Die Verwandlung von abgemeldet (Jekyll und Hyde) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- 13.September 23:56 Uhr Ich habe es allein begonnen und ich werde es allein zu Ende bringen. Ich selber muss die Versuchsperson des Experimentes sein. Seine Hand zitterte kaum merklich, als er den Stift beiseite legte und von seinen Notizen aufsah. Ja…es gab keinen anderen Weg mehr. Jahrelang hatte er auf diesen Moment hingearbeitet und würde er es nun nicht wagen, wäre alle Mühe umsonst gewesen. Dann hätten diese sogenannten „Experten“ tatsächlich einen Grund, sich über den „guten Dr.Jekyll und seine sonderbaren Spinnereien“ zu mokieren. Dr. Jekyll wandte sich von dem niedrigen Sekretär ab, auf dem das Notizbuch aufgeschlagen lag, bereit, alles nun Folgende genauestens aufzuzeichnen, und ging zu dem langen Tisch in der Mitte des gut ausgeleuchteten Raumes, dort, wo die Chemikalien standen. Routiniert griff er nach einem der Bechergläser, um es mit den bereits abgemessenen Mengen der erforderlichen Substanzen zu füllen. Als er die Probe des Salzes, das er mehr durch Glück als durchdachte Vorahnungen erhalten hatte, beimischte, verfärbte sich die klare Flüssigkeit im Glas rot. Jekyll fühlte, wie sein Herz begann schneller zu schlagen. Nervös befeuchtete er mit seiner Zunge die Lippen. Nun war es so weit. Nun würde sich zeigen, ob er es vollbringen würde. Er hob das Becherglas an, um es besser betrachten zu können. Das Licht brach sich in der dünnen Flüssigkeit und breitete einen rötlichen Schein über ihn aus. Je länger er in die Substanz starrte, die das Gute vom Bösen trennen sollte, desto stärker wurde in ihm das Gefühl in einen tiefen Brunnen zu blicken. Als würde er lediglich die Oberfläche eines gewaltigen Gewässers sehen… Sorgsam füllte er einen Teil der Flüssigkeit ab und ging wieder zu seinen Notizen hinüber. Jetzt war es an der Zeit den Sprung zu wagen. Er wusste nicht, was passieren würde, doch wenn er sich nun nicht überwand, würde er es wohl nie erfahren. Zögernd hob er das kühle Glas an die Lippen. Was, wenn er ein Gift gemischt hätte? Doch…was, wenn das Elixier seine Wirkung tun würde? Und er hätte der Menschheit diesen Gewinn verwehrt…? Dr.Jekyll holte noch einmal tief Luft und schluckte dann den Inhalt des Glases in einem Rutsch hinunter. Es schmeckte bei weitem nicht so unangenehm, wie er erwartet hatte. In der Tat war alles, was blieb ein leicht bitterer Geschmack und ein taubes Gefühl auf der Zunge und im Rachen. Rasch griff er sich den Stift, um seine Beobachtungen minutiös zu notieren, denn wohlmöglich kam es auf jedes Detail an. Während er schrieb, spürte er deutlich, wie sich in seiner Kehle ein Brennen ausbreitete, als hätte er eine zu scharf gewürzte Speise zu sich genommen. Die Hitze, die in ihm aufstieg unterstützte diesen Eindruck und Jekyll bemerkte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn stieg. Eine Art Schwäche überkam ihn, als fieberte er und doch begann das Herz in seiner Brust zu rasen. Seltsamerweise beunruhigte ihn all das in keiner Weise. Im Gegenteil, ihm war eigentlich recht vergnüglich zumute, und als ihn mit einem Male ein Schwindelgefühl überkam, konnte Jekyll nicht anders als leise zu kichern. Seltsam, wie sein Gleichgewichtsorgan zu versagen schien, ein äußerst komisches Empfinden! Das Kichern steigerte sich in ein ausgelassenes Lachen. Grinsend versuchte Jekyll sich wieder auf sein Experiment zu konzentrieren. Abgesehen davon…nun, eigentlich fühlte er sich ebenso wie vorher. War es missglückt? Oder konnte er nur noch nicht die Tragweite seiner Handlung abschätzen? Nach kurzem Überlegen fügte er noch „Keine auffälligen Veränderungen im Verhalten“ an seine Schilderungen. Zufrieden überflog Dr.Jekyll die wenigen Zeilen. Es ist vollbracht, dachte er, jetzt heißt es nur noch abwarten und meine These… Seine Gedankengänge wurden auf gewaltsamste Weise unterbrochen, als die Hitze in seinem Körper, die er beinahe noch als angenehm empfunden hatte, mit einem Mal zu einem brennenden Schmerz aufflammte. Seine Kehle schien wie aufgerissen und sein Kopf fühlte sich an, als wolle er bersten. Das Glas glitt ihm aus der Hand und zerschellte auf dem harten Boden. Ein grausiger Schrei, der mehr von einem gequälten Tier, als einem Menschen hatte, brach aus ihm heraus und im selben Moment fiel er auf seine Knie. Es war so heiß, alles schien um ihn herum zu verglühen und selbst die kalten Steinfließen unter seinen Händen waren ihm wie Herdplatten. Tausende Bestien schienen an seinem Fleisch zu zerren und ein Gewicht gleich einer Platte aus Granit drohte ihn zu zerdrücken. Kleine Lichter begannen vor seinen Augen zu funkeln. „Ist dies das Ende?“ dachte Jekyll voller Furcht und verfluchte seine endlose Torheit, das Elixier an sich selbst zu testen. Sein Blick fiel auf das dunkle Holz vor ihm und er bemerkte, dass er immer noch den Stift umklammerte. Durch den roten Nebel von Schmerz in seinem Kopf, fragte sich Jekyll, was passieren würde, wenn jemand seine Notizen fand…würde derjenige versuchen die Experimente fortzusetzen? „Ich muss handeln, solange noch Zeit bleibt“ dachte er und versuchte sich an dem Stuhl vor dem Sekretär hochzuziehen. Ein Stöhnen entglitt ihm, als diese erneute Belastung seine Gelenke aufschreien ließ. Plump versuchte er das Wort „Schmerz“ aufzuschreiben, doch ein heftiger Stich zwang ihn abermals in die Knie. Immer stärker, immer zerstörerischer tobte das unsichtbare Inferno in seinen Venen, bis Jekyll sich wünschte endlich von diesen Höllenqualen erlöst zu werden Und tatsächlich: Gerade in dem Moment, in dem die Schmerzen unerträglich geworden waren, lösten sie sich abrupt. Jekyll rührte sich nicht und blieb schwer atmend auf dem angenehm kühlen Boden liegen, verwirrt und in der Befürchtung, jede Bewegung könnte die Pein zurückbringen. Er horchte in sich hinein. Ja…der Schmerz war verschwunden, aber… etwas anderes hatte seinen Platz eingenommen. Langsam richtete er sich auf und suchte sein Labor hektisch mit Blicken ab. Es war ihm, als würde ihn jemand, etwas beobachten. Zudem fühlte er sich seltsam orientierungslos. Alles um ihn herum schien ihm auf eine sonderbare Weise fremd. Gedankenabwesend strich er sich die schweißgebadeten Haare aus dem Gesicht und stockte mitten in der Bewegung. Langsam senkte er die Hand und betrachtete sie. Sie sah exakt aus wie immer, und doch… und doch… Eine eigentümliche Freude erwachte in ihm, eine wilde Freude, wie Jekyll sie nicht kannte. Dies war nichts im Vergleich zu der vergnügten Stimmung, in der er sich wenige Minuten zuvor befunden hatte. Ein viel tieferes Gefühl, er fühlte sich…frei. Mit einer flinken Bewegung war er auf den Beinen und atmete tief ein. Ja, das war es…Freiheit. Endlich. Mit einem schiefen Grinsen las er die in der kleinen säuberlichen Handschrift geschriebenen Beobachtungen durch und konnte ein leises verächtliches Lachen nicht verhindern, als sein Blick über „keine auffälligen Veränderungen im Verhalten“ wanderte. Die Kirchturmuhr läutete zur zwölften Stunde. „In einem gewissen Sinne wird er wohl recht haben“, höhnte Hyde während er feixend nach dem fallen gelassenen Stift suchte. Der nächste Morgen brachte Regen und das graue Licht trübte jede Farbe und jedes Gemüt. „Das Frühstück steht bereit, Sir.“ „Danke…ich…ich denke ich werde zuvor einen kurzen Blick ins Laboratorium werfen“ meinte Jekyll, der gerade damit beschäftigt war, seine Krawatte zu binden. Poole wollte anmerken, dass das Labor sich innerhalb weniger Stunden nicht verändert haben würde, hielt sich jedoch zurück, da er wusste wie ernst Dr.Jekyll seine Arbeit nahm. „Sehr wohl.“ Hastig streifte Jekyll sich einen Mantel über seinen eilig angezogenen Anzug, um auf dem kurzen Weg durch den Garten zum Labor nicht frieren zu müssen. Trotz dieser Maßnahmen fröstelte ihm. Die Bilder der Nacht waren verschwommen, und er vermochte kaum zu sagen, was davon geschehen war und was er sich erträumt hatte. Wenn er recht darüber nachdachte, konnte er sich noch nicht einmal daran erinnern, wie er sich schlafen gelegt hatte. Dieser Fakt schien ihm, obwohl er sich nicht erklären konnte weshalb, alarmierend. Während er darüber sinnierte fühlte er ein triumphales Gefühl in ihm aufsteigen, das so gar nicht zu seiner momentanen Stimmung passen wollte und ihn noch mehr beunruhigte. Seine Schritte wurden schneller und erreichten die Tür zum Labor, die er sorgsam hinter sich verschloss. Ja…dort, das Notizbuch, aufgeschlagen, da die Zutaten für das Elixier, leere Gefäße, eine Briefwaage, säuberlich aufgereiht…und hier, Scherben auf dem Boden… Vorsichtig stieg Jekyll über das zerbrochene Glas, um zu sehen, was in seinem Notizbuch geschrieben stand. Er konnte sich genau daran erinnern, das Elixier getrunken zu haben, ebenso genau wie er wusste, dass er alles niedergeschrieben hatte. „100 ml…Hitze…euphorisches Gefühl…“ Sein Atem stockte, als er am Ende der Seite angelangt war. Dort stand etwas, tief eingraviert in das dünne, linierte Papier. Etwas, das er nicht geschrieben hatte. Jekyll erkannte darin seine eigene Schrift. Mit einem leisen Rascheln schlug das Buch auf dem Boden auf. _________ Wie gesagt, eher eine Art Experiment für mich ^^ Es hat aber Spaß gemacht, es zu schreiben :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)