Black Sheep von LittleTreeflower ================================================================================ Kapitel 2: Grüße aus der Heimat ------------------------------- Soichi stand vor dem kleinen Kühlschrank im Labor und untersuchte eifrig die Ergebnisse der gestrig angelegten Kulturen. Morinaga dagegen kritzelte in Gedanken versunken in dem Notizblock herum. Er schrieb einen Satz, strich ihn wieder durch und versuchte erneut einen Text zu Papier zu bringen, der abermals unter einen leichten Seufzer durchgestrichen wurde. Immer wieder blickte er unbewusst zu seiner Tasche in der er die Karte seines älteren Bruders mit sich herum schleppte. Soichi blieb dieses Verhalten nicht unbemerkt. „Jetzt mach dich deswegen nicht unnötig verrückt! Wenn das so weiter geht, schmeiße ich gleich die Karte in den Mülleimer!“ „Entschuldige, Senpai. Du hast ja Recht. Es ist nur, ...“ Er rückte den Stuhl auf dem er saß quietschend nach hinten, stand auf und ging mit einem betrübten Gesicht zu seinem Senpai, der zu spät mitbekam, dass sein Kohai bereits seine Arme um ihn gelegt hatte, mit geschlossenen Augen den Kopf auf seine Schulter lehnte und wieder leicht seufzte. „Ich möchte nicht von dir weg.“ „HÄ?! Wer sagt denn so was?“ Soichi lief rot an. „Ich, äh, ich meine, wer sagt denn das du die Uni verlassen sollst?“ Morinagas Hände griffen nach der linken Hand seines Senpais und küsste sie sanft. „Du hast doch die Karte gelesen. Was soll es sonst heißen?“ „Aber was für einen Grund hätten sie denn dafür?!“ Morinaga ließ seinen Kopf sinken. Er ließ von Soichi ab und setzte sich wieder auf den Stuhl, nahm den Stift in die Hand und wirbelte diesen leicht zwischen sienen Fingern herum. Soichi ließ die Kulturen im Kühlschrank stehen, stellte sich hinter Morinaga und blickte über dessen Schulter auf das völlig unlesbare Dokument. „Hmm, nicht gerade deine beste Arbeit.“ Morinaga erschrak leicht, denn Soichi beugte sich über ihn, nahm den Stift aus seiner Hand und berichtigte seine Arbeit. „So, jetzt ist es verständlicher.“ „...Danke.“ Soichi hatte bis jetzt solch eine Nähe vermieden. Wahrscheinlich hatte er genau so eine große Angst dass Morinaga die Universität verlassen musste, wie dieser selbst, dass er unbewusst Morinagas Nähe suchte. `Senpai glaubt also auch nicht an die Worte, die er spricht.´ Morinaga beugte sich leicht nach hinten, so dass sein Kopf und sein Rücken an Soichi gelehnt waren. Dieser blieb, als ob er nichts mitbekommen hätte, in dieser Position stehen, berichtigte noch einige von Morinagas unlesbaren Sätzen, bevor er den Stift auf den Tisch legte und wieder zurück zum Kühlschrank ging, dort einen runden Glasbehälter herausholte, diesen unter das Mikroskop legte und den Inhalt untersuchte. Der heutige Tag schien für Morinaga unendlich lang. Er konnte sich auf seine Arbeit kein bisschen konzentrieren. Er rechnete damit, dass jeden Moment sein Handy klingelte um ihm mitzuteilen, dass er nicht weiter studieren dürfte. Aber wieso? Was hatte er denn getan? Draußen wurde es allmählich dunkel. „Lass uns Schluss machen für heute.“ „Wie?“ Morinaga drehte sich zu seinen Senpai. „Ich sagte, wir machen Schluss für heute!“ „Aber, wieso denn? Wir sind doch noch gar nicht fertig.“ „Du bist heute einfach zu unkonzentriert. Du machst ununterbrochen Fehler. Das können wir bei dem Experiment nicht gebrauchen!“ Soichi zog seinen Kittel aus und hängte ihn an den Haken. „Wir machen morgen weiter. Geh nach Hause und bekomm erst mal einen klaren Kopf.“ Morinaga stand etwas enttäuscht auf. Es stimmte, er hatte heute nur Fehler gemacht, die Soichi wieder korrigieren musste. Er nahm sein Handy aus der Tasche. Keine Nachricht. Nichts. Dieses Warten wurde langsam unerträglich. „Die machen das extra!“ sprach er laut zu sich selbst. „Wer macht was extra?“ Soichi reichte Morinaga seine Tasche. „Sie lassen mich absichtlich so lange warten weil sie wissen dass mich das verrückt macht!“ Soichi schaute ihn ernst an. „Du bist der jenige der sich verrückt macht. Du weißt noch nicht mal was sie eigentlich wollen. Du machst dir Sorgen über etwas, worüber du noch nicht mal weißt, ob es so eintreten wird. Es sind deine Eltern! Auch wenn sie dich aus der Familie gestoßen haben, so herzlos können sie nicht sein.“ Morinaga lachte hämisch mit gesenkten Kopf, so dass Soichi es nicht sehen konnte. `Wenn du wüsstest, Senpai´ Auf dem Heimweg hatten sie kein Wort miteinander geredet. Erst vor Morinagas Tür fiel ihm erstaunt auf, dass Soichi ihm gefolgt war. Er war so sehr damit beschäftigt, sich auszumalen was passieren würde, dass er sich nichts über seine ungewöhnliche Begleitung gedacht hatte. „Willst du nicht aufschließen?“ befahl Soichi. „Äh, doch, natürlich.“ Morinaga drehte den Schlüssel um und trat ein. Soichi folgte. Morinaga stellte den Fernseher an, holte zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank, stellte eine auf den Tisch und öffnete die andere, aus der er gleich tiefe Schlücke nahm. Soichi kannte dieses Verhalten von Morinaga nicht. Natürlich trank er öfters Alkohol wenn irgend was vorgefallen war, aber es waren kleinere Probleme die eigentlich mit Soichi zu tun hatten. Aber dieses mal war es etwas ernsteres, etwas, was er nicht beeinflussen konnte. Diese Hilflosigkeit machte ihn wütend. Er versuchte krampfhaft, es sich nicht ansehen zu lassen. So ging er zu Morinaga hinüber, nahm die andere Dose Bier, öffnete sie ebenfalls und nahm einen tiefen Schluck. Von Draußen hörte man die Straßenbahn vorbeirauschen, die Nachrichtensprecherin redete belangloses über einen neu eröffneten Tierpark, sonst hörte man keinen Mucks. Morinaga saß nun wie versteinert neben seinen Senpai, die Augen fest auf einer Stelle auf dem Boden fixiert, die leere Bierdose umklammernd. „Ich liebe dich, Senpai.“ Dieser Satz war so leise, dass Soichi ihn fast überhörte. Er seufzte leise in sich hinein. „Ich weiß.“ „Und du?“ Morinaga saß immer noch in der selben Position neben ihm und auch seine Stimmlage hatte sich kaum verändert. Sie war leise und unsicher. „Was soll mit mir sein?“ murrte Soichi. „Liebst du mich auch?“ Nun endlich erhob Morinaga sein Kopf und sah in die Augen seines überraschten Senpais. „Wa.. waas?“ Morinaga hatte ihn so etwas noch nie gefragt. Es schien immer so, als sei es nicht nötig groß Worte über Gefühle zu verlieren, auf jeden Fall schien es für Soichi so. Diese Frage überforderte ihn nun total. „Liebst du mich?“ Soichi nahm, ohne dass er wusste was er darauf antworten sollte, den letzten Schluck aus der Dose: „Ich liebe Bier!“ Er stand auf und ging zum Kühlschrank, um sich eine neue Dose zu holen. Aber eigentlich wollte er dadurch das Thema ausweichen. „Du hast kein Bier mehr!“ „Nein, das war das Letzte.“ „Ich hole Neues!“ Entschlossen stürmte Soichi aus der Wohnung seines Kohais. Als er die Tür hinter sich zu zog, atmete er erst einmal tief durch. `Liebst du mich?´ Wie kam er dazu, ihn so etwas zu fragen? Immerhin war Soichi nicht schwul! `Liebst du mich?´ „Das darf doch nicht wahr sein!!“ Im schnellen Gang huschte er mit geballten Fäusten Richtung Tankstelle. Immer und immer wieder hörte er in Gedanken Morinagas leise Stimme, die immer wieder die selbe Frage stellte. Morinaga war sein bester, sein einziger Freund. Er stellte sich vor, was wäre wenn er wirklich Nagoya und die Uni verlassen müsste. Was würde das für ihn bedeuten? Soichi blieb stehen. „Was ist, wenn er mich wirklich verlassen muss?“ Seine Hände fingen an zu zittern. Was sollte er nur tun? Es war nicht so wie damals, als Morinaga ihm drohte die Uni zu verlassen. Dieses mal gäbe es kein Zurück mehr. Die Trennung wäre endgültig. Würden die Eltern verlangen, dass er nach hause zurück ginge ... Nein, daran wollte er nicht denken. Er ging weiter und versuchte an etwas anderes zu denken. Aber es gelang ihm nicht. Plötzlich fühlte er sich tief verletzt. Was war das für ein Gefühl? Morinaga würde ja nicht aus der Welt verschwinden, sie könnten noch Kontakt halten. `Warum um alles in der Welt fühle ich mich deshalb so mies?´ Soichi kam an der Tankstelle an, schlenderte in Gedanken versunken durch die Regale und packte, ohne auf die Marke zu achten, ein Pack Bier unter seinen Arm. Ein zweites Pack nahm er in die linke und noch ein weiteres in die rechte Hand. „So viel Alkohol! Feiern sie etwa eine Party?“ Die Verkäuferin lächelte Soichi an, doch diesem war nicht nach Lachen zu mute. „Nein, keine Party.“ Er bezahlte und ging mit der selben düsteren Miene Richtung Wohnheim. `Und wenn Morinaga mir jetzt wieder die gleiche Frage stellt?´ Ihm fiel auf diese Frage keine Antwort ein. Ihm war es peinlich überhaupt über seine Gefühle zu sprechen. Er stapfte die Treppen zu Morinagas Tür hinauf und öffnete sie. „So, ich habe Nachschub besorgt. Morinaga?“ Er trat durch den kleinen Flur in das Zimmer. Morinaga hockte zusammengekauert und mit Tränen überzogenem Gesicht vor dem Telefon Das kleine rote Lämpchen am Anrufbeantworter blinkte hektisch auf. Soichi ließ die Dosen wie in Trance fallen. „Morinaga! Was ist passiert?“ Er stürzte sich auf ihn und rüttelte ihn sanft, da Morinaga scheinbar gar nicht mitbekommen hatte, dass er wieder da war. Mit roten Augen blickte er zu seinen erschrockenen Senpai hoch. Ohne ein Wort sprechen zu können, zeigte er nur mit zitternder Hand auf den Anrufbeantworter. Soichi ließ Morinaga los und drückte die Wiedergabetaste des Gerätes. Es erschall eine laute, krächzende Frauenstimme: „Tetsuhiro! Hast du etwa Angst den Hörer abzunehmen? Das wundert mich nicht! Und dass du wieder, nach so vielen Jahren erneut Lügen verbreiten musst! Du bist eine Schande für die Familie!“ Man hörte die Frau am anderen Ende der Leitung kurz aufschnauben bevor sie weiter mit ihrer unangenehmen Stimme fortfuhr: „Kunihiro hat uns erzählt, dass du Lügen über Masaki verbreitest! Wie kannst du nur behaupten, dass Masaki sich in Kunihiro verliebt hat?! Wenn das Masakis Frau erfährt...!“ Soichi stockte. Masaki hat geheiratet? Doch es ging weiter: „Tetsuhiro, dein Vater und ich hatten lange genug Geduld mit dir. Wir hatten gehofft, dass du an der Universität in Nagoya eine Freundin findest und auch...normal wirst! Aber wie ich erfahren habe, hast du was mit einem deiner Mitstudenten angefangen! Der obendrein noch deinen Bruder verprügelt hat!“ Ein genervter, langer Seufzer folgte. „Eigentlich wollte ich dir nur mitteilen, das wir entschlossen haben, dir das Studium nicht weiter zu finanzieren. Einen Lügner und oben drein noch einen Perversen in der Familie zu haben ist unerträglich. Und bilde dir nicht ein, dass du jetzt mit Sack und Pack wieder bei uns unterkommst! Bleibe ruhig in Nagoya bei deinem schwulen Schläger!“ Der Hörer wurde aufgeknallt. Soichi stand nun ebenso versteinert vor dem Telefon. „Das,... das darf doch nicht wahr sein!“ „Ist es aber.“ In Morinagas Augen bildeten sich erneut Tränen. Sein Senpai setzte sich nun neben ihn und legte eine Hand auf seine Schulter. „Hör zu, Morinaga, auch wenn du das Studium nicht weiter machen kannst, du bleibst hier in Nagoya und suchst dir eine Arbeit. Es wird schon alles gut.“ Nun konnte Morinaga seine Tränen nicht mehr unterdrücken. Laut weinend umklammerte er seinen Senpai und drückte ihn fest an sich. „Ich habe alles verloren...alles!“ Sein Weinen wurde lauter und verzweifelter. Soichi legte nun sanft seine Arme um ihn. „Nein, das hast du nicht.“ _____________ Tja, das war also das zweite Kapitel. ^^ Und schon wieder kürzer als ich wollte. v_v Aber ich bin heute in extremer Schreibwut, vielleicht schaffe ich heute noch das dritte Kapitel (das hoffentlich über die vier Seitenmarke hinaus geht XD) Danke für´s Lesen!!! ^_____^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)