One Shot into the Blue von Leia_de_Flourite (Der handliche Happen NCIS für zwischendurch...) ================================================================================ Archangel --------- @lissi: Seamonkeys sind kleine Krebse, die in grünem Wasser schwimmen, die einzigen Haustiere, die Tony je hatte. Seine Ma hielt sie für Mundwasser und hat sie versehentlich getrunken. Background: Semper Fi (Hiatus II) – the Fall and Rise of L.J. Gibbs after his Crisis. This is more likely a rather long Short Cut... because before I knew what happened it wasn’t a One Shot anymore, it was a Two Shot. And then a Three Shot. And so on… Geez, I should learn to come to a Point! 1 Well I guess I should stand up for myself But I really think it’s better this way The more you suffer The more you show you really care Right? (The Offspring, “Self-Esteem”) Mexikos Sonne ist gnadenlos in ihrer Güte auf jeden herab zu scheinen. Sie sorgte dafür, dass der Alkohol im Blut die schlimmstmöglichen Nebenwirkungen zeigte, sie verspottete jene, die Trauer trugen und ließ jegliche Art von Bewegung so unlukrativ wirken wie noch nie. Sie verwandelte die Luft in der kleinen Cantina in eine stickige Wolke, die jeden Atemzug zur Strafe machte. Welch Ironie also, dass ausgerechnet eine Band namens „Snow Patrol“ es bis in die hiesigen Radiosender geschafft hatte. Jethro kümmerte das wenig, immerhin war sein Zufluchtsort ein eher traditioneller und ihm blieb daher die musikalisch verarbeitete amerikanische Sentimentalität erspart. Hier pulsierte das Leben und das Elend gleichermaßen und deshalb fügte der Ex-Marine und –Bundesagent sich auch so perfekt in das Gesamtbild, umso mehr, da man hier jeden Fremden wie einen Freund behandelte. Es war eine Wohltat, dass er kein Spanisch verstand und somit die Gesprächsfetzen des Radios zu einer netten, bedeutungslosen Geräuschkulisse seines Alkoholkonsums wurde. Natürlich war er nicht glücklich in seinem Ruhestand, dieser selbst gewählten Isolation von fast allem, das er gekannt hatte, aber um Glücksseligkeit war es ihm auch nie gegangen. Er hätte sie auch nicht gefunden, wenn er in Amerika geblieben wäre, aber so blieben ihm wenigstens die Fragen erspart. Gibbs hatte keinen Zweifel daran, dass während seines kurzen Komas seine gesamte Lebensgeschichte vor den Mitgliedern seines Teams ausgebreitet worden war. Seines ehemaligen Teams, ermahnte er sich selbst. Er fühlte sich keineswegs schuldig, dass er so unvermittelt gegangen war, immerhin wusste Jethro, dass sie in guten Händen waren und für sich selbst sorgen konnten. Die Erinnerungen an diesen Abschied waren die einzigen, die den NCIS betrafen und sein emotional geschädigtes Herz zu berühren vermochten, allein weil sie sich als so hartnäckig erwiesen. All die anderen Bilder, auch die, die unmittelbar aus der Vergessenheit wieder auftauchten, wurden vom Dunst der Trunkenheit zu einer obskuren Dia-Schau reduziert, auch wenn Abby jetzt wohl eher bemerken würde, dass Ethanol ein eher schwaches Reduktionsmittel sei, gerade stark genug, um die leicht beeinflussbaren Übergangsmetallionen von Kobalt und Nickel in ihren zweifach positiven Zustand zu überführen. Abby. Sie war am entrüstetsten über seine Entscheidung gewesen und würde es wohl immer noch nicht wahr haben wollen. Der Vorwurf, die Trauer… er wollte das nicht mehr sehen. Wollte nicht, dass es ihn kümmerte. Nur eine Person war frei von diesen Emotionen gewesen und ihr Lächeln schien er auch jetzt noch zu spüren, obwohl er gesehen hatte, wie sie nur kurz zuvor gedankenvoll zu Boden geblickt hatte, um das volle Ausmaß der Situation zu verstehen. „Ich steh’ in deiner Schuld, Ziva,“ war alles, war er hatte sagen können, der Anfang einer langen Liste, so hatte es den Eindruck, da noch so vieles unausgesprochen zwischen ihnen lag. Er hatte keine tröstenden oder aufmunternden, lobenden Worte oder Gesten für sie gehabt wie für die anderen und bedauerte es zutiefst. „Ich werd’ dich dran erinnern.“ Sanftes Lächeln, nur ein kurzes Zögern bevor sie ihn zum ersten Mal bei seinem Vornamen angesprochen hatte; für den kurzen Blickkontakt den sie teilten, vermittelte sie ihm die Zuversicht, dass das nicht das Ende war, nicht das Lebewohl. Danach, als er sich zum Abschied noch einmal umgewandt hatte, schien sie ebenso verlassen wie die anderen auch. 2 ich wache auf, weil niemand redet niemand hört zu, niemand ist da und wenn ich könnte, würde ich leugnen dass ich noch bin, wo ich schon war und vielleicht gehe ich nie doch du kommst mit mir irgendwie es ist egal, wohin ich will ich möchte schreien und bleibe still und das kann ich nicht ändern (Juli, “egal wohin“) Wir haben nun Teil gehabt an der Misere eines Mannes, den wir alle schätzen. Merkt euch diesen Eindruck und merkt ihn euch wohl, denn das Drama führt zum Alkohol und der Alkohol zum Drama. Dies ist der Schlüssel zum folgenden, so wie Ziva David der Schlüssel zur Tür seiner verdrängten Erinnerungen gewesen war. Nun, dieser Teufelskreis, in dem Gibbs sich zu diesem Zeitpunkt, den wir betrachten wollen, befand; er war auch zu betrunken um etwas dagegen zu unternehmen, dennoch gestattete seine großartige Beobachtungsgabe, seine eigene missliche Lage einzusehen, aber der Schritt zur Besserung blieb ihm verschlossen. Also tat er das einzige, das zu tun er imstande war; ein letzter Akt des Schöpfens in diesem destruktiven Lebensstil: er baute an seinem Boot. Na ja, eigentlich war es nicht sein Boot, es war nicht Kelly. Es war ein Ersatz, so wie alles hier ein Ersatz war für ein Leben, das er sich nie zu führen gestattet hatte, also trank er und redete mit Mike, fischte, zwang sich regelmäßig seine Mahlzeiten einzunehmen auch wenn der hiesige Fusel die Geschmacksnerven betäubte und redete sich ein, dass alles richtig sei, so wie es war. Nicht gut – richtig. Aber der Teil von ihm, der daran zweifelte und regelmäßig ihm Alkohol ertränkt wurde – letztendlich doch ohne zugrunde zugehen, wenngleich jedes Mal kurz davor – dieser Teil griff die ganze Zeit nach einem Rettungsring. Es war der einzige Bereich, der in seiner Verzweiflung über allen Stolz erhaben war und es sich gestattete, um Hilfe zu bitten, indem er das Glimmen der Hoffnung fand, das im sich verdüsternden Bewusstsein des Marines fest gesetzt hatte. Es war so subtil und zerbrechlich, da es nur aus wenigen Worten bestand und es einer Menge an Aufwand bedurfte, um es aufleuchten zu lassen. Jethros Widerwillen für das Trinken begann fast zusammen mit der Veränderung seiner Träume. Auch wenn er sich tagsüber von seinen Erinnerungen abschotten konnte; nachts war er ihnen ausgeliefert. Nur dass nun weit angenehmere Momente aufklangen, Momente, in denen er fröhlich gewesen war, auch wenn es ihn beim Aufwachen deprimierte, dass keines dieser Bilder von Shannon oder Kelly handelte. Wie denn auch? Immerhin konnte er nicht an sie denken, ohne wehmütig zu werden. Sie konnten ihn nicht mehr retten. Und so trank er weiter, um diesen Umstand zu vergessen (bei manchen Heilmitteln musste es nun mal erst schlimmer werden, bevor es besser wird), aber die Dösigkeit brachte die Bilder nur zurück, in Fragmenten: ein Wimpernaufschlag, ein Lächeln. Vor allem aber die Stimmen und das Lachen. „Ich werd’ dich dran erinnern, Jethro.“ Nein, würde sie nicht, dazu verstand sie seine Entscheidung zu sehr. Dennoch ertappte er sich immer wieder dabei, wie er die Telefone in seiner Umgebung anstarrte, als könne er sie mit Telepathie zum Klingeln zwingen. Oder als könnten seine Gedanken die Person erreichen, die die Geräte dazu bringen konnte. Und irgendwie dachte er jedes Mal: ’Na los doch. Ruf endlich an; worauf wartest du? Ich sagte, ich wäre dir einen Gefallen schuldig, also warum forderst du ihn nicht einfach ein? Warum forderst du nicht meine Rückkehr ein?’ Auf die Antwort wartete er vergebens. Auch die Stimmen gaben keine Antwort denn sie konnten nur wiedergeben, was bereits geschehen war. „Und ich bin an Ihrer Seite?“ – „Ich weiß nicht, Ziva. Sind Sie es?“ „Also heiraten Sie wirklich?“ „... dann treten Sie mir in den Hintern.“ „Krieg’ ich denn gar keine Kopfnuss?“ „Was denken Sie, Gibbs?“ „Wäre es zuviel verlangt, dafür etwas Respekt zurück zu erwarten?“ „Wenn Sie hier bleiben, gehe ich auch nicht.“ „Ich werd’ dich dran erinnern...“ Wie oft er das auch durchlebte, immer kam es auf einen Punkt hinaus. DIESEN Punkt. Und solange das sich nicht erfüllte, solange das Telefon für ihn schwieg, war es besser die Stimmen los zu werden. Also trank er Kaffee um sich wach zu halten, Kaffee um nüchtern zu werden und irgendwann trank er ihn wieder des Genusses wegen. Und alles wurde schlimmer. Gibbs wurde sich der Menschen um sich herum wieder bewusst. Es machte deutlich, dass ihm etwas fehlte. Wenn er doch einschlief, dann verstummten die Stimmen, aber die Bilder kehrten zurück. Sie bedurften keines Kommentars, keiner Laute, denn sie sprachen für sich selbst: die klagenden Blicke seines Teams bei seinem Abschied. Ziva, fast weinend an seinem Treppenansatz im Keller. Ihr hilfloser Blick im Angesicht von Brian Dempseys unbeabsichtigtem Tod. Ihre schlanke Gestalt schluchzend ich seinen Armen, als sie ihn auf so schmerzliche Weise aus der Vergessenheit befreite. Sie hatte in der Nacht seinen Arm erfasst, um ihn zu wecken. Nein, vielleicht war das nicht einmal das primäre Ziel der Geste gewesen, vielleicht hatte die Israeli sich einfach nur davon überzeugen wollen, dass er wirklich lebte, dass das real war. Und was musste es sie wohl gekostet haben, überhaupt erst in das Krankenhaus zu kommen. Er hatte in ihrem Blick gelesen, dass sie ihn nicht so sehen wollte, nicht in diesem schwachen, kränklichen Zustand. Das bedeutete, dass sie während der laufenden Ermittlungen auch nicht da gewesen war. Warum? Jethro meinte einen möglichen Grund dafür zu kennen; Verlustängste waren durchaus plausibel, wenn man bedachte, dass sie nahezu ihre gesamte Familie verloren hatte und sich von der einzigen Person, die übrig geblieben war, distanzierte. Aber diese Annahme setzte voraus, dass sie mehr für ihn empfand als nur für einen Vorgesetzten. Aber da er sich diese Hoffnung nicht zu machen wagte, sagte er sich, dass sie sich mit ihm wohl nur identifiziert hatte, denn in ihren Lebensläufen gab es einige Parallelen. Es wäre wirklich an der Zeit, anzurufen. Er musste den Gedanken verdrängen, dass es ausgerechnet SIE war, um die sein Geist fortwährend kreiste, sein gesamtes Denken war eingenommen von diesem Versprechen. Aber irgendwann in den darauffolgenden Tagen fand er wieder zu alter Form zurück, zumindest soweit, dass er nicht mehr auf sie wartete, sondern einfach nichts tat, in dem Gedanken, dass es soweit wäre, wenn es denn soweit wäre. Und mit einem Grinsen malte er sich die Argumente aus, mit der er ihr seine Rückkehr auszureden versuchen würde. Es waren diese Diskussionen, das Konkurrieren ihrer beide Dickköpfe, das ihm so fehlte. Sie war die Einzige, die aus Respekt nicht nachgab. 3 Nobody can get over you, ‘cause everything I see is you And I don’t want no substitute Baby I swear it’s deja vu I’m seeing things that I know can’t be Am I dreaming? When I saw you walking past me, almost called your name (Beyoncé Knowles, “Deja Vu”) Er gewann seinen Appetit wieder. Machte sich keine Sorgen mehr. Ja, Gibbs erwiderte sogar das Flirten dieses reizenden Botenmädchens, in das Franks so verschossen war. Er meinte es eigentlich nicht ernst, genauso wenig wie sie; es war ihr Weg, Mike zu triezen und so zu erreichen, dass er seine Lebensumstände änderte. Denn mal ehrlich: welche hübsche, junge Frau brannte schon mit einem Mann durch, der in einem selbst zusammen geschusterten ’Häuschen’ lebte? – Richtig, keine! Es war einer der schlimmeren Tage, an dem das Schicksal, an das Gibbs nicht glaubte, hemmungslos zuschlug. Er hatte sich ausnahmsweise ein Bier bestellt, kurz nach Mittag und die Hitze machte ihm schwer zu schaffen. Nicht nur, dass er die eine Flasche Alkohol zu spüren bekam als wären es zehn, die Sonne weckte auch gewisse Triebe in den Menschen (eine Erfahrung, von der auch eine gewisse Berliner Raggae-Band zu berichten weiß), Triebe, für die sie sich nachher verfluchten. Im Prinzip hatte das nichts mit Hormonen oder der Lust selbst zu tun; die Wärme an sich reichte als Reiz aus, um bei Männern, insbesondere bei jungen, eine entsprechende körperliche Reaktion in der Lendenregion hervor zu rufen, was zu vollkommen ungewollten und schrecklich unangenehmen Situationen führen konnte. Jethros reifes Alter rettete ihn vor einer solchen Blamage, aber die Tatsache, dass er umgeben war von jungen schwitzenden Frauen, die in heller knapper Kleidung ausgelassen tanzten – als wollten sie den Temperaturen spotten – nun, das half auch nicht gerade. Er musste sich einfach eingestehen, dass in seinem Leben die Romantik fehlte, die die meisten Menschen vor solch profanen Gefühlen schützte. Kreisende Hüften, ekstatische Gesichter, auf denen der Schweiß stand... warum nur waren die Menschen in Lateinamerika so bekannt für ihre aufreizenden Tänze? Das war ein Fluch, wenn man allein war. Dabei kam es hin und wieder vor, dass eine Frau ihm Avancen machte, aber er ließ nichts davon an sich ran, auch wenn das seiner ganzen Willenskraft bedurfte, denn das Verlangen war da und mit ihm das Schuldgefühl, dass es nichts mit den Frauen selbst zu tun hatte. Er wollte sie nur, weil er eigentlich jemand anderen wollte, auch wenn er sich das selbst nicht eingestand. In Schweden wäre ihm das nie passiert; ort war ein Großteil der Frauen (und Männer) schlank, blond und hoch gewachsen. Nur hier hatte er dieses elysische Bild ständig vor Augen: braune, bis schwarze Haare und Augen, Locken in allen Ausführungen und Abstufungen. So viele junge Damen, die täglich an dem ehemaligen Special Agent vorbei schritten, sahen aus, als gehörten zur Familie einer gewissen Israeli, die er kannte. Oder hieß es mittlerweile schon ’gekannt hatte’? Er wusste es nicht. Erst zwei Tage zuvor hatte ihn eine junge Frau um eine Wegbeschreibung gebeten, die anstatt einer Antwort sekundenlanges ungebührliches Starren seinerseits über sich hatte ergehen lassen müssen. Die Ähnlichkeit zu Ziva war erschreckend, wie zweieiige Zwillinge. Es hatte sich herausgestellt, dass sie einer Gruppe junger Israeliten auf der Durchreise nach Chile angehörte. Dies schrie geradezu nach Schicksal, meinetwegen Zufall oder einem Zeichen, aber da Gibbs all jene Dinge so vehement ablehnte, wusste er nicht so recht, wie er es einordnen sollte. Also konnte man es ihn an jenem heißen Tag, auf den wir nun unseren Fokus zurück führen, wirklich nicht verdenken, dass er so wenig Notiz wie möglich von seiner Umwelt nehmen wollte, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten, nicht einmal von der Muse im weißen Sommerkleid, das nur bis knapp über ihre Oberschenkel reichte und die zwei Barhocker neben ihm Platz nahm. Allein, was er aus den Augenwinkeln von ihr erkennen konnte, genügte um seinen Puls anzutreiben. Das dunkelbraune Haar fiel in sanften natürlichsten Locken auf ihren Rücken. Selbstbewusste Haltung, an den Füßen ein Paar weiße, mit perlmuttfarbenen Perlen und Pailletten bestickte High-Heel-Sandalen, die den Eindruck erweckten als bedürfe es eines überirdischen Wesens, um sich darauf fort zu bewegen. Er bezweifelte keine Sekunde, dass sie eines jener Mädchen war, die aussahen wie Erzengel und weder Schmuck noch Schminke brauchten um den männlichen Wesen den Verstand zu rauben und dann jedem einzelnen von ihnen das Herz zu brechen, weil sie bereits ’Den Einen’ gefunden hatten. Und dabei waren diese himmlischen Wesen sich ihres gefährlichen Zaubers nicht einmal bewusst, deshalb kann Eitelkeit auch ihre Seele nicht schänden – ihr Erstaunen wenn man ihnen die Welt zu Füßen legte war echt. Jethro konnte einen Engel nun wirklich gebrauchen, aber wenn er sich darauf einließ, dass sein pures Verlangen sich mit der Sehnsucht nach dieser Seligkeit mischte, würde er diesem besonders reizenden Exemplar nur die Flügel brechen und zurück lassen müssen, weil er die Folgen nicht ertragen konnte. Er hatte einfach keinen Erzengel verdient. Sie waren Gottes Liebste in Seinem Reich. Der Barkeeper fragte sie, was sie wollte. Natürlich war ihre Stimme verführerisch genug, um den Leibhaftigen höchst selbst dahinschmelzen zu lassen (nicht, dass sie an die Macht Satans glauben würden, das mussten jene, denen Gottes Liebe galt, nie) und natürlich bestellte sie „Sex on the Beach“. ’Bei meinem Glück...’, dachte Jethro verbittert. Männer fassten jede so unbeabsichtigte Zweideutigkeit als Aufforderung oder Anspielung auf, nur die gezielten übersahen sie. Das war die Grundlage aller Missverständnisse. Es hatte jedoch nichts mit Mehrdeutigkeit zutun, dass sein Herz stehen blieb. Es hielt an, um zu lauschen, um jedes störende Geräusch auszumerzen, selbst das Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Er musste sicher sein, dass er sich nicht verhört hatte, jede Nuance der Stimme zählte. Die Sinne konnten so leicht getäuscht werden und bei all diesen Doppelgängerinnen und unbeabsichtigten Zwillingen in diesem Land, konnte das neben ihm nicht Sie sein, nicht hier, nicht für ihn. Er war nicht nur einmal dieser Hoffnung erlegen, aber das hier traf ihn unvorbereitet. Gibbs hatte nicht damit gerechnet, dass er schon so geschädigt war, dass er halluzinierte. Sie war zu perfekt, um keine Halluzination zu sein. „Und ich hätte noch gerne einen Kaffee für den Herrn neben mir. Schwarz und kräftig, die aromatischste Sorte, die sie haben, perfavore.“ Der Barkeeper verschwand in sein Refugium um der Bestellung nachzugehen. Und der einstige Special Agent war allein mit ihr, wirklich allein. Indem sich ihre Augen trafen, das stählerne wenngleich durch die jüngsten Umstände etwas verwässerte Blau und das erdverbundene, dunkle Braun, entrückte alles um sie in Bedeutungslosigkeit. 4 »... und es war schmerzhaft klar, daß sie eine Illusion waren. Sie bestanden einfach nicht aus demselben Stoff wie alles andere um sie herum. [...] Es war Gott, der mit dem Teufel sprach und dem Teufel sagte, er müsse den Job weiter machen. Und der Teufel wollte nicht. Er erklärte, seine Dienstzeit dauere bereits zu lange. Es passiere ihm das gleiche, was allen anderen auch passiert sei. Gott sagte, Er verstehe das, aber der Teufel müsse doch wissen, wie wichtig er sei; er könne sich nicht einfach vor seinen Aufgaben drücken, so einfach gehe das nicht. Gott brauche ihn und er brauche ihn stark.« (David Talbots Vision von Gott und Teufel in einem Pariser Café – Anne Rice, „Nachtmahr“) Es war die perfekte Illusion, voll süßen Schmerzes ob ihrer Echtheit. „Hallo, interessanter Fremder.“ Ein leichter Hauch von Spott, der in dem letzten Wort lag, dazu das herausfordernde Lächeln: es war Ziva David durch und durch und noch viel mehr; als hätte sein Hirn besonders jene Eigenschaften hervorgehoben, die ihn schon immer fasziniert hatten und so ihre Anziehungskraft um das doppelte erhöht. Jethro hatte Angst das Trugbild zu zerstören, wenn er ihren Namen ausspräche, auch wenn er wusste, dass der Fortbestand dieses Zustandes gefährlich für seine Geistesverfassung war. Aber der dünne Stoff, der die Beiden von der Umwelt abschirmte, riss bereits; gedämpft drangen die Geräusche der Cantina wieder zu ihm vor und der Barkeeper brachte die Getränke. Bereits der Duft des Kaffees war derart belebend , dass Gibbs schon fast zu glauben wagte, dass das, was gerade passierte, echt war. Real. Er würde die Hand ausstrecken und ihre weichen Locken zwischen seinen Fingern spüren können, wenn er wollte. Er hätte sie küssen können. Der Drang dazu war unglaublich stark in ihm, aber der Bundesagent in ihm berief sich darauf, dass Affären mit Arbeitskollegen, und seien es nur ehemalige... etc. Der Teil von ihm, der nicht mehr Bundesagent sein wollte, verfluchte sich für dieses Überbleibsel der Arbeitsmoral. Seine Hände umschlossen den Becher mit dem schwarzen Lebenselixier und die Wärme, die sie durchfloss, brachte ihn wieder etwas auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie war also hier. Das war der Moment, in dem sie ihm Fragen stellen, ihm Vorwürfe machen könnte. Sie könnte seine Schuld einfordern, indem sie ihn zu überreden versuchte, zurück zu kehren. Aber sie tat nichts von alledem. Warum? ’Vielleicht,’ überlegte er sich, ’liegt es daran, dass es an der Zeit ist, dass DU etwas sagst, Idiot!’ Gibbs war klar, dass seine plötzlich ausgedörrte Kehle nichts mit den schwülheißen Temperaturen zu tun hatte. Er nahm dennoch einen kräftigen Schluck von seinem Kaffee, allein, weil es ihn beruhigte, und sagte dann langsam, ohne sich großartig die Mühe zu machen seine Überraschung zu verbergen: „Du hast mich gefunden.“ Keine weltbewegende Feststellung, aber wenigstens brach sie das Eis. „Ich bin Spionin, schon vergessen? Es ist ein Kinderspiel gewesen, per Satellit dieses Gebäude aufzuspüren, dein Boss hat die Telefonnummer von Carlos Cantina als Referenz angegeben in der Bank, an die seine Pensionierungsgehälter geschickt werden. Die Direktorin hat die Nummer schon vor ungefähr einem Monat ausfindig gemacht um Franks zu bewegen in die Staaten zu fliegen. Das hat er dir doch sicherlich erzählt, oder?“ „Ich muss es wohl in all der Aufregung vergessen haben,“ erwiderte er barsch, unliebsamer als beabsichtigt. Es war nur so: in dem einem Jahr, in dem sie miteinander hatten arbeiten dürfen (und zumindest nach dem zu urteilen, an das er sich erinnern konnte), hatte es nie auch nur eine Gelegenheit für ein privates Gespräch gegeben, nur sie zwei. Denn was sie voneinander erfahren hatten, war meist Folge der Umstände gewesen; Dinge, die man eigentlich nicht hatte preis geben wollen oder aber nachzufragen hätte bedeutet, denn anderen zu verletzen. Deshalb weigerte Jethro sich zu akzeptieren, dass jetzt, da die Bedingungen günstiger waren, sich nichts zu sagen hatten, das nicht den NCIS betraf. Man konnte es Ziva ansehen, dass sein Tonfall sie gekränkt hatte und irgendwie tat es ihm sofort leid, was er gesagt hatte. Immerhin war es ja nicht ihre Schuld gewesen und eigentlich hatte er sich geschworen, sich nicht mehr wie ein Bastard zu benehmen, deshalb schlug er einen etwas sanfteren Ton an. „Ziva, warum bist du hier?“ Sie rührte an ihrem blutroten Weincocktail und nippte kurz daran, bevor sie antwortete: „Ich wollte dich sehen, das ist alles. Übrigens... wenn ich sagen würde, du sähest gut aus, dann müsste ich lügen. Wobei der Bart und die längeren Haare echt schick sind. Zeugt von ungewaschener Männlichkeit. Aber was ist nur mit deinen Augen passiert, mit ihrem stechenden Blick? Jethro, du trinkst zuviel.“ Er lachte kurz verbittert auf, was letzten Endes wohl nur eine Bestätigung für sie war. „Haben die das deine Spionage-Superkräfte auch gesagt?“ „Nein, die Leute aus der Gegend. Ich spreche ziemlich gut Spanisch und selbst hier macht man sich Sorgen um dich.“ „Selbst hier... also ist das doch mehr als nur ein Höflichkeitsbesuch. Die Anderen haben dich geschickt um mich zu überreden zurück zu kommen.“ Auch wenn er es nicht zugeben wollte, ihm gefiel der Gedanke, dass dem so war, dass man ihn vermisste. Die Israeli hingegen haderte sichtlich mit sich und verfiel einige Sekunden in Stille. Dann erst sagte sie: „Um ganz ehrlich zu sein, die ’Anderen’ wissen nicht einmal, dass ich hier bin. Ich habe mir Urlaub genommen und behauptet, ich würde die Zeit bei meiner Familie in Israel verbringen.“ Jethro war sich nicht ganz sicher, was ihn daran am meisten überraschte: dass sie ihn ihrer Familie vorgezogen hatte, dass es ihr die Sache wert schien ihre Partner zu belügen oder dass sie damit auch noch durch gekommen war. Andererseits glaubte er auch, dass DiNozzo und Director Shepard ihr die freien Tage erst recht gewährt hätten, wären sie der Lüge auf die Schliche gekommen. „Seit wann gibt es beim NCIS solche Unarten wir Urlaub?“ Ziva lachte auf, heiter aber zugleich bedächtig: „Seit du das Steuer, nein Ruder an Tony übergeben hast. Er benimmt sich wie ein Musterknabe, es werden keine Kopfnüsse verteilt, niemand muss durch den halben Raum brüllen um Informationen oder Anweisungen weiter zu geben... mit anderen Worten, es ist die Hölle. Das hat mich regelrecht wahnsinnig gemacht, ich musste das weg. Und die Neue, die an McGees altem Schreibtisch sitzt, ist so eine Bürokratin, nicht mal Abby mag sie nicht allzu sehr. Ihr gefällt die Art, wie die Bambina ist, nicht und überhaupt fügt sie sich schlecht in die Gruppendynamik ein. Na ja und seit Tony das neue Schoßhündchen der Direktorin spielt, bin ich nicht mehr vonnöten um ihr den Fortschritt der Ermittlungen zu berichten oder sie als anonyme Quelle zu benutzen.“ „Es ist nicht nötig, dass du mir das alles erzählst. Ich dachte, wenigstens DU hättest das verstanden.“ - Wieder eine Aussage, die sie verletzte, aber diesmal war es von Gibbs durchaus beabsichtigt. Ja, er würde ihr weh tun, wenn sie dann endlich damit aufhörte ihn auf diese Weise manipulieren zu wollen. „Nichts, was du mir erzählst ist nicht von Belang für mich. Wenn du glaubst, du könntest mir damit Schuldgefühle einreden oder Heimweh entfachen, dann muss ich dich enttäuschen.“ „Entfachen – das ist ein schönes Wort. Es erinnert so an Leidenschaft.“ Zivas Blick sprach von Wehmut und sie schien sogar bereit, das offen zu zeigen, denn ihre dunklen Augen fixierten ihn unablässig. Nichts ließ darauf schließen, dass sie ihm einen Vorwurf machte. Langsam, um der Worte Bedeutung hervor zu heben, sagte sie: „Ich weiß, Jethro. Ich habe verstanden, worin deine Motive lagen und niemand versteht das mehr als ich. Ich habe aus ähnlichen Gründen aus Israel verlassen, wie du weißt. Aber dass ich deine Entscheidung respektiere heißt noch lange nicht, dass sie mir auch gefällt. Was mich nach Mexiko zog, war das, was ich bereits sagte: mein egoistischer Wunsch dich wieder zu sehen. Es tut mir Leid, solltest du dich dadurch gestört fühlen.“ Der letzte Satz entbehrte nicht einer gewissen Schärfe. Als hätte sie jegliche Lust an diesem Gespräch verloren, trank die junge Frau den Rest ihres Cocktails auf Ex und holte aus einem kleinen, mit Muscheln dekorierten Leinenrucksack (eigentlich hatte er sie noch nie mit Handtasche gesehen) ihr Portemonnaie. Sie bezahlte beim Barkeeper beide Getränke und reichte dann ihrem ehemaligen Vorgesetzten eine Visitenkarte mit Namen und Adresse ihrer Pension. „Ich werde noch ganze acht Tage hier sein. Sofern du also wieder nüchtern bist, kannst du gerne anrufen oder auch vorbeischauen, sofern du dir das gestattest.“ Ziva glitt regelrecht von ihrem Hocker und verließ das Gasthaus. Im Gegensatz zu den Frauen, die glaubten, ein lautstarkes Auftreten beim Fortgehen würde ihre Verärgerung stärker zum Vorschein bringen – tatsächlich wirkte es eher plump und theatralisch – war ihr Verschwinden lautlos wie das einer Geisterscheinung oder eines... nun ja, eines Engels eben. Und das trotz der Absätze. Er hatte nicht gewollt, dass sie gleich ging. Vielleicht hatte sie ja recht; er musste den Kopf wieder klar bekommen, sorgfältig die Worte auswählen, mit denen er ihr unter faireren Umständen begegnen konnte. Sie war hier und das zählte. Allein der Gedanke daran, ließ ihn ganz aufgeregt werden. Er trank seinen Kaffee und mit jedem Schluck fiel ihm ein weiterer Punkt der Liste der unausgesprochenen Dinge zwischen ihnen ein. Sollte er es wirklich dabei belassen? ’Ich wollte dich sehen.’ Ah, der Gedanke schmeichelte seinem Ego nun ungemein, er war einfach zu köstlich um wahr zu sein. Doch Ziva hatte ihn nie belogen. Ihm etwas verschwiegen zwar, aber angelogen hatte sie ihn nie. Es war die alte Frage, die ihn quälte: ’Warum fiel deine Wahl ausgerechnet auf mich?’ 5 I can’t save your live Though nothing I bleed for is more tormenting I’m losing my mind And you just stand there and stare as my world divides (Evanescence, “Snow White Queen”) ’Ausgehen’. Das war das Wort, das Mike Franks benutzte, wenn es darum ging, aus ihrer kleinen, auf zwei Orte beschränkten, Welt auszubrechen. Gibbs nannte es schlichtweg ’einkaufen’. Und irgendwann brauchte man nun mal mehr Abwechslung auf dem Speiseplan als selbst gefangener und gebratener Fisch und das halfmedium Steak in Carlos Cantina bieten konnten. Nicht zu vergessen, dass die Welt schrecklich über zwei an Skorbut erkrankte Amerikaner lachen würde. Als wäre das nicht schon genug, fand Gott immer einen Weg, seine Kinder zu ärgern (ja, Elohim hatte Humor, wie bereits Ephraim Kishon feststellte)... und in seiner einzigartigen Ironie zeigte Er jenem gelegentlich unsozialen Ex-Marine, der verzweifelt den Sinn von Obst wie Mangos oder Papayas zu ergründen suchte – warum nur gab es hier keine Dosenfrüchte? Und wo waren Äpfel, Birnen und Waldfrüchte abgeblieben? – sein perfektes Gegenbild. Ausgerechnet auf dem Markt musste er Ziva wieder begegnen, nur wenige Tage nach ihrer kleinen Auseinandersetzung und wieder erschien ihre Ausstrahlung überirdisch. Sie war ganz in ihrem Element, zu Haus in diesem Garten voll exotischen Früchten, auch wenn die Zitrusfrüchte es ihr besonders angetan zu haben schienen. Sie fragte nach einer Pomelo und allein die Tatsache, dass sie ihr Gesuch an einen Obsthändler richtete, ließ Jethro darauf schließen, dass es sich dabei nicht um eine japanische Produktion handelte [1]. Sie schien enttäuscht über die Antwort – also keine Frucht aus dem Heimatland für sie? Wieder trug sie weiß, ein T-Shirt mit rundem Ausschnitt und kaum vorhandenen Ärmeln aus gerafftem Stoff, dazu einen dünnen Rock mit Mohnblütenmuster auf weißem Grund, der bis knapp über ihre Knie fiel. Schlichte weiße Sandalen, die bequem aussahen und nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zogen, damit ihr golden aufblitzendes Fußkettchen die angemessene Ehrbietung bekam. Es war eines dieser indischen Paayal [2] und wenn sie ihre Füße bewegte, geschah dies mit solcher Behutsamkeit, dass seine kleinen Glöckchen kaum zu hören waren. Sie würde sich wahrscheinlich auch lautlos anschleichen können, wenn sie es wollte. Es verlieh ihr den Hauch an orientalischem Flair, der ihr zustand und der die Israeli so sehr von den anderen Frauen an diesem Ort hervorhob. Gibbs haderte mit sich. Natürlich könnte er hinüber gehen und sie ansprechen; nur was sollte er sagen, wie beginnen? „Ist sie das?“ Franks. Jethro zuckte zusammen – seinen Boss hatte er ganz vergessen. Ihm gegenüber hatte er Ziva nur flüchtig erwähnt und die Begegnung mit ihr kam dabei so gut wie nicht zur Sprache, nur als Fakt, nicht ihr Inhalt. „Wie kommst du darauf?“ „Glaub mir, Grünschnabel, in der Zeit, in der du schon hier bist, habe ich dich noch nie eine Frau so anstarren sehen und von ihrer Sorte laufen hier immerhin ’ne ganze Menge rum. Also MUSS das die Kleine aus deinem Team sein. Worauf wartest du dann noch?“ „Ich will jetzt nicht mit ihr reden,“ log er, während er geistesabwesend die nächstbeste Avocado anstarrte. Es störte ihn, dass Mike Ziva so in eine rein auf Äußerlichkeiten basierende Schublade steckte. Und es störte ihn, dass ihn das störte. Da war das Gemüse eine willkommener Fixpunkt, über den man nicht nachdenken musste. Wohlgemerkt noch ein Gewächs, wie dafür gemacht US-Bürger zu irritieren. „Machst du Witze? Hätte ich gewusst, wie sie aussieht, hätte ich dich in den nächstbesten Flieger zurück nach D.C. gesetzt, sobald du bei mir aufgetaucht wärst. Ich kann nicht verstehen, wieso du je von dort weg wolltest, wenn du etwas hast, was das Leben lebenswert macht. Und nebenbei bemerkt, das sind zwei ganz schön ansehnliche Melonen, die sie da hat –“ WAS? “- des Anstands wegens solltest du ihr also tragen helfen, meinst du nicht?“ Er wandte sich nach seiner jungen Kollegin um. Sie kaufte tatsächlich zwei dieser Kürbisgewächse mit gelblicher vernarbt aussehender Schale: Galiamelonen. Und er hatte schon gedacht... Egal. „Was ist denn nun? Wenn du nicht gehst, dann tue ich es eben.” Und bevor der Marine sich beschweren konnte, durfte er sich ansehen, wie sein Ex-Boss auf seine Ex-Agentin, Ex-Offizierin zutrat. Diese symbolische Begegnung seiner Vergangenheit mit seiner jüngsten Gegenwart war für ihn etwa so angenehm, wie ein Jahrestreffen all seiner Ex-Frauen. „Brauchen Sie Hilfe dabei, junge Dame?“ Als Ziva aufblickte – eigentlich hatte sie schon eine Menge gekauft, aber ihr war es immer noch nicht genug Obst – sah sie in das Gesicht eines typischen Veteranen: abgehärmte Gesichtszüge, Bartstoppeln noch extra zum Magnum-Schnäuzer und ein Haarschnitt, wie man ihn von Familienmitgliedern verpasst bekam, sofern er nicht sogar selbst für diese Frisur verantwortlich war. Der Grauton war dunkler als der von Gibbs, aber nur um eine Nuance. „Sie haben früher mit dem Job aufgehört als mein Boss, nicht wahr? Das war ein Fehler; die grauen Haare, die man davon bekommt, wirken erst dann auf Frauen anziehend, wenn sie silbern sind.“ „Und wie kommen Sie darauf, dass ich ihren Boss kenne, geschweige denn für dieselbe Agentur gearbeitet habe?“ „Na ja, sieht man davon ab., dass ich das gesamte Dossier von Leroy Jethro Gibbs kenne – auswendig wohlgemerkt – und daher zwangsläufig über Sie stolperte; so ließe sich noch anmerken, dass er nur einen Katzensprung von uns entfernt steht? Oder dachten Sie beide etwa, ich hätte sie Beide nicht bemerkt? Ich habe ein weites Blickfeld und darüber hinaus von den Besten gelernt.“ „Das glaube ich Ihnen gern, schönes Kind, immerhin haben Sie eine Ausbildung verdient, die Ihrer würdig ist; aber ich finde auch, Dossiers sagen nicht annähernd so viel über einen Menschen aus wie ein Gespräch bei, sagen wir einer Tasse Kaffee?“ Die Israeli brauchte erst einmal einen Moment um dem Lächeln des Älteren und seinen Worten entnehmen zu können, dass das eine Einladung zu einer Verabredung darstellen sollte. Sie zögerte. Es fühlte sich mehr als nur ’nicht richtig’ an auf das Angebot einzugehen, Zivas ganzes Wesen sträubte sich dagegen, dabei fand sie diesen Menschen nicht einmal unsympathisch. Aber er war nicht Gibbs. „Es tut mir wirklich leid, aber ich bin mir nicht ganz im Klaren darüber ob und inwiefern das gegen Regel Nummer zwölf verstößt.“ Ihre etwas verunsicherten Augen suchten den Blick ihres Vorgesetzten... der nicht auf ihr ruhte, was die junge Frau noch mehr kränkte als all die unangenehmen Worte, die zwischen ihnen gefallen waren. War es denn so unmöglich sich untereinander zivilisiert zu verhalten? Selbst Franks interessierte sich mehr für sie und so entging ihm ihre Reaktion auch nicht. „Ich verstehe...“ murmelte er, abwechselnd zu Ziva und Gibbs blickend, von denen keiner seine Position aufgeben wollte, „Wenn das so ist, möchte ich mich für meine Aufdringlichkeit entschuldigen, hübsches Kind, und mich empfehlen.“ Der ausgediente Bundesagent deutete an, seinen imaginären Hut vor ihr zu ziehen, bevor er ging – nicht ohne unterwegs dem ’Grünschnabel’ eine Kopfnuss für seine Torheit zu verpassen. Jethro kratzte sich schuldbewusst am Hinterkopf, vermied es aber weiterhin, die Jüngere anzusehen und tat gut daran. Hätte er es getan, wäre sie wahrscheinlich dem Drang erlegen ihm diese schweren Obsttüten um die Ohren zu hauen. Der Gedanke machte ihr die Last umso mehr bewusst und ihre Handgelenke fingen schon an zu schmerzen, außerdem rückte die Mittagsstunde und somit der Sonnenhöchststand immer näher. Was war nur los? In der israelischen Armee hatte sie schon mehr Gepäck bei sengender Hitze durch karge Landschaften schleppen müssen und sich nicht beschwert und jetzt verzweifelte sie schon an zwei läppischen Stofftüten mit je ca. 4,5 Kilo Inhalt? Schließlich schluckte sie ihren Ärger hinunter und sah ein, dass sie doch das wollte, was ihr Körper ihr die ganze Zeit signalisierte und wenn sie dabei wie ein zimperliches Schulmädchen wirken würde, dann musste es halt sein! [3] Sie trat auf ihn zu. „Wäre der Herr ein Gentleman und würde mir beim Tragen helfen? Ich schätze, ich habe es etwas übertrieben mit den Früchten.“ Und als er gar nicht mehr anders konnte als sie anzusehen, wurde ihr klar, dass es pure Verlegenheit gewesen war, die ihn fern gehalten hatte. 6 There were times, I ran to hide, afraid to show the other side Alone in the night without you But now I know just who you are and I know you hold my heart Finally this is where I belong It is you, I have loved all along No more mystery, it is finally clear to me You’re the home my heart searched for so long And it is you I have loved all along (Shrek O.S.T., “Is it you I have loved”) Schlüssel. Es gab symbolische und reale, aber allesamt wurden sie von der Menschheit miserabel behandelt; man verkannte sie in ihrem Wert und welch großen Verlust sie darstellten, erkannte man erst da es bereits zu spät war. Die realen unter ihnen, jene, die aus Stahl angefertigt wurden, nun, man vergaß sie nur zu leicht unter einem Berg alter Wäsche, ’schmückte’ sie mit den absonderlichsten Dingen, sodass das Werkzeug an sich ganz Nebensache wurde. Man brach sie ab und warf sie, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatten, an den erstbesten Platz, so wie Ziva David es mit ihrem Zimmerschlüssel zu tun pflegte. Zu ihrer Verteidigung musste man sagen, dass es nicht ihr Schlüssel war – er war Eigentum des Hotels und noch dazu mit einem dieser klobigen Metallanhänger versehen, in die die Zimmernummer graviert war. Er lag ziemlich schwer in der Hand und überhaupt; wer achtete denn schon auf solche Kleinigkeiten, wenn man Jethro Gibbs bei sich hatte? Und das in einem Zimmer, dass sie gerade von innen verschlossen hatte. Dumpf kam in ihr die Frage auf, ob er das wohl auf Agentenparanoia schob und als weiteres Argument gegen sie verwenden würde: die Unstetigkeit in ihrem Leben, das ungute Gefühl anderen etwas vorzumachen. Nan konnte nur zu leicht an dem Job zerbrechen. „Tja, ich schätze, das wäre jetzt wohl der Zeitpunkt, an dem ich mich für das unpassende Verhalten von Mike entschuldigen muss, auch wenn ich nicht gerade gut in so was bin. Ich hatte nur wirklich nicht damit gerechnet, immerhin besitzt er so etwas wie ein festes Flirtopfer.“ Jethros Verstand tadelte ihn für seine Lüge, so unbewusst sie auch von seinen Lippen gekommen sein mochte: ’Aber du hast es geahnt. Du kennst ihn und wusstest daher genau, welche Frauen er bevorzugte und dass er hin und weg von ihr sein würde. Deshalb hast du ihm kaum etwas über Ziva erzählt. Du wolltest sie für dich haben, in einer Weise, wie du sie nie als Agentin besitzen wirst.’ Er hätte diesem widerstrebenden Teil von ihm zu gerne widersprochen, aber das grenzte schon an Schizophrenie und ihm fehlten die Argumente. Natürlich war es egoistisch zu denken, dass sie ihm gehörte, nur weil sie seine Anweisungen befolgt hatte, Mitglied seines Teams gewesen war, aber der Gedanke, dass sie NICHT ihm gehörte, stimmte ihm betrübt und das melancholische Lächeln, dass sein Kommentar auf ihre Lippen gezaubert hatte, traf dabei genau den Kern seines Befindens. „Noch vor wenigen Monaten hättest du mir eine Kopfnuss verpasst, wenn ich mich entschuldigt hätte und dann hättest du gesagt...“ „Die Dinge ändern sich.“ Ihm schoss die Frage durch den Kopf, ob sie mittlerweile wohl mit Tony schlief, weil der jüngere Agent sicher seine eigenen Regeln mit in die Teamleitung einbrachte und für DiNozzo waren Affären unter Kollegen nicht mit Skrupeln verbunden. Dann wieder wollte er die Antwort auf die Frage gar nicht wissen. Sie hatten beide die Tüten annähernd zeitgleich auf der winzigen Küchenanrichte abgestellt - genau betrachtet war das Zimmer ein Bungalowraum, in den man ein Appartementmobiliar in seiner reduziertesten Form gestopft hatte. Er war ihr jetzt sehr nahe, schon fast zu nah. Gibbs konnte die kleinen schwarzen Locken sehen, die in ihrem Nacken klebten, ihren Blick, so hypnotisch wie der einer Sphinx. Viel konnte er nicht darin lesen, aber etwas darin bewegte ihn, weiter zu reden, sich ihr zu offenbaren: „Ziva, ihr braucht mich nicht, keiner von euch. Deinen Schilderungen nach muss es ein Paradies für die Direktorin sein.“ „In beruflicher Hinsicht. Aber begreifst du denn nicht, dass wir dich als Menschen brauchen? Uns fehlt deine Wesensart, nicht dein Erfolg.“ „Und wie würde das enden? Ich ziehe zurück in mein Haus und ihr alle kommt dann jeden Abend vorbei? So geht das nicht.“ Sie ergriff mit beiden Händen sein Gesicht, wie schon in der Nacht, in der sie ihm sein Gedächtnis wieder gebracht hatte und zwang ihn so sie anzusehen. Sie war so schön in ihrem Leid und ihrer Zerbrechlichkeit, gerade weil es ein Aspekt ihres Wesens war, den sie selten zur Schau stellte. Nicht nur ihre Gesten, auch ihre Worte machten dies offenkundig: „Warum nur sträubst du dich so gegen den Gedanken? Sind wir dir so lästig, machen wir deine Erinnerungen schmerzvoller? Ich kann das nicht, Jethro; ansehen, wie Tony auf deinem Platz sitzt. Ich habe mich in dein Team versetzen lassen, deines! Und das ist es nicht mehr. Ich brauche dich!“ Er hatte darauf gewartet. Ein Teil von Gibbs hatte sich immer nach diesem Moment gesehnt und es war schlichtweg zu verführerisch, ihre warmen, sanften Hände auf seiner Haut, deren Geborgenheit er selbst durch die Stoppeln hinweg spürte – aber sie schien das Kratzen nicht zu stören, sie war vielmehr die Art Frau, die nicht einmal Stacheldraht hindern konnte, wenn sie nach Nähe suchte (Selbst die Rosen habe ich umarmt, auch wenn ich mich an ihren Dornen verletzte) [4] und so ergriff er eine dieser fürsorglichen Hände, nur um sie dann wieder los zu lassen, möge sie doch nicht ganz so sehr an ihm klammer, das machte alles nur noch schlimmer. Die Luft drückte schwül durch die Holzlamellen vor dem Fenster, die den Raum in ein dämmriges, erdverbundenes Ambiente rückten und sie, diese entzückende Gestalt, sie roch nach einer Sonnencreme mit Honignote, ein Duft, der umso stärker wurde, je mehr sie schwitzte; winzige, schimmernde Perlen mit betörendem Geruch, die auf ihren herrlichen Schultern saßen, er konnte sie sogar auf ihren Schulterblättern sehen und in ihrem Nacken. Und dann erst dieser Rock, Gott, es wäre so einfach, den Saum bis zu ihren Schenkeln hoch zu schieben, deren Haut genauso weich und warm wie ihre Hände sein musste, sie gegen den Tisch zu drücken... Allein die Tatsache, dass es ihr so miserabel zu gehen schien, hielt ihn noch davon ab und er würde sich noch so lange im Zaum halten, bis er die Gewissheit hatte sie berühren zu dürfen. „Und was soll ich darauf antworten? Was erwartest du jetzt von mir?“ Ihr Daumen strich über seine Wange und es löste Schauer in ihm aus, mehr noch als das unerträgliche Warten auf die Erfüllung seines Bedürfnisses, das sich so in dem Älteren angestaut hatte, das war ein komplett anderes Gefühl als reine Begierde, vergleichbar mit tausender winzigen Luftbläschen, die unter seiner Haut sprudelten. Dann war es wieder da, das Lächeln, das er im vergangenen Jahr so oft gesehen hatte, herausfordernd und vampirhaft, ja, das war das richtige Wort, denn es verspottete ihn geradezu: Ziva empfand seine Frage als überflüssig, weil sie die Antwort für selbstverständlich hielt. „Wie wäre es, wenn du dir endlich das nimmst, was dir schon längst gehört? Das wäre Antwort genug für mich; ich will meine Zeit hier nicht vergeudet haben.“ Ihr Herzschlag war so schnell wie der Flügel eines Schmetterlings in seinem winzigen Glaskäfig, als sie den freien Arm um seinen Hals schlang und ihn an sich zog. Die Beiden fanden sich in einer Art und Weise, als wären sie vollkommen aufeinander abgestimmt, erkannten einander, wie es in der Bibel heißen würde und zumindest für diese kurze Zeit war die Welt absolut in Ordnung. 7 Bist du ein Engel, bist du ein Mensch? Wie wird es sein, wenn du dich von mir trennst? Wie war es vorher, wie ist es jetzt? Ich kann spüren, wie sich die Wahrheit setzt Mich nicht bedrückt, mich nicht beschwert Herr, erhalte diese Liebe, lass sie unversehrt (Xavier Naidoo, „Du bist wie ein Segen“) Als Gibbs erwachte, kam es ihm wie ein neues Jahrzehnt vor, so als hätte sich die Erde ein gutes Stück weiter gedreht, während er sich in der kleinen Zeitverwerfung, in der er schlummerte, nicht verändert hatte. Entgegen diesem Eindruck verkündete der Sonnenstand einen frühen Nachmittag. [5] Die Betthälfte neben ihm war angenehm warm, aber sein Arm griff dennoch ins Leere – Ziva war nicht da. Die Verwirrung übermannte ihn gerade drei Sekunden, drei quälende Sekunden, dann nahmen seine geübten Ohren Küchengeräusche wahr, das Klappern von Plastikgeschirr, Schubladen, die aufglitten und wie im Besteck gewühlt wurde. Natürlich. Sie war die Einzige, die es schaffen konnte aus dem Bett zu kriechen ohne ihn zu wecken und ohne die Absicht zu besitzen ihm davon zu laufen, war das schließlich ihr Hotelzimmer. Der ehemalige Marine schalt sich selbst, dass er sich nicht sofort umgesehen hatte – der Schlafbereich des Bungalows war vom restlichen Wohnbereich durch einen hüfthohen Raumteiler abgeschirmt, das hieß, dass er sie sogar aus seiner jetzigen Position mit träge blinzelndem Blick erkennen konnte, wie sie sich abmühte, mit ihrem Messer eine Melone zu halbieren, offenbar in Ermangelung eines größeren Werkzeugs. Er musste bei dem Anblick schmunzeln. Erstaunlicherweise empfand Ziva keine Besorgnis, keine Verwunderung anlässlich der Frage, wie es denn nun weiter gehen würde, vielleicht aufgrund der letzten Überbleibsel der Endorphine, vielleicht lag dem aber auch die Überlegung zugrunde, dass nachdem der erste Schritt getan war, sich der Rest sich ganz automatisch fügen würde, wie ein Felsbrocken, den man unter größten Mühen über den Bergabhang gestemmt hatte und der, nachdem der kritische Punkt zwischen Trägheit und Gravitation überwunden war, von allein ins Rollen kam, beschleunigte. Vielleicht würde er eine Lawine auslösen oder mit etwas kollidieren, einen Totalschaden auslösen, aber ihr erschien es nun mal von elementarer Wichtigkeit, dass sie diese Anstrengung unternommen hatte um sich nicht bis ans Ende ihrer Tage zu fragen was wäre gewesen wenn? Man sollte nicht vergessen, der Mann in ihrem Bett, der sich gerade zum aufstehen und anziehen durchrang, war alles andere als ein Mann nur für eine Nacht. Und es musste schon etwas bedeuten, wenn sie ihn dazu bewogen hatte, seine eigenen Regeln zu missachten. ’Dann trifft das aber auf Jen genauso zu. Aber Jen ist nicht hier, oder? Nur ihre Verpflichtungen als Direktorin halten sie davon ab. Hallo, Eifersucht, alte Freundin.’ Zia merkte, wie sie in eine Diskussion mit sich selbst zu geraten drohte und als sie nicht mehr wusste, auf wen sie eigentlich wütend war – Jenny, weil sie sich einen Dreck um Jethro scherte, gerade jetzt, wo er Freunde nötig hatte und trotzdem die Finger von ihrem ehemaligen Liebhaber nicht lassen konnte oder sich selbst, weil sie sich deswegen verrückt machte anstatt die gemeinsame Zeit zu genießen – als das Ziel ihrer Wut verschwamm, da legten sich zwei starke Arme von hinten um ihre Taille und das Gefühl des geborgen seins des gehalten werden, dass sie dabei empfand, fegte all das Negative hinweg. „Endlich ausgeschlafen, Dornröschen?“, fragte sie lächelnd. Das israelische Messer durchtrennte die weiche Galiamelone in zwei Hälften, deren Saft bereits eine große Pfütze au der Küchenplatte hinterlassen hatte, regelrecht ausgeblutet war sie. Die beiden Hälften glitten halb in zwei unterschiedliche Richtungen. „Hm...“, murmelte der Ältere bejahend und gab seiner jungen Geliebten einen Kuss auf die Wange, „Was tust du da?“ „Ich werde die Kerne mit einem Löffel herausschöpfen und das Fruchtfleisch klein schneiden, um und daraus Obstsalat zu machen.“ „Ich habe nie verstanden, was man mit Früchten anfangen soll, die man erst umständlich aufschlitzen und ausnehmen muss, bevor man etwas essen kann, was zu fünfundachtzig Prozent aus Wasser besteht und auch so schmeckt. Aber dir gefällt so was, das ganze Messergehschnipsel, nicht wahr? „Oh ja, du hast ja so recht,“ erwiderte sie sarkastisch, „es schreit nämlich nicht, wenn man es bearbeitet.“ „Du meinst im Gegensatz zu dir?“ [6] Er verstärkte seinen Griff um ihren Körper und fing an ihren Nacken zu küssen. „Jethro!“ Ziva wusste nicht recht, ob sie belustigt, empört oder beschämt sein sollte, aber ihre Wangen röteten sich sichtlich, dabei wurde sie sonst nie rot, nie. Außer natürlich, wenn Gibbs so verführerisch an ihren Ohrläppchen knabberte wie er es zu tun begonnen hatte. Ihre Knie wurden weich. „Hältst du das wirklich für so eine gute Idee? Ich habe ein ziemlich scharfes Messer in der Hand.“ „Du würdest mir doch nie was antun.“ „Was macht dich da so sicher?“ „Du. Du und deine ständige Fürsorge.“ „Man ist nun mal für die Menschen verantwortlich, denen man das Leben gerettet hat.“ Es fiel ihr durch seine Annäherungsversuche immer schwerer, ihre Worte klar zu formulieren, deshalb suchte sie etwas Abstand (wenngleich mit Widerwillen), legte ihr Armeemesser auf die Küchenspüle und drehte sich bestimmt zu ihm um. „Warum muss es ausgerechnet Mexiko sein? Jethro, wenn du ein Land suchst, in dem man dich mit offenen Armen empfängt und in dem man nur gebrochen Englisch sprichst, das gibt es nur anderswo.“ „Und an welches Land dachtest du?“ „Ich glaube, du weißt ziemlich genau, welches Land ich meine. Ich will dich zu nichts zwingen, ich möchte nur, dass du es dir überlegst. Glaub mir, die Strände Tel Avivs stehen den italienischen in nichts nach! Und ich kenn’ mich aus, also dürfte es nicht so schwer werden, dir ein Häuschen in einer kleinen, unbedeutenden Siedlung zu suchen, wo es kaum Strom gibt und das kulturelle Zentrum aus einer Postfiliale und dem Marktplatz besteht, weit weg von den besetzten Gebieten. Und das Land ist klein, wenn du mich brauchst, könnte ich in annähernd einer Stunde bei dir sein. Natürlich ganz ohne Verpflichtungen, uns betreffend.“ Gibbs nahm das kommentarlos hin, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Wie auch immer sie es formulieren mochte, es klang sehr nach durchbrennen und er hätte nicht gedacht, dass ihre Klage darüber, dass es nicht mehr sein Team war, bedeutete, dass sie wieder für den Mossad arbeiten wollte. Was störte ihn also mehr, die Angst, dann von ihr abhängig zu sein oder sich jeden Tag fragen zu müssen, ob sie den nächsten Auftrag überlebte? Zweifellos das letztere. Er wollte nicht, dass der Mossad sie kaputt machte oder dass sie seinetwegen die wenigen aber intensiven Freundschaften aufgab, die sie in D.C. geschlossen hatte. „Es geht nicht. Noch nicht, vielleicht in fünf oder zehn Jahren, wenn die geringe Chance besteht, dass du dich mit deinem Vater versöhnst und er mich nicht umbringt.“ „Wieso liegt dir eigentlich so viel an meiner Beziehung zu meinem Vater?“ „Sagen wir einfach mal, ich habe etwas dagegen, wenn Familien aufgrund von Streitigkeiten kaputt gehen. Jedes Mädchen sollte sich auf ihren Daddy verlassen können.“ Redeten sie wirklich noch von ihrer Familie? Wie schaffte er es nur jedes Mal, dass sie sich schuldig fühlte? Besonders diese Frage hatte Ziva sich schon oft gestellt, denn wenn man seine Tochter auf solch grausame Art verloren hatte wie er , musste einem Zerstrittenheit wie eine Verschwendung vorkommen, sodass Ziva sich nun egoistisch vorkam; immerhin hatte sie den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen ohne ihn mit den Anschuldigungen zu konfrontieren, vor deren Wahrheit sie Angst hatte. Gibbs schätzte Familie einfach mehr. Aber selbst wenn er es schaffte, dass sie sich schlecht fühlte; ihn zu verstehen, ihn so Anteil nehmend sehen zu können wie jetzt, war schon ein Privileg an sich. Wie konnte sie da mehr von ihm verlangen? Sie seufzte lautlos, damit er ihr Resignation nicht bemerkte. Gut, dann würde sie ihn halt nicht überreden können. Und solange die Zukunft noch ungewiss blieb, schwor die Israeli sich, dass sie den Rest der Zeit damit verbringen würde es auszukosten, dieses Leben mit ihm, an dem sie unter normalen Umständen wohl nie teil gehabt hätte. 8 Nachwort „Er ist mein Boss; ich belästige ihn so, wie es mir passt.“ (Aussage von Dr, Allison Cameron bezüglich ihres Dates mit dem ganz und gar großartigen Dr. House) Ich habe dich nie mit Gewalt festgehalten, dich nie mit Fragen bedrängt, ich habe dir Freiheit gegeben und gehofft, daß du nur Gutes daraus machst, nur um eines habe ich dich gebeten, daß du es mir sagst, wenn du mich nicht mehr willst. Immer habe ich dir gesagt, dass du in meinen Augen ein freier Mensch bist, daß ich keine Herrschaft über dich habe, weder über deinen Körper noch über deine Seele, und ich wollte auch nicht, daß du aus Abhängigkeit bei mir bleibst. Ich wollte, dass du dich jeden Tag aufs neue frei für mich entscheidest und daß du offen genug wärst, mir zu sagen, wenn du einen anderen wählst. (Zeruya Shalev, „liebesleben (chajej ahawa)“) Ob Ziva David ihren Schwur sich selbst gegenüber halten konnte? Nun, diese Einschätzung ist jedem selbst überlassen, denn es ist klüger und taktvoller, die beiden an diesem Punkt der Betrachtung zu verlassen und sich selbst zu überlassen, ihnen das bisschen Privatsphäre zu gönnen, das sie sich so teuer erkaufen konnten. Denn sie sind keine Käfigmäuse (oh seht doch nur, eine schwarze, eine weiße), die wir nach Belieben penetrieren können. Auch ist eine nähere Betrachtung nötig, denn was in der darauf folgenden Woche geschah konnte und durfte keine Folgen besitzen. Also streicht bitte die Gedanken an illegitime Hochzeiten oder nahendes Babygeschrei aus eurem Kopf; das wäre wirklich unverantwortlich von den Beiden gewesen, oder etwa nicht? Was in Mexiko geschah, blieb in Mexiko. Nicht einmal Jethros Rückkehr zum NCIS änderte etwas daran. Man kann also nur spekulieren, dass es Ziva zu verdanken war, dass Jethro das Schnäuzertragen aufgab, dass es ihr Messer war, das über seine Haut fuhr um die überflüssigen Haare zu beseitigen. Und wie lange mochten sie danach noch nach Old Spice gerochen haben? Solch eine auß0erordentlich exquisite Vorstellung für hoffnungslose Romantiker wie uns, aber im Ernst, wem außer ihr konnte Gibbs denn genug vertrauen, dass er sein Leben fremder Gnade überließ? Nicht einmal sich selbst; keiner, der je versuchte Selbstmord zu begehen, sollte sich noch selbst vertrauen, zumindest nicht ganz. Wie dem auch sei: die einzige Resonanz, das Überbleibsel dieser Woche, was sie einander spüren ließen, war ein gestärktes Vertrauen, eine größere Vertraulichkeit, die aber keinem weiter auffiel; war das Team doch damit beschäftigt sich über die leisen Töne zu entsetzten, die der Boss seit seiner Rückkehr anschlug. Was passiert aber, wenn die Vertrautheit das Einzige ist, das bleibt; wenn die Freundschaft der Liebe obliegt, was dann? Die Gefühle zurück stellen mit dem Wissen, dass man nichts überstürzen musste, wenn einen keine Hindernisse mehr trennten. Wer sieht den Fehler in der Logik? Ah, natürlich: es funktionierte nur, solange keine weitere Hürde auftauchte. Und ich benutze bewusst den Präsens, denn Menschen sind wahre Meister darin, sich ihre Wege mit Hürden zu belasten. Besagte Hürde war die Fleisch gewordene Definition des Begriffs „Blondes Gift“ – so muss sie Direktor Shepard vorgekommen sein und so kam sie auch einigen von uns vor, all jenen, die mit solcher Faszination an Gibbs hängen und es ihm nie gönnen würden, wenn er sich so unter Wert verkaufen ließe. Also, wen interessiert dann noch ihr Charakter, geschweige denn ob und wie lange sie den Ex-Marine glücklich machen könnte. Dennoch sei zu vermerken, wie erstaunlich schnell Ziva das Feld – beziehungsweise den Tatort – räumte, nachdem Hollis Mann auftrat in diesem Drama, das keinen Titel hatte. Es mag ein Segen für unsere geschätzte Israeli gewesen sein, dass es andere Dinge gab, die ihre gesamte Konzentration für sich beanspruchten, dann tat es vielleicht nicht ganz so weh zuzusehen, wie man den Mann, den man liebte, den man brauchte, verlor. Immerhin waren da ja noch Tony’s Arztprobleme und La Grenouille. La Grenouille. Der Frosch. Frog-Man; so würde Abby ihn vielleicht nennen, wenn man ihr Zeit dazu gab. Ziva schloss die Augen und versuchte sich auf die bevorstehende (nicht hervorstehende, so viel hatte sie dazu gelernt) Mission zu konzentrieren, denn wie lange war es her, dass sie ein Scharfschützengewehr in der Hand gehalten hatte? Und plötzlich würde sie mit der Waffe auch den Garant für Duckys Sicherheit tragen. Die Last auf ihren Schultern schien schwerer, sowohl metaphorisch als auch wörtlich. So ein Gewehr war nicht gerade leicht. Sie und Gibbs waren die Letzten, die zu dem Einsatz ausrückten und wie sie da im Fahrstuhl standen, war der Israeli klar, dass wenn sie ihn bitten wollte diese wichtige Aufgabe für sie zu übernehmen, musste sie es jetzt tun. Sie legte den kleinen Schalter um und die massive Kabine kam geräuschvoll zum stehen, das Notlicht schaltete sich an. Fr gewöhnlich ein Zeichen wichtiger Entscheidungen. „Warum hast du angehalten?“ fragte er und alles, was sie sagen konnte, war: „Ich weiß nicht.“ Es entsprach der Wahrheit; Ziva wusste noch im selben Moment, dass er ihrer Bitte nie nachkommen würde und es unverantwortlich wäre, sie überhaupt erst zu stellen – zu viele schlechte Erinnerungen waren mit dieser Waffe verbunden, weniger zwar als die nostalgischen, aber das Schlechte stach nun mal immer hervor. „Warum tust du mir das an?“, fragte die Jüngere plötzlich, ohne dem flehentlichen Tonfall anheim zu fallen, der ihre Selbstachtung zerstören würde; sie wollte nicht die Opferrolle spielen. „Was genau meinst du damit?“ Und plötzlich sprudelte alles aus ihr heraus, in einer wahren Kaskade von Wörtern. Als wäre ein Damm gebrochen, der sie vor den anbrandenden Problemen, die nun ihr Herz überfluteten, geschützt hatte. Jeder Schmerz, jede Sorge erschien auf einmal so unendlich wichtiger und drängender zu sein. Sie schrie es ihm fast entgegen, halb wütend, halb Verständnis suchend: Wie er sie denn nur hatte vernachlässigen und ignorieren können; wieso nur hatte er diesen blonden Besenstiel in sein Leben gelassen, der so anders war als Ziva selbst und wäre ihm nicht klar gewesen, dass wenn schon Jenny eifersüchtig wurde, es ihr umso schlechter gehen würde. Und wie nur hatte er sie wie eine Aussätzige behandeln können (nicht zum ersten mal, wohlgemerkt!), nachdem ihr die Mutter des entführten Mädchens entlaufen war, immerhin hatte Tony bestätigt, dass Kate ein ähnlicher Fehler unterlaufen war und die Verblichene hatte kaum mehr als eine Rüge dafür bekommen. Jethro konnte nur dastehen und sich das anhören, all diese Worte, die auf ihn nieder prasselten wie Regen, umso verständlicher dass sie drohte in ihren Sorgen zu ertrinken. So recht wollte sich keine Regung auf seinem Gesicht abzeichnen, es gab zuviel, das verarbeitet werden musste. Stattdessen nahm er sie spontan in die Arme und redete in leisen, beruhigenden Worten auf sie ein, als wäre sie tatsächlich die Witwe, die gerade den Tod ihres Mannes geschildert hatte: „Ziva, würdest du wirklich bei jemandem bleiben wollen, der sich nach jeder rotblonden Frau umdreht? Ich musste es einfach mit Hollis versuchen, ich muss wissen, was diese Affäre mir bedeutet um sicher zu sein, dass du die Einzige für mich bist. Ich hoffe wirklich, du siehst sie nicht als ernsthafte Bedrohung, weil irgendwie bin ich während meines zu kurzen ’Ruhestandes’ an einen Engel geraten, neben dessen vielfältigen Wesen jede andere Frau zu verblassen scheint, bei Hollis dauert es nur verdächtig lange, bis ich genug von ihr habe.“ So viele schwierige Geständnisse, die nicht seine Art waren, weil man sich um sie kümmern musste, wie um Pflanzen, man hegte sie sorgfältig ;und er mochte doch Dinge nicht, die Pflege bedurften. „Also wirst du es beenden?“ Leise und anrührend. Sicherlich auch zweifelnd. „Und meine Chance verspielen sie als Tarnung für uns zu benutzen? Ich fürchte, du wirst das alles noch ein wenig länger ertragen müssen, aber du solltest dabei daran denen, man verletzt besonders jene, die man am meisten liebt. Und wäre ich nicht so überzeugt von dir, hätte ich nicht so hohe Erwartungen, nicht wahr?“ Das war immer der Schlüsse seiner Strenge gewesen, besonders ihr gegenüber. Flüchtig gab er ihr noch einen Kuss auf die Stirn und diese warme, väterliche Geste schmolz ihre Zweifel, denn wie hieß es doch noch gleich? „Ein Kuss ist ein Versprechen auf das, was kommt.“, dann löste Jethro die Umarmung wieder und strich ihr über die Haare. „Dein Codename für diesen Einsatz ist Archangel,“ meinte er, als sei das jetzt das wichtigste der Welt – denn sie war sein Erzengel, Gottesbotin, nicht nur sein Leben hatte sie gerettet, hatte ihn aus seiner tiefsten Stunde wieder ans Licht geholt und das war seine Art, es der ganzen Welt zu sagen und trotzdem Diskretion zu wahren. „Meinst du, du kannst mir noch etwas Zeit geben?“, fügte er an. Ziva sagte zunächst nichts dazu, brachte nur den Fahrstuhl wieder in Betrieb, stellte sich neben ihren Vorgesetzten, als wäre nichts passiert. Wie beiläufig lenkte sie ein: „Meinetwegen. Ist ja immerhin deine biologische Uhr, die währenddessen so laut tickt.“ - Sie bekam eine Kopfnuss und ein Schmunzeln dafür. „Aber sag mal, Jethro... Wie um alles in der Welt konntest du Jenny davon überzeugen mir diesen Codenamen zu geben?“ ~~~~~Di, 28.08.07, 00:06~~~~~ Yeah, for the fact, that you had to wait that long, you’ll get an extra large package. Why I talk english? My hebrew’s not good enough yet. I hope I indeed catched this summer break feeling, although I might be a little to overwhelming in my description of Ziva. (Am I?) *sigh* I’m addicted to her… [1] Mal ehrlich, Pomelo klingt doch sehr noch einem Pokémon... Aber die Frucht sollte man unbedingt probieren, besonders, wenn sie aus Israel stammen. Genau wie Eschkoliten *g* Sollte die Pomelo wie Wasser schmecken, habt ihr den falschen Obstdealer erwischt, das ist genauso wie mit Wassermelonen. [2] Aussprache: Pajel. Oder so. [3] Wir alle wissen wohl, dass das nie passieren wird. Aber sie hat halt höhere Ansprüche an sich selbst und übertreibt daher etwas. [4] Deutscher Untertitel einer Hindi-Liedzeile aus dem Film „Devdas“ [5] Und genau in diesem Moment ertönt bei mir im Hintergrund die „Prologue“ Melodie vom ersten Harry Potter-Film... wie merkwürdig passend [6] Work it, baby! ^.^ Wirklich, solche Worte wären ihm durchaus zuzutrauen, denkt ihr nicht auch? Immerhin hat Ducky gesagt, er wäre Tony gar nicht mal so unähnlich gewesen und hin und wieder kann man das noch beobachten. Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass der erste Entwurf vollständig auf Papier geschrieben wurde, vor allem, weil ich in der vorlesungsfreien Zeit meinem Fühler nicht benutzen kann und mir fehlt das Gefühl der Feder auf Papier. Und so schloss ich die Story am 23. August 07 ab; ich kritzelte die letzten Zeilen an den Rand, um kein Papier zu verschwenden und der komplette siebte Teil entstand innerhalb von wenigen Stunden, direkt nachdem ich „Liebesleben“ ausgelesen hatte – den ich mir übrigens erst am Tag zuvor aus der Bibliothek ausgeliehen hatte, aber ich konnte einfach nicht mit lesen aufhören und wurde durch den interessanten Schreibstil (man bedenke: ein Satz über anderthalb Seiten verteilt!!!) inspiriert. Da ich aber am Tag nach dem Auslesen (Freitag) schon den Roman zurück brachte, um mir das zweite Buch der Beziehungstrilogie („Mann und Frau“) auszuleihen (was natürlich vergriffen war *grummel*), stand das Zitat für die 8 schon im Computerdokument, bevor ich die 6 fertig abgetippt hatte. Übrigens, das „Dr. House“ – Zitat stammte aus der Folge vom Dienstag davor, ich musste mir das sofort aufschreiben, nachdem ich es gehört habe, in mein Manuskript der Kurzgeschichte, mit einem roten Tintenroller, dessen glitzernde Geltinte nach Kirsch duftet. So viel also zum Thema ’hoffnungslose Romantiker, die wir alle sind’. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)