Stumme Rufe von jikaku ================================================================================ Kapitel 1: Waisenkind --------------------- Die Idee zu dieser mysteriösen Geschichte kam mir ihrgendwann mal bei einer Feier. ^^ Ich hab keine Ahnung, woher die da kam. Ich schrieb diese Gedanken einfach auf, obwohl ich nicht damit rechnete, dass ich sie mal umsetzen würde. Nun, an einem Tag wollte ich irgendwas schreiben, aber nichts, was ich schon angefangen hatte. Also nahm ich die Idee von der Feier und hab sie für meine Verhältnisse schnell umgesetzt. So, ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen. *g* 1. Kapitel: Waisenkind „Man, lasst mich doch endlich mal mit eurem Gelabre in Ruhe!“ Mit diesen groben Worten, die an die zwei Mädchen neben mir gerichtet waren, stehe ich abrupt auf, um das Klassenzimmer zu verlassen. „Katherin, warte!“ Meine Freundin Alex hält mich am Arm fest und dreht mich gekonnt zu sich. „Was ist denn nur mit dir los?“ „Was soll denn mit mir los sein?“, frage ich sie barsch. Mit einem du-weißt-schon-was-ich-meine-Blick schaut sie mich an. „Mich nervt nun mal euer Gequatsche.“ „Ich hab `ne Idee. Ich komm´ heute Nachmittag zu dir und dann fahren wir zusammen in die Stadt. Wolltest du nicht den neuen Actionfilm anschauen?“ „Hab´ keinen Bock.“ Mit Schwung befreie ich mich aus ihrem Griff, schnappe mir noch schnell meinen Schulranzen und verlasse fluchtartig den Raum. Auf die Bemerkung „Was soll das denn jetzt werden? Wir haben noch Unterricht!“ gehe ich nicht ein. Meinetwegen kann sie mir den Buckel runterrutschen. Auf einer Bank lasse ich mich nieder. Was sollte das gerade? Warum habe ich meine beste Freundin so verletzt? `Ich komm´ heute Nachmittag zu dir΄ – warum musste sie das sagen? Nun ja, sie weiß ja schließlich noch nicht mal, dass ich dort nicht mehr wohne. „Du solltest es ihr sagen.“ Was? Als ich aufblicke, steht ein vielleicht 16 Jahre altes Mädchen vor mir. Sie hat lange, ungepflegte blonde Haare und trägt ein modernes Outfit, welches genauso ungepflegt aussieht. Doch so interessant das ist, ihr Gesicht ist das Außergewöhnlichste, was ich jemals in meinen 14 Lebensjahren gesehen habe. Obwohl es eindeutig zu einem jungen Mädchen gehört, liegt darin eine gewisse Trägheit und Traurigkeit. Auf dieses Gesicht legt sich nun ein lächelnder Schleier. „Ich hatte eigentlich gehofft, dass du etwas erwiderst.“ Oh. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich sie angestarrt habe. „Tut mir Leid.“ „Das braucht dir doch nicht Leid zu tun.“ „Aber, was willst du von mir?“ „Ich möchte dir helfen. Sicher, ich habe meine Eltern noch, aber letztes Jahr ist meine Oma gestorben und, naja, ich kann mir nicht vorstellen, wie du alleine mit so einem großen Problem klar kommen sollst. Ich meine, nicht nur, dass deine Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sind, du musstest auch noch in ein Waisenhaus, weil sich keiner deiner Verwandten sich deiner annehmen möchte.“ „Woher weißt du das alles?“ „... Ich wusste es, als ich dich sah.“ Ungläubig schaue ich sie an. „Ich würde an deiner Stelle ebenfalls skeptisch sein, doch was hast du davon? Du solltest dich darüber freuen, dass ich das alles schon weiß und mit dir darüber reden will, schließlich weiß ja nicht einmal deine beste Freundin Bescheid. Du willst mit keinem Menschen reden, doch du musst dich endlich mal aussprechen, nicht alles in dich hineinfressen. Nicht mehr lange, und dir wird das zu viel.“ Ja, sie hat Recht. Keiner weiß, dass ich meine Eltern verloren habe und nun seit drei Tagen in einem Waisenhaus wohne. Auch meine Klassenlehrerin weiß das nicht, denn sonst hätte sie schon mit mir geredet. Ich senke meinen Kopf und schaue den Asphalt vor meinen Füßen an. „Es tut weh. ... Ich vermisse sie so sehr.“ Plötzlich breche ich in Tränen aus. Ja, wie sie sagte, `nicht mehr lange, und dir wird das zu viel΄. Einige Minuten sitze ich so da. Als meine Tränen vorerst versiegen, schaue ich hoch. Ich hätte nicht gedacht, sie immer noch dort stehen zu sehen. „Geht es dir etwas besser, Katherin?“ Ich nicke leicht. „Dann will ich dir nur noch eines sagen: Fang ein neues Leben an. Lass deine Vergangenheit hinter dir, du wirst sie jetzt nicht brauchen. Aber du solltest dein bisheriges Leben nie vergessen. ... Versprichst du mir das?“ „... Ja.“ Das Mädchen dreht sich um. „Ach, und noch was: Sag es deiner Freundin, ok?“ „Ok.“ Als sie ein paar Meter gegangen ist, fällt mir ein, dass ich ihren Namen gar nicht kenne. „Wie heißt du eigentlich?“, rufe ich ihr deshalb nach. Sie dreht sich um. „Julie.“ Das ist das erste und letzte Mal, dass ich sie traf. Schreibt mir bitte Kommis, ja? Kapitel 2: Mutprobe ------------------- „Haltet den Dieb fest!“ Als ob er es schon jemals geschafft hat, mich zu fangen. Mit seinem Ausruf erreicht er nie was; warum merkt der Kerl sich das nicht? Der ist doch echt zum Totlachen blöd. Haha! Wenige Minuten später habe ich unser Versteck erreicht. „Hey, Tom, du hast diesmal ziemlich lang gebraucht.“ „Ach, black´ nich´, Chris. Kommt dir nur so vor.“ „Is´ ja auch egal. Wow! Super Beute!“ „Ja, echt geil, was du gekriegt hast!“, wirft Karsten ein. „Du meinst, vor allem im Vergleich zu dir?“ „Quatsch mit Soße, Chris. Schließlich ging´s bei dir das letzte Mal in die Hose, ich hab´ immer was abgefegt.“ Tja, da hat sich Chris selbst reinmanövriert. Aber ich muss zugeben, ich hab´ diesmal wirklich viel mitgeh´n lassen. Wie gern würd´ ich das Gesicht des Alten sehen! Nach einer ausgiebigen Feier trenne ich mich von unserer Clique. Ich geh´ schließlich noch zur Schule und da wir morgen eine große Arbeit schreiben und ich keine Lust habe, sie nachzuschreiben, will ich wenigstens noch für drei Stunden ins Bett. Vier Tage später. Mist, ich sitze in der Falle. Diesmal war zufällig `ne Horde Bullen in der Nähe und, naja, die verfolgen mich jetzt. Leider haben sie mich in ein Stadtteil gejagt, was ich überhaupt nicht kenne. Da ich nicht weiß, in welche Richtung es zu unserem Versteck geht, nützt es mir auch nichts, dass ich gerade keinen Bullen sehe. So ein Mist! Abrupt drehe ich mich um. Nun steht vor mir ein Mädchen – wo kommt die so plötzlich her? Würde sie gepflegter aussehen, hätte ich sie für einen Engel gehalten. Ihre blonden, langen Haare sehen im Abendlicht atemberaubend aus. „Ich weiß, in welche Richtung du gehen musst.“ Hä? Kann die Gedanken lesen? „Komm mit.“ „Hey, woher weiß ich, dass du mich nicht den Bullen auslieferst?“ Sie dreht sich um und schaut mich mit ihren himmelblauen Augen an. „Da musst du mir wohl vertrauen.“ Und schon geht sie weiter. Widerwillig folge ich ihr. Irgendwann bleibt sie stehen, blickt mich an und sagt: „Du musst hier nur noch gerade aus gehen, dann wird dir die Gegend bekannt vorkommen.“ „Wenn du meinst.“ Also, langsam zweifle ich an ihr. Wir stehen zwischen baufälligen Hochhäusern, die ich noch nie gesehen habe. Und die meint wirklich, dort vorn weiß ich, wo ich bin? „Doch bevor du gehst, möchte ich noch kurz mit dir reden.“ Hä? Was soll das denn jetzt? Ich bemerke, wie sie tief ein- und ausatmet. „Du solltest ein neues Leben anfangen. Du solltest aus der Clique raus und mit den Mutproben, welche es ja mal am Anfang waren, aufhören. Das nächste Mal fängt dich vielleicht die Polizei. Dann wirst du für viele Jahre im Gefängnis sitzen. Willst du das?“ Hat die noch alle Glocken beisammen? Die ist doch irre! „Das geht dich doch überhaupt nichts an!“ In der nächsten Sekunde bereue ich meine Worte. Wie verletzt sie aussieht! Nein! Die kann mich mal kreuzweise! Und schon hetze ich den Weg entlang. Als ich mich nach wenigen Metern nach ihr umschaue, ist sie bereits verschwunden. Na, was soll´s. Erstaunlicher Weise erkenne ich die Gegend nach ein paar hundert Metern wirklich. Bald hab´ ich´s geschafft. Die anderen wundern sich bestimmt, wo ich bleibe. Schließlich biege ich um die Ecke und sehe unser Versteck. Aber, das kann doch nicht sein! In einiger Entfernung zum Gebäude stehen mehrere Wagen von den Bullen. Direkt vor dem Haus steht die Feuerwehr. Das Quartier selber ist schwarz; niedergebrannt. Geistesgegenwärtig gehe ich. Ich fange ein neues Leben an. Schreibt mir bitte ein Kommi (^^) Kapitel 3: Einsamkeit --------------------- Es ist ein Tag wie jeder andere. Wie immer sitze ich auf dem alten Spielplatz. Dieser Platz hat schon lange kein Lachen mehr gehört. Als ich klein war, war ich oft mit meiner Mutter hier. Wie viel Spaß es mir bereitet hat, wenn ich die Jungs ärgern konnte! Weil ich selbst beim Spielen Kleider trug, haben sie sich über mich lustig gemacht und ich habe es ihnen heimgezahlt. Wie viel Spaß wir hatten! Ich erinnere mich auch noch ganz genau an das lächelnde Gesicht meiner Mutter, wenn sie mir beim Klettern zuschaute. Doch seit dem Tod meines Vaters vor drei Jahren hat sie nie mehr gelächelt. Sie vergoss viele Tränen; man hätte damit einen Swimmingpool füllen können. Schließlich fing sie an zu trinken, da es ihre Traurigkeit hinwegspülte. Doch der Alkohol spülte noch andere Gefühle wie Liebe hinweg. Sie fing an, laut durch die Wohnung zu brüllen, weil ich ihr noch mehr Alkohol holen sollte. Sie fing an, mich zu schlagen. Seit über einem halben Jahr gehe ich nicht mehr zur Schule. Die Menschen dieser Kleinstadt machen sich über uns lustig. Ich kann ihr Gerede nicht mehr hören. Es kotzt mich alles nur noch an. Verdammt, warum musstest du bloß sterben, Papa? Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Am liebsten würde ich hier sitzen bleiben. Bis in alle Ewigkeit. Am Abend mache ich mich doch wieder auf den Weg nach Hause. Ich kann meine Mutti nicht allein lassen. So weh sie mir auch tut, ich liebe sie immer noch. Der nächste Tag bringt nichts Neues. Betrübt über den gestrigen Abend nachdenkend sitze ich auf dem Gerüst. Wir haben einen Brief erhalten, in dem steht, dass sie keine Miete mehr abbuchen können. Unser Konto, auf welchem mal viele tausende Euro waren, ist leer. Wir haben kein Geld mehr. Mama ist ausgerastet. Das kann doch nicht stimmen, meinte sie. Irgendjemand will sich mit ihnen einen schlechten Scherz erlauben. In ihrer Rage nahm sie den Regenschirm, den ich im Flur stehen lassen habe, und schlug damit auf mich ein. Als ich heute Morgen aus meiner Bewusstlosigkeit aufgewacht bin, habe ich mich so schnell wie möglich auf den Weg nach draußen gemacht. Und nun sitze ich wieder hier. Wie jeden Tag. Es ist immer das Gleiche. Nun ja, fast das Gleiche. Heute tut mir der Körper noch mehr weh als sonst. Heute habe ich noch mehr blaue Flecke und Wunden. In wenigen Tagen wird das Gröbste wieder verheilt sein – wenn mich nicht Mutti wieder so schlägt wie gestern. „Willst du sterben?“ Fast wäre ich vom Gerüst gefallen. Seit wann kommen noch andere her? Ich schaue mich um. Hinter mir steht ein Mädchen. Ich hätte auch gerne solch schöne lange, blonde Haare. Aber warum pflegt sie sie nicht? „Natürlich will ich nicht sterben. Blöde Frage.“ „Blöde Frage?“ Sie geht um das Gerüst herum, sodass ich mich nicht mehr umdrehen muss. „In meinen Augen ist das keine blöde Frage. Schließlich ist dein Leben nicht gerade rosig. Jeden Tag haust du von Zuhause ab, weil du es nicht mehr aushältst. Und jeden Abend kommst du zurück, weil du dich nicht lossagen möchtest, weil du deine Mutter immer noch liebst.“ „Warum erzählst du mir das alles?“ „Weil du faul bist!“ „Was?“ „Warum holst du dir keine Hilfe? Warum willst du damit alleine fertig werden? Du allein bist dieser Aufgabe nicht gewachsen. Du kommst jeden Tag hierher, weil du hier deine Ruhe hast, weil du in deinem Inneren merkst, dass du es nicht schaffst. Doch wenn du nicht endlich etwas unternimmst, ist es zu spät! Nimm dein Leben in die Hand, zeige, dass du deine Freunde und alle anderen nicht vergessen hast und bitte sie um Hilfe! Konfrontiere sie mit deiner neuen Lebenslust!“ Es kommt mir so vor, als hätte sie mich mit ihren Worten geschlagen. Neue Lebenslust? Ja, ich möchte nicht mehr so leben wie bisher. Ich möchte ein neues Leben beginnen und gleichzeitig bei meinem alten weitermachen. „Danke.“ Doch das Mädchen ist schon weg. Kapitel 4: Hass --------------- „Wissen Sie was? Ich hasse Sie!“, schreie ich meinen Mathelehrer an. Dieser sieht mich zuerst entsetzt an, doch dann warnt er mich: „Thomas, du solltest aufpassen, was du sagst.“ Ich werfe ihm noch einen Blick zu, der ihn töten könnte – aber leider nicht in der Wirklichkeit – und mache mich derart wutentbrannt auf den Weg nach Hause. Alle, die sich auf dem Gang befinden, starren mich an. Die denken sich jetzt wahrscheinlich: `Was nimmt der sich denn raus?΄ Vielleicht stimmen mir sogar einige zu. Zuhause angekommen, schmeiße ich die Schultasche in die Ecke meines Zimmers und plautze mich auf´s Sofa. Irgendwie hab´ ich´s echt satt. Als ich ihn schon vor vier Jahren sah, war er mir total unsympathisch. Und dann hatte ich ihn auch noch in Mathe bekommen, dem Fach, welches mir am wenigsten liegt! Von der ersten Unterrichtsstunde an merkte ich, dass mich der Lehrer nicht riechen konnte. Andauernd hat er mich für irgendwelche Lappalien vor der Klasse runter gemacht. Ich meine, ich habe mich anfangs ja noch bemüht, in Mathe besser zu werden, doch irgendwann hatte ich die Nase gestrichen voll. Inzwischen ertrage ich ihn schon vier lange Jahre. ... Ich weiß noch, wie er mir in einer Arbeit, die ich ausnahmsweise recht gut hinbekommen habe, eine fünf gegeben hat. Als ich die Arbeit mit der Arbeit meines Freundes verglich, merkte ich, dass ich in Wahrheit eine drei bekommen hätte. Natürlich bin ich zu ihm vorgegangen, doch er meinte nur, dass er nichts mehr ändern würde, da gäbe es sowieso keine Möglichkeiten einen Fehler bei der Korrektur zu machen. Daraufhin meinte ich, ich würde zum Direktor gehen. Doch der Lehrer meinte nur, dieser könnte mir eh nicht helfen und er wird es auch nicht, schließlich ist er selbst ein guter Freund des Direktors. Was blieb mir also anderes übrig, als klein beizugeben? Dieses Ereignis ist schon über zwei Jahre her. Zu dieser Zeit dachte ich nur, ich darf mich auf keinen Fall gegen einen Lehrer auflehnen. Nun, dass ich es an diesem Tag gewagt habe, zu protestieren, war sozusagen mein Untergang. Irgendwie schaffte der Lehrer es, die Geschichte solcherart umzudrehen, dass mich bald keiner mehr leiden konnte. Selbst mein bester Freund wollte nicht mehr mit mir reden, weil er Angst hatte, es würden ihn alle ignorieren. Ja, dass hätten sie. Seitdem bin ich alleine. Seitdem bin ich der Abschaum der Schule. ... Unglaublich, wie brutal wir Menschen zu unseren Mitmenschen sein können. Ja, es tat und tut noch immer weh. Nie werde ich diesen Mann, der mir das Leben versaut hat, vergessen. Ich meine, wenn ich wenigstens meinen Abschluss schaffen würde! Aber dank dieses Mannes kann ich mir das abschwatzen. Nie und nimmer werde ich die Prüfung bestehen, selbst wenn ich wie ein Irrer büffeln würde. ... Ich hasse ihn. Inzwischen bin ich nicht mehr auf dem Sofa; ich stehe nun vor meinem Schrank, in dem ich alle möglichen Dinge untergebracht habe. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich etwas aus diesem Schrank herausgenommen habe: eine Pistole. Als ich vor fast sechs Jahren mit meinem damaligen Freund durch die Gassen der Großstadt ging, gerieten wir in einen Kampf zwischen zwei Banden. Meinen Freund traf eine Kugel; ich griff mir die Pistole eines Toten und konnte mit ein paar Verletzungen fliehen. Diese Pistole habe ich in meinem Schrank aufbewahrt. Keiner außer mir weiß davon. Ich schaue, ob noch Munition drin ist. Ja, sogar noch drei Stück. Ich könnte auf einem abgeschiedenen Fleck probieren, ob sie noch geht. Dann hätte ich noch zwei Kugeln. Die reichen, um ihn zu umzulegen. Gleich am nächsten Tag mache ich mich auf den Weg. Da ich genau weiß, wo ich die Pistole prüfen kann, befinde ich mich bald auf einem weiten Feld. Halb im Gebüsch versteckt – man weiß ja nie, wer hier was zu suchen hat – schieße ich einmal. Es klappt also. Irgendwie unglaublich. Auf einmal steht ein Mädchen vor mir. „Mach´ das nicht.“, bittet sie mich. „Das geht dich doch überhaupt nichts an. Verschwinde und lass mich in Ruhe.“ Sie lächelt. Wie ein Engel. „Ich werde nicht gehen, solange du nicht von deinem Vorhaben absiehst.“ Habe ich mich gerade verhört? Nun schaut sie mich flehend an. „Bitte, lass mich dir helfen. Du denkst, dein Leben sei bereits verwirkt, aber wenn du mal mit deinen Eltern reden würdest, könntest du doch die Schule wechseln und dort für deinen Abschluss kämpfen. Hast du etwa Angst, es könnte genau das Gleiche wie an deiner jetzigen Schule passieren?“ Sie schüttelt den Kopf. „Es wird nicht noch einmal geschehen, glaub´ mir. Siehst du, wenn du den Lehrer erschießt, ist dein Leben auf jeden Fall verwirkt. Wenn du es jedoch nicht machst, hast du noch eine Chance, wenn nicht sogar mehrere.“ Die Erkenntnis, dass noch nicht alles vorbei ist, nimmt mir die Wand, die die ganze Zeit um mich stand, weg. Ich senke meinen Kopf. „Danke.“ Als ich wieder nach oben schaue, ist das Mädchen weg. Ich trete aus dem Gebüsch heraus – ich seh´ sie immer noch nicht. Aber wo kann sie sein? Sie kann doch nicht einfach so plötzlich verschwinden? Oder war sie etwa ein Engel? Nun ja, mit ihren langen, blonden Haaren und ihren strahlend blauen Augen sieht sie tatsächlich wie einer aus. Von meinem Vorhaben abgebracht, gehe ich zu Fuß nach Hause. Nun beginne ich ein neues Leben. Kapitel 5: Erkenntnis --------------------- Hai, erst mal ein großes gomen nasai, dass ich so selten was hochlad, v.a., da grad noch Ferien sin. Hier endlich das letzte Kapitel zu Stumme Rufe - ich hoffe, ihr versteht nun den Zusammenhang der einzelnen Kapitel. So, hier nun das 5. und letzte Kap: 5. Kapitel: Erkenntnis Nun sitze ich an einer Bushaltestelle und schaue den Leuten, die hier vorbeikommen, zu. Es ist unglaublich, wie gehetzt manche wirken. Ich habe immer versucht, alles in Ruhe anzugehen. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass ein sehr guter Freund an Herzinfarkt gestorben ist. Er hatte wegen der Arbeit viel Stress. Er fehlt mir. Eine Gruppe Schulmädchen steigt lachend in einen Bus ein. Wie gern würde ich mit ihnen gehen. Doch es würde mir nichts nützen, denn sie würden nicht mit mir reden. Noch vor ein paar Monaten habe ich mit meinen Freundinnen gelacht. Als wir uns nach der Schule voneinander verabschiedeten, ging ich allein nach Hause. Plötzlich rempelte mich ein Junge an. Er stahl meine Tasche. Natürlich machte ich mich auf, ihn zu verfolgen. Ich schrie auch den Passanten zu, sie sollen mir helfen und den Dieb fangen. Doch sie reagierten nicht. Wir rannten viele Straßen entlang. Ich mit meinen Kräften bald völlig am Ende, überquerten wir schließlich eine. Er lief weiter. Ich wurde von einem LKW erfasst und starb. Wie es wohl meiner Mutter geht? Sie hat damals den Tod ihrer Mutter nur mit größter Mühe und viel Beruhigungsmittel überstanden. Ob sie es diesmal wieder schafft, aufzustehen und ihren Weg weiter zu gehen? Ich hoffe es vom ganzen Herzen. Am liebsten würde ich ihr helfen, doch ich habe leider keine Ahnung mehr, wo ich lebte. Ich finde sie nicht, so sehr ich auch nach ihr suche. Während meiner Suche habe ich anderen, fremden Menschen helfen können, doch ihr nicht. Warum sind wir Menschen eigentlich so schwach? Warum geben wir so schnell auf? Sicherlich, man trifft auch auf Menschen, bei denen das nicht stimmt. Aber es gibt immer noch viel zu viele, die es nicht schaffen, ein neues Leben anzufangen. Die erste Person, der ich half, war ein Mädchen namens Kathrin. Wie gerne wäre ich ihre Freundin geworden! Es muss für sie eine schreckliche Zeit sein. Erst beide Eltern verlieren und dann auch noch in ein Waisenhaus müssen, weil sich kein Verwandter um sie kümmern möchte. Doch zum Glück hat sie neuen Mut gefasst. Die nächste Person war ein junger Dieb. Er hat leider erst meinen Rat befolgt, als er das Versteck niedergebrannt sah. Ich hoffe, er wird nie wieder stehlen. Danach half ich einem Mädchen, indem ich ihr riet, endlich mal um Hilfe zu beten. Wie soll sie es schließlich ganz allein schaffen, ihre Mutter vom Alkohol loszubekommen? Ich wünsche ihr, dass es ihrer Mutter bald wieder gut geht, das Mädchen demzufolge nicht mehr geschlagen wird und dass sie selbst die Hilfe erfährt, die sie benötigt. Zuletzt redete ich wieder mit einem Jungen. Zum Glück hat er seinen Lehrer nicht umgebracht. Hoffentlich schafft er es, einen neuen Weg zu gehen. Die Pistole hat er leider immer noch. Wenn ich so darüber nachdenke, kann ich mich glücklich schätzen, ein Geist zu sein. Als Mensch macht man viel zu viele Fehler. Sie verbauen selber ihr Leben; sie sollten nicht immer solche Fehler begehen. Nur weil ich ihnen helfen möchte, verweile ich noch hier auf der Erde. –Wirklich nur deshalb? Plötzlich fallen mir die Schuppen von den Augen. Erst jetzt erkenne ich die Wahrheit. Ich bin nicht nur hier, weil ich den Menschen helfen möchte. Ich bin hier, weil ich gerne selbst noch ein Mensch sein würde. Statt ein Geist zu sein würde ich viel lieber leben – mit all den Fehlern. Wären sie wirklich Menschen, würden sie keine Fehler machen? Nein, denn Fehler sind nun mal menschlich. Blitzartig fällt mir mein ganzes Leben ein. Ich weiß nun sogar wieder, wo ich wohnte. Zuerst will ich mich schnell auf den Weg machen, doch dann kommen mir Zweifel. Ob das wirklich eine gute Idee ist? Würde ich denn damit nicht eher den Zustand meiner Mutter verschlechtern? Ja. Ich kann ihr nicht helfen. Manchmal ist es besser, wenn einem fremde Menschen helfen. Damit beende ich meinen Gedankengang, denn der eigentliche Grund, weshalb ich auf der Erde bin, ist, dass ich noch ein Mensch sein möchte. Doch da dieser Wunsch nie in Erfüllung gehen wird, brauche ich nicht mehr hier zu bleiben. Ich sollte einen neuen Weg einschlagen. 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