Let me be your guardian angel von Leuchtender_Mond (I don't want you by my side, I want you in my bed) ================================================================================ Kapitel 10: Entscheidungen -------------------------- Als ich dir eines Nachts meinen Schutzengel schicken wollte, damit er dich beschützt, da kam er nach 5 Minuten wieder zurück und sagte:„Engel brauchen keine Schutzengel!“ ~ Yuugis’ POV ~ Meine Freunde nannten mich vor den Herbstferien verrückt als ich auf Atemus’ Rückkehr gewartet habe und wie verrückt gelernt habe. An der Einstellung, ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank hat sich auch jetzt noch nichts geändert, allerdings sind ihre Beweggründe für diese Gedanken nun andere. Denn was ich vorher zu viel lernte, lerne ich nun zu wenig, ähnlich wie in der Zeit vor den Sommerferien. Die ersten paar Wochen konnte ich zwar noch davon profitieren, dass ich alles so fleißig im Voraus gelernt hatte und als wir unsere Klausuren zurückbekommen ist meine schlechteste Note eine drei, aber schon nach ein paar Wochen geht es rapide bergab mit meinen Leistungen. Die erste Zeit behelligen meine Lehrer mich nicht, sind sie ja noch die hervorragenden Leistungen von vor den Ferien gewöhnt und glauben, es handle sich um eine vorrübergehende Phase. Aber als der neue Klausurplan aufgehangen wird und wir die neuen Termine erfahren wenden sich einige Lehrer mit der Frage, was denn los sei an mich. Immerhin würde ich meine Hausaufgaben in letzter Zeit so schlampig erledigen, gar nicht mehr mündlich mitarbeiten, was sich schwer auf meine Zeugnisnote auswirkt, da diese ja zu 50% aus der mündlichen Mitarbeit besteht. Ich sage ihnen, ich würde mich von nun an wieder mehr anstrengen, doch an meinem Verhalten ändere ich nichts. Was hat es für einen Sinn zu lernen und zu arbeiten? Es ist für meine Zukunft, ich weiß. Aber ohne Atemu gibt es keine Zukunft für mich. Also brauche ich auch nicht in diese zu investieren. Am Wochenende vor den nächsten Klausuren gab es eine hässliche Auseinandersetzung zwischen mir und Großvater. Er sprach mich auf meine schlechte Laune und mein mangelndes Engagement für die Schule an. Da ich ihm die Wahrheit schlecht erzählen konnte versuchte ich mich mit Ausflüchten zu retten, was er durchschaute und leider falsch auffasste. Ich habe mich nie zuvor mit ihm gestritten aber nun haben wir seit zwei Tagen kein Wort mehr miteinander gewechselt und zusätzlich zu Atemus’ Fortgang drückt mir nun auch dies noch aufs Gemüt. Meine Freunde können mir da auch nicht helfen. Auch ihnen kann ich die Wahrheit aus naheliegenden Gründen nicht verraten und mein Misstrauen ihnen gegenüber ist unserer Freundschaft nicht grade förderlich. Ich bin auf dem besten Weg zur Selbstzerstörung ohne es zu realisieren. Immerhin einen Zweck erfüllt der Streit mit Großvater: Ich lerne wieder. Zwar längst nicht so viel wie vorher, aber genug, damit die Englischklausur noch drei wird. Für jemanden, der eigentlich eins in Englisch steht zwar eine schwache Leistung, aber besser als die vier, wenn nicht sogar fünf, die ich bei Beibehaltung meines vorherigen Kurses in Richtung Untergang erhalten hätte. Doch dies bietet mir weder Abhilfe für meine Probleme mit meinen Freunden, meinem Großvater und meinem Geliebten. Ach Atemu! Ich liebe ihn so sehr, und genau das ist das Problem. Ich liebe ihn zu sehr. Jede freie Minute – und auch die nicht freien Minuten – verbringe ich damit an ihn zu denken und somit auch zwangsläufig ihn zu vermissen. Dann liege ich – besonders abends – auf meinem Bett und weine bitterlich ohne aufhören zu können so lange bis meine Augen ganz rot sind und weh tun. Dann schlafe ich ein, weine mich in den Schlaf und wache Stunden später schweißgebadet und schreiend auf. Vielleicht sind es diese nächtlichen Schreie, vielleicht auch meine besser werdenden Noten die dazu führen, dass Großvater und ich uns wieder verstehen. Das ist eine große Erleichterung für mich und hilft mir durch den Tag. So erzähle ich ihm auch einiges über das, was mit Atemu geschah – eigentlich alles, bis auf einige explizite Details. Als Ägyptologie ist er nicht einmal über all’ die Magie, von der er nun erfährt, überrascht. Vielmehr zeigt er Verständnis und ist mir ein guter Zuhörer. Als ich mit meiner Geschichte geendet habe nimmt er mich in den Arm und sagt lange nichts. Aber das ist nicht nötig, denn mir genügt es, von ihm gehalten zu werden und den Beweis zu erfahren, dass er für mich da ist. Dann macht er mir noch eine heiße Schokolade und bringt mich – dass hat er nicht mehr getan seit ich dreizehn geworden war – zu Bett. Ich fühle mich tatsächlich ein wenig in das Alter von dreizehn oder sogar noch jünger zurückversetzt. Weniger als der Oberstrufenschüler. Es ist ein seltsam behütetes Gefühl, welches wohl nur Großeltern einem vermitteln können. Und ich genieße es. Denn jetzt weiß ich, dass ich nicht mehr alleine bin. Ich schlafe problemlos ein, in dieser Nacht und ich habe auch keine Albträume. Ich träume von Atemu: Es war ein ganz normaler Schultag. Mein Zeitgefühl im Traum sagt mir, dass es Samstag ist als ich alleine das Schulgebäude verlasse, in Gedanken noch halb bei der grade überstandenen Doppelstunde Philosophie und Jean-Paul Sartre. So achte ich wenig auf meinen ohnehin ja wohlbekannten Weg. Bis da diese Stimme an mein Ohr dringt. „Hallo, Aibou.“ Ich schrecke hoch, und da steht er vor mir, Atemu. Seine Kleider sind nach wie vor die eines Engels, aber seine Flügel sind zur Zeit nicht sichtbar. Mit offenem Mund starre ich ihn an, kann das Glück, welches mir wiederfährt kaum fassen. „Aber wie...?“, bringe ich schließlich krächzend hervor. Jetzt lächelt er, nimmt mich bei der Hand. Sie ist warm und hält sanft die Meine. Ich stolpere neben ihm her und lausche seinen Worten. „Ich habe mich lange nicht gemeldet, wohl war. Vergib mir, aber es war unmöglich. Auch jetzt bleibt mir nicht viel Zeit. Aber ich musste dich unbedingt sehen!“ Ich lächle und nicke. „Ja, es tut gut dich zu sehen.“, stimme ich ihm zu, auch wenn es mich jetzt schon traurig macht, dass er nicht viel Zeit hat. „Ich will, dass du mir etwas versprichst.“, spricht er da schon weiter. Auffordernd sehe ich ihn an. „Was denn?“, ermutige ich ihn zum Weitersprechen. „Lebe.“, lautet seine schlichte Antwort. „Was meinst du damit?“, frage ich, doch erhalte ich keine Antwort mehr, da er da schon verschwindet, sich in den mir bekannten goldenen Staub auflöst. Die anderen Menschen auf der Straße beachten das gar nicht, als sei es das selbstverständlichste der Welt. Verwirrt betrete ich Großvaters’ Laden, welchen wir grade erreicht hatten. An dieser Stelle wache ich auf. Kein Wecker war es, der mich aus dem Schlaf riss. Es ist Sonntag und mein Traum steht mir erstaunlich klar vor Augen, was ich sonst so gar nicht von mir gewöhnt bin. Ich erinnere mich doch sonst nicht an meine Träume und wenn doch dann nur an Bruchstücke. Beim Frühstück spreche ich mit Großvater über den Traum. Seine Theorie ist wirklich... erstaunlich. „Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass das gar kein Traum war? Dass Atemu wirklich da war?“, fragt er mich. Nachdenklich sehe ich ihn an. „Dann hat er einen Weg gefunden, zurückzukommen, zumindest indirekt?“, schlussfolgere ich. Großvater nickt. „Du solltest auf die nächste Nacht gespannt sein.“, meint er schmunzelnd, fährt dann aber ernster fort:„Aber sei nicht zu enttäuscht, wenn er nicht da ist. Es wird sicherlich schwierig für ihn sein, sich irgendwie über die Regeln hinwegzusetzen, vielleicht schafft er es nicht jede Nacht oder so. Aber sicherlich siehst du ihn wieder. Solange solltest du seinen Rat befolgen – immerhin hast du es versprochen! – und leben.“ Feierlich nicke ich. Diese Zukunftsaussicht gefällt mir schon besser. Es ist, wie Großvater sagte: Ich erhalte keine weiteren Besuche von Atemu in meinen Träumen diese Woche. Aber ich gebe deswegen die Hoffnung nicht auf. Ich bin fest davon überzeugt, dass er irgendwann noch einmal zu mir kommen wird, und wieder und wieder, solange bis wir einen Weg gefunden haben zusammen zu sein. Und bis dahin habe ich ein Versprechen einzulösen. Ich stelle meine Lernerei für die Schule wieder etwas in den Hintergrund, allerdings lasse ich sie auch nicht schleifen. Die dadurch entstehende Freizeit nutze ich um Großvater im Laden zu helfen oder einfach nur mit ihm zu reden. Etwas schwieriger als meine Versöhnung mit Großvater liegt die Sache da schon mit Jono und Tristan. Die beiden sind immerhin meine besten Freunde – gewesen. Mein Verhalten in letzter Zeit war unserer Freundschaft natürlich alles andere als förderlich, ich habe sie die ganze Zeit über links liegen gelassen. So strafen auch sie mich nun mit Nichtachtung als ich versuche, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die ersten beiden male ignorieren sie mich völlig, beim dritten mal fragt Jono Tristan mit hochgezogenen Augenbrauen:„Ich glaubte eine Stimme zu hören. Aber den Typen kenne ich nicht. Du etwa?“ Tristan schüttelte nur den Kopf und sie verschwanden in eine andere Richtung. Aber nicht mit mir! Da wir uns am Anfang des Schuljahres noch so gut verstanden sitzen wir in allen Kursen die wir gemeinsam haben auch zusammen, sodass ich genügend Gelegenheit habe ihnen auf die Nerven zu fallen. Gleich Montagmorgen stürze ich mich erneut in den Kampf um die beiden. Da Tristan die ersten beiden Stunden Englisch hat, Jono und ich aber Deutsch ist Jono nun mein alleiniges Opfer. Glücklicherweise hat unsere Deutschlehrerin beschlossen, dass wir uns heute den Film zu unserer Lektüre ansehen, was eine hervorragende Gelegenheit ist, den Versuch eines Gesprächs mit Jono zu starten. Erst einmal werden wir jedoch von dem Versuch unserer Lehrerin abgelenkt, die DVD in den Videorekorder zu stecken. Verwundert stellt sie fest, dass das nicht funktioniert ehe sie dann Jono nach vorne holt, der die Sache für sie richten darf. [Das mit der DVD im Videorekorder hat unsere Deutschlehrerin übrigens wirklich versucht... voll verpeilt!! xD] Den Rest der Stunde also richte ich beständig das Wort an Jono und achte nur mit einem Ohr auf den Film. Die erste Stunde zeigt er wie gewohnt keine Reaktion und obwohl mir innerlich zum Heulen zumute ist vergesse ich weder das Versprechen gegenüber Atemu noch die warmen Worte Großvaters’. So spreche ich weiter, auch, wenn es ist, als würde ich mit einer Wand reden. Zehn Minuten vor dem Klingeln aber stürzt diese Wand ein. „Meine Güte, Yuugi!“, fährt Jono mich an,„Halt endlich die Klappe!“ An sich ist ja nun nichts positives daran so angefahren zu werden aber er hat immerhin schon mal wieder mit mir gesprochen, was ich als positives Zeichen werte und weiter rede. „Klar. Du musst mir nur antworten.“, entgegne ich und sehe ihn auffordernd und ein wenig drohend an. Er ist wohl überrascht von meinen drohend zusammengezogenen Augenbrauen. „Yuugi, du kannst uns nicht Wochen lang links liegen lassen und dann auf einmal ankommen und tun als sei nichts gewesen.“, sagt Jono dann und es klingt überraschend ernst, besonders aus seinem Mund. „Ich weiß.“, antworte ich leise und ebenso ernst,„Es war falsch von mir und es tut mir Leid. Darum, bitte, gib mir die Chance, es wieder gut zu machen.“, bitte ich ihn. Er sieht mich hierauf lange an, fast so, als dächte er nach, dabei zeigt mir das Funkeln in seinen Augen, dass er seine Wahl längst getroffen hat – und dass ich sie nicht fürchten muss. Ganz wie ich es erwartet habe nickt er dann auch. „Na schön.“, sagt er und klingt dabei schon nicht mehr ganz so distanziert. Es klingelt in dem Augenblick als wir unser erstes Lächeln seit Monaten tauschen. Jono steht auf und packt seine Sachen zusammen während ich sitzen bleibe, da ich nun hier Philosophie habe, während er zu Geschichte muss. „Bis zur großen Pause.“, sagt er noch zum Abschied. „Ja, bis dann!“, rufe ich ihm hinterher, unendlich erleichtert. Dann aber richte ich meinen Blick wieder nach vorne. Als nächstes steht Philo an – und da sitzt Tristan neben mir. Er erscheint auch schon in der Tür, durchquert das Klassenzimmer und lässt sich auf dem Stuhl neben mir nieder – in größtmöglicher Entfernung zu meiner Wenigkeit. Daran jedoch lasse ich mich nicht stören, rutsche ihm mit meinem Stuhl ein wenig hinterher und versuche es bei ihm auf die gleiche Tour wie grade bei Jono. Aber Jono hatte mehr Durchhaltevermögen. Bereits nach halben Stunde wäre auch Tristan geknackt und wir haben noch eine Viertelstunde bis zur großen Pause Zeit um uns leise zu unterhalten, auch, wenn es nur um Nebensächlichkeiten geht. Wir reden wieder miteinander. In der Pause sitzen wir alle drei zusammen, ganz wie in alten Zeiten, auch wenn die Stimmung noch ein wenig unterkühlt ist. Aber das wird sich geben. Nach der Pause machen Tristan und ich uns auf den Weg in die Biologie, während Jono zu seiner Doppelstunde Erdkunde muss. Ich verabschiede mich schon mal von ihm, da ich heute keine Fächer mehr mit ihm haben werde. Am Ende der Doppelstunde Bio verabschiede ich mich dann auch von Tristan, der nun zu Französisch muss, während ich Latein habe. Wie ich dieses Fach hasse! Vor allem, da Tristan ja in Französisch ist und Jono in Chemie, ich also niemanden zum reden habe. Aber auch ansonsten ist Latein sicherlich nicht mein Ding und als ich den Raum betrete kann ich gleich Anzu mit einem Kopfschütteln begrüßen. „Nein, sorry, Anzu, aber ich hab nicht vor Latein weiterzuwählen.“, bescheide ich sie zum ich – weiß – nicht – mehr – wie – vielten – mal. Ich freue mich immerhin wahnsinnig auf das Ende des Schuljahres, wenn ich kein Latein mehr habe – dafür aber hoffentlich das Latinum. Als ich schließlich nach Hause gehe bin ich rundum mit mir zufrieden. Meine Freunde reden immerhin schon mal mit mir, ich habe keine Schwierigkeiten in der Schule und allmählich wird es auch wieder Zeit für einen Besuch von Atemu. Und richtig. “Gut gemacht, Aibou.“ Atemu lächelt mich von der Fensterbank aus an. Dieses mal hat er die ohnehin vergebliche Mühe es nach einem Traum aussehen zu lassen gleich sein gelassen. Wir sitzen in meinem Zimmer, und sogar die Uhrzeit stimmt. Alles genau als wäre ich wirklich wach. Ich sitze aufrecht in meinem Bett, er auf der Fensterbank, sodass das Mondlicht auf ihn fällt. Ich grinse zurück. „Danke.“, sage ich. „Das ist kein Traum, oder?“, frage ich ihn dann. Er schüttelt den Kopf. „Kein richtiger, nein. Du schläfst zwar und ich sitze grade nicht wirklich hier, aber real ist es dennoch. Ich kann dich in deinen Träumen besuchen – manchmal, wenn sie grade nicht so aufmerksam sind. Darum hat es etwas gedauert, seit meinem letzten Besuch.“ Ich winke mit der Hand ab. „Hab ich mir gedacht.“, beruhige ich ihn. Eine Weile sehen wir uns nur an, dann aber rücke ich mit der Frage, die mir förmlich auf der Zunge brennt, heraus:„Was wird denn jetzt? Gibt es einen Weg, wie wir wieder zusammen sein können?“ Hoffnungsvoll sehe ich ihn an, auch, wenn ich mich innerlich schon darauf einstelle, nun bitter enttäuscht zu werden. Doch sehr zu meinem Erstaunen und vor allem auch sehr zu meiner Freude schwindet sein Lächeln nicht. „Ich denke schon.“, antwortet er mir nämlich, was mich ihn erstaunt und auffordernd ansehen lässt, doch er fährt schon fort:„Ich habe mich ein wenig umgehört und ich glaube, es gibt durchaus einen Weg. Aber ich will mir erst sicher sein, bevor ich ihn einschlage. Auf jeden Fall werde ich dich natürlich über alles auf dem laufenden halten.“ Ich nicke, ganz benommen vor Glück über diese glückliche Wendung der Dinge. Atemu rutscht von der Fensterbank herab, lässt sich bei mir auf dem Bett nieder und küsst mich sanft auf die Stirn. Mich damit jedoch nicht zufrieden gebend verschränke ich meine Arme in seinem Nacken und küsse ihn auf den Mund, fordere seine Zunge mit der Meinen heraus. Er erwidert den Kuss zwar, doch nicht für allzu lange. Dann löst er sich von mir, sieht mir tief in die Augen und murmelt leise:„Tut mir Leid, aber ich muss wieder gehen. Warte auf mich. Ich liebe dich.“ Damit ist er verschwunden und ich allein, aber glücklich. Am Morgen erzähle ich Großvater sofort von meinem „Traum“ und es ist rührend, wie er sich für mich mitfreut. So gehe ich an diesem Tag bestens gelaunt zur Schule – aber erst zur dritten Stunde da ich glücklicherweise die ersten beiden Stunden gemeinsam mit Jono frei habe. Da sich mein Verhältnis zu Jono und Tristan beständig weiter gebessert hat ist auch die Schule kein Albtraum mehr für mich. Kurz vor der Schule treffe ich mit einem schlecht gelaunten Jono zusammen. Bei meiner eigenen guten Laune bleibt es mir fast gänzlich unverständlich, wie man so schlecht gelaunt sein kann, erst recht wo wir beide länger schlafen konnten im Gegensatz zu Tristan, der sich grade durch Chemie quält. Ich gebe mir alle Mühe Jonos’ schlechte Laune zu beheben, bin aber eigentlich doch ganz froh als sich unsere Wege trennen und er zu Musik geht und ich zu Kunst. Natürlich sehen wir uns kurz darauf in der großen Pause schon wieder, doch die eine Stunde Musik, die er zusammen mit Tristan verbrachte scheint seiner Laune gut getan zu haben. So reagiert er gar nicht abgeneigt, als ich den beiden vorschlage, wir sollten doch noch mal was zusammen unternehmen, immerhin haben wir das schon lange nicht mehr getan. Da wir heute aber lange haben – Doppelstunde Sport in den letzten beiden Stunden, einfach nur grausam! – verschieben wir dies auf Freitag. Diesen Samstag werden wir keine Schule haben, sodass wir richtig lange wegbleiben können. Mit dieser Aussicht auf ein entspanntes Treffen mit Tristan und Jono jedenfalls verfliegt die Woche wie im Flug und ehe ich mich versehe ist es auch schon Freitag. Die letzte Stunde habe ich zusammen mit Tristan Philosophie und wir verbringen diese Stunde damit Pläne zu schmieden was wir in der Stadt unternehmen könnten da wir uns keine konkreten Pläne gemacht haben. Als es klingelt verabschieden wir uns fürs erste und ich gehe guter Dinge nach Hause. Sehnsüchtig warte ich schon auf den nächsten Traum mit Atemu, denn seit er angedeutet hat es gäbe möglicherweise einen Weg wie wir zusammensein könnten brenne ich auf weitere Neuigkeiten und vor allem natürlich den Moment, wo sich uns nichts mehr in den Weg stellen kann. Kurz nach dem Mittagessen mache ich mich auf den Weg in die Stadt, es sind ja nur drei U-Bahn Stationen. Doch zu meinem eigenen Erstaunen schlafe ich ein, sobald ich mich auf einem der Plastiksitze in der U-Bahn niedergelassen habe. Ich war doch gar nicht müde! Doch der Grund meines Schlafes erschließt sich mir sofort. “Hey, Aibou!“ Ich liebe dieses Lächeln auf seinen Lippen! Ungefähr, wie wenn er eine verdeckte Fallenkarte aufdeckte und somit die sichere Wendung in ein Duell brachte. Atemu sitzt neben mir auf dem freien Platz in der U-Bahn und hat eine seiner Hände auf die Meinen gelegt, die in meinem Schoß gefaltet lagen. „Atemu! Und, hast du einen Weg finden können?“, frage ich ihn gespannt und sehe ihn mit leuchtenden Augen an. Er lächelt, als er mich so sieht, ich weiß, dass er meine Augen mag, sehr mag. Aber das beruht nicht nur auf Gegenseitigkeit sondern gehört auch eigentlich nicht unbedingt hier hin. Er nickt auf meine Frage hin bejahend. „Das habe ich.“, erklärt er und seine Stimme kündet von schwer unterdrücktem Stolz. „Ich habe vor, jetzt gleich, wenn du in der Stadt bist alles in die Wege zu leiten. Hör mir gut zu und erschrick nicht!“ Ich nicke und spüre wie sich leises Unwohlsein in meiner Magengegend meldet. Erschrick nicht? Was zum Teufel hat er denn vor? „Ich werde meine Unsterblichkeit, mein Dasein als Engel aufgeben.“ „WAS?“, schreie ich. „Aber...! Dann sehen wir uns doch gar nicht mehr...“ Hilf- und ratlos sehe ich ihn an. Doch er lächelt nur sachte und schüttelt den Kopf. „Ich werde wieder zu einem Menschen werden.“, erklärt er. Verblüfft blicke ich ihn an. „Das geht?“, frage ich erstaunt. „Ja... sag mal, Yuugi, ihr geht doch sicher zu dem neuen Kaufhaus, dass erst vor einer Woche eröffnet wurde?“, fragt er dann. Die Frage überrascht mich und ich weiß nicht, was sie hier zu suchen hat, dennoch bejahe ich sie. Dass hatten wir in der Tat vor. Es soll eine unheimlich große Auswahl bieten – was man bei zweiundzwanzig Stockwerken allerdings wohl auch erwarten kann. „Gut.“, lächelt Atemu,„Ich werde da runter springen.“ Ich bringe kein Wort heraus, starre ihn nur an, unfähig etwas zu sagen. „Keine Sorge. Ich hole mir dabei höchstens ein paar Kratzer. Aber es wird bewirken, dass ich wieder zu einem Menschen werde.“, erklärt er mir. Ich aber ziehe die Stirn in Falten. So einfach soll es sein? Allerdings... einfach... sicherlich kostet es einiges an Überwindung sich vom Dach eines zweiundzwanzigstöckigen Hochhauses zu stürzen. Wenn ich nur daran denke was alles schief gehen könnte! „Du bist dir sicher, dass es funktioniert?“, hake ich ängstlich nach, doch er nickt überzeugt. „Na schön.“, willige ich dann ein. Immer noch ist mir ein wenig mulmig bei der Sache, doch wenn ich bedenke, dass ich dadurch Atemu zurückgewinnen könnte... Er strahlt mich an – allein dieses Lächeln war es wert! „Dann sehen wir uns gleich. Und du solltest aufwachen – deine Station, du musst aussteigen.“ Schnell öffne ich die Augen und noch schneller haste ich aus der Bahn. Das Gespräch von grade eben beschäftigt mich sehr sodass ich Jono und Tristan erst bemerke, als Jono mir schwungvoll auf den Rücken klopft. Schnell verdränge ich meine ängstlichen Gedanken, ich will ihre grade wiedergewonnene Freundschaft ja nicht aufs Spiel setzen und lache und scherze fröhlich mit ihnen. Wir kommen ziemlich schnell zu dem neuen Kaufhaus. An der Fassade hochzublicken verstärkt mein ängstliches Gefühl nur noch. Da will Atemu sich herunterstürzen! Meinetwegen! Und apropos Atemu... Als mein Blick das Dach des Hochhauses erreicht sehe ich, dass Atemu schon dasteht, auf der Balustrade, bereit zum Sprung. Ich kann die Augen nicht von ihm wenden, setze nur mechanisch einen Fuß vor den anderen während die Stimmen Jonos’ und Tristans’ aus meinem Kopf verschwunden sind. Ich sehe nur Atemu. Sein Haar weht im Wind und in diesem Augenblick tritt er noch einen weiteren Schritt vor, sodass sich unter seinen Zehenspitzen bereits die Tiefe ausbreitet. Er macht eine Bewegung mit der Hand, von hier unten schwer zu erkennen. Winkt er mir? Gleich wird er bei mir sein! „YUUGI!!!“ Es ist, als würde ich aus einem Träum erwachen, als sowohl Tristans’ als auch Jonos’ Stimme plötzlich so laut und panisch an mein Ohr dringen. Die Umwelt nimmt wieder schärfere Konturen an. Ich stehe mitten auf der Straße. Die Fußgängerampel ist rot. Und der LKW viel zu schnell... ~ Atemus’ POV ~ Der Wind ist eisig hier oben, er zerzaust mein Haar, doch achte ich nicht darauf, sehe nach unten, auf die Menschen die sich so viele Meter unter mir auf der Straße tummeln. Yuugi ist auch darunter, fröhlich unterhält er sich mit Tristan und Jono. Ich lächle. Ich könnte in ein paar Minuten mit ihnen um die Häuser ziehen. Als Mensch können mir meine Noch – Vorgesetzten immerhin nichts mehr, also ist dies der einzige Weg, den ich kenne. Ich werfe einen weiteren Blick zu Yuugi – und erstarre. Er hatte mich wohl bemerkt, denn sein Blick ist nun stetig nach oben, auf mich gerichtet. Doch er sollte auf seine Umwelt achten! Die Ampel ist doch rot! Und er rennt einfach auf die Straße! Wild gestikuliere ich ihm zu, er möge die Straße schnellstmöglich wieder verlassen doch scheint er mich nicht zu verstehen. Da ist der LKW auch schon heran. Ich schreie auf und stoße mich von dem Hausdach ab, nicht um ein Mensch zu werden sondern um Yuugi zu retten, breite meine Flügel aus und will in die Tiefe fliegen doch plötzlich geht es nicht. Ich verharre mitten in der Luft, kann nichts mehr tun, muss hilflos mit ansehen wie Yuugi von dem LKW erfasst wird und meterhoch in die Luft geschleudert wird, hart auf dem Asphalt landet, durch den eigenen Schwung erneut in die Höhe gehoben wird und dann endgültig liegen bleibt. Reifen quietschen und Menschen schreien, Jono und Tristan eilen zu meinem reglos daliegenden Schatz, ich aber verspüre einen grausamen Schmerz überall in meinem Körper der mir die Luft aus den Lungen treibt. Ich weiß, dass es Yuugis’ Schmerz ist. Ich will sofort zu ihm, aber es geht nicht. Stattdessen entferne ich mich ohne mein eigenes Zutun immer weiter von ihm, egal wie sehr ich dagegen ankämpfe zerrt mich eine unglaubliche Macht unerbittlich weiter nach oben, in Richtung Himmel und weg von Yuugi. Aber ich weigere mich das zu akzeptieren. Einen einzigen Grund gibt es nur, warum ein Schutzengel zurück in den Himmel beordert wird, einen einzigen nur. Nämlich wenn der Schützling tot ist. Ich will diesen Strang nicht weiterverfolgen, will nicht die Schlussfolgerung ziehen, doch unerbittlich macht sich mir die Wahrheit bewusst: Yuugi ist tot. to be continued... Nachwort: So, und nun fallt mir nicht in Ohnmacht, es geht ja noch weiter, okay? Hoffe, es gefällt euch ^^ Hab euch lüüüüüüüüüüüüb Eure Miss Hellfire Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)