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Bewohner der Dunkelheit

von

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Anfang

Bewohner der Dunkelheit:
 

Eine blutige Fehde,
 

schon hunderte Jahre,
 

ein verbitterter Kampf,
 

ohne erlösendes Ende.
 

Und mittendrin die Liebe,
 

sie trotzt dem Hass.
 

Wird sie überleben?
 

Oder wird sie erliegen?
 

Nur die Liebenden wissen es.
 

Wenn alles ein Ende hat,
 

wird sich zeigen,
 

ob der Hass ist stärker, als die Liebe.

Wie alles begann

Halli, hallo. Dies ist meine erste Story, die ich hier veröffentliche. Ich hoffe, dass sie euch gefällt. Wenn nicht, schreibt mir doch bitte, was ich verändern könnte. Danke,
 

Eure Wolfsfreundin
 

<... Wir schreiben das 8. Jahrhundert des erysischen Zeitalters. Der Krieg tobt so unerbittlich, wie nie zuvor. Ältester ist Lester Mornedhel. Aus seiner Verbindung mit der ehrwürdigen Adrianna Vaught gehen drei Kinder hervor. Marcus, der Älteste; Viktor und die Jüngste, Malina. Marcus ehelichte die Tochter des ehrwürdigen Grafen de Lindon, Lara. Hier gehen zwei Kinder hervor. Alira und Alex, von denen nur Alira noch lebt. Ihr Bruder starb bei einem Angriff der Feinde tapfer an der Front. Marcus ist nun Herrscher des Clans unter dem Befehl von Lester geworden. Sein Bruder Viktor nahm Erie Morgan zur Frau, nachdem er sie zu einer der unseren gemacht hatte. Dies war ein schwerer Verstoß gegen unser Grundgesetz und er wurde deswegen verstoßen. Malina jedoch soll den jungen Grafen von Suffex zum Manne.....> Der Schreiber hielt inne, als er eine Gestalt vernahm, die an seiner Zimmertür vorbei geschlichen war. Auch wenn es nur ein flüchtiges Rascheln gewesen war, hatte er es trotzdem wahrgenommen. Hastig legte er die Feder weg und schloss das kleine Tintenfaß. Er erhob sich von dem schweren Eichenstuhl und verließ das Zimmer. Die Gestalt huschte gerade um eine Ecke. Auf dem dicken und uralten Teppich waren ihre Schritte nicht zu vernehmen und dennoch wusste er genau, wo er hingehen musste. Kurz vor einer weiteren Biegung holte er auf, packte ihren Arm und zog sie in ein Zimmer. Er schloss die Tür und drehte sich um. „Was soll das? Lass mich gehen! Du kannst mich hier nicht ewig festhalten.“, zischte sie in einem gefährlichen Flüsterton. „Oh, doch, dass kann ich. Warum tust du mir das an? Immer gehst du auf Jagd!“, entgegnete er wütend. „Ich bin nicht dein Frauchen, dem du sagen kannst, was du willst.“, fauchte sie. Er nickte. „Stimmt, dass bist du noch nicht. Und ich habe nicht vor, dich an den Feind zu verlieren.“, sagte er. „Nur weil wir „verlobt“ sind, kannst du mir noch lange nicht vorschreiben, was ich zu tun und was ich zu lassen habe. Klar? Und jetzt lass mich raus. Irgend jemand muss sich ja um diese Viecher kümmern.“ „Lisk und die anderen sind bereits unterwegs, also bleibst du hier. Das ist viel zu gefährlich für dich. Dein Vater hat dich nicht umsonst mit mir verlobt. Er wollte jemanden, der dich bändigt und auf dich aufpaßt.“ In ihren Augen glitzerte es gefährlich. Dann verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige. „Mich kann niemand bändigen. Ist das klar? Und schon gar nicht du, du Schreibtischhocker!“ Dann riss sie hinter ihm die Tür auf und verschwand auf dem Gang. Sie wusste, dass sie ihn jedes mal damit traf, dass er nicht auf die Jagd ging, wie die Anderen, sondern lediglich Schriftführer war. Obwohl er somit einen Rang höher war, als die anderen Jäger, hasste sie es, wie er über die Jagd und die Jäger sprach. Eigentlich hasste sie alles an ihm. Seine Art, sein Aussehen, seinen schleimigen Charakter. Sie würde ihren Vater wohl nie verstehen, warum er ihm seine Tochter zur Frau geben wollte. Auf jeden Fall würde sie niemals an dieser Hochzeit teilnehmen, dass hatte sie sich von Anfang an geschworen. Unverwandt ging sie zur großen Eingangstür, öffnete sie und entschwand in die Nacht. Die kühle Luft schlug ihr entgegen und sie genoss es. Nach der leicht muffigen Atmosphäre in dem alten Herrensitz, sog sie die Kälte begierig in ihre Lungen. Es war eine wahre Wohltat. Wenn sie hierhin zurück kehren würde, wäre hier wahrscheinlich wieder die Hölle los. Natürlich würde „Looser Lex“, wie sie ihn gerne nannte, gleich wieder zu ihrem Vater rennen und sich bei ihm auskotzen. Jedes Mal das selbe Theater. So langsam war sie sich sicher, dass Lex kein Mann war, sondern eine Memme. Die Jäger machten sich auch schonmal gerne über ihn lustig. Am Liebsten saß sie gerne noch dabei, um ihm zu zeigen, dass er keinerlei Gewalt über sie besaß. „Der Mann muss noch geboren werden, der mir sagt, was ich zu tun und was ich zu lassen habe.“, fluchte sie leise und verließ das große Gelände durch ein kleines, verstecktes Tor in einer dichten Hecke.

Derzeit an einem anderen Ort: „Ist heute nicht ein wunderbarer Vollmond? Ich fühle mich so richtig stark.“, schwärmte ein junger Mann, während er durch ein vergittertes Fenster nach draußen in die Nacht sah. „Rowen, du bist so leicht durchschaubar. Glaube mir, es ist einfach zu gefährlich, um nachts nach draußen zu gehen. Die Vampire machen Jagd und zwar so unerbittlich, wie nie zuvor.“ Seufzend drehte er sich um und lehnte sich gegen die kühle Kellerwand. Er sah sein Gegenüber an. Ein Jugendlicher sah ihn mit strahlend durchdringend grünen Augen an. „Ich weiss doch, aber diese Nacht scheint so anders zu sein. Als wenn etwas magisches auf ihr liegt.“ Der Jugendliche lachte. „Oh, man. Das man so was von dir.... gerade von dir hört, hätte ich nie gedacht.“ „Lach nur, du Schoßhündchen. Ich werde diese Nacht noch raus gehen und glaube mir, es wird etwas geschehen.“, grinste er herausfordernd. „Ich kann dich nur bitten, nicht zu gehen. Es ist einfach zu gefährlich und das weißt du auch.“, bat er Rowen erneut. „Ja, Garan. Dass weiss ich. Aber irgendetwas zieht mich hinaus. Nur diese eine Nacht.“ Einen kurzen Augenblick herrschte Stille zwischen den beiden Freunden. „Ist ja gut, ist ja gut. Ich werde es Taret schon nicht erzählen. Aber wenn ich gefragt werde, muss ich es ihnen sagen. Du weißt, wie schlecht ich im Lügen bin. Und ich will nicht schon wieder dafür bestraft werden, wenn ich es tue. Du kennst ja den Chef.“ „Danke, Garan. Wir sehen uns spätestens morgen früh.“ Mit diesen Worten verschwand Rowen im Halbdunkel des Kellergeschosses und schon bald war er außer Hörweite. Seufzend machte sich sein Freund auf zu den anderen, die mittlerweile fast alle schliefen.

Die Luft auf dem Friedhof war wie immer modrig und Nebelschwaden zogen zwischen den zahlreichen Grabsteinen und Mausoleen hindurch. Die junge Vampirin duckte sich hinter einen großen Stein und lauschte in die Nacht. Irgendetwas trieb hier sein Unwesen. Wenn es ein Werwolf war, konnte diese Nacht noch lang werden. Doch sicher war sie sich nicht. Es waren eher untypische Geräusche. Etwas schien auf einem Stein zu kratzen und gab Laute von sich, wie eine Krähe, nur viel heller. Vorsichtig schlich sie voran, halb geduckt, damit der Feind sie nicht zuerst erspähen konnte. Mit einem leisen metallenen Schleifen zückte sie ihr Schwert. Plötzlich herrschte Stille. Vorsichtig sah die junge Frau sich um. Aufeinmal wurde sie von oben gepackt und in die Luft gezogen. Zwei kräftige Schwingen schlugen kräftig und flogen immer höher. Ein heiseres Kichern erklang. Wütend schlug sie mit ihrem Schwert auf ihren Angreifer ein. Die Harpyie schrie laut auf und ließ sie los. Die junge Vampirin raste wieder auf den Erdboden zu, wurde jedoch kurz vor dem Aufprall gepackt und wieder in die Höhe befördert. „Lass los, du Mistvieh!“, rief sie und schlug dem Wesen einen Arm ab. Wütend und schmerzerfüllt schrie es auf und ließ sie wieder fallen. Diesmal jedoch erreichte sie den Boden, indem sie erst auf einem Mausoleum landete, um dann noch auf den Erdboden zu fallen. „Aua, das tat weh.“, schnaubte sie und richtete sich auf. Wütend klopfte sie sich den Dreck von ihrem Mantel und sah sich nach der Harpyie um. Diese war schon wieder im Sturzflug auf ihr Opfer. Wie ein Football - Spieler packte sie die junge Vampirin um die Hüfte und riss sie erneut in die Höhe. Diese war durch den enormen Ruck erst benommen, fing sich aber schnell wieder und schlug mit ihrem Schwert einen Flügel ab. Sofort ging es im Sturzflug wieder auf die Erde zurück. Die Harpyie biss sie in die Schulter, doch sie konnte sich noch im Flug losmachen und stieß sich von dem Wesen weg. Dann gab es ein dumpfes Ratschen und die Harpyie wurde von einem spitzen, metallenen Kreuz durchbohrt. Die Vampirin landete auf dem Boden, wo sie sich geschickt abrollte. Keuchend blieb sie in der Hocke. „Verdammt.“, fluchte sie leise und besah sich ihre Schulter, in die kleine Löcher tief in das Fleisch gegraben worden waren. Es brannte leicht, jedoch begann es schon wieder zu verheilen. Sie sah zu ihrem Kontrahenten, der sich nicht mehr rührte. Das Blut quoll aus der großen Wunde und lief die Wände hinab. Nach und nach vermoderte die Harpyie bis zur Unkenntlichkeit. Der Vollmond stand hell am Himmel und die Sterne leuchteten so hell wie nie zuvor.

Plötzlich erhob sich ein markerschütterndes Heulen. Wahrscheinlich war der Werwolf von dem Kampflärm und dem Blutgeruch der Harpyie gelockt worden. Nur wo war er? Die junge Frau hatte ihr Schwert erhoben und sah sich zu allen Seiten um. Mit einem lauten Rumms, landete der schwarze Wolf auf einem Mausoleum. Er hielt sich mit einer Pranke an einem schmalen, hohen Kreuz fest und heulte erneut. Die junge Vampirin schluckte einmal. Er war sehr muskulös und hatte einen wilden Ausdruck in den Augen. Es würde sehr schwer werden ihn zu besiegen. Vielleicht hätte sie mit den anderen Jägern mitgehen sollen. Oder ihnen zumindest sagen sollen, wo sie hingeht. Dann starrte der Werwolf sie mit seinen gelben Augen durchdringend an. Mit einem Mal verschwand der Ausdruck von Wildheit aus seinem Gesicht. Fasziniert beobachtete er jede ihrer Bewegungen. Verwirrt und angespannt zugleich sah sie ihn an. „Na komm schon.“, flüsterte sie. Der Werwolf fiepte leise, dann entschwand er in die Nacht und ließ sie überrascht zurück. Verblüfft senkte sie das Schwert und sah sich verwundert um. Warum hatte dieses Monster sie nicht in Stücke gerissen? Normalerweise sollten sie jetzt in einen heftigen Kampf verwickelt sein. Hinter ihr tauchten mehrere Gestalten auf und sie drehte sich um. „Lisk! Was macht ihr hier?“, fragte sie einen Vampir, der etwas älter war, als sie selbst. Die Jäger waren eingetroffen. „Gegenfrage: Was macht Ihr hier, Alira? Es ist viel zu gefährlich für Euch alleine auf einem Friedhof zu jagen. Und allein schon die Tatsache, dass Ihr jagt, findet Euer Verlobter doch bestimmt nicht sehr erbaulich.“, er fing, genau wie die anderen, an zu grinsen. „Lisk, du altes Schlitzohr. Kannst du eigentlich hellsehen? Klar hat er wieder versucht mich davon abzuhalten, aber...“ Lisk beendete ihren Satz. „Aber, lass mich raten, du hast ihm wieder eine geballert und bist dann wie üblich abgehauen. Dein Vater wird sich freuen, wenn du wieder nach Hause kommst.“, meinte er halb ironisch, halb ernst. Alira zog eine Grimasse. „Dann sollten wir ihn doch bestimmt nicht warten lassen, oder?“, mit diesen Worten steckte sie ihr Schwert weg und schritt hinaus in die Dunkelheit ohne darauf zu warten, dass die anderen ihr folgten.

Die nächste Begegnung

Das Schicksal nahm seinen Lauf. „Wo bist du schon wieder gewesen?“, fragte ihr Vater sie wütend. „Na wo schon? Auf der Jagd natürlich.“, entgegnete sie, als wenn es das Natürlichste auf der Welt wäre. „Ich bin enttäuscht von dir, Alira. Ich hatte es dir verboten auf die Jagd zu gehen. Außerdem solltest du das Haus alleine sowieso nicht mehr verlassen. Was soll dein Verlobter von dir halten?“, schimpfte er weiter. „Ich weiss, was der halten kann. Wie wäre es mit seiner viel zu großen Klappe?“, funkelte sie ihn an. „Alira! Jetzt ist aber genug! So sprichst du nicht von deinem Verlobten!“ „Gerade von dem! Diesem Schreibtischhocker! Der meint, dass er einfach über mich bestimmen könnte, dabei hat er doch keine Ahnung wovon er überhaupt redet! Wie konntest du mich nur einem solchen Nichtsnutz versprechen?!“, Alira brüllte ihren Vater an, dessen Wutpegel so langsam in Richtung High Explosion stieg. „Raus! Auf dein Zimmer! Ich will dich die nächsten Nächte nicht sehen! Du hast Stubenarrest! Und damit basta!“ Wütend und die Tür knallend verließ sie das Gemach ihres Vaters. Schnaubend ging sie durch den Flur und jeder, der ihr entgegenkam, war besser daran, ihr aus dem Weg zu gehen. „Alira, warte!“ Hinter ihr rannte Lex her, doch die Vampirin dachte nicht im Traum daran, extra wegen ihm ihren Weg nicht fortzusetzen. „Hör mir doch mal zu! Ich wollte doch nicht, dass du so einen Ärger mit deinem Vater kriegst. Ehrlich.“ „Steck dir das dahin, wo es ganz dunkel ist. Klar? Und lass mich endlich zufrieden.“, knurrte sie ihn an. „Jetzt warte doch mal.“, sagte er erneut und fasste ihre Hand. Im gleichen Moment entwand sie ihm diese und drehte sich so abrupt um, sodass er fast in sie hinein gerannt wäre. Ganz dicht stand sie vor ihm. Ihre hellen, blauen Augen starrten ihn direkt an, dass ihm eiskalte Schauer über den Rücken jagten. Ein tiefer Ausdruck von Verachten lag in ihren Augen. „Was bist du nur für eine erbärmliche Memme.“ Dann drehte sie sich wieder um und ließ ihn zurück.

Völlig erschöpft ließ Rowen sich in sein Bett fallen. Er atmete tief durch. Es war wirklich eine besondere Nacht gewesen. In einer anderen Ecke des Zimmers bewegte sich etwas. „Rowen, bist du es?“ Eine Decke raschelte leise. „Natürlich bin ich es, du Spatzenhirn.“, entgegnete er lachend. „Pscht, nicht so laut. Sonst weckst du die anderen noch.“, erwiderte Garan. Rowen gluckste vor sich hin. Solche Gefühle, wie er sie momentan verspürte, hatte er noch nie in seinem Leben gefühlt. Er fühlte sich unheimlich frei und zu jeder Schandtat bereit. „Ich bin froh, dass du wieder da bist. Vor Angst, du würdest nicht wiederkommen, konnte ich nicht schlafen, weißt du? Und nun erzähl schon, hast du Vampire gesehen?“ Natürlich fand Garan es nicht gut, wenn Rowen draußen herumstromerte, doch andererseits war er selbst neugierig darauf, was für Abenteuer der Mutigere von ihnen erlebte. „Nein. Habe ich nicht.“, meinte Rowen unverwandt. „Aber der Mond war herrlich.“, er spürte, wie mißtrauische Blicke auf ihn gerichtet waren. „Und du hast wirklich keine Vampire gesehen?“, wollte Garan erneut wissen. Rowen hielt kurz inne. „Nein, oder glaubst du wirklich, dass ich dir das Massaker vorenthalten hätte? Natürlich hätte ich mich sofort in diese von Motten zerfressene Bande gestürzt und Kleinholz aus ihnen gemacht.“ Kampfeslustige Reden konnte Rowen schon immer schwingen, doch diesmal hatte er sich eindeutig selbst übertroffen. Das meinte auch sein Zimmergenosse, doch Rowen lachte nur, anstatt zu antworten. Schließlich überkam das Zimmer ein angenehmes Schweigen und die Beiden fielen in einen tiefen Schlaf.

Alira lag noch lange wach, denn sie konnte nicht aufhören, an diesen Werwolf zu denken. <Warum nur hat er mich nicht angegriffen? Er hätte mich innerhalb einer Minute in der Luft zerfetzen können. Oder hat er etwa die anderen Jäger gewittert?> Fragen über Fragen quälten sie, während sie auf ihrem Himmelbett lag und irgendwie ergaben sie alle keine plausible Antwort. Ihr Mantel hing über einem hohen Stuhl an einem schweren, kunstverzierten Schreibtisch. Ihr Schwert hatte sie gesäubert und auf zwei Sockel auf ihren Schreibtisch gelegt. Harpyien – Blut war nicht gut für Metall, wenn es länger, als einen Tag daran kleben blieb. Es würde es innerhalb einer Woche völlig zersetzen, auch wenn man es noch nach reinigte. Wild rasten Alira viele verschiedene Gedanken durch den Kopf, doch schließlich wurden ihre Lider immer schwerer und schon kurz darauf war sie eingeschlafen.

Geweckt wurde die junge Vampirin durch hastiges Rascheln auf dem Flur. Neugierig setzte sie sich auf. Es war gerade Mitternacht und die Pendeluhr unten in der Eingangshalle schlug soeben den zwölften Schlag. Etwas schien nicht zu stimmen und so beschloss sie der Sache auf den Grund zu gehen. So leise wie möglich öffnete sie die Tür und schlüpfte durch den entstandenen Spalt in den dunklen Flur. Einige hastige Stimmen verrieten, wo sie suchen musste. Barfuß lief sie über den weichen Teppich, ohne einen einzigen Laut zu verursachen. Schließlich gelangte sie an der Geräuschquelle an. Vorsichtig legte sie den Kopf seitlich an die Tür, sodass ihre Ohrmuschel das Holz fast berührte. Drinnen konnte sie die Stimmen nun deutlicher hören. Die Eine stammte eindeutig von ihrem Vater, die andere von einem seiner Berater. Es schien Graf Heron zu sein. Er war einer der engeren Berater, denen ihr Vater sogar sein Leben anvertrauen würde. Und das tat er gewiß nicht jedem. „... diesmal vom Clan des ehrwürdigen Grafen Alexon. Niemand hatte etwas bemerkt, aber aufeinmal war er verschwunden. Es gab Kampfspuren, aber kein Blut. Deshalb denken sie nicht, dass es die Werwölfe waren. Sicher sind sie sich aber auch nicht, wer weiß, was diese Monster schon wieder aushecken. Das ist jetzt schon der dritte von uns, der diesen Monat auf unerklärliche Weise verschwunden ist. Das....“, doch weiter hörte Alira nicht. Eine Hand legte sich von hinten auf ihren Mund und zog sie den Flur entlang in ein anderes Zimmer. Erst als die Tür geschlossen war, ließ die Hand sie los. Wütend drehte die Vampirin sich um. „Na was ist das denn? Wen habe ich denn da beim Lauschen erwischt? Und das auch noch bei einem streng vertraulichen Gespräch mit unserem Grafen Heron? Nein, nein, nein. Wenn das nicht unsere Alira war.“, spottete Lex. „Was soll das? Ich habe nicht gelauscht, ich habe nur.... etwas gesucht.“, log sie. „Ach ja. Und du hast natürlich nicht die unehrenhafte Absicht gehabt, zu lauschen, nicht? Du bist nur rein zufällig mit deinem Ohr an der Tür hängen geblieben, nicht?“, grinste er. „Lass die Spielchen. Schön, ich habe gelauscht. Und nun? Willst du wieder zu Vater rennen und dich bei ihm ausheulen?“ Verächtlich musterte sie ihn von oben bis unten, während sie wie eine Tigerin im Zimmer auf und ab ging. „Nein, die Zeiten sind vorbei. Das tragen wir schön unter uns aus. Lass uns einen Deal machen.“ Alira schnaubte wütend. „Ich gehe nicht zu deinem Vater und erzähle ihm, dass du an der Tür gelauscht hast und du bist ab sofort ein wenig netter zu mir. Einverstanden?“ Sogar in dem Halbdunkel des Zimmers konnte sie sein schmieriges Grinsen vor sich sehen. „Leck mich.“, entgegnete sie und wollte an ihm vorbei aus dem Zimmer. Er jedoch war schneller und stellte sich mit dem Rücken an die Tür. Die beiden standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Einverstanden?“, wiederholte er. Alira rang mit sich selbst. Wenn sie jetzt nein sagte, würde Lex es wieder ihrem Vater erzählen und dann würde das Faß endgültig überlaufen. Sie wusste ungefähr, ab wann man ihren Vater nicht mehr ärgern durfte und dieser Punkt war in den letzten Tagen etwas zu oft ausgereizt worden. Das sie gelauscht hatte, würde ihrem Vater überhaupt nicht gefallen, da er es als schweres Verbrechen und Vertrauensbruch verurteilte. Und wenn er einmal richtig loslegte, war Stubenarrest etwas, was man sich mehr wünschte, als alles andere auf der Welt. „Also schön.“, knirschte sie. „Gut.“, entgegnete Lex und ließ sie endlich passieren. Wütend ging Alira in ihr Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Das Haus erwachte so langsam wieder zu leben und so zog sie sich um und ging in den Hauptsaal. Einige der Jäger waren schon da und so gesellte sie sich zu ihnen. „Hi.“, grüßte sie und bekam es im mehrstimmigen Chor zurück. Sie warf sich auf einen alten, muffigen Sessel und hörte den anderen zu, wie sie Geschichten von der Jagd erzählten. Einer der Grafen hatte ihr, als sie noch klein war, gerne solche Geschichten erzählt, aber nur, wenn ihre Eltern nicht in der Nähe waren. Die mochten es nämlich überhaupt nicht, wenn ihrer einzigen Tochter irgendwelche Gruselgeschichten unterbreitet wurden. „Das Mädchen ist doch noch viel zu jung. Setz ihr doch nicht irgendwelche Flausen in den Kopf“, und so weiter und so fort. Die Sprüche kannte sie auswendig, doch trotzdem fand sich immer die Gelegenheit eine neue Geschichte zu hören. Mittlerweile konnte Alira ihren Vater verstehen. Er hatte genau so eine Tochter bekommen, wie er sie nicht haben wollte. Nämlich einen unbändigen Wildfang, dem kaum einer was vorschreiben konnte. Vor allem nicht ein unfähiger Schwiegersohn. Sie konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Neben ihr erschien Lisk. Sie begrüßten sich und er nahm neben ihr Platz. Als Alira sich sicher war, dass ihnen keiner zuhörte, lehnte sie sich zu ihm hinüber. „Psst, Lisk. Du, ich hab da mal eine Frage, die mir seit einiger Zeit nicht mehr aus dem Kopf geht.“ Der Vampir sah sie neugierig an und lehnte sich zu ihr herüber. Es kam nur selten vor, dass Alira ihn etwas fragte. Meist war es eher so, dass sie ihm sagte, was er falsch machte. Natürlich war das nur im freundschaftlichen Sinne und es machte ihr jedes mal einen heiden Spass, ihn mit irgendetwas aufzuziehen. „Nun ja. Sagen wir es einmal so. Könntest du dir vorstellen, dass es auch Werwölfe gibt, die Vampire nicht hassen?“ Im ersten Moment sah ihr Kumpel so verwirrt aus, dass sie dachte, er würde gleich anfangen zu lachen. Dann fing er sich jedoch wieder und sah sie ernsthaft an. „Wie kommst du darauf?“ „Ich weiß auch nicht, ich kann mir einfach nur nicht vorstellen, dass sie alle uns hassen.“, entgegnete sie. „Aber wir alle hassen sie doch, oder etwa nicht?“, fragte Lisk nun.

Rowen war bereits seit geraumer Zeit wach. Irgendetwas raubte ihm den Schlaf und er war sich inzwischen nicht mehr ganz sicher, dass es nicht doch mit der schönen Vampirin von letzter Nacht zu tun hatte. Wieso nur ließ sie ihn nicht mehr klar denken? Es war, als wäre er ein Gefangener seiner Gedankenwelt geworden. Hatte er sich etwa unglaublicher Weise in eine von ihnen verliebt? Hastig schüttelte er den Kopf. Dieser Gedanke war zu absurd, um ihn zuende zu denken. Garan lag noch ruhig atmend in seinem Bett und so schlich Rowen sich erneut aus seinem Zimmer. Durch die Metall beschlagene Eisentür entfloh er in die angenehm kühle Nacht. Der Vollmond hatte etwas abgenommen, dennoch stand er hell und klar am Himmel. Rowen fühlte, wie die Kräfte in ihm pulsierten und so ließ er ihnen freien Lauf. Seine kräftigen Beine brachten ihn schnell voran und mit gewaltigen Sätzen sprang er etliche Meter weit. Er gelangte wieder auf den Friedhof. Irgendein wohltuender Duft lag in seiner Nase. Er hatte ihn vor kurzem schon einmal gerochen. Seine Instinkte ließen ihn in Deckung gehen. Kurz darauf vernahm Rowen leise Geräusche, die sich in seine Richtung bewegten. Seine Ohren waren gespitzt und seine Augen nahmen jede noch so kleine Bewegung wahr. Zwischen den Reihen von Mausoleen erschien eine Gestalt. Sie hielt ein Schwert in der Hand. Langsam und vorsichtig folgte ihr der Werwolf, als sie ihre Richtung änderte. Er beobachtete jede Bewegung von ihr genau.

Mit einem Ruck drehte Alira sich um. Hinter ihr hatte sich der schwarze Werwolf auf die Hinterbeine aufgerichtet. Er war nun um einiges größer, als sie. Mit seinen gelben Augen starrte er sie unverwandt an. „Was willst du? Wenn du mich töten willst, dann komm her und versuch es.“, sagte sie mit leicht zittriger Stimme. Der Werwolf kam tatsächlich auf sie zu. Alira hob ihr Schwert. Das schien ihn jedoch nicht zu entmutigen. Ihre Augen flackerten nervös und ihr Atem ging schneller. Sie war zu einer Salzsäule erstarrt, unfähig sich zu bewegen. Erst, als ihr der Werwolf das Schwert aus der Hand schlug, überwand sie diese Starre und wich zurück. Er hatte mit einer seiner Krallen ihre Hand erwischt, die anfing zu bluten. Sie hielt die verletzte Hand mit der gesunden Hand vor ihrem Brustkorb und wich zurück, bis an die Wand eines Mausoleums. Ihr Gesicht war kreidebleich geworden. Immer näher kam ihr der riesige Wolf und sah sie immer noch unverwandt an. Kurz vor ihr kam er zum Stehen. Sie schloß die Augen. <Jetzt ist es aus. Nun wirst du die längste Zeit auf Erden geweilt haben. Das war es.>, konnte Alira nur noch denken. Sie hörte, wie der Werwolf schnüffelte und sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut. <Warum bringt er es nicht endlich zuende?> Sie preßte sich noch enger an die Wand. Einige Sekunden lang geschah gar nichts, doch dann riß Alira vor Überraschung die Augen auf. Das große Tier fuhr mit seiner rauhen Zunge vorsichtig über ihre Hand und leckte das Blut ab. Unfähig zu denken, stand die Vampirin einfach nur da und starrte ihn an. Das konnte nicht passieren, denn es war absolut unmöglich. Werwölfe haßten Vampire, ebenso wie Vampire Werwölfe haßten. Dies war ein Naturgesetz, dass schon seit hunderten von Jahren existierte. Warum sollte es genau jetzt und genau hier außer Kraft treten? Der Werwolf hob den Kopf wieder an. Verwirrt sah sie ihn aus ihren blauen Augen an. Er fiepte einmal, dann sprang er auf und davon in die Nacht. Geschockt und unfähig noch irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, sank sie an der Mauer zu Boden und hörte sein Heulen, dass Knochen und Mark und jede einzelne Zelle in ihrem Körper zu durchdringen schien. Nach einer schieren Ewigkeit machte sie sich auf den Weg nach Hause, nachdem sie ihr Schwert wieder eingesammelt hatte.

Alles wendet sich gegen einen, oder?

Sie gelangte rechtzeitig in ihr Zimmer, streifte ihren Mantel ab und legte ihr Schwert ab, als kurz nach ihr, ihr Vater eintrat. Mit einem Ruck drehte sie sich um. Hatte Lex doch etwas besseres vorgehabt, als die Lyrik zu ende zu stellen und war letzten Endes doch noch an ihrem verwaisten Zimmer vorbei gekommen? „Vater. Was führt dich hierher?“, fragte sie unschuldig. „Ich bin hier, um deinen Stubenarrest zu verkürzen. Lex konnte mich davon überzeugen, dass du nur raus gegangen bist, um zu zeigen, wie selbstständig du schon bist. Ich weiß, dass ich in der letzten Zeit nicht sehr viel Zeit für dich gehabt habe und ich weiß nun, dass ich etwas ändern muss.“ Alira sah ihren Vater verwirrt an. <Das darf doch alles nicht wahr sein. Jetzt frisst mein Vater Lex schon aus der Hand.> „Ich möchte den Stubenarrest aufheben, weil ich weiß, dass es nichts bringt. So werden wir uns nie verstehen.“ Er ging auf sie zu und umarmte sie. „So, und nun geh zu deinen Freunden.“ Wenn ihr Vater gewusst hätte, dass sie das Zimmer so wie sonst auch immer verlassen hätte, glaubte sie kaum, dass Lex ihn noch so leicht um den Finger hätte wickeln können. Ihre Hand hinter sich versteckend, lächelte Alira ihrem Vater zu, bis dieser durch die Tür verschwunden war, holte dann aus ihrem Nachtschränkchen einen Verband und begann dann, ihre Hand zu verbinden. Es musste ja nicht unbedingt jeder auf den ersten Blick sehen, dass sie eine Begegnung mit einem Werwolf gehabt hatte. Alira streiften einen Träger ihrer Bluse herunter und begutachtete die Bißwunde der Harpyie. Sie war schon fast wieder verheilt. Dennoch war sie gut zu erkennen. Gedankenverloren setzte sie sich auf ihr Bett. Wenn sie die Augen schloß, sah sie wieder die gelben Augen des Werwolfs, so, als würde er genau vor ihr stehen. Es waren nicht die Augen eines wilden Tieres gewesen, dass sie vernichten wollte. Es waren sanfte Augen gewesen, die sie nicht mehr los ließen. Wütend schüttelte sie den Kopf. Das darf nicht und das kann nicht! Es war gegen das Gesetz! Und dennoch waren da diese Augen, die sie so sehr faszinierten. Diese gelb goldenen Augen, in denen man einfach zu versinken drohte. Alira ließ sich auf ihr Bett zurückfallen und sank in der weichen, dicken Bettdecke ein. Ihre Sinne entschwanden allmählich und ihre blauen Augen fielen langsam zu.

In der nächsten Nacht wurde sie durch etwas ungewohntes wach. Etwas war über ihr und küßte sie direkt auf den Mund. Alira riss die Augen auf und stieß Lex grob weg, als sie ihn erkannte. „Was zur Hölle machst du hier?“, fauchte sie. „Immer mit der Ruhe. Dein Verlobter wollte nur nach dir schauen, wie es dir geht.“, grinste er. „Raus! Oder ich bringe dich um!“, brüllte sie. Lex zog einen spöttischen Schmollmund und verließ gedehnt langsam ihr Zimmer. Kaum war er draußen wischte sie sich den Mund grob mit der Hand immer wieder ab, als wenn etwas ziemlich ekliges an ihm haften würde. Was es ja eigentlich auch tat. Alira konnte es nicht fassen. Da hatte diese Ausgeburt der Hölle es doch tatsächlich gewagt, sie, Alira zu küssen. Das war so ungeheuerlich, dass sie wirklich drauf und dran war ihm zu folgen und seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch ein Schauer nach dem Anderen durchjagte ihren Körper. Angewidert zog sie die Mundwinkel nach unten und rannte in ihr Bad. Dort beugte sie sich über die Waschschüssel, schrubbte sich mit kaltem Wasser das Gesicht ab und spülte ihren Mund aus. Dann endlich war sie der Meinung, dass sie den ekligen Geschmack los war. Kurz nachdem sie sich fertig gemacht und umgezogen hatte, betraten ihre Eltern das Zimmer. „Alira, kommst du? Wir wollen heute ausgehen. Dein Verlobter kommt auch mit.“ Sie wollte gerade eine Grimasse schneiden und laut anfangen los zu schimpfen, als Lex ,hinter ihren Eltern stehend, seinen Finger lautlos auf seine Lippen legte. Sie verschluckte das, was sie sagen wollte schnell herunter und legte ein gezwungenes Lächeln auf. „Das.... ist schön.“, sagte sie brav und Lex nickte. Ihre Eltern lächelten. „Dann komm. Die Kutsche steht schon bereit.“ Lex tat so, als würde er jetzt erst in das Zimmer kommen. „Alira, du siehst fabelhaft heute Nacht aus. Komm, wir wollen deine Eltern doch nicht warten lassen.“, er ging auf sie zu und bot ihr seinen Arm an. Sie zögerte einen Moment, doch er sah sie noch eindringlicher an. Dann nahm sie seinen dargebotenen Arm an. Ihre Eltern freuten sich, dass die beiden „Verliebten“ so große Fortschritte machten. „Pass auf, wenn meine Eltern einmal nicht hinschauen, breche ich dir deinen Arm und deine Lippen werde ich dir abschneiden, du Perversling.“, zischte sie wütend. Er grinste sie nur spöttisch an. Lex wusste, dass er sie in der Hand hatte. Alira würde es nicht wagen Hand an ihn zu legen, da war er sich sicher. Vielleicht zu sicher.

In der Stadt angekommen, machte sich die Gruppe auf den Weg in ein feines Restaurant. Es war der absolute Geheimtip für alle wohlhabenderen Vampir – Familien. Lex führte Alira immer noch an der Hand, während sie ihm ihre Krallen in den Unterarm ritzte. Die Vier setzten sich an einen für sie vor reservierten Tisch und begannen die Speisekarte zu studieren. Schließlich kam der Ober und nahm ihre Bestellungen auf. „Es ist schön mal wieder hier zu sein. Wir waren so lange nicht mehr hier, nicht wahr, Marcus?“, lächelte seine Frau. „Deshalb fand ich, es wäre jetzt der passende Augenblick, dass wir wieder hier hinkommen würden. Jetzt, wo ihr euch endlich entschlossen habt, zu heiraten.“ Ihr Vater sah Alira stolz an. Die verschluckte sich an ihrem Cocktail und sah völlig entgeistert in die Gesichter der anderen. „Ja, Schatz. Ich habe es ihnen erzählt. Ich konnte unser Glück nicht länger für uns behalten.“ Langsam drehte Alira ihren Kopf zu ihm um. „Du hast ihnen was erzählt?“, fragte sie langsam. Ihr Vater ergriff die Initiative. „Reg‘ dich bitte nicht auf, Liebes. Er hat es doch nur gut gemeint.“ Alira sprang hastig auf, sodass sie ihren Stuhl umwarf. Ihre Eltern sahen sie verwirrt an. Lex sah sie eindringlich an und schüttelte kaum merkbar den Kopf, doch jetzt war ihr alles egal. Mit einem lauten Krachen landete ihre Faust auf seiner Nase, sodass er von seinem Stuhl fiel und benommen am Boden liegen blieb. Dann ergriff sie die Flucht. Rasend vor Wut stürzte sie aus dem Restaurant und rannte blindlings in die Nacht hinein. Sie jagte durch die Straßen an vielen Geschäften, Bars und anderen Häusern vorbei. Die junge Vampirin machte erst halt, als sie in eine dunkle Seitengasse lief. Dort glitt sie an der Wand zu Boden, zog die Beine an, legte ihre Arme darauf ab und senkte den Kopf. Völlig hilflos fing sie an zu schluchzen. Niemand verstand sie. Alles was sie wollte, war ein normales Leben ohne nervigen Verlobten und Eltern, die meinten alles besser machen zu wollen, dabei machten sie alles nur noch schwieriger. Ewig diese Vorschriften und Floskeln, die sie noch nie interessiert hatten. Doch eins wusste sie, Lex würde seiner Lebzeiten nicht mehr glücklich werden. Eine Träne rann ihre Wange hinunter und tropfte auf den Boden. Warum konnte sie alledem nicht einfach entfliehen? Einfach den Rücken kehren? Eine weitere Träne rann ihre Wange hinab. Ein Hand wischte sie zärtlich weg. Alira erschrak. Jemand hatte sich neben sie gesetzt, ohne dass sie es bemerkt hatte. Sie versuchte in das Dunkel vor sich zu starren. „Warum weint ein so wunderschönes Mädchen wie du?“, fragte eine sanfte Stimme. „Wer ist da?“, entgegnete sie und wischte sich die letzte Träne weg. „Ich habe viele Namen.“ Alira gefiel das Spiel und sie stieg drauf ein. „So, du mit den vielen Namen, dann sag mir doch, warum du hier bist?“ „Ich habe dich gesehen, da bin ich dir gefolgt. Du sahst verzweifelt aus. So ein wunderschönes Wesen, wie du es bist, sollte keine Tränen vergießen.“ Alira wurde ein wenig rot. Es schien sich um einen etwa gleichaltrigen Jungen zu handeln von der Stimme her zu beurteilen. „Danke.“, sagte sie und lächelte. „Wenn du lächelst, siehst du gleich noch schöner aus.“ Bei Alira machte es leise Klick. „Wie kannst du sehen, dass ich lächle?“, fragte sie misstrauisch. Ihr Gegenüber verstummte. Ihre Augen weiteten sich und sie wollte tief Luft holen zum Schreien. Doch er hielt ihr den Mund zu. „Bitte, hab keine Angst. Ich tue dir nichts.“ Eine Stimme am Eingang der dunklen Gasse erklang. „Alira, bist du hier?“, es war Lex, der sich die Hand vor die Nase hielt, da aus ihr wahrscheinlich immer noch das Blut tropfte. Als sie ihn bemerkt hatte, war sie unwillkürlich zusammen gezuckt. „Er ist es, der dich traurig gemacht hat, nicht? Bitte komm mit mir mit. Ich will dir etwas zeigen.“, flüsterte er. Alira wusste nicht, was sie tun sollte. Nach einer schier endlosen Minute, nickte sie mit dem Kopf. Lex war nicht mehr zu sehen. Rowen stand auf und reichte ihr die Hand. Zögernd nahm Alira sie und schon rannten sie in die Dunkelheit. Die Vampirin wusste nicht, wo er sie hinbrachte. Trotzdem hatte sie ein Gefühl von Vertrauen. Nach einer Weile wurde es wieder heller, da Mondstrahlen den Weg zu ihnen fanden. Sie spürte, wie sein Griff ein wenig fester wurde. Dann verließen sie die Stadt und liefen einen Hügel hinauf, der über diese ragte. Oben angelangt, hielten sie an und er ließ ihre Hand los. Er drehte sich wieder zu ihr um und deutete mit dem Arm nach oben. „Schau, hast du schon einmal so viele Sterne aufeinmal gesehen?“ Verwundert hob auch sie den Kopf und sah gebannt auf das Firmament. „Es ist... wunderschön.“, gestand sie und lächelte. Sie sah ihn wieder an und erst jetzt konnte sie seine gelben Augen sehen, die sie sanft ansahen. Fasziniert sahen die beiden sich an. Schließlich brach sie den Bann. „Warum machst du das? Immerhin bist du einer von ihnen, nicht wahr?“ Rowen ging ein Stück weiter und setzte sich in das Gras. „Komm, setz dich.“ Schließlich streckte er sich lang aus und legte sich hin. Schmunzelnd folgte Alira seinem Angebot und setzte sich neben ihn. „Warum müssen wir uns hassen? Es gibt doch keinen Grund mehr gegeneinander zu kämpfen. Aber die Fehde wird Generation von Generation fortgeführt.“, murmelte er. Alira war überrascht. Sie ließ sich neben ihn in‘ s Gras fallen. „Wir sind uns ziemlich ähnlich. Genau das habe ich mich auch schon gefragt.“, überrascht über ihr eigenes Selbstgeständnis lief sie rot an. Rowen sah sie an. „Weißt du, du bist einfach wunderschön. Ich konnte dich damals auf dem Friedhof einfach nicht angreifen. Lieber hätte ich mich selbst umgebracht.“, gestand er. „Du kennst mich nicht einmal.“, entgegnete sie etwas unwirsch, was ihr im nächsten Moment jedoch sofort leid tat. Rowen richtete sich wieder auf. „Aber das war ja das Besondere. Es war, als würde ich dich schon ewig kennen.“ Alira sah ihn verwundert an und richtete sich auch auf. Wieder schaute sie in diese gelben Augen, in denen sie zu versinken drohte. „Ich... ich kann nicht. Es ist verboten. Wenn sie es wüßten....“, sprach sie und sprang auf. „Aber das müssen sie nicht.“, erwiderte er rasch. Alira wandte sich zum Gehen, als er noch einmal ihre Hand nahm. „Bitte, werden wir uns wieder sehen?“, fragte er hoffnungsvoll. Sie sah ihn traurig an. „Ich weiss es nicht.“, dann wandte sie sich ab.

Leise schlich Alira hoch in ihr Gemach. Es war kurz vor Sonnenaufgang und sie war sehr müde. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Ihre Eltern hatten sich wahrscheinlich schon schlafen gelegt, genau wie Lex. Der nächste Abend würde wahrscheinlich nicht sehr berauschend werden, nach dem Auftritt, den sie vor wenigen Stunden hingelegt hatte. Dennoch gönnte sie Lex die gebrochene Nase und vor allem, dass es an ihm lag, alles zu erklären. Jedoch würden die Konsequenzen nicht gerade sehr angenehm werden. Beunruhigt und abgespannt legte sie sich in ihr Bett, wo sie noch lange über den Werwolf nachdachte. Ihr fiel jetzt erst auf, dass sie gar nicht seinen Namen wusste. Doch wollte sie ihn wirklich wissen? Sie würde ihn eh nicht wieder treffen. Oder doch?

Nachrichten mit Folgen

Es war hellichter Tag, als Rowen wieder in das Quartier zurück kehrte. „Wo bist du gewesen?!“, fuhr Taret ihn an. Rowen ignorierte seinen Anführer gekonnt und wollte an ihm vorbei gehen. Jedoch stellte sich ihm der Größere entgegen. Die Nacht über hatte Rowen draußen geschlafen und er sah dementsprechend durchgefroren und verstrubbelt aus. Blinzelnd sah er sein Gegenüber an. „Was willst du?“, fragte er gedehnt. „Ich will wissen, wo du gewesen bist und warum du jetzt erst wieder kommst.“, schnauzte Taret ihn an. „Immerhin machen die Vampire jagt auf uns! Schon vergessen?“ Wütend sahen sie sich an. „Nein, tut mir leid. Das habe ich nicht vergessen. Kann ich jetzt endlich schlafen gehen?“ Taret schnaubte wütend, doch dann ließ er ihn passieren. Garan sah ihn entgeistert an. „Hallo? Rowen? Du kannst dich doch nicht einfach mit dem Chef anlegen.“ „Kann ich nicht? Oh, tschuldige. Habe ich wohl gerade getan.“, lächelte er schief und legte sich dann in sein Bett, wo er sich lang ausstreckte und ein genüßliches Seufzen hören ließ. „Hast du eigentlich auch schon das Gerücht in der Stadt gehört, dass Vampire auf unerklärliche Weise verschwinden?“ Rowen war mit einem Schlag wieder hellwach. „Was?“, entgegnete er. „Also ich finde das ganz praktisch. Sollen sie doch die Blutsauger holen. Dann haben wir endlich mal Ruhe vor denen.“, grinste Garan. „Ja.“, antwortete Rowen geistesabwesend und ließ sich wieder auf die Matratze zurück sinken, in dem Bewusstsein, dass er nicht ruhig schlafen können würde.

In der nächsten Nacht machte sich Alira schon sehr früh auf den Weg; die Sonne war gerade untergegangen. Sie wollte nicht abwarten, bis die anderen wach wurden und sie ihr das Fell über die Ohren zogen. Rastlos und ohne Ziel ging sie umher und durchstreifte die Landschaft. Das hatte sie schon lange nicht mehr gemacht. Der Mond stand wieder hell am Himmel und keine Wolke schien dieses reine und so klare Licht trüben zu können. Nach einiger Zeit kam sie an einem See an. Die Vampirin setzte sich auf einen großen, umgestürzten Baum, der über das Wasser ragte. Glühwürmchen tanzten über die Wasserfläche und leichte Nebelschwaden zogen darüber hinweg. Alira ließ die Beine hängen und seufzte. Was sollte sie nur machen? Irgendwie schien sich doch die ganze Welt gegen sie verschworen zu haben. Ein Geräusch erklang neben ihr. Sie drehte den Kopf zu der Geräuschquelle. „Hallo.“, sagte eine ihr bekannte Stimme und Rowen setzte sich neben sie. „Hallo.“, Alira lächelte überrascht, als sie ihn sah. Er war ihr so vertraut, als hätten sie sich nicht erst vor kurzem kennengelernt, sondern würden sich schon seit Jahrhunderten kennen. Die beiden saßen nebeneinander und beobachteten das Spiel der Glühwürmchen. „Wie hast du mich gefunden?“, fragte sie nach kurzer Zeit. „Ich würde dich überall wieder finden.“, erwiderte er. Sie schwiegen kurz. „Ich bin Alira.“, stellte sie sich vor. „Rowen.“ Die beiden lächelten sich an, sahen dann aber wieder auf den See hinaus. Der Wind raschelte leise in den Binsen und die Grillen zirpten. Es war eine sehr harmonische Atmosphäre. „Hast du Lust zu schwimmen?“, fragte er plötzlich und richtete sich auf. „Ob ich was?“, verwirrt sah sie ihn an. Lachend nahm er ihre Hand und sprang. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, dann landeten die Beiden im Wasser. Keuchend und prustend tauchten sie wieder auf. Er schüttelte seinen Kopf, sodass seine Haare wirr von seinem Kopf abstanden. „Du verrückter Idiot!“, lachte sie und Rowen musste einfach mit lachen. „Na warte, den Idioten kriegst du wieder.“ Und er döppte sie ohne Vorwarnung unter. Lachend und schnaufend tauchte sie wieder auf und es begann eine wilde Verfolgungsjagd durch das kühle Naß. Nach einer schieren Ewigkeit verließ Alira als erste das Wasser. „Puh, ich kann nicht mehr.“ Und sie ließ sich auf den Boden fallen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich sichtlich. Auch Rowen folgte ihr nun und ließ sich neben sie fallen. Ihre Kleidung klebte an ihren Körpern und ihre Haare hingen in Strähnen herunter. „Rowen?“, fragte sie. „Hmm.“, brummte es von der anderen Seite herüber. „Was würdest du sagen, wenn ich sage, dass ich dich gut leiden kann?“, fragte sie. Der Werwolf legte sich auf die Seite und sah sie interessiert an. „Ich würde sagen, dass es ein Anfang wäre.“ Die beiden grinsten sich an, dann fingen sie wieder an zu lachen. Es war einfach eine wunderbare Nacht und die beiden genossen sie in vollen Zügen. Alira konnte es immer noch nicht ganz fassen, dass sie neben einem Werwolf lag und sich köstlich amüsierte. Plötzlich hörte sie ein Geräusch und auch Rowen war dies nicht entgangen. Überrascht und ein wenig ängstlich sah sie zu ihm hin, als seiner Kehle ein tiefes Knurren entwich. Er wollte gerade losgehen, um zu sehen, wer es war, als sie ihn zurück hielt. „Warte.“ „Ein Vampir?“, flüsterte er. „Ich weiß nicht, was er hier macht, aber du solltest dich ihm nicht zeigen. Sonst kommt es zum Kampf. Lass mich gehen. Dann werde ich ihn von hier weg locken.“ Sie stellte sich hin. „Wann sehen wir uns wieder?“, fragte er hoffnungsvoll. „Bald.“, lächelte sie und verschwand vor seinen Augen in der Dunkelheit.

„Oh, hallo Lisk. Was machst du denn hier?“, fragte sie ganz beiläufig, als sie ihm rein „zufällig“ über den Weg lief. „Ich bin einer Werwolf – Spur gefolgt. Sie ist noch frisch. Wir sollten auf der Hut sein.“, entgegnete er leise, dann jedoch sah er sie verblüfft an. „Was hast du denn gemacht?“ Alira schaute ihn verständnislos an, dann jedoch merkte sie, dass ihre Kleidung immer noch ganz nass war und dass das Wasser von ihren Haaren tropfte. „Oh, das. Ähm. Ich war vorhin unten am Wasser und da bin ich ausgerutscht. Und dann bin ich reingefallen. Du kennst das ja.“, grinste sie verlegen und sah in sein völlig perplexes Gesicht. „Nicht?.... Auch gut.“, schweigend gingen die beiden nebeneinander her. Kurz sah Alira sich noch um, doch sie konnte Rowen nicht mehr entdecken. Schade eigentlich. „Du, Lisk? Kannst du mir einen Gefallen tun?“, sie sah ihren besten Freund mit großen, blauen Augen an. „Na gut. Was kann ich für dich tun?“

Alira betrat leise ihr Zimmer und ließ die Tür noch einen Spalt offen. „Danke, dass du mich rein geschmuggelt hast. Meine Eltern sollen ja nicht gerade mitkriegen, dass ich unfreiwillig baden gegangen bin.“, grinste sie. Lisk sah sie schräg an. „Und da gibt es nicht noch einen anderen Grund, dass du sie nicht unbedingt treffen willst?“, fragte er. „Zum Beispiel eine gebrochene Nase und ein geplatzter Hochzeitstermin?“, frech sah er sie und machte dann lieber, dass er Land gewann. Alira wollte erst noch fluchend hinter ihm her, da Lisk wieder herum geschnüffelt hatte, aber sie dachte daran, dass ihre Eltern ihnen über den Weg laufen könnten. So ließ sie es lieber. Schnell löschte sie das Licht, zog sich um und legte sich in ihr Bett. Wenn sie schlief, würden sie sie wohl nicht mehr stören.

Wie sie in der nächsten Nacht erfuhr, konnten ihre Eltern sie gar nicht stören, da sie zu einem entfernten Clan gereist waren. Lisk verriet ihr, dass auch dort Vampire verschwunden waren. Da Alira nicht anwesend war, mussten sie ohne Verabschiedung und vorheriges Donnerwetter abreisen. Was Alira eigentlich ganz recht war. Doch ein weiteres Problem war, dass Lex jetzt nichts weiter zu tun hatte, als ihr auf den Nerv zu gehen. Seine Nase sah noch nicht wieder ganz gut aus und Alira erinnerte ihn nur zu gerne daran. Das machte ihn tobend vor Wut und er machte sich laut schnaubend durch den nächsten Gang davon. Durch die nächsten Berichte von verschwundenen Vampiren wurden auch die anderen informiert und große Unruhe machte sich im Hause breit. Keiner traute sich wirklich noch aus dem Haus und so wurde es sehr geschäftig. Auch die Jäger schwärmten jetzt weniger aus, um auf die Jagd zu gehen. So verstrichen mehrere Nächte bis Alira wieder eine Chance sah hinaus zu gehen. Sie vermisste Rowen. Sie vermisste ihn sogar sehr. In seiner Gegenwart fühlte sie sich geborgen und er versuchte nicht, über sie zu bestimmen. Ob er sie wohl auch schon vermisste? Meist streifte Alira wie ein gefangener Panther gedankenverloren durch den riesigen Herrensitz, in dem mehrere Vampirgenerationen verschiedener Blutlinien hausten. Sie blieb an fast jedem Fenster stehen und sah hinaus in die Nacht, in der Hoffnung Rowen zu sehen. Dass er auf sie warten würde und sie nur zu ihm gehen musste. Aber das war nur Träumerei. Er würde es nicht wagen hierher zu kommen. Dieses Gebäude wimmelte nur so von Vampiren und sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er Suizid gefährdet war. Zumindest bis jetzt nicht. Was er wohl ohne sie machte? Sie merkte, wie Lex sie verfolgte und sie beobachtete. Jede Nacht das gleiche Spielchen. <Dieser Feigling hat Angst davor, wieder eine verpasst zu kriegen.>, dachte Alira grimmig. <Oder er will wieder verhindern, dass ich abhaue und er alleine in seinem kleinen, dunklen Kämmerchen verrottet?> Nacht für Nacht wurde die Sehnsucht nach Rowen schlimmer. Letztendlich saß sie nur noch in ihrem Zimmer auf ihrem Bett und starrte vor sich hin. Auch den anderen war dies nicht entgangen und sie machten sich Sorgen um die einzige Tochter des Clanführers.

Der Kampf

Eines nachts hielt sie es nicht mehr aus. Es war, als hätte sie eine innere Wildheit gepackt, die sie nicht mehr loslassen wollte. Jetzt hätte sie dreihundert Gargoyles gegen sich haben können, es wäre ihr egal gewesen. Sie stand sehr früh auf und schlich durch das Gebäude. Hoffentlich würde sie unentdeckt in die Nacht entfliehen können. Leise öffnete sie die kleine Tür, die sie, abgesehen vom Haupteingang, nach draußen führte. Genau so vorsichtig schloß sie diese wieder hinter sich und atmete erleichtert die kühle Nachtluft ein. Geschwind rannte sie los und sprang über sämtliche Hindernisse, die ihren Weg kreuzten. Schließlich tauchte sie in das Dunkel des Waldes ein und rannte blindlings drauf los. Sie hatte keine Ahnung, wo sie landen würde, doch sie war sich sicher, dass Rowen sie finden würde. Nach einiger Zeit landete sie auf einer Lichtung, die von Mondstrahlen beleuchtet wurde, die durch das nur noch dünne Astwerk brachen. Sie sah sich um. „Wo bist du nur?“, murmelte sie und sah sich um. „Rowen?!“, rief sie und ließ außer acht, dass jemand sie hören konnte, der sie nicht hören sollte. „Rowen?!“, rief sie erneut und klang nun verzweifelter. „Nun komm doch...“, murmelte sie und ließ sich an einem Baumstamm hinab gleiten. Über ihr raschelte etwas im Baumwipfel. Überrascht sprang Alira wieder auf und drehte sich dem Baum zu. „Ich wusste, du würdest mich finden.“, sagte Rowen und sprang hinab. Er landete gekonnt vor ihr. Hastig umarmte sie ihn. Auch er hatte seine Arme um sie gelegt. Sie spürte seinen warmen Körper und sein Herz, dass in seiner Brust schlug. „Ich habe dich vermisst.“, flüsterte sie. „Wo warst du so lange?“, erwiderte er. „Ich... es ging nicht. Es war zu viel los. Vampire werden vermisst... Keiner traut sich mehr hinaus. Und Lex... er läuft mir hinterher, wie ein Bluthund. Es tut mir leid.“ Er strich ihr über den Rücken. „Ist nicht schlimm. Jetzt bist du ja da.“ Langsam lösten sie sich voneinander. Dann nahm er sie auf den Arm. Überrascht sog sie die Luft ein. „Keine Angst. Ich will dir was zeigen.“ Mit einem gewaltigen Sprung schossen sie nach oben in die Baumwipfel, wo Rowen sicher auf einem starken Ast landete. Dort setzte er sie ab. Alira hielt sich an einem Ast fest. Sie waren weit über dem sicheren Erdboden und doch hatte sie keine Angst davor runter zufallen. Sie setzten sich auf eine Astgabel und sahen über den Wald hinweg. Von unten her sah der Baum bei weitem nicht so groß aus, wie er tatsächlich war. Das Pärchen genoss die tolle Aussicht über den Wald und lauschte einigen Grillen, die vor sich hin zirpten. Alira kuschelte sich an Rowen, der einen Arm auf ihre Schulter legte. Es herrschte eine anheimelnde Atmosphäre. Sie sah ihn an und beobachtete jeden seiner Gesichtszüge. Schließlich bemerkte sie, wie auch er sie aus den Augenwinkeln ansah. Das Gefühl ertappt worden zu sein, ließ sie erröten. Dennoch sah sie ihm in die Augen. Aufeinmal bemerkte sie, wie sich sein Gesicht ihrem näherte. „Was....?“, wollte sie beginnen, doch er legte ihr einen Finger auf den Mund. Sie stockte. Dann glitt sein Finger von ihren Lippen und er küsste sie zärtlich. Alira schloss ihre Augen und genoss den atemberaubenden Moment in vollen Zügen. In ihrem Körper machte sich ein heißes Gefühl breit, dass sich in allen Zellen ausbreitete. Nach einer Ewigkeit lösten sich seine Lippen von den ihren. Tief sah sie ihm in die Augen. „Wow....“, hauchte sie und lächelte. Auch sein Gesicht sprach Bände. Sie legte eine Hand auf seine Wange und strich über sie. „Weißt du, es ist schon verrückt, aber ich liebe dich.“, flüsterte sie. Rowen lächelte. Dann küsste er sie erneut. Es war die schönste Nacht, die Alira je erlebt hatte. Bei Rowen fühlte sie sich so frei, obwohl ihre Liebe verboten war. Und dieser Gedanke war der einzige Wermutstropfen, der ihr zu schaffen machte. Wie lange würde das wohl mit ihnen gut gehen, ohne das man sie erwischte? Aber im Moment war das egal. Die Vampirin genoss die schönen, langen Küsse und Rowen‘ s weiche Lippen, die auf ihren lagen. Das war es auf jeden Fall wert erwischt zu werden.

Kurz vor Sonnenaufgang betrat Alira wieder den Herrensitz. Es war ihr sichtlich schwer gefallen sich von Rowen zu trennen und auch er hätte alles für mehr Zeit gegeben. Doch die Sonne war gegen sie und so musste Alira schweren Herzens nach Hause eilen. Mit den Gedanken bei Rowen stieg sie die Treppe, die in den ersten Stock führte, hinauf und folgte dem langen Gang. In dem Haus war es ruhig geworden. Vor ihr öffnete sich eine Tür. Alira sah auf, als Lex auf sie zu eilte. „Wo bist du gewesen? Ich habe die Jäger los geschickt um dich zu suchen. Sie konnten dich nicht finden und mussten umkehren. Wir dachten schon, du wärest verschwunden.“, flüsterte er erregt. Sie antwortete nicht und sah durch ihn hindurch. Er schüttelte sie kurz. „Was ist los mit dir? Hast du jetzt schon nicht einmal mehr den Schneid mir zu antworten?“ Da war es, als wenn Alira aus einem Traum aufgewacht wäre. „Es geht dich nichts an, wo ich gewesen bin und was ich mache.“, antwortete sie unwirsch. „Und jetzt geh mir aus dem Weg. Ich bin müde.“ Lex sah sie wütend an. „Geh dich vorher duschen; du stinkst nach Werwolf.“, entgegnete er und ging zurück in sein Zimmer. Erschrocken sah Alira ihm nach. Hatte er Rowen tatsächlich riechen können, oder hatte er das nur so gesagt? Unsicher setzte sie ihren Weg fort.

In Rowen herrschte ein Gefühlschaos. Er hätte laut aufschreien können vor Glück. <Sie liebt mich!>, schrie seine innere Stimme. Er verwandelte sich in seine wölfische Gestalt und jagte durch die Landschaft. Sein Körper war voller Energie, die er unbedingt raus lassen wollte, da es sich sonst so anfühlte, als würde er explodieren. Schon wenig später durchschritt er die Metalltür, die sein zu Hause schützte. Vor ihm stand Taret, ebenfalls verwandelt. Ein leises Knurren entwich seiner Kehle. „Wo bist du gewesen?“ Rowen sah ihn an. „Das geht dich gar nichts an.“ Wütend starrten sich die beiden Werwölfe an. „Ich bin der Anführer dieses Clans und als dein Oberhaupt bestimme ich, was du zu tun und zu lassen hast, ist das klar?“ Rowen zog die Lefzen hoch. „Nein, das ist nicht klar. Ich mache, was ich will. Ist das klar?“, entgegnete er. „Du stellst also meine Herrschaft in Frage?“, erwiderte Taret und sah ihn herausfordernd an. „Ja, das tue ich. Und ich fordere dich hiermit zu einem Duell auf. Auf Leben und Tod.“ Der Clanführer sah in das verschlossene Gesicht seines Untergebenen. „Wie du willst, ich nehme an.“ Sie verließen das Gebäude und verschwanden im dichten Gehölz des Waldes. Schließlich standen sie sich gegenüber. Taret heulte einmal auf und griff Rowen dann an. Die beiden Werwölfe waren in einen erbitterten Kampf verwickelt. Sie krachten durch das Unterholz und fügten sich gegenseitig tiefe Wunden zu. Dann verbissen sie sich ineinander und rollten über den verwurzelten Boden. Schließlich konnte Rowen sich befreien. Die Beiden standen sich erneut gegenüber und keuchten. Ihnen tropfte das Blut von den Lefzen und sie waren beide schon ziemlich mitgenommen. Wieder war es Taret, der zuerst angriff. Rowen packte ihn und schleuderte ihn von sich weg. Laut polternd rollte er durch das Unterholz, dann fing er sich und sprang auf Rowen zu. Die beiden wurden wieder in einen unerbittlichen Nahkampf verwickelt, in dem keiner dem anderen auch nur den kleinsten Fehler erlaubte. Plötzlich gab es ein lautes Quieken, dann war es aufeinmal gespenstisch ruhig.

Alira schlief sehr unruhig. Sie hatte einen heftigen Alptraum und wälzte sich in ihrem Bett herum. Schweißgebadet schrak sie auf mit dem unguten Gefühl, etwas schreckliches wäre passiert. Sie entzündete die Kerze neben ihrem Bett und zog sich an. Schließlich zog sie die schweren Vorhänge, die vor ihrem Fenster hingen, zur Seite und betrachtete den Mond der blutrot über dem Wald hing. Ob es Rowen wohl gut ging? Sie verscheuchte den Gedanken, dass ihm etwas passiert wäre, schnell und ging zu ihrem Schrank. Dort nahm sie eine dünne Decke heraus. Es wäre bestimmt schön, wenn sie sich auf eine weite Wiese legen und zusammen die Sterne beobachten könnten. Lächelnd dachte sie an die vergangene Nacht. Es war einfach so wunderbar gewesen. Nur Rowen und sie. Was gab es schöneres? Schon bald war sie wieder im Wald verschwunden. Ob Rowen wohl wieder an der Lichtung auf sie warten würde? Schnell lief sie in die Richtung, in der diese lag. Im Wald war es aufeinmal sehr still. Verwundert hörte Alira sich um. Was war denn nur los hier? Zögernd ging sie weiter. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Als sie die Lichtung betrat, stieg ihr augenblicklich ein metallener Geruch in die Nase. Der Geruch von Blut. Sie erschrak. „Rowen?“, ängstlich sah sie sich um. Was war hier nur passiert? Auf dem Boden waren vereinzelt Blutlachen. Jemand schien sich hierher geschleppt zu haben. Etwas fiepte. Alira sah auf den Baum, in dem er das letzte Mal auf sie gewartet hatte. Eine große Gestalt, hing auf dem untersten Zweig. Er rutschte von dem Ast hinunter und fiel auf den Erdboden, wo er bewegungslos liegen blieb. „Rowen!“, rief sie aus und stürzte zu dem großen Werwolf hin. „Oh mein Gott, was ist passiert?!“, bestürzt sah sie ihn an. Zahlreiche tiefe Wunden waren über seinen Körper verteilt. Sein Atem ging rasselnd und seine Augen sahen sie müde an. „Ich kümmere mich um deine Wunden.“ Schließlich nahm sie die Decke und riss sie in viele Streifen, mit denen sie seine Wunden versorgte und die Blutungen stoppte. Seine Schulter sah besonders schlimm aus. Als sie den Arm vorsichtig anhob, zuckte sein Körper zusammen und er knurrte sie an. Erschrocken hielt sie in der Bewegung inne. „Bitte lass mich dir doch helfen.“, flüsterte sie flehend. Sein Körper erschlaffte wieder und Alira fuhr fort, ihm einen Verband anzulegen. Als sie damit fertig war, strich sie über seinen Kopf. Mit halb geschlossenen Augen sah er sie an. „Es wird alles wieder gut.“, sagte sie sanft. Schließlich schloss er die Augen. Sein Körper schrumpfte, sein Fell ging zurück und er verwandelte sich wieder in seine menschliche Gestalt. Sie nahm seine kühle Hand. Alira schluchzte einmal auf und eine Träne rann ihre Wange hinab. Hoffentlich würde Rowen es schaffen. Sie wünschte es sich so sehr. Innerlich zerriß es sie, dass er so schwer verletzt war und sie so gut wie nichts machen konnte. Was war nur geschehen?

Der neue Clanführer

Kurz bevor die Sonne aufging, machte Alira sich schweren Herzens auf den Weg. Sie musste wieder nach Hause, wenn sie nicht von den Sonnenstrahlen vernichtet werden wollte. Damit würde sie Rowen erst recht nicht helfen. Leise schlich sie in ihr Zimmer und betrat das Bad. Erschrocken betrachtete sie sich im Spiegel. Sie war über und über mit seinem Blut bedeckt. Schnell entledigte sich Alira ihrer Kleidung und sprang unter die Dusche. Dann wusch sie ihre Kleidung aus und ließ sie trocknen. Hoffentlich würden die anderen nichts bemerken. Voller Sorgen um Rowen legte sie sich in ihr Bett. Sie hoffte sehr, dass ihm niemand etwas antat, wenn sie es nicht verhindern konnte. Schließlich fiel auch sie in einen unruhigen Schlaf.

Langsam öffnete er die Augen. Jemand sah ihn an. „Er ist wach. Ein Glück.“ Rowen erkannte Garan. „Wo ist...?“, er sprach den Satz nicht zu ende. Der Werwolf erkannte, dass er in seinem Zimmer im Quartier lag. „Wie habt ihr mich gefunden?“ Garan sah ihn an. Sein Blick war schwer zu deuten. „Wir haben Taret per Zufall gefunden und dann war es nicht mehr allzu schwer, dich zu finden. Man musste einfach nur der Blutspur folgen. Du kannst froh sein, dass du dich noch selbst verbinden konntest. Ansonsten wärest du auch noch gestorben.“ Rowen sah seinen Freund an. Mit einem Mal fiel ihm alles wieder ein. Der Kampf, der Sieg und Alira. Sie hatte ihn versorgt. Und sie war die ganze Zeit bei ihm geblieben, auch nachdem er sie angefahren hatte. „Rowen, dir ist schon klar, dass du jetzt neuer Clanführer bist, oder?“, fragte Garan. Rowen nickte langsam. Er musste unbedingt mit Alira sprechen. Doch mit einem Blick auf den Fensterverschlag, sah er die Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen strahlten. „Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte er. „Zwei Nächte. Um deine Wunden haben wir uns auch nochmal gekümmert und frische Verbände angelegt.“ Rowen stöhnte auf. Alira würde sich bestimmt schon große Sorgen um ihn machen. „Ich bringe dir erstmal was zu essen.“ Garan verließ den Raum. Rowen schloss die Augen und ignorierte das dumpfe Pochen in sämtlichen Gliedern seines Körpers. Er fühlte sich schon besser, als in jener Nacht, dennoch konnte man nicht gerade sagen, dass es ihm gut ging. Nach kurzem kam sein Freund wieder herein und brachte ihm etwas Eßbares. Hungrig aß er alles auf und lehnte sich zufriedener wieder zurück.

Alira war so unruhig, wie nie zuvor. Sie machte sich schreckliche Vorwürfe, dass sie nicht besser auf Rowen aufgepasst hatte. Was, wenn ihm wirklich etwas schreckliches passiert war? Das würde sie sich nie verzeihen. Wo war er nur? Hoffentlich hatten die anderen Werwölfe ihn gefunden und sich um ihn gekümmert. Zumindest hatte sie seit einiger Zeit Ruhe vor Lex. Er hatte ebenfalls abreisen müssen, um ihren Eltern zu helfen. Es ging um wichtige politische Entscheidungen. Sachen, die sie also nicht interessierten. Hauptsache er war weg und konnte sie nicht mehr davon abhalten zu Rowen zu gehen. Kaum wurde es dunkel draußen, machte Alira sich wieder auf den Weg. Schnell rannte sie zu der Lichtung, an der sie sich zuletzt gesehen hatten. In der Hoffnung, er würde auf sie warten, kam sie keuchend und schnaufend an der großen Eiche an. Mit einer Hand stützte sie sich an dem mächtigen Stamm ab und atmete erstmal tief durch. Dann richtete sie sich wieder auf. „Rowen?“, fragte sie hoffnungsvoll und wartete auf irgendein Rascheln, dass seine Ankunft verriet. Doch nichts dergleichen geschah. Sie sah sich um. Der Regen der letzten Nacht hatte sein Blut weg gewaschen und dennoch schien der ganze Ort noch immer nach ihm zu riechen. Tief sog sie den wohltuenden Duft ein. Es beruhigte sie ein wenig, dennoch wusste sie immer noch nicht, wo er war und ob es ihm gut ging. Erneut rief sie nach ihm, erhielt jedoch keine Antwort. Niedergeschlagen sah sie sich um. Plötzlich spürte sie, wie sich etwas näherte. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Eine Gestalt trat aus dem Dickicht und schaute in ihre Richtung. Alira erkannte ihn sofort. Vor Freude weinend rannte sie auf Rowen zu und umarmte ihn stürmisch. Durch die heftige Umarmung zuckte er leicht zusammen. Alira bemerkte es und sah ihn sofort entschuldigend an. „Tut mir leid. Ich wollte dir nicht weh tun.“ Rowen sah sie lächelnd an. „Hast du nicht. Du kannst mir nicht weh tun.“ Dann küsste er sie. Immer noch rannen Tränen ihre Wangen hinab. Der Werwolf löste seine Lippen von ihren. „Bitte weine nicht, vergieße keine Tränen wegen mir. Du siehst viel hübscher aus, wenn du lächelst.“ Schnell wischte Alira sich die Tränen weg. „Schon viel besser.“, lächelte er. Die Vampirin bemerkte unter seinem Hemd die Verbände, die er trug. „Wie geht es dir?“, fragte sie und streifte sein Hemd leicht zur Seite. „Es geht schon wieder einigermaßen. Danke, dass du mir in der Nacht noch geholfen hast. Ich glaube, sonst hätte ich das wirklich nicht überlebt.“ Er legte seine Arme um ihre Taille und zog sie an sich. Alira spürte die Wärme seines Körpers, die sie so sehr vermisst hatte. Ein Kribbeln durchfuhr sie, als Rowen sie wieder küsste. Sekunden schienen zu einer Ewigkeit zu werden und so standen sie einfach nur eng umschlungen und glücklich da. Alira war so unbeschwert, wie schon lange nicht mehr. Es tat so gut, ihn gesund und vor allem lebend zu sehen. Nach einiger Zeit lösten sie sich wieder voneinander. „Was ist passiert, dass du so zugerichtet warst?“, fragte sie und Rowen erklärte ihr alles. Angefangen bei ihrem letzten Treffen, bis zum Kampf und seinem Ende. „Das heisst, du bist jetzt Oberhaupt?“, fragte Alira. Rowen nickte. Die beiden schwiegen. „Das heisst, du hast jetzt Verantwortung deinem Clan gegenüber. Sie wollen bestimmt gegen die Vampire kämpfen...“, brach die junge Vampirin das Schweigen. „Nein, sag so was nicht. Und wenn es so wäre, würde ich sicherlich einen Weg finden, dies zu verhindern. Ich würde niemals euren Clan angreifen. Glaub mir.“ Mit einer Hand hob er ihr Kinn an und sah ihr in die Augen. „Ich glaube dir.“, sagte sie und ihr Gesichtsausdruck nahm eine sanfte Form an. Sie umarmte ihn und schloss die Augen. Seine Gegenwart ließ sie alles andere vergessen. Sie fühlte sich einfach geborgen und wohl behütet. Es war einfach ein Gefühl, dass sie nie zuvor in ihrem Leben gefühlt hatte. Dennoch war es auch ein Gefühl, dass sie nie wieder verlieren wollte. Sie würde alles für Rowen tun und sie wusste, dass er genauso dachte. „Kommst du morgen wieder?“, fragte sie ihn hoffnungsvoll, doch auch ohne das er etwas sagte, wusste sie schon seine Antwort. „Ja, ich komme. Wie könnte ich nein sagen?“, sagte er liebevoll und küsste sie ein letztes Mal. Schweren Herzens machte sich nach einer innigen Verabschiedung auf den Weg nach Hause.

Treffen mit Folgen

In der nächsten Nacht wartete Rowen bereits auf sie. Er hielt etwas in der Hand. Alira ging zu ihm hin und sie küssten sich. „Ich habe dich vermisst.“, sagte sie sanft. „Ich dich auch. Ich habe eine Überraschung für dich.“ Verwundert sah sie ihn an, als er ihr ein schwarzes Tuch zeigte. „Dreh dich um.“, sagte er. Alira, die ihm vertraute, kehrte ihm den Rücken zu. Sie spürte, wie er ihr das Tuch über die Augen legte und es an ihrem Hinterkopf verknotete. Dann nahm er sie auf seine Arme und sprang los. Alira hielt sich an seinem Oberkörper fest. Nach kurzer Zeit blieb er stehen und setzte sie ab. Es schien steiniger Untergrund zu sein, auf dem sie stand und sie fragte sich, wo sie wohl waren. Rowen fasste ihre Hände. „So, jetzt folge mir. Schön vorsichtig. Achtung, Stufe.“ Fast wäre Alira gefallen, doch Rowen fing sie auf. „Vorsichtig.“, lachte er. „Wir wollen doch nicht, dass du dir weh tust.“ Etwas achtsamer ging sie in die Richtung, in die seine Hände sie führten. „Kopf einziehen.“ Alira duckte sich und ging weiter. Vom Schall her hörte sie, dass sie durch einen engen Gang gingen. Dann verlor sich der Hall aufeinmal wieder. „So. Stehen bleiben. Einen Moment.“ Hinter Alira rumpelte etwas. Dann spürte sie, wie Rowen sich an der Augenbinde zu schaffen machte. „Überraschung.“, flüsterte er ihr ins Ohr und nahm das Tuch von ihren Augen. Vor Überraschung stand sie wie angewurzelt da. Sie befanden sich in einer kleinen Höhle. Überall standen Kerzen und es war gemütlich mit Decken ausgelegt. „Und gefällt es dir?“, fragte er und schlang seine Arme von hinten um ihre Taille. Sie lächelte. „Es ist wunderschön.“, hauchte sie. „Das hatte ich gehofft.“ Alira drehte sich um und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. „Danke schön.“ Rowen lächelte sie mit seinem unwiderstehlichen Lächeln an. Alira hätte schmelzen können. Er nahm sie an der Hand. „Komm.“, und er zog sie hinter sich her. Leicht zu ihr gedreht, achtete er nicht auf den Weg und so fiel er der Länge nach über eine kleine Bodenunebenheit, die durch eine Decke nicht gleich zu sehen war und zog Alira mit sich. Sie fiel auf ihn drauf. Die beiden lachten. Die Vampirin sah ihn an. Es war ein besonderer Blick, mit dem sie ihn bedachte. Rowen fand, dass ihre Haut in dem Kerzenschein einen besonderen Glanz hatte. Mit ihren blauen Augen sah sie ihn an und er sah zurück. Ihre Hand strich über seinen Brustkorb. Langsam näherte sich sein Kopf ihrem. Dann schlossen sie die Augen und küssten sich.

Als Alira wieder wach wurde, fühlte sie sich fertig aber glücklich. Rowen lag neben ihr und atmete flach. Er schlief tief und fest. Lächelnd streichelte sie sein Gesicht und über seinen Brustkorb. Die Kerzen waren alle herunter gebrannt und waren ausgegangen. Dennoch war es so hell, dass sie Rowen erkennen konnte. Vereinzelte, leichte Lichtstrahlen fielen an der Steinplatte vorbei, die Rowen vor den Eingang geschoben hatte. <Es ist Tag!>, schoss es Alira durch den Kopf. Sie hätte schon längst zu Hause sein müssen. Doch ihr nächster Gedanke war, wer würde sie denn schon vermissen? Warum sollte sie nicht einmal die Zeit mit Rowen genießen? Er regte sich neben ihr. Sie sah ihn an, als er die Augen öffnete. Augenblicklich fing er an zu lächeln. „So habe ich mir das vorgestellt. Ich wache auf und das erste, was ich sehe, bist du.“ Alira legte sich halb auf seinen Oberkörper. Seine Wunden waren so gut wie verheilt und er würde die Verbände bald schon abnehmen können. „Es ist so schön, bei dir zu sein. Ich will dich am liebsten nie wieder verlassen müssen.“, sagte sie wehmütig. Er legte eine Hand auf ihren Rücken. „Ich weiss, aber das ist schwer. Ich wünschte, wir würden nicht von zwei unterschiedlichen Clans kommen, die sich so sehr hassen. Dann wäre alles viel einfacher.“ Alira seufzte zustimmend. Alles war so kompliziert. Sie konnte nicht einfach zu ihrem Vater gehen und sagen: „Papa, ich habe einen Freund. Er ist ein Werwolf und echt nett, du wirst ihn mögen.“ So lief das nun mal leider nicht ab. Ihr Vater würde sie eigenhändig umbringen, wenn er erfahren würde, was sie tat. Und Rowen gleich dazu. Die beiden kuschelten sich enger aneinander und schliefen kurz darauf wieder ein.

Es war Nacht, als Alira wieder erwachte. Rowen hatte wieder einige Kerzen angezündet, die er aufbewahrt hatte. Als sie die Augen aufschlug, küsste er sie zärtlich. „Hey. Du bist ja schon wach.“, sagte sie. Rowen lächelte. „Ja, du hast mir den Schlaf geraubt.“ Alira legte sich auf den Bauch, stützte ihren Kopf auf ihren Händen ab und beobachtete ihn.

Nach einiger Zeit machten sie sich auf den Weg nach draußen. Jetzt konnte Alira sich auch umsehen, wo er sie hingeführt hatte. Sie befanden sich auf dem Hügel von General Jamerson. Er war vor einer Ewigkeit ein berühmter Kriegsheld gewesen, in einem Krieg, der von den Menschen ausgefochten wurde. Doch dieser Hügel war von denen, die auf Erden wandelten, meist vergessen worden. Kein Mensch traute sich mehr in die Wälder unweit der Stadt, da sie als verflucht galten; von Monstern heimgesucht, die sich jedes Lebenden annahmen. Was sich ja auch nicht als unwahr herausstellte. Die Werwölfe, als auch die Vampire hatten nie etwas gegen warmes, frisches Menschenfleisch bzw. Blut einzuwenden. Deswegen wurde diese Jagd genauso unerbittlich, wie brutal geführt. Alira sah sich um. Der Wald lag ruhig da. Eine Eule flatterte an ihnen vorbei in die Nacht auf der Suche nach Beute. Rowen nahm ihre Hand. Dann gingen die Beiden den Hügel hinab und machten sich auf den Weg zu ihrer Lichtung. Zusammen durch den dunklen Wald zu gehen, war einfach romantisch. All die nächtlichen Geräusche und die vereinzelten Mondstrahlen, die der Halbmond noch auf die Erde warf, machten den gemeinsamen Spaziergang zu etwas besonderem. Alira war am Träumen. Es war einfach so wunderschön neben Rowen her zugehen und zu wissen, dass sie sich liebten. Ihre Hand lag in seiner Warmen. Nach einiger Wegzeit kamen sie an der hohen Eiche an, in der sie schon einmal gesessen hatten und sich das erste Mal geküsst hatten. „Wollen wir?“, fragte Rowen und Alira nickte. Wieder nahm er sie auf seine Hände und sprang mit ihr hinauf in das dichte Geäst. Wieder saßen sie fast ganz oben in einer Astgabel und kuschelten sich aneinander. „Es war wunderschön bei dir in der letzten Nacht und den Tag darauf.“, raunte Alira. „Das hatte ich gehofft.“, antwortete er. Nichts vermochte diese Idylle zu trüben und das liebende Paar zu stören. Und doch geschah etwas. „Alira?“, rief eine Stimme, die sich der Lichtung näherte. Die beiden schraken zusammen. Rowen stand auf und zog sie hinter sich her. Die beiden pressten sich an den Stamm, damit man sie nicht sah. „Lisk.“, wisperte sie. „Alira?“, rief er erneut und sah sich um. Etwas raschelte in dem Gebüsch. Alira‘ s Augen weiteten sich. Ein Werwolf! „Li....!!!“, wollte sie rufen, um ihren Kumpel zu warnen, doch Rowen hielt ihr blitzschnell den Mund zu. Der Werwolf baute sich auf und ging auf den Vampir zu. Die beiden umkreisten sich. Lisk hatte sein Schwert gezogen, das Metall glänzte kalt in dem Schein des Mondes. Der Werwolf knurrte ihn bedrohlich an. Dann griffen die beiden sich an. Alira sah zum ersten Mal, wie Lisk, ein erfahrener Jäger, sich gegen einen ausgewachsenen Werwolf behauptete. Die beiden rannten aufeinander zu, dann ging alles blitzschnell. Bevor man sich versah, waren die Kämpfenden schon wieder voneinander getrennt und der Werwolf, als auch der Vampir wiesen Wunden auf. Wieder griffen sie sich an, diesmal kam es zum Nahkampf. Lisk verlor sein Schwert durch einen gekonnten Hieb, bückte sich aber im selben Moment und zückte einen Dolch, den er seinem Gegner in den Oberkörper rammte. Der Werwolf quiekte und machte ein paar Schritte zurück, dann zog er sich das zerstörende Metall aus dem Körper. Der Dolch war, genau wie das Schwert, aus Silber. Diese Sekunden reichten Lisk, um sich wieder sein Schwert zu schnappen. Aufeinmal geschah alles im Bruchteil einer Sekunde. Der Werwolf rammte seine Zähne in die Schulter des Vampir’s, der laut aufschrie und Lisk durchbohrte mit seinem Schwert seinen Oberkörper. Alira rannen Tränen über ihr Gesicht und über Rowen‘ s Hand, die ihren Mund immer noch zuhielt und die andere, die um ihre Taille geschlungen war. Ansonsten wäre sie längst zu Lisk hinuntergesprungen und hätte versucht, ihm zu helfen. Es vergingen etliche Sekunden, die ihr wie eine Ewigkeit vorkamen, als der Werwolf von ihm abließ. Laut knurrend zog er sich das Metall, dass ihm unermeßliche Schmerzen bereitete, aus dem Körper. Das Blut quoll aus der Wunde und er ging auf alle Viere. Mit einer Hand hielt er sich eine der Wunden. Lisk war auf die Knie gefallen, er keuchte und riss den Kopf hoch gen Himmel. Alira‘ s Körper wurde von Schluchzern geschüttelt. Das war alles so unfair. Warum mussten sich immer alle bekämpfen? Lisk war dabei zu sterben und keiner war da, der ihm helfen konnte. Sie konnte nur zu sehen, wie er dahinsiechte, und das nur, weil er sie hatte finden wollen. Wahrscheinlich hatten sich die anderen Jäger alle einzeln auf die Jagd gemacht, um sich auf das große Waldgebiet aufzuteilen. Wenn den anderen auch noch was passieren würde, würde sie sich das nie verzeihen können. Der Werwolf richtete sich wieder auf. Er wollte seinem Gegner den Gnadenstoß verpassen. Aufeinmal raschelte es wieder und zwei weitere Vampire traten mit gezückten Schwertern auf die Lichtung. Der Werwolf hielt inne. Knurrend machte er einige Schritte auf sie zu, doch er wusste, dass er den nächsten Kampf nicht überleben würde. So machte er sich auf und davon. Die Vampire steckten ihre Waffen weg und rannten auf Lisk zu. Den hatten seine letzten Kraftreserven verlassen und er fiel leblos zu Boden. Alira hörte, wie sich ihre Freunde einiges zuflüsterten, dann packte sich jeder einen Arm und sie verschwanden mit ihm im Dunkel des Waldes. Erst nach einiger Zeit nahm Rowen seine Hand vor ihrem Mund weg. Sie drehte sich zu ihm um, schlang ihre Arme um seinen Hals und presste sich an ihn. „Das ist so ungerecht.“, schluchzte sie. Auch Rowen sah fertig aus. Es war Garan gewesen, der wahrscheinlich ebenfalls auf der Suche nach ihm gewesen war. Fast wäre er selber los gesprungen und hätte versucht, seinem besten Freund zu helfen, doch dann wäre ihre Tarnung aufgeflogen. Man durfte sie einfach nicht zusammen erwischen. Er legte seine Arme um sie und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. „Aber wir hätten nichts tun dürfen.“, sagte er wehmütig und beide hofften, dass es ihren Freunden bald wieder gut gehen würde. Alira schluchzte immer noch. Sie hörte erst auf, als sie in seinen Armen eingeschlafen war. Sanft strich er über ihr Haar. Dann nahm er sie und sprang den Baum hinab. Er verfolgte die Spur der Vampire, die durch die Bluttropfen gut zu erkennen war und gelangte nach einiger Zeit auf einer weitläufigen Fläche an. Es erhob sich ein Hügel, auf dem ein herrschaftliches Anwesen stand. Rowen kniete sich hin. „Alira, wach auf. Du bist zu Hause.“, sagte er sanft. Sie rührte sich und schlug die Augen wieder auf. Erst blinzelte sie, dann erkannte sie, wo sie waren. „Rowen... du musst hier weg. Es ist zu gefährlich. Wenn sie uns sehen...“ Alira war aufgesprungen; ihr Gesicht war sorgenvoll. Rowen richtete sich auf. „Dann mach schnell, dass du rein kommst. Ich wünsche dir einen angenehmen Schlaf.“ Sie küssten sich, dann machte Alira sich auf den Weg. Als sie zurück sah, stand Rowen immer noch da und sah ihr nach. Dann betrat sie das Gebäude.

Augenblicklich waren alle Blicke auf sie gerichtet. Einen kurzen Moment herrschte Stille, dann kamen sie auf sie zugestürzt. „Wo bist du gewesen? Ist dir was passiert? Wo kommst du her? Bist du verletzt?“, stürmten die Jäger auf sie ein. „Nein, mir geht es gut. Ich.... ich war nur zu lange unterwegs und dann wurde ich von den Sonnenstrahlen überrascht. Ich musste mich in einer Höhle verstecken.“ Eine Jägerin sah sie wütend an. „Weißt du was? Nur wegen dir, sind wir diese Nacht alle ausgeschwärmt. Und nur wegen dir wurde Lisk so schwer verwundet. Er wurde von einem Werwolf angegriffen. Wärest du doch nur von einem Werwolf gefressen worden, dann hätten wir alle weniger Sorgen.“ Alira sah sie entsetzt an, dann schaute sie in die verschlossenen Gesichter der anderen. Sie wandten sich von ihr ab und verzogen sich. Betreten senkte Alira den Kopf. Wegen einer Nacht hatte sie alle ihre Freunde verloren. Niedergeschlagen ging sie einen Korridor entlang. Zögernd blieb sie vor einer Tür stehen. Schließlich gab sie sich einen Ruck und trat in das Zimmer. Schweren Herzens trat sie an das Bett und sank auf die Knie, als sie die dicken Verbände sah, die seine tiefen Wunden verdeckten. Seine Augen waren geschlossen und sein Atem ging rasselnd. „Es... tut mir so leid, Lisk. Ich habe das alles nicht gewollt.“ Sie legte ihre Hand auf seine. Sie war kalt und ein wenig getrocknetes Blut klebte noch an ihr. „Ich... wenn ich das geahnt hätte... ich hätte doch nie im Leben....“, Alira versagte die Stimme. Sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte. Nur sie fühlte sich immer noch so unglaublich schuldig. Jetzt lag es an ihr, ihre Schuld wenigstens etwas abzutragen. So blieb sie die ganze Zeit über bei Lisk und kümmerte sich um ihn. Zwischendurch schlief sie immer wieder kurz ein. In der nächsten Nacht wechselte sie seine Verbände. Alira war gerade damit fertig, als die Tür aufging. „Alira, es geht dir gut. Ich hatte mir schon solche Sorgen gemacht.“ Lex umarmte sie, wurde aber sogleich von ihr weg gestoßen. „Du.... wage es ja nicht, mich anzufassen.“, drohte sie ihm und funkelte ihn wütend an. Lex Blick wurde wieder kalt. „Ganz die Alte, hm?“, presste er zwischen den Zähnen hindurch. „Was machst du wieder hier?“, sagte sie verächtlich. „Die Verhandlungen sind zu ende. Deine Eltern sind auch wieder da. Du solltest zu ihnen gehen. Auch sie haben sich große Sorgen um dich gemacht, als sie dein Verschwinden erfuhren.“ Wütend über sein Auftauchen, sprang Alira auf und machte sich auf den Weg, um ihre Eltern zu suchen. Sie fand sie in der Haupthalle. Ihre Eltern umarmten sie. „Es ist dir nichts passiert. Das ist schön.“, sagte ihr Vater. Alira senkte den Kopf. Sie spürte die Blicke einiger Jäger auf ihrem Rücken. „Nein, mir nicht. Aber Lisk ist schwer verwundet. Auf der Suche nach mir, wurde er von einem Werwolf angegriffen.“ Ihre Eltern sahen sie verständnisvoll an.

Das Verschwinden

Rowen hatte die Wunden von Garan versorgen lassen. Sein Freund war zwar verwundet, aber er war bei Bewusstsein. Immerhin hatte er noch so viel Kraft gehabt, um sich nach Hause schleppen zu können. So verstrichen einige Nächte, bis Rowen die Gelegenheit sah, um wieder in die Nacht zu entfliehen. Er vermisste Alira. Besonders nach jener Nacht wollte er wissen, wie es ihr ergangen war. Der Mond stand nicht mehr am Himmel, doch dafür tausende von Sternen. Rowen machte die Finsternis nichts aus, er konnte mit seinen scharfen Augen jeden Umriss ausmachen. So gelangte er schon bald zu der großen Eiche, an der das schreckliche Szenario abgelaufen war. Es herrschte eine angenehme Stille in dem Wald, abgesehen davon, dass einige Grillen zirpten. Rowen schloss die Augen und lauschte in die Nacht hinein. Zwei angenehm warme Arme legten sich von hinten um seinen Brustkorb. Überrascht drehte er sich um und sah in das vertraute Gesicht von Alira. „Überraschung.“, lächelte sie und küsste ihn sanft auf die Lippen. „Es tut gut, dich zu sehen.“, sagte er und legte seine Arme um sie. Alira nickte. „Lisk lebt, es geht ihm soweit wieder ganz gut.“, erzählte sie. „Garan hat es nicht ganz so hart erwischt. Ihm geht es inzwischen auch wieder gut.“ Erleichtert atmeten die beiden auf. „Gut, dass nichts schlimmeres passiert ist.“, sagte Rowen. Die Beiden genossen die Zeit zusammen und wollten sich durch nichts und niemanden stören lassen. Es war eine traute Zweisamkeit, die zwischen ihnen herrschte. Als Alira sich von ihm löste, sah sie in sein glückliches Gesicht. „Ich liebe dich.“, hauchte sie in sein Ohr. „Ich liebe dich auch.“, flüsterte er zurück. „Und ich könnte es in die ganze Welt rufen!“, rief er plötzlich, sodass sie zusammen schrak. „Rowen!“, belustigt sah sie ihn an. „Noch lauter und die ganze Welt weiss, wo wir sind. Und glaube mir, dann ist hier die Hölle los.“, unverwandt ernst sah sie ihn an, dann musste sie jedoch grinsen. Freundschaftlich boxte sie ihn leicht. Herausfordernd sah er sie an. Dann stürzte er sich auf sie. Hinter der Eiche ging es leicht ab und so rollten und purzelten sie übereinander durch das Gras hinab. Unten angekommen lachten sie. Rowen fing an, sie durch zu kitzeln. Alira hatte vor lauter Lachen schon Tränen in den Augen. „Ok, stopp!“, keuchte sie. „Stopp!“, brachte sie unter erneuten Lachern hervor. Rowen hörte auf, sie zu kitzeln und sah sie an. Die beiden lagen nebeneinander. Verschlagen sah sie ihn an, dann stürzte sie sich auf ihn und versuchte ihn zu kitzeln. Doch Rowen drückte sie einfach wieder auf den Boden und setzte sich auf sie, dann fasste er ihre Hände und hielt sie fest. „So. Jetzt kannst du keinen Unfug mehr anstellen, du kleiner Wirbelwind.“, grinste er. Alira‘ s Brustkorb hob und senkte sich. Rowen fand, dass sie mal wieder hinreißend aussah. Liebevoll küsste er sie und spürte, wie ihr Widerstand augenblicklich nachließ. Seine Lippen trennten sich nach einer Ewigkeit von ihren. Atemlos sahen sie sich an. „Rowen, ich kann nächste Nacht nicht kommen.“, Alira sah ihn traurig an. Rowen schlug die Augen nieder. „Oh. Das... ist schade. Ich werde dich vermissen.“, entgegnete er. „Es ist so. Morgen treffen Abgesandte eines entfernten Clans ein. Sie wollen das Bündnis der Bruderschaft erneuern. Es ist sehr wichtig für meinen Vater, dass ich dabei bin. Wenn ich da verschwinde, kannst du dir bestimmt vorstellen, was dann passiert.“, sie lächelte gequält. „Mach dir nichts daraus, mein Engel. Was ist schon eine Nacht gegen die Ewigkeit, die wir noch haben?“, flüsterte er. Alira war erleichtert, dass er das so gut auffasste. Sie hatte es sich schwerer vorgestellt. „Ich muss los.“, sagte sie schwermütig. Rowen zog sie hoch. Er hielt ihre Hand immer noch in der seinen und küsste sie erneut. Dann ließ er sie gehen. Er sah noch, wie sie in die Nacht entschwand.

In der nächsten Nacht wurde sie von Lorana geweckt, die bereits ein feines Kleid trug. Sie war eine der Jägerinnen, mit denen sie sich gut verstanden hatte. „Alira, wach auf. Die Abgesandten sind gleich hier.“ Die Vampirin schlug die Augen auf. Sie setzte sich auf, verließ aber das Bett noch nicht. „Was ist, willst du zu spät kommen?“ Alira schüttelte den Kopf. „Lorana, seid ihr mir noch immer böse?“, fragte sie vorsichtig. Die Jägerin zögerte kurz. „Nein, ich bin es zumindest nicht mehr. Lisk geht es wieder gut und nur das zählt. Er macht dir keine Vorwürfe. Ich denke, die anderen sehen das genauso.“ Alira nickte. „Danke.“, sagte sie dann und ging in das Bad. Dort machte sie sich fertig. Lorana wartete geduldig in ihrem Zimmer auf sie und reichte ihr ein Kleid, dass sie tragen sollte. Alira verschwand hinter einem asiatischen Raumtrenner und legte ihre Kleidung ab. Dann schlüpfte sie in das elegante Kleid. Es bestand aus feinster, schwarzer Seide und war Schulter frei. Lediglich hinter ihrem Nacken lief es zusammen. Eine fein gestickte Korsage lag um ihre Taille und wurde von ihrer Freundin zusammengebunden. Das Kleid ging fast bis auf den Boden und war von feinen Stickereien überzogen. Als sie fertig war, drehte sie sich Lorana zu. „Sexy.“, entgegnete diese lächelnd und zwinkerte ihr mit einem Auge freundschaftlich zu. Alira grinste, ging zu einem Schrank, machte ihn auf und nahm ein paar schwarzer Schuhe heraus. „Die passen wirklich gut zu dem Kleid.“, sagte Lorana und deute Alira auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Dort fing sie an, der Anderen eine Hochsteck – Frisur zu zaubern. „So. Ich bin fertig. Du siehst einfach wunderschön aus, Alira.“ Lorana sah sie zufrieden an. „Danke.“ Alira stand auf. „Dann lass uns runter gehen. Die anderen warten bestimmt schon auf uns.“ Als sie die Treppe hinabstiegen, richteten sich viele Blicke auf sie. Lex kam an den Treppenabsatz geeilt und wartete auf sie. Alira ging, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, an ihm vorbei. „Alira.“, ihr Vater drehte sich in dem Moment um und sah sie erfreut an. „Vater.“, lächelte sie und ging zu ihm hin. „Darf ich vorstellen? Die Abgesandten aus Meros. Graf Viktor, seine Gattin Gräfin Alexandra und ihr Sohn Aron. Dies ist meine Tochter Alira.“ Brav machte diese einen leichten Knicks. An ihrer Seite erschien Lex. „Und das ist, wie sie gerade schon kennen gelernt haben, ihr Verlobter Lex.“ Alira wandte sich absichtlich von ihm ab. „Wenn Sie mich entschuldigen.“, sprach sie und ihr Vater nickte. Dann entfernte sie sich von der kleinen Gruppe und ging zu Lisk, den sie in der Menge gesichtet hatte. Auch er sah elegant aus. Dennoch sah man ihm die Schmerzen immer noch an. Er saß auf einem der Sessel am Kamin und starrte in die Flammen. Sie setzte sich, ebenfalls in einen Sessel, neben ihn. Nach einer Zeit ergriff sie die Initiative. „Geht es dir wieder gut?“, fragte sie vorsichtig. Lisk schien aus der Starre zu erwachen und sah sie an. „Ja, es geht schon.“ Alira senkte den Blick. Es tat ihr immer noch leid, dass er wegen ihr verletzt worden war. „Mach dir keine Vorwürfe. Ich bin ja selbst schuld. Wir hätten alle zu zweit losgehen sollen. Dann wäre das auch nicht passiert.“ Alira konnte ihn immer noch nicht ansehen. „Es tut mir leid.“, wisperte sie, dann stand sie auf und ging in einen Nebensalon, wo sie sich, abseits von dem Trubel, an ein Fenster stellte und hinaus sah. Es hatte begonnen zu regnen und dicke Tropfen trommelten gegen die Scheibe. Alira seufzte. Wie gerne wäre sie jetzt bei Rowen. Was er wohl ohne sie machte? „Was nur kann ich tun, damit du mich liebst?“, flüsterte ihr eine Stimme in‘ s Ohr. Sie bekam eine Gänsehaut und drehte sich um. Lex stand nur wenige Zentimeter von ihr entfernt und sah sie an. Alira drehte den Kopf weg. Er hatte seine Hände so auf die Fensterbank gelegt, dass sie ihm nicht entkommen konnte. „Du könntest mich zufrieden lassen.“, entgegnete sie. Es widerte sie an, dass er so nah bei ihr stand. Lex seufzte. „Warum machst du es mir nur so schwer, meine Liebe?“ Alira schnaubte. Das wäre ja noch schöner. „Weil du ein ekliger, widerlicher...“ „Alira. Schön Sie zu sehen.“, erklang eine Stimme hinter den Beiden. Lex drehte sich um. Aron stand hinter ihnen. „Wir sprechen uns noch.“, wisperte Lex ihr zu und verschwand dann wütend in der Menge. Wahrscheinlich würde er sich mal wieder betrinken. Alira sah Aron an. „Komme ich unpassend?“, fragte dieser scheinheilig und gesellte sich zu ihr. „Oh nein, ganz und gar nicht. Es hätte gar nicht passender sein können.“ Mit einem Seitenblick zu Lex bestätigte sich ihr Verdacht, dass er tatsächlich an der Bar stand und sich schon die dritte „Bloody Mary“ bestellte, den Gläsern nach zu urteilen. „Entschuldigen Sie, dass ich mich erdreiste zu fragen, aber Sie mögen Ihren Verlobten nicht besonders, nicht?“, tastete sich Aron vorsichtig vor. „Du kannst mich ruhig duzen. Und nein, ich mag ihn wirklich nicht besonders. Er ist ein Ekelpaket.“ Alira wandte sich wieder dem regnerischen Draußen zu. „Das tut mir leid. Aber wenn ich ehrlich sein darf, ich mag ihn auch nicht. Sag mal, darf ich dir einen Drink holen?“, fragte Aron. Alira grinste ihn an. „Geb’ dir keine Mühe. Auch du interessierst mich nicht.“ Enttäuscht wandte sich der junge Vampir ab. Dann jedoch drehte er sich noch einmal um. „Unnahbare Frauen sind interessant. Sie tun immer so, als würden sie keinen an sich ran lassen. Doch insgeheim haben sie jemanden, den sie über alles lieben. Wen liebst du, Alira?“ Lachend wandte er sich ab. Erschrocken sah die Vampirin ihm nach. <Wusste er...? Nein, dass ist absolut unmöglich. Wir kennen uns nicht einmal und er ist zum ersten Mal hier.> Verwirrt wandte sich Alira wieder dem Regen zu, der anscheinend noch kräftiger geworden war.

In der nächsten Nacht machte sie sich schnell auf den Weg. Sie wollte Rowen endlich wieder sehen und in seinen Armen liegen, seine Nähe spüren. Wie sehr hatte sie ihn doch vermisst. Hoffentlich würde er schon auf sie warten. Schnell rannte sie durch das Unterholz und sprang über einige umgestürzte Baumstämme, die ihren Weg versperrten. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis sie endlich auf die Lichtung rannte. Mitten in der Bewegung blieb sie stocken. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Ihr Atem ging schneller und ihre Augen weiteten sich. Drei Werwölfe sahen sie an, dann fingen sie an zu knurren. Alira drehte sich augenblicklich um und rannte in den Wald zurück. Sie hörte, wie die Werwölfe hinter ihr her rannten. Doch da sie durch dichtes Unterholz rannte, konnten auch die großen Tiere nicht so schnell hinter ihr her. Immer wieder änderte Alira ihre Richtung. Die Werwölfe holten auf. Plötzlich stürzte sie über eine Baumwurzel und sah die Gelegenheit sich zu verstecken. Geschwind kroch sie unter die Wurzeln einer Birke. Dann legte sie sich flach auf den Boden und hielt die Luft an. Sie hörte die schnellen Schritte ihrer Verfolger auf den Boden trommeln. Schließlich hielten diese inne und sahen sich um. Durch die Wurzeln konnte sie die Wölfe beobachten. Langsam näherte sich einer von ihnen ihrem Versteck, ohne dass er sie bisher entdeckt hatte. Plötzlich sprang etwas vor ihn. Es war ein großer, schwarzer Werwolf und er deutete ihnen eine andere Richtung. Sofort machten sich die Drei wieder auf. Alira atmete auf und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Rowen hatte ihr gerade das Leben gerettet. Geduldig wartete er vor ihrem Versteck bis sie heraus gekrochen kam. Er hatte sich zurück verwandelt und nahm sie in den Arm, in den sie sich zitternd schmiegte. „Ist ja gut. Jetzt sind sie ja weg.“, beruhigte er sie. „Das war knapp. Vielen Dank, dass du mir das Leben gerettet hast.“, hauchte sie. Beschwichtigend strich er ihr über den Rücken. „Das waren drei unserer Jäger. Ich weiss nicht, warum sie heute nacht draussen waren. Meine Erlaubnis hatten sie auf jeden Fall nicht.“, sagte er leicht wütend. Sie küssten sich. „Ich habe dich so sehr vermisst.“, flüsterte er. Alira lächelte. „Lass uns einfach abhauen und das alles hier hinter uns lassen. Dann können wir leben wie und wo wir wollen und keiner könnte uns mehr sagen, was wir tun und was wir lassen sollen.“, schwärmte sie. Rowen sah sie liebevoll an. „Das ist eine wunderbare Idee.“ Aufeinmal näherte sich ihnen etwas. „Versteck dich, sie kommen zurück.“ Alira gehorchte sofort. Rowen verwandelte sich wieder und rannte seinen Untergebenen entgegen. Dann hörte sie, wie sie sich alle entfernten. Rowen würde sie wahrscheinlich weit von ihr weg locken. Alira machte sich besser wieder auf den Weg nach Hause. Diese Nacht war einfach zu unruhig. Sie kletterte unter den Wurzeln hervor und ging los.

Es waren einige Minuten verstrichen, als Alira plötzlich inne hielt. Sie war einem Pfad gefolgt und jemand stand ihr gegenüber. Dieser jemand hielt etwas in der Hand. <Ein Mensch?>, wunderte sich die Vampirin. Sie ging auf ihn zu. Er würde leichte Beute werden. Sie mißachtete die warnende Stimme in ihrem Kopf. Dennoch wunderte sie sich, dass er einfach so stehen blieb. Wenige Meter von ihm entfernt, hielt sie an. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Aufeinmal wurden viele Scheinwerfer angeworfen und viele hektische Stimmen ertönten. Geblendet durch das Licht, hielt sich Alira eine Hand vor die Augen. Sie wollte zurückweichen, doch der Weg war versperrt. Völlig schutzlos fauchte sie und wollte sich auf den seltsamen Mann stürzen, der immer noch da stand. Der hob seine Hand plötzlich und feuerte etwas auf sie ab. Alira schrie auf. Zuckend und krampfend ging sie zu Boden und verlor das Bewusstsein.

Rowen hatte die Werwölfe in schnellem Tempo von der Stelle weg gelockt, an der Alira sich versteckt hatte. Als die ersten Sonnenstrahlen die Erde erreichten, gingen sie in ihr Quartier. Hoffentlich war Alira heil nach Hause gekommen. In der nächsten Nacht wollten sie sich wieder treffen. An den Wurzeln, wo Alira sich versteckt hatte. Hoffentlich wären sie dann wieder ungestört. Gedankenverloren legte Rowen sich in sein Bett. Garan wurde soeben wach. „Gute Nacht.“, gähnte Rowen und drehte sich der Wand zu. Er hörte Garan glucksen und war schon kurz darauf eingeschlafen. Sein Traum war schwarz und dunkel. Er lief durch einen Wald und folgte einem schluchzen. „Alira?“, rief er immer wieder. Und wieder hörte er nur das Schluchzen. Schließlich kam er auf einem kleinen Platz an. Etwas weißes saß mit dem Rücken zu ihm und war am Weinen. „Alira!“, rief er wieder. Sie drehte sich um und sah ihn mit ihren großen, traurigen Augen an. „Rowen! Hilf mir!“ Er rannte los, um zu ihr zu gelangen, doch er schien nie anzukommen. Sie streckte verzweifelt ihre Hand nach ihm aus, doch er konnte sie nicht erreichen. „Bitte, Rowen. Hilf mir!“, schluchzte sie und verschwand vor seinen Augen in der Dunkelheit. „Nein!!!!“, brüllte er und wurde mit einem Ruck wach. Garan stand neben ihm und sah ihn verschreckt an. „Rowen, was ist los mit dir? Du hast geschrien.“, fragte er. Das Herz des jungen Werwolfs klopfte kräftig in seiner Brust und er fühlte sich leer und ausgepumpt. „Es... ist nichts. Gar nichts.“ Es war bereits wieder am Dämmern. Rowen stand auf. „Ich muss los.“, sagte er abwesend und verließ das Quartier, ohne Garan zu beachten, der nur hilflos hinter ihm her sah. Rowen eilte durch den Wald. Irgendetwas musste passiert sein. Er spürte es ganz genau. Schon kurze Zeit später kam er an ihrem Treffpunkt an. Von dort aus verfolgte er ihre Spur, bis hin zu dem Pfad, an dem das Schicksal seinen Lauf genommen hatte. Er sah, dass Alira angehalten hatte. <Warum nur, hat sie gestoppt?>, fragte er sich und verfolgte die Spur weiter. Aufeinmal waren ganz viele Fußspuren auf dem sandigen Boden und in der Mitte war ein Abdruck von jemandem, der gelegen hatte. Von dieser Stelle aus ging eine Schleifspur weg. Atemlos folgte Rowen der Spur. Bis hin zu einer Reifenspur. Geschockt stand er einfach nur da und starrte auf den Boden. <Das darf doch nicht wahr sein. Man hat sie verschleppt. Es sind die Menschen...> Fassungslos ließ er das soeben Gedachte sacken. Dann kam die rasende Wut. Sie pulsierte in ihm, wie ein zweites Herz. Und sie verbreitete sich schnell in seinem Körper, wie ein Gift. Wütend brüllte er auf und verwandelte sich. Die Sonne ging unter und verbarg die Kreatur der Nacht unter ihren schwarzen Schwingen

Die Gefangenschaft

Etwas piepte, als Alira die Augen öffnete. Sie hörte einige Stimmen murmeln. Unfähig den Rest ihres Körpers zu bewegen, öffnete sie die Augen ganz. Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie schwamm in einer leicht roten, aber transparenten Flüssigkeit in einem Glaszylinder. Ihre Füße waren an dem Boden fest gekettet. Man hatte ihr die Stiefel und ihren Mantel ausgezogen. Auf ihrem Mund lag eine Art Maske, die sie beatmete. Es war ein ekliges Gefühl und sie konnte nicht richtig schlucken, da ein Schlauch in ihrer Luftröhre war. Vor sich sah sie Menschen in weißen Anzügen. Eine Frau stand vor dem Zylinder und beobachtete sie. Sie hielt einen Notizblock und einen Kugelschreiber in der Hand und war damit beschäftigt irgendetwas aufzuschreiben. Der Raum war abgedunkelt und die einzige Lichtquelle war der Glaszylinder, von dem aus ein rotes, schummriges Licht ausging. Mehrere Menschen standen an einigen Gerätschaften und drückten irgendwelche Tasten und Knöpfe. Ein Mann gesellte sich zu der Frau. „Und Sie sind sich sicher, dass sie sich nicht bewegen kann? Immerhin wissen wir nicht, wie viel der Zylinder aushält.“, fragte er. Die Frau sah ihn an. „Auch wenn wir ihn das erste Mal ausprobieren, ist das hier immerhin Panzerglas. Da kommt kein Wesen dieser Welt hinaus. Und unsere Kleine kann sich nicht bewegen. Der Elektroschock dürfte sie noch für eine Weile außer Gefecht setzen. Alira war wütend. <So, die denken also, man kann mich einfach so gefangen halten. Na, die können was erleben.> Mit einem Ruck riss sie die Arme nach vorne und schlug gegen die Glasscheibe. Erschrocken machten alle einen Satz nach hinten. Wütend kratzte Alira an der Glasscheibe. Dennoch hatte sie keinen großen Erfolg damit. Die rote Flüssigkeit schien ihre Energie gleich abzusaugen und so musste sie ihre Arme wohl oder übel kraftlos sinken lassen. „Sehen Sie, ich habe doch gesagt, dass sie erstaunlich ist.“, lächelte die Professorin und wandte sich einem anderen Kollegen an einem Meßpult zu. Alira versuchte sich von ihren Fußfesseln los zu machen, indem sie ihre Beine nach oben zog. „Geben Sie ihr noch einen kleinen Gute Nacht Kuss. Sie soll erstmal schlafen.“, sagte die Professorin und ihr Kollege drückte einen Knopf, nachdem er an einem kleinen Rädchen gedreht hatte. Alira durchzuckte es wie ein Schlag und sie wurde augenblicklich wieder ohnmächtig.

Rowen gelangte an eine Straße, er war müde und hungrig. Die Wagen waren anscheinend in Richtung Norden abgebogen. Verzweifelt folgte Rowen der Spur. Als die Sonne aufging verwandelte er sich zurück. Er kam an ein Dorf, wo er sich ausruhte. Die Menschen erwachten gerade und so holte er sich etwas zu essen. Er setzte sich an einen Baumstamm und erlaubte sich eine kurze Pause. Dann lief er weiter.

Alira erwachte. Ihr taten alle Knochen weh und sie fühlte sich unheimlich schwer. Platt lag sie auf dem Boden, unfähig sich zu rühren. Man hatte sie in eine Zelle verfrachtet. Ihre Lunge schmerzte, der Schlauch befand sich nicht mehr in dieser. Die Vampirin hob den Kopf und sah sich genauer um. Die Wände und die Decke schienen aus Metall zu bestehen, der Boden war gefliest. Es gab kein Fenster, außer dem Kleinen in der Tür. Schwerfällig erhob sie sich und wankte darauf zu. Sie fasste die Klinke an und zuckte willkürlich zurück. Ihre Hand qualmte leicht von dem Silber, welches sie verbrannt hatte. <Verdammte Menschen>, fluchte Alira innerlich. Nur was wollten sie von ihr? Waren hier noch andere Vampire? Was würden sie noch mit ihr anstellen? Fragen über Fragen quälten sie. Erschöpft ließ sie sich wieder auf den Boden fallen. Sie zog die Knie an und legte ihren Kopf darauf ab. „Rowen.“, flüsterte sie leise. Der Gedanke an ihn gab ihr Kraft. Sie spürte die Blicke auf ihrem Körper. Langsam hob sie den Kopf und sah zur Tür hinüber. Dort stand schon wieder diese Professorin. Alira fühlte sich ausgedörrt. Sie hatte jetzt schon länger kein Blut mehr gehabt. Ihr Mund war trocken. Was würde sie jetzt dafür geben, an dem Hals dieser Person zu saugen. Der Blutdurst machte sie aggressiv und kampflustig. Zudem kam noch, dass sie kein Zeitgefühl mehr hatte. Sekunden fühlten sich an wie Minuten, Minuten wie Stunden. Neben der Frau erschien ein Mann. „Und? Wie macht sie sich?“, fragte er. „Oh, sie macht sich noch gut. Wollen wir mal sehen, wie lange sie es ohne Blut aushält. Irgendwie werden wir das Gen schon bekommen.“, selbstsicher lächelte sie ihn an. „Natürlich, wenn Sie das sagen.“, bestätigte er. „Sie wird uns schon das Geheimnis ihrer Unsterblichkeit preis geben.“, kaltherzig sah sie durch die kleine Scheibe auf die Vampirin, die sich in der Mitte des Raumes zusammen gekauert hatte. „Halten Sie es denn wirklich für Richtig, dass wir sie hungern lassen? Ich meine, das wird sie nicht lange durchhalten.“ Vernichtend sah ihn die Frau an. „Stellen Sie mein Wort in Frage?“, drohend baute sie sich vor ihm auf. „Nein, natürlich nicht. Das würde ich nie im Leben tun.“, katzbuckelte er und machte sich auf den Weg. „Männer.“, verächtlich sah sie ihm hinterher. Dann wandte sie sich wieder ihrem Forschungsobjekt zu. „Ja, meine Kleine. Du wirst uns reich und zudem noch unsterblich machen.“ Alira fauchte in ihre Richtung und senkte den Kopf dann wieder. Hoffentlich würde Rowen sie finden und retten.

Nach etlichen vergangenen Stunden sah der Assistent der Professorin nach Alira. Die junge Vampirin lag flach auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Ihr Gesicht war aschfahl und ihre Adern standen blau hervor. „Oh mein Gott, sie ist tot.“, keuchte er und befahl dem Wachmann, ihm die Tür zu öffnen. Schnell näherte er sich der jungen Frau und drehte sie auf den Rücken. Die Tür war hinter ihnen wieder geschlossen worden. Er beugte sich über sie und fasste ihr an den Hals. In dem Moment riss sie die Augen auf und stürzte sich auf ihr wehrloses Opfer. In einer einzigen Bewegung war sie über ihm, riss seinen Kopf nach hinten und versenkte ihre spitzen Zähne in seinem Hals. Er schrie noch auf, doch sein Schrei ging in einem erstickten Gurgeln unter. Alira sah mit einem wilden, unberechenbaren Blick zur Tür, während sein Blut auf den Boden troff. Die Professorin sah sie erschrocken an und verschwand. Alira ließ ihre Mahlzeit erst fallen, als er blutleer war. Dann wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund und trat in einer einzigen explosionsartigen Bewegung die Tür ein, die an dem Ende des Flurs gegen die Wand krachte. „Ausbruch in Sektor Q1. Ich wiederhole Ausbr....“ Es knackte entsetzlich laut, als Alira dem Wachmann das Genick brach. Dann setzte sie ihren Weg fort, auf der Suche nach dem Weg, der sie in die Freiheit führte. Es lagen etliche Gänge vor ihr und sie alle waren menschenleer. Dann wurde ihr Weg versperrt. Die Schleusen waren geschlossen worden. Auch hinter ihr schloss sich die Schleuse. Alira saß in der Falle. Mit ihren Fäusten hämmerte sie gegen das massive Metall, doch es bewegte sich kein Stück. Lediglich kleine Dellen blieben zurück. Die junge Frau hielt inne, als sie ein zischendes Geräusch hörte. Verwirrt sah sie sich um. Aus mehreren Leitungen entließen sie Gas. Alira hielt sich ihren Arm vor den Mund, doch sie begann bereits zu husten und zu keuchen. Ihre Sinne schwanden und sie begann zu taumeln. Dann gaben ihre Beine unter ihr nach und sie fiel in einen ruhelosen Schlaf.

Rowen war etliche Stunden unterwegs gewesen und hatte die kleine Stadt schon wieder verlassen. Sein Weg führte ihn weiter nach Norden. Er konnte spüren, dass es Alira nicht gut ging. Um so mehr beeilte er sich, um sie endlich aus den Klauen der Machenschaften der Menschen zu entreißen. Die Strasse führte durch ein Gebirge, doch nicht weit. Schon bald ging es wieder bergab und Rowen sah auf die Landschaft vor sich herab. Er blieb stehen und sah gebannt auf das ihm dargebotene Bild. Eine riesige Industrielandschaft tat sich vor ihm auf und schien kein Ende zu nehmen. Zahlreiche Schornsteine ragten in den Himmel, aus denen schwarzer Fabrikrauch quoll. Es stank nach Abgasen, Öl und anderen ebenso unerfreulichen Chemikalien. Doch Rowen wusste, dass er dort nach Alira suchen musste. Irgendwo in einem dieser Gebäude war sie und er würde sie finden. Egal, was es ihn kosten würde. Rowen machte sich an den Abstieg. Es wurde bereits wieder dunkel, doch die Sterne waren verdeckt. Eine dicke Dunstglocke hing über dem gesamten Tal und verwehrte einem den Blick auf das atemberaubende Firmament, was er ansonsten jeden Abend gesehen hatte. Bevor er die Fabrikstadt betreten würde, suchte Rowen sich ein ruhiges Plätzchen, wo er versuchte einige Momente schlafen zu können und neue Kraft zu sammeln. Schon bald fielen ihm die Lider zu. „Rowen!“, rief eine Stimme. Der junge Werwolf sah sich um. Er war wieder in dem düsteren Wald und lief zwischen den Bäumen auf einer bestimmten Fährte. „Alira!“ Plötzlich verwandelten sich die Baumstämme in Fabrikschlote, aus denen dunkel der Rauch quoll. Rowen hustete. Es stank erbärmlich und nahm ihm die Luft zum Atmen. Mit zusammengekniffenen Augen stolperte er vorwärts. „Rowen!“, schrie Alira schrill. Sie klang panisch und verängstigt. „Alira!“, rief er zurück und versuchte zu orten, woher ihre Stimme gekommen war. Aufeinmal lief er zwischen den Fabrikgebäuden umher und schien einer ganz bestimmten Spur zu folgen. Er rannte um eine Ecke und stoppte abrupt. Es regnete und vor ihm lag Alira. Ihr Blick war leer und sie schien leblos. Mit einem Satz war er bei ihr, nahm ihren Kopf hoch und legte ihn auf seinen Schoß. „Alira. Bitte sag doch was.“, flüsterte er verzweifelt und strich über ihre regennasse Wange. „Hilf mir, Rowen.“, hauchte sie kaum hörbar. Dann sank ihr Kopf zur Seite und ihr Körper erschlaffte. Alles wurde dunkel um den Werwolf und er erwachte aus seinem Traum.

Als Alira erwachte, fühlte sie sich genauso erschlagen, wie zuvor. In dem Raum, in dem sie war, herrschte gedämpftes Licht und sie lag auf einem Stuhl. Gefesselt und unfähig sich zu bewegen, kehrten ihre Lebensgeister zu ihr zurück. Wütend sah sie sich um. „Was soll das? Mach mich sofort los!“, rief sie sauer und starrte die Menschen an, die vereinzelt um sie herumstanden. Auch diese seltsame Frau war wieder da. „Wer zum Teufel sind Sie und was wollen Sie von mir? Sie haben kein Recht mich hier festzuhalten!“ Alira‘ s Stimme klang schriller, als sie es beabsichtigt hatte. „Ruhig. Wir wollen dich nur untersuchen.“, sagte die Professorin und kramte in einer Schublade mit dem Rücken zu ihr gewandt. „Sie haben nicht meine Erlaubnis dafür! Also lassen Sie mich gehen, oder Sie werden es bitter bereuen!“, brüllte Alira und ruckelte an ihren Fesseln. Doch diese waren aus massivem Metall und bewegten sich kein Stück. Die Frau drehte sich ihr wieder zu. Alira‘ s Augen wurden größer. „Wagen Sie es ja nicht...“, fauchte die Vampirin und versuchte sich so klein wie möglich zu machen. Dies schien die Professorin jedoch nicht zu beeindrucken. Sie fasste Alira am Hals und drückte ihr die Nadel der Spritze in den Hals. Vor Schmerz verzog sie das Gesicht, als man ihr das Blut abzapfte. „Jetzt dürfen Sie, meine Herren.“, nachdem sie die Spritze, gefüllt mit dunklem Blut, herausgezogen hatte, machten sich die anderen Menschen in dem Raum zu schaffen. Sie fassten ihre Arme und schoben die Ärmel nach oben. Verängstigt sah Alira ihnen zu. Ihr Atem ging schnell. Dann wurden ihr auf jeder Seite ein Venenzugang gelegt, an dem ein Schlauch angeschlossen wurde. Eine glänzende Flüssigkeit lief hindurch und drang in ihren Körper ein. Es war Alira, als wenn ihre Arme absterben würden. Sie waren kalt, wie das kälteste Eis, dass sie kannte und dieses Gefühl zog immer weiter nach oben. Alira‘ s Brustkorb hob und senkte sich immer schneller, sie hatte das Gefühl keine Luft mehr zu kriegen. Ihre Adern wurden tief blau sichtbar und man sah, wie die Flüssigkeit ihren Hals hinauf kroch. Alles um sie herum begann zu verschwimmen. „Das Silber scheint gut zu wirken.“, hörte sie noch. Dann wurde alles schwarz.

Rowen fühlte sich etwas frischer, nachdem er aus dem Traum erwacht war. Wenn er Alira sah, war es, als würde sie ihm Kraft geben. Er stand auf und klopfte sich den Staub aus der Kleidung. Die Sonne ging mittlerweile auf und streichelte ihn mit ihren Strahlen. Wärme durchdrang seinen Körper und gab ihm zusätzliche Energie. In den Fabrikhallen erklangen die lauten Geräusche der Produktion. Rowen ging den Abhang hinab und tauchte ein in die kühle Zwischenwelt zwischen den Fabrikgebäuden. Viele verdreckte Menschen liefen hier herum, kümmerten sich jedoch nicht um ihn. Rowen war dies nur recht. Immer weiter führte ihn sein Weg in das Labyrinth aus Gassen, Gängen und breiteren Straßen. Er hatte keinen Anhaltspunkt dafür, wo er anfangen sollte zu suchen. Einfach seinem Instinkt folgend, ging er voran. Mal wurde das Gefühl stärker, mal wurde es schwächer, dass sie ganz in seiner Nähe war. Es war schon Stunden her, dass er dieses schier undurchdringliche Gelände betreten hatte und immer noch hatte er keinen größeren Erfolg zu verzeichnen. Eine Gruppe von Arbeitern kam ihm entgegen. „Hey, ihr. Wisst ihr, ob irgendwo Untersuchungen bzw. Forschungen betrieben werden?“ Die Männer sahen sich an. „Du kommst nicht von hier, oder?“, fragten sie misstrauisch. „Ähm, ich bin neu hier. Und ich finde mich noch nicht hier so zurecht.“, log Rowen sich zurecht. „Das sieht man.“, grinste ein besonders verschmierter von ihnen. „Es gibt nur eine Forschungsstation hier. Aber dir das zu beschreiben, würde Stunden dauern und ich bezweifle, dass du dir das merken kannst.“, lachte er. Rowen sah ihn entnervt an. „In welcher Richtung liegt sie?“, fragte er. Neue Hoffnung keimte in ihm auf. Die Arbeiter deuteten hinter sich und Rowen machte sich schnellen Fußes auf und davon. <Ich komme Alira, halte durch.>, rief er in Gedanken und beschleunigte seine Schritte noch. Laufend durchquerte er viele Innenhöfe und passierte etliche Straßen. Das Gefühl, ihr näher zu kommen, wurde stärker. Und nicht nur das Gefühl wurde stärker, auch seine Kraft schien von Schritt zu Schritt immer mehr zu zunehmen. Es war bereits später Nachmittag, als Rowen sich eine Pause erlaubte und etwas aß. Er hatte sich eine Kleinigkeit mitgenommen und verschlang diese hastig. Dann machte er sich wieder sofort auf den Weg. Keine Sekunde mehr hielt er ohne Alira‘ s Gegenwart aus. Der Tag neigte sich dem Abend zu, als Rowen urplötzlich anhielt. Er stand vor einem Fabrikzaun, der zusätzlich mit Stacheldraht gesichert war und hinter dem sich ein flaches Fabrikgebäude erhob. Es gab hier keine Schornsteine. Die Mauern waren massiv und aus dickem Stahlbeton. Irgend jemand schien zu wollen, dass das, was hinter diesen Mauern gefangen war, unbedingt hinter diesen blieb. Rowen‘ s Herz klopfte. Hier musste es sein. Er spürte es ganz genau.

Der Angriff

Die junge Vampirin war wieder in dem Zylinder gefangen. Ihre Augen waren geschlossen. Man sah die blauen Adern, die wie eine Hand ihr Gesicht durchdrungen hatten. Wie leblos schwebte sie in der roten Flüssigkeit. Die Professoren nahmen Messungen vor und untersuchten ihr Blut. Ein Teil davon drehte sich in einem kleinen Röhrchen in einer Zentrifuge. Alira‘ s Körper war an einige Kabel angeschlossen worden, die stetig Daten an irgendwelche Computer übermittelte. Ihr Körper sah ausgelaugt aus. Plötzlich sprang eine rote Alarmsirene an. Die Professoren wirbelten wild durcheinander. Alira beobachtete sie durch ihre halb geschlossenen Lider, die sie geöffnet hatte, als sie ein seltsames Gefühl durchdrang. Die Männer schalteten einige Bildschirme an und starrten gebannt darauf. Ihre Minen verwandelten sich in helles Entsetzen. Alira riss die Augen auf, als sie das Gefühl wie ein Schlag durchzuckte. <Rowen!> Die Überwachungsbildschirme zeigten den schwarzen Werwolf, der begann, sämtliche Räumlichkeiten in seine Bestandteile auseinander zu nehmen. Alira schlug ihre Fäuste gegen das Glas, doch es hatte keinerlei Auswirkungen. Die Meßgeräte drehten durch. Ein weiterer, immenser Impuls ließ einen Kurzschluß die Verbindungen und Drähte durch schmoren. Die Professorin erschien und starrte auf die nicht mehr brauchbaren Gerätschaften. „Das ist es. Es ist so weit...“, murmelte sie. „Los! Wir müssen sie in das andere Labor bringen!“, fuhr sie ihre Kollegen an, die wild durcheinander rannten. Durch den harschen Befehl ihrer Chefin ordneten sie sich jedoch und begannen den Zylinder fort zu bewegen. Alira war verzweifelt. Hoffentlich würde Rowen rechtzeitig kommen. Wieder schlug sie gegen die Glaswand, in der feine Risse entstanden waren. Geistesgegenwärtig drückte die Frau einen Knopf und setzte Alira durch einen elektrischen Impuls außer Gefecht. Dann packten sie den Zylinder und verfrachteten sie in einen Transporter. Die Frau riss die Tür auf und sprang auf den Fahrersitz. Per Knopfdruck öffnete sich ein Tor und mit Vollgas preschte sie auf die nachtschwarze Straße. Rowen war rasend vor Wut. Und er ließ nichts heil zurück auf seiner Suche nach Alira. Er hielt inne. Sie entfernte sich von ihm. Brüllend preschte er durch die Gänge und zertrümmerte sämtliche Schleusen, die sich vor ihm schlossen. Immer mehr entfernte sich seine Geliebte von ihm und er musste sie unbedingt einholen. Koste es, was es wolle. Rowen durchbrach eine Wand und gelangte nach draußen. In einiger Entfernung stürmte ein Transporter mit quietschenden Reifen um eine Kurve und verschwand aus seinem Sichtfeld. Mit gewaltigen Sprüngen hetzte der Werwolf los und sprang von Gebäude zu Gebäude. Er würde Alira nicht noch einmal verlieren. Sie fuhren über die Strasse, auf der Rowen die Spur verfolgt hatte. Die Landstraße verlief gerade und machte erst nach einigen Kilometern einen Knick. Die Professorin drückte das Gaspedal bis zum Boden durch und der Wagen schoss über die Straße. Sie würde ihr Versuchsobjekt nicht kampflos aufgeben. Doch auch Rowen hatte nicht vor, Alira sang und klanglos davon fahren zu lassen. Vor allem nicht in der Gewalt dieser abscheulichen Menschen. Sie waren schon etliche Kilometer gefahren, als die Frau etwas hörte. Es war ein regelmäßiges, dumpfes Schlagen. Ob einer der Reifen einen Platten bekam? Das wäre das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Aufeinmal gab es einen Aufprall und der Transporter wurde nach unten gedrückt. Rowen war auf dem Dach gelandet. Dann riss er die Flügeltür des Lieferwagens auf und verschwand in seinem Innern. Der Transporter begann zu schlingern. Seine Augen nahmen eine sanfte Form an, als er Alira erblickte, die in der roten Flüssigkeit trieb. Mit einem Hieb zerstörte er die Scheibe und ein Schwall der schleimigen Brühe ergoß sich in den Laderaum. Rowen packte Alira und zog sie vorsichtig hinaus. Dann entfernte er die Kabel und den Schlauch, der in ihrem Mund steckte. Er sah die Adern, die immer noch blau hervorstachen und ein erneuter Schub von Wut durchdrang seinen Körper. Mit seinen starken Armen drückte er sie an sich und verließ den außer Kontrolle geratenen Transporter, der wenige Sekunden später gegen den nächstbesten Baum prallte und augenblicklich in Flammen aufging.

Der schwarze Werwolf sprang auf und davon in die Nacht. Immer schneller trugen ihn seine Füße weg von dem Ort des Geschehens. Erst als sie einige Wegstrecke zurückgelegt hatten, wurde Rowen ruhiger. Sie erreichten den Wald und tauchten in deren schützende Dunkelheit ein. Alira lag immer noch regungslos in seinen Armen. Vorsichtig legte er sie auf einen großen Flachen Stein ab, der neben einem Weiher lag. Dann schöpfte er mit seiner Pfote Wasser und ließ es über ihr Gesicht laufen. Die schöne Vampirin rührte sich immer noch nicht. Besorgt beugte sich Rowen über sie und strich ihr über die Wange. Alira‘ s Augenlider bewegten sich. Ganz langsam öffnete sie die Augen. „Rowen.“, lächelte sie schwach und hob ihre Hand, um ihm über den Kopf zu streichen. „Ich liebe dich.“, hauchte sie. Der Werwolf fiepte und schloss genüßlich die Augen. Er öffnete sie erst wieder, als er merkte, wie ihre Hand erschlaffte und wieder auf den Boden sank. Alira hatte die Augen wieder geschlossen und ihr Kopf war zur Seite genickt. Vorsichtig nahm Rowen sie wieder in seine Arme und verließ den Weiher. Stetig näherten sie sich dem Herrensitz, den Alira ihr zu Hause nannte. Aufeinmal hörte Rowen etwas hinter sich. Er wandte den Kopf um. Ein anderer Werwolf stand da und knurrte ihn an. „Du elender Verräter. Du hast deinen Clan verraten, als du dich mit einer von ihnen verbündet hast.“ „Ich habe meinen Clan nicht verraten. Nur weil ich eine von ihnen liebe, verrate ich meine Freunde nicht.“ Rowen legte Alira auf den Boden und näherte sich mit gesträubtem Nackenfell und hochgezogenen Lefzen dem feindlich gesinnten Kameraden. Dieser griff zuerst an und stürzte sich auf Rowen. Die beiden Werwölfe fielen übereinander her und verbissen sich ineinander. Sie fügten sich mit ihren Krallen tiefe Kratzspuren zu. Dann gingen sie wieder auseinander, um wieder aufeinander losgehen zu können. Mit einem kräftigen Hieb riss Rowen seinem Gegner den Brustkorb auf. Blut spritzte. Aber auch er musste einstecken. Einige klaffende Wunden bluteten auf seinem Oberkörper. Aufeinmal sah der andere Werwolf hinter ihn. Er hörte, wie ein metallenes Schleifen erklang und viele Schwerter gezogen wurden. Die beiden Werwölfe wollten in dem Dunkel der Nacht verschwinden, doch ihre Fluchtwege waren abgeschnitten. „Ihr habt sie umgebracht, ihr elenden Monster!“, rief einer der Vampire. Alira lag immer noch da und rührte sich nicht. Blut der beiden Kämpfenden war auf sie gespritzt und es sah so aus, als wenn sie schwer verletzt wäre. Zwei Vampire packten Alira unter den Armen und zogen sie zu sich. Rowen blickte sich verzweifelt um. Er fand keine Gelegenheit zur Flucht. Die Vampire schritten auf sie zu. „Jetzt werdet ihr dafür bezahlen.“ Rowen knurrte und machte sich auf den Angriff bereit. Mit ein paar Sätzen waren die Vampire bei ihnen angelangt und holten zum Angriff aus. Die beiden Werwölfe versuchten auszuweichen, was jedoch nicht stets klappte. Sie jaulten laut auf, als das Silber sie mehrere Male traf. Der andere Werwolf ging zuerst zu Boden und wurde mit einem Schwerthieb ausgelöscht. Sein Blut sickerte auf den Boden und bildete eine Lache. Rowen hob den Kopf zu einem langgezogenen Heulen. Lisk drängte sich nach vorne. Der schwarze Werwolf wandte sich ihm zu. Dann griff der Vampir ihn an. Es wurde ein unerbittlicher Kampf. Mit einer blitzschnellen Bewegung durchbohrte er mit seinem Schwert Rowen‘ s Oberkörper. Dieser gab ein ersticktes Quieken von sich und verpasste seinem Feind mit den Krallen einige ansehnliche Scharten in seinem Gesicht. Lisk taumelte zurück. Rowen wankte. Das Blut quoll aus der tiefen Wunde und schien kein Ende zu nehmen. Erneut griffen den Werwolf einige Vampire an und brachten ihn an den Rand seiner Kräft

Das Ende, wie es keiner erwartete

Nach weiteren Wunden brach er auf dem Boden zusammen. Hinter dem grausamen Szenario bewegte sich etwas. Ein langgezogenes, schrilles „Neeeeiiiiiiiiinnn!!!!“, ließ die Köpfe der Vampire mit einem Ruck herum wirbeln. Alira war erwacht und taumelte auf sie zu. Rowen lag auf dem Boden. Sein Atem ging rasselnd. Dann verwandelte er sich zurück. Sie sank neben ihn zu Boden und starrte fassungslos auf die tiefen Wunden, aus denen das Blut rann. „Was habt ihr getan?!“, rief sie. „Alira.... wir haben dich gerettet...“, stammelte Lisk verständnislos. „Seid ihr denn blind? Er war es, der mich gerettet hat! Nicht die Werwölfe haben mich entführt! Es waren die Menschen...“ Die Vampire sahen sich verwirrt an. Rowen‘ s Brustkorb hob und senkte sich hektisch. Sie nahm seine Hand, hielt sie an ihre Wange und schloß verzweifelt die Augen. „Bitte Rowen, verlaß mich nicht.“, hauchte sie. „Alira... ich liebe dich...“, keuchte er. „Ich liebe dich auch.“, lächelte sie unter Tränen. Langsam sackte sein Kopf zur Seite. Sein Brustkorb hörte auf sich zu bewegen und seine gelben Augen wurden leer. Die Außenstehenden sahen dem Szenario entsetzt zu. Fassungslos starrte die Vampirin ihn an. „Rowen.... lass mich nicht alleine...“, wisperte sie. Weinend brach sie auf seinem Brustkorb zusammen. Ewige Momente schienen so zu vergehen. All die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, sollte so zu ende gehen? Das war nicht fair. Gerade jetzt, wo sie wieder zueinander gefunden hatten. Das durfte einfach nicht wahr sein. „Alira, komm mit.“, sagte Lisk leise und fasste sie an der Schulter. „Niemals!“, rief sie und kratzte ihn mit ihren Nägeln. Mit einem Ruck zog er seine Hand zurück. „Alira, bitte. Die Sonne geht gleich auf.“, bat Lisk sie. „Dann soll es so sein.“, sagte sie mit bebender Stimme. Kopfschüttelnd wandten sich die Vampire ab. „Verräterin.“, murmelten einige. Lisk stand immer noch da und sah sie an. „Bitte, komm. Sie werden es verstehen, wenn du es ihnen erklärst“, sagte er. „Was? Was werden sie verstehen? Dass ich einen von ihnen geliebt habe? Niemals. Sie werden mich verstoßen oder gleich töten. So wähle ich den Freitod neben meinem Geliebten.“, sagte sie bitter. Lisk senkte den Kopf. Dann wandte auch er sich um und entfernte sich mit schnellen Schritten. „Oh, Rowen. Ich werde neben dir sterben. Das einzige, was uns im Leben nicht gegönnt war, vereint uns im Tod. So sterbe ich mit dir im Licht der aufgehenden Sonne. Auf das es uns ewig vereint.“, flüsterte sie und küsste ihn ein letztes Mal auf die kalten Lippen. Dann nahm sie seine Hand in ihre und hob den Kopf gen Sonnenaufgang. Die ersten Strahlen berührten die Erde und trafen auf den Körper der Untoten, der anfing hell zu strahlen und dann zerfiel. Ihre Asche wehte mit dem Wind der Sonne entgegen und ließ die Liebe der Zwei unsterblich werden.
 

The End



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  FinAP
2007-07-25T11:35:26+00:00 25.07.2007 13:35
*angekraucht komm*
*klupschend aus der Schleimspur rauskrabbel*
Erst ma Tach!
Also du hast nicht übertrieben, als du meintest, dass es schnulzig wird. An manchen Stellen habe ich wirklich geglaubt, du hättest irgendwas intus, dass du so schnulzig schreibst, aber die anderen Sachen waren echt geil.
Respekt!! Der Stil ist leicht zu lesen, auch wenn die Leutchen ein wenig geschwollen reden, aber das macht das ganze authentischer (oder wie man das schreibt.^^). Der Kampf zwischen den WErwölfen und Vampiren ist nicht ganz so klar rüber gekommen, abgesehen von den Konflikten zwischen Lisk und Garan und am Ende.
Ein Rätsel ist mir noch, wer nun für das Verschwinden der Vampire verantwortlich ist, wenn nicht die Werwölfe?! Oder war es die Wissenschaftlerin? *überleg*
Die Storyline ist echt spannend, auch wenn ich mich an manchen Stellen echt zusammenreißen musste um weiterzulesen. Aber dann kam wieder eine Stelle, die ich unbedingt lesen musste. *glänzende Augen bekomm*

Gesamtnote: 1++++++++++********

*grin* Werd auf jeden Fall schon mal die WErbetrommel für deine Story rühren.
CU Fin


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