schrie leise auf: "Nein!" der Junge ignorierte sie, zog ein Messer aus seinem Gürtel und packte den Elfen vorne am Umhang. Einen Moment lang rührte sich der Hibernianer nicht und stöhnte nur leise, doch als sich der Junge noch ein wenig tiefer zu ihm herabbeugte, riss er plözlich die Augen auf, die vor Schmerz und Zorn zu lodern schienen. Mit einer schnellen Bewegung schlang er einen Arm um den Hals des Midgarders, mühte sich auf die Beine und zerrte den anderen mit sich. Der Junge schrie auf und strampelte. "Lass mich los, loslassen, du widerlicher, elender..." Cheres schlug ihm wie beiläufig auf den Mund und entwand ihm das Messer, mit welchem der junge Nordmann wild hin und herfuchtelte und tatsächlich auch einmal seine Wange streifte, um ihm einen langen Schnitt beizubringen. Die übrigen Midgarder waren vor Schreck zu Salzsäulen erstarrt, ehe der Frostalf als Erster seine Fassung zurückgewann und Anstalten machte, sich mit ausgebreiteten Armen nach vorne zu werfen. Cheres sah ihn an, packte das Messer mit der verletzten Hand ein wenig fester, und... der junge Nordmann schrie gellend auf. "Mein Ohr!! mein Ohr, ooohh..." der Frostalf blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Cheres sah die Midgarder der Reihe nach zornig an, wischte sich das Blut von der aufgeschlitzten Wange, öffnete die Hand und ließ ein kleines, blutiges Stück Fleisch zu Boden fallen. Der Junge kreischte und heulte noch immer, und als der Elf ihn endlich losließ, taumelte er, eine Hand an den Kopf gepresst, auf seine Kameraden zu. Der Koboldjäger zerrte blitzschnell einen Pfeil aus seinem Köcher, doch plötzlich erstarrte er. "Feinde!" brüllte er. Die Midgarder wandten wie ein Mann den Kopf und Fellnase stürzte zu Cheres. Sie sah ihn mit um Verzeihung heischenden Augen an und griff vorsichtig, beinahe ängstlich nach seiner unversehrten Hand. Cheres schüttelte den Kopf und zog den Arm zurück. "Geh," sagte er heiser, "schnell." Die Valkyn blinzelte unglücklich. Cheres hob mit einer herrischen Bewegung die Hand, als wolle er sie wegscheuchen. "Verschwinde hier, los! ich mache dir keinen Vorwurf." Fellnase senkte den Kopf und nickte, als hätte sie ihn verstanden. Sie stieß einen leisen Pfiff aus, woraufhin sich ihr Wolfsgefährte an ihre Seite begab. Noch einmal starrte sie den Elfen beinahe flehend an, ehe sie in die Schatten tauchte und zwischen den Bäumen verschwand.
 

Cheres blinzelte der hibernianischen Gruppe entgegen. Es waren jene, die er an der Brücke getroffen hatte und die mit dem Plan der Eroberung von Thidranki Faste offensichtlich Erfolg gehabt hatten. Der junge Nordmann, der immer noch heftig blutete, hatte zwei Äxte vom Gürtel gelöst und taumelte auf ihn zu, wobei ihm vor Schmerz die Tränen in den Augenwinkeln standen. Er schien entschlossen, Cheres mitzunehmen, wenn er denn nun sterben sollte und in seinen Augen lag blanker Hass. Eine gewaltige Kugel purer, blauer Macht zischte heran, traf seinen Rücken und schmetterte ihn zu Boden. Cheres presste die erbärmlich schmerzende Hand gegen die Brust und drehte den Kopf weg. Für heute verspürte er überhaupt kein Bedürfnis mehr, sich mit jemandem zu duellieren oder irgendwelche Knabenohren abzuschneiden. "Ach du meine Güte," erklang eine wohlbekannte Stimme. Er öffnete träge ein Auge und blickte in Tsuraras Gesicht. Die Meuchlerin erwiderte seinen Blick eine ganze Weile und schüttelte dann nur den Kopf. "Bleib liegen," sagte sie seufzend. "Die Druidin kommt gleich." Cheres nickte. "Gut." Tsurara maß ihn mit einem langen Blick. "Weißt du, manchmal frage ich mich wirklich..." "Ja, ich weiß. Erspare mir den Rest." Die Elfe schüttelte erneut den Kopf. "Hierra, beeil dich ein bisschen, sei so gut. Unser Herr Nevasca mal wieder, dein persönlicher Liebling." Cheres stöhnte, als die Druidin feixend und händereibend auf ihn zutrat.
 

Er vermied es, an die eher schmähliche Heimreise zu denken. Tsurara hatte es sich nicht nehmen lassen, ihn den gesamten Weg zur Portalfestung aufzuziehen und auch die anderen Gruppenmitglieder, die vom Erfolg ihrer Eroberung noch regelrecht berauscht waren, sparten nicht mit Sticheleien. Tsurara ärgerte sich offenbar ein wenig, dass er sie wie Luft behandelte, denn zweifellos hatten sie und die anderen ihm das Leben gerettet. Doch der Schwertmeister nickte nur abwesend und sein stahlblauer Blick ging durch die anderen hindurch. Wieder fragte er sich, wo Fellnase jetzt wohl wahr- und ob ihr noch irgendwelches Unheil drohte. Die anderen Midgarder waren tot, doch die Worte schwebten noch immer wie eine leise Drohung in der Luft: "Wir reden später..."



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück