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Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt

Eine Empty Trash FanFiction
von

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Der Anfang vom Ende

Es war wieder einmal einer dieser langweiligen Samstagabende an denen man nicht wusste was man tun sollte. Die meisten waren unterwegs oder waren anderweitig beschäftigt. Gelangweilt surfte ich durch das WWW, als mein ICQ aufblinkte. Leicht zog ich die Augenbrauen nach oben, denn es war ungewöhnlich um diese Uhrzeit eine Nachricht zu bekommen, besonders von dieser Person. Gespannt was Jules von mir wollte, öffnete ich das Fenster und nun musste ich erst recht die Augenbrauen nach oben ziehen.

'Schalte sofort RTL ein!', prangte mir in riesen Buchstaben im ICQ entgegen und im ersten Moment wusste ich nicht, was mir diese Nachricht sagen sollte. Also fragte ich Jules einfach, warum ich jetzt bitteschön RTL einschalten sollte. Doch anstelle einer gescheiten Antwort kam nur ein: 'Tu's einfach!'

Seufzend, weil ich genau wusste dass Jules sonst keine Ruhe geben und mich wohl noch Tage später drauf ansprechen würde, suchte ich unter meinem Schreibtisch nach der Fernbedienung und schaltete auf RTL um. Mit einem ungläubigen Blick starrte ich auf die Mattscheibe, kratzte mich am Hinterkopf, zuckte mit den Schultern und machte mich dran, Jules eine Antwort zu schreiben.

'Deutschland sucht den Superstar? Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?'

'Jetzt warte doch mal ab'

'Was soll ich da warten? Ist doch jedes mal der gleiche Kram'

'Klappe halten und zuschauen!'

Ich gab's auf mit Jules darüber zu diskutieren, denn wenn sie auf stur schaltete, dann war mit ihr absolut nicht mehr zu reden. Also lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und starrte auf die Mattscheibe auf welcher gerade, wie sollte es auch anders sein, Werbung flimmerte. *Wie interessant*, ging es mir genervt durch den Kopf, denn eigentlich konnte ich auf sinnfreie Werbung durchaus verzichten. Das gehörte nicht gerade zu einem unterhaltsamen Abend dazu.

'Jules ich warne dich... Wenn es nichts gescheites ist, dann dreh ich dir den Kragen um'

'Vertrau mir einfach mal'

'Das hab ich schon oft genug gemacht und es war meistens ein Reinfall'

'Hee... Was soll denn das heißen?'

'Ach vergiss es'

'Ja ja... Jetzt musst du schauen! Jetzt geht’s los! Hach das ist sooo toll'

Und kaum war Jules letzte Nachricht bei mir eingetroffen, so war sie im ICQ auch schon auf DND gestellt. *Was hat die denn genommen?*, fragte ich mich, denn so hatte ich sie noch nie erlebt. Eigentlich war ja Deutschland sucht den Superstar ja so gar nicht ihr Fall, genauso wenig wie meiner, aber scheinbar hatte sie ihre Meinung grundlegend geändert.

Mehr oder weniger interessiert, lauschte ich dem Wortwechsel der Jurymitglieder und drehte mich dann gelangweilt wieder meinem Monitor zu, auf welchem ein Forum zu sehen war, in welchem ich mich meistens aufhielt. Mit einem Ohr hörte ich die Aufrufe der Zuschauer, als wohl der Kandidat auf die Bühne kam und dachte mir wieder einmal meinen Teil und wollte gerade auf ein Thema klicken, als ich innehielt und meinen Kopf wieder in Richtung Fernseher drehte. Was ich da zu sehen und zu hören bekam, war nicht mal so schlecht wie erwartet und passte ja so gar nicht in das Schema rein, was man bisher von der Castingshow so gewohnt war. Sollte das etwa der Grund sein, weshalb Jules so vollkommen verändert war? Aber eigentlich war der Kerl, der da gerade sang, ja mal so gar nicht ihr Typ. Ob ich mit meiner Vermutung richtig lag, da musste ich wohl warten, bis Jules wieder ansprechbar war. Da es ihr so wichtig gewesen war, dass ich gerade in diesem Moment auf RTL hatte umschalten müssen, würde sie wohl in genau diesem Moment gebannt vor dem Fernseher sitzen und nichts anderes mehr mitbekommen.

Und so war es dann auch. Kaum hatte der Kerl den letzten Ton gesungen, sich seine Bewertung abgeholt und von der Bühne verschwunden, blinkte auch schon wieder mein ICQ auf.

'Und? Hast du geschaut?'

'Ja'

'Was ja?'

'Ja ich hab geschaut'

'Und weiter?'

'Ja was und weiter?'

'Moah... Du weißt genau was ich meine *rolleyes*'

'Joah... Nicht schlecht gemacht'

'Nicht schlecht gemacht? Hast du denn auch richtig zugehört? Das war der Oberhammer!'

'oO Ähm übertreibst du jetzt nicht ein bisschen?'

'He du hättest den mal im Recall erleben müssen... Was der gesungen hat, das war soo geil gewesen. Warte mal ich schick dir das Lied mal'

'Jules... Das muss nicht sein'

Doch kaum hatte ich meine Nachricht abgeschickt, so blinkte auch schon die Nachricht auf, dass Jules mir eine Datei schicken wollte. Da ich mal nicht so sein wollte, nahm ich die Übertragung an und hörte in das Lied rein. Überrascht lauschte ich dem Song, der unter anderem zu meinen Lieblingssongs gehörte und wirklich sehr gut interpretiert war. Der Song war erkennbar und trotzdem hatte er etwas neues, eigenes verpasst bekommen.

'Ja und was sagste?'

'Doch.... Kann man anhören'

'Du bist schrecklich *sfz*'

'Hä? Wieso bin ich jetzt schrecklich?'

'Erstens ist der Song geil, zweitens ist der Kerl geil und drittens... Machst du mir ne Signatur? *lieb anschau*'

'*rofl wech*'

'Also machste mir nun eine oder machste mir keine?'

'Ich mach dir eine... Hast du mir Bilder oder muss ich die suchen?'

'Hab leider keine, aber du machst das schon *zwinker*'

Ich hatte doch gewussst dass es einen Haken an der Sache geben würde und so hatte es sich ja dann tatsächlich rausgestellt.

'Ok, ok... Ich mach dir eine, such die Bilder und wenn alles gut läuft hast du sie morgen'

'Du bist ein Schatz'

*Ja, ja*, dachte ich mir und machte mich auf die Suche nach Bildern, die für eine Signatur geeignet wären, was sich aber gar nicht so einfach herausstellte. Egal wo ich auch suchte, es gab einfach keine vernünftigen Bilder. Zumindest keine, die zu meiner Signatur-Idee passten. Es war zum Haare raufen als mir klar wurde, dass ich nur an Bilder rankommen würde, würde ich mir die Mühe machen, sämtliche Videos die es von seinen Auftritten gab, anzuschauen und Bilder davon zu machen. *Ich bring dich um*, schoss es mir durch den Kopf, denn jetzt wurde mir klar warum sie keine Bilder hatte. Es war ihr wohl zu viel Arbeit gewesen und ich war mal wieder die Dumme, die es machen durfte. Aber da ich es ihr schon versprochen hatte, konnte ich sie dann doch auch nicht hängen lassen. Immerhin freute sie sich ja schon darauf.

Doch bevor ich mich an die Arbeit machte, verschwand ich erst einmal in die Küche um mir ein großes Glas Eiskaffee zu machen, das beste wenn einem eine lange Nacht bevorstand. Sie konnte bloß froh sein, dass am nächsten Tag Sonntag war und ich somit faul die Füße hochlegen konnte.

Mit dem Glas in der Hand kehrte ich an meinen Arbeitsplatz zurück, stellte das Glas auf das kleine Regal neben mir und begab mich wieder in die Tiefen des Internets in der Hoffnung vielleicht doch noch Bilder zu finden ohne großartig Arbeit investieren zu müssen. Manchmal war die Faulheit dann doch größer, als der Wunsch was besonders zu gestalten. Aber da Jules Ansprüche nicht unbedingt besonders hoch waren und ihr bisher alles gefallen hatte, was ich so gemacht hatte, war ich was das anging, guter Dinge. Gemütlich zog ich an meiner Zigarette und klickte mich weiter durch die Seiten, als ich plötzlich stutzte und mir die Seite etwas genauer anblickte....

Überraschung

*Ne, das kann doch nicht sein oder doch?*, fragte ich mich in Gedanken und starrte weiter auf das Bild vor mir. Ich schloss für einen Moment die Augen, schüttelte den Kopf, machte die Augen wieder auf, doch das Bild welches sich mir bot, war noch immer das Gleiche wie vor wenigen Sekunden zuvor auch. Mit kritischem Blick beäugte ich die Zigarette in meiner linken Hand und den Eiskaffee in meiner rechten Hand. *Ne daran kanns nicht liegen*, ging es mir weiter durch den Kopf, denn wenn es so wäre, dann hätte ich eigentlich schon gestern solche Anwandlung haben müssen, aber da es nicht der Fall gewesen war, konnte es daran also nicht liegen. Doch ein wenig verwirrt, stellte ich das Glas wieder auf das Regal zurück, ließ mich in meinem Stuhl nach hinten sinken und starrte weiter auf meinen Monitor. Aber egal wie lange ich das Bild noch anschaute, es blieb einfach ein und dasselbe. Ich blinzelte nochmals, vielleicht änderte sich das Bild dann doch noch, aber natürlich tat es das nicht. *Das ist verrückt, das ist absolut verrückt*, schoss es mir durch den Kopf, bevor ich von meinem Stuhl aufsprang und zum Bücherregal ging, in dem unter anderem auch meine alten Fotoalben aufbewahrt wurden. Ich holte alle die ich hatte aus dem Regal, setzte mich damit auf den Boden und begann in den Alben hin und her zu blättern. *Irgendwo muss es doch sein* *Das gibt’s doch nicht* *Wo zum Teufel ist das hinverschwunden?* Ich wusste irgendwo musste das Bild sein welches ich suchte. Ich war mir sicher das Gesicht schon einmal gesehen zu haben, aber um mir Klarheit verschaffen zu können, musste ich dieses verflixte Bild finden.
 

Um mich herum türmten sich so langsam die verschiedenen Fotoalben, aber es war wie verhext. Das Bild wollte und wollte sich nicht finden lassen. Ich legte das letzte Fotoalbum neben mich auf den Boden und strich mir mit dem Zeigefinger unter der Nase entlang, so wie ich es meistens machte, wenn ich nachdachte. Das Bild musste doch irgendwo liegen. Ich war mir sicher dass ich es erst vor wenigen Tagen in der Hand gehalten hatte, also konnte es doch so weit nicht weg sein.
 

Ich stand vom Boden auf und ging rüber zu der alten Anrichte, in der noch weitere Bilder lagen, die ich irgendwann einmal einsortieren wollte, aber bisher nie dazu gekommen war. Ich zog alle Umschläge aus der Schublade und setzte mich auch jetzt wieder damit auf den Boden. Umschlag für Umschlag schaute ich die Bilder durch und musste bei so einigen Bildern das Grinsen anfangen, weil natürlich diverse Erinnerungen damit verbunden waren. *Also wenn ich das Bild nicht gleich finde, dann lass ich es*, dachte ich mir, denn so langsam wurde es mir dann doch ein wenig zu doof. Es war mitten in der Nacht und ich hatte nichts besseres zu tun, als in meinem Wohnzimmer auf dem Boden zu sitzen und nach einem Bild zu suchen, was wohl nur beweisen würde, dass ich mich getäuscht hatte. Warum machte ich mir eigentlich solche Umstände? Ich sollte jemanden eine Signatur machen und mehr doch auch nicht. Aber irgendwie hatte mich Jules angesteckt. Aber vielleicht lag es auch nur an dem Bild oder wahrscheinlicher war, dass ich doch zu viel Eiskaffee getrunken hatte. Ja das war es wohl gewesen, denn anders konnte ich mir mein, doch etwas seltsames Verhalten, nicht so ganz erklären. Welcher normale Mensch saß schon Samstagnachts im Wohnzimmer, suchte Bilder anstatt sich irgendwo auf einer Party die Nacht um die Ohren zu schlagen?
 

Ich wollte beinahe schon den restlichen Umschlag einfach liegen lassen, raffte mich dann aber doch auf, die darin enthaltenen Bilder anzuschauen. *Nö ist es nicht, nein das such ich auch nicht, da wars geil aber das gesuchte ist es auch nicht und...* „Ha! Da ist es doch! Und ich habs doch gewusst! Ich habs doch gewusst!“, rief ich aus, als ich das gesuchte Bild in den Händen hielt. Ich sprang vom Boden auf, kehrte zurück zu meinem Rechner, ließ mich in den Stuhl fallen und blickte abwechselnd von dem Bild in meiner Hand zu dem Bild, welches auf meinem Monitor zu sehen war. Dass mein Wohnzimmer mittlerweile aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen, war mir in diesem Moment eher unwichtig. Aufräumen konnte ich morgen ja noch und die Gefahr drüber zu fliegen bestand auch nicht.
 

Mit leicht zusammengekniffenen Augen und kritischem Blick betrachtete ich das Bild in meiner Hand.

„Hmm...“, murmelte ich leise vor mich hin, denn jetzt wo beide Bilder in einem direkten Vergleich standen, war ich mir dann doch nicht mehr so sicher. Einen großen Schluck Eiskaffee und einer Zigarette später, beschloss ich dann, dass ich mich getäuscht haben musste. Es wäre auch eindeutig zu viel Zufall gewesen, würde ich nach 4 Jahren plötzlich jemanden auf einem Foto im Internet wieder finden, den ich irgendwann einmal kennengelernt hatte. So etwas fand vielleicht in den Kitschromanen am Zeitungskiosk statt wo Todgeglaubte sogar zum Leben erwachten, aber im realen Leben war es dann doch etwas an den Haaren herbeigezogen.
 

Ich warf einen Blick auf die Uhr und seufzte auf. Die Suche nach dem Foto hatte so viel Zeit verschlungen und da, wo es nicht einmal zu einem Ergebnis geführt hatte. Wenn ich mich jetzt nicht endlich an die Signatur machte, so würde ich sie wohl in dieser Nacht nicht mehr fertig bekommen und auf eine maulige Jules am nächsten Tag, konnte ich wahrlich verzichten. Also begab ich mich wieder zurück an meine eigentliche Aufgabe für diese Nacht und zwar die Videos anzuschauen und Screenshots davon zu machen, welche ich später in der Signatur verwenden wollte. Eine an für sich sehr eintönige Arbeit, aber zumindest waren die Songs nicht schlecht und die Interpretation interessant, so dass es doch nicht so langweilig wurde, als Anfangs noch vermutet. Irgendwann ertappte ich mich sogar dabei, dass ich leise mitsang und grinste still in mich hinein. Ok, Jules hatte vielleicht doch nicht so ganz übertrieben.
 

Endlich hatte ich genug Screenshots beisammen um mich an die Signatur zu setzen. Da ich den Fernseher ausgemacht hatte, als ich die Videos angeschaut hatte, war es doch ziemlich still im Zimmer, nachdem ich aufgehört hatte mit den Videos. Grübelnd saß ich vor dem Rechner und überlegte ob ich jetzt den Fernseher wieder anmachen sollte oder ob ich einfach eines der Videos weiterlaufen lassen sollte, solange ich mich in mein Bildbearbeitungsprogramm vertiefen würde. Da mir klar war, dass im TV so oder so nichts gescheites mehr kommen würde, beschloss ich einfach eines der Videos im Hintergrund laufen zu lassen. Schlecht waren sie ja nicht und vielleicht dienten sie ja der Inspiration. So machte ich es dann auch und mit Musik läuft tatsächlich einiges leichter von der Hand. Es dauerte nicht lange und die Signatur war endlich so weit fertig, dass ich mit meiner Arbeit zufrieden war. Ich speicherte das Bild ab, fuhr den Rechner herunter und legte mich müde ins Bett. Ich schloss die Augen und versuchte zu schlafen, aber irgendwie bekam ich das Bild, welches mich so verwirrt hatte, einfach nicht aus meinem Kopf heraus. Egal wie oft ich mir auch sagte, dass es Zufall sein musste, die Ähnlichkeit war einfach zu verblüffend gewesen. *Du spinnst! Eindeutig!*, meinte ich noch in Gedanken zu mir und war dann auch kurz darauf eingeschlafen.

Stress am Morgen

'Ja natürlich liebe ich dich, wie kannst du nur etwas anderes glauben? Vertraust du mir etwa nicht mehr?'

'Doch natürlich, aber es nicht so einfach. Ich meine die ganzen anderen Mädels sind doch da und du...'

'Schh... Du weißt doch dass es für mich nur ein Mädchen gibt das mir wichtig ist und das bist du'

Langsam näherten sich unsere Lippen, bereit zu einer dieser vielen liebevollen Berührungen die wir schon so oft miteinander geteilt hatten als...
 

Unsanft riss mich das klingelnde Telefon aus meinem Traum und genervt verdrehte ich die Augen. Warum musste eigentlich ein Telefon immer dann klingeln, wenn es im Traum am interessantesten wurde? Gab es denn etwa jemand, der heimlich in die Träume reinschielte und immer dann wenn es interessant wurde, einer anderen Person die Idee anzurufen in den Kopf pflanzte?

„Ich komm ja schon“, grummelte ich vor mich hin und quälte mich aus dem Bett, das so schön warm und gemütlich gewesen war. Außerdem war ich der Ansicht viel zu kurz darin gelegen zu haben und der Anrufer musste schon einen guten, nein einen sehr guten Grund haben, dass er mich zu einer so unchristlichen Zeit aus dem Bett warf. Es war 2 Uhr mittags und es war Sonntag, also noch absolut keine Zeit zum aufstehen. Zumindest nicht nach meiner Vorstellung eines gemütlichen Sonntags.

„Ja?“, murmelte ich fragend in den Hörer in meiner Hand hinein, eben so wie ich mich immer meldete.

„Na endlich! Ich dachte schon ich bekomme dich nie wach!“

„Jules!! Bist du denn des Wahnsinns? Weißt du eigentlich wie spät es ist?“

„Natürlich oder was denkst du, warum ich dich angerufen habe?“

„Du hast doch nen absoluten Knall... Aber echt jetzt.“
 

Ich war schon am überlegen ob ich einfach wieder auflegen und zurück ins Bett gehen sollte, aber vermutlich würde ich so oder so nicht mehr einschlafen können, also konnte ich auch gleich wach bleiben. Ein starker Kaffee würde da sicherlich behilflich sein.

„Sag mal Andrea.... Hast du die Signatur eigentlich fertig?“

„Sag jetzt aber bitte nicht, dass du mich deswegen aus dem Bett geworfen hast Jules?!“

„Nein... Ja... Nein... Naja vielleicht.“

„Ja was jetzt? Weißt du eigentlich, dass der Kerl von gestern eine Band hat?“

„Du meinst Max“

„Ja oder Max, ist ja auch egal. Aber hast du jetzt gewusst dass der Kerl eine Band hat oder nicht?“

„Der hat eine Band?!“

„Würde ich es sonst erwähnen?“

„Ja ähm... Wie meinst du das jetzt?“
 

Ich fragte mich gerade, wer von uns beiden jetzt müde und verplant war. Sie, die sicherlich schon eine Weile wach war oder ich, die gerade erst aus dem Bett geworfen wurde? Was war eigentlich an meiner Frage schon wieder nicht zu verstehen gewesen? Manchmal war Jules doch ein klein wenig anstrengend, denn sie hatte leider das Talent, total auf dem Schlauch zu stehen und das zu jeder Tages und Nachtzeit. An für sich war es ja nicht schlimm, aber wenn man versuchte ihr etwas zu erklären oder zu erzählen, dann konnte es doch sehr anstrengend werden mit ihr.

„So wie ich es gesagt hab natürlich. Als ich gestern auf der Suche nach Bildern war, bin ich über eine Seite gestolpert, von einer Band. Da war ein Bandfoto, die Namen und nun ja... Dein Kerl war auf dem Foto mit drauf und da ging ich einfach mal davon aus, dass er in der Band ist und da du ja so vernarrt in ihn bist, dachte ich, dass du das vielleicht wüsstest.“

„Ich bin nicht vernarrt. Ich finde den bloß geil“

„Ist doch das gleiche“

„Nein ist es nicht! Und er heißt Max und nicht Kerl!!“

„Ist ja schon gut Jules. Tief durchatmen. Alles wird gut“

„Ja aber jetzt erzähl doch mal was von der Band und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!“

„Wie gesagt ich hab eine Seite gefunden, mit Bandfoto und da war er mit drauf. That's all... Eigentlich“

„Wie eigentlich? Das hört sich nach mehr an. Also raus mit der Sprache!“

„Nach mehr? Ne eigentlich nicht.“

„Glaub ich dir aber nicht!“

„Moah bist du schon wieder anstrengend“

„Ja he wenn du da mit Andeutungen um dich wirfst, werde ich doch wohl noch nachfragen dürfen. Außerdem... Du willst doch was erzählen... Ich merk es doch. Also raus mit der Sprache“

„Dir kann man aber auch gar nix vormachen oder?“

„Nein!“
 

Ok diese Antwort war wohl eindeutig gewesen. Sie wollte es also wirklich wissen. Aber toll, was sollte ich ihr jetzt erzählen? Dass auf dem Foto jemand war von dem ich glaubte ihn mal kennengelernt zu haben? Jules würde mir den Vogel zeigen und mich für verrückt halten. Aber andererseits... Vielleicht war eine neutrale Meinung zu der ganzen Sache vielleicht gar nicht so falsch. Entweder sie würde der gleichen Meinung sein oder eben nicht. Wenn sie der Meinung war, ich hätte mich getäuscht, dann war ja alles klar und wenn sie der Meinung war, ich hätte mich nicht getäuscht dann... Nun ja, was war dann? Eine sehr gute Frage, die dann dringend auf eine Antwort warten würde. Aber woher die Antwort nehmen? Ich konnte ja wohl schlecht... Obwohl? Warum nicht? Das würde wohl am schnellsten zu einer Antwort führen.

„Andrea? Bist du noch da?“, kam es fragend vom anderen Ende der Leitung und riss mich aus meinen Gedanken.

„Ähm ja ich bin noch da“

„Ja also was wolltest du mir jetzt erzählen?“

„Warte ich komm online, da ist es einfacher, außerdem muss ich dir ja was zeigen“

„Jaaa meine Signatur!!“

„Die meinte ich jetzt zwar nicht, aber die ist auch fertig“

„Hä?!“

„Bis gleich Jules“
 

Ich legte den Hörer einfach auf und ging erstmal in die Küche um mir einen Kaffee zu kochen, der mir hoffentlich dabei helfen würde, wach zu werden. Soviel Stress am Morgen konnte einfach nicht gesund sein. Besonders dann nicht, wenn man einem Morgenmuffel so viel Stress zumutete.

Während der Kaffee durch die Maschine lief, tapste ich zurück ins Wohnzimmer um meinen Rechner hochzufahren. Immerhin musste ich Jules ihre Signatur schicken, ihr das Foto was ich gestern gesucht hatte einscannen und dann natürlich schicken, damit sie die beiden Bilder vergleichen konnte. Gut es lagen ein paar Jahre zwischen den beiden Bildern, aber so wirklich verändern tat man sich in der kurzen Zeit dann doch auch wieder nicht. Die Haare konnten sich ändern, der Style konnte sich ändern, aber die Gesichtszüge blieben dann doch relativ gleich. Aber wie groß war denn die Chance, dass man jemanden durch Zufall wiederfand? Da war die Chance vom Blitz getroffen zu werden, doch gleich viel größer. *Du machst dir zu viele Gedanken*, meinte ich zu mir selbst in Gedanken, kehrte zurück in die Küche um meinen Kaffee zu holen und setzte mich an meinen Rechner um das Foto einzuscannen.

Wieder hielt ich das Foto in der Hand und war verblüfft über die Ähnlichkeit zwischen der Person auf dem Foto was ich in der Hand hielt und dem Foto, welches ich auf der Seite gefunden hatte. *Egal was Jules auch sagt, ich will es wissen*, beschloss ich für mich selbst, legte das Foto auf den Scanner und wartete bis es eingescannt war und startete dann mein ICQ.

Gerüchteküche

'Maaaaan ich dachte schon du kommst gar nicht mehr'

'Ja sorry dass ich mir nen Kaffee gemacht hab'

'Hättest du das nicht machen können nachdem du mir die Sig geschickt hast?'

'Aber sonst ist alles ok? oO'

'hmpf'

Ich hätte es wissen müssen. Die hatte echt nur das eine im Kopf und ich wollte lieber nicht wissen, wo das noch bei ihr hinführte. Sicherlich hatte sie sehr schnell ihre Lieblinge, aber genauso schnell waren sie auch wieder abgeschrieben, aber so hatte sie sich bisher noch nicht aufgeführt. *Sehr verdächtig*, schoss es mir durch den Kopf, während ich in meinem Chaos auf dem Rechner die Signatur suchte, die ich letzte Nacht noch für sie gemacht hatte. Endlich hatte ich sie gefunden und jagte ihr sie per ICQ durch, damit sie endlich aufhörte zu quängeln.

'Waaaah!!! Die is sooooo geil!!! Waaaahhh!!!'

'Wärst du jetzt in meiner Nähe, wäre ich jetzt wohl taub'

'Die is sooo toll!! Da könnt ich mich glatt drin verlieben!!'

'Bist du das nicht schon?'

'Nein bin ich nicht!'

'Sicher?'

'Jein'

'Ich habs doch gewusst *strike*'

'Ach das kannst du nicht verstehen'

'Ich wills ehrlich gesagt auch gar nicht verstehen *lach*'

'Jetzt übertreibst du aber *grummel*'

'Nicht eingeschnappt sein kleine Jules *tätschel*'
 

Ich fands schon wieder äußerst amüsant wie Jules sich aufführte. Wenn ich nicht genau wüsste, dass sie 17 war, so hätte ich sie jetzt auf süße 12 Jahre geschätzt, denn so verhielt sie sich gerade zumindest. Gut ich hatte manchmal auch so meine Anwandlungen, ganz außer Frage, aber ob ich wirklich schon mal so verrückt gewesen bin, das wagte ich dann doch zu bezweifeln.

'Also hast du kurz Zeit Jules?'

'Für was?'

'Für das was wir vorher besprochen haben?'

'Achso... Klar!'

'Also ich schick dir jetzt mal 2 Bilder und dann sag mir, ob dir was auffällt'

'Geht klar'
 

Also schickte ich ihr zuerst das Bandfoto und hinterher das Foto was damals entstanden war. Ich war gespannt auf ihre Reaktion, denn ich wollte einfach wissen ob ich mittlerweile an Halluzinationen aufgrund von übermäßigem Kaffeegenuß litt oder ob es wirklich so war. Es war spät gewesen, es war kurz nach einer Castingshow gewesen... Also schonmal zwei gute Gründe für so eine Einbildung. Als auch das letzte Bild durchgeschickt war, wollte ich mich eigentlich zurücklehnen, denn Jules brauchte manchmal etwas bis sie merkte auf was man hinaus wollte, aber scheinbar hatte ich sie diesesmal unterschätzt.
 

'Boah du Sau!'

'Ähm wie bitte?'

'Du kennst nen Kerl in der Band und erzählst mir nichts davon? Was soll denn das?'

'Hallo? Erde an Jules? Alles klar?'

'Ja man ey! Ist doch aber so! Das ist doch eindeutig der gleiche Kerl!'

'Meinste wirklich?'

'Ja hör mal! Die gleichen sich wie ein Ei dem anderen und dann bist du dir nicht mal sicher? Ich packs nicht. Ich schwärm dir da von nem Kerl vor den ich toll find und du kennst jemanden, der bei ihm in der Band spielst und tust so, als würdest du von nichts wissen. Echt toll -.-'

'Hallooo?! Jetzt komm mal wieder runter!'

'He ich find das echt nicht ok von dir'

'Jetzt mach mal langsam und schau mal auf das Datum des Fotos'

'Toll und was soll mir das jetzt sagen?'

'Dass das Foto vielleicht 3 Jahre alt ist?'

'Hä?'

'Ok, also langsam von vorne. Das Foto ist damals in meinem Urlaub entstanden und als ich gestern auf der Suche nach Bilder von deinem Kerl war, da bin ich über das Bandfoto gestolpert und war mir nicht sicher obs der gleiche Typ war oder eben nicht. Also habe ich das Foto gesucht und wollte mir von dir eine zweite Meinung holen. Woher bitte soll ich wissen was der in den letzten 3 Jahren gemacht hat? Es war eine Urlaubsbekanntschaft gewesen und nicht mehr. Also hör auf dich hier künstlich aufzuregen'

'Woher soll ich bitte riechen, dass das Bild bei deinem Urlaub gemacht wurde?'

'Gibts bei uns etwa einen Strand?'

'Nein'

'Na also *rolleyes*'

'Aber jetzt erzähl doch endlich mal was da passiert ist und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen'
 

Das war ja mal wieder typisch Jules. Von einem Extrem ins andere. Erst aus heiterem Himmel das Meckern anfangen und dann die Lässigkeit in Person sein. Da sollte noch einer wissen, wie man sie anpacken sollte. Wie gut dass ich sie schon lang genug kannte um mit diesen Macken klar zu kommen. Das beste war meistens, sie sich austoben zu lassen, denn beruhigen tat sie sich dann meist von ganz alleine wieder. Aber dass sie so aus der Haut gefahren war wegen der Ähnlichkeit, hatte mich dann doch überrascht. Gut die Personen sahen sich wirklich ähnlich, aber dass es so sehr war, war mir dann selbst nicht aufgefallen. Aber vielleicht war es es ja tatsächlich? Konnte ja gut möglich sein. Gitarre hatte er ja damals schon gespielt gehabt, also warum sollte er nicht in der vergangenen Zeit zu einer Band dazu gestoßen sein? Das Leben ging oftmals seltsame Wege und so hätte er ja nur seinen Traum von damals verwirklicht. Er hatte ja damals schon den Wunsch geäußert mal in einer Band zu spielen und die große Karriere zu starten.
 

'Ich war damals im Urlaub bei Rügen gewesen, da wo meine Eltern gemeint hatten mich mitschleppen zu müssen und tja, da sind wir uns am Strand halt über den Weg gelaufen'

'Ja und weiter? Das war doch nicht alles oder? Ich meine das Bild sieht aber nach mehr aus'

'Gut... Der saß dann mal Abends am Strand und hat Gitarre gespielt und weil ich es toll fand bin ich hingegangen und wir haben uns unterhalten'

'Und weiter?'

'Ja was und weiter?'

'Bild? Aussage?'

'Ja meine Güte wir sind dann mal abends zusammen am Strand gelegen, haben was getrunken und über das Leben philosophiert und haben uns halt gut verstanden'

'Aha... Abends am Strand gelegen also und weiter?'

'Wir haben dann am Strand geschlafen'

'Geschlafen also... Und du glaubst wirklich, dass nehme ich dir ab?'

'Mensch Jules wir haben wirklich beide nur am Strand geschlafen!'

'Vielleicht miteinander...'

'Boah Nein! Erstens mal waren wir beide nicht gerade mehr nüchtern, zweitens war es verdammt frisch gewesen und drittens.... ähm...'

'Das sind Gründe, aber keine Hindernisse'

'Och Jules, schau mal wie alt er ist und schau mal wie alt ich bin. Also ich bitte dich'

'Trotzdem kein Grund *kicher*'

'*hau*'

'Ach gibs doch einfach zu'

'Nein ich gebe überhaupt nichts zu!'

'Da war was, da war was *hüpf*'

'Ja klar ich verführe im Vollsuff jemand Jüngeres, der genauso besoffen is wie ich. Aber sonst geht’s dir gut?'

'War doch nur Spaß gewesen'

'Hat sich aber nicht danach angehört. Da macht man jemanden eine Signatur und am nächsten Tag wird einem eine Affäre angedichtet. Echt super *sfz*'

'Tut mir ja leid, aber was willst du jetzt machen? Ich meine interessiert es dich denn nicht ob er es jetzt ist oder nicht?'

'Klar interessiert es mich, aber ich hab keine Ahnung wie ich das anstellen soll'

'Schreib doch nen Brief?'

'Bin ich 12?'

'Du weißt ganz genau wie ich das gemeint hab'

'Schon klar, aber ich hab doch die Adresse gar nicht'

'Dann schreib eine Mail'

'Ja und was soll ich da reinschreiben? He bist du der Kerl mit dem ich damals besoffen am Strand gelegen bin und über den Sinn des Lebens philosophiert hab? Der hält mich doch für plemplem oder sonst was'

'Glaub ich nicht'

'Dass du das nicht glaubst wundert mich nicht... Aber nee... Das kommt doof... Ach mir fällt noch was ein'

'Kannst mir dann ja sagen ob dir was eingefallen ist, weil ich muss jetzt leider off... Meine Mum stresst schon wieder rum *rolleyes*'

'Joah machs gut'
 

Schwupps war wieder Ruhe im ICQ für die ich ehrlich gesagt dankbar war. Endlich niemand der nervte oder dumme Fragen stellte oder noch schlimmer, irgendwelche Gerüchte in die Welt setzte. Aber trotzdem hatte Jules irgendwie recht gehabt. Warum schrieb ich nicht einfach? Irgendwas würde mir da sicherlich noch einfallen, was vielleicht nicht so verfänglich oder peinlich sein würde und vielleicht hatte ich ja Glück und erhielt eine Antwort. Einerseits wollte ich ja schon wissen ob er es war, aber andererseits auch wieder nicht. Ich meine wenn er es tatsächlich war, was würde es mir bringen? Sollte ich etwa sagen 'Hallo hier bin ich. Nett dich nach so vielen Jahren mal wieder zu finden. Wie geht’s dir so und was hast du gemacht?' Das war einfach nur Blödsinn und ich wollte ja eigentlich auch keine Freundschaft oder so aufbauen, wozu auch. Ich wollte doch im Endeffekt nur wissen ob die beiden Personen auf den Bildern die gleichen waren. *Ach was solls*, meinte ich in Gedanken zu mir und machte mich daran, eine Mail zu schreiben.

Tage vergehen

„Lieber Stefan“

*Gott hört sich das scheisse an*, dachte ich mir, nachdem ich gerade einmal 2 Worte geschrieben hatte. Nein so konnte ich die Mail wirklich nicht anfangen. Nicht dass er noch auf falsche Ideen kam, so wie Jules es getan hatte. Nein da musste wirklich ein anderer Anfang her, nur welcher?

„Hallo Stefan“

*Schon besser*, dachte ich mir und grübelte, was ich jetzt weiter schreiben sollte. Im Endeffekt war es doch doof jemanden zu fragen ob er auch die Person war von der man glaubte dass sie es war. Die ganze Sache war jetzt schon so lange her und vermutlich würde er sich nicht einmal mehr daran erinnern können. Der Urlaub war viel zu kurz und außerdem viel zu feucht-fröhlich gewesen, als dass man sich nach so langer Zeit noch ein Details erinnern würde können. Besonders männliche Wesen hatten ja da so ihre Probleme damit. Für sie war doch ein Urlaubstag meist genauso wie der andere zuvor und der danach. An Details konnten sie sich nur noch dann erinnern, wenn man ihnen gewaltig auf die Sprünge half und gerade das wollte ich ja nicht unbedingt machen. *Ach vielleicht sollte ich es einfach ruhen lassen*, zweifelte ich in Gedanken an meinem Vorhaben und schloss das Fenster mit der angefangenen e-Mail wieder. Es war ein lustiger Urlaub damals gewesen und damit war die Sache auch erledigt. Selbst wenn es ein und dieselbe Person war, was würde es ändern? Die Musik war nicht schlecht und gefiel mir auch, aber das war noch lange kein Grund irgendwelchen Bandmitglieder hinterher zu spionieren oder sie zu fragen ob sie rein zufälligerweise zu der und der Zeit an dem und dem Ort gewesen waren, weil man könnte sich ja zufällig über den Weg gelaufen sein. Außerdem kam es seltsam wenn man ewig lang nichts von sich hören ließ und dann auf einmal, nur weil der Sänger der Band meinte sich bei einer Castingshow anmelden zu müssen, wieder auf der Bildfläche aufzutauchen. Das roch ja beinahe danach, als würde man es nur tun um sich irgendwelche Vorteile zu erhoffen und das war ja nun absolut das letzte was ich vorhatte. Ich wollte nicht wissen, wie viele ehemalige Bekanntschaften sich jetzt auf einmal wieder zu Wort meldeten, weil sie glaubten jetzt könnte etwas für sie herausspringen. Nein, ich ließ es wohl wirklich ganz. Sollte es nicht so gewesen sein wie vermutet, dann war es nicht schlimm und wenn es doch so war, dann hatte ich eben Pech gehabt. Aber im Moment war mir die Sache einfach nicht wichtig genug um mich damit auseinander zu setzen und noch weniger, mir einen solchen Stress zu machen.
 

Leider hatte ich die Rechnung ohne Jules gemacht, die mir in den kommenden Wochen beinahe jeden Tag in den Ohren lag, dass ich doch die Mail endlich schreiben sollte. Ich konnte mir sehr wohl denken dass sie das nicht ohne Hintergedanken machte, dafür lag ihr Grund einfach zu deutlich auf der Hand oder besser gesagt, bewegte sich zu offensichtlich über die Bildfläche. Es verging eigentlich kein Tag, an dem sie mir nicht etwas Neues erzählte, an dem sie nicht in den höchsten Tönen von ihrem Superstar „Max“ vorschwärmte oder mir mal kein Lied oder Video schickte. Im Endeffekt brauchte ich gar nichts tun und war trotzdem bestens informiert. Aber, obwohl ich für mich beschlossen hatte die Sache ruhen zu lassen, ließ mich der Gedanke einfach nicht los. Immerhin waren es lustige Gespräche gewesen die wir geführt hatten und zum lachen hatte es jede Menge gegeben. Ich erinnerte mich noch genau, wie er nach der Bierflasche gesucht hatte, die er zum kühlen ins Wasser gelegt hatte und die auf einmal nicht mehr dort gewesen war, wo er sie hingestellt hatte. Wie er die Schuld daran Neptun gegeben hat, dessen Meerjungfrauen mal wieder vergessen hatten, ihm das Feierabendbier einzukaufen. Oh ja, es hatte wirklich sehr viel zum lachen gegeben. Es war wohl der erste Urlaub gewesen, wo ich nicht sauer gewesen war, dass meine Eltern mich mitgeschleppt hatten, anstatt mich alleine daheim zu lassen, so wie ursprünglich von mir gewünscht. Aber es waren Erinnerungen und würden auch Erinnerungen bleiben.
 

Die schlimmste Zeit allerdings bestand mir noch bevor und zwar als Max beschlossen hatte aus der Show auszusteigen. Für Jules brach beinahe eine Welt zusammen, denn jetzt konnte sie ihren „Schatz“ ja nicht mehr jeden Samstag auf dem Bildschirm bewundern, geschweige denn hören. Einerseits fand sie es ja toll dass er es getan hatte und andererseits hätte sie ihm am liebsten dafür erwürgt. Ich selbst konnte eigentlich nur noch in mich hinein grinsen, denn im Gegensatz zu Jules, fand ich die Aktion einsame Spitze. Endlich hatte jemand den Arsch in der Hose gehabt, der Show die Rote Karte zu zeigen. Er hatte zwar lange dafür gebraucht, aber so kurz vor knapp zu sagen „Leute ich geh“, dafür brauchte es schon einiges an Mut. Während so einer Castingshow schwamm man in einem riesigen Becken voller Haie und wenn sie wollten, war man mit einem Haps verschlungen. Da ohne größere Schäden rauszukommen, war wirklich ein kleines Wunder. Es hatte beinahe ein wenig von David gegen Goliath gehabt. Zumindest wenn man eine solche Parallele ziehen wollte. Zumindest konnte sich Jules über Max's Ausstieg hinweg trösten, in dem sie sich nun voll auf seine Band Empty Trash konzentrierte. Sie jagte quer durch das World Wide Web nur um auch jede Information zu finden die es gab, verbrachte zig Stunden damit in deren Forum sich aufzuhalten und die wenigen Lieder die von ihnen erhältlich waren hoch und runter zu dudeln.

Aber einen Vorteil hatte ihr „Fanatismus“ zumindest schon mal, sie hielt die Klappe, belagerte mich nicht im ICQ und kam auch nicht mehr auf die verrückte Idee, mich morgens aus dem Bett zu werfen. Dachte ich zumindest.....

Weckruf mit Folgen

Ruckartig richtete ich mich auf, als das Klingeln des Telefons mich aus dem Schlaf riss. Ich verdrehte die Augen und ließ mich wieder in das Kissen sinken. Sollte der Anrufer doch mit dem Anrufbeantworter reden. Dafür war er ja auch da. Ich wollte gerade wieder die Augen schließen, als der Anrufbeantworter auch schon ansprang.

„Ich weiß dass du da bist und du liegst bestimmt noch im Bett. Entweder du stehst gleich auf oder ich rufe solange an, bis du aufstehst. Ist das klar?! Also schwing den Hintern aus dem Bett.“

Jules! Ging es ihr heute etwa zu gut? Hatte sie irgendwelche Drogen genommen oder warum rief sie jetzt schon wieder so früh morgens an? Aber nein, ich würde jetzt nicht aufstehen. Sicherlich war es ein genauso unwichtiger Kram wie sonst auch und das konnte sie mir ja wohl auch heute Nachmittag erzählen.

Ich drehte mich auf die andere Seite, schloss die Augen und versuchte an der Stelle im Traum wieder weiter zu machen, an der mich Jules rausgerissen hatte. Doch ich hatte kaum die Augen wieder zu gemacht, als das Telefon schon wieder zu klingeln begann. *Die wird doch nicht etwa doch?*, fragte ich mich in Gedanken, aber das konnte ich mir dann doch nicht vorstellen. So verrückt schätzte ich sie dann doch nicht ein. Also zog ich mir einfach die Decke über den Kopf und versuchte nicht auf den Anrufbeantworter zu achten. Aber als er dann zum 8ten Mal ansprang war es mir dann schlichtweg zu dumm geworden. Ich sprang aus dem Bett, riß den Telefonhörer nach oben und antwortete mit einem gereizten: „Was is?“

„Ich wusste doch dass du irgendwann mal aufstehst.“

„Sag mal Jules hast du nen Rad ab oder was? Spinnst du eigentlich oder was soll der Telefonterror jetzt?“

„Ich wollte nur dass du aufstehst, weil wenn du erst heute Mittag aus dem Bett gekrochen wärst, dann wäre es zu spät gewesen“

„Hallo? Ich bin gestern um 12 Uhr heimgekommen, musste noch ein Projekt fertig machen und auch noch das Wallpaper was du ja unbedingt von mir gemacht haben wolltest. Ich bin erst um 5 Uhr ins Bett gekommen und du machst morgens um 9 Uhr Terror? Sag mal geht’s dir noch ganz gut?“

„Jetzt reg dich mal wieder ab Mensch. Ich weiß wie du die Antwort findest“

„Antwort? Welche Antwort zum Henker!“

„Bild? Typ? Urlaub?“

'Moah Jules red mal bitte in anständigen Sätzen wenn du etwas von mir willst, ansonsten wars das“

„Du hast dich doch gefragt ob der Kerl auf deinem Foto und auf dem Bandfoto der gleiche ist oder? Und die Mail hast du ja auch noch nicht geschrieben und ich weiß jetzt, wie du die Antwort bekommst ohne die Mail schreiben zu müssen“

„Ahaaa.... und dafür muss man mich morgens um 9 Uhr aus dem Bett werfen und kann es mir nicht erzählen wenn ich Online komme?“

„Nein dann wäre es zu spät, weil wir müssen nach Berlin“

„Nach Berlin? Jules weißt du was? Mir reichts! Nerv jemanden anderen. Nacht!“
 

Damit knallte ich den Hörer wieder auf das Telefon und überlegte mir schon, ob ich das Telefonkabel nicht am besten gleich aus der Dose ziehen sollte. So würde ich wenigstens von nervigen Anrufen verschont. Aber andererseits konnte es ja doch mal was wichtiges sein und so würde ich nichts mitbekommen. Also ließ ich alles so, in der Hoffnung, dass Jules nicht nochmals anrufen würde. Nach Berlin fahren. Der gings heute wirklich nicht besonders gut. Klar war Berlin mit dem Auto gerade mal 1,5 Stunden entfernt, zumindest bei freien Straßen, aber trotzdem noch ein gutes Stück Strecke.
 

Gerade als ich mich ins Bett legen wollte, klingelte das Telefon bereits schon wieder. *Das darf doch nicht wahr sein!*, fluchte ich in Gedanken auf und ging zum Telefon. Ich riss erneut den Hörer vom Telefon.

„DU NERVST VERDAMMT NOCHMAL!“

„Ich glaube sie verwechseln mich. Ich bin vom Meinungsinstitut und wir machen eine Umfrage zum Thema Urlaubsverhalten. Hätten sie da vielleicht kurz Zeit um mir ein paar Fragen zu beantworten?“

„Nein hab ich nicht und sie nerven genauso mit ihren dummen Anrufen. Haben sie eigentlich nichts besseres zum tun als unschuldige Bürger mit ihren blöden Umfragen zu belästigen?“
 

Gereizt knallte ich den Hörer auf und atmete erst einmal tief ein und wieder aus. Der Samstag war jetzt komplett im Eimer. Zum schlafen war ich jetzt viel zu genervt und würde ich es trotzdem versuchen, so wäre ich wenn ich wieder aufstehen würde, mehr als nur Matsch. Also musste ich eben schauen, wie ich den Tag überstehen würde. Aber bevor ich überhaupt etwas anpacken würde, würde ich jetzt erst einmal in Ruhe einen Kaffee trinken und eine Zigarette rauchen. Vielleicht war der Tag ja noch irgendwie zu retten. So wirklich zu etwas Lust hatte ich nicht etwas zu tun, aber die Wohnung würde sich sicherlich darüber freuen, mal etwas mehr Zuwendung zu bekommen, als an den üblichen Wochenenden. Ich stand nunmal mit dem Haushalt auf Kriegsfuß und das würde sich wohl auch nie ändern. Ich würde mir wohl später entweder jemanden suchen müssen der sich gerne um den Haushalt kümmerte oder jemanden mit genug Geld, damit man sich eine Haushaltshilfe suchen konnte die das dann übernahm. Oder aber ich suchte mir jemanden, dem das Chaos auch ein Begriff war und der selbst nicht besser war. Aber so jemanden zu finden, würde sich wohl schwieriger herausstellen, als die anderen beiden Möglichkeiten.
 

Mit der Kaffeetasse in der Hand setzte ich mich an meinen Schreibtisch und fuhr den Rechner hoch, als erneut das Telefon klingelte. *Das darf doch nicht wahr sein*, seufzte ich, stellte die Tasse ab und griff nach dem Telefon.

„Nein?“

„Tut mir leid“, kam es kleinlaut vom anderen Ende der Leitung und es war klar, dass es sich nur um Jules handeln konnte.

„Denke einfach das nächste Mal vorher nach und dann klappt das.“

„Ja schon... Ich wollte dir doch eigentlich nur helfen und nicht dich nerven.“

„Helfen? Wie willst du mir helfen? Und vorallem... Was hat das mit Berlin zum tun?“
 

Im ersten Moment herrschte vollkommene Stille in der Leitung, was einerseits ein beruhigendes Gefühl war, aber andererseits nichts Gutes zu bedeuten hatte. Ganz besonders nicht, wenn es sich beim Gesprächspartner um Jules handelte. Dann fing Jules auch noch an herum zu drucksen, was mein Gefühl nur noch bestärkte.
 

„Ja also... Ich hab gelesen, dass die Band heute Abend in Berlin ein Konzert gibt und ich dachte mir, dass wenn wir da hinfahren und du den Typ wieder siehst, dann erkennt er dich vielleicht wenn er es ist und du brauchst die Mail nicht schreiben“, kam es dann leise und in einer so schmeichelhaften Art und Weise, dass ich nicht anders konnte als laut los zu lachen. Es war so putzig wie sie es hinstellte, als ob nicht klar gewesen wäre, dass sie da aus einem anderen Grund hin wollte. Aber gut, dann ließen wir sie eben noch ein wenig schmoren.
 

„Schon möglich, aber überleg doch mal.. Wenn ich mich schon nicht erinnern kann, warum sollte er sich dann erinnern können? Nein da ist es wohl einfacher doch die Mail zu schreiben.“

„Nein glaub ich nicht. Meistens erkennt man ein Gesicht eher wieder, als wenn man da nur ein paar Worte liest.“

„Jules wir reden hier von einem Jungen und die sind nicht immer so die Blitzmerker.“

„Aber du könntest es doch mal versuchen oder nicht? Wenn es nicht klappt, dann kannst du doch immer noch die Mail schreiben.“

„Hmm... Für einen Test ist Berlin dann doch ein weites Stück zum fahren. Ne also ich weiß nicht ob das eine so gute Idee ist Jules“

„Och komm schon Andrea. Versuch es doch zumindest mal. Vielleicht klappt es ja wirklich.“

„Jules, warum sagst du nicht einfach, dass du da hin willst um Max sehen zu können? Das ist doch der eigentliche Grund für deine Frage oder? Sei doch einfach mal ehrlich.“

„Na gut... Schon irgendwie... Aber trotzdem kannst du dann doch schauen ob er es ist oder nicht“

„Ist ja gut, ist ja gut. Wann geht’s los?“

„Du bist ein Schatz. Wenn ich könnte, würd ich dich jetzt umarmen“

„Deswegen brauchst du mir jetzt nicht ins Ohr kreischen“, meinte ich lachend und verfluchte mich selbst für meine Gutmütigkeit. Ich hatte eigentlich weder die Zeit, noch das Geld um mal kurz nach Berlin zu fahren, aber wenn es Jules so wichtig war, dann machte ich eben mal eine Ausnahme. Vielleicht wurde es ja doch ganz lustig.

„Also Jules, wann beginnt das Konzert und wann sollen wir losfahren?“

„Das Konzert beginnt um Acht, aber wir können ja früher fahren und uns noch in ein Cafe oder so setzen.“

„Du meinst früher fahren damit die Hoffnung für dich besteht deinen Superstar vorher noch abfangen zu können.“

„Überhaupt nicht wahr!“

„Wohl wahr! Aber ok, dann fahren wir eben früher los. Ich würde sagen ich hole dich um 12 ab, dann wären wir wenns gut läuft so gegen 2 in Berlin und hätten somit noch jede Menge Zeit. Ist das ok für dich?“

„Jaaaaaaa“

„Ok dann bis später“, meinte ich zu Jules, legte den Hörer auf und zeigte mir selbst den Vogel. Das also sollte aus meinem geplanten, ruhigen Samstag werden. Endlich mal ein Tag an dem man faul auf dem Sofa liegen konnte und schon wars wieder nichts. Aber ein Gutes hatte das Ganze dann doch... Ich kam um den verhassten Haushalt herum.

Eine Reise mit Hindernissen

Wie mit Jules abgemacht, stand ich Punkt 12 Uhr auf der Matte und klingelte an der Türe. Es dauerte ein paar Minuten bis die Türe endlich aufging und Jules in dieser stand. Allerdings war sie alles andere als fertig. Im Gegenteil. Sie stand im Handtuch vor mir und kam wohl gerade erst aus der Dusche heraus.

„Hatten wir nicht 12 Uhr ausgemacht Jules?“

„Jaaaa... Hat etwas länger gedauert. Komm rein“
 

Seufzend betrat ich die Wohnung, warf ihren Eltern ein kurzes „Hallo“ zu und folgte Jules dann in ihr Zimmer, welches mehr einem Schlachtfeld glich, als allem anderen. Überall waren Klamotten verteilt. Auf dem Bett, auf dem Boden, über den Stühlen, selbst über der Stehlampe hing ein Rock. *Da bin ich ja noch harmlos*, schoss es mir durch den Kopf und da ich nicht wusste wo ich mich am besten hinsetzen sollte, blieb ich einfach stehen.
 

„Sag mal Jules... Ist bei dir ein Hurricane durchs Zimmer getobt?“

„Ach ich weiß einfach nicht was ich anziehen soll. Kannst du mir nicht helfen?“
 

Mit einem treudoofen Hundeblick sah mich Jules an und irgendwie überkam mich das Gefühl, mich einfach umzudrehen und das Zimmer verlassen zu müssen. Ich ahnte nämlich bereits, was das für mich bedeuten würde.
 

„Wie wäre es mit der Jeans und dem T-Shirt dort drüben?“

„Hallo? Wir gehen auf ein Konzert und da tauche ich doch nicht in normalen Jeans und einem normalen T-Shirt auf!“

„Dann der Rock und das Top?“

„Andrea? Was soll denn der von mir denken? Dass ich leicht zu haben bin? Ne das kann ich ja nun wirklich nicht anziehen!“

„Dann eben die Jeans dort drüben und das Top dort?“

„Hm... Nee da passen meine Schuhe farblich nicht dazu. Das sieht doof aus.“

„Ok, ich weiß was Jules“

„Ja und was?“

„Zieh am besten gar nichts an. Dann passt es auf alle Fälle farblich zu deinen Schuhen, es ist nicht zu langweilig und überhaupt.“

„Ha, ha, ha... toller Witz. Da dachte ich du hilfst mir und dann das.“
 

Jules zog eine Schnute und kramte noch mehr Klamotten aus ihrem Kleiderschrank hervor und verteilte sie in ihrem Zimmer. Irgendwann war es mir dann doch zu dumm geworden und ich ließ mich in den Sessel fallen, der in einer Ecke in ihrem Zimmer stand.
 

„Waaahhh Andrea! Das Top wollte ich doch anziehen und jetzt sitzt du auch noch drauf. Ach neeee....!“
 

Ich erhob mich von dem Sessel und warf das Top Jules zu.
 

„Weißt du was? Ich warte draußen auf dich und wenn du fertig bist, dann komm raus. Sollte das aber nicht in den nächsten 15 Minuten sein, dann kannste schauen wie du nach Berlin kommst.“
 

Damit verließ ich ihr Zimmer und die Wohnung wieder und setzte mich draußen auf die Motorhaube meines Autos. In der Hosentasche kramte ich nach meinen Kippen, zündete mir eine an und beobachtete die Leute welche die Straße entlang liefen. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass ich mich von Jules tatsächlich hatte überreden lassen, nach Berlin zu fahren. Sie würde neben mir sitzen und wohl lustig vor sich hin feiern und ich hatte den Stress. Aber so war es immer schon gewesen. Da ich nun mal die war, die den Führerschein hatte, war auch ich immer diejenige, die fahren musste. Ich hoffte nur, die Straßen machten mir keinen Strich durch die Rechnung und es gab mal keinen Stau. Auf diesen konnte ich nämlich sehr gut verzichten.

Ich schnippte den Kippenstummel von mir weg und wollte gerade einen Blick auf die Uhr werfen, als auch schon die Türe aufging und Jules rauskam. Mit großen Augen sah ich sie an, biss mir auf die Lippe um nicht loslachen zu müssen und versuchte mir nichts davon anmerken zu lassen. Sie sah zum schießen aus. Sie trug einen kurzen Jeansrock, dazu ein schwarzes und dazu noch knappes Top, einen Nietengürtel und dazu niegelnagelneue Vans. Es passte hinten und vorne nichts, aber auch gar nichts zusammen. *Ich glaub ich stell mich weit weg von ihr irgendwo hin und tu so, als würde ich sie nicht kennen*, dachte ich mir gemeinerweise und rutschte von der Motorhaube. Da war ich doch ganz zufrieden mit meiner Klamottenwahl. Eine etwas abgeratzte Jeanshose, normales T-Shirt und meine alten, ausgelatschten Chucks. Bequem und praktisch eben.
 

„Na dann lass uns mal losfahren, sonst kommen wir in Berlin an, wenn das Konzert vorbei ist“, meinte ich zu Jules, wartete bis sie eingestiegen war und startete den Wagen. Geschickt fädelte ich mich in den fließenden Verkehr ein und schlug den Weg ein, der uns zur Autobahn führen würde. Wir waren noch nicht mal 10 Minuten unterwegs, als Jules auch schon anfing zu quängeln. Als erstes kam die Frage, ob man nicht die Fenster aufmachen könnte, weil es sei ja so warm im Auto. Dass die Klimaanlage bereits am laufen war, schien ihr wohl entgangen zu sein. Also schaltete ich die Klimaanlage aus und machte die Fenster auf. Vielleicht war sie ja dann ruhig. Das war sie dann auch, jedenfalls für die nächsten 5 Minuten. Dann kam die Frage, ob sie nicht ihre CD ins Radio schieben könnte, damit sie sich besser auf das Konzert einstimmen könnte. Als nächstes kam dann die Frage, ob ich nicht an einer Tankstelle halten könnte, weil sie hatte Durst bekommen.
 

„Jules... Wir befinden uns mittlerweile auf der Autobahn. Da kommt nicht alle 500m eine Tankstelle. Da wirst du wohl warten müssen, bis wir an eine Raststätte kommen“, meinte ich zu ihr und verdrehte innerlich die Augen. Nein die Fahrt war alles andere als entspannend und erst recht nicht, als Jules meinte das Radio aufdrehen zu müssen. Da es mir zu laut war, drehte ich es wieder leiser, was nur dazu führte, dass sie es wieder lauter machte. Selbst der böse Blick den ich ihr daraufhin verpasste, schien sie nicht zu stören. Letztendlich gab ich es auf und sah wieder nach vorne auf die Straße und versuchte mich irgendwie auf andere Gedanken zu bringen. Wenige Kilometer später hatte es auch funktioniert, allerdings nicht so wie ich es mir erhofft hatte. Mit besorgtem Blick betrachtete ich die Temperaturanzeige am Armaturenbrett, deren Zeiger sich immer mehr dem roten Bereich näherte. *Fuck! Was soll der Mist jetzt?*, fragte ich mich selbst und hielt Ausschau ob nicht endlich mal ein Schild auftauchen würde, wo drauf stand, wo sich die nächste Raststätte befinden würde. Das Auto war doch erst gestern noch in der Inspektion gewesen und da war alles in bester Ordnung gewesen. Also warum wurde jetzt verflucht nochmals der Motor so heiß? Da konnte doch etwas nicht stimmen.

Aber dann kam das berühmte Glück im Unglück und vor mir tauchte eine Raststätte auf. Ich fuhr mit dem Auto auf den Parkplatz der Raststätte und stieg fluchend aus dem Wagen aus. Ging herum und öffnete die Motorhaube und sofort kam mir eine kleine Dampfwolke entgegen.

„Hell damn it!“, fluchte ich laut und wedelte den Dampf erst einmal beiseite und betrachtete mir das Chaos.

Jules hatte mittlerweile ebenfalls das Auto verlassen und schaute mir über die Schulter. Etwas das ich gar nicht haben konnte.

„Verstehst du was davon? Nein? Also kusch dich“, meinte ich gereizt und versuchte den Fehler zu finden. Vielleicht war es ja nur eine Kleinigkeit, die schnell zu beheben war. Mit dem Oberkörper tief in den Innereien meines Wagens vergraben, bekam ich nicht so wirklich mit, wer da an uns vorbei lief. Ich hörte zwar hin und wieder mal sehr typisch männliche Kommentare, aber die gingen mir sonst wo vorbei. Doch plötzlich änderte sich etwas. Mich beschlich das ungute Gefühl, dass jemand stehen geblieben war und mir zuschaute. *Wenn er meint*, dachte ich mir und fluchte wieder leise vor mich hin, als ich mir beinahe die Finger am heißen Motor verbrannt hätte.
 

„Probleme?“, fragte plötzlich jemand mit einer relativ jungen Stimme neben mir und an den Geräuschen merkte ich, dass er näher gekommen war. Ich schielte leicht zur Seite, entdeckte aber nur ein Stückchen Jeanshose und ein Stückchen Hemd.

„Nein ich hänge nur so zum Spaß mit dem Oberkörper unter meiner Motorhaube“, entgegnete ich ein wenig gereizt, denn ich hatte die Ursache des Übels gefunden und die gefiel mir überhaupt nicht. Ich hoffte der Kerl würde nun von dannen ziehen und mich in Ruhe lassen, jedoch hatte ich den Faktor 'Jules' wie immer nicht in meiner Planung berücksichtigt.

Bekanntschaften

Plötzlich fühlte ich einen stechenden Schmerz in den Rippen, als Jules mir ihren Ellenbogen in die Seite rammte. Vor lauter Schreck ruckte ich nach oben und als mein Hinterkopf Bekanntschaft mit der Motorhaube schloss, gab es einen dumpfen Knall.

„Damn it!“, fluchte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und hielt mir den Hinterkopf. Gott hatte das weh getan und ich schloss die Augen, bis das Schwindelgefühl nachlassen würde. Eigentlich wollte ich mich zu Jules umdrehen und sie richtig rund laufen lassen, als ich von der anderen Seite, von der zuvor die höfliche Frage gekommen war, ein leises Kichern vernahm. Ich atmete tief durch, drehte mich langsam um und wollte der Person ein äußerst freundliches 'Du kommst dir wohl besonders witzig vor' an den Kopf knallen, doch weiter als bis „Du kommst...“ kam ich dann doch nicht, als ich die Person die vor mir stand, als Jules Schwarm Max identifizierte. Ich rieb mir mit der flachen Hand über den Hinterkopf und spürte schon, wie sich eine Beule bildete.
 

Max neigte leicht seinen Kopf auf die Seite, sah mich mit einem etwas besorgten Blick an, dem ein leises „Alles ok?“ folgte.

Ich nickte mit dem Kopf und sah von ihm zu Jules, die mit offenem Mund da stand und Max anstarrte, als würde ein Geist vor ihr stehen. Mit einer kurzen Handbewegung brachte ich ihre Kinnlade wieder an die richtige Stelle und wandte mich wieder Max zu.

„Ja mit mir is alles ok, nur mit dem Auto wohl nicht“, seufzte ich auf und warf einen Blick über die Schulter in den Motorraum und dann wieder zu Max. „Wird wohl nichts werden aus unserer Reise nach Berlin.“

„Ihr wolltet nach Berlin?“, kam es mit leichter Überraschung von Max, der meine Aktion mit Jules Kinnlade, mit einem breiten Grinsen registriert hatte.

Wieder nickte ich mit dem Kopf und gleichzeitig kam mir ein ganz böser Gedanke. Der Schlag in die Rippen, den würde mir Jules noch büßen müssen und ich wusste auch schon wie.

„Ja wir wollten nach Berlin. Da spielt heute im SO36 eine Band namens Empty Trash und die Kleine hier hinter mir, die ist total vernarrt in den Sänger der Band und wollte ihn unbedingt mal live sehen und lag mir den ganzen Morgen damit in den Ohren, bis ich mich hab breit schlagen lassen sie zu fahren“, kam es mit einer Seelenruhe von mir ohne auf das leise Gemecker in meinem Rücken zu achten. „Tja und jetzt siehts wohl stark danach aus, als würde nichts daraus werden oder hast du vielleicht einen neuen Kühlerschlauch in der Hosentasche?“

„Empty Trash? Ich glaub ich hab da mal was von gehört, bin mir aber nicht so ganz sicher“, meinte Max ruhig und stieg somit voll und ganz auf das Spiel ein welches ich angefangen hatte. Eine Reaktion die ich ihm wirklich hoch anrechnete. *Vielleicht ist er ja doch ein ganz netter*, ging es mir dabei durch den Kopf und ich merkte, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen legte. „Kühlerschlauch? Wie kommst du jetzt da drauf?“

„So wie es aussieht hatte ich letzte Nacht Besuch von einem süßen kleinen Marder gehabt, der nichts besseres zu tun gehabt hatte, als den Schlauch zu bearbeiten“, lachte ich auf und strich mir eine Strähne hinters Ohr. „Und wenn ich mir den Schlauch so anschaue, muss er ihn geliebt haben.“

Oh ja anders konnte es gar nicht gewesen sein. So viele Löcher wie er hatte, glich der eher einem Stück Schweizer Käse und weniger einem Autoteil. Es war wirklich dumm gelaufen und der Marder hätte wenn schon, einen Tag früher kommen können. So hätte man den Fehler wenigstens gleich bei der Inspektion bemerkt und behoben.

„Ja und was hast du jetzt vor?“, kam es wieder fragend von Max dessen Blick von mir, über Jules zum Auto und wieder zurück wanderte.

Leicht zuckte ich mit den Schultern, denn ich wusste es wirklich nicht.

„Entweder ich warte bis sich der Motor abgekühlt hat und versuche so irgendwie wieder heim zu kommen oder ich rufe den ADAC an damit sich mich zur nächsten Werkstatt abschleppen, die dummerweise jetzt alle schon zu haben oder aber ich lass das Auto stehen und schau ob wir irgendjemand finden der uns zurück oder nach Berlin mit nimmt“, meinte ich zu Max und zuckte wieder leicht mit den Schultern. „In Berlin müsste ich halt schauen ob mein Bekannter daheim ist und wir da bei ihm bleiben können bis Montag und dann nach dem Auto schauen. Aber egal wie ich es drehe und wende, für Jules Konzert wird’s wohl zu spät werden, geschweige denn von dem restlichen Chaos.“

Wieder hörte ich in meinem Rücken leises Gegrummel und mir war klar, dass Jules mich wohl sobald wir alleine waren, lynchen würde. Aber diesesmal hatte sie die kleinen Blamagen wirklich verdient. Mir brummte der Schädel und das wäre wohl nicht passiert, hätte sie nicht gemeint, mir ihren Ellenbogen mit voller Wucht in die Rippen bohren zu müssen.

Max sah auf einmal reichlich nachdenklich drein und man hatte fast das Gefühl, als würde er überlegen. Auch wenn mir nichts einfallen würde, worüber er sich jetzt Gedanken machen könnte. Er würde jetzt wohl gleich gemütlich nach Berlin gefahren werden, sein Konzert abliefern und danach noch feiern. Da war doch alles gut geplant und da konnte kaum etwas schief gehen. Ganz im Gegensatz zu mir.

„Ich hab eine Idee“, sprach Max dann auf einmal mit einem Grinsen im Gesicht und schien sich sichtlich über den wohl reichlich dummen Gesichtsausdruck von mir zu amüsieren. Aber ich konnte es ihm nicht mal verübeln wenn es so war, denn ich hatte selbst das Gefühl über meinem Kopf würde ein riesengroßes Comicfragezeichen prangen.

„Ähm eine Idee? Und die wäre?“, fragte ich ein wenig skeptisch und steckte meine Hände in die Hosentasche. Irgendwie war die ganze Sache sehr suspekt. Es war schon verrückt genug ihm auf dem Parkplatz einer Autobahnrastätte zu begegnen und jetzt sollte ihm auch noch eine Idee gekommen sein, wie er uns helfen konnte? Ich drehte meinen Kopf und sah mal in diese und mal in jene Richtung, denn sie musste doch irgendwo sein. Nein hier musste doch irgendwo eine versteckte Kamera sein. Alles andere war doch wohl kaum realistisch oder?

„Kann ich noch nicht sagen. Ich muss davor erst mal was abklären, aber ich denke mal schon dass es klappt“, lachte er und fand es wohl sehr lustig uns auf die Folter zu spannen. „Nicht wegrennen, ich bin gleich wieder zurück.“

Und schwups drehte er sich auch schon um und ging den Parkplatz entlang bis er zwischen ein paar Autos verschwand und nicht mehr zu sehen war. *Wegrennen... Guter Witz*, ging es mir durch den Kopf, den ich kurz darauf schütteln musste. Wenn mir einer erzählt hätte, was mir an diesem Tag passieren würde, dem hätte ich wohl den Vogel gezeigt.
 

„Sag mal spinnst du?!“, fuhr mich Jules wütend an und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Du weißt doch ganz genau wer er ist oder? Also was soll der Mist von wegen Band und bla?“

Ich drehte mich zu Jules um, welche die Hände in die Hüften gestemmt hatte und mich mit vor Wut funkelnden Augen ansah.

„Hätte ich etwa anfangen sollen zu kreischen? Zu hyperventilieren und mich vor ihm auf den Boden werfen?“

„War ja klar dass du jetzt wieder mit einer vollkommen übertriebenen Antwort kommen musst.“

„Jetzt hör mir mal zu Jules. Er mag vielleicht Sänger der Band sein ja und? Trotzdem ist er ein ein Mensch wie du und ich und kocht auch nur mit Wasser. Denkst du nicht es geht ihm auf den Keks wenn ständig irgendwelche Leute ankommen die ihn direkt drauf ansprechen und wohl nur ansprechen weil er es ist? Der freut sich über ein wenig Normalität bestimmt und wie du gesehen hast, hat er das Spielchen mitgemacht und war nicht sauer oder sonst was. Also verstehe ich deine ganze Aufregung gar nicht. Ich glaube eher du bist pissig, weil ich gesagt hab dass du auf ihn stehst oder?“

„Musste das denn sein? Warum hast du mir nicht gleich ein Schild um den Hals gehängt?“

„Gute Idee die muss ich mir merken“, lachte ich auf, weil ich einfach gar nicht anders konnte als zu lachen. So ärgerlich die ganze Lage auch war, so amüsant war sie auch. Da stand man mit einer Autopanne auf einem Parkplatz, begegnete dem Sänger einer Band auf deren Konzert man wollte und es schien einen Weg aus der Misere zu geben. Es war einfach zu abgefahren. „Jules... Jetzt komm wieder runter. Es ist doch gar nichts passiert oder glaubst du wirklich, dass er mir die Sache mit dir geglaubt hat? Und wenn, dann sicherlich nicht jedes Wort und garantiert auch nicht so wie ich es gesagt habe.“

Nein das konnte ich mir dann doch nicht vorstellen. Sicherlich war Jules mit offenem Mund dagestanden und hatte sich damit schon selbst disqualifiziert, aber ich hatte dem ganzen dann ja noch eins oben drauf gesetzt. Nein er hatte es bestimmt nicht so aufgefasst wie ich es gesagt hatte.

„Und was machen wir jetzt?“, maulte Jules und lehnte sich gegen das Auto.

„Wir warten.“

„Und worauf bitte? Auf schöner Wetter?“

„Nein darauf dass Max wieder zurück kommt.“

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass der nochmals zurück kommt? Ich glaub eher der hat sich geschickt aus dem Staub gemacht“, maulte Jules weiter und ich hätte ihr am liebsten den Kragen umgedreht. Es war immer so, wenn Jules einmal schlechte Laune hatte, dann war alles schlecht und nervig. Vollkommen egal was es war. Sie fing dann immer an den vollen Pessimisten heraus zu hängen und das absolut grundlos.

„Jules, wenn es dir zu viel ist zu warten dann habe ich dir einen Tip“, meinte ich ruhig zu ihr und sah sie direkt an. „Ruf ein Taxi und fahr heim, dann muss ich mir deine schlechte Laune nicht länger antun.“
 

So langsam war bei mir dann doch der Punkt erreicht an dem ich keine Lust mehr hatte. Ich hatte kaum geschlafen, wurde nur von ihr genervt und dann auch noch die Sache mit dem kaputten Auto. Eigentlich war das genug Stress für eine ganze Woche und bekam alles an einem Tag ab. Jules brauchte sich ja keine Gedanken darüber machen wie das Auto von hier in eine Werkstatt kam, sie brauchte sich keine Gedanken darüber machen wie die Reparatur gezahlt wurde, sie brauchte sich keine Gedanken darüber machen wer sich um das ganze Chaos kümmerte. Sie brauchte sich im Endeffekt nur in einen Zug setzen und damit wäre für sie die Sache auch erledigt. Wenn jemand Grund zur schlechten Laune hätte, dann wäre ich das, aber komischerweise bekam ich von mal zu mal bessere Laune. Still vor mich hin grinsend ging ich zur Fahrertüre und langte nach meinen Zigaretten um mir eine anzuzünden. *Welch Wohltat* Ich genoss die Ruhe die gerade herrschte in vollen Zügen, weil ich ahnte schon, dass sie nicht von langer Dauer sein würde.
 

Plötzlich bekam ich einen Schlag gegen die Schulter und blickte angesäuert zu einer aufgeregten Jules.

„Wenn du mich noch einmal schlägst, dann schlag ich zurück Jules.“

Es nervte einfach ständig irgendwo geschlagen oder geboxt zu werden. Sie konnte mich ja auch normal ansprechen, so wie es jeder andere auch tat.

„Er kommt zurück! Er kommt zurück!“, hibbelte Jules herum und sah aus wie ein Karnickel das nicht wusste wo es sich jetzt verstecken konnte.

„Hab ich doch gesagt“, meinte ich gelangweilt zu Jules und schnippte die Kippe von mir weg.
 

Max hatte die Hände in seinen Hosentaschen vergraben und kam ruhigen Schrittes zwischen 2 Autos hervor und auf uns zu. Ich versuchte an seinem Gesichtsausdruck irgendwas heraus zu bekommen, aber es war unheimlich schwer. Es konnte im Endeffekt alles sein. Gute Nachricht, genauso wie schlechte Nachricht.

Kurz bevor er bei uns angekommen war, legte sich jedoch ein Grinsen auf sein Gesicht und ich erwischte mich, wie ich ein kleines Stoßgebet zum Himmel schickte. *Lass es eine gute Nachricht sein*

Boden tue dich auf

Direkt vor uns blieb Max stehen und versuchte ernst zu schauen, was ihm aber nicht so ganz klappen wollte. Das Grinsen wollte einfach nicht aus seinem Gesicht verschwinden. Er senkte leicht seinen Blick, bevor er diesen wieder hob und nun wirklich offensichtlich das Grinsen anfing.

„Also ich hab euch ein Angebot“, meinte er zu mir und sah kurz über seine Schulter und dann wieder zu mir.

„Und das wäre?“

„Nun ihr könnt mit uns nach Berlin fahren...“

„Aber?“

„Woher wusstest du dass da ein Aber kommt?“

„Weil es zu hören war und weil es nie etwas ohne ein Aber gibt?“

Leise lachte Max auf und nickte mit dem Kopf.

„Punkt für dich“, lachte er und zwinkerte mir zu. „Also wie gesagt ihr könnt mit uns nach Berlin fahren, aber es könnte passieren, dass ihr im Bus auf dem Boden sitzen müsst, außer natürlich einer ist so höflich und macht seinen Platz frei und ihr müsst es mit uns bis Berlin aushalten.“

Ich neigte leicht meinen Kopf auf die Seite und tat so, als müsste ich ernsthaft über dieses Angebot nachdenken. Die Vor- und Nachteile davon abwägen. „Nun ja der Boden ist nicht tragisch, aber ob ich mit dem Rest leben kann? Hmm... Schwere Entscheidung... Sehr schwere Entscheidung“, murmelte ich nachdenklich vor mich und neigte meinen Kopf auf die andere Seite. „Ich weiß ja nicht ob man euch vertrauen kann. Ich meine, wir sind zwei junge Frauen und nun jaaa... Man weiß ja nie.“

„Aaah ich verstehe...“, kam es dann mit einem verständlichen Nicken von Max, der sich das Lachen kaum mehr verkneifen konnte. Mit ruhigen Schritten kam er auf mich zu, stellte sich neben mich und legte mir den Arm um die Schultern. Ich spürte auf einmal einen stechenden Blick in meinem Rücken und es lag auf der Hand, dass Jules mich gerade versuchte mit ihren Blicken zu töten. *Na wenn sie meint*, dachte ich mir, denn wäre meine Frechheit nicht gewesen, würden wir wohl noch immer hier stehen und auf den ADAC warten.

„Und wenn ich verspreche auf euch beide aufzupassen?“

„Dann... Aber auch wirklich nur dann.... nehmen wir das Angebot natürlich gerne an“, sagte ich lachend und warf über die Schulter einen Blick zu Jules die aussah, als würde sie demnächst platzen. Ich konnte schon die Rauchwolken über ihrem Kopf erkennen und so wie ich sie kannte, war sie sowas von wütend auf mich, dass sie wohl die nächsten paar Stunden kein einziges Wort mehr mit mir reden würde. Nicht dass es mich stören würde, so hatte ich wenigstens die Chance zu entspannen und mich eventuell unterhalten zu können und das ohne dass mir jemand am Rockzipfel hing.

„Sehr gut. Dann würde ich vorschlagen ihr packt zusammen was ihr zusammenpacken müsst und folgt mir dann einfach.“

„Aye aye Sir!“

Lachend salutierte ich vor Max und überlegte dann kurz, ob ich eigentlich außer meiner Jacke etwas aus meinem Auto noch brauchte, aber dem war nicht so. Alles was ich benötigte hatte ich bei mir. Mit einem Knall warf ich die Motorhaube wieder zu sah kurz fragend zu Jules ob sie vielleicht etwas aus dem Auto brauchte, die aber zeigte mir nur die kalte Schulter. *Auch gut* Da wir ja alles hatten, schloss ich den Wagen ab, steckte den Schlüssel ein und überlegte noch kurz ob ich eine Nachricht in den Wagen hängen sollte, aber den würde bestimmt keiner klauen. Besonders weit würde derjenige damit ja so oder so nicht kommen.

„Ich würde sagen bereit dir zu folgen“, wandte ich mich an Max der nun vorausging und wir ihm hinterher. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung was mich jetzt erwarten würde und rechnete ehrlich gesagt mit allem. Aber was ich dann zu sehen kam, schaffte es dann doch, dass ich etwas dümmlich aus der Wäsche sah. Als Max das Wort 'Bus' erwähnt hatte war ich von einem simplen VW-Bus ausgegangen, aber vor mir stand ein riesiger Tourbus und jetzt wurde mir auch klar, wen er mit 'uns' gemeint hatte. *Andrea, warum musst du auch immer eine so große Klappe haben?*, meckerte ich mit mir selbst, denn so langsam fühlte ich mich ein klein wenig unwohl. Es war eines, den Sänger einer Band etwas schräg von der Seite anzuquatschen und Spielchen zu spielen, aber es war etwas vollkommen anderes mit der gesamten Band in einem Bus nach Berlin zu fahren. Ich wollte lieber nicht wissen, was die Mannschaft im Bus jetzt denken würde, wenn Jules und ich da reingestiefelt kamen und noch weniger wollte ich wissen was die Fans dachten, wenn wir aus dem Bus wieder raus kamen.

Die Tür des Busses öffnete sich und man hörte schon die ersten Lacher aus dem Bus und in dem Moment rutschte mir das Herz in die Hose. Jetzt half wohl nur noch 'Augen zu und durch', wenn es nicht noch peinlicher werden sollte. Max grinste uns zu und deutete mit der Hand an, dass wir doch vor ihm in den Bus gehen sollten. Ich holte einmal tief Luft und stieg die wenigen Stufen des Busses nach oben, gefasst auf alles. Aber überraschenderweise passierte erstmal gar nichts. Auch nicht als Jules hinter mit auftauchte passierte nichts. Doch dann kam Max die Stufen nach oben und auf einmal fing der ganze Bus das Gröhlen an.

Ich drehte mich zu Max und sah ihn mit fragendem Blick an. Was zum Henker hatte er ihnen erzählt?

„Also Jungs, das sind die beiden Mädels die uns nach Berlin begleiten werden“, kam es von Max mit einem Lachen. „Das direkt vor mir ist Jules und ein riesen Fan von uns und vor ihr ist... Tja da müsst ihr schon selbst fragen. Mir zumindest hat sie ihren Namen noch nicht verraten.“

Wieder kam Gelächter aus einer Ecke des Busses und ich wäre am liebsten im Boden versunken, so peinlich war mir das Ganze gerade. Aber das war wohl nur fair, wenn man überlegte, was für eine große Klappe ich vorher gehabt hatte.

„Psst... Seid doch mal anständig und zeigt euch von eurer besten Seite. Hab nämlich versprechen müssen, dass ihr lieb und brav sein werdet sonst wären sie nicht mitgekommen.“

„Max jetzt übertreibst du aber“, widersprach ich ihm und sah die anderen an. „Glaubt ihm kein Wort und ich heiß Andrea.“

Ich ließ meinen Blick über die Leute wandern die dort in ihren Sitzen saßen und bei einem ruckten meine Augenbrauen nach oben. *Das ist er doch?* fragte ich mich in Gedanken, war mir aber nicht so sicher, da ein guter Teil des Gesichtes, hinter einem Buch versteckt war.

„Sehr gut! Somit wäre das Geheimnis auch gelüftet“, lachte Max wieder hinter mir und stellte sich zwischen mich und Jules. „Dann wollen wir mal nicht so sein und mal die Bande mit der ihr es aushalten müsst vorstellen. Also und der wo da vorne sitzt, das ist Julius und der mit der Bierflasche in der Hand ist unser Flaschenkind Per.“

„He das ist nicht meine Flasche, das ist die von dir Max!“, kam es lachend von Per, der lachend den Kopf schüttelte.

„Würde ich jetzt auch behaupten Per“, kam es von einer anderen Ecke des Busses, der dafür von Per einen bösen Blick kassierte.

„Der da hinten wo gerade meinte sich zu Wort melden zu müssen ist übrigens Tim und hier hinten, hinter dem Buch versteckt das ist Stefan“, stellte Max weiter seine Bandkollegen vor. „Stefan? Könntest du vielleicht mal das Buch ganz kurz beiseite legen damit man dich sieht?“

Max beugte sich leicht zu mir nach unten und flüsterte mir zu:“Wenn er nicht eine Gitarre in der Hand hält, dann ein Buch.“

„Ja? Hat mich wer gerufen?“, kam es dann plötzlich von Stefan, der das Buch runter genommen hat und sich fragend im Bus umsah.

*Ach du grüne Neune!*, schoss es mir brennend heiß durch den Kopf, denn jetzt wo ich ihn mehr oder weniger direkt vor mir sitzen sah, war die Ähnlichkeit noch deutlicher als auf dem Foto. Scheinbar musste ich Stefan so direkt angeschaut haben, dass er die Augenbrauen nach oben zog und es schien fast so, als würde er überlegen. Erschrocken darüber senkte ich den Kopf und zwang mich, in eine andere Richtung zu sehen. Egal wo hin, nur nicht in diese Richtung. Allerdings war es in einem Bus voller Leute nicht gerade einfach wohin zu schauen, wo nicht jemand saß.

„Und der, den du gerade beinahe mit deinem Blick aufzufressen scheinst, ist übrigens Benedikt unser Aufpasser vom Dienst und neben ihm das ist Ingo. Unsere treue Seele hinterm Merchandisestand“, stellte nun Max auch noch die restlichen Leute im Bus vor.

Ich spürte nur noch wie mir die Röte ins Gesicht stieg und wäre nicht gerade die Türe des Busses zugegangen und wären mir nicht Max und Jules im Weg gestanden, so wäre ich wohl in genau diesem Moment aus dem Bus geflüchtet. *Warum ist nie ein Loch im Boden da, wenn man eines brauch?*

„Danke“, murmelte ich leise und wagte schon gar nicht mehr den Kopf zu heben, aus Angst irgendjemand könnte bemerken wie peinlich mir das gerade alles war.

„Am besten setzt ihr euch, denn in einem fahrenden Bus zu stehen könnte etwas ungeschickt werden, außer ihr habt Lust plötzlich auf dem Schoß von jemanden zu sitzen“, lachte Max und ließ sich auf einen freien Platz sinken.

„Als würde dich das stören Max!“, rief Tim von hinten nach vorne und bekam dafür von Max ein Kissen an den Kopf geworfen.

„Danke Max! Das hab ich schon die ganze Fahrt über gesucht“, kam es lachend von Tim, der sich das Kissen nun unter den Kopf legte und es sich gemütlich machte.

Während sich Jules direkt vor Max's Platz auf den Boden des Busses setzte, so verzog ich mich lieber ein Stückchen nach hinten. Sicher war sicher oder so ähnlich.

Eine Busfahrt die ist lustig

Ich war total in Gedanken versunken als mich plötzlich eine vor mir baumelnde Bierflasche aus diesen riss.

„Was?“, fragte ich verwirrt und folgte mit dem Blick dem Arm der Hand, welche die Flasche hielt.

„Ich hab gefragt ob du auch eins willst“, kam es grinsend von Per, der sich so halb aus seinem Sitz gelehnt hatte.

„Oh ja... Danke.“

Ich nahm Per die Flasche aus der Hand, kramte in meiner Hosentasche nach einem Feuerzeug und öffnete sie. Einen großen Schluck später, ging es mir dann doch gleich viel besser.

„Und wie fühlt man sich so auf dem Boden unseres Busses?“

„Ich würde mal behaupten bequemer als erwartet und allemal besser als auf einem Parkplatz auf den ADAC zu warten“, entgegnete ich grinsend und nahm noch einen Schluck. Hier war es wenigstens angenehm kühl. Draußen war es ja viel zu warm gewesen um auf etwas zu warten.

„Sag mal, kann ich dich mal was fragen?“, kam es mit einem etwas verlegenen Grinsen von Per und ich fragte mich, was da jetzt wohl auf mich zukommen würde. Was gutes konnte es wohl kaum sein, dann hätte er wohl seine Frage nicht so angefangen.

„Du kannst mich alles fragen, nur ob du eine Antwort bekommst ist etwas anderes.“

„Ok... Stimmt das wirklich dass du Max gefragt hast ob er einen Schlauch in der Hose hat?“

„Er hat wie bitte was?!“

Über das ganze Gesicht feixend sah mich Per an und ich merkte schon wie mir die Röte ins Gesicht schoß, auch wenn ich es so doch gar nicht zu Max gesagt hatte. Deswegen hatte also der ganze Bus das gröhlen angefangen als wir hereingekommen waren. Das durfte doch nicht wahr sein! Mehr blamieren hatte er mich ja wohl kaum können und der Drang aus dem Bus zu flüchten war wieder da.

„Ja hee... So hat er's gesagt und ich wollte jetzt wissen ob's wirklich so war“, kam es noch breiter grinsend von Per.

„Glaubst du mir denn, wenn ich sage, dass es nicht so war?“

„Ähm nö“, lachte Per und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. „Aber du kannst es ja trotzdem mal sagen.“

„Ach ne, das wäre ja dann langweilig. Da lass ich euch doch lieber in dem Glauben.“

Ich zwinkerte Per zu und nahm selbst einen Schluck aus der Flasche. Abgesehen von der peinlichen Situation die ich Max zu verdanken hatte, wofür er noch büßen würde müssen, war es ja doch recht angenehm hier im Bus und so wie es schien, waren die Jungs alle in Ordnung. Zumindest benahm sich gerade keiner daneben. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass sie nicht unter sich waren. *Wenn ich das jemanden erzähle, der glaubt mir kein Wort*, dachte ich mir und war mir sicher, dass es auch so sein würde.

„Stimmt es denn wenigstens dass ihr auf dem Weg nach Berlin ward um dort auf unser Konzert zu gehen?“, kam es wieder fragend von Per.

„Da hat er wohl ausnahmsweise mal die Wahrheit gesagt“, meinte ich grinsend und änderte meine Sitzposition ein wenig. Ich saß nun nicht mehr mit Blick nach vorne, sondern hatte mich mit dem Rücken an einen Sitz gelehnt. Würde wohl auf Dauer etwas bequemer sein.

„Aber wie du ja selbst mitbekommen hast, sind wir nicht gerade weit gekommen. Mein Auto hat wohl eine kleine Abneigung gegen Berlin.“

„Ich hoffe mal nix schlimmes?“

„Ne nur ein kaputter Schlauch, das geht noch. Wird bloß etwas stressig die Karre in die nächste Werkstatt zu schaffen und das ist wohl erst am Montag möglich. Sonntags arbeitet ja keiner.“

„Ja und was macht ihr dann bis Montag?“

„Also entweder mit dem Zug heimfahren oder schauen ob wir übers Wochenende in Berlin bleiben können. Kommt halt drauf an ob mein Bekannter daheim ist oder ob er im Urlaub ist. Eine unsichere Sache, aber zu bewerkstelligen.“

Wenn er daheim war, dann war das sicherlich kein Problem bei ihm zu bleiben. Hatte ich ja schon öfters gemacht gehabt und hatte nie Schwierigkeiten damit gehabt. Wenn er allerdings im Urlaub war, so würde uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als mit irgendeinem Zug wieder zurück zu fahren. Allerdings hatte ich keine Ahnung wann einer fuhr und ob überhaupt heute Nacht noch einer fuhr. Die Zugverbindung von Berlin zu mir war nämlich alles andere als rühmlich.
 

„Ach, ansonsten lassen wir uns einfach was einfallen“, kam es vom Sitz hinter Per und Tim streckte seinen Kopf über die Lehne.

„Genau Tim! Du hast doch ein freies Sofa in deinem Zimmer stehen oder?“, meinte Per zu ihm und sah ihn fragend an.

„Ja hab ich und bei Max könnten wir sicherlich auch noch jemand unterbringen und wenn alle Stricke reißen, dann verfrachten wir euch einfach zu Stefan“, lachte Tim und beugte sich über die Lehne vor ihm, um sich eine Bierflasche aus dem Sixpack zu angeln.

„Hä? Was ist mit mir?“, kam es verwirrt von Stefan, der so in sein Buch vertieft gewesen war, dass er nur die Hälfte mitbekommen hatte.

„Les weiter. Was wir bereden wirst du noch früh genug erfahren“, entgegnete ihm Tim und trank einen Schluck und sah dann von Per zu mir.

„Ähm... Kann es sein dass ihr gerade versucht mich hier zu veräppeln?“, fragte ich misstrauisch, denn so ganz traute ich dem Frieden nicht wirklich.

„Nein eigentlich nicht“, kam es mit ruhiger Stimme von Tim, der mich mit einem offenen Blick ansah.

„Ja aber ihr könnt euch doch nicht jetzt Gedanken darüber machen wo Jules und ich heute Abend bleiben, wenn ihr uns doch gar nicht kennt“, meinte ich noch immer misstrauisch und drehte die Flasche in meinen Händen hin und her. Klar wer würde ein solchen Angebot nicht annehmen wenn es sich einem schon bot, aber trotzdem war es für mich ein wenig ein unbehagliches Gefühl. Da war einfach diese kleine Stimme in meinem Hinterkopf die mir ständig die Frage stellte, was die Jungs damit bezwecken wollten. Ob sie es aus einer Laune heraus taten oder ob sie einen gewissen Hintergedanken dabei hatten. Wenn sie einen hatten, dann konnte man es ihnen nicht mal verübeln, wenn man bedachte, was Max ihnen scheinbar so alles erzählt hatte.

„Ja hör mal... Der Tag ist noch lang, der Abend noch länger und die Nacht erst recht. Meinst du nicht das ist Zeit genug sich kennen zu lernen? Und außerdem siehst du nicht danach aus, als würdest du über uns herfallen wenn wir schlafen“, lachte Tim, bevor er den Kopf auf die Seite neigte und mich kritisch von oben nach unten und zurück musterte. „Obwohl....?“

Mit großen Augen sah ich Tim an, als er das 'obwohl' fallen ließ, denn ich wusste jetzt nicht ob ich meckern oder lachen sollte.

„Ich geb dir gleich 'Obwohl'“, meinte ich dann doch lachend, schnappte mir das Kissen das neben ihm auf dem Sitz lag und warf es ihm an den Kopf. Als ob ich so eine wäre, die da die Gunst der Stunde nutzen würde. Alles, aber das garantiert nicht.

„Jaaaa... Ich steh auf kleine Raubkatzen“, meinte Tim lachend, schnappte sich das Kissen und versuchte es außer Reichweite von mir zu bringen.

Ich drückte einem etwas überraschten Per meine Flasche in der Hand und versuchte nun Tim das Kissen aus der Hand zu nehmen, bevor ich es von ihm an den Kopf geworfen bekommen konnte.

„Tim du schaffst das!“, feuerte Per seinen Bandkollegen an und wenn er hätte können, hätte er wohl auch noch in die Hände geklatscht, aber mit 2 Flaschen war das dann doch etwas unmöglich.

Tim hatte sich in die hinterste Ecke seines Sitzes verzogen in der Hoffnung da in Sicherheit zu sein, aber da hatte er die Rechnung ohne mich gemacht. Frech wie ich nun mal war, hatte ich keine Hemmungen ihm so halb auf den Sitz zu folgen, was nun reichlich seltsam aussehen musste, wie ich so mit dem Oberkörper hinter den Sitzen verschwunden war. Das Tüpfelchen auf dem I waren natürlich auch noch Pers Kommentare die dem ganzen den letzten Schliff verpassten.
 

„Ihr vergnügt euch da hinten ohne mich? Das finde ich aber mehr als nur unfair!“, rief auf einmal Max lachend von vorne und sah zu uns nach hinten. „Und außerdem Tim... Ich hab sie zuerst gesehen.“

„Tja Max selbst schuld wenn du nicht aufpasst wie versprochen“, rief Tim lachend zurück und versuchte weiterhin das Kissen vor mir in Sicherheit zu bringen. „Aber du kannst ja mitmachen wenn du willst.“

„Ich komm heute Abend drauf zurück!“, kam es nochmals lachend von Max und wenn ich hätte können, hätte ich jetzt wohl die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Aber da ich gerade in diesem Moment das Kissen in den Fingern hatte, war das natürlich nicht möglich. Immerhin ging es hier um Sieg oder Niederlage.

Ich zog einmal ruckartig an dem Kissen und als ich es fest in den Händen hielt, setzte ich mich schnell wieder auf den Boden, das Kissen hinter meinem Rücken versteckt.

„Ich würde sagen technisches KO“, meinte ich grinsend zu Tim und atmete erst einmal tief durch.

Tim hob seufzend die Hände, bevor er sie vor's Gesicht schlug. „Verloren, als wenn das nicht schon schlimm genug wäre und dann auch noch gegen ein Mädel“, seufzte er theatralisch, aber man konnte das breite Grinsen erkennen.

„Armes Timilein“, kam es tröstend von Per, der Tim nun mit der Hand auf dem Kopf herumtätschelte.

„Ey! Finger weg!“, beschwerte sich Tim lachend und brachte sich vor Per in Sicherheit.

„Ihr seid schon so ein verrückter, aber doch sehr sympathischer Haufen“, meinte ich grinsend und so langsam fühlte ich mich so richtig wohl. Die anfänglichen mulmigen Gefühle waren verschwunden und ich war mir beinahe schon sicher, heute einen sehr spaßigen Abend vor mir zu haben. Zum ersten Mal an diesem Tag verfluchte ich Jules nicht, sondern war ihr sogar dankbar, dass sie mich aus dem Bett geworfen hatte. Hätte sie es nämlich nicht getan, so wäre mir jede Menge Spaß entgangen. Spaß den man so sicherlich kein weiteres Mal im Leben haben würde. Ich sah nach vorne zu Jules, die stur nach vorne blickte und so wie sie aussah, wünschte sie sich wohl schnell wieder nach Hause. *Selbst schuld wenn du den Mund nicht aufbekommst*, dachte ich mir nur, denn wenn keiner mit ihr redete, dann musste sie eben den ersten Schritt machen.
 

„Ey Max? Sie hat gerade gesagt sie liebt uns. Ich würde sagen du hast leider Pech gehabt“, rief Tim lachend nach vorne und warf mir einen feixenden Blick zu.

„Gar nicht wahr!“, protestierte ich lachend und schüttelte den Kopf.

„Ja ja Tim... Einbildung ist auch ne Bildung net wahr?“, kam es nur grinsend von Max zurück, der sich halb nach hinten gedreht hatte.

„Ok Max... Duell, heute Abend... Auf der Bühne... Wer gewinnt bekommt sie.“

„Einverstanden, aber du wirst verlieren Tim.“

„Na das werden wir noch sehen Max.“

„Ähm hab ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden?“, fragte ich vorsichtig dazwischen, musste mir jedoch das Lachen verkneifen, was gar nicht so einfach war. Fragend sah ich zwischen Tim und Max her und als beide gleichzeitig ein „Nein“ losließen konnte ich mich einfach nicht mehr zurückhalten und musste loslachen. Ich hoffte nur dass sie ihren Spaß nicht auch noch während des Konzerts weiterführten, ansonsten würde ich wohl noch gelyncht werden von Fans, die genauso drauf waren wie Jules. Eigentlich hatte ich vorgehabt als Ganzes auf das Konzert zu gehen und wollte eigentlich als Ganzes auch wieder daheim ankommen. Aber dieser Wunsch hatte mittlerweile ein Fragezeichen verpasst bekommen.
 

„So Leute wir sind gleich da“, kam es von Benedikt, als der Bus gerade nach Kreuzberg abbog. Im Moment hatte ich nur noch die Frage im Kopf, wie ich heil aus dem Bus kommen sollte ohne von Blicken ermordet zu werden. Aber vielleicht fand sich auch hier wieder eine Lösung. Doch als ich die vielen Mädels entdeckte, die sich schon angesammelt hatten, wurde es mir doch recht schnell wieder flau im Magen.

Kleine Gemeinheiten erhalten die Freundschaft

Der Bus hielt ein wenig vom SO36 entfernt an, da es direkt davor absolut unmöglich war zu parken und schon kamen die ersten Mädels angerannt und hüpften wie kleine Flummibälle hoch und runter. *Ich will da nicht raus*, jammerte ich in Gedanken, nachdem ich einen kurzen Blick aus dem Fenster gewagt hatte.
 

„Muss ich da wirklich raus?“, fragte ich zweifelnd und sah in die Runde, doch scheinbar waren alle der gleichen Meinung.

„Du kannst auch hier sitzen bleiben, aber dann verpasst du wohl das beste“, meinte Per und erhob sich von seinem Platz um seine Sachen zusammen zu packen.
 

Ok so ganz alleine wollte ich dann doch auch nicht im Bus bleiben. Es würde wohl wirklich ziemlich öde werden und von dem Konzert würde ich hier, absolut nichts mitbekommen. Also musste ich doch irgendwie versuchen heil aus dem Bus zu kommen.
 

„Ich werde schon auf dich aufpassen“, kam es von Tim, der beschützend den Arm um mich gelegt hatte.

„Moment! Wenn einer auf dich aufpasst dann werde wohl ich das sein“, meinte Max und tat es Tim gleich. Ich sah von Tim zu Max und dann zur Türe des Busses. Also so würden wir da keinesfalls durchpassen.

„Und wenn 2 sich streiten freut sich der Dritte“, kam es plötzlich von Stefan, der ohne noch ein Wort zu verlieren meine Hand nahm, sich an Tim und Max vorbei zwängte und in Richtung Türe ging.
 

Ich war so überrascht, dass ich gar nicht wusste was ich tun sollte und Stefan einfach folgte. Aus den Augenwinkel nahm ich noch die beiden erstaunten Gesichter von Max und Tim wahr, aber das war es auch schon gewesen.
 

„Das glaub ich jetzt nicht...“, kam es ungläubig von Max, der gar nicht fassen konnte, was sich gerade abgespielt hatte.

„Der liest die ganze Zeit während wir uns bemühen und dann schnappt er sie uns vor der Nase weg“, schlug nun auch noch Tim in die gleiche Kerbe und scheinbar waren wirklich beide etwas über Stefans Verhalten verwirrt.

„Vielleicht war das der Grund“, hörte ich Benedikt noch lachend zu den beiden sagen und dann war ich auch schon aus dem Bus draußen.

Stefan hielt noch immer meine Hand und schien keine Anstalten zu machen, sie wieder los zu lassen, was bewirkte, dass ich meinen Blick stur zu Boden gerichtet hatte. Es reichte wenn ich die stechenden Blicke spürte, da brauchte ich nicht auch noch in die Gesichter der Personen sehen, die sie mir auf den Hals hetzten. Ich versuchte nicht auf das Getuschel und die teils bösen Kommentare zu hören, die man hie und da leise vernehmen konnte, aber so wirklich klappen wollte es dann doch nicht.
 

„Jetzt fehlt nur noch der Strand, die Weinflasche und der Sternenhimmel und ich würde mir wie in Rügen vorkommen“, meinte Stefan auf einmal ruhig neben mir und schmunzelte vor sich hin.

„Rügen? Das heißt du bist... Also ich meine... Damals und jetzt... Also...“, stammelte ich vor mich hin und wusste nicht mehr was ich jetzt gerade eigentlich sagen wollte.

„Falls du mich fragen wolltest ob ich der Gleiche wie damals bin, dann lautet die Antwort ja. Hast wohl gedacht ich würde mich nicht mehr erinnern oder?“, lachte Stefan und grinste mich von der Seite an.

„Irgendwie schon“, kam es entschuldigend von mir, denn das hatte ich ja auch gedacht gehabt. „Aber warum hast du vorher nichts gesagt?“

Stefan sah mich an und fing an zu lachen. Er schüttelte mit dem Kopf und winkte mit der Hand ab, als Zeichen dass er gerade vor Lachen nichts sagen konnte.

Diese Reaktion verwirrte mich dann doch ein wenig und ich war froh als wir das Innere des SO36 betreten hatten und somit erst einmal sicher vor bissigen Kommentaren der Fans waren.

„Du hast die doch vorher erlebt. Jetzt überlege dir mal, was passiert wäre, wenn ich dich sofort begrüßt hätte? Die wären mir den ganzen Abend und wohl auch noch die ganze Nacht in den Ohren gelegen, hätten alles bis ins kleinste Detail wissen wollen und sich daraus ihre eigene Story gebastelt“, erklärte Stefan, als er sich ein wenig beruhigt hatte. „Und ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass du so erfreut darüber gewesen wärst, hätten sie dir eine Affäre mit mir angedichtet.“

Ok, jetzt wurde mir dann doch gleich einiges sehr viel klarer. Das war also der Grund gewesen warum er so still gewesen war und auch der Grund gewesen, warum er vorher einfach so meine Hand genommen hatte.

„Sehr gute Entscheidung“, lachte ich und sah mich im SO36 um. Es hatte sich nicht wirklich etwas verändert seit dem letzten Mal wo ich hier gewesen war. „Aber die Andichtung hab ich bereits hinter mir. Allerdings von Jules. Die hatte genau das gleiche Ding abgezogen.“

„Dann sollten die sich am besten zusammen tun“, meinte Stefan grinsend und wartete, dass die anderen mal so langsam auftauchten. Immerhin lag noch ein wenig Arbeit vor ihnen.

Mit großen Augen sah ich Stefan an und schüttelte heftig den Kopf. „Das kannst du deinen Kollegen aber nicht wirklich antun wollen oder? Also so schlimm sind sie dann doch auch wieder nicht, dass sie eine solche Strafe verdient hätten.“

Gut das war jetzt vielleicht nicht gerade fair Jules gegenüber gewesen, aber so war es leider. Sie hatte einfach das Talent Leuten recht schnell auf den Keks zu gehen und merkte nicht einmal, wenn sie störte. Sie hatte keinerlei Hemmungen anderen ins Wort zu fallen und tauchte immer dann auf, wenn man gerade mal alleine sein wollte. Sie war wie ein Schatten den man einfach nicht los bekam, wenn man ihn einmal hatte.

„Nun ich kenne sie ja nicht, daher kann ich das nicht beurteilen“, grinste Stefan und zwinkerte mir zu.

„Vertrau mir einfach“, gab ich grinsend zurück und wenn man vom Teufel sprach so tauchte er bekanntlicherweise auch schon auf und so war es auch hier. Genau in diesem Moment kam Jules durch die Türe und sie sah alles andere als glücklich aus. Die Arme hielt sie verschränkt vor ihren Körper und hatte einen gelangweilten Blick aufgesetzt. Als sie merkte dass ich sie ansah, drehte sie ihren Kopf demonstrativ in eine andere Richtung und lehnte sich mit dem Rücken an die Theke.

Hinter ihr kam auch schon der Rest der Band durch die Türe und grinsten alle vor sich hin, als sie Stefan entdeckten. Ohne großartig auf Jules zu achten kamen Max und Tim direkt auf Stefan und mich zu.
 

„Na schau an, wen haben wir den da?“, meinte Tim feixend und stieß Max mit dem Ellenbogen in die Rippen. „Wenn das nicht unser sonst so stiller Stefan ist.“

„Der auf einmal so richtig aufdreht“, meinte Max und verschränkte seine Arme vor der Brust und sah zu Tim. „Ich glaube wir bekommen Konkurrenz aus den eigenen Reihen.“

„Das glaube ich allerdings so langsam auch“, stimmte Tim ihm zu, der nun ebenfalls die Arme vor der Brust verschränkt hielt.

„Wir sollten dringend etwas dagegen tun Tim.“

„Sehr dringend, ansonsten sehe ich schwarz für uns zwei. Hast du denn auch schon eine Idee?“

„Ich denke mal schon“, meinte Max grinsend und ehe ich mich versah hatte er mich über die Schulter gelegt und ging auf den Backstagebereich zu.

„He! So haben wir aber nicht gewettet“, rief ihm Tim lachend hinterher und sah zu Stefan. „Wie war das nochmals mit 'Wenn 2 sich streiten'?“

„Ihr habt doch nen Knall“, seufzte Stefan nur und verdrehte die Augen. Na das konnte ja noch was werden an diesem Abend. Er war gespannt, wie lange die Beiden das Spielchen eigentlich noch spielen wollten.
 

„Max! Lass mich runter!“

„Wieso sollte ich?“

„Weil du lieb bist?“

„Falsche Antwort“, grinste Max und ließ sich von meinem Quängeln nicht aus der Ruhe bringen.

„Dann weil du... weil du versprochen hast auf mich aufzupassen?“

„Also besser als so kann ich nicht auf dich aufpassen.“

„Weißt du eigentlich, dass du so ziemlich unfair sein kannst?“, seufzte ich und trommelte mit den Fingerspitzen auf seinem Rücken herum, während ich nachdachte, wie ich ihn doch noch dazu bringen konnte, mich wieder runter zu lassen.

„Och ich finde das nicht unfair.“

Es war zum Haare raufen. Irgendwas musste es doch geben, mit dem man ihn bestechen konnte.

„Ok... Was muss ich tun, damit du mich runter lässt?“, fragte ich letztendlich, weil mir absolut nichts anderes mehr einfiel. Ich hoffte nur, es würde harmlos für mich enden. Nachdem was ich heute schon alles erlebt hatte, war ich mir dem nämlich nicht so sicher.

„Na das hört sich doch gleich viel besser an“, lachte Max und ließ mich nun tatsächlich wieder runter.

*Na wenn das kein Pakt mit dem Teufel war*, ging es mir durch den Kopf und ich war gespannt, was ich jetzt als Gegenleistung tun musste.

„Es gibt tatsächlich etwas das du für mich tun kannst“, meinte er ruhig und setze sich auf den Rand der Bühne. Er klopfte leicht mit der Hand neben sich, als Aufforderung, mich doch ebenfalls hin zu setzen. Ich folgte der Aufforderung und baumelte leicht mit den Beinen hin und her.

„Ich höre?“, meinte ich zu ihm und war wirklich gespannt auf das, was jetzt kommen würde.

Eine unangenehme Bitte

Verlegen kratzte sich Max am Hinterkopf und es sah fast danach aus, als wäre ihm die ganze Sache ein wenig unangenehm und wusste nicht, wie er jetzt am besten anfangen sollte. So wie er sich gerade verhielt hatte ich nicht wirklich das Gefühl, es wäre eine leichte Aufgabe die mir gestellt werden sollte oder es war eine Aufgabe, die auch mir nicht gerade angenehm sein würde.

„Wenn du nicht immer noch hier sitzen möchtest wenn das Konzert anfängt, dann solltest du vielleicht mal etwas sagen“, meinte ich zu ihm und stupste ihm aufmunternd gegen die Schulter. Vorher hatte eine große Klappe gehabt und jetzt bekam er kein einziges Wort raus. Irgendwie passte es nicht so wirklich zusammen.

„Vielleicht wäre das gar nicht mal so eine falsche Idee“, kam es ein wenig leise von ihm und genau das ließ mich nun erst recht stutzig werden. Ich zog ein Bein auf die Bühne und drehte mich ein wenig, so dass ich ihn nun direkt anschauen konnte.

„Ich kenne dich jetzt nicht wirklich lange, geschweige denn würde ich auf die Idee kommen es zu behaupten, aber ich behaupte einfach mal, dass ich eine gute Menschenkenntnis habe und die sagt mir, dass du irgendwas auf dem Herzen hast“, sprach ich ruhig zu ihm und sah ihn von der Seite her an. „Hab ich recht?“

Als Antwort kam nur ein leises Seufzen von Max und das war mir in diesem Moment fast sogar Antwort genug. Es war eine Antwort mit der ich in dieser Situation wohl nicht gerechnet hätte. Erst war er zu jedem Spaß zu haben, hatte gelacht und gescherzt und jetzt auf einmal wirkte er so ernst und zurückhaltend. Aber so wie eine Medaille nunmal ihre 2 Seiten hatte, so hatte eben auch ein Mensch mehr als nur eine Seite. Ich hatte bis jetzt nur eine davon kennengelernt und nun würde ich wohl eine weitere kennenlernen.

Vorsichtig legte ich ihm meine Hand auf sein Bein und versuchte ihm in die Augen zu schauen.

„Es heißt, dass keine Antwort auch eine Antwort ist und wenn ich dein Seufzen richtig deute, dann hatte ich mit meiner Frage wohl recht gehabt“, sagte ich weiterhin ruhig und ein leichtes Lächeln lag dabei auf meinen Lippen.

„Ich wusste gar nicht, dass ich so leicht zu durchschauen bin, wenn sogar jemand der mich gar nicht kennt, sowas merkt“, kam es nun von Max, der ein schwaches Grinsen im Gesicht hatte. Aber es war nicht das Grinsen, was ich bisher von ihm gesehen hatte.

„Es war nicht wirklich schwer wenn man jemand vor sich sitzen hat, der erst zu jedem Spaß bereit war und jetzt auf einmal keinen Ton heraus bringt“, lachte ich leise und stupste ihm mit der Fingerspitze gegen die Schulter. „Na raus mit der Sprache, sonst fängt das Konzert noch ohne uns an und dann auch noch ohne Soundcheck und ich kann mir nicht vorstellen, dass du das willst. Enttäuschte Fans, gelangweilte Bandkollegen und wütendes Managment. Keine besonders gute Aussichten wenn du mich fragst.“

Erst jetzt wurde das Grinsen auf seinem Gesicht etwas deutlicher und er lachte sogar leise auf.

„Und schon wieder einen Punkt für dich“, meinte er dann grinsend und sah mich an. „Wenn du so weiter machst, dann verliere ich heute noch haushoch gegen dich.“

„Vielleicht sollte ich heute Abend einen Abstecher ins Casino machen, weil normalerweise gewinne ich sonst nie“, meinte ich grinsend und so war es ja auch sonst immer. Ich war eigentlich immer diejenige, die den Schwarzen Peter zog und von einem Unglück ins nächste schlitterte. Es war so oder so ein Wunder gewesen, dass außer einem kaputten Auto bisher noch kein weiteres Unglück passiert war. Aber andererseits war der Tag noch nicht vorbei und man sollte ja den Tag auch nicht vor dem Abend loben. Was nicht ist, konnte ohne weiteres noch werden.

„Auch wenn ich bezweifel dass es eine so gute Idee wäre euch mit Jules alleine zu lassen.“

„Und da liegt der Hund begraben.“

Und da war es wieder. Das berühmte Comicfragezeichen, doch dieses mal tauchte es über meinem Kopf auf und leuchtete dort in dem hellsten Weiß, das zur Verfügung stand.

„Siehst du das Fragezeichen über meinem Kopf? Es benötigt dringend eine Erklärung.“

Mit dem Finger deutete ich auf das Fragezeichen über meinem Kopf, welches zwar nicht zu sehen, aber für mich zumindest zu spüren war. Wie zur Hölle hatte er das jetzt gemeint? Egal wie ich es drehte und wendete, mir wollte einfach keine logische Erklärung einfallen.

„Die Wahrheit oder die harmlose Version?“, fragte Max und hatte schon wieder diesen verlegenen Gesichtsausdruck, den er vorher schon einmal hatte.

„Ich würde sagen die Wahrheit. Sie bietet die geringste Gefahr von Missverständnissen“, entschied ich mich dann, war mir jedoch nicht sicher, ob ich sie auch wirklich hören wollte. Vielleicht hätte ich mich ja doch für die harmlose Version entscheiden sollen, denn wenn die Sache mit Jules in Verbindung stand, was sie ja offenbar tat, dann konnte es gut passieren, dass mir die Wahrheit gar nicht gefiel oder mich in eine ganz böse Zwickmühle bringen konnte.

„Ich weiß sie ist deine Freundin und sie ist auch bestimmt ganz nett und überhaupt, aber könntest du bitte dafür sorgen, dass sie mir nicht ständig hinterher läuft? Ja du hast gesagt sie findet mich toll, aber ich fühle mich gerade ständig von ihr beobachtet. Im Bus... Ich wäre ja am liebsten zu euch nach hinten gekommen, aber das konnte ich ja auch nicht bringen. Du hättest sie mal sehen sollen! Also wenn Blicke hätten töten können, dann wärst du auf der Fahrt wohl tausende Tode gestorben. Dann, wenn sie nicht gerade dich mit Blicken getötet hat, dann hat sie mich mit verliebten Blicken eingedeckt, als würde es kein Morgen mehr geben. Ich weiß ich verlange viel und es ist auch nicht fair es von dir zu verlangen, aber bitte... Bitte tue mir nur diesen einen einzigen Gefallen und halte sie mir vom Hals“, sprudelte es dann auf einmal aus Max heraus und es wirkte, als wolle er fertig sein mit dem was er sagen wollte, bevor sein schlechtes Gewissen ihm einen Strich durch die Rechnung machte.

Ein wenig verdattert saß ich da und sah Max einfach nur an. Hatte er gerade wirklich das gesagt was ich gehört hatte oder spielte mir mein Kopf schon wieder einen Streich? Wäre ja nicht unbedingt das erste Mal. Aber jetzt verstand ich auch, warum Max so ewig lange herum gedruckst hatte, bis er mal mit dem Problem heraus gerückt war. Er brachte mich immerhin damit in eine wirklich ganz böse Zwickmühle. Einerseits war Jules meine Freundin und irgendwie war ich ihr ja auch verpflichtet, aber andererseits konnte ich Max durchaus verstehen. Ich wusste ja wie Jules war und wie aufdringlich sie mit ihrer Art sein konnte. Ich würde es wohl auch nicht unbedingt toll finden, würde mich jemand ununterbrochen anstarren und jeden meiner Schritte verfolgen. Bei ihm taten es ja so oder so schon genug Leute. Seien es Fans oder seien es die Medien. Alle wollten genaustes über das informiert sein, was er gerade tat oder tun wollte. Wenn sie es könnten, würden sie ihn wohl auch noch beim schlafen beobachten oder auf dem stillen Örtchen. Aber wenigstens war das noch ein Ort wo ihm die Mädels nicht folgen konnten. Soviel Respekt hatten sie dann doch noch. Wobei die Betonung wohl auf 'noch' lag. Hin und her gerissen zwischen dem was ich sollte und dem was ich eigentlich tun sollte, schwieg ich noch immer. Es war nunmal nicht so einfach hier eine Lösung zu finden, geschweige denn eine Entscheidung zu fällen.

Max merkte wohl wie schwer mir die Entscheidung fiel. Er rutschte von der Bühne und stellte sich vor mich hin. Seine Hände lagen auf meinen Knien und mit beinahe entschuldigendem Blick sah er mich an.

„Sorry ich hätte dich nicht um so was bitten sollen“, meinte er zu mir und ein, mir bisher von ihm nicht bekanntes, Lächeln lag auf seinen Lippen. „Vergiss am besten was ich gerade zu dir gesagt hab. Es war nicht fair von mir.“

Ich schüttelte leicht meinen Kopf und atmete tief durch.

„Ich werde es versuchen, aber ich kann nichts versprechen“, kam es dann nach kurzem Zögern von mir und ich hoffte nur, ich würde diese Entscheidung nicht später noch bereuen. Aber die Art wie er gefragt hatte, wie er erzählt hatte und die Art die er bei seiner Entschuldigung an den Tag gelegt hatte, hatte einfach den entscheidenden Impuls gegeben, der mich diesen Entschluss hatte fassen lassen.

„Bist du dir auch wirklich sicher?“, fragte Max nach und sah mir bei der Frage in die Augen, so als wolle er nachprüfen, ob ich es auch wirklich so meinte oder ob ich ihm nicht einen Bären aufband.

„So sicher wie du heute Abend auf der Bühne stehst“, versicherte ich ihm nochmals meine Entscheidung und warf einen Blick zu Jules rüber, die noch immer unverändert an der gleichen Stelle stand. Sie tat mir leid und ich fühlte mich ihr gegenüber einfach nur mies. Als Freundin sollte man zusammenhalten und nicht das was ich getan hatte, aber ich wusste auch nicht was in mich gefahren war. Das schlechte Gewissen war da und trotzdem belastete es mich nicht so sehr, als dass ich meine Entscheidung rückgängig machen würde. Nein ich hatte gesagt ich würde es versuchen und das würde ich auch tun. Irgendwie würde es schon klappen so dass beide Seiten zufrieden waren und wenn ich mich dafür in zwei Teile zerreißen musste.

„So und nun hab ich nur noch eine Frage“, lachte Max und war beinahe schon wieder der Alte. „Was läuft zwischen dir und Stefan?“

Nun hatte er es doch noch geschafft mich sprachlos zu machen. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Erst eine ernste Angelegenheit und dann mit einem Schlag die 180 Grad Drehung hin zu den Spielereien. Aber um ehrlich zu sein, war mir diese Frage wesentlich lieber als die davor.

„Wieso willst du das denn wissen?“

„Also hör mal! Es ist doch mein gutes Recht zu erfahren was meine Bandkollegen so treiben. Muss doch ein Auge auf sie haben.“

„Ach ein Auge auf sie haben und das so vollkommen ohne Eigennutz und Hintergedanken natürlich. Ich verstehe.“

So als wüsste ich über alles Bescheid nickte ich mit dem Kopf, während ich Max beobachtete und mir das Lachen verkneifen musste. Aber es war doch schon wieder zu komisch. Warum war er aber auch so verdammt neugierig?

„Das hab ich nie behauptet!“, lachte Max und hob abwehrend die Hände.

„Ha! Daher weht also der Wind!“, kam es mit gespielten Entsetzen von mir, bevor ich anfangen musste zu kichern. Es war einfach ein Spielchen was ich nur zu gerne spielte.

„Ich muss doch wissen ob es sich lohnt das Duell zu gewinnen oder nicht“, meinte er dann zwinkernd zu mir und sah dann von rechts nach links, ehe er mich wieder ansah und das Funkeln in seinen Augen ließ nichts Gutes ahnen.

„Und was machst du, wenn ich es dir nicht verrate?“, fragte ich vorsichtig nach unsicher ob das jetzt wirklich der richtige Schritt gewesen war.

„Das was ich vorher auch schon gemacht hab“, kam es dann nur trocken von Max, ehe er mich wieder schnappte und sich über die Schulter legte.

„So haben wir aber nicht gewettet!“, protestierte ich, aber so wie vorher auch, hatte ich damit keinen Erfolg. „Na gut, na gut ich verrate es dir.“

„Wirklich?“

„Ja hoch und heilig versprochen.“

„Wenn nicht, dann...“

„Was dann?“

„Das wirst du dann merken“, lachte Max und setzte mich wieder auf der Bühne ab. „So nun höre ich.“

Seufzend schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen, aber versprochen war nun mal versprochen. Also erzählte ich ihm die ganze Geschichte. Wie Stefan und ich uns in Rügen über den Weg gelaufen sind, was wir im Urlaub so alles gemacht hatten und dass man sich eben danach aus den Augen verloren hatte.

„Und das war alles?“

„Natürlich war das alles oder was hast du gedacht?“

„Also wenn das wirklich alles war, dann lohnt sich es ja doch das Duell zu gewinnen“, lachte Max und zwinkerte mir zu.

„Dann pass aber auf, dass Tim dir da nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht“, entgegnete ich lachend und schüttelte den Kopf. Ja es war wirklich ein verdammt verrückter Haufen und mir würde wohl noch jede Menge Spaß an diesem Abend bevorstehen. „Und jetzt ab zum Soundcheck sonst werde ich noch gelyncht.“

Grinsend verzog sich Max zu seinen Bandkollegen, damit der Soundcheck endlich beginnen konnte. Immerhin war es so lange nicht mehr hin bis das Konzert beginnen würde und dann sollte alles einwandfrei klappen. Ich hüpfte von der Bühne, atmete tief durch und ging langsamen Schrittes auf Jules zu. *Jetzt fehlt nur noch der passende Song und der Weg zum Schafott wäre perfekt*, schoss es mir in diesem Moment durch den Kopf.

Streit

„Oh Madame gibt sich die Ehre“, kam es von Sarkasmus triefend von Jules, die mich noch immer keines Blickes würdigte. Oh man, sie musste wirklich sauer sein, dass sie mich nicht einmal mehr ansah.

„Sorry Jules“, kam ich ihr entgegen und versuchte die angespannte Stimmung ein wenig zu lockern. „Ziemlich lustig der Haufen oder?“

„Kann ich nicht beurteilen“, meinte Jules kühl und zuckte mit den Schultern. „Hatte ja bisher noch keine Möglichkeit sie kennen zu lernen.“

Oh, daher wehte also der Wind. Jules hatte wohl ein doch nicht gerade zu übersehendes Problem damit, dass ich mich mit den Jungs verstand und sie bisher noch nicht so Kontakt zu ihnen gehabt hatte.

„Warum bist du dann im Bus nicht einfach nach hinten gekommen und warum bist du vorher nicht einfach dazu gekommen, sondern bist hier stehen geblieben?“, hakte ich nach, denn im Endeffekt war sie doch selbst schuld gewesen.

„Klar ich tauche auf während du dich gerade einem an den Hals wirfst.“

„Das hab ich doch gar nicht getan?!“

„Ach nein? Dann hättest du dich mal sehen sollen. Es war abartig wie du dich verhalten hast!“

Jetzt verstand ich die Welt wirklich nicht mehr. Ich hatte mich doch nun wirklich niemanden an den Hals geworfen. Da musste sie eindeutig etwas falsch verstanden haben und das richtig.

„Wir haben da hinten unsere Witze gemacht, aber doch mehr auch nicht!“, widersprach ich ihr energisch und sah sie mit ernstem Blick an. Sie glaubte doch nicht wirklich das was sie mir da gerade an den Kopf warf?

„Hör auf mich für dumm zu verkaufen. Ich habs doch genau gesehen“, meinte Jules stur und drehte sich nun endlich zu mir. „Tim bist du schon beinahe auf den Schoß gekrochen und Max hast du ja auch versucht um den kleinen Finger zu wickeln und das, obwohl du ganz genau weißt dass er mir gefällt!“

„Moment mal Jules ich bin Tim überhaupt nicht auf den Schoß gekrochen. Weder beinahe noch annähernd und ich habe auch garantiert Max nicht um den kleinen Finger gewickelt. Wie denn auch?“

„Ach nein? Und wie kommen dann Tim und Max auf die Idee um dich wett zu eifern?“

„Woher soll ich das wissen aber ich ich weiß, dass es hundertpro nur ein Spiel ist und nichts, aber auch absolut nichts zu bedeuten hat!“

„Ich glaub dir absolut kein Wort, nicht ein einziges“, fuhr mich Jules wütend an und ich ging einen kleinen Schritt zurück. Sie war noch wütender als ich angenommen hatte und da brachte ich mich lieber außer Reichweite.

„Glaub mir Jules, da ist wirklich nichts“, redete ich auf sie ein, aber sie schien mir nicht zuhören zu wollen.

„Weißt du was Andrea? Mach was du willst, aber halte mich aus deinen dummen Spielchen bitte raus“, meinte sie zu mir, drehte sich um und ließ mich einfach stehen. Aber so leicht kam sie mir dann doch nicht davon. Nach wenigen Schritten hatte ich sie eingeholt und hielt sie am Arm fest.

„Oh nein Jules, du hast jetzt nicht einfach ab!“

„Lass mich los!“

„Nein das werde ich nicht tun, sondern erst wenn wir die Sache hier geklärt haben. Was also ist bitte dein verdammtes Problem?“

„Was mein Problem ist? Du fragst mich, was mein Problem ist!“

Jules Stimme war von Wort zu Wort lauter und schriller geworden. *Das passiert jetzt nicht wirklich oder?*, fragte ich mich, aber da keine Antwort kam, musste es wohl wirklich passieren.

„Ja das hab ich dich gefragt und ich will es jetzt endlich wissen!“

„Bis heute haben dich die Jungs doch gar nicht interessiert. Dir hat vielleicht die Musik gefallen, aber mehr auch nicht. Du weißt nicht wer sie sind, du weißt nicht wie sie drauf sind, du weißt überhaupt nichts! Ich... Ich weiß alles über sie aber was ist? Alles dreht sich nur um dich!“, fauchte mich Jules an und ihre Augen funkelten wütend. „Erst wirfst du dich Max auf dem Parkplatz an den Hals, im Bus wirfst du dich Tim an den Hals und Stefan steht wohl auch schon auf deiner Liste oder? Na schon überlegt wo und in welcher Reihenfolge du sie nacher nimmst?“

So langsam musste ich mich ernsthaft beherrschen um nicht die Kontrolle zu verlieren. Was mir Jules da gerade an den Kopf knallte, war schon hart an der Grenze des guten Geschmacks.

„Es reicht Jules“, meinte ich leise zu ihr und wenn ich in einem Streit leise wurde, dann war das meistens ein Zeichen, dass ich kurz vor dem Platzen stand und Jules wusste das wohl am besten von allen.

„Ja es reicht und zwar mir! Meinst du ich hab Lust noch länger zu zuschauen wie du einen nach dem anderen klar machst? Denkst wohl auch du wärst die tollste und dabei bist du nicht besser als jedes andere Flittchen was da draußen rumrennt!“

„Klar Jules... Alles klar du hast mich erwischt. Ich bin nur mitgekommen um Max klar zu machen um mich nach dem Konzert mit ihm hinter der Bühne zu amüsieren und dass Tim auch angebissen hat ist ja noch besser. Warum nicht gleich mit beiden gleichzeitig im Backstagebereich? Wäre doch mal was neues“, kam es nun sauer von mir, weil ich einfach nicht fassen konnte, dass mir Jules so etwas wirklich zutraute. Sie kannte mich schon so lange und sollte eigentlich wissen, dass ich alles andere als so leicht zu haben war. Ich wollte ihr gerade noch etwas an den Kopf werfen, als ein brennen meine Wange durchzog. Aus großen Augen sah ich Jules an und konnte nicht fassen, dass sie mir gerade eine Ohrfeige verpasst hatte. Sie hatte es wirklich gewagt mir eine zu scheuern.

„Dann wünsche ich dir mal viel Spaß dabei“, meinte Jules zu mir und fragte den nächstbesten der ihr in den Weg kam, wie man vom SO36 jetzt am schnellsten zum Bahnhof kommen würde.

Ich stand einfach nur da, weil ich es noch immer nicht so ganz verpackt hatte, dass Jules mir eine Ohrfeige gegeben hatte. Als ich endlich aus meiner Erstarrung erwachte, war Jules bereits verschwunden. Ich starrte auf die Stelle an der sie eben noch gestanden war, während hinter mir die Band gerade „Save Me“ anspielte.

*WTF?*, fluchte ich in Gedanken und war wütend, traurig und erleichtert zugleich über das was gerade geschehen war. Aber je länger ich so dastand, desto schlechter fühlte ich mich. Ich kam mir einfach nur so dumm vor. Ich hatte genau gewusst warum Jules so sauer war, immerhin hatte sie es mir ja an den Kopf geworfen, aber anstatt sie zu beruhigen, hatte ich noch Öl ins Feuer gegossen. Sicherlich kannte Jules mich und hätte merken sollen dass es von mir übertrieben gewesen war, was ich zum Schluss gesagt hatte, aber in diesem Moment war es wohl der Tropfen gewesen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte. *Jetzt erstmal an die frische Luft*

Ich ging durch die Türe nach draußen auf die Straße, wo mich schon die ersten Fans musterten und ich konnte nicht anders als die Augen zu verdrehen. Das hatte mir ja gerade noch gefehlt. Von denen die jetzt vor dem SO36 lungerten waren sicherlich auch welche die mitbekommen hatten wie ich an Stefans Seite den Bus verlassen hatte. Aber im ersten Moment war mir das jetzt relativ egal. Ich kramte in meiner Hosentasche nach meinen Zigaretten, zündete mir eine an und sah die Straße entlang.

„Sag mal ist das nicht die, die vorher mit Stefan aus dem Bus kam?“, hörte ich eines der jungen Mädels ihre Freundin fragen und beide starrten mich unverhohlen an.

„Ich glaub schon.“

„Meinst du sie ist seine Freundin?“

„Frag sie doch.“

„Ne frag du.“

Ich verdrehte die Augen und nahm noch einen Zug von meiner Zigarette. Hoffentlich kamen sie nicht wirklich auf die Idee mich danach zu fragen, denn so wie ich gerade drauf war, würde ich ihnen wohl eine passende Antwort liefern, würde damit aber wohl erst recht für Ärger sorgen. Nein ich sollte mich wohl besser irgendwohin verziehen, wo ich nicht Gefahr lief mit Fragen bombardiert zu werden. Die eine Hand steckte ich in die Hosentasche, während ich in der anderen meine Zigarette hielt. Ruhigen Schrittes ging ich das Stückchen Weg zurück zum Bus in der Hoffnung, dort ein wenig ungestörter sein zu können. Auf die weniger freundlichen Kommentare die hier und da mal fielen, reagierte ich nur mit einem sehr deutlichen Blick. Etwas anderes wäre auch zu viel des Guten gewesen.

Ich schielte um die Ecke und ich hatte wirklich Glück. Am Bus war weit und breit niemand zu sehen, was wohl daran lag, dass alle wussten, dass die Jungs sich noch im SO36 befanden und nun dort gewartet wurde, bis sie wieder raus kamen. Am Bus angekommen setzte ich mich auf den Boden, lehnte mich mit dem Rücken gegen den Bus und winkelte die Beine an. *Was für ein Scheisstag*, seufzte ich in Gedanken und schloss für einen Moment die Augen.

Helfendes Gespräch

„Hier bekommst du aber nicht viel mit“, riss mich eine Stimme aus meinen Grübeleien und ich öffnete die Augen um zu schauen, wer es da gewagt hatte mich in meiner Ruhe zu stören. Vor mir stand Benedikt und sah mich mit einem leicht fragenden Blick an.

„Ist vielleicht auch besser so“, seufzte ich leise und legte mein Kinn auf meine Knie. Nein vielleicht war es wirklich besser so hier zu sitzen, weit weg von den anderen. Hier lief ich wenigstens nicht Gefahr in irgendwelche Sachen hineingezogen zu werden in die ich nicht hineingezogen werden wollte und es gab auch keine Möglichkeit für Missverständnisse.

„Aber wolltest du nicht wegen dem Konzert nach Berlin kommen oder habe ich da vorher etwas missverstanden?“, fragte er ein wenig verwundert nach und lehnte sich mit der Schulter gegen die Türe des Busses.

„Nein hast du nicht“, meinte ich zu ihm und hob kurz meinen Kopf um ihn anzuschauen und starrte dann wieder an die Hauswand gegenüber.

„Dann versteh ich aber nicht warum du hier draußen sitzt. Die Mädels da vorne würden alles geben um jetzt im SO sein zu können und du kannst es und ziehst es vor hier draußen zu sitzen? Verkehrte Welt würde ich mal sagen“, sprach er und schüttelte seinen Kopf. Nein Frauen konnte man einfach nicht verstehen.

„Du hast ja recht, aber irgendwie...“, seufzte ich wieder leise und zuckte mit den Schultern.

„Ist deine Laune nicht mehr dieselbe wie vorher“, stellte Benedikt fest und führte zugleich meinen Satz zu Ende.

„Ich würde mal sagen du hast damit voll ins schwarze getroffen.“ Wenn es nicht sogar noch untertrieben war. Sie war nicht nur nicht mehr die gleiche wie vorher, sondern sie war regelrecht im Keller gelandet.

Benedikt stieß sich Bus ab und setzte sich neben mich auf den Boden. So wie ich auch winkelte er die Beine an, nur mit dem Unterschied dass er nicht sein Kinn auf seine Knie legte, sondern dass es seine Hände waren. Es musste nun sicherlich reichlich komisch aussehen wie wir da zu Zweit vor dem Bus auf dem Boden saßen und wenn ich mich gerade nicht so mies fühlen würde, hätte ich wohl darüber gelacht. Aber in der Stimmung fühlte mich aber nun gerade wirklich nicht.

„Gehen dir die Jungs auf den Keks?“, fragte er ruhig und sah mich von der Seite her an.

„Nein die sind nicht der Grund“, meinte ich kopfschüttelnd zu ihm. „Zumindest nicht direkt.“

„Warum erzählst du nicht was wirklich los ist? Onkel Benedikt hört auch zu“, meinte er lächelnd zu mir und stieß mich aufmunternd mit der Schulter an.

Es war eine so nette Geste gewesen, dass ich sogar ein kleines Lächeln auf den Lippen hatte. Er war wohl nicht nur der Aufpasser vom Dienst sondern wohl so als Nebenberuf noch Seelsorger der Jungs. Immerhin hatte er eine sehr beruhigende Art was ihn für so einen Posten gerade zu perfekt machte.

„Sicher dass du die Zeit dafür hast?“, fragte ich nach, denn so wirklich vorstellen konnte ich es mir nicht gerade. So wirklich lange war es nicht mehr hin bis das Konzert anfangen würde und er wurde doch garantiert gebraucht. „Nicht dass ich dich jetzt hier in Beschlag nehme und dabei wirst du dringend an anderer Stelle gebraucht.“

Benedikt lachte auf und schüttelte den Kopf.

„Die werden da bestimmt auch mal 10 Minuten ohne mich klar kommen. Sind ja zu beschäftigt um jetzt irgendwelchen Unsinn anzustellen.“

Er zwinkerte mir wieder zu und ich seufzte leise auf.

„Dann vertrau ich dir jetzt einfach mal was das angeht“, kam es von mir ehe ich mir überlegte, wie ich jetzt am besten anfangen sollte. Was ich ihm erzählen sollte und was ich wohl besser für mich behielt. Immerhin war er ja doch ein Fremder für mich und da war es allgemein nicht leicht zu entscheiden was man erzählte.

„Ich hatte gerade einen doch recht üblen Streit mit Jules, die tierisch sauer auf mich ist und jetzt einfach abgehauen ist“, fing ich an zu erzählen und lehnte mich wieder mit dem Rücken an den Bus. „Hat mir vorgeworfen mich den Jungs an den Hals zu werfen und mir unterstellt, dass ich vorhätte... Nun ja...“ Ich hob die Hände, ließ sie aber wieder sinken und saß nun genauso da wie Benedikt.

„Oh ich verstehe“, meinte er und nickte leicht mit dem Kopf. „Da spricht wohl die pure Eifersucht.“

„Und das sehr laut. Ich meine ich hab doch nicht nichts mit Absicht getan. Ich hatte eigentlich für heute einen entspannten Samstag geplant gehabt, wollte ihr einen Gefallen tun und bin mit ihr nach Berlin gefahren, hab Max angequatscht und ihr somit die Chance gegeben das Konzert zu erleben und alle kennen zu lernen... Was hab ich bitte falsch gemacht? War es vielleicht ein Fehler mich mit den Jungs zu unterhalten? War es falsch zu lachen? Ich... ich weiß wirklich nicht was ich falsch gemacht habe“, seufzte ich schwer und sah Benedikt an. „Ich hab versucht mit ihr zu reden, hab versucht ihr alles zu erklären und was war? Sie hat mir eine Ohrfeige verpasst!“

Ruhig hörte mir Benedikt zu und seltsamerweise tat es gut ihm das alles zu erzählen. Alles zu erzählen was mir durch den Kopf ging. Vielleicht hatte er mir ja einen Rat, so als Unbeteiligter der ganzen Sache. Er hatte vielleicht Dinge gesehen, die mir nicht aufgefallen waren oder die mir so nie in den Sinn gekommen wären. Vielleicht hatte ja auch Jules Recht gehabt und ich hatte mich den Jungs wirklich an den Hals geworfen und ich hatte mich schlichtweg falsch eingeschätzt.

„Gut ich hatte sie vor Max ein wenig auf den Arm genommen und gut ich hatte ihr im Bus nicht das Händchen gehalten, aber das alleine kann doch nicht der Grund gewesen sein“, erzählte ich weiter und warf ein Steinchen das neben mir auf dem Boden lag an die Hauswand gegenüber, wo es abprallte und nach einmal aufspringen auf dem Boden liegen blieb. „Ich konnte doch auch nicht wissen dass ich im Bus so auf den Arm genommen werde noch habe ich Tim und Max gebeten auf meine Kosten ihr kleines Spielchen zu spielen. Ich bin nun mal ein offener Mensch mit großer Klappe und ich bin mir keiner Schuld bewusst und trotzdem fühle ich mich verdammt mies. Ich wollte einer Freundin einen schönen Tag bereiten und hab ihn in ein totales Fiakso verwandelt. Wie soll man da noch gute Laune haben?“

Ich seufzte auf und legte mein Kinn wieder auf meine Knie. Nein wie sollte man bitte schön gute Laune haben und einen Abend genießen, wenn wegen einem die Freundin sauer war? Ich hatte keine Ahnung wo sie nun steckte, geschweige denn wie sie heimkommen würde. Sie steckte irgendwo in Berlin während ich vor dem SO36 saß in dem ich einen sehr lustigen Abend hätte haben können.

„Jetzt sieh nicht alles gleich so schwarz“, meinte Benedikt ruhig und legte den Arm um meine Schultern. „Ich weiß zwar nicht was auf dem Parkplatz abgelaufen ist, aber ich weiß sehr wohl, was im Bus abgelaufen ist und für mich sah das von dir eher nach einer Reaktion als eine Aktion aus. Sie hatte die gleiche Chance gehabt wie du, nur hat sie ihre nicht genutzt. Ich glaube nicht mal dass sie eifersüchtig ist, sondern viel eher neidisch auf dich.“

„Neidisch auf mich?“, fragte ich verwundert und sah auf.

„Ja neidisch“, lachte Benedikt und nickte wie zur Bestätigung mit dem Kopf. „Du hast eine sehr lockere und offene Art und das hat dir wie es scheint einige Pluspunkte bei den Jungs verpasst. Du bist vielleicht nicht ganz frei ohne Schuld, aber sicherlich nicht schuld an allem. Also lass den Kopf nicht hängen, sondern genieße lieber den Abend und nutze die Chance. Wer weiß wann du noch einmal eine solche bekommst.“

Ich lachte leise auf und lehnte meinen Kopf auf seine Schulter. Vielleicht hatte er ja Recht und ich sollte wirklich einfach den Abend genießen. Morgen sah die Welt sicherlich schon wieder anders aus. Jules würde sich beruhigt haben und dann konnte ich sicherlich wieder vernünftig mit ihr reden.

„Danke“, meinte ich leise, nahm meinen Kopf von Benedikts Schulter und sah ihm lächelnd in die Augen.

„Danke wofür?“

„Für alles?“, sagte ich dann lachend, wofür mir Benedikt durch die Haare wuschelte und dann vom Boden aufstand. Er hielt mir die Hand hin um mir aufzuhelfen und das Angebot nahm ich natürlich dankend an.

„Na komm, sonst fällt ihnen noch auf dass wir beide fehlen und zählen ein und eins zusammen“, lachte Benedikt auf und machte sich gemeinsam mit mir auf den Weg zurück hinein zum SO36.

Aussprache

Ich hatte die Hände beide in die Gesäßtaschen gesteckt und ging neben Benedikt her. Zwar zweifelte ich immer noch ein wenig ob ich den Abend wirklich genießen konnte, aber versuchen würde ich es auf alle Fälle. Ich hatte nicht den ganzen Stress auf mich genommen um jetzt Trübsal zu blasen. Außerdem würden sie mir wohl auch gar keine Chance dafür bieten, so wie ich sie bisher hatte kennenlernen dürfen.

„Guck mal! Jetzt hat sie sich schon den nächsten geschnappt. Gott ist das eine Sch****! Die tut wohl echt alles“, raunte ein Mädchen seiner Freundin zu und deutete mit dem Finger auf mich.

Ich dachte mir meinen Teil und wollte einfach weiter ruhig meines Weges gehen, doch Benedikt musste das Kommentar des Mädchens wohl ebenfalls gehört haben und blieb stehen. Als wäre es das natürlichste der Welt legte er seinen Arm um meine Hüften und sah das Mädchen, welches gerade noch eine ziemlich große Klappe hatte, mit ernstem Blick an.

„Es ist mir ja egal was du von anderen denkst, aber ich habs nicht so gerne, wenn man meine Freundin beleidigt“, meinte er zu ihr und das Mädchen lief knallrot an. In diesem Moment machte sie einer Tomate alle Ehre. „Ich hoffe wir haben uns da verstanden.“

Das Mädchen nickte nur schüchtern und versteckte sich halb hinter ihrer Freundin, die selbst nicht wusste was sie jetzt machen sollte.

Benedikt drehte seinen Kopf zu mir und lächelte mich an.

„Lass sie einfach reden. Mit der Zeit wirst du dich an solche Neider gewöhnen“, meinte er zu mir und ging dann ruhig seines Weges weiter. Ich war erstmal vollkommen perplex über seine Reaktion und konnte gar nicht so schnell reagieren wie mir ein „Werde ich bestimmt mein Schatz“ über die Lippen huschte. Benedikt lachte nur leise und öffnete die Türe damit wir ins SO36 rein konnten. Drinnen sah ich ihn erst einmal entschuldigend an.

„Das eben... Erstmal Danke und du weißt schon oder?“

„Passt schon“, kam es lachend von Benedikt der mir schon wieder durch die Haare wuschelte und sich dann weiter um seinen Job kümmerte. Bis zum Konzertbeginn war es jetzt vielleicht noch eine Stunde und mehr auch nicht mehr. Ich schielte durch eines der Fenster nach draußen und war überrascht, wie viele Mädchen mittlerweile vor der Türe standen und auf Einlass warteten. Einen großen Teil der Mädchen konnte man wohl guten Gewissens in die Kategorie Groupie einsortieren, denn sie sahen nicht nur danach aus, sondern sie verhielten sich auch so. Wenn wohl jetzt einer der Band durch diese Türe musste, dann hatte er schlichtweg verloren. Vor Konzertbeginn würde er es wohl nicht mehr zurück schaffen. Vermutlich verkrochen sich deswegen die meisten Bands immer in den oftmals kleinen Backstagebereich um dort ungestört die letzte Ruhe zu genießen und sich seelisch auf den Auftritt vorzubereiten.

„Da bist du ja! Wir haben dich schon gesucht“, rief Stefan vom Inneren des SO36 zu mir nach draußen und winkte mit der Hand, damit ich zu ihm kam. „Wo warst du denn auf einmal?“

„Ich brauchte dringend mal frische Luft“, kam es ein wenig ausweichend von mir während ich ihm einfach mal folgte. Es war ja immerhin zum Teil die Wahrheit was ich ihm gesagt hatte. Ich war ja frische Luft schnappen nur warum ich es war, das hatte ich ihm nicht gesagt. Aber es würde wohl nicht lange dauern, bis die Frage nach dem 'Warum' aufkommen würde. Spätestens wenn jemanden auffiel, dass Jules nicht mehr da war, vorausgesetzt es fiel überhaupt jemanden auf, dass sie weg war. Bis jetzt schien es ja nicht der Fall zu sein.

„Die hättest du hinten auch haben können“, kam es ein wenig verwundert von Stefan, der mir wohl nicht so ganz über den Weg traute oder besser gesagt meiner Aussage.

„Hätte ich das gewusst, dann hätte ich mich bestimmt nicht durch die Horde Mädels da draußen bewegt“, lachte ich und war gespannt, was mich jetzt wohl erwarten würde. Zwar war ich schon öfters im SO36 gewesen, aber im Backstagebereich war ich bisher noch nie gewesen. Es war wie eine kleine Premiere für mich, was für die Jungs wohl mittlerweile zum Alltag geworden war.

Neugierig sah ich mich um und wäre vor lauter schauen, beinahe gegen eine offene Tür gelaufen, wurde aber von Stefan gerade noch auf die Seite gezogen.

„Blaue Augen sind zwar was schönes, aber nicht diese Art von blauen Augen“, feixte Stefan und bugsierte mich durch die nächste Türe in einen Raum, wo es sich schon alle bequem gemacht hatten. Tim lümmelte in einem Sessel herum, während Max der Länge nach auf dem Sofa flackte, was für die anderen bedeutete auf dem Boden sitzen zu müssen.

„Schaut mal wen ich da draußen aufgegabelt hab“, lachte Stefan in die Runde. „Unsere bereits heiß vermisste Reisebegleitung.“

Das konnte doch nicht wahr sein, jetzt ging das schon wieder los. Die ließen aber auch keine Möglichkeit aus um mich nicht auf die eine oder andere Art auf den Arm zu nehmen. Was hatte ich mir da nur angetan? Hätte ich bereits auf dem Parkplatz gewusst was mich erwarteten würde, dann wusste ich ehrlich nicht, ob ich das Angebot angenommen hätte.

Kaum war ich durch die Türe getreten, setzte sich Max auch schon auf und klopfte mit der Hand auf den freien Platz neben sich.

„Hier setz dich doch zu mir“, meinte er und grinste Tim schräg von der Seite her an, was allerdings nur bewirkte dass dieser sich ruckartig aus seinem Sessel bewegte und auf das Sofa setzte.

„Falsch Max. Sie setzt sich zu uns“, entgegnete er ihm und nun war es Tim der am grinsen war.

Gespielt genervt schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen und verdrehte die Augen. Nein so schnell würden die Zwei das Spielchen wohl nicht freiwillig aufgeben. Aber auch wenn alles ein Spaß war, wenn man ehrlich war, welcher Frau gefiel es denn nicht, wenn sich 2 Jungs in einen Wettstreit wegen einem begaben?

„Macht weiter so ihr Zwei!“, lachte Per der jetzt den frei gewordenen Sessel in Beschlag nahm.

Ich warf Stefan einen Blick zu, doch er lachte nur leise auf und deutete an, ich solle mich ruhig setzen. Also ging ich um den Tisch herum der dort stand und ließ mich zwischen Tim und Max auf das Sofa sinken. Wesentlich bequemer als der Steinboden war es allemal.

„Sag mal wo hast du denn gesteckt?“, fragte mich Tim und sah mich von der Seite her an.

„Ähm ich war draußen?“

„Und was hast du draußen gemacht?“, kam die nächste Frage gleich von Max hinterher.

„Frische Luft geschnappt?“

„Und warum hast du nichts gesagt?“, war nun wieder Tim mit dem Fragen an der Reihe.

„Weil ihr am spielen ward?“

„Dann hättest du doch jemanden anderem was sagen können“, kam es nun wieder von Max, der von Tim ein bestätigendes Nicken erhielt.

„Und was hätte ich bitteschön sagen sollen?“

„Na dass du frische Luft schnappen gehst und wir uns keine Sorgen machen brauchen“, meinte Tim und sah mich mit vorwurfsvollen Blick an.

„Genau!“, bestätigte nun dieses mal Max die Aussage von Tim.

Ich sah zwischen beiden hin und her und schüttelte dann nur noch lachend den Kopf.

„Ihr beide habt doch nicht mehr alle Tassen im Oberstübchen“, kam es weiterhin lachend von mir, denn so etwas hatte ich ja wohl noch nie erlebt. Da wurde ich von 2 Jungs ins Kreuzverhör genommen und gleichzeitig wurden mir noch Ratschläge gegeben. „Ich war lediglich frische Luft schnappen und hatte nicht vor mich aus dem Staub zu machen.“ *Das haben bereits andere getan*, führte ich den Satz in Gedanken weiter und bekam für einen kurzen Moment einen etwas nachdenklichen Blick, der dummerweise von Max nicht übersehen wurde. Ohne ein Wort zu verlieren, stand er auf, zog mich an der Hand nach oben und verschwand mit mir aus dem Raum und in einen anderen hinein. Irgendwie hatte hier jeder die Angewohnheit den anderen an der Hand durch die Gegend zu zerren.

„Was ist wirklich los?“, fragte er mich mit ernster Stimme und stand mit verschränkten Armen vor mir.

Ich setzte mich auf einen Stapel von leeren Bierkisten und senkte den Blick. Wie sollte ich ihm das jetzt am dümmsten erklären ohne dass er auch noch ein schlechtes Gewissen bekam? Immerhin hatte er mich vorher gebeten ihm Jules vom Hals zu halten und das hatte ich ja wohl geschafft, auch wenn er es so sicherlich nicht gewollt hatte.

„Und komm mir jetzt bitte nicht mit 'Es ist alles ok'“, fügte er noch hinzu und es sah wirklich danach aus, als würde er keine Ausflüchte dulden.

„Es ist aber so“, murmelte ich leise und wagte es nicht ihm in die Augen zu schauen.

„Nein das ist es nicht und das weißt du genauso gut wie ich es weiß, also ich warte noch immer auf eine Erklärung.“

Ich sah noch immer auf den Boden und versuchte mir die Worte zurecht zu suchen, mit dem ich ihm die ganze Lage erklären konnte.

„He darf ich bei der kleinen Privatparty mitmachen“, tönte plötzlich Tims Stimme von der Türe, der dort mit einem breiten Grinsen stand. Max drehte sich langsam zu ihm um.

„Tim würdest du bitte die Türe hinter dir zu machen wenn du gehst und das am besten sofort?“, meinte Max ruhig zu ihm, aber an seinem Tonfall konnte man erkennen, dass er es keinesfalls im Spaß meinte, sondern dass es ihm ernst war.

Überrascht darüber zog Tim seine Augenbrauen nach oben, machte aber worum ihn Max gebeten hatte. Er kannte Max mittlerweile gut genug um zu merken wann etwas Spaß war und wann nicht mehr.

Ruhig drehte sich Max wieder zu mir um.

„Ich warte immer noch und ich werde hier erst raus gehen, wenn ich weiß was los ist“, kam es wieder ernst von ihm und ich merkte dass es ihm wirklich ernst damit war. Wenn ich also nicht riskieren wollte Ärger mit dem Veranstalter zu bekommen, musste ich wohl wirklich mit der Sprache rausrücken.

„Jules ist vorher ziemlich sauer abgehauen nachdem wir uns gestritten und sie mir eine Ohrfeige verpasst hat“, fasste ich die Geschehnisse in wenigen Worten zusammen und sah Max an. „Deswegen war ich draußen frische Luft schnappen, weil ich einfach mal ein bisschen Ruhe gebraucht hab weil ich als Freundin versagt und mich ziemlich beschissen gefühlt hab. Nun zufrieden?“

Nun war ich es welche die Arme verschränkte und demonstrativ in eine andere Richtung sah. Klar ich hätte es ihm auch schonender beibringen können, aber ich hasste es einfach, wenn man mich in eine Ecke drängte und genau das hatte Max getan. Er hat mich vor die Entscheidung gestellt obwohl es ihn im Endeffekt überhaupt nichts anging. Es war mein Problem und nicht seines, also warum interessierte es ihn?

„Oh Mist!“, fluchte Max und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Hätte ich das gewusst dann...“

„Was dann? Was hättest du denn schon machen können?“, fiel ich ihm ins Wort und sah ihn an bevor ich vom dem Kistenstapel runterging und durch den Raum ging. „Sie zurückhalten?“

„Ja vielleicht hätte ich das machen können“, meinte Max und hielt mich am Arm fest, damit ich endlich aufhörte auf und ab zu laufen. „Immerhin hab ich dich doch auch um den Gefallen gebeten oder?“

„Max das hatte mit deinem Gefallen überhaupt nichts zu tun gehabt“, sagte ich zu ihm und sah ihn an. „Sie war sauer auf mich und nicht auf dich oder auf Tim oder auf sonst irgendwen. Nur alleine auf mich. Ich hab sie hängen lassen und mich auf euch konzentriert während sie vollkommen alleine rumstand. Das war nicht fair von mir und deswegen ist es auch meine Schuld dass es so weit gekommen ist. Also hör auf dir die Schuld dafür zu geben.“

„Als ob ich nicht mindestens genauso viel Schuld daran hätte wie du jetzt.“

„Wie oft soll ich es noch sagen Max? Du hast keine Schuld daran!“

„Doch habe ich, denn war nicht ich es die dich belagert hat? Waren es nicht ich und Tim gewesen die dich in Beschlag genommen hatten und deiner Freundin keine Chance gegeben haben?“

Ich sah Max in die Augen und je länger ich dort hineinschaute, desto mehr musste ich mir eingestehen dass er nicht nur recht hatte, sondern er auch genau wusste dass er recht hatte. Wie also sollte ich ihm das jetzt ausreden? Ich seufzte leise und ließ den Kopf hängen.

„Ja, aber ich hätte nicht drauf einsteigen müssen. Dazu gehören immer zwei und ich hab kräftig mitgemischt. Hätte ich es nicht wollen, dann hättet ihr keine Chance gehabt, also trage ich wohl doch die größte Schuld an der Misere“, meinte ich leise und ließ die Schultern hängen.

Ich spürte 2 Finger unter meinem Kinn die meinen Kopf mit sanfter Gewalt anhoben bevor mein Blick dem sanften Blick von Max begegnete.

„Das renkt sich bestimmt wieder ein“, meinte er leise und strich mir mit dem Daumen über die Wange. „Und sollte sie sich nicht beruhigen, dann ruf mich an und dann erkläre ich ihr das in Ordnung?“

Max sah mich noch einmal an, bevor er mich in die Arme nahm und an sich drückte.

„Aber jetzt lächle bitte wieder, ansonsten kann ich später vor lauter schlechtem Gewissen das Duell gegen Tim nicht gewinnen.“

Als er das sagte konnte ich einfach nicht anders und musste leise auflachen.

„Du gibst wohl nie so schnell auf oder?“

„Nicht wenn es mir wichtig ist.“

„Max du bist unmöglich“, lachte ich erneut leise auf und boxte ihn sanft gegen die Schulter.

„Ich weiß“, grinste Max nur und ließ mich wieder los. „Aber jetzt wird sich erstmal richtig auf das Konzert eingestimmt und wehe dir du machst nicht mit, dann....?“

Ich hob abwehrend die Hände und sah Max an.

„Ich tue alles was du willst, aber bitte leg mich nicht schon wieder über die Schulter“, flehte ich lachend, legte die Hand auf die Türklinke und machte diese auf.

„Schade und ich wollte dich schon mit auf die Bühne nehmen.“

Lachend zeigte ihm ihm einen Vogel und kehrte mit ihm an der Seite zurück zu den anderen, die sich schon vielsagende Blicke zuwarfen. Ich wollte lieber nicht wissen was sie sich jetzt dachten, aber zumindest wussten Max und ich die Wahrheit und das alleine zählte doch.

Duell am Abend

„Noch 10 Minuten Jungs“, hörte man Benedikts Stimme von draußen und es war klar was das bedeutete. Die Vorband war dabei ihren letzten Song zu spielen, dann wurden nochmals kurz die Instrumente überprüft und dann ging es auch schon los. Es war absolut verrückt was mir bis jetzt so alles widerfahren war und es würde mir niemand, aber auch wirklich niemand abnehmen.

„Na dann wollen wir mal nicht wahr?“, kam es von Max, der sich vom Sofa erhoben hatte und den Rest der Band ansah. Hatten sie vorher noch den Eindruck von einem unkoordinierten Haufen gemacht, so erinnerte jetzt gar nichts mehr daran. Jeder wusste genau was er zu tun hatte und beinahe jeder Handgriff saß perfekt. Es hatte fast schon etwas beängstigendes an sich, wenn man sie vorher nur als Chaostruppe kennengelernt hatte.
 

Zusammen mit den Jungs verließ ich den Backstageraum und während sie die Bühne eroberten, verzog ich mich weiter nach hinten und leistete Ingo am Merchandisestand Gesellschaft. Von dort aus hatte man perfekte Sicht und war aus der Gefahrenzone heraus. Kaum hatten die Jungs die Bühne betreten, eroberte der Lärmpegel noch nie gekannte Höhen. Es war erstaunlich zu welchen Tönen die menschlichen Stimmbänder doch fähig waren. Nach einer kurzen Begrüßung rockten die Jungs auch schon mit „Point of no return“ los und bereits nach den ersten paar Sekunden hatten sie die Menge auf ihre Seite gezogen. Es war interessant dem ganzen zu zuschauen und ich war froh, dass ich nicht mit dort vorne stand. Weder hatte ich Lust auf Ellenbogen die sich mir in die Rippen bohrten, weil man ja ganz vorne stehen wollte, noch hatte ich Lust auf künstliche Fingernägel die sich mir als Rache in den Arm bohrten. Ne, ne der Platz jetzt war schon gut so.
 

Ich wollte es mir gerade auf einer Bank gemütlich machen, als ich auch schon von Ingo zum Arbeiten eingespannt wurde. Da ich seiner Meinung nach perfekt saß, konnte ich ihm ja die Shirts reichen, die er gerade brauchte, denn so musste er nicht von einem Eck zum anderen laufen. Aber da ich ja mal nicht so sein wollte, half ich ihm natürlich gerne und es machte ja auch Spaß. Ich hatte beinahe sogar ein wenig das Gefühl dazu zu gehören. Ich fragte mich, wie es denn wohl so ist, tagelang unterwegs zu sein und von einem Konzert zum nächsten zu fahren. Sicherlich war es Stress, aber man erlebte auch sicherlich so einiges. Erlebte Dinge, die man so garantiert kein zweites Mal erlebte. Die erste Tour war immer ein besonderes Ereignis und würde einem immer im Gedächtnis bleiben. Aber während die Jungs wohl morgen schon wieder auf dem Weg zum nächsten Konzert waren, jede Menge Spaß haben würde, musste ich mich um mein kaputtes Auto kümmern. Aber so war nun mal das Leben. Hart und ungerecht. Aber zumindest durfte ich ja heute ein wenig Bandleben schnuppern. Besser als gar nichts.
 

Aber das Konzert machte nicht nur Spaß, sondern überraschte mich auch. Ich hatte ja bisher nur die wenigen Lieder gehört gehabt, die teilweise schon ein wenig älter waren, aber das was mir jetzt um die Ohren flog, war absolut nicht mehr vergleichbar. Der Sound war härter und dreckiger geworden, aber gerade das war es auch, was mich so positiv überraschte. Es war einfach nicht mehr das Schülerbandniveau, sondern zeigte, dass sie an sich und an den Songs gefeilt hatten. Es klang erwachsener, reifer und auf jeden Fall machte es Lust auf mehr.
 

Kaum waren die letzten Akkorde von „Last man in the bar“ verklungen legte sich eine beunruhigende Stille über die Bühne. Tim sah zu Max und hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht. *Der wird doch nicht etwa?*, schoss es mir durch den Kopf und ich hoffte, dass mich mein Bauchgefühl täuschte, aber dummerweise tat es das auch diesesmal nicht.

„So Max und ich brauchen eure Hilfe und zwar müsst ihr uns helfen zu entscheiden wer von uns beiden das bessere Gitarrensolo hinlegt“, sprach er in sein Mikro und grinste Max wieder von der Seite her an.

„Richtig wir haben nämlich eine Wette laufen und der Gewinn ist nicht ganz ohne und da wir uns nicht entscheiden können, müsst ihr das eben für uns übernehmen. Seid ihr mit dabei?“, rief Max ins Publikum welches ihm ein lautes „Ja“ zurück rief.

Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen und war froh, dass sie nicht auch noch gesagt hatten um was es wirklich geht. Dann wäre ich heute wohl nicht mehr lebend aus diesem Raum gekommen. Ich sah zur Bühne und musste mir jetzt allerdings ein Lachen verkneifen. Per hatte es sich hinter seinem Schlagzeug gemütlich gemacht und feixte vor sich hin, während Stefan und Julius sich auf den Boden gesetzt hatten. *Wenn das mal keinen Ärger gibt*, dachte ich mir und versuchte an den Gesichter der Crew irgendeine Gefühlsregung ablesen zu können. Aber den Einzigsten den ich entdecken konnte war Benedikt und der hatte es sich auf einer Box gemütlich gemacht und war genauso am grinsen wie alle anderen auch. *Hat sich heute denn jeder gegen mich verschworen?*

„Das hättest du heute morgen als du aufgestanden bist auch nicht erwartet oder?“, meinte Ingo neben mir und lachte auf.

„Garantiert nicht“, gab ich zurück und schüttelte dabei den Kopf. Ich rechnete mit vielem, aber sowas kam dann selbst in meinen kühnsten Träumen nicht vor.
 

„Da du mich ja herausgefordert hast, lasse ich dir auch gerne den Vortritt“, meinte Max zu Tim, der ihm nur einen wissenden Blick zuwarf.

„Dann würde ich mal sagen... Schau zu wie man gewinnt“, lachte Tim und legte auch schon los. Es war der Hammer was er sich da mal kurz aus den Fingern sog und das Publikum gröhlte begeistert auf. Von ihnen hätte wohl auch keiner gedacht dass sie heute Abend so etwas geboten bekommen würden. Als Tim zu Ende gespielt hatte, brach ein tosender Applaus los. Es wurde geklatscht, gepfiffen und geschrien. Zufrieden warf er Max einen Blick zu.

„Ich würde eher sagen, schau zu wie man es besser macht“, entgegnete ihm Max und nun war er es der loslegte. Auch wenn Tim hervorragend vorgelegt hatte, so schaffte Max es doch noch, dem Ganzen eines oben drauf zu setzen. Ich fragte mich zwar wie das gehen sollte, aber scheinbar war es doch möglich. Wieder war die Menge am toben und am klatschen.

Tim nickte leicht mit dem Kopf und legte auch schon mit dem nächsten Solo los. Ich fragte mich, wie lange sie das Spielchen eigentlich noch treiben wollten. Kurz nachdem Tim angefangen hatte, stieg auch Max in das Solo ein und beide lieferten sich einen heißen Wettstreit. Ich war froh, dass ich nicht entscheiden musste wer da gewinnen sollte, denn ich hätte es ehrlich gesagt nicht können. Es spielten beide so genial und waren beide mit vollem Eifer dabei, dass man wirklich das Gefühl bekommen konnte, es war ihnen ernst zu gewinnen. Exakt zur gleichen Zeit hörten beide mit dem Spielen auf und nun war das Publikum gar nicht mehr zu stoppen. Es artete in einem Schrei- und Pfeifkonzert aus, untermalt mit heftigstem Geklatsche. Zufrieden sahen sich Max und Tim an und wandten sich dann dem Publikum zu, gespannt wer jetzt wohl von ihnen Beiden gewonnen hatten. Anfangs war es ein gleichmäßiges rufen der beider Namen, doch nach und nach wurden die Tim-Rufe immer lauter und lauter.

Max zuckte mit den Schultern und reichte Tim die Hand.

„Gratulation und du weißt ja, tue nichts was ich nicht auch tun würde“, lachte er auf und klopfte Tim anschließend auf die Schulter.

„Keine Sorge Max ich werde deinem Ruf schon gerecht werden“, erwiderte Tim und hatte dabei ein mehr als nur breites Grinsen auf dem Gesicht.

Der Rest der Band hatte sich mittlerweile wieder in Position gebracht und so als wäre nichts gewesen, rockten sie auch schon mit „Garden of growing hearts“ los.
 

*Na das kann ja heiter werden*, dachte ich mir nur, konnte mir aber ein Lachen nicht verkneifen. Wäre Jules jetzt hier gewesen, dann hätte sie mich wohl auf der Stelle einen Kopf kürzer gemacht. Vielleicht war es gar nicht mal so schlecht dass sie nicht mehr hier war, aber andererseits fragte ich mich, wo sie jetzt steckte? Berlin war groß und Berlin war auch nicht gerade ein besonders friedliches Pflaster. Ich hoffte nur, dass wenn sie wirklich nach Hause gefahren war, sie gut angekommen war. Sollte ihr irgendetwas passiert sein, so würde ich mir wohl mehr als nur Vorwürfe machen.
 

Nach 2 Zugaben war das Konzert auch leider schon wieder vorbei. Viel zu schnell für meinen Geschmack, aber so war es mit allem was toll war. Wenigstens war der Abend noch nicht vorbei und somit gab es noch sehr viel Gelegenheit um lustige Momente zu erleben. Während sich die Band in den Backstagebereich zurück zog um sich erstmal zu erholen, unterstützte ich Ingo noch am Merchandisestand. Es war so viel los, dass er es alleine wohl nur schwer geschafft hätte und da ich so oder so nichts vor hatte, tat ich wenigstens noch etwas sinnvolles. Ich fand es bewundernswert wie ruhig er bleiben konnte, obwohl man ihn von allen Ecken gleichzeitig her rief, weil alle etwas haben wollten. Es war hektisch und trotzdem schaffte er es noch mit jeder ein paar nette Worte zu wechseln. Aber das zeigte doch wieder, dass nicht die Band ihren Spaß an der Tour hatte, sondern auch alle die daran beteiligt waren. Vermutlich würde es aber auch niemand machen, wenn es ihnen keinen bereiten würde. Wer tat schon Dinge, die er eigentlich gar nicht tun wollte?
 

Das SO36 leerte sich doch sichtlich, aber es gab noch genug Mädels die noch warteten dass die Jungs aus dem Backstagebereich herauskamen und natürlich taten sie es dann auch. Hier und da wurden Autogramme gegeben, brav für Fotos bereit gestanden und immer ein Lächeln auf den Lippen. So wie es sich eben gehörte, aber man merkte auch, dass es ihnen Spaß machte. Für mich hatte dieses Phase wenigstens den Vorteil, dass ich mich schon seelisch auf das was danach passieren würde, vorbereiten konnte. Immerhin musste ich ja noch meinen Pflichten als „Hauptgewinn“ nachkommen, auch wenn ich absolut keine Ahnung hatte, was das für mich bedeuten sollte. Ich wusste nur, dass ich es ihnen garantiert nicht einfach machen würde.

Ein Angebot

Nachdem der größte Trubel vorbei war, half ich Ingo noch beim zusammenpacken. Während wir das Zeugs verpackten, kümmerten sich andere darum, dass die Instrumente und das Equip ordentlich verpackt wurde. Die Jungs dagegen tummelten sich in der Menge und man bekam sie wenn immer nur kurz zu sehen. *Tobt euch ruhig aus*, dachte ich mir, denn je mehr sie sich austobten, desto ruhiger würden sie wohl später sein.

„Willst du ihnen nicht Gesellschaft leisten?“, fragte mich Ingo, als ich mir einen Karton schnappte und ihn nach draußen tragen wollte.

„Noch ist mir die Lynchgefahr zu groß“, meinte ich zwinkernd zu ihm was dazu führte dass er anfangen musste zu lachen und ihm dabei beinahe der Karton den er trug runter fiel.

„Ok... Gewonnen“, grinste er und bahnte sich seinen Weg zwischen ein paar Mädels hindurch, die so halb den Ausgang blockierten, da sie warteten bis sie sich ihre Autogramme unterschreiben lassen konnten. Sie gingen nur widerwillig aus dem Weg, denn sie hatten Angst, sie könnten ihren Platz in der Reihe verlieren und müssten deswegen noch länger warten. Während die einen nur murrend einen halben Schritt zur Seite gingen, kamen von anderen zickige Kommentare. Wenn ich eine Hand frei gehabt hätte, hätte ich mir in diesem Moment an den Kopf langen müssen. Wie konnte man nur so gierig nach einem unterschriebenen Stück Papier sein? Gab es denn nichts wichtigeres?
 

„He Ingo! Eigentlich sollte sie ja mir zur Verfügung stehen“, hörte man plötzlich Tims Stimme, der von Mädchen belagert wurde, die ihm alle irgendwas zum unterschreiben unter die Nase hielten.

„Ich passe nur auf dass ihr nichts passiert“, rief Ingo zurück und ignorierte die reichlich dumm dreinschauenden Mädels. Innerlich musste ich laut loslachen, denn die Gesichter die gerade gemacht wurden, waren einfach zu köstlich. Es schwankte zwischen überraschend, ungläubig, entsetzt und eifersüchtig. Aber sie wechselten nicht etwa von einem zum anderen. Nein es war alles auf einmal in den Gesichter zu erkennen. Am meisten jedoch musste ich über das Mädel grinsen, welches vorher von Benedikt ermahnt wurde und die jetzt scheinbar gar nichts mehr zu verstehen schien.
 

Die kühle frische Luft tat richtig gut nach einer warmen, verqualmten Halle, wo man kaum mehr richtig hatte atmen können. Dazu kam die Ruhe die hier draußen herrschte und die nur hin und wieder durch ein glückliches Aufquietschen von jemanden unterbrochen wurde. Ich reichte Ingo den Karton nachdem er seinen verstaut hatte und streckte mich erst einmal ausgiebig. Ich fühlte mich ein klein wenig müde, was auch nicht verwunderlich war, wenn man mal beachtete, wie wenig ich letzte Nacht geschlafen hatte.

„He hier wird aber nicht schlapp gemacht“, kam es von Ingo, der mit mit dem Finger in die Seite piekste, just in dem Moment wo ich mich gestreckt hatte. Ich zuckte zusammen und warf ihm einen gespielt bösen Blick zu.

„Keine Sorge so schnell kipp ich nicht aus den Latschen“, meinte ich grinsend zu ihm. „Ein bisschen frische Luft und schon ist alles wieder in bester Ordnung.“

„Sehr gut, weil Schlaf ist auf Tour immer ein wenig Mangelware“, kam es wieder von Ingo, der nun auch den anderen Karton verstaute. „Man weiß nie was als nächstes kommt und man weiß auch nie, was die anderen vorhaben.“

„Das glaub ich dir gerne“, lachte ich und folgte ihm wieder zurück ins SO36 um auch die letzten Kartons mit ihm nach draußen zu bringen. Die Bewegung tat nach dem vielen Sitzen und Stehen gut und ich merkte, wie die Müdigkeit so langsam wieder verschwand. Wäre ja auch peinlich gewesen, wenn ich im Halbschlaf irgendwo gesessen hätte, wenn um mich herum der Bär steppte. Nein den Abend wollte ich in vollen Zügen genießen und wenn ich es am nächsten Tag bereuen würde. Sei es weil mein Kopf breiter als die Türe war oder ich Streichhölzer brauchte, um die Augen wenigstens einigermaßen aufhalten zu können. So einen Tag gab es nur einmal im Leben und der musste einfach voll ausgekostet werden.
 

Nachdem endlich alles sicher verstaut war, war es im SO36 beinahe schon ruhig geworden. Klar standen noch hier und da Leute herum und unterhielten sich oder machten die Kneipen in der Nähe unsicher, aber die, die jetzt noch da waren, gehörten nicht mehr in die Kategorie „Personenbezogene Fans“. Die Jungs konnten sich jetzt wesentlich freier bewegen und nutzen das natürlich aus. Sie huschten von einem Eck ins andere um sich mal mit dem und mal mit dem zu unterhalten. Sie waren in Berlin und dementsprechend waren auch viele Leute anwesend, die sie schon sehr lange kannten. Freunde und Bekannte eben, für die sie jetzt erst die Zeit gefunden hatten.
 

Erschrocken fuhr ich herum als ich plötzlich eine Hand auf der Schulter spürte und rechnete schon mit einem neidischen Groupie, aber zum Glück war es nur Max der hinter mir stand.

„Also dass sich ein Mädel vor mir erschrocken hat, ist mir bisher auch noch nie passiert“, meinte er grinsend und drückte mir ein Bier in die Hand.

„Tja Max“, fing ich an, sah auf den Boden bevor ich ihn lächelnd ansah. „Es gibt für alles ein erstes Mal. Auch für dich.“

Ich lachte auf und zog schon mal aus weiser Voraussicht den Kopf zwischen die Schultern. Man konnte ja nie wissen was für eine Reaktion auf so etwas kommen konnte. Nicht dass ich schon wieder über die Schulter geworfen wurde, denn jetzt könnte das nämlich doch ziemlich peinlich für mich werden. Vorher waren ja nicht so viele Leute hier gewesen, aber jetzt?

„Du bist wohl auch nie um ein Kommentar verlegen oder?“

„Nö.“

Lachend schüttelte Max seinen Kopf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Theke.

„Und hast du deinen Bekannten schon erreicht?“, fragte er ruhig und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.

Ich spürte wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich, ehe ich mir mit der flachen Stirn an den Kopf schlug.

„Ich bin doch....“, seufzte ich auf und hätte mir jetzt am liebsten selbst in den Hintern getreten, wenn ich hätte können.

„Du bist was?“

„Dämlich? Schusselig? Verplant? Unfähig?“, zählte ich ein paar Sachen auf, die alle einwandfrei auf mich zugetroffen hätten. Jetzt hatte ich doch glatt vergessen meinen Bekannten anzurufen und zu fragen, ob ich heute Nacht bei ihm übernachten konnte. Jetzt war es wohl dafür zu spät.

„Vergessen?“

„Aber völlig!“

Gab es denn nichts an diesem Tag was ohne Komplikationen klappte? Nichts was ausnahmsweise mal wie am Schnürchen funktionierte? Irgendwie hatte das Schicksal heute etwas gegen mich, wenn es mich von einem Extrem ins andere warf. Im einen Moment war ich oben und im nächsten ganz unten. Eine Achterbahnfahrt war ja ein Witz dagegen.

„Trifft sich hervorragend“, meinte Max ruhig und nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche.

„Trifft sich hervorragend? Aber sonst gehst noch oder?“, fragte ich vollkommen verwirrt, da ich gerade nur noch Bahnhof verstand. „Ich weiß nicht wie ich heimkommen soll, weiß nicht wo ich jetzt schlafen soll und du findest, dass es sich hervorragend trifft?“

„Jetzt lass mich doch erklären“, lachte Max und wollte schon die Hand heben um mir den Mund zu zuhalten, damit ich endlich aufhörte zu reden. „Ich hab da eine Idee.“

„Woher kommt mir das nur so bekannt vor?“, meinte ich zu ihm und spielte damit auf die Sache auf dem Parkplatz an. Da hatte er ja auch gesagt dass er eine Idee hatte und man hatte ja gesehen was passiert war.

„Nur mit dem Unterschied, dass ich bereits alles abgeklärt habe bevor ich dir die Idee verkünde.“

„Abgeklärt?“

Jetzt war wirklich alles zu spät. Ich verstand nichts, aber auch wirklich komplett gar nichts mehr. Was bitte hatte er abgeklärt und was sollte das bitte für eine Idee sein, wo man etwas abklären musste? Beinahe schon nervös hielt ich mich an der Bierflasche in meinen Händen fest. In Gedanken ging ich alle Möglichkeiten durch die mir so in den Kopf kamen, was man alles abklären konnte und die zu meiner Situation passen konnten. Aber alle erschienen mir vollkommen sinnlos und zu abgefahren.

„Komm einfach mal mit“, meinte er zu mir und ging auf den Backstagebereich zu, öffnete die Türe und ging wieder in den Raum, wo wir alle schon einmal gesessen hatten. Was zum Henker hatte er jetzt bitte vor? Konnte er mir das denn nicht auch draußen sagen oder war es so geheim, dass außer uns niemand etwas mitbekommen durfte? Obwohl wenn er es abgeklärt hatte, mussten ja schon jemand etwas davon wissen. *Gott ist das kompliziert*, ging es mir durch den Kopf, als ich mich in den Sessel sinken ließ und darauf wartete, dass er mir endlich erzählte was es mit der Idee auf sich hatte.

„Bevor ich dir sage was ich mir überlegt hab, sollte ich von dir 2 Dinge wissen“, fing Max an und setzte sich auf das Sofa. „Erstens, gibt es die Möglichkeit dass jemand anderes dein Auto holt und zweitens, hast du nächste Woche etwas vor oder hast du Zeit?“

Ich wusste jetzt nicht ob ich verwirrt oder überrascht sein sollte oder ob ich mir nicht besser veräppelt vorkommen sollte.

„Ich weiß jetzt absolut nicht warum du das wissen musst, aber lass mich mal überlegen“, meinte ich zu ihm und trank ein paar Schlucke, während ich mir so ein paar Sachen durch den Kopf gehen ließ. „Da die Raststätte wo mein Auto steht gerade mal 20km von mir daheim weg ist, könnten sich vielleicht meine Eltern darum kümmern wenn ich ihnen eine gute Begründung liefere warum ich es nicht kann. Müsste ihnen halt den Schlüssel vorbei bringen und was das andere angeht... Nein ich habe nächste Woche nichts vor. Weder muss ich arbeiten, noch muss ich an die Uni. Aber warum willst du das alles wissen?“

Ein breites Grinsen legte sich auf Maxs Lippen als ich ihm seine Frage beantwortete und das kam mir doch ein wenig unheimlich vor. Was bitte hatte das jetzt hier alles zu bedeuten?

„Perfekt! Einfach nur perfekt“, kam es von Max nur, anstatt mir meine Frage zu beantworten. „Besser konnte es gar nicht sein.“

„Ähm Max? Bekomme ich vielleicht auch mal eine Antwort?“

„Oh stimmt ja, sorry“, meinte er dann zu mir und setzte sich auf dem Sofa ein wenig auf. „Du kannst heute bei Stefan übernachten, immerhin kennt ihr 2 euch ja schon. Morgen Mittag werden wir dann zu deinen Eltern fahren damit du ihnen den Schlüssel geben kannst und dann zu dir, damit du ein paar Sachen zusammenpacken kannst. Danach fahren wir wieder nach Berlin und dann geht’s Abends in Richtung Nürnberg.“

Ich merkte nur wie ich meine Augen aufriss und Max anstarrte. Hatte ich das gerade richtig gehört oder spielte mir mein Gehirn jetzt einen Streich? Ich sah auf die Bierflasche in meiner Hand, doch die sah vollkommen normal aus. Eben so wie eine Bierflasche eben nun mal aussah. Aber es hieß ja noch lange nicht, dass der Inhalt auch dem entsprach, was auf dem Etikett stand. Wie in Trance stellte ich die Flasche auf den Tisch und sah Max einfach nur an.

„Andrea? Alles klar?“, fragte Max besorgt nach, denn ihm kam das jetzt doch reichlich komisch vor, dass ich so gar keine Reaktionen von mir gab. „Ich meine wenn du dazu keine Lust hast oder es nicht geht, dann ist das kein Problem. Ich dachte halt, dass es dir Spaß machen würde und ich meine wir alle verstehen uns ja und du bist denke ich mal verrückt genug für sowas. Es ist auch für alle kein Problem, die freuen sich sogar darüber und waren auch sofort von der Idee begeistert gewesen. Für Benedikt stellt es auch kein Problem dar und wegen dem Platz, da fällt uns garantiert auch etwas ein. Ich mein wenn es dir wirklich nicht gefällt, dann sag es. Aber bitte... Sag endlich überhaupt mal etwas.“

Das war ein Witz! Das war sicherlich eine Falle und die Sache musste doch irgendwo einen Haken haben. Aber wo war er dann wenn es einen gab? Es hörte sich alles so ungläubig an, so falsch, so unrealistisch. Ich kniff mir mit der Hand in den Arm und zuckte zusammen als es schmerzte. Ok ich war also wach und träumte nicht etwa, folglich musste mir Max gerade tatsächlich dieses Angebot gemacht haben.

„Ja“, krächzte ich leise, weil mein Hals mehr als nur trocken war.

„Wie?“, fragte Max nach, weil er es nicht verstanden hatte.

Ich stand langsam von meinem Sessel auf und bevor Max so richtig reagieren konnte war ich ihm um den Hals gefallen und das so schwungvoll, dass wir beide samt Sofa umflogen und auf dem Boden landeten.

„War das etwa ein Ja?“, fragte Max lachend und sah mich mit leicht geneigtem Kopf an.

„Und ob das ein Ja war!“, gab ich lachend zurück und konnte mein Glück noch gar nicht fassen. „Merkt man das denn nicht?“

Ich musste mich zusammenreißen um Max nicht auch noch zu drücken, so sehr freute ich mich. Ich war so glücklich, dass ich die ganze Welt umarmen hätte können. Das war wie Weihnachten, Ostern, Geburtstag und auch sonst alle Feiertage an einem einzigen Tag. Nein falsch! An einem einzigen Moment!
 

„Euch kann man aber auch keine 5 Minuten alleine lassen“, kam es mit gespielt vorwurfsvollen Unterton von der Türe her. „Jetzt gewinne ich schon und verliere trotzdem noch.“

Es folgte ein fröhliches Lachen und es war klar, dass es nur Tim sein konnte, der im Raum aufgetaucht war.

Ich rappelte mich vom Boden auf, hüpfte um das Sofa herum und fiel nun auch Tim um den Hals, der genauso wenig damit gerechnet hatte, aber gerade noch reagieren konnte, bevor wir ebenfalls auf dem Boden landete.

„So stürmisch? War Max denn so schlecht gewesen?“, fragte Tim lachend und sah zu Max, der mittlerweile auch wieder aufgestanden war.

Ich sah zwischen den beiden Jungs lachend hin und her und schüttelte den Kopf, weil ich mein Glück noch immer nicht fassen konnte.

„Tja Tim, das kann ich leider nicht beurteilen, da musst du wohl jemand anderes fragen“, meinte ich zu ihm und nahm jeden von ihnen an der Hand. „Aber egal ob gut oder schlecht... Ich würde vorschlagen, wir gehen jetzt erst einmal so richtig auf den Putz hauen.“

Ja das musste jetzt gefeiert werden und zwar so richtig. Mit allem was dazu gehörte.

Einer war zuviel gewesen

Mit den beiden Jungs im Schlepptau verließ ich den Backstagebereich und betrat den eigentlichen Konzertraum wieder, in welchem die Mannschaft bereits beisammen stand. Von Neugier bis Feixen, war wohl in dem Moment alles zu erkennen.

„Und?“, fragte Per und unterstützte seine Frage mit diversen Handbewegungen, in der Hoffnung dass er so schneller eine Antwort erhalten würde.

„Jetzt lasst euch doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen“, kam es nun auch noch von Stefan, der einen genauso gespannten Gesichtsausdruck hatte.

„Hallo? Wir wollen was hören“, fiel jetzt auch noch Julius in die Fragerunde ein.

„Wie sollen sie denn was sagen wenn ihr den Mund nicht zu bekommt?“, lachte Benedikt und steckte seine Hände in die Hosentaschen.

Ich sah von Max zu Tim und dann zu den anderen.

„Wenn ich könnte würde ich euch jetzt alle gleichzeitig umarmen“, meinte ich zu der Truppe und ein glückliches Lächeln lag dabei auf meinen Lippen. „Ihr seid alles so lieb und ich weiß gar nicht was ich sagen soll... Wie ich mich dafür bedanken soll und... Boah ich kanns noch immer nicht so ganz glauben.“

„Heißt das etwa...?“, fragte Per wieder nach, da er nicht so wirklich mitkam.

„Und ob es das heißt“, lachte ich, ließ Max und Tim los, ging auf Per zu und legte ihm den Arm um die Hüfte. „Ihr müsst mich wohl noch ein Weilchen ertragen und ich hoffe ihr seid euch bewusst was ihr euch da zugemutet habt.“

„Wir sind uns das bewusst, aber bist du das auch?“, meinte Stefan lachend und es sah wirklich so aus, als würden sich alle darüber freuen, dass ich das Angebot angenommen hatte. Es konnte gut gehen, aber es konnte auch im Chaos enden. Aber ich sah dem Ganzen jetzt einfach mal optimistisch entgegen. Es gab immer die Möglichkeit sich mal abzuseilen falls sie mir auf den Keks gehen sollten.

„Darauf erwartest du jetzt aber keine Antwort oder?“, feixte ich und duckte mich sicherheitshalber schonmal, denn man konnte ja nie wissen, ob ich für meine freche Klappe nicht irgendwann nochmals eine ins Genick bekam.

„In Ordnung dann wäre das ja geklärt“, kam es ruhig von Benedikt der einen nach dem anderen ansah. „Ihr wisst ja Bescheid wann es morgen weitergeht und feiert nicht mehr zu lange.“

„Wir doch nicht“, grinste Tim und sah pfiffelnd in die Luft.

Benedikt verdrehte nur die Augen und verschwand dann zusammen mit Ingo und ließ sozusagen die Jugend unter sich. Er wusste genau, dass heute Abend gefeiert werden würde und das vermutlich nicht gerade von schlechten Eltern. Aber solange sie am nächsten Tag pünktlich waren und nicht irgendjemand verloren ging, war es ihm egal. Zumindest an diesem Abend.

„Dann würd ich sagen? Lasst uns Berlin unsicher machen“, meinte Max und schon machte sich die ganze Truppe auf den Weg um das Berliner Nachtleben unsicher zu machen.
 


 

Ich hatte keine Ahnung wie spät es war und noch weniger wusste ich, wie viel ich an diesem Abend getrunken hatte. Irgendwann hatte ich einfach vollkommen den Überblick verloren gehabt. Aber wie hätte man den auch behalten sollen, wenn das Glas ständig voll vor einem stand? Das einzige was ich wusste war, dass ich froh war, mich endlich irgendwohin setzen zu können und wenn es auch nur im Treppenhaus war.

„Wir sind gleich da“, meinte Stefan grinsend, dem es auch nicht unbedingt viel besser ging als mir, aber der immerhin noch den Überblick hatte.

„Sehr gut“, murmelte ich und hielt meinen Kopf in den Händen. Der letzte Tequila war eindeutig schlecht gewesen. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Davor war es mir noch absolut blendend gegangen aber jetzt? Wenigstens war ich nicht die einzigste gewesen die zu tief ins Glas geschaut hatte. Was musste ich mich aber auch drauf einlassen mit Tim und Max um die Wette zu trinken? Und dann auch noch zu verlieren? Jetzt schuldete ich den Beiden auch noch eine Massage.

„Auf gehts“, kam es leise lachend von Stefan, nachdem er die Türe geöffnet und mir aufgeholfen hatte. Geschickt bugsierte er mich durch die Wohnung und hinein in sein Schlafzimmer.

„Pscht“, flüsterte ich, als ich beinahe über etwas am Boden gestolpert wäre und es einen kleinen Rumser tat. Ich wusste ja nicht ob seine Eltern da waren und ob die da so erfreut drüber wären, wenn da zwei absolut nicht mehr nüchterne Gestalten durch die Wohnung tapsten. Er schloss seine Zimmertüre und machte das Licht an. Wenigstens sah ich jetzt wohin ich ging, eine sehr große Erleichterung wie ich zugeben musste. Ich sah ein riesengroßes Bett im Zimmer stehen und wenn ich ganz still war, hörte ich auch schon, wie es nach mir rief.

„Duhuuu Stefan?“, grinste ich und sah ihn von unten herauf an. „Darf ich da schlafen?“ Mit dem Finger zeigte ich auf das Bett und setzte einen treudoofen Hundeblick auf. Es sah aber auch zu einladend aus und da ich so oder so kaum mehr meine Augen aufhalten konnte wäre es auch zu perfekt. Ich ging auf Stefan zu, legte ihm meine Arme um die Hüften und sah ihn noch immer grinsend von unten herauf an. „Ich bin auch gaaanz lieb. Büüüdeee... Büdde, büdde, büdde.“

Stefan schlug die Hände über seinem Kopf zusammen und kicherte in sich hinein. Er legte seine Hände auf meine Schultern und nickte mit dem Kopf.

„Ja das darfst du tun“, meinte er zu mir und stupste mir leicht mit der Stirn gegen den Kopf.

„Huiii ist das toll“, meinte ich lachend und sah Stefan aber weiter von unten herauf an. „Duhuuu Stefan? Hast du mir vielleicht ein T-Shirt?“

Ich war zwar blau, aber trotzdem hatte ich nicht vor, in den Sachen die ich schon den ganzen Tag an hatte, auch noch zu schlafen. Das musste dann nicht unbedingt sein.

„Wenn du mich los lässt, dann hole ich dir eines. Aber so geht es etwas schlecht“, meinte er ruhig und deutete mit dem Kopf auf meine Umarmung.

„Ooops... Okeee“, meinte ich und ließ ihn auch schon los. Ich verschränkte die Hände hinter meinem Rücken und wippte auf den Fußsohlen vor und zurück, solange Stefan ein T-Shirt für mich aus dem Schrank holte und es mir reichte. Ich nahm das T-Shirt dankend entgegen und sah ihn dann an.

„Würdest du vielleicht? Also so wusch“, meinte ich und deutete ihm mit der Hand an, dass er sich doch bitte umdrehen sollte, damit ich mich umziehen konnte.

„Aber sicher doch“, grinste Stefan nur und drehte sich um. Innerlich war er jedoch am Lachen, denn er fragte sich bereits, wie das denn funktionieren sollte, wenn alle man im Bus schlafen würden? Da war das mit dem Umdrehen ein klein wenig kompliziert.

„Darfst wieder gucken“, lachte ich und drehte mich einmal im Kreis, nachdem ich alles aus- und das T-Shirt angezogen hatte. Doch die Drehung war gar nicht gut gewesen, denn es wurde mir davon nur schwindelig.

„Gar nicht gut“, murmelte ich und setzte mich auf die Bettkante und hielt mir den Kopf. Man war mir gerade komisch.

Stefan schüttelte nur den Kopf, zog sich aus und setzte sich dann ebenfalls auf die Bettkante.

„Am besten kriechst du jetzt unter die Decke, machst die Augen zu und wenn du aufwachst, ist die Welt wieder in Ordnung“, sagte er zu mir und schob mich schon so halb unter die Bettdecke.

„Gute Idee“, murmelte ich und tat wie mir geheißen war. Kaum lag ich unter der Decke, kuschelte ich mich hinein und schloss die Augen.

„Hui ich fahr Karussell“, kicherte ich, als sich alles um mich herum zu drehen anfing. Aber gleichzeitig überkam mich auch eine bleierne Müdigkeit die es mir unmöglich machte, mich großartig bewegen zu können. Ich merkte nur noch wie neben mir jemand unter die Bettdecke kroch und da war ich auch schon im Land der Träume angelangt.

Nie wieder Tequila

Ein lautes Schrillen klang durch die Wohnung und ich zog die Decke über den Kopf. Es konnte doch nicht sein, dass jetzt schon der Wecker klingelte? Es war Sonntags, warum klingelte der denn überhaupt? Ich legte meine Hand auf den Arm der über meinem Bauch lag und kuschelte mich näher an die Wärmequelle in meinem Rücken. Nein es war viel zu gemütlich um jetzt auf zu stehen, immerhin war Sonntag und Sonntags blieb man lange im Bett liegen.
 

„Raus aus den Federn ihr Zwei!“, rief auf einmal eine muntere Stimme und zog die Decke weg, so dass es auf schlagartig ziemlich kalt an den Beinen wurde.

„Max bist du des Wahnsinns?“, hörte ich eine andere Stimme rufen und ich fragte mich, was bitteschön die ganzen Leute in meinem Zimmer machten? Als ob es nicht schon reichte, dass es an den Beinen kalt war, nein jetzt musste es auch noch an meinem Rücken kalt werden. Ich setzte mich im Bett auf, rieb mir mit dem Handrücken über die Augen und versuchte meine Haare so einigermaßen aus dem Gesicht zu wischen, damit ich wenigstens etwas sehen konnte. Aus ziemlich kleinen Augen sah ich mich im Zimmer um und es dauerte einen Moment bis ich feststellte, dass es gar nicht mein Zimmer war und ich überhaupt gar nicht in meinem Bett lag. *Filmriss?*, schoss es mir als allererstes durch den Kopf, doch so langsam tauchten dann doch die Erinnerungen auf.

„Tut mir ja leid wenn ich eure traute Zweisamkeit gestört hab, aber du weißt ja was heute noch ansteht“, hörte ich Max sagen, gefolgt von einem leisen Lachen.

„Ist ja schon gut“, murmelte Stefan und ich hörte wie eine Schranktüre aufging und wieder zuging.

„Sag mal Stefan? Ist das nicht dein T-Shirt was sie an hat?“

„Ja ist es.“

„Nachtigall ich hör dir zwitschern“, lachte Max und setzte sich auf die Bettkante.

„Ach Klappe“, kam es ein wenig gereizt von Stefan, der sich gerade umzog.

„Hat mir vielleicht jemand einen Kaffee und eine Kopftutwehtablette?“, murmelte ich, denn ich hatte einen Kopf, der wohl breiter war als sämtlich existente Türen. Ich hielt mir diesen und schloss wieder die Augen, als mich eine Welle der Übelkeit überkam. Man musste ich gestern abgestürzt sein. Ich hoffte nur, ich hatte nichts getan, was ich bereuen könnte. Zwar konnte ich das, sollte es so gewesen sein, zur Not noch auf den Alkohol schieben, aber lieber war mir natürlich, es war nichts passiert.

„Da hat wohl einer das Feiern nicht vertragen“, meinte Max zu mir und stupste mir gegen den Arm. „Oder aber.....“

„Max? Egal was du damit andeuten wolltest, ich wills lieber nicht wissen“, murmelte ich und musste mich zusammenreißen, mich nicht einfach wieder in die Kissen sinken zu lassen, mich um zu drehen und einfach weiter zu schlafen.

„Wach werden!“, rief Max und wuschelte mir mit beiden Händen durch meine Haare, so dass sie jetzt erst recht in alle Richtungen wegstanden.

„Waaahhh“, rief ich aus und versuchte mich gegen diese hinterhältige Attacke zu wehren. Aber mit so einem Brummschädel war das alles andere als einfach. „Max tu was sinnvolles und geh Kaffee kochen.“

Ich warf das Kissen nach ihm, bewegte mich murrend zur Bettkante und legte die Beine über diese. Immerhin saß ich schon mal, dann würde der Rest auch kein Problem mehr darstellen. Vorausgesetzt natürlich man wurde nicht gehetzt und nicht unter Druck gesetzt. An jedem anderen Morgen wäre es mir wohl egal gewesen, aber nicht an diesem.

„Dann werde mal in Ruhe wach“, kam es grinsend von Max, der sich von der Bettkante erhob und zu mir runter sah. „Ich gebe dir... Hm.... 5 Minuten sollten reichen.“

„Max?“

„Ja?“

„Raus!“
 

Ich hörte wie die Schlafzimmertüre aufging und gleich darauf wieder zuging. *Ruhe, wie schön*, dachte ich mir und quälte mich aus dem Bett. Wie bitteschön schaffte er es, nach so einer Nacht schon wieder so fit zu sein? Er hatte doch auch nicht weniger getrunken als ich und warum ging es mir dann so übel und ihm nicht? Das war doch einfach nur unfair. Erst verlor ich die Wette gestern und jetzt war er auch noch fitter als ich. Nein da musste eindeutig etwas falsch laufen. Ich tapste Barfuß durch das Zimmer und suchte meine Sachen zusammen,die quer im ganzen Zimmer auf dem Boden verstreut lagen. Nachdenklich kratzte ich mir am Hinterkopf, da ich wirklich absolut nicht mehr wusste was passiert war. Ich wusste bis zu dem Punkt wo wir die Wohnung betreten hatten noch komplett alles, aber dann? Dann war da nur noch eine schwarze Leere in meinem Kopf. So, als hätte man mir einfach das Stück Erinnerung gelöscht. Unbewusst sah ich mich nach irgendwelchen verräterischen Spuren oder Hinweise um, aber so wirklich finden tat ich dann doch nichts.
 

Nachdem ich mich angezogen hatte, natürlich noch immer mit einem wahnsinnigen Brummschädel, verließ ich das Zimmer und folgte dem Duft von frisch gekochtem Kaffee der mir in die Nase stieg, bis ich in der Küche angelandet war.

„Morgen“, murmelte ich und ließ mich auf einem Stuhl am Tisch sinken. „Ist der für mich?“ Ich deutete mit der Hand auf die Tasse die auf dem Tisch stand und die eindeutig Kaffee enthielt.

„Für dich mit extra viel Liebe gemacht“, grinste Max wofür er von Stefan einen leichten Schlag auf den Hinterkopf erhielt.

„Glaub ihm kein Wort, der kann nämlich keinen Kaffee kochen“, meinte Stefan und setzte sich ebenfalls an den Tisch.

„Hab ich doch auch gar nicht behauptet“, meinte Max zu Stefan und gab ihm den Schlag zurück. „Damit warst doch du gemeint.“

Eine beachtliche Röte überzog Stefans Wangen, dem das wohl ziemlich peinlich zu sein schien. Direkt nach dem Kommentar von Max stand er nämlich auch schon wieder vom Stuhl auf und verschwand aus der Küche.

„Das war jetzt aber nicht fair“, murmelte ich und nahm einen großen Schluck aus der Tasse. Der Kaffee schmeckte herrlich und tat so richtig gut. Das war es, was ich gebraucht hatte um einigermaßen wach zu werden. Es ging eben doch nichts über eine Tasse heißen Kaffee am Morgen.

Max zuckte nur mit den Schultern und grinste in sich hinein. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme.

„Sag mal was habt ihr denn gemacht dass ihr beide so fertig seid?“, fragte er und streckte die Beine unter dem Tisch aus.

„Gute Frage... Nächste Frage?“, kam es nur von mir nach einem weiteren Schluck Kaffee.

„Wie jetzt?“

„Ich nehme mal an dass wir geschlafen haben.“

„Du nimmst es an?“

„Man könnte auch sagen... Ich habe keine Ahnung was wir gemacht haben. Blackout, Filmriss.... Nenne es wie du willst“, meinte ich zu Max und sah ihn mit einem entschuldigenden Blick an. Ich war mir zwar sicher dass absolut nichts passiert war, aber schwören konnte ich es auch wieder nicht. Musste er sich eben mit dem zufrieden geben, was ich ihm sagen konnte.

Mit einem etwas ungläubigen Blick sah mich Max an, ehe er lauthals das Lachen anfing.

„Ich sehe schon, so schnell wirst du uns nicht mehr zum Wettrinken herausfordern“, lachte er und setzte sich in seinem Stuhl wieder auf.

„Moment mal... Ihr habt mich herausgefordert.“

„Ja und du hast verloren.“

„Und ich war gerade dabei es zu vergessen.“

„Ne, ne... So leicht kommst du uns nicht davon“, lachte Max und schüttelte den Kopf.

„Wäre auch zu schön gewesen um wahr zu sein“, seufzte ich und trank den letzten Schluck Kaffee. Aber es war ja so klar gewesen, dass er es nicht vergessen hatte und ich ahnte schon, dass es auch Tim nicht vergessen hatte. Egal wie ich es drehte oder wendete, ich würde wohl um die Massage nicht herum kommen.

„Hier sind ein paar Kopfschmerztabletten“, kam es von Stefan, der mir welche auf den Tisch legte.

„Boah danke. Du bist ein Schatz“, meinte ich zu ihm und freute mich wirklich darüber, dass er es nicht vergessen hatte.

„Ach passt schon“, entgegnete er und lehnte sich mit dem Rücken an die Arbeitsplatte.

„Wann müsst ihr den los?“, fragte er und sah Max an, der direkt auf die Uhr schaute.

„Also mein Vater müsste jetzt wohl gerade mit dem Auto um die Ecke biegen, daher würde ich vorschlagen, wir machen uns auf den Weg“, meinte er und stand auch prompt auf und machte sich auf den Weg zur Türe.

Ich stand ebenfalls auf, jedoch folgte ich Max nicht gleich, sondern ging auf Stefan zu und blieb direkt vor ihm stehen.

„Danke dass ich heute Nacht bei dir schlafen durfte“, meinte ich zu ihm und lächelte.

„War doch kein Problem“, sagte er und lächelte zurück.

„Kommst du dann?“, rief Max von draußen und er schien es wohl eilig zu haben.

„Ja sofort“, rief ich zurück und sah wieder zu Stefan.

„Trotzdem danke“, meinte ich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Wir sehen uns heute Abend.“

Dann verließ ich die Küche und folgte Max nach unten, wo tatsächlich schon sein Vater auf uns wartete.

Überraschender Besuch

Max öffnete die Autotüre und blieb vor ihr stehen und wartete bis ich zu ihm gestoßen war.

„Dad? Das ist Andrea und Andrea? Das ist mein Vater“, stellte er uns kurz vor und wartete dann, bis ich im Auto eingestiegen war und stieg dann selbst ein.

„Danke dass sie fahren“, meinte ich zu Maxs Vater und schnallte mich an.

„Sie? Du siezt meinen Vater?“, fragte Max lachend und drehte den Kopf zu mir nach hinten. Hatte ich jetzt etwa etwas falsch gemacht oder warum fand Max das jetzt bitte so lustig? Es gehörte sich doch dass man Leute die älter als man selbst und dazu noch fremd waren, siezte oder etwa nicht?

„So jedenfalls haben es mir meine Eltern beigebracht“, entgegnete ich ihm, worauf jetzt sein Vater das Lachen anfing.

„Max da haben wir wohl bei dir etwas vergessen“, sagte er grinsend zu seinem Sohn und sah dann zu mir nach hinten. „Carl... Einfach nur Carl.“

Ok ein Fettnäpfchen am Morgen, wer konnte auf sowas am Morgen nur verzichten? Wobei Morgen wohl etwas übertrieben war, denn der Zeiger der Uhr näherte sich so langsam der 1. Ich hoffte nur, wir würden das alles rechtzeitig auch schaffen und das ging wohl nur, wenn meine Eltern mir da nicht einen Strich durch die Rechnung machten. Es war ja nicht so, dass sie mir nicht halfen wenn ich ein Problem hatte, aber dieser Fall war wohl doch etwas außergewöhnlich. Während sich Max vorne mit seinem Vater unterhielt, sah ich aus dem Fenster und versuchte dem Drang, einfach wieder die Augen zu schließen, nicht nachzugeben. Wenn ich jetzt schon so fertig war, wie fertig würde ich erst am Ende der Woche sein? Allerdings hatte ich ja noch den Vorteil, dass ich noch ne Runde schlafen konnte wenn die Jungs ihren Soundcheck hatten oder früh morgens zu einem Interview mussten. Vorausgesetzt natürlich, dass sie mir diesen Vorteil auch ließen.

„Hier müssen wir doch raus?“, riss mich Maxs Stimme aus den Gedanken und wohl auch dem Halbschlaf und ich nickte mit dem Kopf. „Ok, dann musst du dann nur noch erklären, wie wir zu deinen Eltern kommen.“

„Aye, aye Sir“, meinte ich grinsend und lotste dann Carl durch die Ortschaft bis wir vor dem Haus meiner Eltern standen. *Lass sie ja sagen*, flehte ich in Gedanken und schickte ein kleines Stoßgebet zum Himmel hinauf. Ich glaubte zwar nicht daran, dass es dort oben jemand gab, aber vielleicht gab es ja irgendwas, das mich hörte und mir half.

„Bin gleich wieder zurück“, grinste ich, stieg aus dem Wagen und huschte durch die Haustüre. Ich hielt es für besser meinen Eltern alleine gegenüber zu stehen, wenn ich sie fragte, als wenn Carl und Max jetzt auch noch dabei waren. Da fühlten sie sich wohl nur unter Druck gesetzt oder besser gesagt vor vollendete Tatsachen gestellt und das mochten sie überhaupt nicht. Es dauerte eine Weile bis ich ihnen alles erklärt und erzählt hatte und noch ein Stückchen, bis sie sich endlich dazu bereit erklären, sich um die Autosache zu kümmern. Im Gegenzug musste ich dafür versprechen ihnen in nächster Zeit zur Verfügung zu stehen. Ich wusste zwar war das für mich heißen würde, aber das nahm ich in diesem Fall gerne in kauf.

Mit einem breiten Grinsen stieg ich wieder ins Auto und musste lachen, als mich beide mit einem fragenden Blick ansahen.

„Ja und?“, fragte Max ungeduldig, weil ich nicht gleich etwas gesagt hatte.

„Wie wäre es mit... packen?“, lachte ich und schnallte mich wieder an.

„Geil.“

Nun lotste ich Carl weiter bis zu dem Haus, wo ich mein kleines Reich hatte. Carl hielt den Wagen an und sah uns beide an.

„Ich denke mal ihr werdet ein Weilchen brauchen. Während ihr packt, werde ich noch mal etwas einkaufen gehen. Ich bin in ungefähr einer halben Stunde wieder zurück“, meinte er zu uns und wartete bis wir ausgestiegen waren und fuhr dann auch schon davon. Zusammen mit Max ging ich auf das Haus zu, drückte die Türe auf die nie zu war und öffnete dann meine Wohnungstüre.

„So das ist mein kleines Reich“, meinte ich grinsend und schloss die Türe hinter ihm. „Hier ist die Küche, dort das Bad, dort das Wohnzimmer und dort hinten ist mein Schlafzimmer. Wenn du was trinken willst... In der Küche steht der Kühlschrank. Bedien dich einfach selbst wenn du was brauchst.“

So war es nun mal einfach bei mir. Mochte sein dass man mich für einen sehr schlechten Gastgeber hielt, aber ich hielt es dafür wesentlich sinnvoller es jedem selbst zu überlassen wann er etwas wollte, als alle 5 Minuten die Person mit der Frage zu belästigen ob sie denn etwas haben wollten.

„Geht klar“, meinte Max und während er einen Abstecher in die Küche machte, machte ich mich auf den Weg ins Schlafzimmer. Ich hatte absolut keine Ahnung was man so alles mitnehmen musste, geschweige denn wie viel davon. Kurz musste ich überlegen wo ich meine Reisetasche verstaut hatte, bis mir wieder einfiel, dass ich sie ja nach dem letzten Mal unter das Bett geschoben hatte. Also legte ich mich auf den Bauch und zog die Reisetasche darunter hervor und warf sie auf das Bett.

„Wäre das Bett nicht bequemer zum liegen?“, lachte Max und lehnte am Türrahmen.

„Das auf alle Fälle, aber zur Not geht auch der Fußboden“, grinste ich zurück und rappelte mich vom Boden auf. „Und außerdem darf ich ja eh nicht.“

„Wer hat denn das gesagt?“

„Wie wäre es mit dir Max?“

„Das hab ich nur getan, weil ich nicht mit drin lag“, meinte er und betrat das Schlafzimmer. Er setzte sich auf das Bett und sah mich feixend an.

Ich verdrehte die Augen über sein Kommentar und öffnete die beiden Schranktüren. „Du bist zwar unmöglich Max, aber vielleicht doch hilfreich“, meinte ich zu ihm und starrte planlos auf die Sachen die bei mir im Schrank lagen. „Kannst du mir vielleicht mal sagen, was ich mitnehmen soll?“

Ich warf ihm einen Blick über die Schulter zu und als ich sah was er machte, drehte ich mich um und stemmte die Hände in die Hüften. „Herr von und zu und überhaupt Buskohl, wären sie vielleicht so freundlich und würden mir helfen, anstatt auszutesten wie bequem man in meinem Bett liegt?“

Jetzt hatte sich doch Max tatsächlich der Länge nach auf mein Bett gelegt, die Arme unter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen. Gerade mal ein Auge machte Max auf, nachdem ich das zu ihm gesagt hatte, gefolgt von einem breiten Grinsen.

„Sehr bequem übrigens“, meinte er zu mir und richtete sich dann aber doch noch auf und trat zu mir an den Kleiderschrank.

„Ich würde es ja mitnehmen, aber leider passt es nicht in die Reisetasche, in die eigentlich ja die Klamotten rein sollen, die ich für nächste Woche brauche. Also, was darf ich auf keinen Fall vergessen?“, fragte ich Max und deutete auf den Kleiderschrank, als es an der Türe klingelte. Verwundert zog ich die Augenbrauen nach oben, denn ich hatte keine Ahnung wer das jetzt sein sollte. Jeder der mich kannte würde sich normalerweise hüten so früh auf der Matte zu stehen, denn jeder wusste dass ich Sonntags sehr lange im Bett lag. Der Postbote kam Sonntags auch nicht vorbei und bei meinen Eltern war ich ja gerade erst gewesen.

„Ok. Ich schaue wer an der Türe ist und du schaust, was ich auf keinen Fall vergessen sollte“, meinte ich zu Max und verließ das Schlafzimmer um zu schauen wer geklingelt hatte. Ich öffnete die Türe und ich wollte meinen Gesichtsausdruck den ich jetzt wohl gerade in diesem Moment machte, besser nicht sehen. Vor der Türe stand eine Person, mit der ich jetzt am allerwenigsten gerechnet hätte – Jules!

Anpfiff

„Wie? Was machst du denn hier?“, fragte ich verwundert und ließ sie in die Wohnung kommen und schloss die Türe hinter ihr. Nein mit ihr hatte ich jetzt nach allem was gestern passiert war absolut nicht gerechnet.

„Naja wegen gestern. Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich hab mich verdammt blöde benommen und die Ohrfeige... Es tut mir leid“, meinte sie leise zu mir und sah betreten auf den Boden. „Im Zug ist mir klar geworden, dass ich überreagiert hatte, aber da war es dann schon zu spät und... Kannst du mir nochmals verzeihen?“

Sie hob den Kopf und sah mich an, als hätte sie ernsthaft Angst ich würde ihre Entschuldigung nicht annehme, sondern sie aus der Wohnung werfen.

Ich wollte ihr gerade antworten, als ich von einem „Das darfst du auf absolut gar keinen Fall vergessen“ von Max unterbrochen wurde, der in der Schlafzimmertüre stand und zwischen seinen Fingern baumelte mein schwarzer Spitzen-BH.

„MAX!“, rief ich aus und mir war das so peinlich, dass ich am liebsten im Boden versunken wäre. Da bat man ihn darum zu schauen und er hatte nichts besseres zu tun, als meine Wäsche zu durchstöbern. Männer! Die konnte man wirklich nicht alleine lassen.

„Ja was denn? Du hast gesagt ich soll schauen und das hab ich getan“, meinte Max nur ruhig und das Grinsen wollte einfach nicht aus seinem Gesicht verschwinden.

„So ist das also“, kam es nun auch noch von Jules, deren Tonfall sich schlagartig verändert hatte. Das vorher noch entschuldigende war einer Kälte gewichen, die einen frösteln ließ.

„Ja aber doch nicht so“, meinte ich zu Max und drehte mich dann zu Jules um. „Und es ist nicht das, nach was es aussieht“, meinte ich zu ihr, wusste aber jetzt schon, dass sie mir kein Wort davon glauben würde.

„Ach nein? Nach was sollte es denn dann aussehen Andrea?“, fragte Jules kühl und hatte die Arme vor ihrem Körper verschränkt.

„Keine Ahnung aber auf alle Fälle nicht nach dem, was du dir jetzt denkst.“

Woher sollte ich denn wissen nach was es aussehen sollte? Max stand in meinem Schlafzimmer und hatte einen meiner BHs in den Händen, wie bitte schön sollte man das erklären? Es war unmöglich dafür eine Erklärung zu finden, die Jules schlucken würde und das noch bevor sie gleich platzte.

„Hör mir mal gut zu“, fing Jules an und war einen Schritt auf mich zugekommen. „Ich hab dir gestern gesagt was mich ankotzt und heute komm ich hier her, um mich zu entschuldigen, weil ich gedacht hab überreagiert zu haben, weil ich dachte ich kenne dich und wüsste dass du sowas nie tun würdest und was sehe ich? Max wie er mit deiner Unterwäsche in der Hand in deinem Schlafzimmer steht. Sieht wohl doch sehr eindeutig aus oder? Und du sagst zu mir, es ist nicht das nach was es aussieht? Für wie blöde hältst du mich eigentlich? Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich von dir verarschen lasse? Hat's wenigstens Spaß gemacht? War er gut? Hat es sich gelohnt? Warum sagst du denn nichts Andrea? War er etwa so gut, dass du noch immer sprachlos bist?“

Jules lachte gekünstelt auf und sie war noch wütender, als sie gestern Abend schon gewesen war. Man sah es ihr an und noch mehr hörte man es. Ihre Kommentare waren so spitz und gleichzeitig so verletzt. Ich stand einfach nur da und wusste echt nicht mehr was ich noch sagen sollte. Glaubte sie denn von mir wirklich, ich hätte gestern Abend nichts besseres zu tun gehabt, als mit Max die Belastbarkeit eines Bettes auszutesten? Dachte sie das wirklich von mir? Sie die genau wissen sollte, dass ich vieles machte, aber das garantiert nicht dazu gehörte?

„Nein jetzt hörst du mir mal zu“, hörte ich Maxs Stimme, der auf uns beiden zugekommen war und vor Jules stehen blieb. Seine Stimme hatte einen ebenso kühlen Unterton bekommen, wie die von Jules und ich ahnte leider schon, was gleich passieren würde.

„Ich soll dir zuhören? Darf ich lachen“, kam es spitz von Jules die Max ansah, als wäre er etwas, dem man lieber nicht begegnete. „Aber ich würde dir ja gerne zuhören, aber mir wird das hier zu doof.“

Jules drehte sich um und wollte die Wohnung wieder verlassen, jedoch machte ihr Max einen Strich durch die Rechnung, indem er sich einfach vor die Wohnungstüre stellte.

„Vergiss es“, meinte er und schüttelte den Kopf. „Du wirst hier erst wieder rauskommen, wenn die Sache geklärt ist. Haben wir uns da verstanden? Du wirst hier stehen bleiben und zuhören, egal ob es dir jetzt in den Kram passt oder nicht. Egal ob du es jetzt hören willst oder nicht.“

Ich sah zwischen den Beiden hin und her und ließ mich letztendlich an der Wand hinunter auf den Boden sinken. Das hatte mir an diesem Tag gerade noch gefehlt. Max und Jules standen sich im Flur gegenüber und wenn man genau hinsah, konnte man die Funken sehen, die zwischen ihnen aufstoben.

„Ach ja? Und was bitteschön hast du mir denn groß zu sagen?“, meinte Jules spitz und verschränkte wieder ihre Arme.

„Das was du dir gestern geleistet hast war schon das Letzte gewesen, aber das was du dir jetzt gerade leistest, schlägt dem Fass den Boden aus“, meinte Max ernst und ließ Jules nicht aus den Augen. „Du hast dich gestern einfach verpisst, du hast dich um nichts gekümmert und du bist rumgestanden wie ein kleines Prinzesschen das nur darauf wartet, dass das Fußvolk sie beachtet. Du hattest genauso die Chance dich mit jemanden von uns zu unterhalten, du hattest nicht nur eine Möglichkeit gehabt mit uns ins Gespräch zu kommen, wenn du das nicht kannst, dann ist das dein Pech, aber dann schieb deine Unfähigkeit verdammt nochmal nicht in ihre Schuhe! Wenn du eifersüchtig bist, gut dann bist du es eben. Aber das gibt dir noch lange nicht das Recht ihr oder mir zu unterstellen, wie wären durch die Betten getobt!“

„Ach seid ihr nicht?“, hörte ich Jules sagen, die aber sofort wieder von Max unterbrochen wurde.

„Ich hab gesagt du sollst zuhören!“, fuhr Max Jules an, die daraufhin zusammenzuckte. Irgendwie tat sie mir ja leid, aber andererseits sagte Max ja nur die Wahrheit. Er kannte Jules nicht und brauchte daher wohl auch keine Rücksicht auf sie nehmen. Er haute ihr die Fakten um den Kopf, dass ihr gar nichts anderes übrig bleiben würde, als sie hinzunehmen.

„Auch wenn es dich eigentlich überhaupt gar nichts angeht, aber wenn es dich beruhigt, es war nichts, aber auch überhaupt gar nichts zwischen mir und ihr, geschweige denn zwischen ihr und sonst irgendjemand“, sprach Max weiter und stand noch immer vor der Wohnungstüre. „Während du dich wie ein eingeschnapptes Gör aus dem Staub gemacht hast, saß sie da und hat sich Vorwürfe gemacht. Sich gefragt ob sie als Freundin versagt hat und sich überlegt, was sie hätte anders machen können. Selbst nachdem du ihr die Ohrfeige verpasst hat, hat sie sich noch Sorgen um dich gemacht ob du auch gut nach Hause kommst und das einzige was du tun kannst ist ihr Vorwürfe machen. Wenn hier einer als Freundin versagt hat, dann nicht sie, sondern du! Denke mal scharf darüber nach und nun kannst du gehen.“

Max trat von der Türe weg, öffnete sie und deutete mit der Hand an, dass Jules jetzt gehen konnte, wenn sie gehen wollte.

Mit einem vollkommen verdutzten Gesicht starrte Jules Max an und man merkte, dass sie es wirklich nicht fassen konnte, dass er sie gerade hatte rund laufen lassen. Jemand, den sie kaum kannte und der sie nicht kannte hatte ihr eine Standpauke gehalten, die sich gewaschen hatte.

„Ich geh wohl besser“, murmelte sie leise und verließ dann auch tatsächlich die Wohnung. Nein jetzt musste sie wirklich erstmal nachdenken und das Gehörte sacken lassen. Max schloss die Türe hinter ihr und drehte sich zu mir um.

„Wolltest du nicht packen“, meinte er lächelnd und hielt mir die Hand hin um mir aufzuhelfen. Er war wie ausgewechselt und ich wusste ehrlich gesagt nicht so recht, was ich jetzt davon halten sollte. Sicherlich hatte er mit allem Recht gehabt, aber hätte er es auch nicht freundlicher erklären können? Klar es war von Jules nicht ok gewesen ihm gleich etwas zu unterstellen, aber ich hätte mir vermutlich etwas ähnliches gedacht, wäre ich in ihrer Situation gewesen.

„Sag bloß du hast jetzt Mitleid mit ihr“, kam es fragend von Max nachdem er meinen Gesichtsausdruck gesehen hatte.

„Schon irgendwie“, murmelte ich und ließ mir von Max auf die Beine helfen.

„Frauen“, seufzte Max und verdrehte die Augen. „Die soll einer verstehen.“

„So schlimm sind wir auch wieder nicht“, widersprach ich und lächelte leicht.

„Nein ihr seid schlimmer“, grinste Max, wofür er von mir einen Schlag in die Rippen verpasst bekam.

Gemeinsam kehrten wir zurück in mein Schlafzimmer und nachdem mein Zimmer aussah als hätte eine Bombe eingeschlagen, war die Tasche gepackt. Ich hoffte nur, dass ich auch wirklich alles notwendige mit eingepackt hatte.

„Also wenn was fehlt, dann bist du schuld“, lachte ich und wollte die Tasche nehmen, damit wir endlich los konnten, doch da hatte sich Max diese schon geschnappt.

„Immer auf die Kleinen“, seufzte Max und sah von oben auf mich herab. Er war aber auch ein gutes Stück größer als ich und wusste es nur zu gut zu nutzen.

Ich schüttelte nur noch grinsend den Kopf, sah mich nochmals kurz in meiner Wohnung um, ehe wir diese auch verließen und uns auf den Weg zurück nach Berlin machten.

Diskussionen

Die Rückfahrt verlief, meinem Gefühl nach, schneller als die Hinfahrt. Entweder war es tatsächlich so oder aber ich bildete mir das Ganze nur ein. Wäre ja nicht das erste Mal. Die ganze Fahrt jedoch ging mir die Szene aus dem Flur nicht aus dem Kopf. Ich fragte mich immer und immer wieder, was Jules jetzt wohl in gerade diesem Moment dachte. War sie immer noch sauer? War sie jetzt erst recht sauer? Gab es eine Chance der Versöhnung? Würde sie mir jetzt aus dem Weg gehen oder erst recht an mir hängen? Fragen über Fragen und alle ohne Antwort. Vermutlich würden die Antworten erst kommen, wenn ich wieder daheim sein würde. Also genug Zeit für mich, mir darüber Gedanken zu machen, sofern ich überhaupt die Zeit dafür finden würde. Wir bogen mit dem Wagen um die Ecke und wie ich sehen konnte, wurden wir bereits erwartet. Waren wir so lange weg gewesen und waren wir noch pünktlich oder würde es jetzt erst einmal einen Anpfiff geben? Wenn es so war, dann lag die Schuld wohl eindeutig nicht bei uns, sondern wohl eher bei Jules. Wäre sie nicht aufgetaucht, so wären wir wohl wesentlich schneller gewesen. Aber es würde schon klappen.

Max und ich waren noch nicht einmal richtig aus dem Wagen ausgestiegen, als uns schon ein „Seid ihr auch endlich da?“ entgegen gerufen wurde.

„Als ob ihr schon so lange hier rumstehen würdet“, meinte Max und deutete auf die Taschen, die alle noch vor dem Bus lagen.

„Einen Versuch war es doch zumindest mal wert“, lachte Per und zuckte mit den Schultern.

Ich nahm meine Tasche aus dem Auto und bedankte mich noch einmal bei Carl dafür, dass er uns mal kurz durch die Gegend gefahren hatte. Er winkte mit der Hand ab, wünschte uns noch viel Spaß und fuhr dann wieder davon.

So, jetzt also war es tatsächlich so weit. Was am gestrigen Abend noch wie ein Traum erschien, war jetzt Wirklichkeit geworden. Würde der Bus nicht vor mir stehen und würden um mich herum nicht lauter Leute stehen, so würde ich es jetzt wohl noch immer nicht glauben.

„Was habt ihr zwei denn gemacht dass ihr jetzt erst kommt?“, fragte Tim und deutete auf die Uhr.

„Sorry uns ist etwas dazwischen gekommen“, meinte ich zu ihm und kramte in meiner Tasche, nach meinen Zigaretten.

„Genau und ich durfte Dinge sehen die du nie zu sehen bekommen wirst“, setzte Max dem Ganzen noch eins oben drauf und hatte wieder einmal ein breites Grinsen im Gesicht.

„Untersteh dich auch nur ein Wort darüber zu verlieren“, drohte ich ihm lachend an, denn ich wusste genau auf was er seine Aussage bezogen hatte. Ich hatte nämlich keine Lust, dass in den nächsten paar Sekunden die komplette Mannschaft über meine Vorlieben was Unterwäsche anging, informiert war.

„Nicht mal ein bisschen?“

„Nein Max. Nichts, niente, nada, nix“, meinte ich nur und schüttelte den Kopf.

„Ist ja mal wieder typisch“, seufzte Tim und verdrehte die Augen. „Erst einem den Mund wässrig machen und dann auf dem Trockenen sitzen lassen. Aber das gibt Rache, das schwör ich euch.“

Mit einem breiten Grinsen sah er uns an und ich war gespannt, wie er das verwirklichen wollte. Möglichkeiten gab es auf der Tour sicherlich genügend, aber auf welche Art und Weise, das war wohl das interessanteste daran. Ich ließ mich gerne überraschen.

„Pass aber auf, dass es nicht zu deinem Nachteil wird“, rief Per uns zu, der das Gespräch grinsend mitverfolgt hatte. Wenn er sich das alles so ansah und anhörte, dann würde die nächste Woche eindeutig chaotischer verlaufen, als die davor. Aber solange es was zu lachen gab und nicht irgendwann einer eingeschnappt in der Ecke saß, würde alles in bester Ordnung sein.
 

„Ok es scheint als wären wir jetzt vollständig“, hörte ich Benedikts Stimme, der mittlerweile ebenfalls aufgetaucht war. „Also dann sag ich euch mal... Moment...“ Er kramte aus der Tasche sein Handy und entfernte sich von der Gruppe um in Ruhe telefonieren zu können.

„Max... Psst... Max“, flüsterte Tim und stupste Max in die Rippen. „Geb doch wenigstens mal einen Tip.“

Max drehte sich nach mir um und beugte sich dann ein Stückchen zu Tim.

„Klein, schwarz und verdammt sexy“, flüsterte er zurück und tat dann so, als hätte er weder etwas gesagt, noch etwas verraten.

„Ihr habt doch nicht etwa....?“, kam es ungläubig Tim, der sich jetzt wirklich nicht so ganz sicher war, was er jetzt mit dieser Information anfangen sollte. Aber anstatt eine Antwort zu erhalten, grinste Max ihn einfach nur an, zuckte mit den Schultern und sah dann zum Himmel hinauf.

„Ja und morgen ist Weihnachten“, grummelte Tim, der merkte, dass Max ihn auf den Arm nehmen wollte. Aber trotzdem wollte er immer noch wissen, was Max damit angedeutet hatte und er würde noch dahinter kommen. Egal ob mit oder ohne Hilfe von Max. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
 

Benedikt steckte das Handy zurück in die Tasche seiner Jeansjacke und sah dann wieder in die Runde. „Also ich habe mir überlegt, dass ich zu euch in den Bus ziehe und Andrea wird im Crewbus untergebracht. Ich denke das ist das beste“, sagte er ruhig, doch da hatte er wohl die Rechnung ohne die Jungs gemacht.

„Hee... So war das aber nicht abgemacht“, beschwerte sich Stefan und schüttelte den Kopf.

„Ich mag die Idee auch nicht besonders“, kam es nun auch von Per, der ebenfalls den Kopf schüttelte.

„Soll sie denn etwa mit euch 5 in einem Bus schlafen?“, fragte Benedikt und sah von einem zum anderen.

„Als ob ihr weniger seid als wir es sind“, entgegnete Max und steckte eine Hand in die Hosentasche.

„Und wie wollt ihr das machen? Ihr wisst doch selbst wie es im Bus aussieht“, meinte Benedikt und schüttelte den Kopf. „Wenn dann müsste einer von euch zu Max, damit sie dann in dem Bett schlafen kann.“

„Wieso muss dann einer von uns zu Max?“, fragte Tim und sah Benedikt fragend an.

„Ja soll sie etwa bei Max schlafen?“

„Ich hätte nichts dagegen“, grinste Max und bekam dafür von Stefan eine in die Rippen.

„Dass du nichts dagegen hast war ja wieder mal klar“, kam es von Tim der die Augen verdrehte. „Aber wenn ich es mir so überlege, vielleicht sollte sie doch im Crewbus schlafen.“

„Und wieso bitte?“, fragte Max und zog die Augenbrauen nach oben.

„Weil wenn sie bei dir im Bett liegt wir nicht mehr zum schlafen kommen?“, lachte Per und sah pfiffelnd in die Luft.

„Gehören dazu nicht immer noch 2?“, mischte ich mich jetzt in die Diskussion ein und sah Per an.

„Das glaubst auch nur du. Du kennst Max noch nicht“, antwortete Per und lachte leise auf. Ich sah von Per zu Max, dem das alles andere als passte. Er wirkte beinahe sogar ein wenig verletzt. Gut, vielleicht hatte ich mir das auch eingebildet, aber so wirklich glücklich sah er nicht gerade aus.

„Nein tue ich nicht das stimmt, aber ich kann dir versprechen, nein ich kann es dir sogar garantieren, dass du weiterhin genauso gut schlafen wirst wie zuvor auch“, sagte ich zu Per und sah ihn dabei mit ernstem Blick an. Er konnte unterstellen was er wollte und wem er wollte, aber nicht mir.

„Jungs, so kommen wir nicht weiter“, seufzte Benedikt und warf einen Blick auf die Uhr. „Entscheidet euch, sonst entscheide ich.“

„Ich würde sagen sie schläft bei uns im Bus, so wie gerade gesagt und wenn es Probleme damit geben sollte, dann machen wir es so wie Benedikt vorgeschlagen hat“, meinte Stefan und sah in die Runde.

„Das ist doch mal ein Wort“, stimmte Julius, der sich bisher zurückgehalten hatte, dem Vorschlag von Stefan zu.

„Ja lass es uns einfach probieren“, meinte nun auch Tim, gefolgt von einem „Zur Not stecke ich mir einfach was in die Ohren“ von Per.

„Max?“, wandte sich Stefan an Max, der zu dem Ganzen nichts mehr weiter gesagt hatte.

„Hm?“, kam es von ihm und man merkte, dass er gerade mit seinen Gedanken woanders gewesen war.

„Ist es für dich ok wenn sie bei uns im Bus und mit dir in einem Bett schläft?“, wiederholte Stefan seine Frage und sah Max mit fragendem Blick an.

„Wenn ich ein Problem damit hätte, hätte ich es wohl kaum gesagt oder?“
 

„Dann wäre die Sache jetzt also geklärt“, meinte Benedikt ruhig und warf dann einen Blick auf die Uhr. „Dann alle Mann und jetzt auch Frau ab in den Bus, sonst kommen wir nie mehr aus Berlin weg.“
 

Ich war Max einen Blick zu, der mir aber geschickt auswich und wortlos in den Bus einstieg. Irgendwas war da gerade gehörig falsch gelaufen, das war eindeutig erkennbar. Nur was von den vielen Sachen war es jetzt gewesen? War es für ihn wirklich kein Problem dass ich neben ihm schlafen sollte oder hatte er doch eines damit. Aber wenn er eines hatte, warum hatte er es nicht einfach gesagt? Benedikt hatte doch schon eine Lösung gefunden gehabt. Oder lag es wirklich an den Kommentaren von Per? Gerade freundlich waren sie ja nicht gewesen, aber Max musste doch eigentlich wissen, dass es Per sicherlich nur im Spaß gemeint hatte. Jedenfalls ging ich davon aus. Aber was es jetzt genau war, würde ich noch herausfinden. Die Fahrt war lang und somit genügend Zeit nachzufragen.

Ungewissheit

Ich hatte es mir im Bus neben Stefan bequem gemacht, der wieder einmal die Nase in sein Buch gesteckt hatte. Ich fragte mich noch immer ein wenig, ob letzte Nacht nicht doch mehr gelaufen war, als ich vermutete. Noch immer hatte ich einen totalen Blackout und egal wie sehr ich mich auch darauf konzentrierte mich zu erinnern, es wollte und wollte nicht klappen. Aber andererseits hätte er doch bestimmt etwas gesagt wenn etwas passiert wäre oder etwa nicht? Vielleicht war was passiert und er sagte es nur nicht, weil es ihm peinlich war? Oder war etwas passiert und er sagte nichts, weil er nicht wollte dass es Max oder Tim erfuhren? Oder war überhaupt nichts passiert und er sagte nichts, damit ich weiter in dem Glauben blieb es sei etwas passiert? *Das macht doch gar keinen Sinn*, meinte ich zu mir nach meinem letzten Gedankengang, denn er machte auch wirklich absolut keinen Sinn. Warum sollte er mich glauben lassen es sei was passiert, wenn nichts passiert war? Welchen Nutzen hätte er davon? Aber letztendlich würde ich es nur herausfinden, wenn ich ihn fragte. *Gott ist mir das peinlich*

„Stefan?“, fragte ich leise, da ich ja nicht wusste ob er gestört werden wollte oder nicht. Ich zumindest mochte es überhaupt nicht wenn ich las und mich jemand dabei störte.

„Hm?“, kam es nur von ihm, ohne von seinem Buch aufzublicken.

„Kann ich dich mal etwas fragen?“

„Klar.“

Ich biss mir auf die Unterlippe, weil ich absolut nicht wusste, wie ich da jetzt anfangen sollte. *Angriff ist der beste Weg der Verteidigung*, dachte ich mir und beschloss jetzt einfach mit der Türe ins Haus zu fallen.

„Heute Morgen... Ist da irgendwas passiert, von dem ich wissen sollte?“, fragte ich vorsichtig nach und machte mich auf alles gefasst.

Langsam senkte Stefan das Buch und sah mich aus seinen braunen Augen eine Weile lang einfach nur an.

„Wäre es denn schlimm wenn?“, fragte er leise, so dass es außer mir keiner hören konnte.

Ok mit der Frage hatte ich jetzt nicht gerechnet und ich merkte, wie ich gewaltig aus der Bahn flog. „Heißt das jetzt ja oder heißt es nein oder wo ist da der Haken?*, fragte ich mich in Gedanken und stammelte irgendein unverständliches Zeug vor mich hin.

„Ich versteh schon“, seufzte Stefan leise und hob das Buch wieder an um weiter zu lesen. Er hielt das Buch, so dass ich sein Gesicht nicht mehr sehen konnte und es sah beinahe danach aus, als hätte er keine Lust mehr weiter darüber zu reden, aber so einfach ließ ich ihn jetzt nicht davon kommen.

Ich langte mit der Hand nach dem Buch und nahm es ihm einfach aus der Hand und legte es auf meinen Schoß.

„He jetzt weiß ich nicht mehr wo ich war“, beschwerte sich Stefan und langte nach dem Buch.

„Das ist mir aber egal“, meinte ich zu ihm und legte das Buch so hin, dass er nicht so schnell dran kam. „Ich will jetzt wissen, wie du das gerade eben gemeint hast.“

„Was meinst du?“

„Stefan du weißt ganz genau was ich meine.“

„Tut mir leid, aber ich kann dir gerade nicht folgen“, meinte Stefan und lehnte sich in seinem Sitz zurück und sah mich an.

„Ich spiele auf das 'wäre es schlimm wenn' an“, sagte ich zu ihm und drehte mich leicht in meinem Sitz, so dass ich ihn direkt anschauen konnte.

„Ja und?“

„Stefan“, kam es ein wenig quängelnd von mir, denn ich wollte jetzt endlich wissen was er damit gemeint hatte oder besser gesagt wie er es gemeint hatte.

„Wie wäre es, wenn du mir einfach genau sagst was du von mir wissen willst?“

Da wurde doch der Hund in der Pfanne verrückt. Stefan wusste doch hundertpro genau was ich von ihm wissen wollte. Warum bitte fing er jetzt an, hier um den heißen Brei herum zu reden? Warum wich er mir ständig aus? Meinte er es wirklich so wie er es gesagt hatte oder versuchte er mich jetzt gerade auf den Arm zu nehmen? So wie ich die Jungs erlebt hatte, traute ich ihnen nämlich mittlerweile echt alles zu.

„Na gut, wie du willst“, seufzte ich und verdrehte die Augen. „Erstens würde ich gerne wissen ob zwischen uns heute morgen etwas gelaufen ist und zweitens würde ich gerne wissen was du mit diesem Zitat gemeint hast. Bedeutet das, dass wenn nichts passiert ist, du nichts dagegen gehabt hättest, wenn etwas passiert wäre?“

So jetzt war es raus und auf den Punkt gebracht. Zumindest annähernd auf den Punkt gebracht. Aber immerhin so nahe dran, dass es schon peinlich genug war. Es gab einfach Dinge über die man nicht unbedingt reden sollte und das gehörte eindeutig dazu. Es war mir schon peinlich genug mich nicht mehr erinnern zu können, aber dann auch noch nachfragen zu müssen, ging gar nicht. Hätte er mit einem Ja oder Nein geantwortet, wäre alles in bester Ordnung gewesen, aber nein er musste ja aus einer einfachen Frage, ein Frage- und Antwortspielchen machen.

„Falls es dich beruhigt... Nein es ist nichts passiert“, kam es dann ruhig von Stefan, der seinen Blick aus dem Fenster gerichtet hatte. „Wir sind ins Bett und kaum lagst du drin, hast du auch schon geschlafen wie ein Stein. Du warst viel zu blau um irgendwas tun zu können. Du konntest ja nicht mal mehr geradeaus laufen.“

Ok damit war zumindest meine erste Frage beantwortet, während die zweite Frage noch immer auf eine Antwort wartete. Gerade die Antwort, die für mich im Moment die wichtigste war, blieb er mir schuldig.

„Und weiter?“

„Was weiter? War da noch was?“

„Oh ja da war noch eine Frage. Schon vergessen?“

Das durfte doch nicht wahr sein. Wollte er die Frage nicht beantworten oder konnte er mir die Frage nicht beantworten? War es ihm etwa peinlich oder warum wich er mir ständig aus.

„Also entweder du gibst mir jetzt eine Antwort oder....“

Langsam drehte sich Stefan wieder seinen Kopf zu mir und legte mir den Arm um die Schultern.

„Weißt du“, fing er an und sah für einen kurzen Moment auf den Boden ehe er mich wieder ansah. „Eigentlich wollte ich dich ja nur auf den Arm nehmen, aber woher sollte ich denn auch ahnen dass es dir sooo wichtig ist?“

Mit einem breiten Grinsen sah er mich an und würden wir nicht in einem Bus sitzen und würden sie ihn nicht noch brauchen, dann hätte ich ihn jetzt eigenhändig erwürgt.

„Du bist doch...“, rief ich aus, holte tief Luft und atmete ganz langsam wieder aus, während ich dabei auf 10 zählte.

„Ich bin was?“, fragte er lachend und sah mich aus seinen braunen Augen an.

„Du bist ein unverbesserlicher, aber verdammt liebenswerter Mistkerl“, kam es von mir, allerdings mit einem leisen Lachen. Hatte er es doch geschafft mich aufs Glatteis zu führen und da so geschickt, dass ich es nicht einmal gemerkt hatte.

Des Rätsels Lösung

„Raucherpause!“, rief Benedikt durch den Bus, als dieser die Autobahn verließ und eine Raststätte ansteuerte. Ein freudiges Aufstöhnen war aus verschiedenen Ecken des Busses zu hören und man merkte, dass einige sehr froh über diese Pause waren. Immerhin gab es ja doch einige Raucher im Bus und der Rest war einfach nur froh, sich mal die Beine vertreten zu können. Die Sitze waren zwar äußerst bequem, aber Bewegung war trotzdem nicht zu verachten. Nach und nach verließen alle den Bus und während die ersten nach ihren Kippen kramten, ging ich auf direktem Wege zu Max und blieb vor ihm stehen.

„Mitkommen“, meinte ich nur zu ihm und deutete auf eine Stelle von den anderen entfernt.

„Keine Lust“, kam es nur von Max, der in eine andere Richtung sah und mich scheinbar zu ignorieren vorhatte.

„Würdest du jetzt bitte mitkommen.“

„Ich sagte doch ich hab keine Lust.“

„Es ist mir egal ob du jetzt Lust dazu hast oder nicht, aber ich würde gerne verdammt nochmal wissen was mit dir los ist!“

„Was soll denn schon los sein?“

„Gerade das will ich ja jetzt gerne von dir wissen Max!“

„Wenn ich mitkomme, hörst du dann auf zu nerven?“, fragte Max und man sah ihm deutlich an, dass er ja mal so gar keine Lust hatte.

„Sobald ich meine Antwort hab kannst du tun und lassen was du willst. Es ist mir dann egal“, meinte ich, steckte die Hände in die Hosentasche und ging einfach in die Richtung in die ich eben gezeigt hatte. Entweder er würde mir folgen oder er würde es nicht tun. Wenn er es tat war es ok, wenn er es nicht tat, dann hatte ich wenigstens meine Beine vertreten.

Ich hörte dumpfe Schritte hinter mir und über die Schulter sah ich Max, wie er missmutig mir hinterher ging. *Na das kann ja heiter werden*, dachte ich mir und fragte mich wirklich, welche Laus ihm über die Leber gelaufen war. Bis zu der Sache vorher hatte er einwandfreie Laune gehabt und jetzt zog er eine Mine wie 7 Tage Regenwetter. Wie konnte sich eine Stimmung nur so schlagartig ändern?

Ich steuerte den Spielplatz an, der sich direkt neben der Raststätte befand und setzte mich dort auf eine der Schaukeln.

„Würdest du mir vielleicht mal bitte sagen, was mit dir los ist? Du hattest heute morgen so gute Laune gehabt und jetzt ziehst du eine Mine, das ist nicht mehr feierlich“, meinte ich zu Max, der sich mit dem Rücken an das Gestell lehnte und irgendwo in die Leere sah.

„Ja und?“, kam es nur von ihm, bevor er mit den Schultern zuckte.

„Ja und? Hast du sonst nichts anderes zu sagen als 'Ja und'?“

„Möglich.“

Ok so kamen wir eindeutig nicht weiter. Ich musste mir also etwas anderes einfallen lassen um Max zum reden zu bringen. Es musste einfach einen Weg geben. So stur konnte er doch auch wieder nicht sein.

„Also dann anders gefragt“, fing ich wieder an. „Hast du ein Problem damit, dass ich bei dir im Bett schlafen soll?“

„Sollte ich das?“

Ich verdrehte die Augen und atmete tief durch.

„Warum hast du dann von genau diesem Moment an diese beschissene schlechte Laune?“

Max drehte seinen Kopf zu mir und musterte mich langsam von oben nach unten.

„Und warum interessiert dich das überhaupt? Kann dir das nicht egal sein?“

„Verdammt nochmal es ist mir aber nicht egal!“

„Und warum nicht?“

„Weil ich das Gefühl hab dass ich der Grund für diese Laune ist und da ist es doch mein gutes Recht zu erfahren ob es auch so ist oder etwa nicht?“

„Macht es dir eigentlich Spaß dir an allem die Schuld zu geben?“

Ok, jetzt reichte es wirklich. Ich ließ mir vieles gefallen, aber das garantiert nicht. Was fiel dem eigentlich ein, mich hier so abblitzen zu lassen? Gut er wollte nicht reden, aber dann brauchte er mich garantiert nicht so herablassend zu behandeln. Ich stieg von der Schaukel und stellte mich direkt vor Max hin.

„Weißt du was Max? Lass deine verdammte Laune aus an wem du willst, aber nicht an mir. Gut dann hast du eben schlechte Laune, mir ist das sowas von egal. Ich hatte versucht dich zu fragen, weil ich dachte, wenn du mit jemanden darüber reden kannst, es dir danach besser gehen würde, aber scheinbar geht es dir am Allerwertesten vorbei wenn sich andere Menschen für dich interessieren. Dir reicht es doch, wenn sie dich anhimmeln und dir zu Füße liegen, aber darauf kannst du bei mir lange warten“, fuhr ich ihn an, drehte mich um und ging wütend davon. *Was fällt dem eigentlich ein?*, fragte ich mich in Gedanken und unterdrückte das Gefühl einfach einen Schrei los zu lassen.

„Perfekt! Abhauen wenn es schwierig wird. Da haben ja du und diese Jules etwas gemeinsam“, rief mir Max hinterher, was bewirkte dass ich stehen blieb und mich wieder zu ihm umdrehte.

„Wie war das gerade eben?“, fragte ich kühl und sah Max an.

„Du hast mich doch genau verstanden, also frag nicht so dumm nach.“

„Sag mal hast du heute morgen zu heiß gebadet oder was soll der Mist jetzt?“

Doch es war klar, dass von Max keine Antwort kommen würde. Er verschränkte seine Arme und sah noch sturer aus, als vorher schon. Ich schwankte zwischen ihn einfach stehen lassen und ihm noch weiter auf den Keks gehen. Im Endeffekt konnte es mir doch wirklich egal sein warum er schlechte Laune hatte, aber andererseits wollte ich es wirklich wissen. *Du wirst es bereuen*, warnte ich mich in Gedanken selbst, als ich wieder auf Max zuging und vor ihm stehen blieb.

„Was liegt dein verdammtes Problem?“, fragte ich ihn wieder und verschränkte nun ebenfalls meine Arme.

„Wo mein Problem liegt? Du willst wirklich wissen wo mein Problem liegt?“

„Gott verdammt ja oder meinst du ich stehe hier zum Spaß und lass mich von dir anpflaumen?“

Leise schnaubte Max auf und schnippte seinen Kippenstummel von sich weg.

„Es kotzt mich einfach nur an, dass jeder glaubt mich zu kennen... Glaubt zu wissen was ich mache, was ich nicht mache... Was ich denke oder was ich tun werde... Du kannst dir gar nicht vorstellen wie mir das auf den Geist geht“, kam es nun wesentlich ruhiger von ihm, bevor er sich auf eine der Schaukeln setzte.

Ein klein wenig verdattert sah ich ihn an. Mir lag schon eine Frage auf der Zunge, aber ich schluckte sie herunter und setzte mich einfach auf die andere Schaukel.

„Da hab ich mal ein paar Kommentare losgelassen und schon glauben alle das sei die Wahrheit. Kann ich nicht auch mal einen Spaß machen oder mal etwas übertreiben ohne dass jeder sofort denkt, das ist Fakt oder Tatsache? Meine Güte dann hatte ich eben schon viele Frauengeschichten ja und? Das heißt doch noch lange nicht, dass ich alles schnappe was nicht bei 3 auf den Bäumen ist oder?“

Mit fragendem Blick sah er mich von der Seite her an und dann wieder nach vorne auf den Parkplatz.

„Ich weiß ja dass das vorher von Per ein Spaß gewesen ist und er es nicht ernst gemeint hat. Wir foppen uns ja alle gerne einmal, aber irgendwann ist immer der Punkt erreicht wo man es nicht mehr hören kann“, erzählte er weiter und begann leicht hin und her zu schaukeln. „Seit der RTL-Sache gabs kaum einen Moment wo nicht irgendwer hinter mir hergelaufen ist, kaum einen Moment wo nicht irgendwer etwas von mir wissen wollte. Ich will doch einfach auch nur mal meine Ruhe haben ist das denn so schwer zu verstehen? Ich will einfach nur mal wieder einen Witz machen können ohne dass am nächsten Tag eine fette Schlagzeile in den Zeitungen zu lesen ist. Ja ich wusste was auf mich zukommen würde, aber trotzdem...“

Leise seufzte Max auf und nun war mir auch klar, warum er auf einmal so schlechte Laune hatte. Es tat mir irgendwie weh ihn so zu sehen und ich bereute es, ihm das Messer so auf die Brust gesetzt zu haben. Ich erhob mich von der Schaukel, stellte mich hinter Max und legte ihm von hinten die Arme um den Hals.

„Wenn ich könnte, ich würde dir sofort einen Teil des ganzen Stresses abnehmen“, meinte ich leise und legte mein Kinn auf seinen Kopf. „Die Leute die dich auf das reduzieren was du irgendwann mal gesagt hast, die sind es nicht wert dich kennen zu lernen, geschweige denn sind sie es wert dass man sich mit ihnen abgibt.“

Max legte seine Hände auf meine Arme und strich leicht mit den Fingern darüber.

„Danke für das Angebot, aber das möchte ich dir besser nicht antun“, meinte er leise und seufzte wieder auf.

„Ich hab breite Schultern und kann ziemlich stur sein wie du gerade mitbekommen hast“, meinte ich sanft und drückte ihn ein wenig an mich. „Ich glaube mit solchen Dummschwätzer hätte ich meine helle Freude. Einmal an mich geraten, würden sie wohl in Zukunft einen riesen Bogen um dich machen.“

Leise lachte Max auf und es tat unheimlich gut ihn lachen zu hören. Es hatte einfach in diesem Moment etwas unheimlich beruhigendes an sich.

„Zu schön um wahr zu sein“, meinte er und lachte wieder leise. „Aber es ist schön zu hören, dass es noch Menschen gibt, denen die ganzen Geschichten vollkommen egal sind und die sich für mich interessieren und nicht für das, was ich bin.“

„Denk immer daran, dass du die Wahrheit kennst und das ist das einzigste was zählt“, sagte ich wieder sanft, ließ ihn los und kam um die Schaukel herum, so dass ich ihm wieder ins Gesicht sehen konnte. Ich hielt ihm die Hand hin, um ihm aus der Schaukel zu helfen und sah ihn dann von unten herauf an.

„Würdest du mir einen klitzekleinen Gefallen tun?“, fragte ich ihn und ein Lächeln lag mir auf den Lippen.

„Sofern es in meiner Macht steht gerne“, antwortete er mir, aber man sah ihm an, dass er gespannt war, um was ich ihn jetzt bitten würde.

„Würdest du bitte die schlechte Laune wieder zurück in die Schublade stecken und wieder anfangen zu lächeln? Ein Lächeln steht dir nämlich wesentlich besser als dieses griesgrämige“, lachte ich leise und zwinkerte ihm zu.

Aber bevor mir Max eine Antwort gab, zog er mich erst einmal in seine Arme und drückte mich an sich.

„Ich bin froh dass wir dich mitgenommen haben“, flüsterte er leise und gab mir dann einen Kuss auf die Stirn.

Verlegen sah ich auf den Boden und fuhr mit meinem Blick die Nähte an meinen Chucks nach. Vermutlich war ich gerade so rot im Gesicht, dass die anderem am Bus noch sehen mussten. Zumindest fühlte sich mein Gesicht gerade danach an.

„Na komm sonst fahren die Anderen noch ohne uns los“, lachte Max, legte seinen Arm um meine Schultern und machte sich auf den Weg zurück zum Bus.

Vermutungen

„Wenn das mal nicht unsere 2 Turteltäubchen sind“, rief uns Per schon entgegen und hatte wieder einmal dieses breite Grinsen im Gesicht.

„Halte doch einfach mal die Klappe Per“, hörte man Julius sagen, der sich umdrehte und in den Bus stieg. Ein wenig verwundert sah ihm Per nach, zuckte mit den Schultern und stieg ebenfalls in den Bus. Verstand hier denn niemand mehr Spaß oder hatten alle so schlecht geschlafen?
 

„Siehst du? Das meinte ich“, seufzte Max und schüttelte seinen Kopf.

„Mach dir mal keine Gedanken, da fällt mir noch was ein“, meinte ich ich zu Max und mir würde noch etwas einfallen. Ich war bisher immer diejenige gewesen, die wenn ihr was angedichtet wurde, sie den Leuten auch allen Grund zum andichten gab. Mir musste nur noch einfallen was und wie ich es umsetzen konnte. Vorallendingen das Wie machte mir noch Sorgen. Es sollte ja etwas sein, was eindeutig war, aber doch wieder nicht so eindeutig, dass man zu extrem falschen Schlüssen kommen konnte. Nicht dass sich noch jemand vor den Kopf gestoßen fühlte und sich der Bus in eine Zone verwandelte, wo jeder den anderen anschwieg und wenn mal was gesagt werden musste, es in einem rauen Ton geschehen würde. Die Reise sollte ja Spaß machen und nicht in einem Chaos enden.
 

So nach und nach kehrten alle zurück in den Bus und suchten ihre Plätze auf. Bis nach Nürnberg war es noch ein gutes Stück Weg und man wollte ja auch irgendwann einmal ankommen. Ich setzte mich auf meinen Platz und schloss ein wenig die Augen, doch so wirklich lange war es nicht.

„Sag mal“, hörte ich Stefans Stimme neben mir und machte die Augen auf. „Was läuft eigentlich zwischen dir und Max?“

„Zwischen mir und Max?“

„Ja genau.“

Mit einem verwirrten Blick sah ich Stefan an. Warum interessierte ihn das und warum fragte er mich das ausgerechnet jetzt? Erst die Frage vorher und jetzt auch noch diese Frage. So langsam kam mir die Sache spanisch vor.

„Wieso glaubt eigentlich jeder hier, dass zwischen uns irgendwas im Busch wäre?“, fragte ich zurück und sah Stefan an. „Erst die dummen Kommentare von Per, jetzt fragst du auch noch nach. Kann man sich eigentlich nicht einfach nur mal gut verstehen?“

„Gut verstehen sieht aber anders aus“, kam es von Stefan, der seine Aufmerksamkeit wieder seinem Buch widmete. Zumindest hatte er es vor.

„Ach und nach was sieht es denn dann aus?“, hakte ich nach und hatte nicht vor ihn jetzt damit aus der Sache rauskommen zu lassen.

„Zumindest nicht nach Freundschaft“, meinte Stefan ein winzig kleines bisschen trotzig und sah weiter stur in sein Buch.

„Oh, dann sollte ich vielleicht die Urlaubsache überdenken“, sagte ich ruhig, denn mir war da gerade was in den Sinn gekommen.

„Wie meinst du das jetzt?“, fragte Stefan und senkte sein Buch.

„Na denk mal scharf nach. Wenn das für dich schon mehr ist als nur Freundschaft, dann müssten wir ja im Urlaub eine Affäre gehabt haben“, sprach ich ruhig und verschränkte die Arme hinter meinem Kopf. „Oder siehst du das, deiner Definition nach, anders?“

Ich sah Stefan leicht von der Seite her an, der in diesem Moment reichlich nachdenklich aussah. Vermutlich war er gerade am überlegen ob ich jetzt recht hatte oder nicht. Es gab bis auf die Fahrt zu mir, keinen Punkt an dem nicht irgendjemand bei mir und Max dabeigewesen war, also genug Zeit für jeden alles zu beobachten und was es da zu sehen gab, sah ja nun mal garantiert nicht danach aus, als würde etwas zwischen uns laufen oder gelaufen sein.

„Wenn so wäre wie hier alle im Bus scheinbar glauben, dann sehe das sehr viel anders aus. Glaub mir“, fügte ich noch hinzu und schloss dann wieder meine Augen. Vielleicht schaffte ich es ja noch, ein wenig zu schlafen bis wir in Nürnberg ankommen würde. Vorausgesetzt natürlich, man würde mich auch schlafen lassen. Aber ich war guter Dinge, denn es sahen alle aus, als könnten sie eine Mütze voll Schlaf gut gebrauchen. Zumindest einer war schon am schlafen, wenn man das leise Schnarchen als Indiz verwenden wollte.

Gute Nacht

„Aufwachen!“, rief Benedikt durch den Bus und bekam nur ein Murren als Antwort und das aus allen Ecken wohl gleichzeitig. „Hättet ihr gestern nicht so lange gefeiert, dann würde es euch jetzt besser gehen.“ Oh nein er hatte garantiert kein Mitleid mit ihnen. Er hatte ihnen schon oft genug gesagt sie sollen nicht so lange feiern, aber wer nicht hören wollte, der musste eben bekanntlicherweise fühlen. Es gab nun mal einen Zeitplan und den galt es einzuhalten. Da konnte man keine Rücksicht auf jemanden nehmen, nur weil er zu tief ins Glas geschaut hatte. Andererseits hatte es immer seine Vorteile wenn sie zu tief ins Glas geschaut hatten, sie verhielten sich auf der Fahrt sehr ruhig. Man hörte nichts von ihnen, man sah nichts von ihnen und vor allem hörte man kein Gemurre oder Geflehe nach einer Raucherpause. Sie hatten ja nicht einmal mitbekommen, dass es zwischendurch eine weitere gegeben hatte. Alle hatten friedlich geschlafen und so waren sie doch noch immer die liebsten.
 

„Ist ja schon gut“, seufzte Per und kroch aus seinem Sitz. Er bekam die Augen kaum auf und seine Haare standen ihm in alle Richtungen vom Kopf ab. Allerdings sah der Rest auch nicht wesentlich besser aus. Vermutlich sahen alle bescheiden aus, aber so wirklich Ruhe zum aufwachen, ließ uns Benedikt nicht gerade.

„In 10 Minuten will ich euch alle vor dem Bus sehen klar?“, meinte er nur kurz und verschwand dann aus dem Bus um seinen Pflichten nach zu gehen.

„Sklaventreiber“, hörte ich jemanden murmeln, aber es war nicht genau erkennbar, von wem dieses Kommentar gekommen war.
 

Ich fuhr mir mit den Händen übers Gesicht und anschließend durch die Haare. Normalerweise würde ich jetzt wohl daheim auf meinem Sofa liegen und TV schauen oder meine Nase in ein gutes Buch stecken, aber stattdessen saß ich in einem Bus, zusammen mit einer Band und hatte noch immer keine Ahnung, was da auf mich noch alles zukommen würde. Bis jetzt hielt es sich ja noch in Grenzen, aber das war gerade mal der erste von 7 Tagen. Also noch genug Zeit für das Schicksal mich so richtig rund laufen zu lassen.
 

So nach und nach krochen alle aus ihren Sitzen und versammelten sich mehr oder weniger munter vor dem Bus. Im ersten Moment wusste ich jetzt nicht ob das auch für mich gegolten hat oder nicht, aber im Bus wollte ich auch nicht alleine sitzen. Mitgefangen war eben mitgehangen. Entweder ich zog das gleiche Programm durch wie die Jungs oder aber ich hätte auch daheim bleiben können. Nein eine Extrawurst wollte ich garantiert nicht haben, auch wenn es bedeutete mit Brumschädel und eindeutig zu wenig Schlaf so zu tun, als sei man topfit.
 

Ein paar Stunden später, nachdem alles erledigt war und der Plan für den nächsten Tag noch einmal genau durchgesprochen worden war, hieß es dann Freizeit. Wobei, wenn man sich jeden mal genauer ansah, wohl jeder das Gleiche vorhatte – Schlafen!

So geschah es dann auch, dass es recht schnell ruhig im Bus wurde.
 

Im ersten Moment war es ein wenig seltsam gewesen, mit den ganzen Jungs in einem Bus zu schlafen, aber es war ja nicht so, dass sie die ersten Jungs waren die in Boxershorts vor mir herumgelaufen waren. Trotzdem war es doch noch ein wenig etwas anderes.

Ich zog mir die Decke bis zur Nasenspitze und drehte mich auf die Seite. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen konnte man die Sterne am Himmel sehen und ein paar Äste die sich in dem leichten Wind hin und her bewegten. Ich schloss die Augen, als mich etwas vorsichtig an der Schulter berührte.

„Andrea?“, flüsterte Max leise und stupste mich nochmals an der Schulter an.

„Hm?“, murmelte ich müde und fragte mich, was er denn jetzt noch von mir wollte.

„Darf ich dich was fragen?“

Ich machte die Augen auf und drehte meinen Kopf zu ihm nach hinten.

„Ja sicher“, meinte ich nur leise und war ein wenig verwundert.

Max senkte leicht seinen Blick und man bekam für einen winzigen Augenblick das Gefühl, er wäre ein wenig rot im Gesicht geworden. *Müdigkeitshalluzinationen*, erklärte ich mir das Ganze dann selbst, denn beim zweiten hinsehen war alles wieder beim alten.

„Dürfte ich vielleicht...“, kam es leise von Max der mit der Hand etwas andeutete, das wie eine Umarmung aussah. „Nur so zum einschlafen?“

Er sah in diesem Moment so niedlich aus, beinahe peinlich berührt, dass ich gar nicht anders konnte als zu nicken.

„Na komm her“, meinte ich leise und mit einem Lächeln. Ich rutschte ein wenig zu ihm hin, legte meinen Arm auf seinen Oberkörper und meinen Kopf auf seine Schulter.

Max zog mich noch ein wenig näher an sich heran und gab mir einen kleinen Kuss auf den Kopf.

„Schlaf gut“, flüsterte er leise. „Ich....“

Doch das was er noch sagte, bekam ich nicht mehr mit, da ich genau in diesem Moment das Land der Träume betrat.

Faux Pa

„Einen wunderschönen guten Morgen“, hallte Benedikts Stimme durch den Bus und schon kam auch das erste Kissen in seine Richtung geflogen.

„Ruhe!“

„Moah nicht schon wieder!“

„Noch 5 Minuten!“

„Raus!“

Hörte man es nur aus den verschiedenen Kojen und mir wurde klar, dass sich in diesem Bus wohl durch die Bank weg nur Morgenmuffel befanden. Aber da war ich ja in bester Gesellschaft, denn ich war auch nicht anders. Es gab nichts schlimmeres, wenn man von einem so gutgelaunten Menschen geweckt wurde und der dazu auch noch keinerlei Rücksicht nahm.

„Sind die zwei nicht süß“, hörte man Per lachen und ich schnappte mir das Kissen und warf es in seine Richtung.

„Per du bist ja nur neidisch“, rief ich ihm zu und kuschelte mich demonstrativ noch näher an Max heran. Sollten doch alle glauben was sie wollten und wenn sie es schon glauben wollten, dann sollten sie von mir aus auch einen Grund bekommen.

„Hat es dir heute Nacht gefallen?“, fragte mich Max ruhig und zwinkerte mir zu, aber so, dass es sonst niemand sehen konnte.

Ich richtete mich leicht auf und stützte mich mit dem Unterarm auf dem Bett ab.

„Du warst einsame Spitze gewesen Max“, meinte ich ruhig und gab Max einen Kuss auf die Nasenspitze. „Ich freue mich schon auf die nächste Nacht.“

Aus den Augenwinkel heraus sah ich 4 Augenpaare die alle den gleichen unglaublich dümmlichen Blick drauf hatten. Man konnte genau sehen, dass es in ihren Köpfen am arbeiten war. Stimmte das jetzt was wir gesagt hatten oder wurden sie gerade auf den Arm genommen?

„Sag mal habt ihr nichts anderes zu tun als andere beim wach werden zu beobachten?“, fragte Max lachend und setzte sich im Bett auf.

„Nicht wenn es sich dabei um euch zwei handelt“, meinte Per grinsend und schnappte sich seine Klamotten.

„Genau das muss man besonders aufpassen“, kam es jetzt auch noch von Tim, der sich bisher herausgehalten hatte.

Während Max die Hände über seinem Kopf zusammenschlug, so ließ ich mich wieder rücklings in die Kissen fallen. Das konnte doch echt nicht wahr sein. Denen ging es einfach viel zu gut und konnten sie mit ihren Foppereien nicht bis nach dem aufstehen warten? Musste es denn schon so früh wieder los gehen?
 

„Frühstück in 15 Minuten“, rief Benedikt von draußen in den Bus und verschwand dann auch schon wieder.
 

Die Nachricht über Frühstück brachte dann doch Bewegung in die Bande und so nach und nach verließ einer nach dem anderen den Bus.

„Welch Ruhe“, seufzte ich auf, nachdem wirklich alle den Bus verlassen hatten. Ich schlug die Decke beiseite und kroch aus dem Bett. Dort war es so kuschelig warm gewesen, dass man eigentlich gar keine große Lust hatte, es wieder zu verlassen. Aber Frühstück klang eben doch viel zu verlockend. Wenn ich so nachdachte, hatte ich gestern nichts gegessen gehabt und kaum war der Gedanke auch zu Ende gedacht, so meldete sich auch schon mein Magen zu Wort. *Ok ich steh ja schon auf*, sagte ich in Gedanken zu meinem Magen und stand auf. Ich streckte mich erst einmal ausgiebig und überlegte dann, wo ich gestern meine Sachen hin verstaut hatte. Die Jeanshose lag noch da, wo ich sie gestern hingelegt hatte, aber wo bitte war mein T-Shirt hinverschwunden?

„Das darf doch nicht wahr sein?“, fluchte ich leise und kratzte mich nachdenklich am Hinterkopf. Irgendwo musste es doch liegen, aber ich konnte ja schlecht die ganze Zeit in Unterwäsche hier im Gang stehen. Also zog ich mir einfach mal meine Jeanshose an und überlegte dann weiter wo mein T-Shirt hingekommen sein könnte.

„Mist verdammter“, fluchte ich wieder leise und sah unter dem Kopfkissen nach, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie es dort hätte hinkommen können.

„Kommst du dann auch zum Frühstück“, hörte ich eine Stimme hinter mir und drehte mich aus Macht der Gewohnheit um.

„Ja ich komm gleich“, meinte ich zu Max und zog leicht die Augenbraue nach oben, als das Grinsen auf seinem Gesicht von Sekunde zu Sekunde breiter wurde.

„Is was?“, fragte ich nach und verstand jetzt wirklich nicht, was es da zum grinsen gab.

„Also der gefällt mir ja beinahe noch besser, als der kleine Schwarze“, kam es lachend von Max und ich spürte nur noch wie mir die Röte heiß ins Gesicht schoss. *Boah ist das peinlich!*, ging es mir nur noch durch den Kopf, aber jetzt war es so oder so schon zu spät. *War ja wieder mal klar, dass sowas auch nur mir passieren kann*, seufzte ich in Gedanken, war aber so damit beschäftigt mich über diesen Faux Pa aufzuregen, dass ich gar nicht auf die Idee kam, mich wieder um zu drehen.
 

„Habt ihr es....“, hörte man Stefans Stimme, der jedoch mitten im Satz abbrach und uns anstarrte. Er schloss die Augen, machte sie wieder auf, blinzelte ein paar Mal und schüttelte seinen Kopf. Dann drehte er sich wortlos wieder um und verließ den Bus ohne noch etwas zu sagen.
 

Ich ließ mich auf die Bettkante sinken und seufzte leise auf. Das hatte jetzt gerade noch gefehlt. Zwar wusste ich jetzt wo mein T-Shirt hingekommen war, aber mir wäre eine andere Art und Weise dann doch sehr viel lieber gewesen.

„Damn it!“, fluchte ich laut und hätte jetzt am liebsten irgendwo dagegen getreten. Aber so wäre das Problem auch nicht aus der Welt geschafft und dass es ein Problem war, das hatte man deutlich sehen können.

„Hier nimm das und überlass den Rest mir“, meinte Max zu mir und war auch schon aus dem Bus verschwunden.
 

„Na hoffentlich geht das gut“, seufzte ich leise und drehte das T-Shirt in meinen Händen. So hatte ich mir den ersten Morgen garantiert nicht vorgestellt. Warum musste Stefan auch nur ausgerechnet in diesem verfluchten Moment in den Bus kommen und warum nur musste hier sofort jeder von dem Schlimmsten ausgehen? Machten wir denn wirklich so sehr den Eindruck dass da was im Busch war? Verhielt ich mich denn wirklich so, dass man zu gar keinem anderen Schluss kommen konnte? Ich zog mir das Shirt über den Kopf, in welches ich locker 2 mal hineingepasst hätte, aber ich fühlte mich noch immer so, als würde ich nackt durch die Gegend rennen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen mit zu kommen und sicherlich wäre es für alle besser gewesen, wenn ich abgelehnt und einfach nach Hause gefahren wäre. Im Moment sorgte ich doch so oder so nur für Unfriede und Ärger und das konnten sie wohl am allerwenigsten gebrauchen. Sie waren Freunde und das sollten sie gefälligst auch bleiben, aber aktuell schien es eher so, als würde ich einen Keil zwischen sie treiben, wenn auch nur unbewusst. Gestern war es mir noch nicht so wirklich aufgefallen, aber jetzt sprang es mir ja geradezu ins Gesicht. Erst die Sticheleien bei Stefan in der Küche, dann die Sticheleien von Per auf dem Parkplatz, die seltsame Frage von Stefan und jetzt auch noch das. Das konnte doch früher oder später nur zu Ärger führen und jetzt war wohl das eingetreten, was nicht hätte eintreten sollen. Es sah alles nach Streit aus.

Der Hunger war mir gründlich vergangen und am liebsten würde ich mich jetzt in den nächsten Zug setzen und nach Hause fahren. Einfach abhauen und allen somit weiteren Ärger ersparen. Vermutlich wären sie auch sehr froh drüber wenn ich wieder verschwand und bereuten schon mir den Vorschlag überhaupt gemacht zu haben. Wer hatte schon große Lust jemanden um sich zu haben, der nur für Stress sorgte. Ich erhob mich von dem Bett und suchte so langsam meine Sachen zusammen, nicht dass noch etwas von mir liegen blieb.

Rätselraten

„Kommst du auch frühstü... Ähm Stop!Was machst du da?“, hörte ich Tim fragend und zuckte mit den Schultern.

„Nach was siehts denn aus?“, meinte ich leise und suchte weiter meine Sachen zusammen und legte sie fein säuberlich auf einen Haufen.

„Es sieht danach aus als ob vorhast zu packen“, meinte Tim und sah mich von der Seite her an.

„Gut kombiniert“, sagte ich nur und überlegte kurz, ob ich nicht noch etwas vergessen hatte.

„Wärst du vielleicht mal so freundlich mir zu erklären was das jetzt bitte soll?“

„Ist doch egal oder?“, kam es nur leise von mir, ehe ich mich wieder auf die Bettkante setzte. „Eh schon zu spät.“

Tim setzte sich neben mir auf das Bett und sah mich fragendem Blick an, ehe er mir aufmunternd gegen die Schulter knuffte.

„Willst du mir nicht sagen was passiert ist?“

„Was soll schon passiert sein?“

„Wenn erst Stefan aus dem Bus gestürmt kommt, Max ihm direkt auf den Fersen, du hier stehst und packst, dann kann es gar nicht anders sein. Ohne Grund passiert sowas nicht“, sprach er ruhig und versuchte mir in die Augen zu sehen.

Mit den Händen fuhr ich mir über das Gesicht und zuckte leicht mit den Schultern.

„Der Grund allen Übels sitzt neben dir“, meinte ich leise und versuchte zu lächeln, was aber gewaltig daneben ging.

„Das halte ich für ein Gerücht.“

„Es ist aber so“, sagte ich etwas energischer als gewollt und sah Tim aber gleich darauf wieder entschuldigend an. Er konnte ja nun wirklich nichts dafür. „Ich hab vorher mein T-Shirt gesucht, bin im BH dagestanden und Max kam rein. Im ersten Moment hab ich das nicht so wirklich realisiert dass ich kein T-Shirt anhab und mich nicht umgedreht. Aber als das nicht schon peinlich genug wäre, stand auf einem Stefan im Bus. Er hat uns nur angeschaut, sich umgedreht und verschwunden. Es war eine verdammt dumme Situation gewesen und die muss er in den falschen Hals bekommen haben. Max ist ihm hinterher und versucht das wohl zu klären, aber ich halte es für besser zu gehen, dann kann sowas bestimmt kein zweites Mal passieren.“

„Ich bin anderer Meinung“, kam es nur ruhig von Tim, der sich nach hinten gelehnt hatte und sich mit den Armen auf dem Bett abstützte.

„Was meinst du damit?“

„Ich finde zu gehen, ist jetzt genau das, was du nicht tun solltest.“

„Und warum nicht? Ich sorge doch nur für Unruhe und wenn ich nicht mehr da bin, dann gibt’s auch keinen Grund für Missverständnisse mehr. Ist das so schwer zu verstehen?“

„Du glaubst also wirklich, dass sich alles in Luft auflöst wenn du nicht mehr da bist?“

„Ja das glaube ich.“

„Das tust du nicht und ich sehe es dir an“, meinte Tim wieder nur ruhig und gerade diese Ruhe machte mich beinahe verrückt. Wie konnte er da so ruhig bleiben, wenn 2 Freunde von ihm gerade dabei waren, sich zu verzoffen? War das schon wieder dieses 'Wenn 2 sich streiten, freut sich der dritte' Prinzip? „Du zweifelst doch selbst daran ob es richtig ist zu gehen oder nicht.“

„Warum so sicher?“

„Wenn du dir sicher wärst, dann wärst du schon lange weg.“

Ok, das war wohl ein Punkt für ihn. Ja er hatte wohl recht und ich zweifelte wirklich daran. Wenn ich hätte wollen, dann hätte ich in wenigen Minuten gepackt gehabt und niemand hätte etwas mitbekommen. Sie hätten vielleicht beim Frühstück gemerkt dass ich fehlte, wenn ich nicht auftauchte, aber dann wäre ich schon gegangen gewesen und zurück wäre ich sicherlich auch nicht mehr gekommen.

„Ich weiß einfach nicht was ich machen soll“, seufzte ich leise und legte meinen Kopf in meine Hände. „Pers Kommentare verursachen bei Max schlechte Laune, wenn ich mit Max lache dann bekommt Stefan schlechte Laune, unterhalte ich mich mit dir, passt es keinem von beiden.... Das alles macht mich verrückt, weil ich einfach nicht weiß wie ich es ihnen recht machen kann. Egal was ich mache, egal wie ich es mache, es ist grundsätzlich das falsche.“

„Vielleicht solltest du einfach mal mit beiden reden?“, schlug Tim vor und zuckte mit dem Schultern. So auf Anhieb fiel ihm auch nichts besseres ein.

„Und wie soll ich das anstellen? Ich weiß doch nicht einmal ob man mir dann die Wahrheit sagt“, seufzte ich auf und wagte wirklich an der Funktionalität zu zweifeln. Ich hatte Stefan ja schon gefragt gehabt und er hatte mir eine Antwort gegeben. So richtig hatte ich ihm diese zwar nicht abgenommen, aber ich konnte ihn ja wohl auch schlecht in die Ecke drängen und so lange mit Fragen bombardieren, bis er aufgab und mir die Wahrheit sagte.

„Mir scheint es, als wäre beide auf den anderen eifersüchtig“, lachte Tim leise und mit fragendem Blick sah ich ihn an. Wie zum Henker hatte er das jetzt bitte gemeint? Ich hoffte doch nicht so, wie es sich angehört hatte.

„Eifersüchtig?“, hakte ich doch ziemlich daran zweifelnd nach und war versucht ihm dafür den Vogel zu zeigen.

„Ja eifersüchtig“, wiederholte Tim seine Aussage und setzte sich wieder aufrecht hin. „Ich meine Stefan passt es nicht wenn du so mit Max zusammen hängst und Max passt es nicht, wenn du mit anderen zusammen hängst. Was liegt da schon näher als das?“

„Aber es hat doch keiner von beiden einen Grund dazu!“, widersprach ich Tim ein weiteres Mal, denn das wollte mir einfach nicht in meinen Kopf.

„Das glaubst du vielleicht, aber sehen sie das genauso?“

„Willst du damit irgendetwas andeuten Tim?“, hakte ich nach, denn so wie er redete, konnte man fast auf die Idee kommen, er wusste mehr als er zugab.

Abwehrend hob Tim die Hände und schüttelte seinen Kopf.

„Ich weiß auch nicht mehr als du. Nicht dass du da jetzt denkst mir hätte einer was ins Ohr geflüstert!“

„Hat sich aber gerade danach angehört.“

„Ich meine du und Stefan, ihr habt euch doch im Urlaub damals kennengelernt richtig? Ich weiß ja nicht was damals passiert ist und es geht mich auch nichts an, aber vielleicht hat es ja damit zu tun? Und bei Max... Vielleicht ist bei ihm auch der Urlaub ein Grund“, versuchte Tim da einen Grund zu finden, der das seltsame Verhalten der Beiden erklären könnte.

„Es ist ja damals nichts passiert, das ist es ja“, seufzte ich und sah Tim an. „Das war ja auch das erste was mir in den Sinn gekommen ist. Aber egal wie ich es drehe und wende, mir tut sich da nichts auf.“

Tim neigte leicht seinen Kopf und hatte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. Es war wirklich lieb dass er sich da jetzt Gedanken machte, aber gerade das sollte er eigentlich nicht tun. Es war nicht sein Problem sondern meines und es lag an mir, dieses Problem aus der Welt zu schaffen.

„Ok, aber das weißt du, das was ich und das weiß Stefan. Vorausgesetzt er hat das damals genauso empfunden wie du“, meinte Tim zu mir. „Aber das kann Max ja nicht wissen oder hast du ihm erzählt was damals war? Und ich meine mit allem drum und dran?“

Ich war der Meinung es Max erzählt zu haben, ja ich war mir sogar ziemlich sicher dass ich es ihm erzählt hatte, aber ob ich ihm auch wirklich alles erzählt hatte, da war ich mir alles andere als sicher. Bestimmt gab es da das eine oder andere Detail dass ich ihm unterschlagen hatte, weil ich einfach der Meinung war, dass es ihn nichts angehen würde, aber das konnte doch nicht zu so einem Verhalten führen.

Leise seufzte ich auf und schüttelte den Kopf.

„So macht das keinen Sinn Tim“, sagte ich und erhob mich von der Bettkante. „Wir können nicht mehr als Vermutungen anstellen und machen uns gerade beide deswegen verrückt und so wie ich mein Schicksal kenne, wartet es mit einer ganz simplen Lösung auf mich. Sie liegt vermutlich direkt vor meiner Nase und ich bin zu blöde sie zu sehen.“

„Und was willst du jetzt machen?“, fragte Tim und stand ebenfalls auf. „Einfach abhauen oder die Lösung versuchen zu finden?“

„Hm... Gute Frage“, murmelte ich, denn eine Entscheidung zu fällen war in diesem Moment alles andere als einfach. „Haue ich ab, dann sind beide sauer. Nicht nur auf mich, sondern wohl auch noch aufeinander, weil jeder denkt, der andere trage die Schuld dass ich gegangen bin. Bleibe ich, besteht immerhin eine kleine Chance, das ganze aufzuklären. Also werde ich wohl bleiben. Aber wenn es nicht besser wird, dann...“

Ich brauchte nicht weiter reden, denn was ich dann tun würde, war uns beiden klar. Sollte sich keine Lösung finden lassen, dann war es wohl besser zu gehen und zu sagen warum ich mich dafür entschieden hatte. Somit würden beide noch eine Chance erhalten, ihr Verhalten zu erklären, sollten sie mir nicht irgendwann einmal die Wahrheit sagen.

„Siehst du... Wenn man mal darüber geredet hat, dann sieht die Welt gleich nicht mehr so finster aus“, lächelte Tim und riss damit die Vorhänge beiseite, so dass Sonnenlicht das Innere des Busses durchflutete. „Und nach einer Tasse Kaffee und einem leckeren Frühstück gleich zweimal nicht. Also komm. Glaub mir die Beiden sitzen bestimmt schon am Tisch und schlagen sich den Bauch voll.“

Ich glaubte ihm viel, aber das garantiert nicht. Aber mir blieb nichts anderes übrig, als es auf mich zukommen zu lassen. Also nickte ich mit dem Kopf und folgte Tim einfach mal, denn ich hatte so oder so keine Ahnung wo gefrühstückt wurde und Kaffee war auch noch keiner zu riechen.

Tagesplanung

Mit den Händen in den Hosentaschen ging ich hinter Tim her und fragte mich, ob Max es wirklich geschafft hatte Stefan die Situation zu erklären. Wenn es einer konnte, dann wohl er. Ein Gespräch von Mann zu Mann war eben doch noch etwas anderes, als wenn ich es versuchte. Mir wäre er vermutlich so oder so ständig ausgewichen.
 

„Habe ich es dir nicht gesagt“, meinte Tim zu mir und deutete auf Max und Stefan, die tatsächlich bereits am Tisch saßen.

Ich sah die beiden an und schüttelte den Kopf. Das ging ja schneller als erwartet, vorausgesetzt sie hatten das Problem auch wirklich aus der Welt geschafft und nicht einfach nur unter den Teppich gekehrt.
 

Per hob seinen Kopf, als er Schritte hörte und sah erst Tim und dann mich an. Im beinahe dem gleichen Augenblick prustete er auch schon los und der Kakao verteilte sich über den Tisch.

„Boah Per du Sau!“, rief Julius, an dem das Ganze haarscharf vorbeigegangen war. „Was soll denn das?“

Doch Per war so am lachen, dass er es nicht schaffte auch nur ein Wort heraus zu bringen. Also deutete er nur mit dem Finger auf mich und es war ja klar was passierte. Der komplette Tisch richtete seinen Blick auf mich und wenn ich hätte können, hätte ich mich im nächsten Mauseloch verkrochen.
 

„Ist das T-Shirt nicht ein klein wenig zu groß“, fragte Benedikt und man merkte, dass er sich ebenfalls ein Lachen verkneifen musste.

Ok ich sah also zum schießen aus, aber was hätte ich machen sollen? Etwa ohne T-Shirt aus dem Bus steigen und im Laderaum nach meiner Tasche suchen? Dann wäre das Theater wohl noch größer gewesen.

„Oder wars im Bett so heiß, dass du geschrumpft bist?“, fragte Ingo lachend, der dafür einen bösen Seitenblick von Max kassierte.

„Oder gabs das im Doppelpack billiger, weil Max hat auch so eines“, kam es nun von Julius der genauso am feixen war, wie alle anderen.
 

„Ja, ja... Macht euch nur über mich lustig“, seufzte ich und ließ mich auf einen freien Platz sinken. „Mein T-Shirt ist heute morgen auf unerklärliche Weise verschwunden, auch wenn ich es mittlerweile entdeckt hab, aber ich konnte ja wohl schlecht ohne zum Frühstück erscheinen oder?“

Ja ich hatte mein T-Shirt entdeckt und es saß mir genau gegenüber oder besser gesagt die Person die es trug saß mir genau gegenüber – Stefan. So wie es schien, hatte er heute morgen im Halbschlaf das falsche Shirt erwischt und nicht weiter darüber nachgedacht und es einfach angezogen. Kein Wunder hatte ich es nicht finden können.
 

„Mich hätte das nicht gestört“, grinste Per und sah in die Runde. „Oder etwa euch? Apetittanregung ist immer gut.“

„Per? Kannst du nicht mal was essen damit du die Klappe hältst?“, meinte ich augenverdrehend von ihm und suchte nach dem Kaffee. Ich roch ihn, also musste er doch irgendwo sein. Doch ich brauchte nicht lange suchen, denn auf einmal stand die Kanne direkt vor meiner Nase.

„Die hast du doch gesucht oder?“, kam es mit einem kleinen Lächeln von Stefan und erleichtert nickte ich mit dem Kopf. Nicht etwa wegen des Kaffees, sondern wegen dem Lächeln, welches auf Stefans Lippen lag. Es schien wirklich sehr danach, als wäre das Missverständnis von heute Morgen aufgelöst, auch wenn ich es natürlich nicht sicher wusste. Aber wenn er immer noch sauer auf mich war, dann hätte er garantiert nicht gelächelt, so viel stand fest.

„Der Tag ist gerettet“, sagte ich schmunzelnd und schenkte mir eine Tasse ein. Nach einem großen Schluck, ging es mir schon wesentlich besser und auch der Hunger kehrte so langsam zurück. Aber es war auch unheimlich schwer an diesem Tisch zu sitzen und keinen Hunger zu bekommen. Es sah alles so lecker aus, dass man gar nicht wusste, was man sich zuerst nehmen sollte. Bei so einer schweren Entscheidung blieb einem eigentlich nur eines übrig – Durchtesten. Einfach mal von allem probieren und das was am besten schmeckte, davon einen Nachschlag holen.
 

„So da wir jetzt alle vollständig sind, werde ich mal kurz erläutern wie der Tag heute aussehen wird“, sprach Benedikt ruhig und nutzte die Chance der gefrässigen Stille. „Um 4 Uhr ist Soundcheck angesetzt, bedeutet ihr solltet spätestens um 3 Uhr wieder hier sein, solltet ihr vorhaben los zu ziehen. Wer da bleibt sollte seinen Wecker auf 2 Uhr stellen, damit er um 3 auf den Beinen ist.“

„War das etwa eine Anspielung?“, fragte Per grinsend und sah zu Benedikt, der nur still vor sich hin schmunzelte.

„Soundcheck wird ungefähr um 5 Uhr beendet sein, wenn alles gut läuft“, erklärte Benedikt weiter und schenkte sich nebenher einen neuen Kaffee ein. „Während die Vorband ihren Soundcheck hat, steht für euch was zum essen bereit für denjenigen der Hunger hat. Für 6 Uhr ist das Meet&Greet angesetzt, also bitte vergesst nicht, auch da zu sein. Hat das jeder verstanden oder gibt es jemand, dem ich das nochmals genauer erklären muss?“

Fragend sah er in die Runde, doch es schüttelten alle den Kopf, somit hatte wohl jeder verstanden was geplant war. Sogar mir war es klar geworden, dass es ein ziemlich durchgeplanter Tag sein würde, aber ohne Planung ging wohl gar nichts. Es würde alles im Chaos enden und genau das sollte ja nicht passieren. Im Moment wusste ich nur noch nicht, was ich tun sollte. Sollte ich die Möglichkeit nutzen mich nochmals aufs Ohr zu hauen oder sollte ich ein wenig die Stadt unsicher machen? Ich war zwar schon einmal in Nürnberg, aber das war mitten in der Nacht gewesen und da hatte man nicht gerade viel von der Stadt mitbekommen. Aber das konnte ich ja heute ändern. Andererseits wäre eine Mütze voll Schlaf auch nicht zu verachten. Nicht dass ich heute Abend da stand und Streichhölzer oder eine Extraladung Kaffee benötigte.
 

„Kommst du mit?“, kam es plötzlich von Stefan und mit fragenden Blick sah ich ihn an.

„Wie jetzt?“, meinte ich, denn ich hatte nicht mitbekommen über was sie sich gerade unterhalten hatten.

„Sie kommt mit“, meinte Max dann grinsend, was mich nur noch mehr verwirrte.

„Denke ich mal auch“, sprach nun auch noch Tim, gefolgt von einem „Hundertpro“ von Per.

Aber um das ganze noch perfekt zu machen, kam nun auch noch ein „Würde mich wundern wenn nicht“, von Julius.

Ich hob beide Hände und versuchte alle zum schweigen zu bringen.

„So jetzt noch einmal langsam für die Begriffsstutzigen am Tisch“, bat ich die Jungs mir das Ganze erneut zu erklären. Aber anstatt einer Antwort kam nur ein Lachen aus allen Ecken.

„Ja lacht ruhig über mich, bin es ja schon gewohnt, aber ich weiß so leider immer noch nicht was ihr eigentlich von mir wollt“, meinte ich zu ihnen und wollte endlich eine Antwort haben.

„Sicher dass du das wissen willst?“, fragte Per und versuchte einen ernsten Blick zu machen. „Also ich würde es nicht wissen wollen.“

„Ich auch nicht.“

„Und ich erst recht nicht.“

Ich verdrehte die Augen und atmete tief durch. Dann trank ich einen Schluck Kaffee um mich zu beruhigen. Konnten sie denn nicht einmal, nur ein einziges Mal, aufhören mich bei jeder Gelegenheit auf den Arm zu nehmen? Aber gut, wenn sie jemanden brauchten auf dessen Kosten sie ihre Spielchen spielen zu können, dann sollten sie sich jemanden suchen. Ich würde da jetzt garantiert nicht mehr mitspielen.

„Leute, wenn ihr von mir eine Antwort haben wollt, dann stellt mir eine vernünftige Frage, ansonsten habt ihr Pech gehabt“, meinte ich ruhig, nachdem ich die Tasse zurück auf den Tisch gestellt hatte. Entweder so oder gar nicht.

„Wir hatten gefragt ob du mit uns in die Stadt gehst oder ob du hier bleibst“, kam es nun von Tim, der sich bisher zurückgehalten hatte.

„Warum nicht gleich so?“, fragte ich und musste nun doch grinsen. Warum nur konnte man denen nicht lange böse sein? „Klar komm ich mit oder soll ich etwa alleine hier bleiben und mich von Groupies zerfleischen lassen? Ne ne... So schnell werdet ihr mich nicht los.“

„Na dann wäre die Sache ja erledigt“, lachte Per und biss in sein Brötchen und auch der Rest widmete sich wieder seinem Frühstück.

Morgenstund hat nicht immer Gold im Mund

Es war ein lustiger Nachmittag in Nürnberg gewesen und seltsamerweise blieb die Band vor aufdringlichen Autogrammwünschen beinahe gänzlich verschont. Sicherlich hatte es hier und da mal jemanden gegeben, der die Jungs erkannt hatte, aber der große Ansturm blieb aus. Zumindest Nachmittags. Vor dem Konzert und ganz besonders nach dem Konzert hatte das alles ganz anders ausgesehen. Ich war nur froh gewesen, dass ich mich wie in Berlin auch schon, möglichst weit von den Jungs entfernt aufgehalten hatte, so dass es erst gar nicht zu Missverständnissen kommen konnte. Zumindest blieben die offensichtlich verbalen Angriffe aus. Hatte ja auch immer schön darauf geachtet nicht gleichzeitig mit den Jungs im Bus zu sein oder vielleicht nur mit einem davon gleichzeitig im Bus zu sein. Hätte ich das nicht getan, dann wäre der Abend wohl ein winziges bisschen anders verlaufen.

Während draußen noch ein paar Fans darauf warteten, dass die Jungs sich noch einmal blicken ließen, wurde uns von Benedikt der Tagesablauf von München beigebracht, was ein lautes aufstöhnen zu Folge gehabt hatte. Wie bitte sollte man das alles an einem Tag hinter sich bringen und anschließend noch ein Konzert geben? Also für mich war das ein wenig unverständlich gewesen, aber scheinbar sollte es klappen. Insgeheim war ich sogar am überlegen ob ich mir den Stress ebenfalls antun sollte oder ob ich mich nicht einfach abseilen sollte, aber andererseits wäre es nicht gerade fair, wenn ich es tun würde. Ich war hier mit auf Tour, war ein Teil des Ganzen, also sollte ich auch den gleichen Stress mitmachen, den alle anderen auch mitmachen. Wenn schon Tour dann richtig mit allen Vor- und Nachteilen. Auch wenn es bedeutete um 8 Uhr aufstehen, frühstücken, um 10 Uhr bereits im Studio von Pro7 zu sein wo die Jungs zu einem Livechat eingeladen waren, danach irgendwo etwas essen, denn um 14 Uhr mussten die Jungs schon wieder bei einem Fotoshooting einer Münchner Zeitung parat stehen und um 17 Uhr stand auch schon wieder der Soundcheck an. Es bedeutete also mehr oder weniger von einem Termin zum nächsten zu düsen, aber irgendwie würde das sicherlich zu schaffen sein. Auch wenn ich abends wie zerschlagen im Bett liegen würde.
 

Aber diese Ankündigung hatte zumindest die Wirkung, dass alle recht schnell in ihren Betten lagen um jede Minute Schlaf voll auskosten zu können, während sich der Bus durch die Nacht in Richtung München bewegte.
 


 

„Jetzt aber endlich raus aus den Federn oder ihr müsst das Frühstück ausfallen lassen“, hallte Benedikts Stimme durch den Bus, denn die ganze Mannschaft war noch am schlafen. Ich warf einen Blick auf die Uhr, denn ich hatte das Gefühl, es sei gerade mal eine Stunde vergangen, seitdem ich ins Bett gefallen war.

„Verfluchter Mist!“, fluchte ich auf, denn es war keineswegs nur eine Stunde vergangen, sondern es war schon weit nach 8 Uhr.

„Was ist denn?“, murmelte Max und drehte sich auf die andere Seite, zog die Decke über den Kopf und machte Anstalten, einfach weiter zu schlafen.

„Was ist? Wir sind dabei zu verschlafen! Das ist los!“, meinte ich zu ihm und kroch aus dem Bett.

„Kann doch gar nicht sein“, murmelte es aus Tims Koje, der sich ebenfalls demonstrativ auf die andere Seite drehte.

Das konnte doch wohl nicht wahr sein? Waren die wirklich alle so verpennt, dass sie nicht einmal merkten wenn sie verschlafen, geschweige denn daran glaubten wenn man es ihnen sagte? Kein Wunder machte Benedikt so einen Stress, immerhin stand ein Termin an und zu dem konnte man ja wohl schlecht zu spät kommen.

„Nein es ist ja erst Viertel vor 9. Also noch genügend Zeit für euch zum schlafen“, meinte ich und zog mich, so schnell es in dem Bus überhaupt möglich war, um. „Ihr sitzt später mit knurrendem Magen beim Interview, nicht ich.“

„Es ist wie spät?!“, fragte Max und saß mit einem Ruck aufrecht im Bett, gefolgt von einem lauten „Mist!“, da er sich wieder einmal den Kopf angestoßen hatte. Aber wenigstens war er jetzt wach.

„Viertel vor 9“, wiederholte ich es nochmals und sah ihn an. „Also schwingt eure Hintern endlich aus dem Bett!“

Ich schüttelte den Kopf und verschwand aus dem Bus. Ich war selbst darüber erstaunt wie schnell ich aufstehen konnte wenn es sein musste. Aber die Vorstellung ohne Kaffee los zu müssen, hatte da schon gereicht. Nein der Kaffee musste einfach sein und ich konnte ja schlecht Kaffeetrinken gehen, während die Jungs mit Fragen bombardiert wurden. Dafür war die Sache eindeutig zu interessant.

„Stehen sie jetzt endlich mal auf?“, wurde ich von Benedikt 'begrüßt' und so wirklich gute Laune schien er gerade nicht zu haben.

„Ich glaube die haben gerade den Schock ihres Lebens bekommen“, meinte ich und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein.

„Richtig so“, murmelte Benedikt nur und verdrehte nur die Augen, als das Handy in seiner Tasche zu klingeln begann.
 

*In denen ihrer Haut möchte ich jetzt nicht stecken*, ging es mir durch den Kopf, denn es sah ganz danach aus, als würde es heute noch einen Anpfiff geben. Irgendwie war es ja schon verständlich, immerhin hatten sie gewusst was heute so alles anstand. Aber irgendwie konnten sie einem auch leid tun. Gestern ein anstrengendes Konzert, wenig Schlaf und dann am nächsten Tag gleich wieder volles Programm. Aber das Leben einer Band war nun einfach mal kein Zuckerschlecken und bestand nicht nur aus Party, sondern war harte Arbeit. Etwas das viele manchmal zu schnell zu vergessen schienen. Für sie schien so eine Tour gänzlich aus Feiern zu bestehen. Man spielte ein Konzert und danach wurde gefeiert, weil man konnte ja am nächsten Tag bis ultimo in den Betten liegen und schlafen. Die paar Interview schüttelte man mal kurz locker aus dem Ärmel. So eine Tour machte doch Spaß, wie sollte sowas nur Arbeit sein?

Die meisten jedoch sahen auch nur das, was sie sehen sollten oder wollten und nicht das, was hinter der Bühne alles los war. Dass ein Bett in einem Bus niemals mit dem eigenen Bett gleichziehen konnte, genauso wenig wie 10 Stunden Schlaf in einem Bus, 10 Stunden Schlaf in dem Eigenen entsprachen. Man hatte zwar geschlafen und trotzdem fühlte man sich ein wenig zerschlagen. Ich wunderte mich so oder so schon, wie sie es geschafft hatten noch keinen Tourkoller zu bekommen. 24H am Tag waren irgendwelche Leute um einen herum und Zeit für sich oder mal einen Augenblick um sich zurück zu ziehen gab es so gut wie gar nicht. Kaum hatte man mal die Chance durch zu atmen, so kam auch schon jemand an, der etwas von einem wollte. Nein beneiden tat ich sie in diesem Moment nun wirklich nicht.
 

„Wurde ja aber auch endlich mal Zeit“, hörte man Bendikts Stimme und es schien fast so, als wären die Jungs nun auch endlich mal aus dem Bus gekrochen gekommen. „Wisst ihr eigentlich wie spät es ist? Habt ihr denn vergessen wann ihr im Studio sein müsst? Ich hab euch vor einer Stunde geweckt gehabt und vor einer halben nochmals und ihr seid unfähig einmal das zu tun, was man von euch verlangt? Ihr wollt professionell sein, schafft es aber nicht einmal das zu tun was man euch sagt? Reißt euch endlich mal ein wenig am Riemen!“

*Oh oh*, dachte ich mir, als ich das hörte und zog meinen Kopf zwischen die Schultern, so als hätte ich Angst, dass ich gleich ebenfalls noch einen Anpfiff erhalten würde.

„Ihr habt jetzt noch genau 15 Minuten und dann müssen wir los und dann habt ihr auch alle fertig zu sein! Haben wir uns da verstanden?“, hörte ich Benedikt wieder sagen, der kurz darauf am Tisch vorbei gerauscht kam.

Gleich darauf tauchten auch schon die Jungs auf, die in dem Moment aussahen wie geprügelte Hunde. Schweigend setzten sie sich an den Tisch und beeilten sich noch etwas in den Magen zu bekommen. 15 Minuten waren nämlich nicht gerade viel Zeit um ausgiebig zu frühstücken, aber selbst schuld würde da in diesem Moment wohl am besten passen.

Fragestunde

Ich trank gerade den letzten Schluck aus meiner Tasse, als auch schon Benedikt auftauchte und mit dem Zeigefinger auf die Uhr tippte. Was das zu bedeuten hatte war allen klar und schon hörte man auch schon das scharren der Stühle auf dem Boden, als beinahe alle gleichzeitig vom Tisch aufstanden.

„Andrea du fährst bei mir im Auto mit“, meinte Benedikt und sah dann zu Jungs. „Und ihr fahrt mit dem Auto zum Studio.“

„Kann sie...“

„Nein kann sie nicht“, fiel Benedikt Per ins Wort und damit war die Sache auch vom Tisch. Einerseits fragte ich mich zwar, warum es so war, aber zu einem Teil konnte ich es mir auch schon fast denken. Es war bekannt dass Empty Trash heute zum Livechat bei Pro7 sein würden und garantiert würden so einige an Fans vor dem Studio stehen. Da war es wirklich besser, wenn die Jungs alleine im Auto saßen, alles andere würde zu einem reinen Chaos führen.

Benedikt unterhielt sich kurz mit dem Fahrer der die Jungs zum Studio bringen würde, bevor er zu mir kam.

„Ich hoffe du verstehst das“, sagte er ruhig zu mir und sah mich fragend an.

„Mir ist viel an meiner Gesundheit gelegen“, gab ich ihm zurück, worauf er das erste Mal an diesem Tage das Lächeln anfing.

„Na dann lass uns mal fahren.“

Er hielt mir die Türe auf dass ich einsteigen konnte, setzte sich dann ans Steuer des Mietwagens und schon ging es auch schon los. Ich war gespannt was jetzt alles kommen würde und wie viele Fans wohl vor dem Studio stehen würden und noch mehr war ich gespannt auf die Fragen, welche ihnen gestellt wurden. Es würde bestimmt ein sehr amüsanter Vormittag werden, vorausgesetzt es ging nicht noch irgendwas schief. Aber das Schicksal schien es gut mit uns zu meinen und ohne größere Schwierigkeiten erreichten wir das Studio von Pro7. Während wir ohne großartig belagert zu werden den Wagen parken und aussteigen konnten, so wurde der Wagen hinter uns, kaum war er aufgetaucht auch schon umringt.

„Gott bin ich froh jetzt nicht da drin sitzen zu müssen“, murmelte ich, als ich mir das ganze ansah. Ein paar Mädels brachen beinahe in Tränen aus, andere klopften wie wild an die Fenster, die nächsten schrieen sich fast die Seele aus dem Leib. Wer jetzt noch nicht taub wurde, der wurde es spätestens, als die Jungs das Auto verließen. Es waren nicht mal so viele Mädels die vor dem Studio gewartet hatten, aber sie machten Lärm für die dreifache Menge. Ich kapierte nicht, warum ein paar Jungs eine solche Wirkung auf ein paar Mädchen haben konnten. Aber so war es nunmal und damit musste man leben.
 

In einem sicheren Abstand folgte ich der Truppe ins Studio und erst als man außer Sichtweite war, gesellte ich mich wieder zu ihnen.

„Erinnert mich bitte das nächste mal Oropax mit zu nehmen“, murmelte Per und hielt sich ein Ohr zu, bis das Pfeifen nachließ. Er nahm es sich jedes Mal vor und vergaß es trotzdem jedes Mal aufs Neuste.

„Hier rein“, meinte eine Mitarbeiterin von Pro7 und führte die Jungs in einen großen Raum, wo schon mehrere Kameras standen um alles live ausstrahlen zu können und ein Sofa wo die Jungs Platz nehmen sollten, was sie natürlich auch sofort taten. Benedikt und ich setzten uns in 2 Sessel die weit genug weg standen um nicht plötzlich auf irgendwelchen Bildern auf zu tauchen, aber nah genug, um jedes Wort verstehen zu können. Ich war sehr gespannt auf die Fragen die kommen würden und noch mehr war ich gespannt auf das, wie die Jungs mit gewissen Fragen umgehen würden.
 

„Wie schon allen bekannt sein dürfte, begrüßen wir heute Empty Trash bei uns im Livechat“, begann der Moderator den Livechat einzuleiten. „Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Fahrt hier her?“

„Ja sicher.“

„Lief alles einwandfrei.“

„Fällt es euch eigentlich nicht schwer morgens aus dem Bett zu kommen? Immerhin hattet ihr doch gestern Abend noch ein Konzert in Nürnberg oder?“

„Ja wir hatten gestern noch ein Konzert, aber trotzdem gewöhnt man sich daran so früh aus dem Bett zu steigen“, antwortete Max und grinste ein wenig dabei.

„Immerhin wartet ein leckeres Frühstück auf uns, da steht man gerne auf“, fügte Per noch hinzu.
 

*Ich habs gemerkt*, lachte ich in Gedanken und machte es mir in meinem Sessel gemütlich. Wenn sie jede Frage so locker beantworteten, dann konnte es nur amüsant werden.
 

„Da haben wir auch schon die erste Frage von Sabi81“, hörte man den Moderator wieder sagen. „Sie würde gerne wissen wann euer erstes Album rauskommt“

„Nun das Album kommt voraussichtlich im Oktober raus“, erklärte Max und reichte dann das Mikro an Per weiter.

„Uns fehlt zwar noch ein Titel und ein paar mehr Songs auch, aber wir sind da guter Dinge“, meinte Per und grinste.
 

„Die nächste Frage kommt von Jane und sie würde gerne wissen wie ihr damit zurecht kommt, dass ihr von so vielen Mädchen belagert werdet“, stellte der Moderator die nächste Frage der Chatter an die Jungs.

„Anfangs war es verdammt komisch von fremden Mädchen umarmt zu werden, aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran“, kam es von Tim ehe Per ihm das Mikro aus der Hand nahm.

„Besonders Tim hat sich sehr schnell daran gewöhnt“, setzte er noch eins drauf, worauf die ganze Truppe das Lachen anfing. Sie konnten es einfach nicht lassen sich gegenseitig bei jeder Gelegenheit zu foppen.
 

„Angel würde gerne wissen, ob ihr in festen Händen seid oder ob ihr noch zu haben seid“, kam auch schon die nächste Frage an die Jungs.

Die Jungs sahen sich gegenseitig an, unsicher wer da jetzt als erstes darauf antworten sollte. Max nahm das Mikro in die Hand und dachte einen Moment nach, ehe er anfing zu reden.

„Es ist schwer eine Beziehung zu führen wenn man wie wir jetzt auf Tour sind oder später im Studio, da bleibt nicht gerade viel Zeit“, meinte er ruhig und lächelte ein wenig verlegen. „Das bekommt nicht jeder hin.“

Im Endeffekt konnte man sich jetzt alles darunter vorstellen was man wollte, denn weder war die Frage jetzt beantwortet, noch war sie nicht beantwortet. Aber zumindest war ein Mittelweg gefunden worden.
 

„Piccolo würde gerne wissen, ob ihr auf der Tour etwas vermisst“, wurde auch schon die nächste Frage gestellt und ersparte den Jungs somit weitere Nachfragen.

„Im Moment fehlt mir persönlich eigentlich nichts“, meinte Max gefolgt von einem „War ja klar dass dir nichts fehlt“, von Per.

Dann ging das Mikro an Stefan weiter.

„Mir fehlen Ikea Hot Dogs“, kam es lachend von Stefan der das Mikro an Tim weiter reichte.

„Nein eigentlich fehlt mir nichts auf Tour. Ich hab eigentlich alles was ich brauch“, sprach Tim ruhig und zuckte leicht mit den Schultern.
 

„Mary92 würde gerne wissen, welches Konzert euch bisher am besten gefallen hat auf der Tour.“

„Bis jetzt waren eigentlich alle geil und es ist schwer sich da zu entscheiden“, meinte Tim und schon wanderte das Mikro auch schon weiter zu Julius.

„Berlin war geil gewesen ganz klar. Immerhin spielten wir daheim, das ist immer was ganz besonderes“, erzählte Julius und da niemand mehr etwas sagen wollte, behielt er das Mikro einfach mal.
 


 

„He hier wird nicht geschlafen“, kam es plötzlich leise, gemeinsam mit einem leichten Stupser gegen den Arm.

„Was?“, kam es von mir, da ich gerade nicht verstanden hatte um was es ging und sah zu Benedikt, von dem es gerade gekommen war.

„Wenn du so müde bist, warum bist du nicht mit den anderen beim Bus geblieben?“, fragte er leise, damit es niemanden störte.

„Weil es unfair gewesen wäre“, meinte ich grinsend und setzte mich wieder einigermaßen anständig hin. „Außerdem kann ich doch nicht schlafen wenn es hier etwas zum lachen gibt.“

„Dafür sahst du aber gerade ganz anders aus.“

„Ach eine Tasse Kaffee und dann geht das wieder.“

Nein so schnell würde ich nicht klein bei geben und auch wenn ich gerade ein kleines Tief haben mochte, so würde das auch wieder vorbeigehen. Es lag wohl nur daran, dass ich hier saß und nicht viel zu tun hatte, da wurde man immer recht schnell müde, wenn man so wenig geschlafen hatte.

Grinsend schüttelte Benedikt den Kopf und beobachtete dann wieder die Jungs, wie sie eine Frage nach der anderen versuchten zu beantworten.
 

„Starlight würde gerne von euch wissen, ob ihr euch vorstellen könnt, euch während der Tour zu verlieben“, stellte der Moderator die nächste Frage und die Jungs sahen sich erst einmal alle fragend an. Das Mikro wanderte von einer Hand zur nächsten, da keiner so richtig die Frage als erster beantworten wollte. Letztendlich jedoch fasste sich Stefan ein Herz und nahm das Mikro an sich.

„Also vorstellen könnte ich es mir schon, jedoch ist es schwer wenn man heute hier und morgen wieder woanders ist“, kam es von Stefan, ehe er das Mikro an Tim weiter reichte.

„Ja ich meine vorstellen klar, warum nicht. Aber wie Stefan schon sagte ist es ein wenig kompliziert, außer man nimmt die Person mit, aber wenn das jeder von uns machen würde, dann bräuchten wir einen größeren Bus“, lachte er und drückte Per das Mikro in die Hand.

„Andererseits wenn man jemanden mit nimmt und den 24 Stunden um sich herum hat, dann kommt der Rest wohl oftmals von alleine, zumindest bei manchen“, sprach Per ruhig, wobei er von einigen Personen ein paar fragende Blicke erntete. Wusste Per vielleicht Dinge, die er besser nicht wissen sollte oder nicht zu wissen hatte? So jedenfalls konnte man gerade die Blicke deuten wenn man es vorhatte.
 

„Mimi1995 würde von euch gerne wissen ob ihr euch schon einmal wegen einem Mädchen gezofft habt“, kam auch schon die nächste Frage. Die Jungs sahen sich an, ehe alle zu lachen anfingen.

„War das gestern oder vorgestern Max?“, fragte Stefan lachend und sah zu Max, der schulterzuckend da saß.

„Ich dachte das wäre heute morgen gewesen“, lachte Per und sah zwischen den Beiden hin und her.

„Ach Per du bekommst auch mal wieder gar nix mit. Das war vorgestern gewesen. Ihr solltet mal weniger saufen“, gab jetzt auch noch Tim seinen Senf dazu, so dass erst recht angefangen wurde zu lachen. Julius schnappte sich das Mikro und schüttelte grinsend seinen Kopf.

„Also so richtig Streit hat es eigentlich noch nie gegeben und ich glaube so weit würde es auch nie kommen“, kam es von Julius, der als einzigster ruhig geblieben war.
 

„Dann wollte Riccola noch wissen, ob ihr euch nicht auf den Keks geht, wenn ihr ständig aufeinander sitzt“, las der Moderator die nächste Frage aus dem Chat vor.

Fast gleichzeitig schüttelten alle ihren Kopf.

„Tun wir ja nicht“, kam es von Julius, der noch das Mikro in der Hand hielt.

„Es gibt immer eine Möglichkeit sich mal ab zu seilen um alleine zu sein“, kam es von Max der sich das Mikro genommen hatte.

„Oder auch zu zweit gelle Max?“, rief Per aus der anderen Ecke worauf natürlich die halbe Mannschaft das Lachen anfing.

„Was kann ich dafür dass Tim so an mir hängt?“, lachte Max und bekam dafür von Tim eine in die Rippen.
 

Man konnte sagen was man wollte, aber die Jungs fanden wirklich auf jede Frage eine Antwort. Egal wie direkt sie auch gestellt war, es gab immer eine Reaktion, auch wenn dabei angedeutet und geflunkert wurde, dass sich die Balken bogen.
 

„So das war dann die letzte Frage für heute gewesen und wir möchten uns nochmals herzlich dafür bedanken, dass ihr hier her gekommen seid und euch den Fragen der Fans gestellt habt.“

„Haben wir doch gerne gemacht.“

„Für unsere Fans nehmen wir uns doch die Zeit gerne.“
 

„Dann wünschen wir euch für euer Konzert heute Abend noch viel Glück und rockt München!“
 

Die Kameras wurden abgeschaltet und man merkte gleich, wie sich alle entspannten. Es waren schon ein paar Fragen dabei gewesen, wo es mich nicht gewundert hätten, hätten sie darauf nicht reagiert, aber der Moderator hatte wohl bereits im Vorfeld kräftig aussortiert, anders konnte ich es mir dann doch nicht vorstellen.

Mit einem Blick zur Uhr stellte ich fest, dass bis zum nächsten Termin noch gut 3 Stunden Zeit war. Wenigstens ein wenig Zeit um mal kräftig durch zu atmen und neue Kraft zu tanken. Ich glaubte nämlich nicht, dass so ein Fotoshooting so ganz ohne war. Da stand den Jungs sicherlich wieder ein wenig Stress bevor.
 

Während Benedikt das Studio bereits verlassen hatte um sich um die Vorbereitungen für den nächsten Termin zu kümmern, machten wir uns geschickt aus dem Hinterausgang aus dem Staub. Das war leider die einzigste Möglichkeit aus dem Studio und in die Stadt zu kommen ohne dass einem eine Horde Mädels hinterher lief.

Neid

„So und wer kennt sich jetzt in München aus, beziehungweise weiß, wie wir von hier in Richtung Englischen Garten kommen?“, fragte Tim in die Runde, doch alle zuckten die Schultern. Keiner hatte daran gedacht, vielleicht etwas wie einen Stadtplan mit zu nehmen, aber wie denn auch wenn man Morgens so unsanft aus dem Bett geworfen wurde?

„Wenn ihr mich nicht hättet, wärt ihr verloren“, lachte ich und schüttelte den Kopf.

„Sag bloß du weißt das?“

„Na klar weiß ich das, sonst würde ich es ja nicht sagen.“

„Du bist ein Engel!“, rief Tim aus und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Also ernenne ich dich jetzt zum offiziellen Empty Trash Rettungs- und Schutzengel. Irgendwelche Einwände? Nein? Perfekt!“

Wie zum Henker waren sie auf einmal so fit geworden? Erst hingen sie da wie ein Schluck Wasser in der Kurve und jetzt auf einmal waren sie die Energie in Person. Also irgendwie brachten die mich noch um das letzte bisschen Verstand.

„Welch Ehre“, meinte ich lachend und verneigte mich vor den Jungs. „Also gibt es irgendwelche besonderen Wünsche? Sightseeing oder direkter Weg?“

Ich sollte ja zumindest ungefähr wissen was sie vorhatten um die 3 Stunden zu überbrücken. Klar konnte man auch die Zeit im Englischen Garten totschlagen, aber so wirklich prickelnd war das auch wieder nicht, auch dann nicht, wenn es wunderschön warm war.

„Ich würde sagen, egal wohin, nur weg von hier“, lachte Max und legte mir den Arm um die Schultern. „Oder seht ihr das anders?“

„Am besten irgendwohin wo es etwas zum essen gibt“, schlug Stefan vor und bekam ein unterstützendes Kopfnicken von Per.

„Ok, dann würde ich vorschlagen wir nehmen den kürzesten Weg in die Innenstadt“, sagte ich und überlegte kurz, was wohl der kürzeste Weg war. Nicht dass mir unterwegs noch einer verhungerte. „Alle Mann mir nach.“
 

Wie gut dass ich mich hier in der Gegend von München auskannte. Hätte man mich an einem anderen Eck ausgesetzt, hätte ich wohl genauso wenig gewusst, in welche Richtung ich jetzt musste. Aber so lotste ich die Jungs geschickt vom Studio in die Innenstadt von München und welch Wunder, es gab niemanden der die Jungs erkannte, so dass bisher alles einigermaßen friedlich verlief. Kein Gekreische, kein Gerenne und auch kein Gezuppele. Erholung pur um gemein zu sein.
 

„Nein... Alles, aber bitte nicht schon wieder Sushi“, schüttelte Max den Kopf, als ein Teil vor einem Sushi-Restaurant stehen blieb.

„Wieso? So schlecht ist das doch auch wieder nicht“, meinte Stefan und sah Max an.

„Klar ist es das nicht, aber ich kann das Zeug nicht mehr sehen.“

„Zwingt dich doch keiner mit zu kommen“, lachte Per und grinste Max an. „Hauptsache wir 5 bekommen was in den Magen.“

„5?“

„Ja natürlich 5. Wir sind zu sechst und wenn du nicht willst, dann bleiben noch 5 übrig.“

„Ähm, nett dass ihr mich da jetzt mitzählt, aber ich esse vieles, aber Sushi gehört da nicht dazu“, meinte ich ruhig und schüttelte den Kopf. „Also wenn ihr Sushi essen gehen wollt, dann könnt ihr das gerne tun. Ich werde dann einfach so lange einen Kaffee trinken gehen oder sowas in der Art.“

„Also dann gehen wir beide was anderes essen und ihr haut euch den Magen mit Sushi voll und dann treffen wir uns einfach in einer Stunde wieder hier oder?“, schlug Max vor und da es keine großen Einwände gab, nahm er es auch einfach als beschlossen hin. „Ok, dann also bis später.“

Wieder legte Max den Arm um meine Schultern und schlenderte weiter die Fußgängerzone entlang. Ich war zwar ein wenig verwundert wie einfach er sich das jetzt gerade im Endeffekt gemacht hatte und vor allem, dass er einfach mal so über meinen Kopf hinweg entschieden hatte, aber deswegen jetzt einen Aufstand zu machen, war es auch nicht wert. Es ging ja nur um ein Mittagessen und nicht um etwas lebenswichtiges oder ähnliches. Mir war es ja egal ob jetzt Pizza, Gyros, Döner oder was auch immer... Hauptsache etwas im Magen.
 

„Du bist auf einmal so schweigsam“, kam es ruhig von Max, mit einem fragenden Seitenblick.

„Ich war wohl nur eben etwas in Gedanken versunken“, lachte ich leise, weil mir war es nicht wirklich aufgefallen, dass ich schon lange nichts mehr gesagt hatte. Außerdem musste ich ja auch nicht immer den Mund offen haben, es war auch mal schön einfach nur den Moment zu genießen.

„An was hast du denn schönes gedacht?“, fragte Max mit einem Grinsen nach und piekste mir mit dem Finger in die Seite.

Ich lachte auf, denn Max hatte wieder einmal genau die Stelle erwischt, an der ich kitzelig war. Wie er das machte, war mir allerdings ein Rätsel.

„Meinst du wirklich ich binde dir das jetzt einfach so auf die Nase?“, lachte ich und schüttelte den Kopf. „Da musst du schon mehr tun als einfach nur zu fragen.“

„Mehr? Ich kann dich ja jetzt schlecht hier mitten in der Fußgängerzone du weißt schon was“, lachte Max und sah pfiffelnd in die Luft.

„Max du bist unmöglich!“, meinte ich, blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Wenn du weiter so frech bist, dann musst du heute Abend jemand anderes suchen der dich in den Arm nimmt bis du eingeschlafen bist.“

Mit großen Augen sah mich Max an, ehe er vor mir auf die Knie ging, meine Hände nahm und mich mit einem flehenden Blick ansah.

„Tu das nicht! Bitte! Ich tue alles was du von mir verlangst, aber tue mir das bitte nicht an“, flehte er und sah mich mit einem Blick an, der wohl Steine zum erweichen gebracht hätte.

Vorsichtig warf ich einen Blick nach rechts und nach links um zu schauen, wer das alles mitbekam und tatsächlich sahen die einen oder anderen Passanten mit neugierigem Blick zu uns.

„Max... Bitte steh auf“, meinte ich zu ihm und merkte wie ich von Sekunde zu Sekunde röter im Gesicht wurde. Sicherlich war es lustig, aber doch nicht mitten in der Münchner Fußgängerzone.

„Ich werde dir jeden deiner Wünsche erfüllen, ich werde Tag und Nacht für dich da sein.... Ich werde sogar wenn es sein muss die Sterne vom Himmel holen, aber bitte... Bitte tue mir das nicht an“, kam es wieder von Max, der sich aber von Mal zu Mal mehr das lachen verkneifen musste. Vermutlich wusste er selbst wie das für die Passanten aussehen musste und er konnte froh sein, dass ihn nicht noch jemand erkannte. Das wäre wohl die Schlagzeile für die Bild-Zeitung gewesen.

„Max wenn du nicht sofort aufstehst... Dann...“

„Was dann?“

„Das wirst du dann merken“, meinte ich und sah Max mit eindringlichem Blick an. „Ok ich tue es nicht, aber bitte stehe jetzt endlich auf.“

Nun war ich diejenige die das Flehen angefangen hatte. Es blieben nämlich immer mehr Passanten stehen und die Gefahr dass ihn jemand erkannte, stieg von Minute zu Minute.

„Ich wusste doch dass du mir nicht wiederstehen kannst“, lachte Max und stand nun Gott sei Dank endlich wieder vom Boden auf. Ruhig klopfte er sich den Dreck von der Hose und legte, so als sei nichts gewesen, wieder den Arm um meine Schultern.

„Jetzt übertreibe mal nicht“, protestierte ich lachend und knuffte ihn in die Seite. „Aber als Strafe musst du mich jetzt auf ein Eis einladen.“

„Wenn's weiter nichts ist“, lachte Max, bog scharf nach links ab, was dazu führte, dass ich ihm beinahe in die Arme gefallen wäre, da ich damit nicht gerechnet hatte.

Er war wirklich ein unverbesserlicher Chaot und das merkte ich jeden Tag aufs Neue. Aber so war er mir wesentlich lieber, als wenn er mit schlechter Laune durch die Gegend stapfte. Wenn ich ihn manchmal so beobachtete bekam ich das Gefühl, dass wir uns so unähnlich gar nicht waren. Vielleicht war auch das der Grund, warum wir uns von Anfang an gut verstanden hatten.
 

„Hab ich auch wirklich freie Wahl?“, fragte ich und hielt die Karte in den Händen.

„Du hast immer freie Wahl“, grinste Max und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Egal was auch immer du möchtest, du sollst es bekommen.“

„So wirklich alles was ich möchte?“, fragte ich weiter und setzte ein wissendes Lächeln auf.

„Natürlich alles“, lachte Max und beugte sich ein Stückchen über den Tisch. „Auch wenn sicherlich einiges hier nicht sofort durchführbar ist.“

Ich neigte leicht den Kopf und beugte mich ebenfalls ein Stückchen nach vorne.

„Schade, denn gerade auf das hätte ich jetzt am meisten Lust“, meinte ich leise und lehnte mich in meinem Stuhl wieder zurück. Als ich jedoch in das absolut fragende Gesicht von Max blickte, konnte ich mir ein Lachen nicht länger verkneifen. Er sah gerade aus, als hätte man ihm zum ersten Male offenbart, dass es weder den Weihnachtsmann noch den Osterhasen gab.

„Wie? Ähm wo? Ähm was?“, stammelte Max und sah mich noch immer total verwirrt an. Man sah genau dass es nun in seinem Kopf arbeitete um herauszufinden, wie ich das jetzt bitte gemeint hatte. Einen Moment lang war ich versucht ihn einfach noch ein Weilchen in der Luft hängen zu lassen, aber ich konnte es einfach nicht.

„Tja, nicht nur ihr könnt andere auf den Arm nehmen mein Schatz“, lachte ich und blätterte in der Eiskarte hin und her.

„Boah, das wirst du mir noch büßen meine Liebe“, kam es von Max, dem nun endlich ein Licht aufgegangen war. Er schnappte sich die Eiskarte und sah nun ebenfalls nach, was er sich zu Gemüte führen könnte.
 

Es dauerte eine Weile bis endlich das Eis vor unserer Nase stand und wir anfangen konnten. Wenn es genauso herrlich schmeckte wie es aussah, dann konnte es nur lecker sein.

„Darf ich mal probieren?“, fragte Max und deutete mit dem Löffel auf mein Eis.

„Na klar“, meinte ich, nahm einen Löffel voll und hielt es ihm unter die Nase.

„Fein den Mund aufmachen“, grinste ich und schob ihm dann den Löffel in den Mund.

„Hmm... Lecker“, antwortete Max und nickte mit dem Kopf. „Fast so lecker wie du.“

„Du kannst es aber auch nicht lassen oder?“, lachte ich und schüttelte den Kopf. Wie gut dass niemand in der Nähe war und diesen Wortwechsel belauschte.

„Ich sage immer nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“, beteuerte Max seine Aussage mit einer Unschuldsmine, die absolut unschlagbar war.

„Darf ich wenigstens von dir auch mal probieren?“

„Aber doch nicht hier in aller Öffentlichkeit!“, kam es mit gespieltem Entsetzen von Max, der mit Löffel in der Luft herumwedelte.

„Maaaax....“, meinte ich nur und verdrehte die Augen. Ich wollte gerade noch etwas zu dem Thema sagen, da hatte ich aber auch schon einen Löffel unter der Nase.

„Mund aufmachen!“, meinte Max und grinste vor sich hin.

*Irgendwas hat der doch vor*, ging es mir durch den Kopf, als ich das leichte Funkeln in seinen Augen entdeckte. Aber was sollte er hier schon vorhaben? Also vertraute ich ihm einfach mal und machte den Mund auf. Doch der Löffel wanderte jedoch nicht in meinen Mund, wie angedeutet, sondern mitten auf meiner Nasenspitze.

„Boah du Wutz!“, rief ich aus und sah Max mit gespielt bösem Blick an. Ich hatte doch gewusst dass er was im Schilde geführt hatte.

„Oh das tut mir jetzt aber leid“, meinte Max und hatte schon wieder diesen Unschuldsblick drauf.

„Och ja und ich glaube dir kein Wort“, entgegnete ich ihm und schüttelte den Kopf. „Das war Absicht! Pure und hinterhältige Absicht!“

„Ich wollte doch nur probieren wie du schmeckst, aber du lässt mich ja nie, also musste ich mir doch was einfallen lassen“, lachte Max und ehe ich mich versah, hatte ich Sahne an der Wange kleben. Das durfte doch wirklich nicht wahr sein! Jetzt fing der doch tatsächlich mitten in einem Eiskaffee an, mit Sahne durch die Gegend zu schießen. Wo sollte das denn bitte nur enden?

„Max wenn du nicht sofort aufhörst, dann überlege ich mir das mit heute Abend nochmal“, drohte ich ihm grinsend.

„Ok ok... Ich bin schon brav“, sagte Max und grinste dabei von einem Ohr zum anderen.

So wirklich glauben tat ich es ihm zwar nicht, aber zumindest war jetzt Ruhe. Für wie lange war zwar unbekannt, aber solange ich es schaffte in dieser Zeit mein Eis zu genießen, war alles in Ordnung.
 

Zufrieden lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und strich mir über den gut gefüllten Eisbauch. Es war wirklich lecker gewesen und genau das Richtige bei einem solchen Wetter.

„So lässt es sich leben“, lachte ich leise und blinzelte, als mir die Sonne in die Augen schien. Es war ruhig, es war friedlich und es schien die Sonne. Ich hatte Spaß, es gab jede Menge zum Lachen, es war beinahe perfekt. Aber auch leider nur beinahe.

Ich wollte gerade noch etwas hinzufügen, als plötzlich 2 Mädchen am Tisch standen und Max anstarrten.
 

„Frag du!“

„Ne frag du.“

„Ne du!“

„Bist du der Max?“, erbarmte sich die eine dann doch und starrte Max noch immer an.
 

Tja das war wohl das Ende von Ruhe und Frieden. Aber es war so oder so nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die ersten ihn erkennen würden. Max grinste und nickte mit dem Kopf, aber wenn man ihm genau in die Augen sah konnte man erkennen, dass er über die Störung nicht besonders erfreut war.
 

„Heee.... Er ist es tatsächlich“, rief das Mädchen ihren Freundinnen zu, die etwas entfernt gestanden und wohl gewartet hatten. Kaum hatten sie gehört, dass er es auch wirklich war, kamen sie auch schon angerannt. Von allen Seiten redeten sie gleichzeitig auf Max ein, zuppelten an ihm herum oder hielten ihm irgendwas unter die Nase, dass er unterschreiben sollte. Im ersten Moment wusste er gar nicht was er machen sollte und warf mir einen etwas hilflosen Blick zu. Aber ich wusste genauso wenig was ich da jetzt machen sollte, denn würde ich jetzt etwas sagen, dann würde das Chaos wohl erst recht perfekt sein. Manchen Fans stellte man sich nämlich besser nicht in den Weg und nach genau solchen Fans sahen mir die Mädels auch aus.

Ich spürte plötzlich etwas an meinem Bein und schielte unter den Tisch. Es war Maxs Hand die mir den Geldbeutel hinhielt und mit den Augen gab mir Max zu verstehen, dass ich zahlen gehen sollte, damit er so schnell wie möglich von hier weg konnte. Leicht nickte ich mit dem Kopf, als Zeichen dass ich verstanden hatte, erhob mich von meinem Platz und ging in das Eiskaffee um die Rechnung zu begleichen. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen ihn mit der Horde jetzt alleine lassen zu müssen, aber eine andere Lösung gab es ja leider nicht.
 

Nachdem die Rechnung beglichen war, wollte ich das Eiskaffee verlassen, doch eines der Mädchen, die eben noch Max belagert hatten, stellte sich mir direkt in den Weg.

„Dürfte ich bitte vorbei?“, fragte ich höflich und deutete mit der Hand an, dass ich gerne vorbei wollte.

„Lass die Finger von ihm!“, fuhr sie mich an und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

Mit einem etwas verdatterten Blick sah ich das Mädel an. Hatte ich da gerade richtig gehört?

„Ähm wie bitte?“, fragte ich nach, da ich mir wirklich nicht ganz sicher war.

„Jetzt tu nicht so!“, fuhr mich das Mädchen wieder an und schnaubte auf.

Ich atmete tief durch und beschloss, sie einfach stehen zu lassen und versuchte an der anderen Seite an ihr vorbei zu gehen, doch wieder stellte sie sich mir in den Weg.

„Ich würde jetzt gerne vorbei“, sagte ich wieder zu ihr, dieses Mal jedoch etwas eindringlicher.

„Ich warne dich... Lass ja die Finger von ihm sonst...“, kam es nun etwas leiser, dafür etwas drohender von dem Mädchen, deren Augen vor Wut funkelnden.

„Sonst was?“, fragte ich nach und zog leicht eine Augenbraue nach oben.

„Ich finde dich ey und wenn du nicht die Finger von ihm lässt... Dann... Ich brech dir alle Finger ey ok? Also lass ihn in Ruhe verstanden?“

*Stop! Falscher Film! Eindeutig falscher Film!*, schoss es mir durch den Kopf, denn so langsam wurde mir die Situation dann doch ein wenig komisch. Ich verstand vieles, aber das ging dann doch ein klein wenig zu weit. Nein es ging nicht nur ein klein wenig zu weit, es ging eindeutig zu weit. Was fiel dem Gör eigentlich ein, mir hier zu drohen? Das war doch kein Fantum mehr, das war doch schon Fanatismus!

„Es tut mir leid, aber ich weiß wirklich nicht was du meinst. Also würdest du jetzt bitte beiseite gehen?“, sagte ich, nun schon etwas genervter, denn mir wurde das jetzt hier langsam zu dumm.

„Sag mal hältst du mich denn für blöd? Ey ich hab gesehen wie du ihn angeschaut hast! Also tue nicht so okay?! Wenn dir deine Gesundheit lieb ist ja, dann hau ab und lass ihn in Ruhe!“, fauchte mich das Mädchen wieder an und ging endlich aus dem Weg.

Ich fasste es nicht. Ich fasst es wirklich nicht. Ich kam mir gerade vor wie in einem schlechten, verdammt schlechten Film. *Das ist jetzt gerade nicht wirklich passiert oder?*, fragte ich mich selbst in Gedanken, doch die Sachlage änderte sich nicht. Mir war gerade doch tatsächlich gedroht worden, wenn ich mich nicht von Max entfernte. Total in Gedanken über das, was mir gerade passiert war, versunken lief ich weiter, bis ich an einer Bank stehen blieb und mich hinsetzte.
 

Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich plötzlich etwas an meinen Knien spürte und wäre beinahe von der Bank aufgesprungen.

„Hee was ist denn los?“, hörte ich Max's Stimme der vor mir in der Hocke saß und mich mit einer Mischung aus Frage und Besorgnis ansah.

„Ich packs nicht... Ich packs echt nicht“, murmelte ich und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht.

„Willst du mir denn nicht sagen was los ist?“, fragte Max wieder nach und in seinen Blick mischte sich immer mehr Besorgnis. Er merkte einfach dass etwas vorgefallen sein musste und er wollte unbedingt wissen was es war.

Ich hob den Kopf um ihn an zu sehen und sah aus den Augenwinkel das Mädchen, welches mir gerade Wunder was angedroht hatte und uns nun zu beobachten schien.

„Lass uns gehen Max... Egal wohin, aber weg von hier ok?“, meinte ich, stand von der Bank auf, nahm seine Hand und ging einfach los. Mir war es in diesem Moment egal ob er es verstand oder ob er es nicht verstand. Er würde seine Erklärung schon noch bekommen.

Immer wieder drehte ich mich um, ob das Mädchen noch zu sehen war, denn ich bekam das Gefühl einfach nicht los, dass sie uns folgte. Ich wollte gerade wieder einen Blick über die Schulter werfen, als Max stehen blieb und mich zu ihm umdrehte.

„Es ist mir jetzt vollkommen egal ob es dir jetzt in den Kram passt oder nicht, aber ich will jetzt endlich wissen was mit dir los ist!“, kam es mit energischer Stimme von ihm und damit ich nicht einfach weiter lief, hatte er beide Hände auf meine Schultern gelegt. „Es kann doch nicht normal sein, dass du weiß wie die Wand aus dem Cafe verschwindest, vollkommen neben dir auf der Bank hockst und dann läufst, als wäre der Teufel persönlich hinter dir her.“

„Ich... Es tut mir leid“, murmelte ich und lehnte meinen Kopf einfach gegen seine Brust. Ich schloss für einen Moment die Augen, lauschte dem Klopfen seines Herzens, bis ich mich wieder einigermaßen bereit fühlte ihm das eben erlebte zu erzählen.

„Sorry ich wollte dich nicht anfahren“, kam es entschuldigend von Max der seine Arme um meine Schultern gelegt hatte und mir beruhigend über den Rücken strich. „Ich mach mir einfach nur Sorgen. Willst du mir denn nicht sagen was los ist? Hm?“

Ich nahm meinen Kopf wieder von seiner Brust und sah ihn von unten herauf an.

„Ich hatte gerade ein etwas unfreundliches Aufeinandertreffen mit einem deiner Fans“, meinte ich leise und sah die Straße entlang.

„Und weiter? Das war doch nicht alles oder?“, hakte Max nach und ließ mich nicht aus den Augen.

„Sie war ein wenig unbeherrscht... Um es harmlos aus zu drücken“, sprach ich weiter und merkte selbst, dass ich um den heißen Brei herum redete.

„Wie wäre es einfach mit der Wahrheit?“, hakte Max weiter nach, der genau wusste, dass das nicht alles sein konnte.

Ich senkte meinen Blick und druckste herum, weil ich kam mir einfach etwas komisch vor ihm das zu erzählen und wenn er schon sagte er mache sich Sorgen, was würde er dann wohl sagen, wenn er alles erfuhr? Aber mir war auch klar, dass ich ihn nicht ewig würde hinhalten können.

„Sie meinte dass wenn ich nicht die Finger von dir lasse sie mich finden wird und sie mir dann brechen würde“, seufzte ich und sah Max an. „Ich bin so zügig gelaufen weil sie uns eine ganze Weile hinterher gelaufen ist und uns beobachtet hat und ich keine Lust habe, heute Abend etwas in den Rücken zu bekommen.“

So jetzt war es raus. Ich fühlte mich wütend und entsetzt zugleich. Entsetzt darüber, dass es wirklich Fans gab, die so weit gingen, anderen etwas an zu drohen und wütend darüber, dass es mich so sehr durcheinander brachte.

„Du machst Witze oder?“, kam es ungläubig von Max, der nicht wo wirklich glauben konnte was ich ihm gerade erzählt hatte.

„Glaub mir, darüber mache ich garantiert keine Witze“, meinte ich leise und seufzte auf.

„Sie hat dir wirklich angedroht dir die Finger zu brechen wenn du mich nicht in Ruhe lässt?“

„Ja hat sie und das nicht nur einmal.“

Max sah mich einen Augenblick einfach nur an, ehe er sich mit beiden Händen durch die Haare fuhr. Man merkte genau, dass es ihn genauso aus der Bahn warf, wie es mich aus der Bahn geworfen hatte.

„Kein Wunder warst du weiß wie ne Wand“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Ich fass' es nicht... Ne wirklich nicht... Ich glaube das fasst keiner von uns wenn ich es ihnen erzähle.“

„Max kann das nicht unter uns bleiben?“, fragte ich und sah ihn bittend an. Es war mir schon unangenehm genug es ihm erzählt zu haben, da brauchten es die Anderen nicht auch noch erfahren. Außerdem bestand die Gefahr, dass es sehr schnell die Runde machte und ich hatte keine Lust, dass man sich vielleicht noch dafür entschied dass es besser war wenn ich wieder heim fuhr, geschweige denn, dass man noch anfing sich Sorgen wegen solch dummen Gören zu machen.

„Bist du dir wirklich sicher dass es niemand erfahren soll? Ich meine Benedikt könnte...“, fing Max an, doch da brachte ich ihn zum schweigen, indem ich ihm einfach meinen Finger auf die Lippen legte.

„Und genau deswegen möchte ich dass es unter uns bleibt“, sagte ich zu ihm. „Ich mache schon genug zusätzliche Arbeit und noch mehr muss nicht sein. Der hat so schon genug um die Ohren.“

Max sah mich mit einem kritischen Blick an, ehe er seufzte und nickte.

„Na gut aber eins musst du mir versprechen. Sollte sowas noch einmal vorkommen, dann will ich das sofort wissen und nicht erst nach dreimaligen Nachfragen ok?“

„Einverstanden“, antwortete ich und brachte sogar ein kleines Lächeln zustande.

Sanft zog mich Max in die Arme und drückte mich an sich. Es waren nur wenige Sekunden, aber es kam mir dennoch wie eine halbe Ewigkeit vor. Mit einem kleinen Lächeln strich er mir eine Strähne hinter die Ohren und sah mir dabei in die Augen.

„Und nun möchte ich von meinem kleinen Engel wieder ein Lächeln sehen“, meinte er leise und sah mich wieder mit diesem flehenden Blick an, den er vorher schon aufgesetzt hatte, als er vor mir auf dem Boden gekniet hatte und dem ich einfach nicht widerstehen konnte.

„Für dich tue ich doch alles“, meinte ich und fügte schnell ein „Fast alles“ hinzu.

Wer austeilt muss auch einstecken

„Sag mal wo ward ihr denn auf einmal hin verschwunden?“, begrüßte uns Per mit einem fragenden Blick. Immerhin war es so ausgemacht gewesen dass man sich traf und als wir nach einer halben Stunde immer noch nicht aufgetaucht waren, hatten sie sich selbst auf den Weg gemacht.

„Wir hatten ein kleines Problem gehabt“, sprach Max und ließ sich auf die Wiese sinken, wo bereits alle herumlagen. „Da man mich erkannt hatte, hielt ich es für besser, die Meute nicht auch noch zu euch zu bringen. Daher sind wir einen Umweg gelaufen.“

„Ah ok das erklärt natürlich alles“, meinte Per und nickte mit dem Kopf. „Wir hatten schon gedacht ihr wollt unter euch sein.“ Zwinkernd sah Per Max an, der ihm einfach nur den Vogel zeigte.
 

Ein wenig Abseits von den anderen legte ich mich auf die Wiese, verschränkte die Arme unter meinem Kopf und schloss die Augen. Die Ruhe tat gut nach dem ganzen Stress den ich gerade erlebt hatte und endlich hatte ich ein wenig Zeit, darüber nach zu denken ohne mir sofort dabei beobachtet vor zu kommen. Gleichzeitig hatten die Jungs einfach mal wieder die Möglichkeit ganz unter sich zu sein, was ihnen sicherlich auch mal ganz recht war.

„Und bereust du es schon mitgekommen zu sein?“, hörte ich Stefan fragen, der sich zu mir gesetzt hatte und mich anlächelte.

„Ihr seid zwar manchmal etwas anstrengend, aber nein ich bereue es nicht“, meinte ich lächelnd und setzte mich wieder auf. „Ich hätte es wohl viel eher bereut wenn ich nicht mitgekommen wäre.“

„Wir und anstrengend? Das halte ich aber für ein Gerücht“, lachte er auf und schüttelte den Kopf. Wie konnte man sie nur als anstrengend bezeichnen? So schlimm waren sie doch gar nicht.

„Darf ich dich an diverse Kommentare im Bus erinnern oder an diverse Kommentare beim Frühstück? Ganz zu schweigen von so einigen für mich peinlichen Situationen?“, sagte ich mit einem leichten Grinsen und sah Stefan aufmerksam an.

„Ach komm, das solltest du doch gewohnt sein“, gab er lachend zurück und legte sich einfach auf die Wiese und seinen Kopf bei mir in den Schoß. „Außerdem würde dir doch etwas fehlen, wenn wir dich nicht auf den Arm nehmen würden.“

Ich lachte auf und schüttelte meinen Kopf. Irgendwo hatte er ja Recht, mir würde wohl tatsächlich etwas fehlen. Mit Foppereien hatte alles angefangen und hatte es mir ermöglicht mit auf Tour zu gehen. Wären sie dann auf einmal alle brav und anständig geworden, dann wäre es einfach nicht mehr das Gleiche gewesen. Nein es war ganz gut so wie es war. Ruhig legte ich meinen Arm über seinen Bauch und spielte mit den Fingern in seinen Haaren. Ich musste lächeln, als ich mich daran erinnerte, dass wir im Urlaub auch schon so da gesessen hatten. Jetzt musste man nur noch die Wiese durch Sand und den Lärm aus dem nahen Biergarten in ein Meeresrauschen verwandeln und die Erinnerung wäre perfekt gewesen.

„Solange ihr mit den Kontras leben könnt?“, lachte ich und sah ihn von oben herab an. „Wenn nicht... Tja dann haben wir wohl ein kleines Problem.“

„Glaubst du denn einer von uns würde dich auf den Arm nehmen wenn er mit dem Kontra nicht leben könnte?“, kam es lachend von Stefan der mich mit einem leicht fragenden Blick ansah.

„Wer weiß? Vielleicht steht ihr ja alle drauf?“

„Wir stehen auf vieles, aber darauf dann doch auch wieder nicht. Obwohl ich mir bei manchem nicht so ganz sicher bin.“

„Ach ja? Auf was steht ihr denn so? Erzähl doch mal“, hakte ich lachend nach und piekste Stefan mit dem Finger zwischen die Rippen.

Lachend hielt Stefan meine Hand fest und schüttelte leicht den Kopf hin und her.

„He so haben wir aber nicht gewettet“, meinte er grinsend. „Solche Attacken sind unfair und gemein und stehen nicht in den offiziellen Spielregeln.“

„Spielregeln... Pah... Wen interessieren schon Spielregeln“, entgegnete ich ihm und piekste ihn nun mit der anderen Hand in die Rippen. Nein Spielregeln waren doch langweilig und waren doch nur dazu da, sich über sie hinweg zu setzen.

Plötzlich setzte sich Stefan auf und ohne Vorwarnung fand ich mich auch schon mit dem Rücken auf der Wiese liegend wieder, meine Hände fest in seinem Griff.

„He wie war das mit den Spielregeln noch mal?“, fragte ich lachend, doch so wie es aussah, hatte ich verschissen.

„Ich dachte die interessieren dich nicht“, grinste Stefan und nun war er es, der mir mit dem Finger in die Seite piekste. Mal rechts und dann wieder links, so dass ich gar keine Zeit hatte, mich gegen die Angriffe zu wehren.

„Aufhören“, lachte ich und japste nach Luft. „Biiitteeee.“

Aber anstatt aufzuhören, machte Stefan erst recht weiter. Er wusste genau, dass ich kitzelig war und er wusste auch genau wo. Warum nur hatte ich ihm das im Urlaub auch verraten? Jetzt musste ich dafür büßen. Die Welt war doch einfach ungerecht. Doch als er gerade mal nicht aufpasste, witterte ich meine Chance und ehe er sich versah, lag er nun mit dem Rücken auf der Wiese. Aber ich wusste, dass wenn ich nicht schnell war, dass es ruck zuck wieder ich sein könnte. Also setzte ich mich frech auf seinen Bauch und sah ihn von oben herab an.

„Wer nicht hören will, muss fühlen“, meinte ich feixend und nun war ich es, die ihm in die Seiten piekste. Rache war doch noch immer das schönste Gefühl. Stefan versuchte natürlich meine Hände irgendwie zu fassen zu bekommen, aber ich machte es ihm alles andere als einfach. Ich wusste ja genau was ich tun musste, genauso wie er es bei wusste. Das war eben der Nachteil wenn man sich kannte. Auf irgendeine Art und Weise hatte es Stefan doch geschafft meine Hände zu fassen bekommen und mit einem Ruck lag ich auch schon wieder auf dem Rücken und er saß auf meinem Bauch.

„Wie war das gerade?“, lachte er und sah mich mit geneigtem Kopf an.

„Ähm ich ergebe mich?“, schlug ich grinsend vor und setzte einen unschuldigen Blick auf.
 

„Jetzt schaut euch mal die Beiden an“, hörte man plötzlich Max lachen und aus den Augenwinkel sah ich, wie er mit dem Finger auf mich und Stefan deutete. „Aber mir ständig unterstellen, ich würde an ihr rumbaggern.“

„Tja er machts wenigstens richtig“, lachte Per. „Er legt sie gleich flach, während du eine Chance nach der anderen vertust. Vielleicht solltest du dir mal an ihm ein Beispiel nehmen wie man es richtig macht.“

„Habt ihr eigentlich nur das eine im Sinn?“, fragte Tim und langte sich an den Kopf. Das war ja nicht mehr zum aushalten. Es verging wirklich kein einziger Tag, an dem das nicht das Thema eines Gespräches war.

„Ooooch ist da etwa jemand eifersüchtig?“, fragte Per und wuschelte Tim durch die Haare und bekam dafür einen bitterbösen Blick von Tim zugeworfen.

„Lass es einfach Per“, meinte Tim nur und drehte Per den Rücken zu. Sollte er sich doch jemand anderen suchen dem er auf die Nerven gehen konnte.

„Also wenn man euch beide so anschaut, da sollten doch eigentlich Max und du Stefan die Plätze tauschen“, rief Per grinsend wieder rüber und bekam nun von Max einen bösen Blick zugeworfen. „Oder bevor ich hier von Max erwürgt werde, schlaft am besten ab heute zu dritt in einem Bett.“

Nein Per konnte wirklich nie seine Klappe halten und er schaffte es immer wieder, im unpassensten Moment die unpassensten Kommentare abzulassen.
 

„Ich glaube der einzigste der hier eifersüchtig ist bist du Per“, rief ich zurück, was bei allen ein lautes Lachen bewirkte. „Im Gegensatz zu dir tun die anderen was, während du immer nur darüber redest. An deiner Stelle würde ich mir mal Gedanken machen.“

Es war göttlich nun Pers Gesicht zu sehen, der dreinschaute, als hätte man ihm einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf geleert. Nein damit hatte er jetzt wohl am allerwenigsten gerechnet. Aber wer austeilte, der musste bekanntlicherweise auch einstecken. Jetzt war eben der Punkte gekommen an welchem er einstecken musste.

Mit einem kurzen Ruck warf ich Stefan von mir runter und setzte mich auf der Wiese auf. Jetzt war ich auch wieder fit und das sogar vollkommen ohne Kaffee. Da stellte ich mir doch wirklich die Frage was besser war um wach zu werden. Kaffee oder die 5 Jungs.
 


 

„Wie ich sehe scheint ihr euch alle gut erholt zu haben“, hörte man plötzlich Benedikt lachen, der vollkommen unbemerkt aus dem Nichts aufgetaucht war. „Ich dachte schon ich müsste euch einzeln in München zusammen suchen.“

Auch er schien sich erholt zu haben, auf alle Fälle hatte er wesentlich bessere Laune als noch heute morgen. Der Tag hatte zwar nicht besonders gut angefangen, aber von Stunde zu Stunde die verging, schien er besser zu werden. So viel Spaß wie ich bisher hatte, hatte ich den ganzen letzten Monat nicht gehabt.

„Uns doch nicht“, grinste Per und schüttelte den Kopf.

„Wir hatten doch unseren offiziellen Rettungs- und Schutzengel bei uns“, grinste nun auch Tim.

„Euren wie bitte was?“, kam es verwirrt von Benedikt, der absolut nur Bahnhof verstand.

„Unseren offiziellen Rettungsengel, Schutzengel, Reiseleiter und Animateur in einem“, lachte Tim wieder und deutete nun mit dem Finger auf mich. „Sie!“

Benedikt sah Tim an, als würde er sich gerade fragen, unter welchem Einfluss Tim gerade stand, konnte sich dann aber ein Grinsen nicht verkneifen.

„Bedeutet das, dass ihr ohne sie nicht hier her gefunden hättet? Zumindest nicht im Ganzen?“, fragte er nach und das Grinsen wurde immer breiter.

„Korrekt!“, bestätigte Max und war der erste der aufstand.

Lachend langte sich Benedikt an den Kopf, den er kurz darauf nur noch schütteln konnte. Aber solange sie sich alle verstanden, war er beruhigt. Trotz anfänglichem Bedenken.

„Ok, dann würde ich jetzt einfach mal sagen ihr folgt nun mir, damit wir das Shooting in den Kasten bekommen“, meinte Benedikt dann ruhig und es musste sicherlich sehr amüsant ausgesehen haben, wie nun alle Benedikt hinterher liefen. Aber er war in diesem Moment der Einzige, der wusste wo das Shooting stattfinden würde.

Rivalen

„Ah da seid ihr ja und welch nette Begleitung habt ihr hier“, wurden wir dann auch schon von dem Fotograf begrüßt der das Shooting machen sollte. „Zu wem gehört sie denn?“ Es schien eine vollkommen beiläufige Frage zu sein, aber wenn man ihn genau ansah, dann roch er schon das Geld. Exklusivbilder und Story waren eben doch nicht von schlechten Eltern.

Die Jungs sahen einander an, ehe jeder mit dem Finger auf den anderen zeigte. „Zu ihm“, kam es gleichzeitig von ihnen, gefolgt von einem lauten Lachen. Sie hatten ihn genau durchschaut und würden sich hüten ihm auch nur einen Hinweis zu geben.

„Nein sie gehört zu mir“, meinte Benedikt dann und legte mir den Arm um die Hüften. „Schade und ich hatte mich schon auf ein paar persönlichere Bilder gefreut“, meinte der Fotograf und zuckte dann jedoch mit den Schultern. Zumindest offensichtlich hatte er sich mit der Erklärung abgegeben, aber trotzdem schielte er immer wieder her um zu schauen ob es tatsächlich der Wahrheit entsprach oder ob man versuchte ihn an der Nase herum zu führen.
 

„Dann wollen wir mal“, klatschte der Fotograf in die Hände und schon gab er auch die ersten Anweisungen. Er hatte sehr konkrete Vorstellungen in seinem Kopf und die versuchte er natürlich den anderen durch seine Anweisungen deutlich zu machen. Die Jungs machten genau was er ihnen sagte und bisher schien er sehr mit ihnen zufrieden zu sein.
 

„Wenn sie mir nur auch mal so gehorchen würden“, seufzte Benedikt und schüttelte den Kopf.

„Sind sie wirklich so schlimm?“, fragte ich nach, denn so recht konnte ich es mir eigentlich gar nicht vorstellen.

„Also manchmal da könnte ich sie wirklich.“

„So wie heute Morgen?“

„Du bringst es auf den Punkt“, lachte Benedikt und ging mit mir ein wenig beiseite, als er den Blick des Fotografen gesehen hatte, der sich wohl in seiner Konzentration gestört fühlte. „Sie wissen manchmal noch nicht so recht, was es heißt eine Band zu sein, was es heißt professionell zu sein. Da ist das feiern manchmal doch noch etwas wichtiger.“

„Nun ja, ich glaube daran müssen sie sich auch erst gewöhnen“, meinte ich und steckte die Hände in die Hosentaschen.

„Schon, aber trotzdem sollten sie endlich mal lernen dass Termine dazu da sind eingehalten zu werden und nicht gemacht werden um sie damit zu ärgern.“

„Sei nicht so streng zu ihnen, sie sind ja noch aus dem Bett gekommen“, grinste ich und erinnerte mich nur zu gut an heute morgen.

„Ich und streng? Die können froh sein dass Carl nicht da war“, kam es von Benedikt mit einem breiten Grinsen. „Der hätte sie wohl an den Ohren aus dem Bus gezerrt.“

„Du machst Witze oder?“

„Würde ich doch niemals tun“, lachte er auf und grinste aber so, dass es klar auf der Hand lag, dass er Witze gemacht hatte. „Gut an den Ohren vielleicht nicht, aber so gutmütig wie ich wäre er bestimmt nicht gewesen. Mir war es ja auch nicht so wirklich recht so viele Termine an einem Tag zu haben und hatte ja versucht diesen Termin auf Morgen zu verschieben, aber es ging leider nicht anders.“

„Auf Morgen?“

„Ja Morgen steht Day-Off an und nicht ein einziger Termin weit und breit. Wir hätten so viel Zeit gehabt, da wir erst Abends weiter fahren, aber nein es musste ja unbedingt heute sein“, seufzte Benedikt und warf einen Blick auf die Uhr. Der Soundcheck rückte immer näher und der Fotograf schien kein Ende finden zu wollen.

„Moment“, kam es entschuldigend von Benedikt, als wieder einmal sein Handy klingelte. In diesem Moment machte er einen Gesichtsausdruck, als würde er das kleine, nervige Ding am liebsten gegen die nächste Wand oder am besten gleich in die Isar werfen.
 

„Ich hab eine Idee!“, rief der Fotograf auf einmal und winkte mir zu. „Komm mal her bitte.“

Mit fragendem Blick sah ich ihn an, denn ich hatte absolut keine Ahnung was ich da jetzt bitte sollte.

„Na jetzt komm schon“, rief er wieder und schulterzuckend ging ich auf die Gruppe zu. Ich würde sicherlich noch früh genug erfahren, was er von mir wollte.

„So jetzt stell dich mal bitte zwischen Max und Tim“, meinte er zu mir und schob mich zu den beiden Jungs hin. „Und ihr nehmt sie jetzt in den Arm und ich möchte, dass ihr euch beide anschaut, als wärt ihr Rivalen ok?“

„Das fällt denen leicht“, lachte Per und bekam von mir für das Kommentar eine Kopfnuss verpasst.

„Per kannst du nicht einmal, nur ein einziges Mal deine Kommentare für dich behalten?“, fragte ich ihn und verdrehte die Augen. Da wurde doch der Hund in der Pfanne verrückt. Er konnte einfach nie seine Klappe halten und merkte nicht einmal, dass er damit so gut wie jedem auf den Keks ging.

„Ruhe und auf Position bitte“, kam die Anweisung des Fotografen und ich fragte mich gerade nur, auf was ich mich eingelassen hatte. Aber ich wollte mal nicht so sein und spielte das Spielchen einfach mal mit, war ja nichts dabei.

„Sehr gut... Sehr gut“, hörte man den Fotografen murmeln. „Ein bisschen mehr Rivalität bitte... Jaa... Genau so.... Perfekt!“

Nach einer halben Ewigkeit war der Fotograf endlich mit dem Ergebnis zufrieden und erlöste uns aus der Position.

„So ich glaube ich hab alles was ich brauche“, meinte er und nickte mit dem Kopf. „Sobald alles fertig ist, werde ich mich bei euch melden, dann könnt ihr die Abzüge anschauen. Welche dann letztendlich genommen werden, darüber sprechen wir dann auch noch.“
 

In diesem Moment kam auch Benedikt wieder zurück zur Gruppe und sah ein wenig verdutzt drein, als er mich bei der Gruppe stehen sah, aber er sagte kein Wort. Aber ob das ein gutes Zeichen war oder genau das Gegenteil, das war schwer zu erkennen.

„Ihr scheint fertig zu sein... Sehr gut“, meinte er ruhig und unterhielt sich dann für einen kurzen Moment mit dem Fotografen um die letzten Dinge abzusprechen, die es noch zu klären galt. Dann drehte er sich um und kam wieder auf uns zu. „Ok dann werden wir jetzt mal zurück zur Halle fahren, denn wir haben nur noch eine dreiviertel Stunde Zeit, dann beginnt auch schon der Soundcheck. Das Auto steht übrigens dort hinten“, erklärte er kurz und schon setzte sich die ganze Mannschaft auch schon wieder in Bewegung. Ich wusste nur dass ich froh war, endlich mal alle Viere von mir strecken zu können, wenn wir zurück an der Halle waren. Während die Jungs ihren Soundcheck hatten, würde ich mich vollkommen faul irgendwo hinsetzen, denn mir taten so langsam die Füße weh. Dann würde ich mir eine große Tasse Kaffee zu Gemüte führen, denn sonst würde ich wohl den nächsten Tiefpunkt der sich gerade wieder anbahnte, nicht überleben. Aber ich war so gespannt auf das Konzert, das wollte ich einfach nicht im Halbschlaf erleben, also musste ich im voraus schon ein wenig Ruhe und Kraft tanken.

Alte Bekannte

Ich warf einen Blick auf die Uhr und die sagte mir, dass es so langsam mal Zeit wurde, den Bus zu verlassen um den anderen zu helfen. Auch wenn mir viele eine gute Nacht gewünscht hatten, so hatte ich kein einziges Auge zugetan. Um ehrlich zu sein hatte ich es zwar versucht, aber geklappt hatte es natürlich nicht. So war ich einfach nur faul auf dem Bett gelegen und hatte die Decke des Busses angestarrt. Aber dennoch fühlte ich mich wesentlich erholter als vorher noch. Vielleicht lag es auch nur daran, dass ich endlich mal ein paar Minuten für mich gehabt hatte, frei von Stress und frechen Kommentare. Rasch zog ich mich um und verließ den Bus. Es standen schon jede Menge Mädchen vor dem Eingang und warteten darauf, dass sie endlich rein konnten. Zum Glück brauchte ich mir das nicht antun, sondern konnte einfach so reingehen.
 

„Wen haben wir denn da?“, hörte ich eine Stimme, die es mir kalt den Rücken runter laufen ließ. „Ich hoffe du hast nicht vergessen was ich dir gesagt habe?“

Ich blieb stehen und sah das Mädchen mit ruhigem, aber kühlen Blick an.

„Gibt es etwas das du mir noch sagen wolltest?“, fragte ich ruhig und verschränkte die Arme. Hatte das Gör doch tatsächlich die Frechheit besessen, hier aufzutauchen. Obwohl es wäre auch seltsam gewesen, hätte sie es nicht getan.

„Ich hatte euch beobachtet“, meinte das Mädchen und trat einen Schritt auf mich zu.

„Nicht wahr?“, meinte ich mit einem leicht sarkastischen Unterton und zog eine Augenbraue nach oben. „Wirklich?“

„Du hast nicht das getan was ich dir gesagt hab“, kam es leise und drohend von dem Mädchen welches einen weiteren Schritt auf mich zugekommen war.

„Und jetzt? Willst du mich hier in aller Öffentlichkeit dafür büßen lassen?“, fragte ich ruhig und ließ das Gör aber nicht eine Sekunde aus den Augen. So wie sie gerade drein blickte, traute ich ihr alles zu.

„Ja das hab ich vor“, meinte sie kalt, hob ihre Hand, doch bevor auch nur etwas passieren konnte wurde sie von einem „Gibt es hier ein Problem?“ in ihrer Handlung unterbrochen.

Ruhig drehte ich mich um und sah Benedikt an.

„Nein sie wollte mir nur nicht glauben, dass Einlass erst um 7 ist“, sprach ich ruhig und warf dem Mädchen einen Seitenblick zu. „Aber das haben wir geklärt.“

„Na dann ist ja gut“, meinte Benedikt und warf einen Blick auf die Uhr. „Ich wollte dich nämlich gerade holen du wirst drin gebraucht. Ingo sucht dich schon überall.“

„Dann will ich ihn mal nicht länger warten lassen“, kam es dann vor mir, ehe ich an der Security vorbei ging und in der Halle verschwand. Aber trotz allem hörte ich noch wie Benedikt dem Mädchen eine wichtige Lektion mit auf den Weg gab. Freundlich wies er sie nämlich darauf hin, dass wenn sie Ärger machen würde, das Konzert für sie gelaufen sei. Schade war nur, dass ich in diesem Moment ihr Gesicht nicht sehen konnte, aber man konnte nun einmal nicht alles haben. Ich war schon froh, sie jetzt erst einmal eine Weile los zu sein und auch, dass es draußen nicht zu weiteren Schwierigkeiten gekommen war.
 

„Du hast mich gesucht?“, fragte ich Ingo und trat an den Merchandisestand heran.

„Dich gesucht?“, kam es verwundert von Ingo der ziemlich überrascht aussah.

„Ja Benedikt hat gemeint du hättest mich schon überall gesucht.“

„Dann hat er dich auf den Arm genommen“, lachte Ingo und pinnte das letzte Shirt an die schwarze Wand. „Ich hoffe nur er hat dich deswegen nicht extra aus dem Bett geworfen.“

„Nein hat er nicht und wenn... Ich hab so oder so nicht geschlafen“, meinte ich und kam um den Tisch herum. Es hatte sich einfach seit Berlin so eingebürgert, dass ich ihn während und nach den Konzerten am Stand unterstützte. *Nein, das muss ich jetzt nicht verstehen oder?*, sprach ich wieder einmal in Gedanken mit mir selbst und versuchte gerade die einzelnen Puzzelteile zu einem Ganzen zusammen zu fügen, was mir aber nur spärlich gelang. Aber egal wie das jetzt von Benedikt gemeint gewesen war, es hatte geholfen und das alleine zählte in diesem Moment.
 

Das Konzert war einsame spitze gewesen, fast sogar noch besser als das in Nürnberg, aber nicht so gut wie das in Berlin. Aber es war auch nicht schwer bei drei Konzerten sich zu entscheiden was besser war. Vermutlich würde mir Ende dieser Woche die Entscheidung erst so richtig schwer fallen. Aber im Moment wollte ich gar nicht an das Ende dieser Woche denken, dafür lag noch viel zu viel vor mir was es zu genießen galt. Außerdem wenn man zu sehr über das Ende von etwas nachdachte, dann war es viel zu früh da. Nein aktuell könnte die Woche ewig dauern, trotz der kleinen Gemeinheiten und des Stresses. Es gab ja auch genügend lustige Momente, die das alles locker wieder wett machten.
 

„Sag mal du kommst doch später sicherlich mit oder?“, fragte mich Tim und piekste mir in die Rippen.

„Wie? Wat später?“, fragte ich zurück, denn ich hatte gerade das Gefühl gewaltig auf dem Schlauch zu stehen oder mir wurde mal wieder eine Frage zu einem Thema gestellt von dem ich nichts wusste. Wäre ja nicht das erste Mal.

„Wir gehen später noch nach München und da kommst du doch bestimmt mit. Ein wenig um die Häuser ziehen, die Clubs unsicher machen und so Kram halt.“

Ok es war tatsächlich mal wieder ein Thema von dem ich nichts wusste. Aber gut, dann wollten wir mal überlegen, ob das eine Option für den Abend war oder eher nicht. Einerseits würde es sicherlich lustig werden mit den Jungs um die Häuser zu ziehen, aber andererseits würde ich es am nächsten Tag bitter bereuen. Ich fragte mich so oder so bereits, woher die Jungs diese Energien hernahmen. Alleine von den Massen was sie an Red Bull in sich hinein schütteten konnte es doch nicht alleine liegen oder etwa doch?

„Ja also was ist jetzt?“, fragte Tim nach und es sah danach aus, als wollte er gleich sofort jetzt und hier eine Antwort von mir haben.

„Ihr werdet zwar sicherlich enttäuscht sein, aber ich werde wohl hier bleiben“, meinte ich nach kurzer Überlegung und sah Tim entschuldigend an.

„Das ist jetzt nicht dein ernst oder?“

„Doch ist es“, lachte ich leise auf und nickte zusätzlich mit dem Kopf.

„Das kannst du uns doch nicht antun!“

„Ich glaube es tut euch mal ganz gut wieder unter euch zu sein und mir tut es mal ganz gut ein wenig Zeit für mich zu haben.“

„Ja aber dafür hast du morgen doch immer noch genügend Zeit“, versuchte Tim mich zu überreden und setzte einen bettelnden Blick auf.

Lachend schüttelte ich den Kopf und steckte die Hände in die Hosentaschen.

„Gib es auf Tim, du schaffst es mich nicht zu überreden“, meinte ich schmunzelnd. Es war zwar schön zu wissen, dass man mich gerne dabei haben würde, aber ich war nun mal der festen Überzeugung, dass die Jungs dringend mal wieder unter sich sein mussten. So konnten sie mal wieder richtig einen drauf machen ohne dabei überlegen zu müssen welchen Eindruck sie wohl bei mir hinterließen.

„Und du bist dir da auch sicher? Ich meine so wirklich richtig und ganz und so weiter überhaupt eben?“

„Ja so richtig felsenfest mit Schwur wenn es sein muss“, lachte ich und nickte wieder mit dem Kopf. „Sehe es doch mal positiv Tim... Heute Abend werden euch sicherlich genügend Mädels über den Weg laufen und wenn ich nicht dabei bin, dann kommen auch keine Missverständnisse auf.“

Tim verzog das Gesicht und sah kurz auf seine Schuhe herunter, ehe er mich wieder ansah.

„Das ist was anderes“, meinte er und schien mit meiner Antwort überhaupt nicht zufrieden zu sein. „Das ist einfach nicht das Gleiche. Aber gut ich sehe schon, dich kann man wirklich nicht mehr überreden.“

Leise seufzte Tim auf, zuckte mit den Schultern und ging dann zu den anderen. Irgendwie tat es mir ja schon leid dass ich nicht mitkam und mir war auch klar, dass ich wohl eine verdammt geile Party verpassen würde, aber mir war heute einfach nicht nach feiern. Einfach irgendwohin setzen, die Seele baumeln lassen und den Abend ruhig ausklingen lassen. Das hörte sich für mich in diesem Moment einfach die perfekteste Lösung. Außerdem kam ich auf diesem Weg auch mal früher ins Bett und konnte schlafen, ohne dass mich das Geschnarche von dem einen oder anderem noch ewig lang am einschlafen hinderte.
 

Die Jungs hatten sich verabschiedet und versprochen auch leise zu sein, wenn sie zurück kommen würden. So wirklich dran glauben tat ich zwar nicht, aber sie konnten dann ja beweisen wie leise sie wirklich sein konnten, sofern sie wollten und es bis dahin nicht schon wieder vergessen hatten. Grinsend sah ich ihnen nach wie sie in der Dunkelheit verschwanden und verschwand dann selbst im Bus. Ich zog mich um und legte mich ins Bett. Ich drehte mich auf die Seite, schloss die Augen und versuchte einfach mal an nichts zu denken, aber es wollte einfach nicht klappen. Also drehte ich mich auf die andere Seite, doch es war genau das gleiche Spiel. *Das kann doch nicht wahr sein*, seufzte ich in Gedanken und drehte mich auf den Rücken und starrte nun die Decke des Busses an. Ich war einerseits müde und trotzdem konnte ich nicht schlafen. Es war einfach viel zu still um mich herum, dass es beinahe schon beängstigend war. Daheim war ich froh wenn alles um mich still war, damit ich auch einschlafen konnte aber jetzt, jetzt war es mir irgendwie zu still. Das Bett war viel zu groß, viel zu kalt und irgendwie wirkte alles so fremd.

„Du spinnst“, meinte ich zu mir selbst, drehte mich auf die Seite und schloss wieder die Augen. Es musste doch irgendwie klappen. Vermutlich brauchte es einfach nur Zeit, anders machte das alles doch auch gar keinen Sinn. Doch das Einschlafen wollte und wollte einfach nicht klappen. Es war zum verrückt werden. Frustriert stand ich auf, zog mir wieder etwas an und verließ den Bus. Vielleicht machte mich ja die frische Luft müde, allerdings musste ich aufpassen, dass ich niemanden über den Weg lief, der mich wieder wach machte und der einzigste Platz der mir in diesem Moment einfiel war das Busdach. Man konnte hervorragend darauf sitzen, man war außer Sichtweite und niemand würde auf die Idee kommen dass dort oben jemand sitzen könnte. Leise stieg ich die Leiter nach oben und machte es mir auf dem Dach bequem. Der Bus war so geschickt geparkt, dass man sich ohne weiteres mit dem Rücken an die dahinterliegende Hauswand anlehnen konnte und das ohne sich dabei verrenken zu müssen. Seufzend sah ich in den Himmel, der an diesem Abend frei von jeglichen Wolken war und kramte in der Hosentasche nach meinen Kippen. Ich zündete mir eine an und ließ den Rauch langsam aus meinen Lungen entweichen, als ich ein Geräusch vernahm und die Luft anhielt.....

Verwirrt

„Was machst du denn hier oben?“, hörte ich Benedikts Stimme fragend und in diesem Moment fiel mir wohl ein ganzer Felsbrocken vom Herzen.

„Die Aussicht genießen?“, meinte ich schmunzelnd, was er in der Dunkelheit allerdings nicht sehen konnte.

„Die Aussicht?“, kam es zweifelnd zurück und ich musste leise auflachen.

„Ja die solltest du dir unbedingt mal anschauen.“

Ich hörte wie jemand die Leiter hinauf stieg und grinste als ich Benedikts zweifelndes Gesicht erblickte. Er sah sich um und lachte leise auf.

„Eine wunderschöne Aussicht, da muss ich dir recht geben“, lachte er, denn im Endeffekt sah man diesem Platz aus auf nichts anderes als ein paar Bäume. Bäume die man auch ohne weiteres von unten aus betrachten konnte. Dafür brauchte man auf keinen Bus steigen und das wusste er genauso gut wie ich es wusste. Es tat gut ihn so befreit lachen zu hören, denn er hatte wohl heute den stressigsten Tag von allen gehabt. Wenn er mal nicht gerade etwas abgeklärt hatte, so war er mit dem Handy am Ohr durch die Gegend gelaufen. Er war wohl genauso froh über die Ruhe wie ich es auch war.

„Willst du jetzt dort stehen bleiben oder dich nicht besser hinsetzen?“, fragte ich lachend und klopfte mit der Hand auf den Platz neben mir. „Außer natürlich du ziehst es vor vom Dach zu stürzen oder dich ins Bett zu legen.“

„Weder das eine noch das andere“, lachte Benedikt auf und fügte schnell ein „Was die letzteren beiden Möglichkeiten angeht natürlich“ hinzu. Mit wenigen ruhigen Schritten war er zu mir getreten und saß nun ebenfalls mit dem Rücken an die Wand gelehnt auf dem Dach des Busses.

Für einen Moment lang sah er schweigend in die Nacht hinaus, ehe er seinen Kopf ein Stücken drehte und mich von der Seite her ansah.

„Und was machst du hier oben so alleine? Ich dachte du bist mit den Jungs unterwegs“, fragte er ruhig und legte seine Hände auf seine Knie.

„Nein ich hatte mir gedacht dass es besser wäre, wenn sie mal wieder unter sich sein können“, erklärte ich ruhig und zog wieder an meiner Zigarette. „Wenn es um Männerkram geht da bleibt die Frau wohl besser daheim.“

Lachend schüttelte Benedikt den Kopf.

„Gib doch einfach zu dass du vor ihnen geflüchtet bist“, lachte er und schubste mich leicht.

Ich warf einen Blick nach rechts, dann einen Blick nach links, lehnte mich ein wenig zu ihm hin und flüsterte: „Das bleibt aber unter uns damit das klar ist?“

„Ich werde kein Sterbenswörtchen verraten... Versprochen“, flüsterte Benedikt zurück und hob die Hand zum Schwur.

Grinsend lehnte ich mich wieder an die Wand und sah zu den Sternen hinauf, die so hell wie schon lange nicht mehr am Himmel erstrahlten.

„Und? Bereust du es schon auf ihr Angebot eingegangen zu sein?“, fragte er ruhig und sah wie ich ebenfalls zum Himmel hinauf.

„Ich hätte es wohl eher bereut wenn ich es nicht getan hatte“, antwortete ich ihm ruhig und hatte über meine Antwort erst gar nicht nachdenken müssen. Es war einfach so. „Wann bekommt man schon einmal eine solche Chance im Leben? Da muss man zugreifen solange sie sich einem bietet. Ein zweites Mal bekommt man sie gewiss nicht mehr. Sicherlich sind die Jungs manchmal etwas anstrengend, aber dafür gibt es immer wieder Momente, die alle Gemeinheiten wieder wett machen.“

Benedikt nickte leicht mit dem Kopf.

„Ich weiß was du meinst“, lachte er leise auf. „Manchmal da könnte ich sie alle in einen Sack stecken und in anderen Momenten bin ich froh ein Teil dieser Chaostruppe zu sein. Es ist immer etwas besonderes mit so jungen Leuten auf eine Tour zu gehen, auch wenn es eine kurze ist.“

„Meinst du solche Momente wie heute morgen?“, fragte ich grinsend nach und konnte mich noch zu gut an seinen Gesichtsausdruck erinnern.

„Genau solche Momente“, kam es von Benedikt, der sich lieber nicht an den Morgen zurück erinnern wollte. „Aber sie haben ja noch ein wenig Zeit um all solche Sachen zu lernen.“

Ich nickte leicht mit dem Kopf. Wir alle mussten lernen und es hörte auch das ganze Leben über nie auf. Es gab immer etwas zum lernen, egal ob man 10 Jahre alt war oder ob man 50 Jahre alt war. Das ganze Leben war ein Lernprozess und selbst im Tod lernte man noch etwas.

Eine leichte Windböe ließ mich kurz frösteln und ich schlang meine Arme um meine Schultern.

„Kalt?“, fragte Benedikt und sah mich wieder von der Seite her an.

„Ein klein wenig, aber geht schon“, meinte ich ruhig und sah zu, wie sich die Blätter der Bäume leicht im Wind hin und her bewegten, wie als würden sie an unsichtbaren Fäden gezogen.

„Warte“, kam es von Benedikt der sich ein Stückchen nach vorne beugte, seine Jeansjacke auszog und sie mir über die Schultern legte. „Jetzt sollte es gleich wärmer werden.“

„Danke, aber wenn du frieren solltest, dann sagst du es ok?“, meinte ich zu ihm und zog mir die Jacke an. Er hatte recht gehabt, sofort wurde es mir wärmer und ich zog die Jacke etwas enger um meine Schultern.

„Kennst du das Gefühl zu träumen obwohl man wach ist?“, fragte ich ruhig und zog meine Beine an.

„Inwiefern?“, kam es fragend von Benedikt der mich wieder von der Seite her ansah.

„Nun ich sitze hier oben auf einem Dach, mitten in der Nacht, bin mit Empty Trash auf Tour, schlafe mit ihnen in einem Bus, kann eine Woche lang mit ihnen verbringen und.... Das ist doch verrückt... Ich meine ich kann es noch immer nicht glauben. Wenn ich mir in den Arm kneife, dann tut es weh, was bedeutet ich kann nicht träumen und trotzdem kommt mir alles wie ein Traum vor“, erklärte ich leise und legte meinen Kopf auf meine Knie, so dass ich ihn ansehen konnte. „Ich erlebe das, wofür mich tausende von Mädchen dort draußen beneiden und dabei war alles nur ein Zufall.“

Leise lachte Benedikt auf und lehnte sich wieder mit dem Rücken an die Wand.

„Weißt du, als mich die Jungs in Berlin mit ihrem Vorschlag überrascht hatten, da hatte ich anfangs meine Bedenken ob es wirklich gut geht wenn du mitkommst“, sprach Benedikt ruhig und sah in die Dunkelheit hinaus. „Ein Mädchen unter 5 Jungs kann sehr schnell zu Spannungen und letztendlich zum Streit führen. Man sitzt sich mehr oder weniger 24 Stunden am Tag auf der Pelle und das ist für eine Band schon schwer. Wenn da noch ein Mädchen mitten drin sitzt, dann ist das Chaos eigentlich schon vorprogrammiert.“

Ich verstand genau was er meinte, denn die gleichen Gedanken hatte ich ja auch schon gehabt, besonders in Bezug auf Stefans Maxs Verhalten. Bis jetzt war alles gut gegangen oder hatte sich zumindest wieder eingerenkt, aber ob das auch weiterhin so sein würde, das stand wohl in den Sternen.

„Du sagtest Anfangs“, meinte ich ruhig zu ihm, sah ihn an und wusste jetzt nicht ob er lachte oder ob er zitterte. Aber da man nichts von einem Lachen hören konnte, so musste er wohl zittern. Ich richtete mich wieder auf und wollte gerade die Jacke ausziehen, als er mich bei meinem Vorhaben unterbrach.

„Nein die lässt du an.“

„Ja aber du frierst doch.“

„Ich werde schon nicht krank“, meinte er grinsend und weigerte sich weiterhin die Jacke wieder zurück zu nehmen.

„Dann setzen wir uns einfach in den Bus“, schlug ich vor, denn das Gespräch war ja noch lange nicht beendet. Zumindest nicht für mich.

„Ich habe eine bessere Idee“, lachte Benedikt und ging den Rand des Daches. „Ingo? Wirfst du mir mal die Decke hoch die bei uns vorne liegt?“

„Benedikt? Wo bist du?“

„Na auf dem Dach“, lachte Benedikt und winkte mit der Hand.

„Was machst du bitte auf dem Dach? Und wer ist da noch dabei?“

„Wir genießen die Aussicht, was sonst?“, lachte Benedikt und warf mir über die Schulter einen Blick zu.

„Ahja... Die Aussicht also... Muss ja eine besonders interessante Aussicht sein“, lachte Ingo nur und man hörte Schritte die erst leiser wurden und dann wieder lauter und plötzlich tauchte Ingos Kopf am Rand des Daches auf.

„Hier habt ihr die Decke aber passt auf dass euch die Aussicht nicht zu Kopf steigt“, meinte er und verschwand dann auch schon wieder.

Ich zog nur leicht die Augenbrauen über das Kommentar nach oben. Aber scheinbar lag das hier in der Familie dass jeder jeden auf den Arm nahm und das bei jeder Gelegenheit die sich bot.

Mit der Decke im Arm kam Benedikt zurück, setzte sich wieder auf das Dach und legte dann die Decke erst über seine Schulter und machte dann eine einladende Bewegung als Zeichen, dass ich näher rücken sollte. Ich musste leise vor mich hin schmunzeln und rückte näher zu ihm heran. Mit der Decke in der Hand legte er seinen Arm um meine Schultern und mit der anderen schloss er die Decke vorne, so dass es so schnell nicht mehr kalt werden konnte.

„Jetzt wird es uns beiden warm und das ohne dass wir auf unsere Aussicht verzichten müssen“, meinte er lächelnd und sah mich an.

„Erfinderisch muss man sein“, gab ich lächelnd zurück und lehnte mich leicht gegen seine Schulter. „Aber um auf den Vorschlag zurück zu kommen. Du hattest gemeint du hattest Anfangs deine Bedenken... Hast du die denn immer noch?“

Ich sah ihn leicht von unten herauf an, gespannt auf die Antwort die er mir geben würde. Ja es interessierte mich wirklich ob er noch immer Bedenken hatte oder ob sich das geändert hatte. Und wenn es sich geändert hatte, dann zum positiven oder vielleicht doch zum negativen. Ich hatte manchmal einfach das Gefühl aus ihm nicht schlau zu werden, was es mir nicht gerade einfacher machte.

„Was denkst du denn?“, fragte er ruhig nach und tippte mir mit dem Zeigefinger auf die Nase.

„Das ist gemein!“, lachte ich auf und rümpfte ein wenig die Nase.

„Gut, dann will ich mal nicht so sein und dir deine Frage beantworten“, meinte er ruhig und zog die Decke etwas fester. „Nein ich habe keinerlei Bedenken mehr. Ich meine es hört sich etwas seltsam an, aber ich glaube, es wäre ein Fehler gewesen dich nicht mit zu nehmen.“

„Du nimmst mich doch jetzt auf den Arm oder?“, fragte ich ungläubig nach, denn mit dieser Antwort hätte ich jetzt wohl am allerwenigsten gerechnet. Nein er musste mich auf den Arm nehmen, das ging gar nicht anders.

„Also wenn dann habe ich dich im Arm“, lachte Benedikt auf. „Aber gewiss nicht auf dem Arm.“

„Hmpf“, murmelte ich nur, denn es war einfach gemein, wenn man jemanden auf eine Antwort warten ließ.

„Nicht böse sein“, meinte Benedikt und wuschelte mit mit der freien Hand durch die Haare. „Ich habe es wirklich so gemeint wie ich es gesagt habe.“

Er machte eine kleine Pause und sein Blick richtete sich wieder hinaus in die Nacht, die sich wie ein schwarzes Tuch über die Welt gelegt hatte.

„Es mag sich jetzt für dich sicherlich ein wenig seltsam anhören, aber ich habe einfach das Gefühl, dass du den Jungs gut tust“, erklärte er seine Meinungsänderung und sah mich dann wieder von der Seite her an. „Ich habe dich und Max beobachtet und wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich ja jetzt sagen, dass sich da was anbahnt.“

„Tut es aber nicht“, widersprach ich sofort und hob meinen Kopf um ihn direkt anschauen zu können.

„Ich sagte ja wenn ich es nicht besser wüsste“, lachte Benedikt auf. „Ihr seid euch beide sehr ähnlich. Ihr ergänzt euch an den einen Stellen und an den anderen Stellen gleicht ihr euch aus. Ich glaube manchmal, dass euch das selbst noch nicht aufgefallen ist wie ähnlich ihr euch seid.“

„Und das ist der Grund?“, fragte ich vorsichtig nach, denn das konnte ja wohl noch nicht alles gewesen sein. Etwas dürftig für eine Erklärung.

„Einer, aber nicht der Einzige“, sprach Benedikt weiter und sah mich wieder an. „Stefan ist wesentlich offener geworden seit du dabei bist. Allgemein das ganze Klima ist viel offener geworden. Ich weiß dass es für dich jetzt schwer vorstellbar ist, da du ja letzte Woche nicht dabei gewesen bist. Aber so wie es aussieht führt der Schutzengel nicht etwa zu Ärger, sondern bewirkt genau das Gegenteil.“

So jetzt hatte ich meine Antwort, aber sie brachte mich gerade vollkommen aus dem Konzept. Ich und Max sollten uns ähnlich sein? Gut hin und wieder stellte ich ein paar Gemeinsamkeiten fest, aber doch nicht so viele, dass es andere auch erkennen konnten. Und Stefan war doch schon immer ein offener Mensch gewesen, zumindest so wie ich ihn in Erinnerung hatte. Also für mich passte das alles zwar zusammen, aber dann doch auch wieder nicht. Aber ich musste mich wohl mit dieser Antwort zufrieden geben, denn ich glaubte kaum, dass es eine andere geben würde.

„Für ein abschließendes Urteil sollten wir wohl lieber den letzten Tag abwarten“, meinte ich schmunzelnd und lehnte meinen Kopf auf seine Schulter. Ich war einfach müde und so war es doch gleich wesentlich bequemer.

„Du denkst jetzt schon an den letzten Tag?“, fragte Benedikt leise nach und sah schmunzelnd auf mich herunter.

„So habe ich das jetzt nicht gemeint“, protestierte ich leise.

„Wie denn dann?“

„Nun... Du bist dir da jetzt schon so sicher und ich bin doch jetzt gerade mal seit wenigen Tagen dabei... Ich kann mir einfach nicht vorstellen woher du deine Sicherheit nimmst“, versuchte ich ihm das Gefühl zu erklären was ich hatte.

„Ich habe mit so vielen Menschen zum tun durch meinen Job, glaub mir da lernt man Menschen sehr schnell einschätzen“, lacht er leise und lehnte seinen Kopf leicht gegen meinen.

„Und du meinst das klappt bei mir auch?“

„Ich denke mal schon“, meinte er leise und schien wirklich davon überzeugt zu sein.

„Ach ja?“, kam es grinsend von mir und ich hob meinen Kopf und sah ihm in die Augen. „Wie schätzt du mich denn ein?“

Jetzt war ich doch direkt mal gespannt was jetzt als Antwort kommen würde, sofern er mir überhaupt eine Antwort geben würde.

„Ich glaube das willst du gar nicht wissen“, lachte Benedikt leise auf und versuchte wohl so um eine Antwort herum zu kommen, doch so einfach würde ich es ihm bestimmt nicht machen. Ich bewegte leicht meinen Zeigefinger vor seinem Gesicht hin und her und schüttelte den Kopf.

„Benedikt“, sagte ich ruhig und sah ihm weiter in die Augen. „Wer A sagt muss auch B sagen, ansonsten funktioniert das nicht.“

„Oder eben V“, grinste er und lachte dann leise auf, als er mein fragendes Gesicht sah.

„V? Wie kommst du jetzt bitte auf V?“, fragte ich nach und kratzte mir mit der Hand am Hinterkopf. Also den Gedankensprung konnte ich jetzt absolut nicht nachvollziehen.

„Das Leben geht oftmals seltsame Wege die man nicht auf den ersten Blick erkennt und die sich einem erst aus dem Zusammenhang erschließen“, meinte er ruhig und stupste mir mit dem Finger wieder auf die Nasenspitze. Dann zog er mich wieder an sich und wickelte uns wieder in die Decke ein, denn es war kurz mal doch recht kühl geworden. Verwirrt legte ich wieder meinen Kopf auf seine Schultern und ich merkte wie es in meinem Kopf ratterte um eine Verbindung zu entdecken, die sie mir aber einfach nicht erschließen wollte.

„Denk nicht drüber nach“, meinte Benedikt leise und fuhr mir mit der Hand über den Kopf. „Wenn es so weit ist, wirst du es erkennen und handeln.“

Ok, jetzt war ich vollkommen verwirrt. Aber es war ja auch kein Wunder wenn man zu dieser Nachtzeit von mir noch solch hochkomplizierte Gedankengänge verlangte. Nein dafür war es jetzt wirklich nicht die Zeit. Zu einem anderen Zeitpunkt gerne, aber nicht jetzt.

„Und was hast du morgen so alles vor?“, fragte er ruhig und sah mich wieder von oben herab an.

Leicht zuckte ich mit den Schultern. Ich hatte mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken darüber gemacht. Es war ein langer Tag, da konnte man so vieles machen oder eben auch gar nichts.

„Das werde ich wohl entscheiden, wenn ich es mal geschafft habe aus dem Bett zu kriechen“, lachte ich leise und musste leise gähnen. Wie hätte es auch anders sein sollen?

„Ich glaube da wird jemand müde?“

„Aber nur ein kleines bisschen“, meinte ich und deutete mit den Fingern an wie groß das Bisschen war.

„Mir hat man schon vieles nachgesagt, aber dass ich einschläfernd bin, das kam bisher noch nie vor“, schmunzelte Benedikt und erst recht, als ich ihn aus großen Augen ansah.

„So war das jetzt nicht gemeint“, meinte ich schnell und mit einem entschuldigenden Unterton in der Stimme.

Benedikt lachte auf, wuschelte mir diesesmal mit beiden Händen durch die Haare, ehe er mich einfach in die Arme schloss.

„Ich glaube ich muss dich mal vor den bösen Jungs beschützen“, lachte er leise und sah mich wieder an. „Die nehmen dich einfach zu oft auf den Arm, wenn du jetzt schon so reagierst.“

Ich war Gott froh dass es dunkel war und er so nicht sehen konnte wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Ich wusste nicht warum, aber irgendwie war es mir peinlich.

„So schlimm sind sie doch auch wieder nicht“, murmelte ich leise und tippelte leicht mit den Fingerspitzen auf seiner Schulter. „Nur ein wenig frech.“

Ich neigte leicht meinen Kopf und sah Benedikt wieder in die Augen.

„Dabei hast du das gar nicht verdient“, meinte er plötzlich leise und strich mir mit dem Daumen über die Wange. Leicht legte ich meine Wange in seine Hand und wusste selbst nicht so genau warum ich es tat. Vielleicht lag es an dem Gespräch oder auch einfach nur an diesem besonderen Augenblick. Der Mond blickte auf uns herab, als sich unser beider Gesichter langsam näherten. Es würde nur noch einen Augenblick benötigen ehe sich unsere Lippen berühren würden, als ein lauter Lärm die nächtliche Stille und den Bann der sich über uns gelegt hatte durchbrach.

Blaue Bande

„Wir sollen doch leise sein“, hörte man Per murmeln, der zwar versuchte leise zu sein, der es aber absolut nicht hinbekam.

„Ooops“, hörte man nur von Tim, der beinahe die Mülltonne umgeworfen hätte, die direkt neben dem Bus an der Wand stand.

„Jetzt seid doch mal leise“, kam es nun von Max, der an der Türe des Busses rumfummelte, sie aber einfach nicht auf zu bekommen schien.
 

Ich sah Benedikt an und senkte dann verlegen meinen Blick. Die Situationen war mir auf einmal sowas von peinlich, dass mir sogar die Worte fehlten um es erklären zu können.

„Ich...“, fing ich an und deutete mit der Hand auf den Bus, bevor ich einfach irgendwohin zeigte. „Also runter.... Nicht dass.... Ich meine ich sollte wohl besser... Also du weißt schon.“

*Sag demnächst am besten gar nichts!*, meckerte ich mich in Gedanken selbst an, denn anstatt hier zu stammeln, wäre schweigen wohl die bessere Entscheidung gewesen. Aber ich war noch immer so neben der Spur, dass ich einfach nicht mehr klar denken konnte.

Benedikt seufzte leise und nickte einfach nur mit dem Kopf. Er wusste selbst nicht was er von der Situationen gerade halten und denken sollte. Geschweige denn wusste er in diesem Moment, was er von sich denken sollte. Wie hatte er sich nur so von der Situation beeinflussen lassen können? So etwas durfte ihm einfach nicht passieren.

Langsam nahm ich die Decke von meiner Schulter, zog die Jacke aus und legte sie ihm in den Schoß.

Einerseits wollte ich gehen und andererseits auch wieder nicht. Es war einfach komisch jetzt auf zu stehen und zu gehen. So ganz ohne etwas zu sagen, ohne über das was gerade beinahe passiert war zu reden, aber musste man denn immer über alles reden? Konnte man denn nicht einfach nur mal etwas hinnehmen so wie es war? Vielleicht war es genau das, was ich jetzt tun sollte. Es einfach akzeptieren und mir weiter keine Gedanken machen. Es war aus dem Affekt, aus dem Moment heraus passiert und hatte nichts weiter zu bedeuten.

Langsam stand ich auf und ging auf die Leiter zu, die wieder auf den Boden zurück führte und wohl in diesem Moment auch auf den Boden der Tatsachen. Ich warf noch einmal einen Blick zu Benedikt, der nachdenklich dasaß und seine Jacke in den Händen hielt.

„Schlaf gut“, sagte ich leise und stieg dann die Leiter nach unten.
 

„So blau dass ihr die Tür nicht mehr aufbekommt“, meinte ich zu den Jungs, die noch immer vor dem verschlossenen Bus standen.

„Boah! Hast du mich jetzt erschrocken!“, rief Per aus und hatte sich die Hand an die Brust gelegt.

„Der Himmel hat uns einen Engel geschickt“, kam es nun von Tim, der mir überschwenglich um den Hals fiel. „Es stimmt also doch dass alles Gute von oben kommt.“

„Wo kommst du denn so plötzlich her?“, fragte nun auch noch Max, der noch immer versuchte die Türe des Busses zu öffnen.

„Ich komme von da“, meinte ich und deutete irgendwo in die Dunkelheit, „Und möchte jetzt in mein Bett.“

So ungefähr stimmte es ja und sie bekamen so oder so nicht mehr wirklich viel mit, also brauchte ich auch nicht mit seltsamen Nachfragen rechnen.

„Oh haben wir dich geweckt?“, fragte Max und kam auf mich und Tim zu.

„Moah Max wenn wir sie geweckt hätten, dann würde sie jetzt doch da drin stehen“, lachte Tim und deutete mit der Hand auf den Bus. Allerdings hatte er die Hand so schnell erhoben, dass er anfing zu schwanken.

„Huuupps“, lachte er und hielt sich an mir fest, damit er nicht das Gleichgewicht verlor.

„Da hast du wohl recht“, lachte Max und legte mir den Arm um die Schultern. Allerdings nicht aus Gewohnheit, sondern nur aus dem Grund, da er selbst leichte Gleichgewichtsstörungen hatte.

„Ich seh schon ihr habt voll auf den Putz gehauen“, meinte ich kopfschüttelnd und wusste jetzt schon, dass ich mich auf so einiges gefasst machen musste.

„Und wie wir das haben“, lachte Tim und deutete mit dem Finger auf Max. „Der da ganz besonders.“

„Oh nein, du warst das“, widersprach Max und schüttelte den Kopf.

„Doch wahr.“

„Gar nicht wahr.“

„Wohl!“

„Nein!“

„Doch!“

„Ruhe!“, kam es ein klein wenig lauter von mir und während ich mir die Ohren zu hielt. Das war ja nicht aus zu halten. *Wäre ich nur auf dem Bus geblieben*, schoss es mir durch den Kopf, denn dort wäre es wohl wesentlich ruhiger gewesen. Ruhiger und friedlicher. Ein kleines Lächeln huschte mir über die Lippen und mit Tim einen Arm und Max im anderen Arm bewegte ich mich langsam auf die Türen des Busses zu.

„Wenn ihr wollt, dass jetzt gleich die ganze Crew wach wird, dann macht gerade so weiter“, meinte ich dann etwas leiser und öffnete die Türen des Busses. „Also Klappe halten und rein mit euch.“

„Ja Sir!“, meinte Tim und verschwand als erstes im Bus. Gefolgt von Per, Stefan und Julius. Einzig und alleine Max machte keinerlei Anstalten den Bus betreten zu wollen.

„Das gilt auch für dich Max“, sagte ich zu ihm und deutete mit der Hand auf die Türe.

„Will nicht“, kam es nur trotzig von Max, der die Arme verschränkt hatte, aber mit der Schulter an den Bus gelehnt dastand.

„Und warum nicht?“, fragte ich nach und jetzt so ohne wärmende Jacke merkte ich doch recht schnell, wie kühl es geworden war. „Dort drin ist es aber wärmer als hier draußen.“

„Ich weiß wie es dir ganz schnell warm wird“, meinte Max feixend und neigte seinen Kopf auf die Seite.

Das durfte doch echt nicht wahr sein oder? Es war mitten in der Nacht, ich wusste nicht mehr wohin mit mir und dann stand jetzt auch noch jemand vor mir, der scheinbar an etwas ganz bestimmtes zu denken schien.

„Das weiß ich auch“, meinte ich nur ruhig zu ihm. „Und zwar indem ich ganz schnell unter die Decke krieche.“

„So hat mich noch niemand genannt“, lachte Max und kam ein wenig wankend auf mich zu.

„Max“, sprach ich nun etwas ernster zu ihm, denn anscheinend hatte der lockere Ton nicht wirklich den erhofften Effekt auf ihn. „Du und ich, wir gehen jetzt in den Bus, legen uns ins Bett und schlafen.“

„Das hab ich doch auch gemeint“, sagte Max und legte mir seine Hände auf die Hüften. „Aber du willst ja nicht.“

„Nicht so wie es dir scheinbar gerade in deinem Kopf herumspukt“, meinte ich nun zu ihm und tippte ihm mit dem Zeigefinger gegen den Kopf. Also so langsam wurde mir das Ganze immer suspekter. Es wurde wohl wirklich dringend Zeit, dass ich ins Bett kam. Ansonsten würde ich wohl spätestens in den nächsten 10 Minuten durchdrehen.

„Wenn ich ja sage, kommst du dann mit mir in den Bus?“, fragte ich ihn dann und hoffte nur, er würde auf den Trick reinfallen. Anders würde ich ihn wohl sonst nicht in diesen verdammten Bus bekommen und ich hatte auch nicht gerade viel Lust, die halbe Nacht davor zu stehen.

„Aber sicher doch“, antwortete Max, legte meinen Arm um meine Schultern und machte sich nun tatsächlich auf den Weg in den Bus.

*Na endlich*, seufzte ich in Gedanken, denn ich wollte einfach nur noch schlafen.
 

„Eh Max, denk dran was ich dir gesagt hab“, hörte man Stefan murmeln, der sich wohl bereits im Halbschlaf befand.

„Keine Sorge ich vergesse es schon nicht“, meinte Max und nickte mit dem Kopf. „Ich halte mich an meine Versprechen.“
 

Ich wusste absolut nicht was das jetzt zu bedeuten hatte, aber solange es für die beiden einen Sinn ergab, war ja alles in Ordnung. Vorsichtig setzte ich Max auf die Bettkante damit er, wenn er umkippte, weich fiel und ich Zeit hatte, mir andere Sachen an zu ziehen.

„Huiii“, meinte Max, der es nicht lassen konnte, mich zu beobachten, wofür er von mir einen bösen Blick kassierte.

„An deiner Stelle würde ich es ähnlich machen“, meinte ich nur zu ihm und zog mir das andere Shirt an.

„Ich dachte du machst das“, kam es von ihm, mit einem seltsamen Blick.

Tief holte ich Luft, zählte bis 10 und atmete dann ganz langsam wieder aus. Die Jungs konnten nervig sein, aber das schlug dem Fass dann doch den Boden aus. Besoffen waren sie noch wesentlich schlimmer als nüchtern.

„Das ist das erste und letzte Mal verstanden?“, sagte ich nur und verdrehte die Augen. Auf dem Dach hörte man leise Schritte und ich wusste genau wer es war und wieder huschte mir ein kleines Lächeln über die Lippen. Endlich hatte ich es geschafft Max die Sachen auszuziehen, was gar nicht so einfach gewesen war. Sanft drückte ich ihn ins Bett und kroch dann selbst hinein.

Kaum lag ich im Bett, so wurde ich von Max auch schon in die Arme genommen.

„Du hast mir gefehlt“, murmelte er leise und mit geschlossenen Augen. Er sah so friedlich aus in diesem Moment und mir ging das durch den Kopf, was Benedikt vorher über Max gesagt hatte. Vielleicht war ja doch etwas daran. Möglich konnte es ja sein.

„Träum was feines“, sagte ich leise und gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich ebenfalls die Augen schloss. Es dauerte eine Weile ehe ich einschlafen konnte, was aber nicht alleine nur an dem lauten Schnarchen der Jungs lag.

Schlagzeile

„Andrea?“, hörte ich mich jemanden leise rufen, gefolgt von einem vorsichtigen rütteln an der Schulter.

„Nein ich schlafe noch“, murmelte ich zurück und versuchte mich auf die andere Seite zu drehen, aber irgendjemand wollte das wohl nicht zu lassen.

„Es ist wichtig“, hörte ich die Stimme wieder sagen und erst jetzt machte ich ein kleines Stückchen die Augen auf.

„Benedikt“, sprach ich leise um die anderen nicht auch noch zu wecken. „Egal was es ist, hat das nicht Zeit bis später?“

Benedikt schüttelte den Kopf und so wie er gerade aussah, schien es wirklich keine Zeit zu haben oder entsprechend ernst zu sein.

„Na gut ich komm sofort“, seufzte ich leise und während Benedikt den Bus verließ, kroch ich aus dem Bett und zog mir etwas anderes an. So wie ich gerade angezogen war, konnte ich nur schlecht den Bus verlassen. Müde und kaum fähig die Augen richtig auf zu halten, stieg ich aus dem Bus. Mit langsamen Schritten ging ich auf Benedikt zu und musste erst einmal herzhaft gähnen.

„Was ist denn so wichtig dass man mich aus dem Bett werfen muss?“, fragte ich müde nach, denn im ersten Moment fiel mir wirklich keine sinnvolle Erklärung ein. Wegen dem was gestern Abend war, würde er mich doch sicherlich nicht aus dem Bett werfen.

„Lass ein Stücken spazieren gehen“, kam es ruhig von Benedikt und es war für mich reichlich verwirrend. Wäre es wohl für jeden, der gerade erst aus dem Bett geworfen wurde. Aber jetzt war ich schon aufgestanden, jetzt konnte ich ihm auch folgen.

Gemeinsam gingen wir ein paar Meter, bis Benedikt stehen blieb.

„Du fragst dich jetzt sicherlich, warum ich dich geweckt haben nicht wahr?“, fragte er ruhig und sah mich aufmerksam an.

„Ja das tue ich und ich hoffe du hast eine sinnvolle Erklärung“, meinte ich nur, denn ich hatte nicht gerade gut geschlafen. Das Schnarchen war schlimmer gewesen als an den anderen Tagen, von diversen Übelkeitsaktionen es einen oder des anderen mal ganz zu schweigen.

Benedikt kramte etwas unter seine Jacke vor und hielt es mir wortlos hin.

„Das ist eine Zeitung“, meinte ich und zog die Augenbrauen nach oben. „Sag bloß du hast mich aus dem Bett geworfen um mir eine Zeitung unter die Nase zu halten?“

Ich kam mir verarscht vor, nein ich kam mir mehr als nur verarscht vor.

„Ich würde sagen du schaust sie dir mal an“, meinte Benedikt ruhig und steckte die Hände in die Jackentasche, nachdem ich ihm die Zeitung aus der Hand genommen hatte.

Missmutig schlug ich sie auf und was ich sah, verschlug mir erst einmal die Sprache. Sie sah von der Zeitung zu Benedikt, zurück auf die Zeitung und dann wieder zu ihm.

„Das ist ein Scherz oder?“, fragte ich nach und deutete mit dem Blick auf die Zeitung. „Und wenn es einer ist, dann ist es ein verdammt schlechter.“

„Nein es ist keiner“, kam es kopfschüttelnd von Benedikt.

Mir wurde es abwechselnd heiß und kalt und ich ließ mich letztendlich auf eine Bank sinken die Gott sei Dank in der Nähe stand. Anders hätte mir es jetzt wohl den Boden unter den Füßen weggezogen. *Das kann nur ein schlechter Scherz sein*, ging es mir durch den Kopf, als ich meinen Blick wieder auf die Schlagzeile richtete. 'Rockrebell ganz zahm', prangte mir in riesengroßen Buchstaben auf der Titelseite entgegen, zusammen mit einem Bild auf welchem Max vor mir auf dem Boden kniete. Ich fuhr mit den Fingern durch die Haare und starrte einfach nur auf die Titelseite der Bild-Zeitung. Jetzt verstand ich, warum mich Benedikt aus dem Bett geworfen hatte. Denn besser ich erfuhr es jetzt, als durch einen dummen Zufall. Eben einem solchen Zufall aus dem wohl auch das Bild entstanden war.

'München – Ein ganz seltsames Bild bot sich wohl den Passanten der Münchner Innenstadt am gestrigen Nachmittag. Max Buskohl (18) der Rockrebell, bekannt aus der Castingshow Deutschland sucht den Superstar, spazierte mit einer unbekannten Schönheit an seiner Seite durch die Münchner Innenstadt. Sprach er während der Show noch davon, nichts von Beziehungen zu halten, so machte er gestern einen vollkommen anderen Eindruck. Hat sie es geschafft den Rebellen zu zähmen? Lesen sie was noch passierte auf Seite 7', las ich durch was auf der Titelseite unter dem Bild stand und in diesem Moment hätte ich den Reporter dieses Textes am liebsten erwürgt. Ich konnte mir schon denken, wie der Artikel weiter gehen würde und trotz allem wollte ich es genauer wissen. Ich blätterte durch die Seiten, bis ich gefunden hatte wo es weiterging.

'Sehr vertraut sah man gestern Max Buskohl mit dem unbekannten Mädchen durch die Münchner Innenstadt spazieren. Arm in Arm gingen sie an den Schaufenstern vorbei, blieben hier und da mal stehen. Hat der Rebell des Musikbusiness endlich seine große Liebe gefunden? Zumindest sah es sehr danach aus. Die Blicke die er seiner Begleiterin schenkte, sprachen mehr als tausend Worte. Er war sich nicht einmal zu fein vor ihr auf die Knie zu gehen und sie um etwas zu bitten. Können wir hier auf einen Antrag vermuten? Ja das können wird. Passanten hatten beobachtet, wie er ihr einen Ring über den Finger gestreift hat. Wenn da mal nicht bald die Hochzeitsglocken läuten. Aber das war nicht der einzigste Hinweis der einem zu dem Schluss kommen lässt. Kurz nach dieser Szene konnte man die Beiden in sehr vertrauter und intimer Haltung in einem nahegelegenen Eiscafe beobachten. Fröhlich scherzend genossen sie die Ruhe und es schien nichts zu geben, was sie davon hätte abhalten können. Ein Rockrebell auf Abwegen oder doch eine wunderschöne Lovestory? Wir werden es sehen.'

Wütend knüllte ich die Zeitung zusammen und Tränen standen mir in den Augen. Was fiel den Leuten eigentlich ein so einen Mist zu schreiben? Eine Mist der von hinten bis vorne zusammengereimt war?

„Ich...“, fing ich an und pfefferte dann die zusammengeknüllte Zeitung mit Schwung in den Mülleimer. Müll gehörte nun mal in den Müll. Ihr fuhr mir mit den Händen über die Augen und anschließend über die Schläfen. Wenn es eines gab, das ich nicht einmal meinem größten Feind wünschte, dann war es eine Schlagzeile in der Bild-Zeitung.

„Tut mir leid Benedikt“, meinte ich zu ihm und zuckte mit den Schultern. „Nicht aufgepasst, es übertrieben oder wie auch immer. Such dir etwas aus. Ich weiß, hätte nicht passieren dürfen, passt besser auf... Aber tja, dumm gelaufen nicht wahr?“

Konnte es denn nicht einfach mal einen Tag, nur einen einzigen Tag geben, an dem nicht irgendetwas passierte? Keine Schlagzeilen, keine Missverständnisse, kein Nichts... Einfach mal aufstehen, Spaß haben und Abends müde ins Bett fallen. Aber nein, kaum hatte es das Schicksal mal gut mit mir gemeint, so änderte es sofort wieder seine Meinung und haute mit den nächsten Hammer um die Ohren.

„Was entschuldigst du dich jetzt bei mir?“, fragte Benedikt nach, denn das verwunderte ihn jetzt dann doch ein wenig.

„Dafür dass wir oder ich dir ständig nur Ärger machen? Vielleicht dafür?“, meinte ich ein klein wenig gereizt, denn die Wut wollte und wollte nicht verrauchen. Im Gegenteil. Je länger ich darüber nachdachte, desto größer wurde sie nur. Ich hatte sogar schon das Gefühl, man würde die dunklen Rauchwolken über meinem Kopf erkennen können.

„Jetzt hör mir mal zu“, meinte Benedikt und setzte sich neben mir auf die Bank. „Das hätte jedem passieren können und nicht nur euch Beiden. Es ist jetzt eben Max, weil auf ihm das größte Medieninteresse liegt. Hätte man die anderen in einer solchen Situation erwischt, dann wären es eben sie die in der Zeitung gestanden wären.“

„Wenn es so harmlos ist, warum hast du mich dann aus dem Bett geworfen?“, fragte ich nach, denn wenn er das so locker sah, warum hatte er es mir nicht gesagt, nachdem ich aufgestanden war? Das hätte doch alles Zeit gehabt.

„Ich habe dich geweckt weil ich wollte dass du es von mir erfährst und nicht von jemanden anders“, sprach Benedikt ruhig und beugte sich ein wenig nach vorne, wo er seine Unterarme auf seinen Beinen ablegte. „Und das wäre passiert, wenn ich dich nicht geweckt hätte.“

Mit verständnislosen Blick sah ich ihn von der Seite her an. Wie hatte er das jetzt schon wieder gemeint? Sprach er denn seit neustem nur noch in Rätsel?

„Nun ich werde in einer halben Stunde losfahren und da hättest du bestimmt noch im Bett gelegen“, kam es von ihm, nachdem er meinen Blick bemerkt hatte.

„Du fährst? Wieso fährst du und wohin fährst du und vorallem warum?“, fragte ich nach und war mit einem Mal hellwach. Hatte es etwas mit dem was gestern beinahe passiert war zum tun? Bestimmt hatte es damit etwas zum tun, denn welchen Grund sollte er bitteschön haben, einfach zu fahren?

Leise lachte Benedikt auf.

„Wir sind heute morgen ja überhaupt nicht neugierig oder?“, schmunzelte er und schüttelte seinen Kopf. „Ich fahre jetzt schon weiter, da ich noch wohin muss um ein paar Sachen zu klären. Das ist der einzigste Grund. Hast wohl gedacht ich lasse dich mit den Jungs alleine oder?“

„Nein eigentlich hatte ich gedacht dass...“, fing ich an, brach aber mitten im Satz ab.

„Ja?“, fragte Benedikt und sah mich von Seite her an.

„Ist nicht so wichtig“, meinte ich und winkte mit der Hand ab. „Wirst du wenigstens wieder kommen oder hast du von uns erst einmal die Nase voll?“

Benedikt lehnte sich auf der Bank wieder zurück und nickte mit dem Kopf.

„Ihr werdet ja heute Abend los fahren und ich werde morgen Mittag wieder zu euch stoßen“, erklärte er ruhig und sah mich wieder an. „Bedeutet du musst gerade einmal bis morgen Mittag auf mich verzichten.“ Kurz zwinkerte er mir zu und musste dann selbst über das was er gesagt hatte lachen.

„Ob ich das überleben werde? Wer passt denn dann auf mich auf wenn eifersüchtige Fans mir zu nahe treten?“, meinte ich mit einem theatralischen Seufzend und sah zum Himmel hinauf, bereute es aber gleich wieder, als mir die Sonne direkt ins Auge stach. „Aber na gut... Wenn es für dich so wichtig ist, dann muss ich eben lernen auf mich selbst aufzupassen.“

Schmunzelnd wuschelte mir Benedikt wieder durch die Haare.

„Ich bin mir sicher dass du das hinbekommst“, meinte er leise und stand dann von der Bank auf. „Und zermarter dir nicht mehr den Kopf wegen dem Artikel, auch wenn ich den Ring gerne mal gesehen hätte, den er dir geschenkt hat. Muss doch wissen was ich...“

Nun war er es der mitten im Satz abbrach und den Kopf schüttelte.

„Lass dich von den Jungs nicht zu sehr ärgern und hau ihnen ruhig auf die Finger wenn es dir zu viel wird und wenn alle Stricke reißen und du endlich mal eine Nacht in Ruhe verbringen willst“, meinte er lächelnd und deutete mit der Hand auf den anderen Bus. „Mein Bett steht dir jederzeit zur Verfügung.“

Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, sah er noch einmal zu mir und verschwand dann. Kopfschüttelnd sah ich ihm nach und musste trotz allem leise lachen.

„Spinner“, murmelte ich nur, stand dann selbst von der Bank auf und kehrte zurück zum Bus. Vielleicht kam ich ja doch noch zu meinem verdienten Schlaf.

Wer nicht hören will muss fühlen

„Müssen wir schon aufstehen?“, murmelte Max und zog die Decke bis zur Nasenspitze hinauf.

„Nein, schlaf einfach weiter“, meinte ich leise um die anderen nicht zu wecken und kroch wieder unter die Decke. Aber zwischen 'im Bett liegen' und 'schlafen' war ein himmelweiter Unterschied. Ganz besonders nach solchen Nachrichten. Wie sollte man da auch schlafen können? Ich wollte lieber nicht wissen was Max oder einer der Anderen von dem Artikel halten würden und es war wohl besser, ihnen den besser nicht in die Hände fallen zu lassen. Zwar hatte ich noch keine Ahnung wie ich das anstellen sollte, aber mir würde bestimmt etwas einfallen. Per würde ihn zwar bestimmt einfach nur als amüsant empfinden und wohl als neue Möglichkeit, mir oder Max eines auf den Decke zu geben, sehen. Eben etwas, auf das ich und im Endeffekt der Rest wohl auch verzichten konnte.
 

Ein Sonnenstrahl kitzelte mich an der Nasenspitze und mit einem herzhaften Gähnen öffnete ich die Augen. Ich hatte es tatsächlich geschafft, noch ein bisschen zu schlafen. Aber ich war nicht die Einzigste die nun wach zu sein schien, denn auch in den anderen Betten schien sich Leben zu regen.

„Morgen“, kam es gut gelaunt von Tim, der bereits schon auf den Beinen war und sich gerade das T-Shirt anzog.

„Da hat wohl jemand den gestrigen Abend aber sehr gut weggesteckt“, meinte ich grinsend und schwang die Beine über die Bettkante.

„Wie meinst du das jetzt?“, fragte er nach und sah mich abwartend an. „Hab ich etwa irgendwas gesagt oder getan was nun ja du weißt schon?“

Mit großen Augen sah ich Tim an und fing dann erst einmal an zum lachen.

„Nein nicht was du jetzt denkst“, sagte ich lachend und schüttelte den Kopf. „Du warst nur, sagen wir mal sehr blau, aber du warst in bester Gesellschaft. Ich glaube keiner von euch war noch in der Lage gewesen irgendetwas sinnvolles zu tun, also keinen Grund zur Aufregung.“

„Dann bin ich ja beruhigt“, meinte Tim und grinste breit. „Meinst du es gibt noch Frühstück?“

Nach einem kurzen Blick auf die Uhr schüttelte ich den Kopf.

„Das haben wir wohl alle komplett verschlafen“, schmunzelte ich und deutete auf die Uhr. „Während du von Frühstück sprichst, haben die anderen wohl bereits das Mittagessen hinter sich gebracht.“
 

„Könnt ihr auch mal leiser sein?“, kam es murrend von Per, der sich das Kissen aufs Gesicht gelegt hatte und dem es scheinbar gar nicht so gut zu gehen schien.

„Raus aus den Federn“, lachte Tim und zog Per die Decke weg. „Oder willst du den ganzen Tag hier verbringen?“

„Wenn ihr mich lassen würdet dann ja“, murrte Per nur und drehte sich auf die andere Seite. Decke hin oder her, dann würde er eben ohne weiter schlafen. Sollten die anderen doch aufstehen wenn sie sich fit fühlten. Er tat es jedenfalls nicht.
 

„Lass ihn doch schlafen“, meinte ich zu Tim und deutete mit der Hand auf Per. Wenn er sich nicht fit fühlte, dann sollte er doch einfach liegen bleiben. Hier störte er doch niemanden und außerdem war doch noch genügend Zeit. Besser ihn jetzt schlafen zu lassen als den restlichen Tag über seine schlechte Laune ertragen zu müssen.
 

„Mittagessen? Sagt bloß ihr wolltet das Mittagessen besorgen?“, kam es nun mit einem breiten Grinsen von Stefan, der seinen Kopf unter der Decke rausgestreckt hatte.

„Sehen wir denn etwa so aus?“, fragte ich und sah ihn ruhig an.

„Nicht unbedingt.“

„Siehste? Also musst du wohl selbst aufstehen“, meinte ich und zeigte ihm den Vogel. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir ihnen jetzt auch noch das Essen ans Bett bringen würden. So weit kam's noch.

„Du bist grausam gemein“, seufzte Stefan und bequemte sich dann doch tatsächlich aus seinem Bett. „Jetzt hab ich mich schon auf die Vorteile eine Frau an Bord zu haben gefreut und jetzt ist erst nichts.“

Er fuhr sich mit den Händen über den Kopf, so als würde er sich die Haare raufen, sah dann aber mit einem breiten Grinsen nach oben.

„Aha! Jetzt kommt es also raus. Ich wusste doch dass die ganze Sache einen Haken hat“, lachte ich und warf ihm mein Kissen an den Kopf, jedoch weckte ich damit Max gleich mit.
 

„Wenn sie jemanden das Essen ans Bett bringt, dann ja wohl nur mir“, murmelte er und setzte sich im Bett auf, diesesmal jedoch ohne sich dabei den Kopf an zu schlagen. „Wenn einer von euch das haben will, dann hat er vorher mich zu fragen. Ohne meine Erlaubnis läuft hier gar nichts.“

„Du hast wohl gestern ein wenig zu tief ins Glas geschaut“, meinte ich zu ihm und musterte ihn aufmerksam.

„Wenn dann zu tief in den Ausschnitt“, lachte Tim und brachte sich außer Reichweite.

„Klappe Tim!“, meinte Max nur und quälte sich aus dem Bett.

„Da hab ich gestern wohl doch so einiges verpasst“, lachte ich auf und bereute es beinahe ein wenig, gestern nicht mit dabei gewesen zu sein. Aber andererseits, wäre ich dabei gewesen, dann wäre es sicherlich nicht passiert. Also war es doch interessanter die ganzen Geschichten erzählt zu bekommen. So hatte ich wenigstens auch mal etwas zum lachen.

„Glaub ihm kein einziges Wort“, meinte Max und versuchte die Haare aus dem Gesicht zu bekommen.

Wenn ich mir die Jungs so ansah, dann war es ein bemitleidenswerter Haufen. Ich mochte lieber nicht wissen, wie viel Aspirin heute in irgendwelchen Kehlen verschwinden würden. Aber so war es nun einmal – Wer nicht hören wollte, der musste fühlen.
 

„Andrea wenn du Benedikt siehst, kannst du ihn nach Aspirin fragen?“, kam es von Max, der sich gerade vom Bett erhob und seine Sachen zusammen suchte.

„Würde ich tun, aber der ist nicht da“, meinte ich und sah Max ein wenig verwirrt an.

„Wie der ist nicht da?“, kam es nun auch noch fragend von Tim, der gerade den Bus verlassen wollte.

„Er hat gemeint er müsse weg und würde morgen Mittag wieder zu uns stoßen“, erklärte ich ein wenig verwundert, denn ich war eigentlich davon ausgegangen, dass die Jungs darüber Bescheid wussten.

„Und wo ist er hin?“, fragte Max nun wieder und sah mich an.

„Das hat er mir nicht gesagt.“

„Und warum hat dir etwas gesagt und uns nicht?“, kam es wieder fragend von Tim, der mich genauso ansah wie es Max tat.

*Habe ich irgendwas nicht mitbekommen?*, fragte ich mich selbst in Gedanken, denn jetzt kam mir die Sache erst recht komisch vor. Noch komischer als heute Morgen schon.

„Ihr habt alle noch tief und fest geschlafen, als er in den Bus kam“, meinte ich und kam mir ein klein wenig wie bei einem Kreuzverhör vor. Jetzt fehlte nur noch die Lampe die mir direkt ins Gesicht schien und das Bild wäre perfekt gewesen.

„Du willst doch jetzt damit nicht sagen er kam heute morgen in den Bus und weckt dich, um dir zu sagen dass er wegfährt?“, kam es nun äußert verwundert von Max, der das nicht zu glauben schien.

„Ja ähm nein“, stammelte ich und bevor ich weiter reden konnte, hatte auch schon Tim die nächste Frage gestellt.

„Wie jetzt? Ja oder Nein?“, hakte Tim nach, der jetzt selbst nicht mehr so wirklich mitkam.

„Ja er kam heute Morgen in den Bus um mich zu wecken und nein es war nicht deswegen gewesen“, seufzte ich und war kurz davor, die Beiden einfach stehen zu lassen.

„Und weswegen dann?“, fragte Max weiter nach und hatte einen Arm bei Per auf dem Bett liegen und einen bei Julius auf dem Bett.

„Ist es denn nicht egal weswegen es war?“, meinte ich und verdrehte die Augen. Warum nur waren sie so verflixt neugierig? „Wenn ihr wissen wollt wo er ist, dann fragt doch jemand anderes. Ich jedenfalls kann euch eure Frage nicht beantworten.“

Bevor einer mir auch nur noch eine weitere Frage stellen konnte, verließ ich den Bus und holte erst einmal tief Luft. Mir ging die Frage nicht aus dem Kopf, warum er es mir gesagt hatte und die Jungs wussten davon gar nichts. Wenn dann musste er es selbst erst heute Morgen erfahren haben dass er weg musste, ansonsten hätte es keinen anderen Zeitpunkt gegeben. Außer natürlich gestern Abend, aber dann hätte er es doch gewiss allen erzählt. Nein irgendwie passte da die eine Sache nicht zur anderen. Aber es würde sich alles auflösen, da war ich mir sicher. Wenn nicht heute, dann spätestens am nächsten Tag.

Aufklärung

„Na? Schon die Flitterwochen geplant?“, kam es lachend von Ingo, der gerade am Bus vorbei lief.

„Flitterwochen? Wer?“, fragte Tim, der nach mir den Bus verlassen hatte.

„Heute wohl noch keinen Blick in die Zeitung geworfen was?“, lachte Ingo wieder und verschwand im Bus und wenn ich hätte können, dann hätte ich ihn jetzt ganz schnell zum schweigen gebracht.

„Kannst du mir das erklären?“, fragte Tim und deutete mit der Hand Ingo hinterher.

„Erklären? Was?“, tat ich so, als hätte ich ihn jetzt nicht so ganz verstanden und wüsste absolut nicht, was er jetzt von mir wollte. Doch ungeschickterweise kam genau in diesem Moment Ingo zurück und drückte Tim die Zeitung von heute in die Hand.

„Viel Spaß“, meinte er grinsend und war auch schon wieder verschwunden.

Verwundert sah Tim auf die Zeitung in seiner Hand und dann Ingo hinterher. Genau diesem Moment nutzte ich um Tim die Zeitung aus der Hand zu nehmen.

„Keine gute Morgenlektüre“, meinte ich schmunzelnd und versteckte die Zeitung hinter meinem Rücken.

„Finde ich schon“, widersprach mir Tim und deutete mit der Hand an, dass er gerne die Zeitung zurück haben wollte.

„Ich aber nicht und deswegen werde ich die Zeitung jetzt auch behalten“, sprach ich ruhig und ging langsam einen Schritt nach dem anderen rückwärts und versuchte so dem Mülleimer der um die Ecke stand, immer näher zu kommen.

„Versuchst du vielleicht gerade zu verhindern, dass ich einen Blick reinwerfe?“, kam es fragend von Tim, der mich leider viel zu schnell durchschaut hatte. Das wusste er, genauso gut wie ich.

„Ich? Niemals!“, sagte ich schnell und schüttelte den Kopf. „Da steht eh nur Unsinn drin und das ist schlecht für die Nerven.“

„Ich glaube dir kein einziges Wort“, lachte Tim und mit wenigen Schritten hatte er mich eingeholt und mir die Zeitung aus der Hand genommen. Während ich veruchte sie ihm schnell wieder abzunehmen, nutzte er die Zeit, sie auf zu schlagen. Für einen kurzen Moment hielt er inne, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach.

„Wie geil!“, rief er laut und lachte noch immer. „Das muss ich den anderen erzählen!“

„Untersteh dich!“, rief ich aus, doch da hatte er sich schon daran gemacht, wieder in den Bus zu steigen. *Na spitze!*, seufzte ich in Gedanken und machte, dass ich ihm hinterher kam. Vielleicht ließ es sich ja noch irgendwie verhindern, auch wenn die Chancen mehr als nur schlecht standen.
 

„Max!“, hörte ich Tim rufen und da wurde mir klar, dass es zu spät war. „Warum erfahren wir eigentlich immer alles als Letzte?“

„Hä?“, fragte Max mit äußerst misstrauischem Blick und sah Tim an, als hätte er gerade einen Geist gesehen.

„Ich weiß ja nicht wie du dir das überlegt hast, aber ich spiele gerne Trauzeuge“, lachte Tim und es störte ihn überhaupt nicht, dass Max ihn ansah, als hätte er einen Irren vor sich.

„Trauzeuge? Alles klar bei dir?“, kam es nur von Max, der jetzt gar nicht verstand, was Tim eigentlich von ihm wollte.

„Och Max“, meinte Tim und blieb allerdings in sicherer Entfernung. „Jetzt tu doch nicht so als wüsstest du von nichts. Es ist doch schön wenn es bei dir endlich gefunkt hat und dann gleich so richtig!“

Ja Tim machte sich wirklich einen großen Spaß daraus den vollkommen ahnungslosen Max mal so richtig derbe auf den Arm zu nehmen.

„Tim ich hab keine Ahnung was du da für einen Bockmist erzählst, aber bitte erspare ihn mir“, kam es nun ein wenig gereizt von Max, der es wohl gar nicht leiden konnte, wenn man solche Spielchen mit ihm spielte.

„Ich rede von deinen Hochzeitsplänen mit unserem Schutzengel hier“, meinte Tim lachend und deutete mit der Hand auf mich.
 

„Hochzeit?!“, kam es plötzlich von Stefan, der sich mit einem solchen Ruck im Bett versuchte aufzusetzen, dass es ihn glatt aus diesem warf und er nun auf dem Boden lag. Schnell rappelte er sich auf und sah zwischen Max, Tim und mir hin und her. „Ihr wollt heiraten?“

„Nein wollen wir nicht“, meinte ich und verdrehte die Augen.

„Doch wollen sie“, kam es nun wieder von Tim, der bereits wieder am lachen war.

„Ihr wollt wirklich heiraten? Ich meine so richtig? Mit allem drum und dran und wie kommts und warum so plötzlich und oh scheisse“, meinte Stefan und nun war er es der aussah, als hätte er einen Geist gesehen.

„Das darf doch nicht wahr sein!“, seufzte ich und ließ mich auf einen Sitz sinken. „Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass Max und ich heiraten wollen?“, fragte ich vorsichtig nach und sah zwischen den Jungs hin und her.
 

„Von mir aus könnt ihr tun und lassen was ihr wollt, solange es gefeiert wird“, hörte man Per murmeln, ehe er sich im Bett aufrichtete und von einem Ohr zum anderen grinste.

„Jetzt weiß ich auch warum ihr gestern erst so spät gekommen seid“, meinte Tim grinsend und wedelte mit der Zeitung in der Hand. „Uns erzählen dass ihr nicht wolltet dass die Fans uns entdecken. Ha! Ihr wolltet einfach nur alleine sein, damit du ihr einen Antrag machen kann. Habe ich nicht recht Max?“

„Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zum tun“, seufzte ich und schüttelte den Kopf. Wenn ich Ingo in die Finger bekommen würde, dann wäre er aber ganz gewiss einen Kopf kürzer, wenn nicht sogar zwei.

„Aha? Also gibt es doch etwas das ihr uns verheimlicht!“, kam es nun ein wenig triumphierend von Tim, der einfach nur noch am lachen war.

„Max jetzt sag doch auch mal was“, meinte ich und warf Max einen flehenden Blick zu. Warum verdammt nur war er so ruhig? Er wusste doch genau so gut wie ich, dass es absolut nicht stimmte.
 

„Ich würde mal sagen, ihr habt uns erwischt“, sprach Max ruhig und im ersten Moment konnte ich nicht glauben was ich da hörte, bis ich das Funkeln in seinen Augen entdeckte. „Eigentlich sollte es ja eine Überraschung werden und ich weiß wirklich nicht wie ihr dahinter gekommen seid, aber jetzt wo ihr es wisst, brauchen wir es ja nicht mehr verheimlichen, geschweige denn unsere Liebe vor euch verstecken.“ Mit ruhigen Schritten ging Max an Tim vorbei und blieb direkt vor mir stehen. „Oder siehst du das anders?“, meinte er zu mir und ehe ich es versah, gab er mir auch schon einen Kuss, der sich gewaschen hatte.

Ich hob die Hand weil ich etwas sagen wollte, aber ich war so sprachlos, dass mir absolut kein Wort über die Lippen kommen wollte. Ich versuchte es, aber es wollte einfach nicht funktionieren. Unfähig auch nur ein Wort zu sagen saß ich da und blickte in die vollkommen verdutzten Gesichter. Während Per anfing in sein Kissen zu kichern, sah Tim aus, als wüsste er jetzt wirklich nicht was los war. Wusste nicht, ob es jetzt stimmte was Max gesagt hatte oder ob er es jetzt war, den man auf den Arm nahm.

„Soll das jetzt heißen das in der Bild-Zeitung ist kein Witz?“, fragte Tim und legte die Zeitung auf einen der Sitze.

„Natürlich ist es einer du Idiot!“, meinte Max und verpasste Tim eine Kopfnuss. „Du hast doch wohl nicht etwa geglaubt dass ich ihr mitten in der Fußgängerzone einen Antrag mache? Traust du mir denn wirklich so wenig Romantik zu? Eigentlich wollte ich es am letzten Abend auf der Bühne tun, aber jetzt hast du mir die ganze Überraschung kaputt gemacht.“

Jetzt war alles zu spät. Pers Kichern hatte sich in ein ausgewachsenes Lachen verwandelt, Stefan hatte ebenfalls ein Kissen geschnappt damit er nicht laut losprustete und selbst Julius von dem man sonst nie viel sah oder hörte, war lauthals am Lachen.

„Ist es jetzt ein Witz oder doch nicht?“, fragte Tim vorsichtig nach, der eindeutig verwirrt war. Er wusste nicht mehr wo oben und wo unten war, geschweige denn was jetzt Wahrheit oder Lüge war. Hatte er vorgehabt Max auf den Arm zu nehmen, so war er es jetzt, der gehörig veräppelt wurde. Aber wer den Schaden hat, brauchte für den Spott nicht mehr zu sorgen. „Ja aber warum seid ihr sonst zu spät gekommen wenn nicht deswegen?“
 

Max sah von Tim zu mir und hatte ein wenig einen fragenden Blick drauf. Er wusste nicht ob er es jetzt erklären sollte oder ob er es nicht erklären sollte. Da ich mittlerweile wieder Herr meiner Zunge war, war ich auch wieder fähig zu antworten.

„Es gab eine etwas weniger freundliche Konfrontation zwischen mir und einem etwas fanatisch geratenen Fan“, fing ich an zu reden und sah von einem zum anderen. „Sie hatte mir gedroht und ist uns ewig hinterher gelaufen. Da hatten wir uns dafür entschieden einen etwas größeren Umweg zu machen, damit sie uns irgendwann einmal aus den Augen verliert. Das hatte allerdings länger gedauert als erwartet und deswegen sind wir so spät gekommen.“

So jetzt war es also draußen. Das kleine Geheimnis von dem ich nicht hatte wollen dass es jemand erfährt.

„Moment mal“, fing Stefan an, der sich sehr schnell wieder beruhigt hatte. „Hast du gerade wirklich gesagt dass dir jemand gedroht hat?“

„Ja“, murmelte ich und sah für einen kurzen Moment zu Boden. „Aber es war nicht so schlimm wie es sich jetzt anhört.“

„Nicht schlimm? Hallo?“, kam es nun auch noch von Per, der sich mittlerweile in seinem Bett aufgesetzt hatte.

„Dir wird gedroht und du sagst uns kein einziges Wort?“, meinte nun auch noch Tim, der mich ernst anblickte. Ich hatte das Gefühl, dass in diesem Moment wirklich, aber auch wirklich alle Blicke auf mir lagen, was mir das erklären nicht gerade wesentlich einfacher machte.

„Es war einfach nur ein Mädel dass ein wenig den Realitätssinn verloren hatte und kein irrer Massenmörder“, meinte ich und sah kurz an die Decke des Busses. „Ich sah einfach keine Notwendigkeit es euch zu erzählen. Ich wusste dass ihr einen Kopf deswegen machen würdet und genau deswegen habe ich es auch nicht getan.“

„Es ist ja auch unser gutes Recht uns deswegen einen Kopf zu machen“, kam es wieder von Stefan der ungläubig den Kopf schüttelte.

„Ich meine wir kennen dich jetzt noch nicht so lange, abgesehen von Stefan der dich etwas länger kennt, geschweige denn haben wir zu dir so ein inniges Verhältnis wie jetzt Max“, fing Tim an und sah kurz in die Runde. „Aber für uns, und ich denke das sieht jeder hier gleich, gehörst du einfach dazu. Bist ein Teil dieser kleinen Familie und da sollte man sich solche Sachen einfach erzählen. Wir haben dich eingeladen mit zu kommen und dann sind wir im Endeffekt auch dafür verantwortlich dass dir nichts passiert.“

„Ja aber“, fing ich an, wurde aber von Per unterbrochen.

„Nichts aber“, meinte er und schüttelte den Kopf. „Es ist so wie Tim gesagt hat und daran wird ein aber nichts ändern. Wir wollen einfach nur wissen was los ist und wenn es jemand wagt dir etwas an zu drohen, dann legt er sich mit uns an. So einfach ist das.“

Ich merkte, dass es keinen großen Sinn machte ihnen da zu widersprechen und irgendwie tat es ja auch gut, so etwas zu hören. Ich war mir ja nie so wirklich sicher gewesen, ob es alles so recht gewesen war, dass ich mitgekommen war, aber scheinbar hatte ich mich da getäuscht. Es tat einfach gut zu hören, dass man hinter mir stand und zum ersten Male fühlte ich mich wirklich wie ein Teil dieser Familie.

„Ok ihr habt ja recht“, seufzte ich, grinste allerdings dabei. „Sollte so etwas noch einmal vorkommen, dann werde ich es euch sagen und wenn ich euch dafür aus dem Bett werfen muss.“

„Ähm, dann lieber doch erst nach dem aufstehen“, meinte Per grinsend und zog sich nun endlich um. „Aber was ich immer noch nicht so ganz verstanden hab ist, warum hat Benedikt dich heute morgen geweckt?“

Hatte er also doch mehr mitbekommen, als man gedacht hatte.

„Ja das würde ich doch auch gerne wissen“, kam es nun auch noch von Stefan, der sich ebenfalls anzog.

„Die Antwort liegt neben Tim auf dem Sitz“, meinte ich grinsend und deutete auf die Bild-Zeitung. Das war ja der eigentliche Grund gewesen dass er mich aus dem Bett geworfen hatte. Um etwas anderes war es ja nicht gegangen.

„Er wirft dich wegen einer Bild-Zeitung aus dem Bett?“, fragte Per ein wenig verwirrt nach, wofür er aus 3 verschiedenen Ecken ein Kissen an den Kopf geworfen bekam. „Ja was denn?“, fragte er schulterzuckend und sah seine Bandkollegen an. Also hatte er doch nicht alles mitbekommen, so wie zuerst vermutet.

Doch anstelle davon ihm eine Antwort zu geben, verschwanden alle aus dem Bus und ließen einen vollkommen verwirrten Per zurück.

Nicht alles gute kommt von oben

Es waren alle überrascht gewesen, als es plötzlich eine Planänderung gab. Man würde nicht wie ursprünglich geplant erst spät in der Nacht weiter nach Frankfurt fahren, sondern schon Mittags. Es wurde nur gesagt, dass es dort eine Überraschung geben würde, aber was genau es sein würde, darüber schwieg man sich aus.

Natürlich waren alle sehr gespannt darauf und der Unmut über einen verlorenen freien Nachmittag war schnell verflogen. Die ganze Fahrt über wurde diskutiert und spekuliert um was es sich handeln könnte. Es gab die verrücktesten Ideen die zur Erheiterung aller dienten. Doch endlich hatte man Frankfurt erreicht und alle sahen neugierig aus den Fenstern um als erster die Überraschung entdecken zu können, doch als der Bus dann direkt vor einem Hotel stehen blieb, sahen alle einander ungläubig an. Konnte das wirklich die Überraschung sein? Endlich mal wieder ein richtiges Bett? Ein geräumiges Badezimmer und womöglich noch Zimmerservice? So richtig glauben wollte und konnte es keiner, doch als die Aufforderung kam auszusteigen, konnte keiner schnell genug aus dem Bus aussteigen.
 

„Heißt das etwa?“, fragte Per und deutete mit der Hand auf das Hotel.

„Genau das heißt es“, meinte Ingo grinsend und nickte mit dem Kopf. „Dafür könnt ihr euch bei Benedikt bedanken der das Ganze eingefädelt hat. Ich war zwar der Meinung, dass ihr das überhaupt nicht verdient habt, aber er wollte nicht auf mich hören.“

„Also wenn das der Grund ist warum er weg musste, dann kann er ruhig jeden Tag unterwegs sein“, meinte Per lachend und sah sich das Hotel an. Es war nicht gerade ein kleines Hotel und er wollte lieber nicht wissen, was es kosten würde. Aber er freute sich schon darauf, endlich wieder in einem bequemen Bett zu schlafen. Nicht dass die Betten im Bus unbequem waren, aber ein Hotelbett war dann doch etwas anderes.

„Na dann folgt mir mal“, kam es von Ingo der voran ging und direkt auf die Rezeption zusteuerte. Während er das mit den Zimmern klärte, so sahen sich alle anderen neugierig im Foyer um. Wenn alles in diesem Hotel so vielversprechend war wie das Foyer, dann konnte es nur eine sehr angenehme Nacht werden.
 

Mit ein paar Schlüsselkarten in der Hand kam Ingo zurück zur Gruppe und sah grinsend von einem zum anderen.

„Falls ihr euch auf Einzelzimmer gefreut habt, so muss ich euch leider enttäuschen“, meinte er und wedelte mit den Karten in seiner Hand. „Ihr müsst euch leider zu Zweit ein Zimmer teilen.“

„He immer noch besser als mit 5 anderen einen Bus“, meinte Tim lachend und sah den Rest mit zuckenden Schultern an. Sie wussten ja genau wie er das gemeint hatte.

„Dann wäre das ja geklärt“, meinte Ingo und warf einen Blick auf den Zettel in seiner anderen Hand. „Ok, also Tim und Stefan haben das Zimmer 105, Per und Julius das Zimmer 106 und Max und Andrea euch gehört das Zimmer 107.“

„He warum dürfen die schon wieder in einem Bett schlafen?“, kam es mit gespieltem Protest von Tim, der die Arme verschränkt hatte. „So langsam ist das aber unfair.“

„Jetzt gönne den Beiden doch ihre Vorflitterwochen“, lachte Ingo und ignorierte einfach mal die Blicke die Max und ich ihm in diesem Moment zu warfen. „Wer weiß wann sie wieder einmal so ungestört sein können oder gönnt ihr den Beiden ihr Glück etwa nicht?“

„Hmpf“, kam es nur von Tim der demonstrativ in eine andere Richtung sah. Wenn es denn unbedingt sein musste? Glück hin oder her, aber das war doch trotzdem unfair. Wenn da nichts war, dann würde sich doch garantiert noch was ergeben. Das konnte doch gar nicht anders sein, aber scheinbar sah das außer ihm hier wohl niemand.

„Also dann wäre das jetzt ja geklärt“, kam es ruhig von Ingo, der nun jedem eine Schlüsselkarte in die Hand drückte. „Dann holt mal eure Sachen aus dem Bus und genießt diesen heutigen Luxus.“

„Und ob wir das werden“, lachte Per und war in Gedanken schon bei der Frage angekommen, ob die Zimmer denn eine Bar hatten. Nicht dass er es unbedingt brauchte, aber so ganz ohne war es dann nun auch wieder nicht.
 

Nach und nach kramte jeder seine Sachen aus dem Bus und mit Koffer und Reisetasche bewaffnet marschierte die ganze Truppe zurück ins Hotel um dann ihre Zimmer zu begutachten.

„Damit das klar ist“, meinte ich und stellte meine Tasche auf dem Sessel ab. „Ich darf als erstes ins Bad.“

„Oh nein, das kannst du gleich mal vergessen“, entgegnete mir Max und schüttelte den Kopf.

„Na das werden wir ja noch sehen“, meinte ich grinsend, drehte mich blitzschnell um und war auch schon auf dem Weg zu Badezimmer, doch hatte ich mich da dann doch ein klein wenig verschätzt.

Grinsend stand Max an die Badezimmertüre gelehnt und sah auf mich hinunter.

„Ich habe doch gesagt ich bin vor dir im Bad“, kam es lachend von ihm und ehe ich mich versah, hatte er mich auch schon geschnappt und mal wieder über die Schulter gelegt.

„Max ich warne dich“, meinte ich nur, bereits etwas ahnend. „Wenn du das machst, dann darfst du heute Nacht auf dem Sofa schlafen.“

„Mir egal, das ist es mir wert“, lachte Max und öffnete die Türe des Badezimmers. Mit ruhigen Schritten ging er auf die Dusche zu und blieb einen Schritt davor stehen.

„Max tue das nicht, du wirst es bereuen, das schwör ich dir“, sprach ich ruhig und ich meinte es auch so, wie ich es sagte. Wenn er jetzt tatsächlich vorhatte mich unter die Dusche zu stellen, dann würde es seine Konsequenzen haben.

„Du wirst mich nicht davon abhalten können“, grinste Max und drehte den Wasserhahn der Dusche auf. Ich hörte das Wasser in die Duschwanne prasseln und versuchte nun mich irgendwie zu befreien. Doch ehe ich auch nur einen richtigen Versuch starten konnte, fand ich mich auch schon unter der eiskalten Dusche wieder. Das Wasser floss mir über den Kopf und innerhalb weniger Sekunden waren meine Sachen durchweicht und klebten mir am Körper.

„Ich hatte dich gewarnt“, meinte ich leise, schnappte mir die Dusche und hielt nun den Wasserstrahl direkt auf Max.

„Waah...“, rief er aus und versuchte sich noch in Deckung zu bringen, doch es war zu spät. Er sah nun aus wie ein begossener Pudel und das Hemd klebte an ihm fest.

„Selbst schuld“, lachte ich und hängte die Dusche wieder zurück in ihre Halterung. Ich hatte ja nicht gerade vor, das gesamte Badezimmer unter Wasser zu setzen. Ich sah an mir herunter und dann an Max herunter und fing an zum grinsen. Ich hatte ja noch Glück im Unglück gehabt dass ich ein dunkles Shirt anhatte, Max dagegen hatte das Pech für sich gepachtet gehabt in diesem Moment. Das helle Hemd, welches nun mehr nass als trocken war, verriet mehr als es verheimlichte.

„Gibs zu, das war Absicht“, meinte er schmunzelnd und versuchte das Hemd so gut es ging von seinem Körper zu lösen, bis er seine Bemühungen aufgab und einfach damit begann es sich aus zu ziehen.

„Also wenn dann hast du hier ja wohl als erstes den Hintergedanken gehabt“, gab ich zurück und stieg mit triefend nassen Sachen aus der Dusche. Auf dem Boden hinterließ ich kleine Pfützen und meine Chucks gaben bei jedem Schritt quietschendgluckernde Töne von sich.

„Ich? Ich bin die Unschuld in Person“, widersprach Max und warf das nasse Hemd über den Rand des Waschbeckens.

„Ja sicher“, meinte ich grinsend und zog meine Chucks, sowie meine Socken aus und sah mich dann erstmal suchend nach einem Handtuch um. „Dann frage ich mich nur, wo du bitte deinen Heiligenschein versteckt hast.“

Max sah mit einem unschuldigen Blick nach oben und zuckte dann mit den Schultern.

„Ich glaube der hat gerade Feierabend“, meinte er schmunzelnd und sah mir zu, wie ich mich abquälte um die triefendnasse Jeanshose aus zu ziehen. Sie klebte so dermaßen, dass ich es nur mit einigen Verrenkungen schaffte, sie los zu werden.

„Ja ja grins du nur“, meinte ich und sah ihn mit gespielt bösem Blick an. „Du wirst noch sehen was du davon hast.“

„Das denke ich auch“, meinte Max lachend und setzte sich auf den Rand der Badewanne. „Aber ich konnte einfach nicht anders. Es war wie als hätte jemand die Kontrolle über mich übernommen. Ich wollte mich ja wehren, aber es war unmöglich.“

Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen und versuchte mit aus dem T-Shirt zu befreien, welches einfach nicht so wollte wie ich wollte. Es klebte überall fest und nichts schien klappen zu wollen.

„Ich glaub dir kein einziges Wort“, meinte ich und startete einen neuen Versuch mir das nasse T-Shirt aus zu ziehen, welches jetzt auf einmal beinahe wie von selbst seinen Weg über meinen Kopf fand. Verwundert drehte ich mich um und sah Max an der mit einem entschuldigenden Lächeln hinter mir stand.

„Macht der Gewohnheit“, meinte er nur und hielt mir dann das Handtuch hin.

„Nun ja, als angehender Göttergatte sei es dir erlaubt“, meinte ich lächelnd zu ihm und stupste ihm mit der Fingerspitze gegen die Brust. Ich konnte es einfach nicht lassen ihn damit auf zu ziehen und da hatten mich wohl die anderen schlichtweg damit angesteckt. Aber er wusste ja wie ich es meinte.

„Ist es das denn wirklich?“, fragte Max leise und hielt meine Hand fest, mit der ich ihn gerade gestupst hatte.

Mit einem etwas verwunderten Blick sah ich ihn an. Wie hatte er das jetzt bitte gemeint?

„Wenn es nicht so wäre, dann hätte ich dich jetzt wohl zur Ordnung gerufen oder?“, meinte ich schmunzelnd und rührte mich nicht vom Fleck. Es war nicht das erste Mal, dass er mein Hand hielt, aber trotzdem war es jetzt etwas anderes. Es war nicht zu erklären, es war ein Bauchgefühl. Ich wusste auch nicht was da jetzt so viel anders war, es war einfach anders. Auf eine positive und angenehme Art anders.

„Ich denke mal schon“, kam es wieder leise von Max, der leicht mit dem Daumen über meinen Handrücken strich. „Und trotzdem frage ich mich jeden Tag was das ist, was unausgesprochen zwischen uns ist.“

Für einen kleinen Moment senkte ich meinen Blick. Er hatte es also auch gespürt. Das besondere Etwas das da war, seit wir uns das erste Mal gesehen hatten. Das Etwas, das ich nicht in Worte fassen konnte. Es war einfach da, unfähig es zu sehen, unfähig es in Worte zu fassen oder es zu greifen. Man konnte es einfach nur fühlen, spüren, aber wohl niemals begreifen. Während ich nachgedacht hatte, war Max einen Schritt auf mich zugekommen, so dass er nun direkt vor mir stand. Ich konnte seine warme Haut an meinem Arm spüren.

„Spürst du es denn auch?“, fragte er leise und sein Blick suchte den meinigen. Die Zeit war stehen geblieben und trotzdem drehte sich die Welt weiter. Farben vermischten sich und bildeten ein bizarres und trotzdem faszinierendes Farbenspiel.

„Ich glaube ich weiß genau was meinst“, antwortete ich ihm leise und sah ihm in die Augen. Ich wich seinem Blick nicht aus, wollte wissen was sich in seinen Augen verbarg, wollte die Geheimnisse entdecken, die er gut versteckt hielt. Ohne den Blickkontakt abbrechen zu lassen strich mir Max mit den Fingerspitzen über

die Wange. Sie hinterließen ein sanftes Kribbeln, überall dort wo sie die Haut berührt hatten.

„Manchmal wenn du geschlafen hast, dann habe ich dich beobachtet“, sprach Max leise und seine Fingerspitzen wanderten langsam meinen Hals hinab. „Habe mich gefragt was es ist, dass es mir möglich macht einfach ich selbst zu sein, wenn ich in deiner Nähe bin. Was es mir ermöglicht mich fallen zu lassen. Die Geborgenheit zu spüren, das Gefühl verstanden zu werden. Aber jedesmal wenn ich glaubte den Grund

gefunden zu haben, so entglitt er meinen Fingern wieder.“

Ich wusste genau von was er da in diesem Moment sprach, spürte genau das, was er wohl in diesem Moment zu spüren schien. Ich war überrascht zu hören, dass er sich all die Fragen gestellt hat, die ich mir selbst schon so oft gestellt hatte. Ich fühlte mich ihm nahe, ihm verbunden und trotzdem fühlte ich mich frei. Das Gefühl verstanden zu werden, das Gefühl zu wissen was der andere dachte ohne dass er auch nur ein Wort sagen brauchte.. Ein Gefühl welches ich so noch nie gefühlt hatte. Es war neu und vertraut zugleich.

„An manchen Tagen war ich zufrieden wenn ich dich lachen sehen durfte, deinen warmen Atem an meiner Haut spüren konnte, einfach zu wissen dass du bei mir bist“, sprach Max leise und für einen Moment war seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern gewesen. „Ich weiß nicht wie oft ich nachts aufgewacht bin, neben mich geschaut habe nur um mich zu vergewissern dass du wirklich neben mir liegst und es kein Traum war.“

Mein Blick fuhr langsam seine Gesichtszüge nach, verweilten einen winzigen Moment an seinen Lippen, ehe ich ihn senkte. Es tat gut solche Worte zu hören und dennoch fühlten sie sich fremd an. Nicht auf eine unangenehme Art und Weise, einfach anders. Es waren nicht die Worte, sondern es war die Art wie sie gesprochen wurden. Es schwang so vieles in ihnen mit, Dinge die der menschliche Verstand nicht fähig war zu begreifen und trotzdem hatte ich das Gefühl jedes einzelne Wort zu verstehen.

„Was ich in deiner Nähe fühle ist nicht neu und dennoch ist es anders“, sprach ich leise und vorsichtig. Die Angst diesen Moment mit einem falschen Wort zu zerstören war zu groß, als dass ich einfach so hätte darauf los reden hätte können. „Ich fühle mich dir nicht nur nahe, sondern es gab Momente, wo ich das Gefühl hatte die Welt aus deinen Augen zu betrachten, zu sehen was du siehst und zu fühlen was du fühlst. Als wären wir Eins und dennoch zwei verschiedene Menschen. Manchmal jagt es mir Angst ein, weil ich nicht weiß was es für die Zukunft bedeutet und dann wieder beruhigt es mich. Legt seine Arme eschützend um mich, so wie du es jede Nacht tust. Wie gerne wüsste ich was es bedeutet und dennoch... dennoch habe ich Furcht davor, dass es alles ändern könnte.“

Ich brauchte nicht auszusprechen wovor ich Furcht hatte, denn ich fühlte, dass er genau wusste was ich meinte. Dass er genau wusste wovon ich sprach. Dass er in diesem Moment dasselbe fühlte wie ich fühlte. Ich spürte wie sich sanft 2 Finger unter mein Kinn legten. Langsam hob ich meinen Blick und sah direkt in seine Augen und was ich sah, ließ ein sanftes Lächeln auf meinen Lippen erscheinen. Dieser Blick sagte

mehr, als es Worte in diesem Moment jemals hätten tun können. Leicht berührten sich unsere Lippen, vorsichtig und beinahe schüchtern, wie als wäre es das erste Mal an welchem sie fremde Lippen berührten. Für den Hauch eines Augenblickes lösten sie sich wieder voneinander, ehe sie zu einem innigen Kuss verschmolzen. Ich spürte die Wärme die in mir aufstieg und zugleich den kühlen Schauer der mir über den Rücken lief. Das Handtuch welches ich noch immer in meinen Händen gehalten hatte fiel achtlos zu Boden, als ich meine Hände leicht auf seine Hüften legte. Für einen winzigen Momenten blitzten Bilder aus vergangenen Tagen vor meinem geistigen Auge auf, doch so schnell wie sie gekommen waren, so waren sie auch schon wieder verschwunden. Hinterließen lediglich einen winzigen Hauch einer Erinnerung. Ohne dass er seine Lippen von den meinigen nahm, hob er mich auf seine Arme und trug mich zurück in das Schlafzimmer wo er mich vorsichtig auf das Bett legte. Ich spürte die kühle der Laken an meinem Körper und zugleich die Hitze der Flammen die versuchten an die Oberfläche zu kommen. Meine Hände zitterten leicht als ich ihm sanft mit den Fingerspitzen über seinen Körper fuhr. Langsam löste er seine Lippen von den meinigen und mit einem unheimlich sanften Blick sah er mir noch einmal in die Augen, so als wolle er lesen was in ihnen

geschrieben stand, als wolle er sich versichern ob es auch wirklich das Gleiche war, dass wir fühlten. Mit einem Lächeln auf den Lippen strich ich ihm über die Wange.

„Nichts wird jemals wieder so sein wie es einmal war“, sprach ich leise und auch wenn ich es wusste, so war ich bereit diesen Schritt zu gehen. Aber ich würde verstehen, wenn er sich auf einmal nicht mehr so sicher sein würde. Ich würde verstehen wenn ihn in diesem Moment doch die Zweifel überkommen würden ob es wirklich das war, was er wollte.

„Nein das wird es nicht“, kam es flüsternd über seine Lippen, ehe er mir einen sanften Kuss auf die Stirn gab. „Aber ich habe keine Angst, denn ich weiß, dass du immer bei mir sein wirst. In meinen Gedanken, in meinen Erinnerungen, in meinem Herzen. Niemand wird dich mir je wieder nehmen können.“

Noch einmal sah er mir tief in die Augen und Gott alleine war Zeuge von dem, was nun in diesen 4 Wänden vor sich ging. Als 2 Menschen Eins wurden und ihre Seelen sich vereinten. Eine Ebene des menschlichen Seins erreichten, die nur sehr wenigen Menschen jemals zu Teil werden würde. Eine Ebene in der alle weltlichen Dinge zu Nichtigkeiten wurden, eine Ebene in der all der weltliche Schmerz und die Pein des Lebens von einem abfielen und einen Menschen zurückließen, in dessen Herzen nur der Friede und das Glück wohnten.

Zwei gegen Einen

„He ihr Zwei seid ihr da?“, hörte man eine Stimme, zusammen mit einem lauten Klopfen an die Zimmertüre. Es war klar dass es nur Per sein konnte, denn niemand wäre wohl so verrückt, so gegen die Türe zu klopfen als hätte er vor, diese gleich mit ins Zimmer zu nehmen.

Ich schnappte mir das Handtuch, wickelte es mir um und ging an die Türe. Einen Spalt breit öffnete ich diese und sah durch den Spalt hindurch auf den Gang. So wie vermutet stand auch tatsächlich Per vor der Türe.

„Was gibt es denn so wichtiges?“, fragte ich und sah Per an.

Dieser legte eine Hand an die Türe und öffnete sie ein Stück weiter, aber als er sah wie ich da stand, ließ er es ganz schnell wieder sein. Ich musste schmunzeln als ich sah wie ihm die Röte ins Gesicht schoß und seine Ohren zu leuchten anfingen.

„Ich stören tu also ähm ja“, stammelte er und sah diskret in eine andere Richtung. „Also wenn ihr gekommen seid ähm ich meine wenn ihr fertig seid ähm ich meine also dann könnt ihr ja stoßen ich meine zu uns kommen, also ich meine wir unten.... Pool und ja also bis du weißt schon... später eben ja und... Ähm Ciao.“

Schnell drehte sich Per um und verschwand den Gang entlang und das einzige was man von ihm noch nach ein paar Meter erkennen konnte, waren seine roten Ohren. Ich schloss die Türe hinter ihm und fing so an zu lachen, dass ich mich an der Türe hinunter rutschen ließ und auf dem Boden saß. Es war einfach zu göttlich gewesen wie Per vor der Tür gestanden war und vor sich hingestammelt hatte. Ich konnte mir zu gut vorstellen was ihm durch den Kopf gegangen sein musste, wenn ihm schon die harmlosesten Aussagen verhängnisvoll vorgekommen waren.
 

„Wer wars denn?“, fragte Max und zog sich gerade ein frisches T-Shirt an.

„Per“, brachte ich gerade so heraus und versuchte mich zu beruhigen, was aber nicht so wirklich klappen wollte.

„Und was ist so lustig?“, fragte Max wieder nach und lehnte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen.

Ich atmete ein paar Mal tief durch in der Hoffnung dass es dann gehen würde, doch das einzigste was passierte war, dass ich einen Schluckauf bekam. Aber so war es immer wenn ich so lachen hatte müssen.

„Wusstet du eigentlich“, fing ich an und alleine die Vorstellung brachte mich wieder zum kichern. „Wie rot seine Ohren werden können?“

Mit einem verwirrten Blick sah mich Max an, doch von Sekunde zu Sekunde wurde das Grinsen im seinem Gesicht größer.

„Willst du damit andeuten dass er denkt dass wir“, meinte Max und deutete mit der Hand erst zu mir, dann zu ihm, gefolgt von einer doch recht eindeutigen Handbewegung.

„Genau das“, lachte ich und rappelte mich vom Boden auf. „Schade nur, dass ich es nicht auf Video aufnehmen konnte. Das war der Brüller des Tages. Eindeutig.“

„Das kann ich mir vorstellen“, lachte Max und schüttelte den Kopf. „Ich glaub, den muss ich heute Abend ein wenig aufziehen damit. Nein, das wird er wohl für den Rest der Woche zu hören bekommen.“

„Och jetzt sei doch nicht so gemein“, meinte ich und ging zurück ins Schlafzimmer und ließ mich auf das Bett fallen.

„Er nimmt doch sonst auch keine Rücksicht“, grinste Max und sah mir hinterher. „Aber was wollte er eigentlich?“

„Er meinte dass wenn wir fertig sind, wir doch zu ihnen kommen sollen“, sprach ich ruhig und kratzte mich kurz am Kopf. „Ja und er meinte sie seien unten am Pool. Aber was sie da unten vorhaben, kann ich dir leider nicht sagen.“

„Hm“, meinte Max nachdenklich und grinste dann. „Dann sollten wir doch einfach mal nachschauen oder? Nicht dass sie da unten noch Unsinn anstellen. Zu zutrauen wäre es ihnen zumindest.“

„Also an mir soll es nicht scheitern“, meinte ich grinsend und zog meinen Badeanzug aus meiner Reisetasche.

„Du hast ja echt an alles gedacht“, lachte Max und schien wirklich überrascht zu sein.

„Frau denkt eben mit, was man von Mann nicht gerade behaupten kann“, meinte ich und sah Max feixend an. Ich erinnerte mich noch zu gut an die Packaktion damals bei mir zu hause und an die Dinge, die er für sinnvoll erachtet hatte.

„Wird da etwa jemand frech?“, kam es mit einem breiten Grinsen von Max, der langsam auf mich zu kam.

Schnell hob ich meine Hände und schüttelte den Kopf.

„Nein da musst du dich täuschen“, meinte ich schnell und sah ihn mit einem unschuldigen Blick an. „Ich würde es doch niemals übers Herz bringen frech zu dir zu sein. Also da musst du etwas falsch verstanden haben.“

Ich blinzelte ihn mit einem zuckersüßen Lächeln an, was ihn dazu brachte, lachend die Augen zu verdrehen. Es war ihm anzusehen, was ihm in diesem Moment durch den Kopf ging.

„Dann husch husch umziehen“, meinte er zu mir und gab mir einen Klaps auf den Hintern.

„Anschauen ja, anfassen verboten“, meinte ich und streckte ihm die Zunge raus, machte mich dann aber doch recht schnell aus dem Staub. Ich hatte nämlich keine Lust noch einmal unter der kalten Dusche zu stehen. So viele trockene Sachen hatte ich dann doch nicht mehr in meiner Tasche liegen.
 

Nachdem wir uns beide umgezogen hatten, machten wir uns auf den Weg, den von Per erwähnten Pool zu suchen. Es war nicht mal besonders schwer ihn zu finden, denn es war alles hervorragend ausgeschildert. Es war ja auch kein 08/15 Hotel in dem wir untergebracht waren. Schon an der Türe konnte man das ausgelassene Lachen der anderen hören.

„Was fällt euch ein ohne uns anzufangen?“, rief ich ihnen zu und setzte einen gespielt bösen Blick an. Es war zwar klar, dass man mir diesen nicht abnehmen würde, aber es passte einfach so gut.

„Ja wenn ihr euch ohne uns vergnügen könnt, dann können wir das auch“, rief Per zurück und so schnell konnte er gar nicht schauen, wie er von Stefan unter Wasser getaucht wurde. Prustend tauchte er wieder auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht.

„He das war ein hinterhältiger Angriff“, beschwerte er sich bei Stefan und merkte nicht wie sich Tim von hinten heran schlich und schon befand sich Per wieder mit dem Kopf unter Wasser.
 

„Lasst ihn leben, der wird noch gebraucht“, rief Max lachend und warf seine Sachen auf eine der Liegen die sich am Rand des Beckens befanden.

„Ach der hält das aus“, lachte Tim und brachte sich schnell in Sicherheit, bevor er sich unter Wasser vorfinden konnte.

Es war schön die Jungs so vollkommen entspannt zu erleben und man merkte ihnen den ganzen Stress des gestrigen Abends überhaupt nicht mehr an. Sie glichen mehr als einem Haufen Lausbuben, als einer Band. Aber genau das war ja das schöne an ihnen. Trotz des ganzen Rummels waren sie auf dem Boden geblieben und ich hoffte, dass sich das auch niemals ändern würde. Es würde einfach so vieles dabei verloren gehen.
 

„Max ich glaube im Pool ist es lustiger“, kam es von Stefan, der plötzlich neben Max aufgetaucht war und diesen jetzt ohne mit der Wimper zu zucken in den Pool warf. „Und das gleiche gilt für dich“, meinte er zu mir und auch wenn ich noch versucht hatte ihm zu entkommen, schaffte ich es doch nicht und landete ebenfalls im Pool. Prustend kam ich nach oben und warf Stefan einen grimmigen Blick zu.

„Also die Sachen hättest du mich ja noch ausziehen lassen können“, meinte ich und das war das zweite Mal an diesem Tag, an dem ich mit samt den Klamotten Kontakt zu Wasser hatte.

„Was kann ich dafür wenn du so lange brauchst“, sagte Stefan nur schulterzuckend und wurde für dieses Kommentar von Max auch schon unter Wasser gezogen. Ich nutzte diese Chance um mich aus dem Pool zu ziehen und quälte mich wieder einmal aus den nassen Sachen. Wenigstens war ich so klug gewesen, keine Jeanshose angezogen zu haben, so fiel das Ausziehen gleich wesentlich leichter. Die Sachen warf ich einfach nur neben die Liege auf den Boden und sprang wieder zurück in den Pool. Jetzt würde es Rache geben, soviel war sicher. Doch bevor ich auch nur einen Angriff starten konnte, so fand ich mich auch schon wieder unter Wasser vor. 4 gegen einen war einfach gemein. Da konzentrierte man sich schon und trotzdem schaffte es einer immer wieder sich anzuschleichen. Aber so nach und nach hatte ich sie durchschaut und schaffte es sogar, den einen oder anderen bei meinen ungewollten Tauchgängen mit in die Tiefe zu ziehen.
 

„5 Jungs und ein Mädel“, hörte man Ingo lachen, der am Rand des Pools stand. „Schämt ihr euch denn nicht?“ Nein er konnte es einfach nicht lassen, aber ich ahnte schon, dass er dieses Kommentar und wohl auch die anderen bereuen würde.

Mit wenigen Schwimmzügen war ich am Rand angekommen, stützte mich am Rand ab und sah zu Ingo hinauf.

„Also ich fühle mich ganz wohl hier“, meinte ich ruhig und sah aus den Augenwinkel, wie Stefan und Max aus dem Pool stiegen. „Das Wasser ist schön warm, es gibt viel zu lachen... Du weißt gar nicht was du verpasst.“ Ich zwinkerte ihm zu und planschte mit den Händen leicht in dem Wasser.

„Hm wenn das so ist, dann sollte ich es mir vielleicht doch noch überlegen“, meinte Ingo und sah dann verdutzt drein, als er plötzlich von beiden Seiten gepackt wurde.

„Ach wir entscheiden einfach mal für dich“, lachte Max, warf Stefan einen Blick zu und mit einem gemeinsamen Schwung warfen sie Ingo in den Pool.

Unter lautem Gegröhle tauchte er wieder auf und sah von einem zum anderen.

„Tja Ingo, wer den Schaden hat brauch für den Spott nicht zu sorgen“, meinte Per lachend gefolgt von einem „Wer's verdient hat, der hat's verdient“ von Tim.

„Wie mans in den Wald hinein ruft, so schallts auch wieder raus“, kam es nun auch noch von Stefan.

„Ist ja ok, ist ja ok“, lachte Ingo und lachte einfach nur. „Der nächste Spruch macht dann 5 Euro ins Phrasenschwein.“
 

Ja dieser Aufenthalt schien wirklich allen sehr gut zu tun und sie hatten es sich ja auch verdient. Eigentlich fehlte nur noch einer damit die Familie komplett wurde und auch er hätte es sich verdient. Aber vermutlich war er am arbeiten, während der Rest von uns es sich gemütlich machten und diesen freien Abend in vollen Zügen genoss.

Neues Aufgabengebiet

„Oh man“, fluchte ich leise, als das Telefon zu bimmeln anfing. Wer zum Henker rief bitteschön zu so einer Uhrzeit an? Das konnte doch nur einer der anderen Jungs sein, wer auch sonst würde auf so eine Idee kommen?

„Ja?“, fragte ich mürrisch nach und strich mir nebenbei die Haare aus dem Gesicht.

„Sie sollten geweckt werden“, sprach eine freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Uns wurde aufgetragen sie um diese Uhrzeit zu wecken. Sie mögen sich doch bitte in einer halben Stunde im Restaurant zum Frühstück begeben.“

„Ähm ja“, murmelte ich, legte auf und sah das Telefon an, als wäre es ein Gerät aus einer fernen Zukunft. Ok da hatte wohl gestern einer vergessen uns etwas zu sagen. Aber gut, es war ja nichts schlimmes und aufstehen mussten wir so oder so irgendwann mal.

„Max?“, rief ich leise und stupste Max gegen die Schulter. „Aufstehen.“

Aber anstelle einer Antwort, bekam ich nur ein undeutliches Gemurmel von ihm zu hören. Aber es war auch schwer etwas zu verstehen, wenn die Person sich die Decke über den Kopf gezogen hatte. Einen Vorteil hatte es zumindest, ich kam zuerst ins Badezimmer.
 

Frisch geduscht kam ich zurück ins Schlafzimmer und das Bild war immer noch genau das Gleiche. Max lag im Bett, die Decke über den Kopf gezogen und scheinbar noch immer am schlafen.

„Max! Raus aus dem Bett!“, meinte ich zu ihm, während ich mir meine Sachen zusammensuchte.

„Noch 5 Minuten“, murmelte er verschlafen und drehte sich auf die andere Seite.

„Nichts noch 5 Minuten“, meinte ich und zog ihm die Decke weg. „Wir sollen in ähm 15 Minuten unten zum frühstücken sein.“

„Och neee“, seufzte Max und versuchte nach der Decke zu angeln, die auf dem Boden lag. „Lassen wir ausfallen.“ Und schon hatte er sich wieder unter die Decke verkrümelt.

„Nein lassen wir nicht ausfallen“, meinte ich und zog ihm die Decke erneut weg. Diesmal jedoch sorgte ich dafür, dass er sie nicht wieder in die Finger bekam. Weit genug von ihm weg, legte ich sie auf den Sessel und stemmte die Hände in die Hüften. „Also schwing deinen Allerwertesten aus dem Bett und unter die Dusche, weil so nehm ich dich nicht mit zum Frühstück.“

Er sah ja noch schlimmer aus als sonst. Die Ringe unter seinen Augen sprachen Bände.

„Ist ja schon gut“, kam es doch ein wenig gereizt von ihm und nur widerwillig erhob er sich aus dem Bett. „Und ich geh zum Frühstück wie es mir passt.“

Ok er hatte schlechte Laune, das war weder zu übersehen, noch zu überhören. Das beste war wohl, ich würde ihn einfach mal in Ruhe lassen bis er sich wieder beruhigt hatte. Irgendwann war das bestimmt der Fall. Während er unter der Dusche stand, räumte ich meine Sachen zurück in die Tasche, so dass ich sie später nur noch holen brauchte.

Max kam aus dem Badezimmer zurück, aber sah auch nicht besser gelaunt aus als vorher. Ohne ein Wort zu sagen, schnappte er sich ein paar Sachen und verschwand wieder im Badezimmer. *Man kann's auch übertreiben*, dachte ich mir nur und sah nochmals nach, ob ich auch nichts vergessen hatte. Da es nicht danach aussah, schnappte ich mir das, was ich brauchte und verließ einfach das Zimmer. Entweder er würde zum frühstücken runter kommen oder er warf sich wieder ins Bett. Mir sollte es gleich sein, denn wenn dann hatte er ein Problem und nicht ich.

Ruhig schritt ich den Gang entlang und ließ mich anschließend vom Aufzug nach unten ins Foyer bringen. Es war keine große Schwierigkeit das Restaurant zu finden, man brauchte eigentlich nur dem Duft von frischem Kaffee folgen und man kam genau darauf zu. Schon aus einer gewissen Entfernung konnte ich Ingo am Tisch sitzen sehen und auch Benedikt war schon wieder zurück, doch von den Jungs war natürlich wieder einmal weit und breit keine Spur. Es wäre auch zu verwunderlich gewesen, würden sie schon am Tisch sitzen.

Nach wenigen weiteren Schritten war ich dann am Tisch angelangt und setzte mich mit einem freundlichen „Guten Morgen“.

„Aus dem Bett gefallen oder warum schon da?“, fragte Ingo schmunzelnd und warf einen Blick auf seine Uhr.

„Och weißt du“, fing ich an und sah kurz zu Benedikt, ehe ich wieder Ingo ansah. „Ich weiß ja nicht wie du aus dem Bett kommst, aber ich stehe für gewöhnlich auf.“

„Tja Ingo, da scheinst du wohl deinen Meister gefunden zu haben“, lachte Benedikt leise auf und trank einen Schluck. „Ich hoffe doch du hast gut geschlafen“, richtete er seine Worte dann an mich.

„Ich kann nicht klagen“, sprach ich ruhig und sah mich kurz um, wo denn der Kaffee und das Essen stand. „Ich erzähle es dir gleich, aber vorher brauche ich erst einmal Kaffee und was zum essen.“

Während Ingo und Benedikt das Lachen anfingen, stand ich auf um mich am Buffet zu bedienen. Es sah alles so einladend aus, dass man gar nicht wusste wohin man zuerst sehen sollte. Sollte es eher was süßes zum Frühstück sein oder doch lieber etwas deftiges in Form von gebratenen Eiern und Speck... Es war wirklich für jeden etwas dabei. Geschickt balancierte ich Teller und Tasse zurück zum Tisch und setzte mich wieder hin.

„Das willst du aber nicht alles essen oder?“, fragte Ingo ein wenig verwundert und deutete mit dem Finger auf den Teller.

„Eigentlich hatte ich das vor“, meinte ich ruhig und sah ihn an. „Du weißt gar nicht wie anstrengend ihr alle sein könnt.“

„Wir? Du meinst wohl die Jungs“, kam es sofort von Ingo, der gar nicht glauben konnte, was ich gerade gesagt hatte.

„Nein ich meine euch, wobei ich mir bei Benedikt noch nicht so ganz sicher bin“, grinste ich und schmierte mir eine Brötchenhälfte. „Du Ingo bist nämlich auch nicht besser als die Jungs um es mal auf den Punkt zu bringen.“

Mit einem Grinsen schnappte Ingo nach Luft und tat dann so, als würde er wegen meinen Worten schmollen. Aber es war klar dass er mir deswegen nicht böse war. Er wusste ja selbst dass er oft genug nicht besser war mit seinen Kommentaren wie die Jungs. Stellenweise war er sogar noch schlimmer als sie, aber das musste man ihm ja nicht auch noch auf die Nase binden.

„Waren sie denn schlimm während ich weg war?“, fragte Benedikt ruhig und sah mich aufmerksam an.

„Nun nicht schlimmer als sie sonst sind“, meinte ich lachend und biss von meinem Brötchen ab. „Im Endeffekt war alles beim alten. Du hast also nichts verpasst während du weg warst. Übrigens, wo warst du eigentlich?“

Ja das interessierte mich nun wirklich ein wenig. Zwar gehörte es sich nicht unbedingt jemanden so mit Fragen zu bombardieren, aber da konnte ich einfach nicht anders.

„Wir sind heute morgen auch kein bisschen neugierig oder?“, lachte Benedikt und schüttelte leicht seinen Kopf.

„Nicht wirklich“, gab ich grinsend zurück und trank einen Schluck Kaffee. Das Essen war wirklich lecker und man konnte sich fast daran gewöhnen. Vielleicht sollte ich wenn ich daheim war auch mal ein bisschen früher aufstehen und mir etwas zum essen machen und mich nicht nur von Kaffee alleine ernähren. So ein gutes Frühstück konnte wirklich Spaß machen und der Tag fing wesentlich entspannter an.

„Nun ein Kollege hatte mich gestern angerufen und mich gefragt ob ich einen seiner Termine übernehmen kann“, erklärte Benedikt und sah aus, als müsste er dabei überlegen. „Eigentlich hätte ich ja keine Zeit gehabt, aber da der Termin wichtig war, habe ich mich breitschlagen lassen.“

„Ist das eigentlich normal dass man mal kurz eine Tour verlassen muss?“, fragte ich weiter und aß das letzte Stück Brötchen, das noch auf dem Teller lag.

„Nein eigentlich ist es nicht normal“, meinte Benedikt und zog leicht die Augenbraue nach oben. „Nur wenn es gar nicht anders geht.“

„Also nur wenn es wirklich wichtig ist und kein anderer da ist oder?“, fragte ich weiter und spülte das Brötchen mit einem großen Schluck Kaffee nach.

„Kann es sein, dass du mir kein Wort glaubst?“, fragte nun Benedikt nach und musterte mich aufmerksam.

Aufgrund seiner Frage verschluckte ich mich und hustete erst einmal, da ich den Kaffee vollkommen in die falsche Röhre bekommen hatte und das war mehr als nur unangenehm.

„Nein so war das nicht gemeint“, kam es von mir mit rauer Stimme, sobald ich wieder einigermaßen sprechen konnte. „Ich glaube dir schon, mich hat es einfach nur interessiert. Es kam nur so überraschend und ich dachte eigentlich immer, dass wenn man Tourbegleiter ist, man auch die ganze Zeit auf Tour dabei ist. Deswegen hatte es mich so verwundert, dass du auf einmal weg warst und dann auch niemand etwas davon wusste.“

„So ist es im Normalfall auch“, meinte er ruhig und schien sich wieder ein wenig zu entspannen. „Man ist nicht nur auf Tour dabei, sondern auch bei den ganzen Vorbereitungen, gleichfalls wie bei den Nachbesprechungen. Für mich ist zum Beispiel noch lange kein Ende, wenn wir wieder in Berlin sind. Da gibt es noch ein paar Dinge für mich zu tun.“

„Dass du ständig was zum tun hast das sieht man ja“, meinte ich grinsend und deutete auf das Handy was vor ihm auf dem Tisch lag. „Manchmal könnte man meinen du bist damit verheiratet.“

Benedikt warf einen Blick auf das Handy, ehe er das Lachen anfing.

„Kommt mir manchmal auch so vor“, lachte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Wenigstens ist in diesem Fall die Kosten für eine Scheidung wesentlich günstiger. Tonne auf, Handy rein, Tonne zu und das ohne horrende Anwaltskosten.“

„Hört sich fast so an, als hättest du schon Unmengen von Handy-Herzen gebrochen“, versuchte ich zu sagen, aber das war gar nicht so leicht wenn man lachen musste. Alleine die Vorstellung reichte schon, um das Lachen anzufangen. „Aber sag mal... Ich will ja nicht unverschämt erscheinen, aber wie laufen denn da die Flitterwochen ab?“

So jetzt war alles zu spät. Ich musste so lachen, dass ich das Gefühl hatte, nicht mehr aufhören zu können, aber Gott sei Dank ging es nicht nur mir so, sondern auch Benedikt konnte nicht mehr anders als lachen. Ingo dagegen zeigte uns nur den Vogel und verschwand in Richtung Buffet. Scheinbar hatte er doch noch einmal Hunger bekommen.

„Sorry, aber alleine die Vorstellung...“, kicherte ich und versuchte mich wieder zu beruhigen.

„Kein Thema“, winkte Benedikt ab und atmete erst einmal tief durch. „Aber sag mal, warum stellst du auf einmal so viele Fragen? Interessiert es dich oder bist du nur neugierig?“

„Ich würde mal sagen Beides“, meinte ich und köpfte das Ei, welches ich mir vorher mitgebracht hatte. „Einerseits natürlich die Neugierde und andererseits sollte ich doch wissen, was später mal auf mich zukommen wird. Die eine Seite kenne ich ja bereits.“

„Auf dich zukommen wird? Wie meinst du das jetzt?“, fragte Benedikt nach, da er mir jetzt nicht so ganz folgen konnte.

„Es ist im Endeffekt ganz einfach“, meinte ich ruhig und trank einen Schluck, ehe ich Stückchen meines Toasts in das Ei stippte und es mir in den Mund schob. „Ich studiere Medienmanagement und hab jetzt allerdings vor meinen Schwerpunkt auf Musikevents zu legen. Alles andere hat sich so trocken angehört und nun ja, ich bin nicht unbedingt der Mensch der den Rest seines Lebens in einem Büro verbringen möchte.“

Ich warf Benedikt einen kurzen Blick zu, aber da er scheinbar nicht vorhatte etwas zu sagen, sprach ich einfach weiter.

„Und da jetzt jemand vor mir sitzt, der sich in der Materie auskennt, ist es doch klar, dass ich frage oder? Außerdem muss ich mich doch auf das halbe Jahr Praktikum vorbereiten welches jetzt ansteht.“

„Verstehe ich das jetzt gerade richtig“, fing Benedikt an, der sich an seinem Platz ein Stückchen nach vorne gebeugt hatte und mich ansah. „Du hast vor jede Menge Stress und Hektik einzugehen, was bedeutet dass Freizeit Mangelware und von einem geregelten Lebenslauf absolut keine Rede ist?“

„Ja genau das habe ich vor“, meinte ich ruhig und streute etwas Salz in mein Ei. „Gerade jetzt durch die letzten Tage ist es mir eigentlich klar geworden dass es das ist, was mir Spaß macht.“

„Ja aber du kennst nur einen winzigen Teil von dem was wirklich ansteht“, kam es von Benedikt, der mich ein klein wenig ungläubig ansah.

„Das ist mir auch klar“, sagte ich und sah ihn an. „So locker wie ich es jetzt habe, werde ich es nie wieder haben, das sehe ich ja an dir. Aber trotzdem, ich meine ich bin gerne mit Menschen zusammen, liebe es neue Leute kennen zu lernen, ich habe kein Problem heute hier und morgen dort zu sein, Stress aushalten ist auch kein Thema und ein geregeltes Leben kann ich auch noch haben wenn ich in Rente bin.“

„Hast du vor zu heiraten oder Kinder zu haben?“, kam es wieder fragend von Benedikt und ich sah ihn ein wenig verwirrt an. Was hatte das jetzt bitte damit zum tun?

„Weder noch“, meinte ich ruhig und wischte mir die Finger an meiner Serviette ab. „Vom heiraten halte ich nicht wirklich viel und Kinder, nun ja... Vielleicht irgendwann einmal. Aber nicht in den nächsten Jahren.“

„Hm“, murmelte Benedikt und lehnte sich in seinem Stuhl wieder zurück. „Du hast gesagt dir steht demnächst das Praktikum bevor. Weißt du schon wo?“

„Nein das weiß ich noch nicht“, sagte ich kopfschüttelnd. „Wenn wir zurück sind, dürften die Noten der Prüfungen bekannt gegeben sein und dann werde ich mich hinter die Bewerbungen klemmen. Tja und dann heißt es abwarten und Daumen drücken.“

Ich wusste wirklich noch nicht wo ich mich bewerben sollte, denn so viele Möglichkeiten gab es nicht wirklich. Außerdem sollte es ja nicht irgendein Praktikum sein was annähernd dem entsprach was ich machen wollte, sondern es sollte exakt dem entsprechen, was ich später einmal arbeiten wollte. Wie sollte ich mich auch auf etwas vorbereiten, wenn ich nicht einmal wusste, was genau alles auf mich zukommen würde?

„Ok“, kam es dann plötzlich von Benedikt, der sich wieder aufgesetzt hatte. „Sobald die Jungs da sind, werden wir kurz durchsprechen was an diesem Tag ansteht. Dann wirst du deine Sachen holen und wir fahren schonmal vor um uns alles vor Ort noch einmal anzuschauen, sowie mit den Leuten vor Ort nochmals alles abklären. Danach werden wir uns zusammensetzen und die Planung für den Abend noch einmal Punkt für Punkt durchgehen. Wie es dann weitergeht, entscheiden wir wenn es soweit ist.“

Mit einem vollkommen verständnislosen Blick sah ich Benedikt an. Wie zum Henker hatte ich das jetzt zu verstehen? Wollte er mich auf den Arm nehmen oder was hatte er bitteschön vor?

„Ähm wie bitte?“, fragte ich vorsichtig nach und hätte ich gerade noch etwas gegessen, wäre mir wohl der Bissen im Mund stecken geblieben.

„Nun du hattest mich gefragt was man tun soll, du wolltest wissen was auf einen zukommt, also was ist besser als es dir einfach zu zeigen?“, lachte Benedikt auf und lehnte sich in seinem Stuhl wieder zurück. „Wir haben noch 3 Tage Zeit um dir zu zeigen, was an Arbeit auf einer Tour so anfällt. So bekommst du zumindest einmal einen kleinen Einblick. Der Rest der kommt dann nach und nach, vorausgesetzt du hast nach den 3 Tagen überhaupt noch Lust dazu.“

„Willst du damit andeuten, dass ich in den nächsten 3 Tagen das mitmachen solle, was du mitmachst?“, meinte ich und konnte es noch immer noch nicht so ganz glauben. „Also sozusagen, um es jetzt ein wenig zu übertreiben, als deine Assistentin fungiere?“

„Genau das“, kam es ruhig von Benedikt der seine Aussage mit einem Kopfnicken unterstützte.

„Du machst Witze oder?“

„Nein mache ich nicht.“

„Das ist wirklich dein Ernst?“

„Das ist so ernst wie ich jetzt hier am Tisch sitze“, lachte Benedikt, den meine Zweifel zu amüsieren schienen. Aber was erwartete er denn auch von mir? Jeder der an meiner Stelle jetzt wäre, würde sich auf den Arm genommen vorkommen. Ich fuhr mir mit den Händen über das Gesicht, denn mit dem hatte ich jetzt absolut nicht gerechnet und ich fühlte mich gerade ein klein wenig überfahren. Aber andererseits konnte es für mich nicht besser kommen. Ich würde erleben was der Job so mit sich brachte und gleichzeitig hatte ich etwas in der Hand, was mir bei meinen Bewerbungen von Vorteil sein könnte.

„Wenn du es dir antun möchtest, dann ok“, kam es dann grinsend von mir, nach einer kurzen Bedenkzeit.

„Wenn ich es nicht hätte wollen, dann hätte ich es dir gewiss nicht angeboten“, schmunzelte Benedikt und sah auf, als man lautes Stimmengewirr hörte. „Ich dachte schon ich müsste euch persönlich wecken gehen“, meinte er zu den Jungs, die sich nun alle an den Tisch setzten und mehr oder weniger fit aussahen.

Schlechte Laune

„Ja hat etwas länger gedauert“, meinte Per und sah sich um, wo denn das Essen stand.

„Aber jetzt sind wir ja da“, kam es von Stefan.

„Also keinen Grund zur Panik“, meinte nun auch noch Tim, der aussah wie eine Woche lang nicht geschlafen. Aber da war er nicht alleine. Egal wer von den Jungs, sie sahen alle so aus, als ob sie an einen riesen Pot Kaffee nichts auszusetzen hätten.

„Panik hätte ich erst dann geschoben, wenn ihr nicht zum Soundcheck heute Nachmittag um 5 erschienen wärt“, grinste Benedikt und sah zwischen den Jungs hin und her. „Aber vermutlich hätte ich euch vorher einzeln aus dem Bett und auf die Bühne gezogen. Vollkommen egal ob wach oder noch im Halbschlaf.“

„Das glauben wir dir sofort“, kam es von Per der grinsend zu Benedikt sah. „Sind wir ja von dir auch gar nicht anders gewohnt.“

„Na, na, naaa... Jetzt übertreibt mal nicht“, meinte Benedikt und zog leicht eine Augenbraue nach oben.

„Wir doch nicht“, kam es dann gleichzeitig von Stefan, Per, Tim und Julius. Einzig und alleine Max saß ohne ein Wort zu sagen am Tisch. Also heute war mit ihm garantiert nicht gut Kirschen essen und es war wohl besser ihm aus dem Weg zu gehen. Irgendwann würde der Moment sicherlich kommen, wo man ihn anreden konnte ohne Gefahr zu laufen.

„Warum wusste ich nur, dass diese Antwort kommen würde?“, seufzte Benedikt gespielt auf und verdrehte die Augen.

„Du kennst uns halt“, meinte Tim und bekam dafür von Per eine gegen die Schulter.

„Verrat doch nicht immer alles“, meinte Per und schüttelte den Kopf.

„Ja wenn er es doch aber schon weiß?“

„Selbst dann sagt man nichts.“

Ein klein wenig verdattert sah Tim Per jetzt an, denn er konnte ihm mal wieder nicht so wirklich folgen, aber in diesem Fall war es auch nicht gerade einfach. Es passte und dann passte es doch auch wieder nicht. Aber um diese Uhrzeit musste man einfach mit allem rechnen. Aber jetzt hatten sie erst einmal genügend Zeit um einigermaßen wieder wach zu werden, denn anstatt gleich mit der Besprechung anzufangen, ließ Benedikt sie in Ruhe zu Ende frühstücken. Sie waren zwar zu spät gekommen und das letzte Mal hatte es Konsequenzen gehabt, aber vermutlich hatte er selbst gesehen dass sie alles andere als gut aussahen und gönnte ihnen einfach diese Zeit. Es war ja auch noch genügend Zeit bis zum Soundcheck, auch wenn er die Zeit wohl nicht hatte. Aber was brachte es ihm, jetzt zu hetzen, wenn die Jungs die Hälfte nicht mitbekamen oder gar noch am äußersten Minimum entlang krochen? Rein gar nichts. Nachdem endlich so weit alle mit dem Frühstück zu Ende sein schienen, lehnte sich Benedikt in seinem Stuhl nach hinten und sah abwechselnd von einem zum anderen.

„Also dann werde ich euch mal kurz erklären, was heute ansteht“, sprach er ruhig und drückte zum ersten Male seit ich ihn kannte, ein Gespräch am Handy weg, das angefangen hatte zu klingeln. „Bis um eins müsst ihr eure Zimmer geräumt haben, das bedeutet eure Sachen gepackt und zurück in den Bus gebracht. Was ihr bis dahin macht, ist euch überlassen. Wer nochmals schlafen will, der kann das von mir aus tun und manchen würde ich es sogar raten. Ihr könnt dann hier Mittagessen wer möchte oder aber ihr tut das in Frankfurt selbst. Auch hier könnt ihr selbst entscheiden, allerdings solltet ihr um Vier dann an der Halle stehen, damit man noch die letzten Sachen vorher absprechen kann. Soundcheck ist wie ich ja schon erwähnt habe um Fünf. Ist jemand etwas unklar? Hat einer eine Frage?“

Doch scheinbar hatten es alle verstanden. Es konnte aber auch gut sein, dass die meisten bei dem Wort „Schlafen“ abgeschaltet hatten. Ich würde es ihnen zumindest zutrauen, dass sie sich gleich alle wieder zurück in ihre Betten legten und wenn ich ehrlich war, wäre es wohl das, was ich auch tun würde, wenn ich könnte. Im Endeffekt konnte ich es zwar, ich brauchte Benedikt eigentlich nur Bescheid geben, aber wann bekam man schonmal eine solche Chance? Nein die musste ich nutzen, immerhin ging es ja ein klein wenig um meine Zukunft. Vorausgesetzt natürlich, ich würde es auch durchziehen.

„Gut, dann wäre das geklärt“, meinte Benedikt und richtete seinen Blick auf mich. „Andrea du holst jetzt am besten deine Tasche, dann können wir die gleich in den Bus packen bevor wir losfahren.“

„Mach ich“, sagte ich ruhig und nickte mit dem Kopf. „Wartest du im Foyer oder am Bus?“

„Ich warte am Bus“, kam es wieder von Benedikt der vom Tisch aufstand, sein Handy in die Jackentasche steckte und den Speisesaal verließ.

Ruhig erhob ich mich ebenfalls vom Tisch um den Speisesaal zu verlassen, allerdings ging ich in eine andere Richtung.
 

„Ähm“, meinte Tim und sah uns hinterher, ehe er zu Ingo blickte. „Muss man das jetzt verstehen?“

„Kann es sein dass ich etwas nicht mitbekommen habe?“, fragte nun auch noch Per, der uns ebenfalls nachgesehen hatte.

„Na spitze“, murmelte Max und seine Laune schien noch ein wenig mehr in den Keller zu sinken.

„Jetzt erklär doch endlich mal“, quängelte Stefan und warf Ingo einen eindringlichen Blick zu. Er war doch hier gesessen, also musste er doch auch etwas wissen.

„Was soll ich denn erklären?“, fragte Ingo und sah aus, als wüsste er wirklich nicht was es da nicht zu verstehen gab.

„Moah was denn wohl?“, kam es von Per, der die Augen verdrehte. „Warum hauen die jetzt bitte gemeinsam ab?“

„Hochzeitsvorbereitungen vielleicht?“, meinte Ingo grinsend und zuckte mit den Schultern.

„Ich lach wenn ich es witzig finde“, murmelte Max und sah für einen Moment stark danach aus, als wolle er einfach aufstehen und gehen.

„Ist ja schon gut“, kam es beschwichtigend von Ingo der insgeheim den Kopf schüttelte. „So wie ich es mitbekommen hab will sie ein Praktikum demnächst machen und Benedikt wollte ihr zeigen wo's langgeht.“

„Ach so nennt man das jetzt?“, meinte Per mit einem Grinsen welches beinahe von einem Ohr zum anderen ging.

„Kannst du auch mal an was anders denken als nur an das? Das ist ja grauenvoll“, kam es von Max, der plötzlich aufstand und den Speisesaal verließ. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben durchquerte Max das Foyer und verschwand in einem der Aufzüge.
 

„Was für eine Laus ist denn dem über die Leber gelaufen?“, fragte Stefan der beide Augenbrauen nach oben gezogen hatte.

„Das habe ich mich auch gerade gefragt“, kam es von Per, der genauso wenig verstand warum Max jetzt so gereizt reagiert hatte.

„Vielleicht habt ihr ja einen wunden Punkt getroffen?“, mutmaßte Ingo, zuckte aber gleichzeitig mit den Schultern. Er wusste ja auch nicht was los war.

„Wie bitte?“, kam es sofort von Stefan der Ingo direkt ansah. „Du willst doch damit nicht etwa andeuten...?“

„Stop! Ich will hier gar nichts andeuten, soviel gleich zu Anfang“, stellte Ingo fest und schüttelte den Kopf. „Es war ein Schuss ins Blaue hinein, nicht mehr und nicht weniger. Was mit ihm los ist, das kann euch nur er erklären. Also wenn ihr es wissen wollt, dann müsst ihr ihn fragen und nicht mich.“

Nein er konnte sehr gut darauf verzichten mit irgendwelchen Gerüchten in Verbindung gebracht zu werden. Nachher hieß es dann nur 'Ja aber Ingo hat doch gesagt dass' und das führte nur zu Ärger und den konnte er wahrlich nicht gebrauchen. Diese Sache sollten die Jungs mal schön unter sich klären, immerhin waren sie ja alt genug und auf den Mund gefallen waren sie ja auch nicht gerade. Zumindest waren sie das sonst nicht gewesen.

„Ich glaub den frag ich jetzt lieber nicht“, meinte Per und schüttelte den Kopf. Oh nein wenn Max so gelaunt war, dann ging man ihm am besten aus dem Weg bis er sich wieder beruhigt hatte. Wann das war, würde sich noch zeigen.

„Kannst du uns dann wenigstens das mit dem Praktikum erklären?“, fragte nun Tim nochmals nach und änderte so geschickt das Thema. Es brachte ja so oder so nichts weiter Vermutungen anzustellen. Auf einen grünen Zweig würde man so definitiv nicht kommen.

„Also so wie ich es verstanden habe möchte sie etwas in die Richtung studieren was Benedikt macht“, erklärte Ingo. „Da hat er sich bereit erklärt ihr einfach mal zu zeigen was dann auf sie zukommt. So kann sie sich schon einmal anschauen was es bedeutet und kann so entscheiden ob es das wirklich ist was sie machen will oder ob es das doch nicht ist. Auf Tour gehen hört sich immer nach viel Spaß an, aber was es alles an Arbeit bedeutet wissen die wenigsten. Tja und jetzt darf sie es am eigenen Leib spüren. Ihr kennt ja Benedikt und ich glaube nicht, dass er es ihr heute besonders leicht machen wird.“

„Oh jaaa“, kam es beinahe gleichzeitig mit einem breiten Grinsen von den 4 Jungs die noch am Tisch saßen.

„Ich glaube da wird heute Abend jemand ziemlich früh ins Bett fallen“, meinte Tim lachend und war sich da sogar recht sicher. Nicht dass Benedikt grundsätzlich anstrengend war, aber er war ein Perfektionist, besonders wenn es um Regeln und Pflichten ging. Aber gleichzeitig war er gespannt darauf, was es zu erzählen gab und er würde nachfragen, soviel war sicher.

„Das glaube ich allerdings auch“, lachte Per auf. „Aber Leute, ich hau mich jetzt nochmal ne Runde aufs Ohr. Haben ja noch Zeit, also warum nicht so nutzen?“

„Gute Idee“, kam es nun auch von Stefan, der sich ebenfalls von seinem Platz erhob.

„He wartet auf uns!“, meinten nun auch noch Tim und Julius und folgten Per und Stefan aus dem Speisesaal.

„Ja ja... Lasst mich nur alle alleine... Der Ingo ist das ja gewöhnt... Keiner hat ihn lieb.... Böse, böse Welt“, murmelte Ingo, konnte sich aber das Lachen dabei nicht wirklich verkneifen. Aber da jetzt alle verschwunden waren, wollte er auch nicht alleine hier sitzen bleiben. Da vertrat er sich doch jetzt lieber die Beine.

Es braut sich was zusammen

Vollkommen am Ende lag ich mit dem Rücken auf der Bühne und hatte die Arme unter meinem Kopf verschränkt. Mir schwirrte der Kopf und ich hatte das Gefühl kein einziges Detail mehr darin unterbringen zu können. Den ganzen Tag war ich nur von einem Eck zum anderen gelaufen und ständig hatte es geheißen 'Dies ist wichtig“ und dann wieder 'Jenes ist wichtig' und oben drauf noch ein 'Und das darfst du erst recht nicht vergessen'. Ich wusste gar nicht wie man sich so viele Dinge merken sollte? Aber es hatte ja nicht gereicht mir die ganzen Dinge zu merken, nein ich sollte sie auch noch in die Tat umsetzen. 'Andrea meinst du nicht das wäre so besser?', 'Andrea wie würdest du das jetzt tun?'. Himmel woher sollte ich das alles wissen? Ich hatte doch von nichts eine Ahnung. Mit den 2 Semester würde man vielleicht in einem Büro weiterkommen, aber doch nicht alleine auf weiter Flur! Theorie und Praxis waren eben doch definitiv 2 Paar Stiefel und würden es immer bleiben. Ich kam mir mittlerweile nicht mehr vor wie nur ins kalte Wasser geworfen, sondern ich kam mir vor wie ins kalte Wasser geworfen und zugeschaut wie man untergeht. Also entweder war es Absicht von Benedikt gewesen mir den Tag so schwierig wie möglich zu machen oder es war in Wirklichkeit der ganz normale Wahnsinn gewesen und nichts besonderes. Ich für meinen Teil wusste, dass mir der Tag heute vollauf gereicht hatte und ich froh war, wenn ich mich ins Bett legen und die Augen schließen konnte. Ich fühlte mich so oder so als wäre ein Panzer über mich drüber gerollt. Dass um mich herum lauter Leute am werkeln waren, störte mich nicht im geringsten, zumindest solange nicht, wie einer auf die Idee kam, mich zu irgendeiner Arbeit holen zu wollen. Nein ich würde heute keinen einzigen Finger mehr rühren, soviel hatte ich mir zumindest einmal vorgenommen. Ob ich es auch durchsetzen konnte, stand allerdings auf einem anderen Blatt geschrieben oder besser gesagt, es hatte jemand anderes in der Hand.

„Andrea? Kommst du mal rüber?“, hörte ich Benedikt rufen und in diesem Moment wurde mir klar, dass es nichts werden würde. Die Arbeit hatte mich schneller eingeholt als mir lieb war.

„Ich eile ja schon“, rief ich zurück und richtete mich langsam auf. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen? Ich verließ die Bühne und ging auf Benedikt zu, der schon wieder irgendwas in der Hand hielt und das nichts Gutes ahnen ließ.

„Ah da bist du ja“, meinte Benedikt und ich bekam das Gefühl nicht los, dass er innerlich am grinsen war, auch wenn man ihm nichts anmerkte.

„Sorry hat etwas länger gedauert“, sagte ich zu ihm und zuckte mit den Schultern. „Die Halle ist eben doch länger als erwartet.“ Aber es lag klar auf der Hand, dass es nichts anderes als eine Ausrede gewesen war. Die Halle war so groß nämlich gar nicht und wenn man wollte, war man mit wenigen Schritten von einem Ende ans andere gelangt.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist kaputt“, kam es mit einem kleinen Augenzwinkern von Benedikt, der mit dem was er in der Hand hielt, wedelte.

„Wie gut dass du es besser weißt“, entgegnete ich und musste leise lachen. Wenn ich so aussah wie ich mich gerade fühlte, dann musste man es mir mittlerweile auf 3 Kilometer Entfernung ansehen, dass ich kaputt war. Aber wenigstens hatte jeder hier so viel Anstand es nicht auszusprechen. „Also was steht an? Aus Spaß hast du mich doch sicherlich nicht hergerufen oder?“

„Gut kombiniert Miss Watson“, lachte Benedikt und nickte mit dem Kopf. „Das sind die Gästelisten für Frankfurt und die müssen runter an die Kasse, sonst fehlen sie später und dann ist das Chaos perfekt. Dann müsste Ingo mittlerweile auch schon da sein, da kannst du ihm gleich mal bei den üblichen Arbeiten helfen und anschließend gönnst du dir einen freien Abend und keine Widerrede.“

„Also das mit dem freien Abend ist ja nett gemeint, aber ich weiß nicht ob ich das tun kann“, meinte ich grinsend und nahm ihm die Gästelisten aus der Hand. „Aber bevor du mich noch dazu zwingst, tue ich es lieber.“

Damit verschwand ich auch schon in Richtung Kasse um die Gästeliste abzugeben und bevor Benedikt noch etwas sagen konnte. Nicht dass er es sich nochmals überlegte. So sicher konnte man sich bei ihm nämlich nicht immer sein. An der Kasse erklärte ich dem Kerl was es mit den Listen auf sich hatte und ermahnte ihn sie nicht aus den Augen zu lassen oder gar zu verschlampern. Anschließend verließ ich die Halle und war schon am überlegen wo ich mich am besten abseilen konnte, als auch schon der Bus mit den Jungs und Ingo um die Ecke gebogen kam.

„Tja war wohl nichts“, seufzte ich, lehnte mich mit der Schulter gegen die Wand und wartete so, bis der Bus geparkt hatte. Mit den Händen fuhr ich mir übers Gesicht und ging dann auf den Bus zu, aus welchem die Jungs auch schon gesprungen kamen. Sie sahen durch die Bank weg absolut fit und erholt aus, vermutlich waren sie wirklich alle noch einmal ins Bett gegangen. Etwas um das ich sie wahrlich beneidete.
 

„Na wen haben wir denn da?“, begrüßte ich die Jungs lachend. „Wenn das nicht die Schlafmützen vom Dienst sind.“

„Jeder so wie er es verdient“, meinte Stefan grinsend und musterte mich von oben bis unten.

„Also ich will ja nicht unhöflich erscheinen“, kam es von Per der eine Augenbraue nach oben gezogen hatte. „Aber du siehst beschissen aus.“

„Danke für das Kompliment Per“, meinte ich nur, nahm es ihm aber keinesfalls übel. Er sagte ja nur das, was ich so oder so schon wusste.

„Also ein wenig rücksichtsvoller hätte man das aber auch ausdrücken können“, kam es von Tim, der Per einen Seitenblick zuwarf.

„Kann ja mal passieren“, meinte Per entschuldigend und hob seine Hände. „Sie weiß ja hoffentlich wie ich es gemeint hatte.“

„Ja das hab ich Per“, sagte ich ruhig und steckte die Hände in die Hosentasche. „Man kann es kaum glauben, aber ich hab vorher einen Blick in den Spiegel gewagt. Also deine Worte waren harmloser als das, was ich gesagt hatte.“

„Was bitteschön hat Benedikt denn mit dir angestellt dass du so kaputt bist?“, kam es fragend von Per, der es sich absolut nicht erklären, geschweige denn vorstellen konnte.

„Es gibt Dinge die du besser nicht wissen solltest“, hörte man plötzlich Max's Stimme, der sich mittlerweile ebenfalls aus dem Bus bequemt hatte. „Und die dich auch überhaupt nichts angehen.“

Mit fragendem Blick sah ich Max an. Was bitte hatte er jetzt damit schon wieder gemeint? Ich hoffte doch nicht das, was ich dachte, das er gemeint haben könnte.

„Max, wenn du damit andeuten willst dass... Dann liegst du vollkommen falsch, total daneben, meilenweit weg und ich möchte auch mit so etwas überhaupt nicht in Verbindung gebracht werden“, meinte ich ruhig und trotzdem schwang in meiner Stimme eine gute Portion Ernst mit. Nein ich hatte einfach keine Lust darauf mit irgendwas in Verbindung gebracht zu werden, was überhaupt gar nicht den Tatsachen entsprach und schon gar nicht in diesem Fall. Es war immer noch ein Unterschied zwischen einer im Spaß gemeinten Vermutung oder wie in diesem Fall einer so mal gar nicht im Spaß gemeinten Vermutung.

„Und getroffene Hunde bellen“, meinte Max nur, zuckte mit den Schultern und ging in die Halle hinein.

Das durfte doch echt nicht wahr sein! *Bin ich jetzt im falschen Film gelandet oder was geht hier ab?*, fragte ich mich selbst in Gedanken, aber eine Antwort fand ich dennoch keine. Mir war nur klar, dass irgendetwas schon wieder gehörig falsch lief. Aber das war jetzt wohl nicht gerade der Zeitpunkt um der Antwort auf den Grund zu gehen, geschweige denn jetzt darüber eine Diskussion anzufangen. Nein dafür war später noch genug Zeit. Der Abend war noch lange und ich würde meine Antwort noch erhalten und wenn ich mich dafür auf den Kopf stellen musste.
 

„Lass sie reden“, kam es von Ingo, der bisher schweigend zugehört hatte und jetzt neben mir stand. „So sind Jungs in diesem Alter eben. Sie sehen gerne überall Dinge, die nicht vorhanden sind und erst recht dann, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben. Denk einfach nicht weiter drüber nach.“

„Vermutlich hast du recht aber trotzdem regt es mich auf“, seufzte ich und verdrehte die Augen. „Ich versteh ja viel Spaß und ich mach viel mit, aber auch ich hab meine Grenzen und die sind so langsam aber sicher erreicht.“

„Bis heute Abend haben die sich wieder abgeregt und die Sache ist vom Tisch und wenn nicht, dann finden wir auch eine Lösung oder hast du noch nicht gelernt dass Improvisation das Wichtigste in dem Job ist?“

„Oh doch“, lachte ich auf, denn das hatte ich recht früh schon gemerkt.

„Ich wusste doch dass er ein guter Lehrer ist“, lachte nun auch Ingo und drückte mir dann auch schon den ersten Karton in die Hand. „Trotzdem ist der Unterricht noch nicht vorbei wie du siehst.“

Mit der Hand deutete er auf die Kartons die noch im Bus standen und die in die Halle gebracht werden wollten. Er schaffte es doch immer wieder einen zum Lachen zu bringen auch wenn einem gar nicht zu Lachen zu Mute war. Aber gerade das machte ihn so sympathisch.

„Aye, aye Sir“, meinte ich zu ihm und half ihm dann die Kartons in die Halle zu tragen und den Merchandisestand aufzubauen. So wie ich es eigentlich jeden Abend bisher gemacht hatte.

Es spitzt sich zu

Es war eine astreine Show gewesen welche die Jungs abgeliefert hatten und das, wo ich gedacht hatte, dass es nicht mehr zu topen war, aber sie schafften es immer wieder mich zu überraschen. Aber ich musste sagen, es war auch ein hammer Publikum gewesen die, egal welche Aktion auch immer anstatt, mitgemacht hatten. Ja es war ein geiler Auftritt gewesen und irgendwie war ich stolz auf das, was sie geschafft hatten, auch wenn ich dafür gar keinen Grund hatte. Aber so war es nun einfach mal.

„Du brauchst mir heute nicht beim aufräumen helfen“, riss mich Ingos Stimme aus den Gedanken, der dabei war, die Shirts zusammen zu räumen.

„Bist du dir sicher?“, fragte ich nach, denn ich wollte ihn nur ungern mit der ganzen Arbeit einfach im Stich lassen.

„Sonst hätte ich es wohl kaum gesagt“, lachte er und deutete mit der Hand an, dass ich mich doch endlich aus dem Staub machen sollte. „Also husch bevor ich es mir noch anders überlege.“

„Geht klar Chef!“, lachte ich und machte mich dann wirklich aus dem Staub. Geschickt mogelte ich mich durch die ganzen Fans hindurch nach draußen und achtete darauf, dass ich nicht doch noch Benedikt in die Arme lief. Er hatte zwar gesagt ich hätte einen freien Abend, aber das hieß noch lange nicht, dass er es sich nicht doch noch anders überlegt haben könnte. Nein heute wollte ich einfach nur noch faul irgendwo sitzen, was trinken und den Abend ruhig ausklingen lassen. Es war so oder so seltsam zu wissen, dass bald wieder alles vorbei sein würde. Übermorgen war schon das letzte Konzert und dann hieß es Abschied nehmen. Ein Gedanke den ich am liebsten weit weg schieben wollte, aber es klappte einfach nicht. Er war wie eine graue Wolke die über einem hing und aus der jederzeit der Regen fallen konnte. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken wie wohl die kommenden Tage ablaufen würden. Tage in denen niemand um mich herum war, an denen es niemand gab der einen auf den Arm nahm und niemand, der einen früh morgens aus dem Bett warf. Nach dem was ich alles erlebt hatte, eigentlich paradiesische Zustände und trotzdem konnte ich mich nicht so wirklich darauf freuen. Ich hatte mich wohl einfach daran gewöhnt die ganze Zeit jemand um mich herum zu haben, dass ich es mir gar nicht mehr vorstellen konnte wie es war, alleine in einer Wohnung zu sein. Vermutlich würde ich sogar noch anfangen mit meinen Pflanzen zu sprechen, hauptsache man hatte irgendwie das Gefühl nicht alleine zu sein.

„Aus! Stop!“, meinte ich laut zu mir selbst und versuchte mich auf andere Gedanken zu bringen. Ich machte mich doch nur selbst verrückt wegen nichts und wieder nichts. Vor dem Bus blieb ich stehen, tippte die Nummer ein und stieg dann durch die sich öffnende Türe. Es war still im Bus. Eine beinahe bedrückende Stille und zugleich eine beruhigende. Ich ließ mich rücklings auf das Bett fallen und baumelte mit den Beinen über der Bettkante. Die Arme hatte ich unter meinem Kopf verschränkt und mein Blick war auf die Decke gerichtet. Es tat gut einfach mal so da zu liegen und versuchen an nichts zu denken, wobei versuchen es wohl am ehesten traf. So wirklich an nichts, dachte ich nämlich leider nicht. Mir ging so vieles durch den Kopf, dass ich stellenweise das Gefühl hatte, an so vieles gleichzeitig zu denken, dass es unmöglich war, einen einzigen Gedanke zu Ende zu denken. Aber andererseits drehten sich alle meine Gedanken im Moment nur um einen einzigen Punkt. Ich fragte mich noch immer warum Max an diesem Morgen eine so schlechte Laune gehabt hatte und das, wo doch der gestrige Abend alles andere als schlecht gewesen war. Es war ein ganz besonderer Tag gewesen und trotzdem bekam ich das Gefühl nicht los, dass seine Laune etwas damit zu tun hatte. Vielleicht bereute er es doch, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Vielleicht hielt er das, was zwischen uns im Hotel passiert war, mittlerweile für einen Fehler den er am liebsten ungeschehen machen würde oder es war ihm peinlich und er war der Meinung, dass es das beste war, gar nicht weiter darüber zu reden. Aber wenn er nicht darüber reden wollte, wenn er es für einen Fehler hielt, dann war das doch trotzdem noch kein Grund, schlechte Laune zu haben. Wenn er den Moment ungeschehen machen wollte, dann war es doch das beste kein Wort mehr darüber zu verlieren und so zu tun, als hätte es ihn niemals gegeben. Aber egal welcher Grund mir auch einfiel, nichts passte zu dem Verhalten, welches Max gerade an den Tag legte, erst recht nicht das Verhalten als sie angekommen waren. Man hat für einen Moment fast denken können, er wäre eifersüchtig gewesen. Aber wieso? Weder hatte er einen Grund eifersüchtig zu sein, noch hatte er das Recht eifersüchtig zu sein. Die Fronten waren doch eigentlich geregelt gewesen, beide hatten wir doch gewusst auf was es hinauslief und was es in Wirklichkeit war. Nein das machte am allerwenigsten einen Sinn. Aber es musste doch einen Grund geben, nur welchen?
 

„Willst du nicht mit feiern?“, kam es von Tim, der in den Bus gekommen war, ohne dass ich es mitbekommen hatte.

„Wie? Ähm wo kommst du denn auf einmal her? Ihr seid doch gerade erst fertig geworden?“, meinte ich verwundert und richtete mich im Bett auf.

„Gerade erst? Ich glaub dir hat das arbeiten heute nicht so ganz gut getan“, lachte Tim und schüttelte seinen Kopf.

„Ähm wie jetzt?“

„Das Konzert ist jetzt seit bald einer Stunde aus“, erklärte Tim und war nun doch ein wenig verwundert. „Sag bloß du hast die Zeit vergessen?“

„Scheint wohl so zu sein“, murmelte ich und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. Ich hatte wirklich nicht mitbekommen dass so viel Zeit bereits vergangen war. Es waren mir gerade einmal wie 5 Minuten vorgekommen. Kurz warf ich einen Blick auf die Uhr und Tim hatte wirklich recht gehabt. Das Konzert war tatsächlich schon seit einer Stunde aus.

„Also kommst du jetzt mit?“, fragte Tim nochmals nach und deutete mit der Hand über die Schulter.

„Meinst du das lass ich mir entgehen nachdem ihr das letzte Mal so viel Spaß gehabt hattet?“, grinste ich und stand auf. Nein dieses mal wollte ich mitfeiern und mir war es egal ob ich es am nächsten Tag bereuen würde oder nicht. Ich würde es zwar auf alle Fälle tun, ganz besonders wenn mir morgen das Gleiche bevor stand wie heute auch schon, aber man lebte ja bekanntlicherweise nur einmal und das sollte genutzt werden.

„Na dann auf, sonst liegen die noch unter dem Tisch bevor wir wieder zurück sind“, lachte Tim und da es ihm nicht schnell genug zu gehen schien, packte er einfach meine Hand und zog mich hinter ihm her.
 

„Wo hast du sie denn gefunden?“, rief uns Per schon entgegen und deutete mit der Hand auf mich.

„Die lag im Bus“, lachte Tim und grinste vor sich hin.

„In unserem oder....“, kam es von Max der gleich darauf einen großen Schluck aus seiner Bierflasche nahm.

„Natürlich in unserem“, meinte Tim schnell und sah fragend zwischen mir und Max hin und her.

„Wundert mich“, murmelte Max, schnappte sich seine Bierflasche und verschwand vom Tisch, an dem die Band gestanden hatte.

Ich musste in diesem Moment tief Luft holen und mich zusammenreißen, damit ich ihm nicht auf der Stelle folgte und ihn zur Rede stellte. Aber ich konnte mich beherrschen. Wenn der Herr gerne schlechte Laune hatte und es ihm Spaß machte irgendwelche Vermutungen anzustellen, dann sollte er es tun, aber alleine. Ich hatte nicht vor mich auf dieses Niveau herab zu lassen.

Per sah aus als wolle er gerade etwas sagen, doch ein Blick von Stefan brachte ihn dann doch schnell zum schweigen.

„Ich dachte wir wollten feiern?“, sagte ich in die Runde und lachte auf, wobei es kein echtes Lachen war. Aber man konnte ja zumindest mal versuchen gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

„Endlich bringts mal jemand auf den Punkt“, lachte Julius und ehe ich mich versah, wurde mir auch schon eine Flasche Bier in die Hand gedrückt.

„Auf einen gelungenen Abend würde ich mal behaupten“, meinte Per und hob seine Bierflasche an.

„Auf einen gelungenen Abend“, kam es nun auch von uns restlichen. Ja so fing der Abend doch gleich wesentlich besser an.

„Jetzt erzähl doch mal, was hast du den ganzen Tag gemacht?“, kam es fragend von Stefan, der reichlich neugierig aussah.

„Ich bin von einem Eck ins andere gelaufen, wurde von Benedikt mit Arbeit überhäuft, musste mir Dinge überlegen von denen ich bisher noch nicht einmal etwas gehört habe, hab mit Leuten reden müssen die alle etwas wissen wollten und wusste oftmals nicht mehr wo oben und wo unten ist“, erzählte ich lachend und trank wieder einen großen Schluck. „Ich frag mich ehrlich, wie Benedikt da noch den Überblick behalten kann und wie er den ganzen Stress so locker wegsteckt. Ich war ehrlich gesagt hoffnungslos überfordert.“

„Hat er dich denn alleine gelassen oder warum überfordert?“, fragte nun Per und schien wirklich interessiert zu sein.

„Nein alleine hat er mich nicht gelassen“, meinte ich und schüttelte den Kopf. „Er hat mich eigentlich nur die gleiche Arbeit machen lassen, die er auch jeden Tag macht. Nur dass er eben den Vorteil der Erfahrung hat und ich eben genau 0 davon habe.“

„Aber was ich nicht so ganz verstehe ist, warum er dir das alles zeigt?“, kam es von Stefan, der es bereits heute morgen schon nicht so richtig verstanden hatte.

„Daran bin ich schuld“, meinte ich grinsend und sah kurz pfiffelnd an die Decke hinauf. „Ich studiere Medienmanagement und möchte demnächst meinen Schwerpunkt auf Musikevents legen und da habe ich mir halt gedacht, dass er mir da sicherlich ein paar Tips geben könnte. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er mich da gleich ins kalte Wasser wirft!“

„Er hat dich ernsthaft ins kalte Wasser geworfen? Aber wieso das denn?“, fragte Per nun wieder, weil er sich das in diesem Moment nicht so wirklich vorstellen konnte.

„Ich glaube er tut das nur, damit ich kein falsches Bild von dem Job bekomme“, mutmaßte ich jetzt einfach mal, denn das erschien mir als das logischte. „Je schwerer er es mir macht, desto ernster nehme ich wohl die Sache. Macht er es mir zu leicht, dann könnte ich ja auf die Idee kommen zu denken, dass der Job ein Zuckerschlecken ist. Außerdem hab ich so schon einen Pluspunkt für meine Bewerbungen die ich demnächst schreiben muss, weil ich ja ein Praktikumssemester vor mir hab. Mit ein paar mündlichen Tips komme ich da nicht besonders weit.“

„Also ich muss sagen, ich finds toll dass er dir da hilft“, meinte Tim und nickte unterstützend mit dem Kopf.

„Ich finds auch klasse“, meinte nun auch Julius, der bisher nur zugehört hatte. „Traut man ihm gar nicht zu.“

„Das stimmt und auch wenn wir dadurch auf dich verzichten müssen, so freut es mich doch, dass dir das alles doch nützlich ist“, kam es von Stefan, der nun seine Flasche erhob. „Auf dass die Tour nicht nur uns weiterhilft, sondern auch Andrea zu einem Praktikum verhilft.“

„Auf uns!“, kam es von Per, gefolgt von den anderen.

Es war toll zu hören dass sie sich darüber freuten dass Benedikt mir half und auch, dass es für sie kein Problem war. Zumindest 4 von 5 schienen damit kein Problem zu haben.

„Ich husche mal kurz für kleine Mädels“, meinte ich grinsend und deutete mit der Hand über die Schulter in Richtung Toiletten. „Bleibt mir aber ja anständig!?“

„Sind wir doch immer“, kam es lachend zurück und ich konnte nur den Kopf schütteln. Sie waren wirklich ein verdammt liebenswerter Haufen.
 

Ich zwängte mich durch die Leute hindurch, die noch dageblieben waren und es waren nicht gerade wenige. Ich wusste jetzt nicht ob das alles Bekannte und Freunde waren oder ob das alles Fans waren, aber im Endeffekt ging es mich ja auch nicht wirklich etwas an.

„Dürfte ich mal“, fragte ich höflich ein Pärchen, welches den Gang versperrte und lächelte freundlich. Doch das Lächeln erstarb mir wortwörtlich auf den Lippen, als ich erkannte, wer da vor mir stand.

„Aha... So ist das also“, meinte ich nur und mir war es egal ob meine Stimme jetzt kalt war oder nicht. „Max würde es dir was ausmachen dem Mädel mal kurz die Zunge aus dem Hals zu nehmen, einen Schritt zur Seite zu gehen damit ich vorbei kann oder ist das schon zu viel für dich?“

Mit einem beinahe schon süffisanten Grinsen ging Max einen winzigen Schritt beiseite und bei seinem Blick brauchte es keine weiteren Worte mehr.

„Danke und lasst euch nicht weiter stören“, meinte ich nur, zwängte mich an ihnen vorbei und ging durch die Türe.

„Was war denn das für eine Zicke?“, hörte ich das Mädel fragen, gefolgt von einem gekünstelten Lachen.

„Das? Ach die bildet sich ein mir wichtig zu sein, dabei geht sie mir sonst wo vorbei“, hörte ich Max sagen. „Die brauch dich nicht zu interessieren, mich interessiert sie ja auch nicht.“

Ich stand da und jeder Muskel in meinem Körper hatte sich angespannt. *Was fällt dem eigentlich ein!*, schoss es mir durch den Kopf und am liebsten hätte ich die Türe aufgerissen und es dem Gör brühwarm an den Kopf geworfen. Aber nein, ich würde mich nicht von so einem dahergelaufenem Stück Weib provozieren lassen. Sollte sie doch ihren Spaß haben.

Ich wusch mir die Hände, spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und starrte in den Spiegel. *Die ist mir egal*, hörte ich Maxs Stimme dessen Worte sich in meinen Kopf gebrannt hatte. Ich konnte mir denken warum er es gesagt hatte, aber trotzdem war es etwas, das er sich hätte verkneifen können. Es hätte so viele andere Möglichkeiten gegeben, warum also hatte er ausgerechnet diese gewählt? Wollte er sich an mir rächen? Wollte er mir irgendetwas reinwürgen oder was hatte ihn bitteschön geritten so einen Schwachsinn zu erzählen? Das machte genauso wenig Sinn wie sein dummes Kommentar vorher.

Ich öffnete die Türe wieder und es war genau das gleiche Bild wie zuvor auch. Das war doch zum an die Decke gehen.

„Darf ich mal?“, meinte ich nur und deute mit der Hand an, dass sie doch gefälligst mal den Weg frei machen sollten.

„Jetzt stress mal nicht rum!“, kam es von dem Mädchen und ich zog nur die Augenbrauen nach oben.

„Ich stresse nicht, ich will einfach nur vorbei oder ist das zu hoch für dich?“

„Bist ja nur neidisch weil ich ihn habe und nicht du“, meinte das Mädel wieder und meinte einen besonders intelligenten Gesichtsausdruck aufsetzen zu müssen.

„Ach bin ich das?“, kam es nur mit einer guten Portion Ironie von mir, bevor ich die beiden einfach versuchte aus dem Weg zu schieben. Ich hatte wahrlich keine Lust mir das Getue noch länger antun zu müssen.

„Das wird nie passieren“, kam es von Max der mir kurz einen Blick zuwarf. „Nichtmal wenn sie die Letzte wäre. Ich habe auch meinen Stolz.“

Mitten in meiner Bewegung hielt ich inne. Ich holte tief Luft und drehte mich dann langsam um. Mit einem undeutbaren Lächeln sah ich erst das Mädel an und dann Max.

„Den habe ich auch“, sagte ich ruhig und ehe sich Max versah, hatte er auch schon eine solche Ohrfeige von mir bekommen, dass nun alle 5 Finger von mir auf seiner Wange zu sehen waren. Ohne noch ein Wort zu sagen drehte ich mich herum und ging weiter meines Weges. Nein das brauchte ich mir jetzt ja nun wahrlich nicht bieten zu lassen. Wenn er meinte sich vor irgendwelchen dahergelaufenen Groupies profilieren zu müssen, dann bitte, dann sollte er es tun. Aber das war gerade ein Armutszeugnis der allerersten Güte gewesen. Wenn er sie flachlegen wollte, bitte dann sollte er es tun, aber dann sollte er es sich gefälligst verkneifen mir dabei noch eines reinwürgen zu müssen. Ich hatte keine Ahnung was ich ihm getan haben sollte was so etwas auch nur im entferntesten gerechtfertigt hätte.

What if...

„Sag mal bist du noch ganz klar im Kopf?!“, hörte ich Maxs Stimme direkt hinter mir und ich wollte einfach weitergehen, als mich jemand unsanft am Handgelenk packte und festhielt.

„Ich? Wie wäre es, wenn du dir mal an deine eigene Nase packst!“, meinte ich nur und drehte mich zu ihm herum.

„Was sollte die Aktion denn gerade!?“, fragte Max wieder und man merkte ihm an, dass er sauer war, aber sollte er es doch sein.

„Was die Aktion sollte? Wie wäre es wenn du mal scharf nachdenkst“, sagte ich kalt und sah ihn mit einem direkten Blick an. „Oder hast du dir schon dein Hirn rausge**** und kommst nicht drauf?“

Es war mir egal wenn man uns hören konnte und es war mir egal was die Leute in diesem Moment von uns dachten. Ich hatte einfach keine Lust mich erst beleidigen und mich dann anfahren zu lassen.

„Scheinbar hast du es wirklich schon, ansonsten wäre jetzt wohl eine Antwort gekommen“, meinte ich und wand mich aus seinem Griff. Ich hatte jetzt einfach keine Lust ihm das zu erklären. Wenn er von selbst nicht drauf kam was er verbockt hatte, dann konnte ich auch lange auf eine Entschuldigung warten. „Geh zurück zu deinem Abenteuer und tue einfach das, was du am besten kannst.“

Wieder drehte ich mich um und wollte einfach meines Weges weiter gehen, doch da wurde ich erneut am Handgelenk gepackt. Ich wurde so plötzlich nach hinten gezogen, dass ich beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

„Was soll der Bockmist jetzt!“, motzte ich Max an, der mich einfach hinter sich her und nach draußen zog. Doch anstatt mir eine Antwort zu geben, zog er mich einfach weiter hinter sich her, bis er plötzlich stehen blieb und mich ansah.

„Wo liegt jetzt bitte dein verdammtes Problem?!“, schrie mich Max beinahe an und seine Augen funkelten wütend.

„Ich lasse mich von dir garantiert nicht anschreien damit das mal klar ist“, kam es leise von mir und das hatte nichts Gutes bei mir zu bedeuten. „Wo mein Problem liegt? Vielleicht solltest du mal besser überlegen wo DEIN Problem ist?“

„Ich schreie an wen ich anschreien will damit das mal klar ist ok!“, kam es wieder von Max, der es nicht einsah, seine Stimme auch nur ein klein wenig zu zügeln. „Und wenn du glaubst ich lass mir von dir einfach so eine Ohrfeige verpassen, dann hast du dich aber gewaltig getäuscht! Führst dich da auf wie eine eifersüchtige Zicke... Was soll der Scheiß?!“

„Wie eine eifersüchtige Zicke? Sag mal sind bei dir noch alle Tassen im Schrank? Du rennst doch seit heute morgen rum als hättest du das Unglück gepachtet“, kam es nun etwas lauter von mir, denn mir platzte so langsam der Kragen. „Erst deine beschissene Laune heute morgen, dann dein saudummes Kommentar heute Mittag, dann dieses absolut unnötige Kommentar vorher und dann soll ich mich von dir auch noch beleidigen lassen? Was glaubst du eigentlich wer du bist? Mister Superstar nur weil dich die halbe Welt in der Kiste haben will? Wahnsinn dass es tatsächlich Leute gibt, die sich auf sowas was einbilden.“

„Jetzt halt doch einfach mal die Klappe!“, fuhr mich Max an und kam einen Schritt auf mich zu. „Wenn ich Kommentare loslassen will dann mach ich das, ob es dir passt oder nicht. Es ist mir vollkommen egal!“

„Nein jetzt hältst du mal die Klappe“, fuhr ich ihn nun an, denn das war jetzt der Tropfen gewesen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte. „Du kannst von mir aus den ganzen Tag nur sinnlose Kommentare von dir geben, aber unterlasse es bitte mir irgendwelche Sachen anzudichten ok? Und solltest du noch einmal auf die Idee kommen mich beleidigen zu müssen, dann lass dir gesagt sein, dass die Ohrfeige eben noch harmlos gewesen ist.“

„Willst du mir etwa drohen?“

„Nein ich sage nur was dann passiert. Aber wenn du es lieber als drohen sehen willst, bitte! Du siehst doch eh nur das was du sehen willst, aber rumpiensen, wenn es andere genauso bei dir machen!“

„Das ist etwas vollkommen anderes und das weißt du genau!“

„Ach weiß ich das? Seh ich etwa aus wie ein gottverdammtes Lexikon dass ich alles weiß und vorallem alles riechen kann?“

„Jetzt werd bloß nicht sarkastisch verstanden?!“

„Junge wenn ich sarkastisch werden will dann tue ich das und da kannst du dich von mir aus auf den Kopf stellen, das geht mir ja sowas von wo vorbei!“

„Weißt du was? Leck mich!“

„Wo bitte liegt dein gottverdammtes scheiß Problem?“

„Ich hab kein Problem herrgott nochmal!!“

„Ach nein? ACH NEIN?! Für wie blöde hältst du mich eigentlich? Ich bin nicht so doof wie eines deiner Abenteuer, also hör auf mich so zu behandeln verstanden!“

„Schade, die halten nämlich die Klappe wenn man es ihnen sagt!“

„Sag mal geht’s noch? Was soll der ganze Kack hier eigentlich? Wenn du kein Problem hast warum zerrst du mich dann nach draußen? Weißt du was? Ich weiß meine Freizeit besser zu verbringen als mit einem von sich selbst überzeugten Möchtegern-Star. Brüll von mir aus die Wand an, aber hör auf meine Zeit zu verschwenden!“

„Na auf! Geh doch zu ihm! Das ist es doch was du willst oder etwa nicht?!“

„Jetzt geht mir ein Licht auf. Das ist es also was du von mir denkst? Das ist also das Problem was du anscheinend ja gar nicht hast.“

„Denk doch was du willst!“

„Nein das tue ich nicht Max, das übernimmst ja schon du!“

„Lass mich einfach in Ruhe ok?!“

„Nein das tue ich nicht und jetzt erst recht nicht! Du denkst doch nicht wirklich dass zwischen mir und ihm auch nur annähernd irgendwas läuft oder?“

„Liegt es denn nicht klar auf der Hand?!“

„Es liegt überhaupt gar nichts auf der Hand! Da ist nichts! Überhaupt gar nichts! Da ist ja zwischen mir und Stefan noch mehr!“

„Ach ja?“

„Nichts ach ja! Sag mal kapierst du es nicht oder willst du es nicht kapieren!?“

„Warum sonst seid ihr dann heute verschwunden? Meinst du eigentlich ich bin blöd oder ich bin blind? Ich sehe doch wie ihr ständig zusammenhängt! Also versuche nicht mich für dumm zu verkaufen!“

„Wir hängen ständig zusammen? Ich glaube da liegst du mehr als nur falsch! Ich verbringe wesentlich mehr Zeit mit dir, als mit ihm. Aber wenn du das an Zeit fest machst, dann müsste zwischen uns ja jede Nacht was laufen und nicht nur letzte! Und falls du dich fragst warum ich heute morgen mit ihm verschwunden bin, dann liegt das daran, dass er den Job hat, den ich machen möchte und da hab ich ihn gefragt ob er mir ein bisschen was aus dem Job zeigen kann. Thats fucking all! Hell damn it!“

„Ach ja und morgen ist Weihnachten oder was?“

„Glaubs mir oder glaubs mir nicht gottverdammt! Mehr als die Wahrheit kann ich dir nicht sagen, aber wenn du dich lieber mit einer Lüge zufrieden geben willst, bitte, die kann ich dir gerne geben! Ich hüpfe jede Nacht mit ihm durch die Betten oder hast du was anderes von mir erwartet? Erst dich, dann ihn und mal schauen wen ich mir jetzt als nächstes vornehm. Hmm... Wie wäre es mit Stefan oder ne halt ich glaube Tim ist als nächstes fällig.“

So langsam reichte es mir wirklich. Das war ja zum aus der Haut fahren! Warum nur glaubte er mir nicht? War er etwa so verbohrt in seine Vermutung, dass er die Wahrheit gar nicht mehr wissen wollte?

„Ja ich hätte etwas anderes von dir erwartet!“

„Dann sag es mir doch einfach herrgott nochmal und lass dir nicht jedes gottverdammte Wort aus der Nase ziehen!“

Wütend trat ich eine Red Bull Dose gegen die Wand, denn seine Sturheit machte mich verrückt.

„Ich hatte eigentlich gedacht dass dir das gestern irgendwas bedeutet hätte aber da habe ich mich wohl getäuscht. Es scheint dir vollkommen egal zu sein. Du tust so als hätte es niemals stattgefunden!“

„Glaubst du das wirklich?“, fragte ich leise nach und sah ihn von unten herauf an. „Glaubst du wirklich dass es mir nichts bedeutet hat?“

„Was soll ich denn auch sonst glauben? Ich meine du stehst einfach so auf und verschwindest, beim Frühstück bist du kurz darauf auch verschwunden, nach dem Konzert bist du auf einmal verschwunden... Was soll ich da bitteschön sonst glauben?“

Max hatte seine Hände tief in seine Hosentaschen gesteckt und den Blick auf den Boden gerichtet. Langsam ging er ein paar Schritte zurück und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.

„Ich... Gut ich war vielleicht nicht ganz ehrlich gewesen gestern, aber was hätte ich sagen sollen? Du hättest mir doch vermutlich kein einziges Wort geglaubt“, sprach Max leise und sah weiter auf den Boden, als würde es dort etwas spannendes geben. „Hätte ich dir sagen sollen dass ich für meinen Teil ganz genau weiß was los ist? Dass ich mir sicher bin was ich fühle? Vielleicht war ich es mir davor nicht gewesen, aber danach war ich es mir ganz sicherlich gewesen.“

Max fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, stieß sich von der Wand ab und fing an hin und her zu laufen.

„Was hätte ich tun sollen? Hätte ich es dir sagen sollen nachdem ich dir davor etwas vollkommen anderes gesagt habe? Ich meine wie hätte sich das angehört? Du hättest doch gedacht dass... dass ich das davor alles nur gesagt habe damit...“, sprach Max leise weiter und für einen winzigen Moment war seine Stimme unsicher geworden. „Ich dachte mir einfach, dass es das einfachste wäre einfach gar nichts zu sagen. Einfach so tun als wären nun alle Fragen beantwortet und die Sache ein für allemal geklärt, aber es geht nicht! Ich kann es einfach nicht! Es tut mir leid... Ich kann es nicht.“

Max hob für einen kurzen Moment seinen Blick und sah mich an. Ich sah seinen Blick und was ich sah ließ mich schweigen. Max senkte seinen Blick wieder und lehnte sich erneut mit dem Rücken gegen die Wand.

„Ich bin die halbe Nacht wach gelegen und habe nachgedacht. Mich gefragt was wohl wäre wenn ich nicht schweigen würde, was passieren würde, was mit uns sein würde. Ich habe mich gefragt ob es wirklich das ist was sein sollte, was geschehen sollte. Dann habe ich mich gefragt was wohl sein würde, wenn ich schweigen würde, wenn ich einfach alles so weiterlaufen lassen würde, wie bisher auch. Wenn sich einfach nichts ändern würde, aber ich will nicht eines Morgens aufwachen und mich fragen ob mein Leben anders verlaufen wäre, wenn ich nicht geschwiegen hätte. Ich will nicht eines Morgens aufwachen und das Gefühl haben in meinem Leben etwas wichtiges verpasst zu haben, etwas ganz besonderes verloren zu haben.“

Ich stand einfach nur da und hörte dem zu was er mir zu sagen hatte. Ich wusste nicht ob ich jetzt etwas sagen sollte oder ob nicht. Vermutlich würde ich so oder so nur Unsinn daher reden oder irgendetwas falsches sagen. Vorallem wusste ich nicht einmal, was ich überhaupt sagen sollte. Das was ich jetzt so hörte, warf mich vollkommen aus der Bahn. Die Worte hinterließen ein wunderschönes, warmes Gefühl und zugleich jagten sie auch Furcht ein. Furcht vor einer Zukunft die voller Ungewissheit lag. Es schien alles so einfach zu sein und dennoch wusste man genau, dass es das nicht war und wohl auch niemals sein würde. Es stand noch so vieles zwischen einem und doch war man sich näher als man es jemals erwartet hätte.

„I’ve never written a love song

That didn’t end in tears

Maybe you’ll rewrite my love song

If you can replace my fears

I need your patience and guidance

And all your lovin’ and more

When thunder rolls through my life

Will you be able to weather the storm?“, hörte ich Max plötzlich leise singen und was er sang machte es mir nur noch schwerer irgendetwas zu sagen. Ich sah zu wie er langsam an der Wand hinunterglitt und nun auf dem Boden saß.

„There’s so much I would give babe

If I’d only let myself

There’s this swell of emotions

I feel I must protect

But what’s the point of this armor

If it keeps the love away, too?

I’d rather bleed with cuts of love

Than live without any scars

Baby, can I trust this?

Or do all things end?

I need to hear that you’d die for me

Again and again and again

So tell me when you look in my eyes

Can you share all the pain and happy times?“

Max hob seinen Kopf und sah mich wieder einfach nur an. Ich wusste genau, es würde von ihm kein einziges Wort mehr kommen. Nicht heute und nicht morgen. Nicht wenn ich ihm keine Antwort geben würde. Aber was für eine Antwort erwartete er von mir? Welche konnte ich ihm geben? Ich wusste es nicht. Ich fühlte mich hin und her gerissen zwischen dem was ich dachte und dem was ich fühlte. Es war, als würden zwei Menschen versuchen mich auf ihre Seite zu ziehen indem sie einfach an meinen Armen zogen. Aber ich wusste dass ich ihm eine Antwort geben musste. Ich musste ihm einfach etwas sagen, denn das war ich ihm einfach schuldig. Langsam ging ich auf ihn zu und vor ihm in die Hocke. Leicht legte ich ihm meine Hände auf die Knie und sah ihm in die Augen.

„Max ich...“, fing ich leise an und schüttelte langsam meinen Kopf. Nein das war es nicht was ich ihm sagen wollte. Es war das was mein Verstand ihm sagen wollte, aber nicht das, was mein Innerstes ihm sagen wollte. Es wurde Zeit den Verstand einfach mal zum schweigen zu bringen. Es war egal ob es sich später als Fehler herausstellen sollte oder nicht, aber um das zu wissen, musste man sich einfach darauf einlassen, ansonsten würde man sich sein ganzes Leben lang fragen ob die Entscheidung richtig gewesen war die man in diesem Moment getroffen hatte. Ein Lächeln lag mir auf den Lippen als ich mich neben ihn auf den Boden setzte und meinen Kopf gegen seine Schulter lehnte. Einen Augenblick lang saß ich einfach so da und sah in die Nacht hinaus, ehe ich ihm wieder in die Augen blickte.

„Ich kann es dir nicht versprechen“, sagte ich leise und strich ihm mit den Fingerspitzen über die Wange. „Aber was ich kann, ist es zu versuchen.“

Langsam legte Max seinen Arm um meine Schultern und zog mich an sich. Leicht lehnte er seinen Kopf gegen meinen.

„Das ist mehr als ich erwartet habe von dir zu hören“, sprach er leise und richtete seinen Blick wieder hinaus in die Nacht. „Weißt du noch was du gestern gesagt hast? Dass danach nichts mehr so sein wird wie es zuvor gewesen ist? Du hast damit recht behalten. Es ist nichts mehr so wie es einmal war und trotzdem bereue ich nicht einen einzigen Schritt. Wenn ich etwas bereue dann, diesen Schritt nicht schon viel früher gegangen zu sein.“

Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen sah er mich an, bevor sich unsere Lippen berührten.

Zweifel

„Ich fass es nicht!“, hörte man plötzlich jemand ausrufen und der Kuss endete. Beide sahen wir auf und sahen direkt zu Stefan, der ohne dass wir es bemerkt hätten aufgetaucht war. „Ich fass es wirklich nicht! So hältst du also deine Versprechen ein? Ich hätte doch wissen müssen dass du es nicht kannst!“

„Lass es mich doch bitte erklären“, fing Max an und stand vom Boden auf.

„Erklären? Was willst DU mir bitte erklären? Da gibt es nichts zu erklären!“, kam es wieder von Stefan, der gerade alles andere als ruhig war. Nein im Gegenteil. Es schien, als würde ihn das was er gerade gesehen hatte mehr als nur stören. Es schien ihn regelrecht auf die Palme zu bringen.

„Ich denke mal schon“, sprach Max ruhig und ging auf Stefan zu. „Gib mir bitte nur 5 Minuten ok?“

„Oh man... 'Keine Sorge da passiert nichts, ich verspreche es dir'... Waren das nicht deine Worte gewesen? Und jetzt? Egal was du auch sagen willst, für mich gibt es da nichts zu erklären“, kam es wieder von Stefan, der sich umdrehte und einfach davon gehen wollte, aber das ließ Max nicht zu.

„Nein du bleibst jetzt stehen und hörst mir verdammt nochmal zu!“, meinte er energisch und stellte sich Stefan in den Weg. „Ja ich hatte es versprochen, aber was soll ich sagen... Es kam eben doch anders, aber es ist nicht so wie du jetzt denkst.“

„Ach was denke ich denn? Was soll man denn auch denken wenn man dich gerade gesehen hat! Na die wievielte Nummer soll sie denn werden oder hat sie etwa schon eine?“, kam es sauer von Stefan der nun seine Arme verschränkt hatte.

Ich sah zwischen den beiden Jungs hin und her und versuchte zu verstehen welcher Film sich da gerade vor meinen Augen abspielte, aber so richtig war ich noch nicht dahinter gestiegen. Das einzige was ich mitbekommen hatte dass Max ihm irgendetwas versprochen hatte und es nicht eingehalten hatte und dass Stefan deswegen jetzt sauer war. Aber mehr hatte ich auch noch nicht herausgefunden.
 

„Ähm hallo? Könnte mir vielleicht mal einer erklären was hier gerade vor sich geht?“, fragte ich vorsichtig nach und stand ebenfalls vom Boden auf.

„Frag ihn doch!“, meinte Stefan und sah nicht danach aus, als hätte er vor mir überhaupt etwas zu erklären, geschweige denn sich mit mir zu unterhalten. Gut, was er gesehen hatte passte ihm nicht, aber wieso? Das war die große Frage.

„Mir ist es eigentlich gerade egal wer es mir erklärt, sofern es überhaupt endlich jemand tut“, sagte ich noch immer vorsichtig, denn ich hatte das Gefühl mich auf sehr dünnem Eis zu bewegen. Wenn ich mich konzentrierte konnte ich es sogar schon knirschen hören.

„Er hat mich gebeten die Finger von dir zu lassen und ich habe ihm versprochen es auch nicht zu tun“, kam es dann von Max, da Stefan sich noch immer weigerte es zu sagen.

„Und hast du es halten können? Nein! Aber noch groß rumtönen dass es für dich kein Problem wäre und das würde schon klappen“, warf Stefan wieder sauer ein und sah an Max vorbei. „Aber wie man sieht war wohl das Verlangen mal wieder größer als der Verstand.“

„Du hast ihm gesagt er solle die Finger von mir lassen?“, fragte ich ungläubig nach, denn das verstand ich jetzt erst recht nicht. Warum kam Stefan bitteschön auf die Idee Max irgendwelche Vorschriften zu machen oder ihn um etwas zu bitten?

„Ja natürlich habe ich das und das nicht ohne Grund, aber der Herr hat es ja nicht für nötig gehalten sich an sein Versprechen zu halten!“, grummelte Stefan und wenn Blicke töten könnten, dann wäre Max jetzt sicherlich umgefallen.

„Ja aber wieso denn bitte? Kannst du mir das vielleicht mal erklären?“

„Liegt es denn nicht klar auf der Hand? Wir reden hier von Max und nicht von irgendjemand!“

„Ja und? Was bitte willst du jetzt damit sagen Stefan?“

„Weiberheld der keine Gelegenheit ausläßt? Der Frauen vernascht wie andere Schokolade? Der Max der jede Woche eine andere am Start hat? Klingelts da bei dir?“, meinte Stefan und sah Max nun direkt an.

„Danke! Vielen Dank dass du so viel von mir hältst“, kam es nun sauer von Max, der seine Hände wieder tief in die Hosentaschen gesteckt hatte. „Danke dass du so viel Vertrauen in mich hast. Hätte mich auch gewundert wäre es anders gewesen.“

„Du bist doch selbst schuld an dem Ruf! Du bist es doch von uns der ständig irgendwelche Weiber abschleppt und flachlegt! Also beschwere dich verdammt nochmal nicht, wenn das jeder von dir denkt!“, schlug Stefan zurück und er sah nicht aus, als würde er einen Rückzieher machen.

„Das muss doch aber nicht gleich heißen dass es immer so ist verflucht nochmal! Schon mal daran gedacht dass Menschen sich auch ändern können?“

„Du dich ändern? Geiler Witz! Der Beste den ich jemals gehört habe!“, meinte Stefan und verzog ironisch das Gesicht.

„Stefan es reicht!“, meinte ich nur, denn langsam ging die Sache eindeutig zu weit. „Denke über Max was du willst, aber sag mir mal bitte, welches Recht du hast, ihm irgendwelche Vorschriften zu machen? Ihn um irgendwas zu bitten was mich betrifft? Glaubst du nicht ich bin alt genug um selbst entscheiden zu können? Kurz gesagt, was mischt du dich bitte in mein Leben ein?“

„Warum ich mich einmische? Ist das denn so schwer zu verstehen?“, kam es von Stefan der seinen Blick wieder zu mir gelenkt hatte. „Ist es denn so schwer zu verstehen dass ich keinen Bock hab dass du als weitere Nummer in seiner Liste endest? Dass er dich genauso benutzt wie die Mädels zuvor?“

„Ja und? Schon mal auf die Idee gekommen dass es mir vielleicht auch egal sein könnte wenn es so wäre?“, meinte ich zu ihm und warf ihm einen fragenden Blick zu.

„Egal? Es wäre dir egal?“, kam es von Stefan der das Gefühl hatte sich verhört zu haben.

„Nein es wäre mir nicht egal, aber dieser Fall hätte doch durchaus sein können. Es hätte doch genauso gut sein können, dass es für uns beide nicht mehr als ein Abenteuer wäre, so in beiderseitigem Einverständnis. Aber ich glaube auf die Idee bist du gar nicht gekommen oder?“, fragte ich wieder nach und sah Stefan aufmerksam an. Ich sah wie es in seinem Kopf zu arbeiten anfing und vielleicht würde der Groschen ja irgendwann einmal doch noch fallen.

„Ja aber wenn es dir nicht egal ist warum nimmst du ihn dann in Schutz, ich meine warum verstehst du dann nicht dass ich es nur gut gemeint hab?“, hakte Stefan nach, der sich so nach und nach zu beruhigen schien.

„Du hast es vielleicht gut gemeint, aber ist es denn nicht meine Entscheidung mit wem ich wann was tue?“, fragte ich wieder nach und lächelte leicht. „Ich finde es wirklich lieb von dir dass du dir darüber Gedanken gemacht hast, aber diese Gedanken wären nicht nötig gewesen. Ich weiß sehr gut wo meine Grenzen sind und ich weiß sehr wohl wann jemand versucht mit mir zu spielen und wann nicht und glaub mir, er tut es nicht.“

„Woher willst du denn wissen dass er es nicht tut? Wie lange kennst du ihn jetzt? Warum bist du dir bitte so sicher dass er dir nicht irgendwas vorspielt? Er kann sehr gut eine Rolle spielen und er weiß genau wie er die Mädels um den Finger wickelt. Also warum bist du dir so sicher, dass er dich nicht auch schon um den Finger gewickelt hat?“, fing Stefan wieder an und sah misstrauisch zu Max, der schweigend neben uns stand.

„Ja ich kenne ihn noch nicht so lange wie du ihn jetzt kennst, dafür kenne ich Seiten an ihm, die du vermutlich nicht kennst“, sagte ich zu Stefan und so war es vermutlich doch auch. Ich konnte mir nicht vorstellen dass Stefan wirklich jede Seite von ihm kannte, geschweige denn dass es überhaupt jemand gab der alle kannte. „Und wenn er doch jede Gelegenheit nutzt wie du vorher so schön daher gesagt hast, kannst du mir dann auch erklären warum er so lange gewartet hat? Es hat so viele Gelegenheiten gegeben, so viele Möglichkeiten geben und was war? Er hat nicht eine davon genutzt! Hätte es einer von euch mitbekommen wenn wir nachts aus dem Bus abgehauen wären? Warum hat er nicht schon die Gelegenheit genutzt als wir alleine bei mir waren wenn es ihm nur darum geht? Hm? Wo bleibt deine Erklärung?“

Jetzt war ich mal auf eine Erklärung gespannt. Es hatte wirklich so viele Möglichkeiten gegeben und er hatte wirklich keine davon genutzt. Jedenfalls nicht bis gestern, aber da war ich ja nicht unbeteiligt gewesen. Nein er war immer bis zu einer unsichtbaren Grenze gegangen, aber keinen einzigen Schritt weiter.

„Schon einmal daran gedacht dass das alles Taktik von ihm gewesen sein könnte? Erst einen auf braven Kumpel machen und dann wenn du ihm vertraust, schlägt er zu? An das hast du jetzt bestimmt nicht gedacht oder? Du bist blind in die Falle getappt die er ausgelegt hat. Ich fasse es wirklich nicht“, meinte Stefan wieder und verdrehte die Augen.

Ok ich musste zugeben dieses Argument war nicht einmal so schlecht und wenn ich ehrlich war, hätte es wirklich so sein können. Es würde alles perfekt zusammenpassen, denn so hatte sich ja Max wirklich ein wenig verhalten. Aber trotzdem glaubte ich nicht, dass es von ihm alles so durchgeplant gewesen war. Er würde sich doch gewiss nicht eine solche Mühe machen, wenn es ihm nur um eine Nummer ging und noch weniger würde die Aktion gerade dazu passen. Man machte doch nicht so einen Aufstand wenn es für einen nur eine einmalige Sache gewesen war.

„Keine Gegenargumente von dir? Merkst du so langsam dass ich vielleicht doch recht haben könnte?“, kam es wieder von Stefan, in dessen Blick sich etwas leicht triumphierendes geschlichen hatte.

„Ich weiß dass du nicht recht hast, auch wenn ich es dir nicht beweisen kann“, meinte ich zu ihm und zuckte leicht mit den Schultern.

„Du kannst es ihm vielleicht nicht beweisen, aber ich kann es“, kam es dann plötzlich von Max, der bisher geschwiegen hatte.

„Du willst mir beweisen dass du es ausnahmsweise mal ernst meinst? Wie willst du das denn anstellen?“, fragte Stefan und lachte auf. Nein er konnte sich im Moment wirklich nicht vorstellen wie ihm Max das beweisen wollte.

„Das lass mal mein Problem sein“, meinte Max nur und er schien sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Ich wusste nicht was Max vorhatte und vermutlich würde er es mir auch nicht sagen, aber irgendwie hatte ich bei der Sache ein ungutes Gefühl. Erklären konnte ich es mir nicht, aber mein Bauch war damit gar nicht zufrieden.

„Na da bin ich aber mal gespannt“, kam es wieder von Stefan der Max die Hand hinhielt.

„Das kannst du auch sein“, entgegnete Max und schlug ein. Somit war die Sache also besiegelt und ich wusste jetzt nicht ob ich lachen oder ob ich heulen sollte. Einerseits war es ja lieb von Stefan dass er sich Gedanken gemacht hatte, es war lieb von Max dass er ihm seine Bedenken ausräumen wollte, aber dachte vielleicht einer in diesem Moment wie ich mir vorkam? Ich stand da, wusste nicht wie mir geschah und kam mir vor wie ein Stück Beute um das sich zwei Raubtiere prügelten.

Einer ist immer der Depp

„Was hast du bitteschön vor?“, fragte ich Max, nachdem Stefan verschwunden war.

„Ehrliche Antwort?“, antwortete Max mit einer Gegenfrage.

„Natürlich will ich eine ehrliche Antwort von dir.“

„Ich hab keine Ahnung.“

„Wie du hast keine Ahnung?“

„So wie ich es sagte“, lachte Max und legte den Arm um meine Schultern. „Ich hab keine Ahnung wie ich es ihm beweisen soll, aber glaub mir, mir fällt da bestimmt noch etwas ein.“

„Ja aber warum hast du es dann gesagt wenn du keine Ahnung hast?“, fragte ich weiter, denn eigentlich war ich ja davon ausgegangen, dass er da schon eine Idee im Kopf hatte.

„Hätte er sich sonst beruhigt?“, fragte Max zurück und sah mir in die Augen. „Er hätte doch weiterhin gezweifelt und er wird auch so lange weiter zweifeln bis ich es ihm bewiesen habe. Auf die eine oder andere Art.“

„Ja aber...“, fing ich wieder an, doch Max legte mir den Zeigefinger auf die Lippen, damit ich schwieg.

„Jetzt hör auf dir deinen Kopf darüber zu zerbrechen sondern lass es ganz alleine meine Sorge sein“, meinte Max leise und mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich hab uns die Suppe eingebrockt, also löffel ich sie auch wieder aus.“

„Ja aber...“, fing ich wieder an, doch Max schüttelte den Kopf.

„Wenn ich jetzt noch einmal ein 'aber' von dir höre, dann kann ich für nichts mehr garantieren“, lachte Max und versuchte ein ernstes Gesicht zu machen, aber mit dem Grinsen welches er im Gesicht hatte, war es schwer ihm das abzunehmen.

„Für nichts mehr garantieren?“, fragte ich grinsend nach und legte ihm die Hände auf die Hüften.

„Ja für nichts mehr“, meinte Max grinsend und stupste mir mit dem Finger auf die Nasenspitze.

„So für wirklich überhaupt nichts mehr?“, fragte ich wieder grinsend und sah für einen winzigen Moment mit unschuldigem Blick in den Himmel hinauf.

„So wirklich für überhaupt gar nichts mehr“, bestätigte Max und neigte leicht den Kopf. „Du hast doch irgendwas vor oder?“

„Ich? Niemals!“, lachte ich auf und schüttelte den Kopf. „Aber.....“

Mit großen Augen sah Max mich an als ich es wagte das verbotene Wort auszusprechen. Kurz sah er mich an, ehe er mit den Schultern zuckte.

„Du hast es nicht anders gewollt“, meinte er ruhig, packte mich dann und warf mich über die Schulter. „Wer nicht hören will muss fühlen oder wie war das?“

„Maaaaaax! Lass mich runter!“, flehte ich lachend, aber anstatt runtergelassen zu werden, klatschte er mir nur auf den Hintern.

„Zu spät mein Schatz... Zu spät“, meinte er und ging schnurstracks auf den Eingang zu. Was zum Henker hatte er jetzt schon wieder vor? Er konnte doch nicht ernsthaft vorhaben mit mir auf der Schulter zurück zu den anderen zu gehen oder etwa doch? In der Halle rannten doch sicherlich noch genügend Fans herum, von diversen Pressefutzis ganz zu schweigen. Hatte ihm denn die Schlagzeile in der Bild nicht gereicht oder war er einfach nur verrückt geworden?

„Das kannst du jetzt doch nicht ernst meinen?“, fragte ich nach und versuchte noch immer ihn dazu zu bringen, mich wieder runter zu lassen.

„Sehe ich so aus als würde ich scherzen?“, meinte Max und öffnete seelenruhig die Türe.

„Das wirst du bereuen“, sagte ich und stupste ihm in die Seite.

„Keine Chance“, meinte Max ruhig und gab mir wieder einen Klaps auf den Hintern. „Außerdem kannst du mir doch so oder so nicht lange böse sein. Du hast es bisher noch nie geschafft, also warum sollte sich das ausgerechnet heute ändern?“

„Es gibt immer ein erstes Mal“, brummelte ich vor mich hin und startete einen letzten Versuch mich aus seinem Griff zu befreien.

„Da gebe ich dir ausnahmsweise mal recht“, lachte Max und ging weiter. „Und ich muss zugegeben, es fühlt sich nicht einmal so schlecht an.“

Das durfte doch einfach nicht wahr sein. Er fand heute doch wirklich auf alles ein Kommentar und das wo ich ihn schon so oft sprachlos gemacht hatte. Warum schaffte er es ausgerechnet heute und ausgerechnet jetzt?
 

„He wenn hast du denn jetzt schon wieder ab- oder besser gesagt angeschleppt?“, hörte ich Per lachen und es war klar, dass er zu seinen Freunden zurückgekehrt war.

„Was meinst du denn? Also ich sehe niemand?“, meinte Max und drehte sich mal in die eine Richtung und dann wieder in die andere Richtung, so als würde er sich umschauen.

„Wie wäre es mit der Person auf deiner Schulter?“, lachte Per wieder und haute mir nun auch noch auf den Hintern.

„Heeee.... So einladend sieht der auch wieder nicht aus“, beschwerte ich mich und versuchte wieder auf den Boden zu gelangen.

„Finde ich aber schon“, hörte ich Tim lachen und ehe ich es verhindern konnte, haute er mir nun auch auf den Hintern.

„Boah wenn ich euch in die Finger bekomme, dann jage ich euch rund um den Block“, meinte ich, allerdings war mir klar, dass sie meine Drohung absolut nicht ernst nehmen würden.

„Ich würde ja fast sagen, darauf lass ich es ankommen“, lachte Max und schlug mir ein weiteres Mal auf den Hintern, ehe er mich dann gnädigerweise wieder auf den Boden stellte.

Kaum hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen, stemmte ich meine Hände in die Hüfte und sah die drei Jungs mit strafendem Blick an.

„Ihr habt doch auch nur Unsinn im Kopf oder?“, meinte ich und schüttelte den Kopf. „Fällt euch denn nichts besseres ein als mir alle auf den Hintern zu hauen?“

„Hier darf auf Hintern geklatscht werden? Na das lass ich mir nicht zweimal sagen“, hörte ich Ingos Stimme hinter mir, der mir jetzt auch noch auf den Hintern hauen musste.

„Männer! Ihr seid doch alle gleich!“, rief ich aus und grummelte irgendwelche unverständliche Töne vor mich hin. „Nie könnt ihr eure Finger bei euch behalten! Schlimm seid ihr! Einfach nur schlimm und frech und vor allem ohne jeglichen Respekt und Anstand!“

„Oooch... Eine Runde Gruppenmitleid“, meinte Ingo und tätschelte mir auf dem Kopf herum.

„Waaahh...“, meinte ich nur und zog meinen Kopf zwischen die Schultern und versuchte irgendwie außer Ingos Reichweite zu kommen. „Wehe einer macht es ihm gleich!“

Nein darauf konnte ich sehr gut verzichten. Ich hatte gerade so oder so das Gefühl die große, rote A-Karte gezogen zu haben. Irgendwie hatten es gerade alle auf mich abgesehen und ich hatte keine Ahnung wie ich mich dem Ganzen entziehen konnte.

„Drohst du uns dann erneut uns um den Block zu jagen?“, fragte Per lachend und grinste von einem Ohr zum anderen.

„Nein dann lass ich euch zu Fuß neben dem Bus herlaufen oder noch besser, ich werde euch vom Bus jagen lassen und das von hier bis hoch nach Hamburg“, meinte ich, doch mir war klar, dass mich so oder so keiner ernst nehmen würde.

„Der kleine Kampfzwerg droht uns tatsächlich. Wie süß“, meinte Tim, behielt aber trotzdem einen gewissen Sicherheitsabstand bei. Sicher war ja bekanntlicherweise doch sicher.

„Süß? Ich gebe dir gleich süß“, entgegnete ich ein wenig grummelnd und ging langsam um den Tisch herum und auf Tim zu.

„Hier geblieben!“, lachte Max und hielt mich am Hosenbund fest. „Den brauche ich noch, aber nach dem letzten Konzert kannst du mit ihm machen worauf du gerade Lust hast.“

„Teeren, Federn und anschließend zu Fuß durch Berlin jagen?“

„Wenn es dir Spaß macht?“, meinte Max grinsend und zwinkerte Tim zu. „Zur Albumaufnahme sollte er dann jedoch wieder einsatzbereit sein.“

„So sieht das also aus“, kam es von Tim der einen gespielt entsetzten Blick aufgesetzt hatte. „Dafür bin ich also gut genug und ich dachte wir wären Freunde. Man ist die Welt schrecklich gemein. Da muss ich mir doch jetzt glatt was zum trinken holen.“

„Mir auch ein Bier“, grinste ich und verschränkte die Arme. „Vielleicht überlege ich es mir ja nochmal.“

„Dann bring ich dir mal besser 2 mit“, lachte Tim und nickte mit dem Kopf. „Dann hab ich eins gut.“

„Ob dir das hilft wage ich zu bezweifeln“, äußerte Per grinsend seine Bedenken und trank seine Flasche leer. „Aber bring mir auch eins mit, dann ändere ich meine Meinung vielleicht.“

„Sag mal bin ich euer Flaschenträger?“, fragte Tim nach und sah zwischen uns hin und her.

„Endlich kam ihm die Erleuchtung“, lachte Max und legte seine Hände wie beim Gebet aneinander. „Dafür musst du mir glatt eines mitbringen und ich denke Julius hat seines auch leer, also wären es weitere 2.“

„Ausbeuter!“, seufzte Tim laut auf und machte sich dann davon um das Bier zu holen.

„Waren wir etwa gerade gemein?“, fragte ich grinsend in die Runde.

„Wir sind doch niemals gemein“, kam es lachend von den anderen zurück.

„Na dann wären wir uns ja wieder einmal einig“, lachte ich und schüttelte den Kopf. Es war doch wirklich eine Chaotentruppe wie es sie wohl kein zweites Mal auf der Welt gab. Aber ich hatte sie einfach alle lieb gewonnen in den letzten paar Tagen, egal wie unfair sie auch manchmal zu mir gewesen waren. So waren sie einfach und anders konnte ich sie mir auch gar nicht vorstellen. Ich wollte sie auch gar nichts anders haben, denn dann wären sie einfach nicht mehr die Gleichen.
 

„Da habt ihr euer Bier“, meinte Tim als er zurück kam und die Flaschen auf dem Tisch abstellte. „Aber eins schwöre ich euch, das bekommt ihr noch zurück.“

„Na da freu ich mich jetzt schon drauf“, lachte Max und hob seine Flasche. „Ich würde sagen auf Tim's geplante Rache!“

„Auf Tim's geplante Rache“, kam es von uns anderen, ehe die Flaschen klirrten und das Bier seinen Weg die Kehlen hinunter fand.

Es war nicht das erste und noch weniger das letzte Bier das an diesem Abend vernichtet wurde. Doch auch jeder noch so schöne Abend fand einmal ein Ende und dieser Abend fand ein Ende, als Benedikt das Zeichen zum Aufbruch gab. Es war noch eine lange Fahrt bis hoch nach Hamburg und es bedeutete jetzt schon die ganze Nacht durch zu fahren um zu einer einigermaßen anständigen Uhrzeit im Norden an zu kommen.

Zwischen Raum und Zeit

„Guten Morgen“, flüsterte Max mir leise ins Ohr und gab mir einen sanften Kuss in den Nacken. „Gut geschlafen?“

„An deiner Seite doch immer“, flüsterte ich zurück und kuschelte mich in seine Arme. Es war einfach ein schönes Gefühl an seiner Seite auf zu wachen und ich genoss es einfach nur.

„Hab ich dir eigentlich schon gesagt dass ich froh bin dich getroffen zu haben?“, flüsterte Max mir wieder ins Ohr gefolgt von einem erneuten Kuss in den Nacken. Leicht wanderten seine Lippen von meinem Nacken über meinen Hals und ich schloss wieder die Augen.

„Ja, aber ich kann's nicht oft genug hören“, meinte ich leise um die anderen nicht zu wecken. Es wusste noch keiner von der Entwicklung und es musste auch nicht unbedingt gleich an die große Glocke gehängt werden. Sie würden es noch früh genug erfahren, da war ich mir sicher. Leicht strich ich mit den Fingerspitzen über seinen Arm den er um meine Hüften gelegt hatte. Ein Lächeln huschte mir über die Lippen als ich mich daran erinnerte wie das alles angefangen hatte. Wer hätte schon gedacht dass ein Anruf mein ganzes Leben auf den Kopf stellen würde? Ich garantiert nicht, aber zum ersten Male war ich Jules dankbar dafür, dass sie mich genervt hatte, denn ohne sie wäre es wohl nie so weit gekommen. Ohne sie wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen nach Berlin zu fahren und hätte es sie nicht gegeben, dann wären Max und ich uns nie über den Weg gelaufen. Nein es wäre so vieles anders gekommen, als es nun gekommen war. Aber es war eine Entwicklung die ich nicht missen wollte auch wenn ich mir noch nicht einmal darüber so wirklich im klaren war, auf was ich mich eingelassen hatte.

„Weißt du was ich jetzt gerne tun würde?“, flüsterte Max leise und ich konnte das Lächeln auf seinen Lippen sehen, auch wenn ich mit dem Rücken zu ihm lag.

„Untersteh dich“, meinte ich wieder leise, doch da schlichen sich seine Fingerspitzen schon unter mein T-Shirt.

„Maaax“, kam es wieder leise von mir. Er wusste genau was ich damit sagen wollte, aber scheinbar schien es ihn nicht wirklich zu stören. Seine Lippen glitten weiter über meinen Hals als wären wir ganz alleine im Bus, aber das waren wir nun mal nicht.

„Was wenn die anderen wach sind?“, meinte ich zu ihm und versuchte seine Hand festzuhalten ehe sie noch weiter wanderte.

„Die schlafen aber alle noch“, entgegnete Max leise und richtete sich ein Stückchen auf dem Bett auf, so dass er nun auf seinem Unterarm gelehnt neben mir lag.

„Und woher willst du das wissen?“, fragte ich nach und drehte mich auf den Rücken so dass ich ihn anschauen konnte.

„Weil ich sie gefragt habe und sie sagten sie schlafen noch“, grinste Max und strich mir mit dem Finger eine Strähne aus dem Gesicht.

„Du bist wirklich unmöglich“, lachte ich leise auf und schüttelte meinen Kopf. Auf so eine Idee konnte auch nur er kommen.

„Und selbst wenn sie nicht schlafen sondern zuschauen wäre es mir jetzt in diesem Moment vollkommen egal“, sprach Max sanft und beugte sich langsam nach vorne. Leicht berührten seine Lippen die meinigen. Zärtlich und beinahe schüchtern ließ er den Kuss beginnen, etwas das ich, wenn ich ehrlich war, von ihm niemals erwartet hätte. Für einen winzigen Moment ließ er den Kuss enden, ehe er seine Lippen wieder auf den meinigen niederließ. Ich schloss die Augen und ließ die Gefühle die dieser Kuss in mir hervorrief durch meinen Körper strömen, ließ sie mein Handel übernehmen. Meine Hand legte sich in seinen Nacken und leicht zog ich ihn näher an mich heran. Ja er hatte recht, sollten sie doch zuschauen wenn sie wach waren, was sollte es uns stören oder besser gesagt hindern? Ob jetzt, ob später... Irgendwann würden sie es doch so oder so mitbekommen. Langsam wurde der Kuss leidenschaftlicher. Der Raum um uns herum schien sich aufzulösen bis er beinahe nicht mehr vorhanden zu sein schien. Das Wissen nicht alleine zu sein verblasste von mal zu mal mehr. Meine Hand strich sanft über seine Schultern seine Arme hinab, versuchend jeden Zentimeter seines Körpers zu merken. Ich spürte die Gänsehaut die sich auf seinen Armen für wenige Sekunden gebildet hatte. Leicht lösten sich Max Lippen von meinen, nur wenige Millimeter und trotzdem schien es eine unüberbrückbare Strecke zu sein. Ich öffnete meine Augen und sah direkt in seine. Sah einfach nur hinein und hatte das Gefühl bis in sein Innerstes blicken zu können, als würde er mir in diesem Moment seine Seele offenbaren wollen. Wie gebannt blickte ich in seine blauen Augen, fasziniert davon zu welch Sanftheit sie fähig waren. Zum ersten Male seit ich ihm kannte konnte ich keine Furcht und keine Unsicherheit in ihnen erkennen. Mit der Spitze seines Zeigefingers fuhr er sachte meine Gesichtszüge nach, als wolle er sie sich so merken, als wolle er sie so niemals mehr vergessen, sie sich für immer einprägen.

„Ich werde dich nie wieder gehen lassen“, sprach er leise und ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Weder heute, noch morgen, noch sonst irgendwann. Du bist mein Leben, meine Liebe, meine Zukunft.“

Ich hörte seine Stimme und dennoch zweifelte ich daran, dass er diese Worte wirklich gesagt hatte. Konnte mir nicht vorstellen dass er sie gerade wirklich ausgesprochen hatte und trotzdem sagte mir sein Blick, dass es wirklich war. Dass es keine Einbildung gewesen war. Ich senkte für einen Moment den Blick, denn ich spürte wie mir diese Worte die Tränen in die Augen getrieben hatten. Noch nie hatte mir jemand so etwas gesagt und ich wusste einfach nicht wie ich damit umgehen sollte. Es klang so sicher, so überzeugt und ich konnte mir einfach nicht vorstellen dass ein Mensch sich so sicher sein konnte.

Langsam hob ich meinen Blick wieder und suchte den seinigen. Ich sagte nichts denn ich wusste dass mein Blick ihm in diesem Moment Antwort genug sein würden. Ein Blick sagte oftmals mehr als es tausende Worte tun könnten. Er sagte immer die Wahrheit und er fand auch immer die richtigen Worte. Für einen kurzen Moment erwiderte Max meinen Blick und ich wusste dass er verstanden hatte. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen kam er mir wieder näher und unser beider Lippen verschmolzen erneut in einem Kuss. Seine Finger strichen über die warme Haut an meinen Seiten, hinterließen ein so nie gekanntes Kribbeln. Bewegten sich neugierig und zugleich vorsichtig weiter über meinen Körper, während er den Kuss immer weiter fordernder werden ließ. Ein Teil von mir wollte dem Gefühl, dem Verlangen einfach nachgeben, während ein anderer Teil in mir aufschrie. Versuchte mich zu warnen, mich daran zu hindern mich einfach fallen zu lassen. Ein Teil in mir der noch nicht vergessen hatte dass wir nicht alleine waren. Doch je länger der Kuss andauerte, desto leiser wurde die Stimme in meinem Kopf, bis sie fast nur noch ein zaghaftes Flüstern waren. Der Wunsch ihm nahe zu sein, so nah wie es einem Menschen möglich war, wurde immer größer. Ein Feuer welches immer größer wurde und mich zu übermannen drohte bahnte sich langsam seinen Weg an die Oberfläche. Max schien es zu spüren, denn er löste seine Lippen wieder von den meinigen und berührte damit sanft meinen Hals. Hauchte einen Kuss neben den anderen, so als hätte er alle Zeit der Welt, so als würde es kein Morgen mehr geben, als wäre es das Letzte mal wo ihm das Leben diese Chance gewährte. Ich schloss wieder meine Augen und neigte leicht meinen Kopf zur Seite. Ich merkte wie meine Atemzüge tiefer wurden, hervorgerufen durch das, was seine Küsse in meinem Körper bewirkten. Ich wünschte mir er würde nie damit aufhören. Meine Finger die über seinen Körper strichen ließen ihn wissen was ich fühlte, ließen ihn spüren was ich spürte. Eine Sprache die jeder verstand. Seine Hände glitten tiefer unter das T-Shirt welches ich trug und mit jedem Zentimeter die seine Hände wanderten, rutschte das Stückchen Stoff weiter nach oben....

Verloren

„Einen wunderschönen Guten Morgen!“, hallte Benedikts Stimme plötzlich durch den Bus. „Alle Mann und natürlich auch Frau, raus aus den Federn!“
 

*Das darf doch nicht wahr sein!*, schoss es mir durch den Kopf und ich ließ mich in das Kissen sinken.

„Perfektes Timing“, seufzte Max und tat es mir gleich.

„Wie man's nimmt“, lachte ich leise, drehte mich auf die Seite und sah Max an.

„Wie soll man denn bitteschön seine Hochzeitsnacht genießen wenn man ständig gestört wird?“, grinste Max und schüttelte den Kopf. „So wird das ja nie was.“

„Ach fangen wir neuerdings bei der Hochzeitsnacht an und arbeiten uns zur Hochzeit vor?“, fragte ich lachend und piekste ihm in die Seite.

„Richtig und danach wird Verlobung gefeiert“, lachte Max, schnappte sich das Kissen und ehe ich mich versah hatte ich es auch schon am Kopf.
 

„Feiern? Wer? Wo? Und vor allem wann?“, kam es aus Pers Koje, bevor er seinen Kopf unter der Decke hervor streckte.

„War ja klar dass du da wach wirst“, kam es nun aus Tims Koje der sich aufgerichtet hatte. „Scheint wohl dein Stichwort zu sein. Vielleicht sollte Benedikt demnächst nicht 'Guten Morgen' rufen sondern 'Freibier'.“

„Gute Idee“, grinste Per und versuchte seine Haare irgendwie unter Kontrolle zu bringen. „Apropo Bier... Hat einer ne Ahnung wie viel das gestern war?“

„Auf alle Fälle genug“, meinte Tim und hielt sich den Kopf. „Wenn nicht sogar zu viel.“
 

Ja es hatten gestern wirklich alle recht tief ins Glas geschaut und natürlich war es nicht so ganz ohne Folgen geblieben. Aber ein Absturz in Ehren durfte eben niemand verwehren.
 

„Na komm, lass uns aufstehen“, meinte ich zu Max und setzte mich im Bett auf. Jetzt war so oder so jeder wach, also nichts mehr mit Ruhe und Frieden.

„Wenn's denn unbedingt sein muss“, seufzte Max und warf mir einen kurzen Blick zu.

Ich wusste was er mir damit sagen wollte und mir ging es ja nicht anders. Ich wäre auch viel lieber liegen geblieben und noch viel lieber hätte ich das Aufstehen anders angefangen, aber wir hatten uns nun mal dafür entschieden es nicht gleich jedem auf die Nase zu binden, also mussten wir jetzt da eben durch. Einen Tod musste man eben doch sterben.
 

Max stand auf und suchte seine Sachen zusammen, als Stefan ebenfalls aufstand und dabei keine große Rücksicht nahm, dass Max direkt vor ihm stand und er ihm somit natürlich rein ausversehen das Knie in den Rücken rammte.

„Tschuldigung“, meinte Stefan nur und zog sich an.

„Ja du mich auch“, entgegnete Max und verdrehte die Augen.
 

Seufzend beobachtete ich die Beiden und hoffte nur, sie bekamen das geregelt, ansonsten würde ich die Sache regeln. Einen Weg musste es doch geben. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen dass Stefan so stur war dass er Max keine Chance gab. So hatte ich ihn einfach nicht in Erinnerung. Vielleicht ergab sich ja heute irgendwann die Möglichkeit mit ihm unter 4 Augen zu reden. Jetzt hatte er eine Nacht darüber schlafen können und es konnte ja gut sein, dass es jetzt einfacher war zu ihm durch zu kommen. Ein wenig Optimismus hatte zumindest noch nie geschadet.
 

„Auf geht’s nur keine Müdigkeit vorschützen“, hörte man Benedikt von draußen wieder rufen, nachdem er mit der Hand gegen die Scheibe geklopft hatte.
 

„Oller Sklaventreiber“, hörte ich Tim leise murmeln, der sich gerade ein T-Shirt über den Kopf zog.

„Ähm Tim? Versuchs mal andersrum“, meinte ich grinsend, denn er hatte in seinem Halbschlaf wohl Vorder- und Rückseite verwechselt.

„Oh... Kay... Danke“, meinte er ein wenig verlegen und brach sich dann beinahe eines ab, als er versuchte das T-Shirt herum zu drehen.

Ich konnte nur grinsend den Kopf schütteln und für einen Moment war ich am überlegen ob ich ihm nicht verraten sollte, dass es mit beiden Armen draußen einfacher funktionieren würde, aber ich verkniff es mir dann doch. Irgendwann würde er es bestimmt selbst merken.
 

„Wer als letztes den Bus verlässt muss heute Abend auf der Bühne Andrea's Top anziehen“, hörte ich plötzlich Max durch den Bus rufen, der bereits am Ausgang stand und tatsächlich der erste war, der komplett angezogen war. „Ich bin's schonmal nicht“, lachte er noch und war dann auch schon aus dem Bus verschwunden.

„Und ich bin's auch nicht“, rief nun Tim und folgte Max aus dem Bus.

„Und ich ebenfalls nicht“, kam es nun von Julius der direkt hinter Tim den Bus verließ.
 

Kopfschüttelnd sah ich zu Per und Stefan, die beide noch nicht angezogen waren.

„Soll ich lieb oder gemein sein?“, fragte ich ruhig und verschränkte meine Arme. Im Gegensatz zu ihnen war ich nämlich so weit angezogen dass ich ohne Probleme den Bus verlassen konnte.

„Ähm... ähm.... Was muss ich tun?“, kam es von Per, der noch immer in Boxershorts auf dem Bett saß.

„Macht das unter euch aus“, kam es von Stefan, der sich auf dem Weg zum Ausgang das T-Shirt übern Kopf zog. „Ich bin nämlich fertig.“

Lachend sah ich wieder zu Per.

„Tja eigentlich könnte ich mich jetzt ja hervorragend für deine ganzen Gemeinheiten in den letzten Tagen rächen“, meinte ich ruhig, jedoch mit einem breiten Grinsen in dem Gesicht. „Ich meine waren da nicht die frechen Kommentare am Montag oder wie war das am Dienstag noch gewesen?“

„Ich mache alles was du von mir verlangst, aber bitte tue mir das nicht an!“, flehte Per und war mit einem Schlag aus dem Bett.

„Hmm.... Ich überlege gerade ob dir das rote besser steht oder das schwarze“, murmelte ich und tat so, als würde ich angestrengt darüber nachdenken.

„Ich bin ab sofort ganz lieb zu dir“, kam es von Per der mir einen bittenden Blick zuwarf.

„Hältst du eh nicht durch“, erwiderte ich nur und schüttelte den Kopf.

„Dann... Mist!“, meinte Per und suchte seine Sachen zusammen. „Ich... ich... tue heute alles was du zu mir sagst?“

„Das klingt ja mal verlockend“, sagte ich lachend und musterte Per. „Aber wenn du alles sagst, meinst du auch wirklich alles? Ich meine so richtig alles?“

„Alles was dir in den Sinn kommt“, sagte Per schnell, während er sich seine Jeans anzog. „Egal ob es verrückt ist oder nicht.“

„Und da kann ich mich auch drauf verlassen?“, hakte ich wieder nach. Ich hatte zwar noch keine Ahnung was das für ihn für Konsequenzen haben würde, aber da würde mir doch bestimmt noch etwas einfallen.

„So sicher wie das Amen in der Kirche“, meinte Per und hob die Hand zum Schwur.

„Ok, aber wehe du hältst dein Wort nicht, dann stecke ich dich eigenhändig in das Top“, drohte ich ihm mit einem leichten Zwinkern in den Augen. „Also komme erst gar nicht auf die Idee mich über den Tisch ziehen zu wollen.“

„Keine Sorge ich habe nicht vor mich mit Max anzulegen“, kam es nun mit einem breiten Grinsen von Per.

„Mit Max? Was hat Max da bitte mit zum tun?“

„Also wenn du es nicht weißt, dann sollte ich mir wohl ernsthafte Sorgen machen.“

„Per? Erklärung?“

„Ich sage kein einziges Wort“, lachte Per und machte den letzten Knopf seines Hemdes zu.

„Hee! Du hast versprochen alles zu tun was ich dir sage und ich wollte eine Antwort von dir“, beschwerte ich mich lachend und drohte ihm mit dem Zeigefinger.

„Siehste und da liegt der Unterschied“, antwortete Per und zuckte mit den Schultern. „Du hast mich danach gefragt und nicht mir befohlen es dir zu sagen.“

Und ehe ich mich versah, war er auch schon aus dem Bus verschwunden. Tja das hatte ich nun davon. Da bot sich mir schon die Chance und ich stellte die falsche Frage. Aber so war das Leben nun einfach mal – Entweder man gewann oder man verlor.

Rettung in letzter Sekunde

„Der hat doch betrogen!“, hörte ich Tim schon draußen vor dem Bus rufen, als Per noch vor mir den Bus verließ.

„Das ging jetzt aber nicht mit rechten Dingen zu!“, meinte nun auch Julius der seine Arme verschränkt hatte.

„Per was hast du ihr angeboten, dass sie dich hat vorgehen lassen?“, fragte Max lachend und sah seinen Schlagzeuger an.

Es war allen klar, dass in dem Bus irgendwelche Absprachen gegeben haben musste, denn wie konnte jemand der vorher noch unangezogen war, gegen jemanden der angezogen war, gewinnen? Da musste einfach etwas vorgefallen sein.

„Sie konnte meinem Charme eben nicht widerstehen“, antwortete Per mit einem breiten Grinsen, wofür er von mir einen leichten Schlag auf den Hinterkopf bekam.

„Überhaupt nicht wahr“, meinte ich und ging an ihm vorbei. „Ich musste ihn gewinnen lassen, weil die Tops wären ihm doch alle viel zu eng gewesen. Da wäre er doch gerade mal mit einem Arm reingekommen.“

„Willst du damit etwa andeuten...?“, fragte Per nach und zog eine Augenbraue nach oben.

„Würde ich doch niemals wagen“, kam es beschwichtigend und mit einem breiten Grinsen von mir. Aber wir wollten ja doch mal lieber abwarten. Der Tag war noch lang und er mir noch immer eine Antwort schuldig. Mal schauen wann ich sie aus ihm herauskitzeln konnte. Es interessierte mich doch schon sehr was er damit vorher hatte andeuten wollen. So aus Spaß hatte er dieses Kommentar doch sicherlich nicht fallen lassen.

„Das Frühstück wartet nicht ewig!“, hörte man Benedikt rufen und man hörte ihm an, dass ihm das schon wieder alles viel zu lange dauerte.

„Wir sollten los, sonst bekommen wir wieder nichts“, lachte Per und ging los und der Rest folgte ihm einfach mal.
 

Das Frühstück war wie immer spitzenmäßig gewesen und mir graute es jetzt schon an die kommenden Frühstücke die gerade einmal aus einer großen Tasse Kaffee und einer Zigarette bestanden. Aber ich lag nun einmal viel lieber eine halbe Stunde länger im Bett, als anständig zu frühstücken. Gemeine Zwickmühle aber auch. Entweder länger schlafen oder gutes Frühstück. Wer konnte sich da schon entscheiden? Also ich konnte es zumindest nicht. Nun ja vorerst zumindest nicht. Doch auch jedes noch so gute Frühstück fand einmal sein Ende und während die Jungs ihre wenige freie Zeit genießen durften, wurde ich wieder einmal komplett eingespannt. Aber es hatte auch seine Vorteile, denn so kam weder ich, noch Max in die Versuchung etwas zu tun, das die anderen zum nachgrübeln bringen konnte. So wirklich fair war es ja nicht gerade ihnen gegenüber, aber im Endeffekt brauchten sie ja nicht alles wissen. Allerdings bekam ich das Gefühl nicht los, dass Per mehr wusste. Entweder er wusste es wirklich oder zumindest schien er es zu ahnen, aber wenn er es wusste, wie zum Henker war er dahinter gekommen? So offensichtlich war es doch auch wieder nicht gewesen. Nun gut wir waren recht häufig zusammen gehangen, wir hatten viel Zeit miteinander verbracht, aber meist war doch immer einer der Anderen dabei gewesen. Also Möglichkeiten mal etwas unter 4 Augen zu machen hatte es außer die im Hotel keine gegeben und das alleine war doch nicht wirklich Grund genug für so eine Vermutung. Aber vermutlich hatte Per nur mal wieder einen Schuss ins Blaue abgegeben ohne zu wissen dass er damit ins Schwarze getroffen hatte. Ja das war es vermutlich auch und ich sah mal wieder mehr, als in Wirklichkeit vorhanden war. Aber dank Benedikts Arbeitsanweisungen kam ich so oder so nicht dazu mir ernsthafte Gedanken darüber zu machen. Ich kam nicht einmal dazu mir Gedanken über meinen knurrenden Magen zu machen, denn mittlerweile war es später Nachmittag geworden. Ich hoffte nur dass ich wenigstens während dem Soundcheck ein paar Minuten Zeit finden würde mir etwas zwischen die Zähne zu schieben. Mir war so oder so schon aufgefallen, dass meine Jeans angefangen hatte etwas lockerer um die Hüften herum zu sitzen und das musste nicht unbedingt sein. Aber die Zeit der Ruhe war ja bald gekommen, dann ging alles wieder geregelt ungeregelt zu. Spät ins Bett, spät wieder aufstehen, essen wenn man Lust hatte und als Hauptnahrungsmittel Kaffee. Nicht gesund, aber auch nicht wesentlich ungesünder als das Leben, welches ich jetzt gerade führte.
 

„Träumst du oder bist du wach?“, kam es von Benedikt der an der Türe stand und mich so wie es aussah, schon eine Weile anblickte.

„Ähm ich bin vollkommen einsatzbereit“, antwortete ich ihm und grinste dabei. Kleine Lügen waren ja wohl noch erlaubt oder etwa nicht?

„Na und wie lautet deine Antwort?“

„Welche Antwort?“

„Na die Antwort auf meine Frage natürlich.“

„Frage? Ähm welche Frage? Die gerade eben? Da hab ich dir die Antwort doch schon gegeben.“

„Eigentlich meinte ich die davor“, lachte Benedikt auf und schüttelte den Kopf.

„Erwischt! Ich bekenne mich schuldig“, sagte ich seufzend und setzte einen entschuldigenden Blick auf. „Also wie war die Frage nochmals?“

„Ich habe gefragt ob du auch Pizza willst“, wiederholte Benedikt seine Frage nochmals und er konnte gar nicht so schnell schauen wie ich ihm um den Hals gefallen war.

„Du bist mein Retter!“, rief ich lachend und grinste ihn an. „Oder besser gesagt der Held der den grummelnden Drachen in meinem Magen zum schweigen bringen wird.“

„Du hast doch auch nur Unsinn im Kopf“, meinte Benedikt kopfschüttelnd und schlug mir mit der flachen Hand leicht gegen die Stirn. „Jetzt hab ich nicht 5 Chaoten, sondern 6 Chaoten und wenn ich Ingo noch dazu zähle, dann sind es sogar 7. Womit habe ich das nur verdient?“

„Der liebe Gott wird schon wissen warum“, meinte ich grinsend, trat aber dann schnell mal einen Schritt zurück.

„Komm du mir in die Finger“, drohte mir Benedikt grinsend.

„Lieber nicht“, gab ich lachend zurück, huschte an ihm vorbei in die Halle und ging einfach mal dem Geruch von frischer Pizza hinterher. Es dauerte auch nicht lange und ich hatte die Quelle gefunden und zugleich noch ein friedlich mampfenden Haufen Leute.

„Ihr seid schon so Freunde“, meinte ich zu den Jungs und schüttelte den Kopf. „Da hättet ihr mich doch gnadenlos verhungern lassen. Einzig und alleine Benedikt hat an mich gedacht und mich vor dem grauenvollen Hungertod bewahrt. Tisk... Das merke ich mir.“

„Moment wir haben ihn daran erinnert dich zu holen“, meinte Per schnell und die anderen nickten mit dem Kopf.

„Und das soll ich euch glauben?“, fragte ich nach und sah ein wenig zweifelnd drein.

„Tja da muss ich ihnen ausnahmsweise mal recht geben“, grinste Benedikt und zuckte mit den Schultern. „Ich hätte es wirklich vergessen.“

„Ihr macht mich fertig...“, seufzte ich theatralisch, ließ mich auf einen Stuhl sinken und schnappte nach einem Stück Pizza. „Aber erstmal esse ich was und dann denke ich mir eine Rache aus... Vielleicht... Mal sehen.“

Ich grinste noch einmal in die Runde und begann dann damit, meinen knurrenden Magen zu beruhigen.

Rache ist süß

Die Halle war bis zum letzten Eck voll und das Konzert in vollem Gange. Es war einfach geil zu zuschauen wie die Fans die Halle und die Jungs die Bühne rockten. Es machte ihnen wirklich von Show zu Show mehr Spaß und das konnte man nicht nur sehen sondern auch hören. Die Jungs setzten gerade zu „Garden Of Growing Hearts“ an, als ein schrilles Quietschen die Boxen zu einer Rückkopplung brachten und kurz darauf ein Fluchen von Stefan zu hören war. Es sah wohl alles danach aus, als wäre genau in diesem Moment eine Saite gerissen. Ein Konzert konnte noch so gut durchgeplant sein, die Technik konnte einem immer einen Strich durch die Rechnung machen.

Max legte seine Hände auf seine Gitarre und blickte ins Publikum.

„Tja sieht wohl so aus müssten wir jetzt mal ein paar Minuten überbrücken“, meinte er und kratzte sich mit dem Finger an der Schläfe. „Aber ich denke das sollte für uns kein Problem sein oder?“

Fragend blickte er zu seinen Bandkollegen, die allesamt den Kopf schüttelten.

„Wie geht’s euch da unten?“, rief er ins Publikum welches ihm ein ein lautes „Gut“ zurück riefen.

„Habt ihr Spaß?“

„Jaaaaaa“, schrie das Publikum zurück denen es absolut nichts ausmachte dass es zu dieser kleinen Pause gekommen war.

„So was könnte ich euch jetzt erzählen?“, sagte Max wieder und er sah aus, als würde er nachdenken.

„Ach ja jetzt hab ich es“, lachte er auf und das Grinsen in seinem Gesicht ließ mich nichts gutes ahnen. Als ich ihn das letzte Mal mit diesem Grinsen gesehen habe, da war ich kurz darauf über seiner Schulter gelegen, also musste jetzt wohl irgendwas kommen, mit dem so gar keiner rechnen würde.

„Sicherlich habt ihr ja auch vor kurzem diesen tollen Artikel in einer gewissen Zeitung gelesen oder?“, sprach er zum Publikum und ich musste mir an den Kopf langen. Das konnte doch jetzt bitte nicht sein ernst sein, diesen Artikel anzusprechen und dann auch noch während eines Konzerts. Hatte er denn kein besseres Thema gefunden?

Ich ließ mich neben Ingo auf die Bierbank sinken und schüttelte den Kopf. Ich wusste genau, das er von mir nach dem Konzert wohl noch etwas zu hören bekommen würde.

„Nun was soll ich sagen“, sprach Max weiter und zuckte mit den Schultern. „So unrecht hatten sie ja nicht, aber sie waren eindeutig zu voreilig.“

Ich hob meinen Kopf und sah zur Bühne auf der Max seelenruhig stand und in das Publikum grinste. Mein Blick wanderte zu Tim, der Max mit einem fragenden Blick ansah, genauso wie es auch Julius in diesem Moment tat. Der einzige von dem ich nichts sehen konnte war Per, denn Max stand genau vor ihm. Aber vermutlich sah Per in diesem Moment auch nicht anders aus.

„Laut dieser Zeitung soll ich mich ja bereits am Dienstag verlobt haben“, kam es wieder von Max der lachend den Kopf schüttelte. „Aber das stimmt ja nicht, dennoch könnte man ihnen gewisse hellseherische Fähigkeiten unterstellen, denn... nun ja wie soll ich es sagen... Ich hab mich gestern verlobt.“

Ich sah Max mit einem vollkommen entgeisterten Blick an und wusste jetzt in diesem Moment nicht ob ich lachen, heulen oder schreien sollte. Das konnte doch echt nicht wahr sein. Ich biss mir auf den Finger und gluckste in mich hinein. Ich wusste ja am besten dass nicht ein Wort davon stimmte. Aber das wusste ja sonst niemand. Am allerwenigsten die Leute die nun mit Max auf der Bühne standen. Julius starrte Max mit offenem Mund an und schüttelte nur langsam seinen Kopf. Tim, der gerade dabei gewesen war an seiner Gitarre rum zu zupfen, wäre diese beinahe aus der Hand geflogen als er Max's Worte gehört hatte. Vom Schlagzeug kam nur ein dumpfer Ton, als Per mit dem Kopf auf seine Drums knallte. Gefolgt wurde dieser Ton von einem hellen Klirren als die Flasche die Benedikt gerade noch in der Hand gehalten hatte, auf dem Boden in tausende Scherben zerbrach. Von der Box kam nur eine weitere laute Rückkopplung, als Stefan sich beim stimmen der neuen Saite komplett vertan hatte. Sein Kopf war zu Max herumgeruckt und er sah aus, als wolle er Max jeden Moment an den Hals springen. Noch immer biss ich mir auf den Finger, damit ich nicht laut losprustete. Es war hart an der Grenze, doch als Ingo mich vollkommen entgeistert ansah und auch noch fragte ob Max das gerade eben ernst gemeint hatte, war alles zu spät. Ich musste so loslachen, dass es mich rücklings von der Bank warf und ich wie ein Käfer auf dem Rücken lag. Mir war das egal dass jetzt lauter Leute mich reichlich dämlich ansahen, aber ich konnte einfach nicht mehr. Ich lag einfach nur auf dem Boden und lachte. Die konnten das doch nicht wirklich alle glauben. Das ging doch gar nicht!
 

Max stand auf der Bühne und sah von einem zum anderen.

„Was schaut ihr mich alle so entgeistert an?“, fragte er in die Runde und das Grinsen wurde tatsächlich noch breiter. „Ich meine diese sexy Rundungen, diese Ausstrahlung... Ich konnte ihren Reizen einfach nicht länger widerstehen.“

Max legte eine Pause ein und nahm seine Gitarre in den Arm.

„Darf ich vorstellen“, meinte er und strich mit den Fingern über seine Gitarre. „Das ist Anneliese meine neue Verlobte.“

Das Publikum fing das Gröhlen an und ich konnte die Steine hören die nun von diversen Herzen zu Boden fielen.

„Max du bist doch“, kam es von Tim, der sich ein Handtuch schnappte und es Max über den Kopf zog, der sich nun lachend auf den Boden setzen musste.

„Das gibt Rache“, hörte ich Per lachen und ehe Max sich versah bekam er von Per den Inhalt seiner Wasserflasche über den Kopf geschüttet.

„Danke für die Abkühlung“, lachte Max, der einfach den Kopf schüttelte, so dass die Wassertropfen nur so durch die Luft flogen. Dann sah er zu Stefan.

„Also wenn du es nicht hinbekommst, dann kannst du gerne Gudrun meine Ex nehmen, die steht direkt hinter dir“, kam es grinsend von Max der mit der Hand auf eine weitere Gitarre deutete. „Sie wird dir bestimmt genauso nützlich sein wie mir, auch wenn ihre Rundungen nicht so sexy sind.“

„Halte einfach die Klappe“, sagte Stefan und wenn Blicke töten könnten, dann hätte sich Empty Trash nun auf die Suche nach einem neuen Sänger machen müssen.

Max rappelte sich wieder vom Boden auf und kicherte noch immer leise vor sich hin. Ich konnte nur ahnen was gerade in seinem Kopf vorgehen musste und ich hoffte nur, dass es für ihn nicht noch zu einem Bumerang werden würde.

Endlich hatte auch Stefan seine Gitarre zu Ende gestimmt und warf Max einen scharfen Seitenblick zu.

„So da Stefan wieder einsatzbereit zu sein scheint, können wir ja wieder loslegen“, rief Max in das Mikro und schon erklangen auch die ersten Töne ihres Krachers „Garden Of Gowing Hearts“.
 

Ich hatte mich wieder einigermaßen beruhigt und war wieder zu Ingo auf die Bank gekrabbelt. Mein Bauch schmerzte von dem vielen Lachen und ich bekam noch immer kaum Luft, aber es hatte einfach nur gut getan. Alleine die Gesichter der anderen zu sehen war es wert gewesen. Es waren nur wenige Sekunden gewesen und trotzdem waren sie wohl die besten Sekunden auf der ganzen Tour gewesen. So einen Anblick würde ich wohl nie wieder genießen dürfen.

Wetten

Das Konzert war ohne weitere Zwischenfälle zu Ende gegangen und es folgte das, was bisher nach jedem Konzert gefolgt war. Die Jungs wurden von Fans belagert die alle ein Autogramm oder ein Foto mit ihnen haben wollten, Ingo und ich räumten den Stand zusammen, Benedikt unterhielt sich mit irgendwelchen Leuten und so hatte jeder seinen Job zu tun. Aber man machte ihn ja gerne und es waren ja auch einfach Dinge die getan werden musste. Aber jeder von uns wusste, dass es das vorletzte Mal war, an dem man diesem Job nachging. Jeder wusste dass morgen das letzte Konzert anstehen würde und ich wusste, dass viele von ihnen diesen Tag noch immer versuchten zu verdrängen, auch wenn er schon in greifbare Nähe gerückt war. In eine Nähe die beinahe unangenehm sein konnte. Aber trotzdem versuchte sich keiner davon die Laune verderben zu lassen, so war es doch jedem klar, dass es nicht die letzte Tour in ihrem Leben gewesen war und es bestimmt bald wieder eine vor der Türe stehen würde. Zumindest für die Jungs würde es so sein, denn während sie in der Weltgeschichte herumfuhren würde ich wohl irgendwo in einem Büro sitzen und mein Praktikum machen. Würde Abends daheim auf meinem Sofa sitzen, während sie die Halle rockten oder feierten. Ich würde nicht mehr Morgens mit ihnen beim Frühstück sitzen, geschweige denn würde ich tagtäglich ihre Kommentare zu hören bekommen. Der Kontakt würde sich wohl lediglich auf ein paar Telefonate beschränken, aber das war einfach nicht das Gleiche. Vielleicht würde ich es einrichten können an einem Wochenende vorbei zu schauen, aber was waren schon 2 Tage im Vergleich zu einer ganzen Woche? Es war ein Witz und nicht mehr. Ein Hauch Erinnerung an vergangene Tage, die es so wohl nie wieder geben würde.

„Denkst du gerade an Morgen?“, fragte Ingo ruhig und nahm mir den Karton ab den ich in den Händen gehalten hatte.

„Sieht man es mir denn so deutlich an?“, fragte ich nach und lehnte mich mit der Schulter gegen den Bus.

„Ein wenig schon“, sagte Ingo und verstaute den Karton bei den anderen. „Zumindest deine Augen sprechen eine deutliche Sprache.“

Leise seufzte ich auf und sah auf meine Schuhe hinunter.

„Ich habe wirklich an Morgen gedacht und daran, dass dann alles vorbei sein wird“, meinte ich leise und zuckte hilflos mit den Schultern.

„Aber wieso soll Morgen alles vorbei sein?“, fragte Ingo nach und schloss die Türe. „Wie kommst du darauf dass es so sein sollte?“

„Ist es denn nicht so? Ich meine morgen ist das letzte Konzert, wir verbringen alle noch einen Abend zusammen und dann? Dann geht doch jeder seines Weges“, meinte ich und sah Ingo an. „Die Jungs werden ihre freien Tage genießen und dann im Studio verschwinden, du wirst deinem Job nachgehen, Benedikt wird seinem Job nachgehen und ich werde meinem Job nachgehen. Da ist doch nichts mehr, da ist es einfach zu Ende.“

„Sicherlich werden wir alle unserem Job nachgehen und weiter? Das bedeutet doch nicht gleich, dass alles vorbei sein muss“, kam es kopfschüttelnd von Ingo. „Du wohnst nicht am anderen Ende der Welt, was also soll dich hindern einfach nach Berlin zu kommen?“

„Das ist nicht dasselbe“, widersprach ich ihm und schüttelte den Kopf. „Ich meine ich hab euch jetzt alle eine Woche jeden Tag um mich herum gehabt, wir haben so vieles zum lachen gehabt, es war immer jemand da mit dem man reden konnte.“

„Es gibt Telefon?“

„Sicher gibt es das, aber ich kann doch nicht den halben Tag am Telefon verbringen!“

„Gut das geht vielleicht schlecht, aber ich glaube du siehst das alles viel zu pessimistisch. Glaub mir es lässt sich immer ein Weg finden, man sieht ihn oftmals nur nicht gleich“, meinte Ingo und stupste mir aufmunternd gegen den Arm. „Versuch es doch mal positiv zu sehen... Keiner der dir nachts wunder was vorschnarcht, keiner der dir irgendwelche Kommentare an den Kopf wirft, niemand der versucht dich zu blamieren, ein eigenes Bett dass du mit niemanden teilen musst, niemand der dich mit Arbeit überhäuft und sollte dir doch jemand auf den Keks gehen, dann kannst du die Türe zumachen und hast deine Ruhe. Hat doch auch seine Vorteile oder?“

„Na gut ein paar sind ja schon dabei“, meinte ich und grinste leicht.

„So gefällst du mir schon viel besser als mit einem so nachdenklichen Blick“, lachte Ingo. „Und jemanden anderem bestimmt auch.“

„Willst du damit irgendwas andeuten?“

„Andeuten nicht, ich kann nur gut Blicke deuten“, lachte Ingo und deutete mit dem Daumen auf Max der gerade aus der Halle gekommen war und zu uns gesehen hatte. „Und in dem Blick war gerade sehr viel zu lesen.“

„Ich glaube da hast du dich gerade verlesen“, meinte ich grinsend und schüttelte den Kopf.

„Ich glaube eher da versucht uns jemand einen Bären aufzubinden oder besser gesagt versucht etwas geheim zu halten was eh kein Geheimnis mehr ist“, meinte Ingo und zwinkerte mir zu.

„Wie jetzt?“, fragte ich nach, denn die Aussage verwunderte mich dann doch ein klein wenig.

„Sag bloß du weißt das noch nicht?“, fragte Ingo schmunzelnd und schüttelte dann seinen Kopf. „Es werden doch schon heimlich Wetten abgeschlossen ob jetzt was läuft oder ob nicht. Ich muss sagen die Pro-Wetten stehen verdammt hoch.“

„Ihr wettet?“

„Ja warum denn auch nicht? Mit etwas muss man doch seine Zeit vertreiben.“

„Aber doch nicht mit so was?“, meinte ich ungläubig und musste dennoch lachen. Auf was für Ideen manche Leute doch kamen wenn es ihnen langweilig war. „Und für was hast du gewettet?“

„Verrate ich nicht“, lachte Ingo und schüttelte seinen Kopf.

„Schade und ich wollte dir gerade verraten ob du richtig liegst oder nicht“, meinte ich schmunzelnd und zuckte dann mit den Schultern. „Aber wer nicht will, der hat schon.“

„Du kannst es mir ja aber trotzdem verraten“, meinte Ingo und sah mich fragend an.

„Nein der Zug ist schon abgefahren“, lachte ich und legte meinen Finger auf die Lippen, als Zeichen, dass ich kein Wort verraten würde.

„Und da wundert ihr Frauen euch immer, warum wir Männer euch für gemein halten“, lachte Ingo, gab sich aber mit meiner Entscheidung zufrieden.

„Moment!“, rief ich aus und schüttelte heftig den Kopf. „Das liegt nur daran, dass ihr Männer das große Talent habt immer die falschen Fragen im falschen Moment zu stellen.“

„Nein das liegt daran, dass ihr nie das sagt was ihr eigentlich sagen wollt. Ihr macht immer aus allem ein Ratespielchen und egal was wir Männer auch sagen, es ist niemals das was ihr hören wollt“, entgegnete Ingo grinsend und steckte seine Hände in die Hosentaschen.

„Ja jetzt sind's wir Frauen wieder, was ja mal wieder typisch Mann wäre. Immer die Schuld auf andere schieben“, lachte ich und zeigte Ingo den Vogel.

„Ist ja auch das einfachste oder etwa nicht?“, meinte Ingo und pfiffelte leise vor sich hin.

„Die Spezie Mann... Das größte Mysterium der Menschheit“, meinte ich nur noch grinsend und verschwand, bevor Ingo mal wieder das letzte Wort haben konnte.

Do no Harm

Die Party in der Halle war in vollem Gange als mich der Wunsch nach ein bisschen frischer Luft überkam. Ich trat vor die Türe und im ersten Moment überkam mich ein leichtes Frösteln denn im Vergleich zu der Wärme die in der Halle herrschte, was es draußen doch überraschend kühl. Aber nach wenigen Minuten hatte sich mein Körper an die neue Temperatur gewöhnt und es war nicht mehr kühl, sondern angenehm. Ich streckte mich ein wenig und sah hinauf an den Himmel. Es war beinahe eine sternenklare Nacht und der Mond hing voll und rund am Firmament. Wenn man ihn ganz genau ansah, konnte man wirklich das Gefühl bekommen er lächelte vor sich hin, auch wenn das natürlich kompletter Schwachsinn war. Aber ein wenig fantasieren war ja wohl noch erlaubt. Die Realität war schon hart und trocken genug und würde man dem Menschen seinen letzten Rückzug nehmen, wäre er wohl hoffnungslos verloren. Ich steckte meine Hände in die Hosentasche und beschloss einfach ein paar Meter zu laufen. Verloren gehen konnte ich ja schlecht und ich glaubte auch nicht dass plötzlich aus dem Gebüsch ein wütender Fan springen könnte. Nach München rechnete ich zwar mit vielem, aber nicht unbedingt jetzt in diesem Moment. Doch bereits nach ein paar Schritten blieb ich stehen, als der Wind leise Gitarrenklänge zu mir herüber wehte. *Wer spielt denn da?*, fragte ich mich in Gedanken, denn es war nun doch ein wenig ungewöhnlich um diese Uhrzeit jemanden Gitarre spielen zu hören. Gut so ungewöhnlich war es dann doch auch wieder nicht, aber es war dennoch verwunderlich. In der Halle steppte der Bär, also warum saß die Person hier draußen alleine und spielte Gitarre?
 

Neugierig wie ich nun einmal war, ging ich leise in die Richtung aus der die Musik kam und war dann doch richtig verwundert, als mich meine Füße direkt auf den Tourbus zu trugen. Hatte sich da etwa jemand Fremdes auf den Bus geschlichen oder war es jemand aus der Crew? Aber ich war der Meinung in der Halle alle gesehen zu haben, wobei man sich ja bekanntlicherweise auch täuschen konnte. Es waren genügend Leute dort drin gewesen, da konnte man gut und gerne mal einen übersehen. Ja vermutlich hätte ich es nicht einmal mitbekommen wenn einer von ihnen einfach die Halle verlassen hätte. Ich trat näher an den Bus heran und wollte schon etwas rufen, als ich jemand singen hörte, was mich vollends aus dem Konzept brachte. Schwankend zwischen etwas sagen und einfach zuhören blieb ich vor dem Bus stehen.
 

„I will be there

Always waiting

Waiting for you

To let me inside

Where your fire burns

In a city of angels

Just like a river rushing straight into the sea

I'm the one thing meant for you and you for me
 

Whatever you want

Whatever you need

Whatever it takes, I'll do anything“
 

Ich war mir nicht sicher wer da oben saß und sang, aber irgendwie kam mir die Stimme sehr vertraut vor. Aber wer bitte konnte es sein? Die Jungs konnten es nicht sein, denn die waren doch alle in der Halle und feierten das gelungene Konzert. Also wer bitte saß dort oben auf dem Dach des Busses? Ich legte eine Hand an die Leiter, als ich wieder innehielt.
 

„And as you sleep

Eyes to the window

I'm watching you dream

Well, are you dreaming of me?

So why can't you see

You're all that matters

You know if this earth should crack

I'll be your solid ground

I will be there to catch you when you fall down
 

Whatever you want

Whatever you need

Whatever it takes, I'll do anything
 

If I have to crawl

Get down on my knees

Whatever it takes, I'll do anything
 

I'd take the stars right out of the sky for you

I'd end the world give you the sun, the moon

For all of time, forever loving you
 

Whatever you need

Whatever it takes, I'll do anything
 

If I have to crawl

Get down on my knees

Whatever it takes, I'll do anything
 

Whatever you want

Whatever you need

Whatever it takes, I'll do anything

I'll do anything

Anything“
 

*Nein... Da täuschst du dich bestimmt*, meinte ich zu mir als mir kurz ein Name vor meinem inneren Auge aufblitzte. Aber ich musste wohl dort hinauf auf das Dach um herauszufinden, wer da jetzt oben saß. Ich hoffte nur es war nicht doch irgendeine fremde Person. Leise stieg ich die wenigen Stufen nach oben und konnte eine Person erkennen die am anderen Ende des Daches auf dem Boden saß. Aber wer es jetzt letztendlich war, konnte ich immer noch nicht erkennen.
 

„Hallo?“, fragte ich leise und verschränkte die Arme vor meinem Körper. Entweder erwartete mich jetzt eine unangenehme Überraschung oder es war doch eine mir bekannte Person.

Bei meinen Worten zuckte die Person erschrocken herum und ich atmete doch erleichtert auf, als ich erkannte, dass es tatsächlich keine fremde Person war.

„Was machst du hier oben?“, fragte mich die Person und es war schwer heraus zu hören ob ich jetzt störte oder ob nicht.

„Ich wollte ein wenig spazieren gehen und da hab ich jemanden auf dem Dach hier spielen hören und wollte nachschauen wer es ist“, sprach ich ruhig und lächelte leicht. „Aber wenn ich dich störe Tim, dann gehe ich wieder.“

„Nein ist schon ok“, meinte Tim und zuckte mit den Schultern. Es sah zwar nicht gerade so überzeugend aus, aber jetzt einfach wieder gehen kam auch ein wenig komisch, also blieb ich einfach stehen.

„Warum bist du nicht bei den anderen?“, fragte ich nach und ging nun doch ein paar Schritte auf ihn zu.

„Warum bist du es nicht?“, fragte er zurück und griff wieder nach der Gitarre die er sich auf den Schoß gelegt hatte. Eine gute Frage, die allerdings ahnen ließ, dass er seine Gründe hatte warum er hier oben saß und es wohl Gründe waren, die er nicht so leicht vorhatte mir auf die Nase zu binden. Direkt von der Leber weg fragen war also die falsche Methode.

„Was dagegen wenn ich mich hinsetze?“, fragte ich wieder vorsichtig nach und musterte Tim aufmerksam. Es war schwer in dem Licht etwas genaues zu erkennen, also musste ich mich hier wohl voll und ganz auf mein Bauchgefühl verlassen.

Doch anstelle von einer Antwort zuckte Tim nur mit den Schultern und deutete dann mit dem Kopf auf das Dach des Busses. Ok, besonders gesprächig schien er also auch nicht unbedingt zu sein. Alles in allem sehr seltsame Umstände.

„Dann fasse ich das jetzt einfach mal als ein Nein auf“, sprach ich ruhig und setzte mich neben ihn auf das Dach. Im Gegensatz zu München damals gab es jetzt wenigstens eine Aussicht, auch wenn die jetzt nicht unbedingt besser war. Aber es gab sie zumindest.

Schweigend saß ich neben Tim auf dem Dach, der mittlerweile wieder angefangen hatte auf der Gitarre zu spielen.

„Schöner Song eben“, meinte ich ruhig und sah einfach mal gerade aus.

„Hm“, kam es nur von Tim der sich weiter auf seine Gitarre konzentrierte.

„Von dir?“, fragte ich vorsichtig und sah ihn von der Seite her an.

„Hm“, murmelte Tim und nickte leicht mit dem Kopf. Nein er war wohl nicht gerade in Plauderlaune und das war einfach verdächtig. Normalerweise war er bei jeder Party dabei, war für jeden Unsinn zu haben und bekam so schnell nicht den Mund zu. Und jetzt saß er da, total in Gedanken versunken und scheinbar in seiner eigenen Welt.

„Sie wird sich bestimmt darüber freuen“, sagte ich mit einem Lächeln und schlang die Arme um meine Beine die ich mittlerweile herangezogen hatte.

„Wie kommst du bitte darauf dass es für eine Person ist?“, fragte Tim und sprach zum ersten Male mehr als nur ein paar Worte und es war sogar eine sinnvolle Frage gewesen.

„Nun weil es sich stark danach angehört hatte?“, meinte ich und sah ihn wieder von der Seite her an. „Und weil ich mir nicht vorstellen kann dass du es für einen Kerl geschrieben hast.“

„Gutes Argument“, kam es von Tim, der den Anschein machte, dass für ihn das Thema nun wieder beendet war, aber so ganz nahm ich ihm das einfach nicht ab. Da musste doch einfach mehr dahinter stecken, ansonsten würde er sich doch nicht mitten in einer Feier davon stehlen, sich auf das Dach eines Busses setzen und Gitarre spielen. Aber ging es mich überhaupt etwas an? Welches Recht hatte ich eigentlich ihn danach zu fragen? Im Endeffekt war es doch seine Sache und nicht meine. Aber trotz des Wissens konnte ich einfach nicht aufstehen und ihn alleine lassen. Irgendetwas in mir sagte mir, dass ich bleiben musste.

„Wird sie es denn irgendwann einmal zu hören bekommen?“, fragte ich ruhig und richtete meinen Blick wieder gerade aus. Manchmal war es einfach leichter zu reden, wenn man dabei nicht direkt angesehen wurde.

Leise seufzte Tim auf und legte die Gitarre neben sich auf das Dach.

„Nein, eigentlich war es nicht geplant“, sagte er leise und zuckte mit den Schultern. „Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt nicht wahr?“

Leicht sah er mich von der Seite her an. Ich sah es nicht, aber ich spürte dass es so war. Man merkte einfach wenn man angesehen wurde, besonders wenn die Person die es tat nur wenige Zentimeter entfernt saß.

„Und was denkst du wird sie dazu sagen?“, fragte ich wieder und schloss für einen Moment die Augen, bevor ich sie wieder öffnete.

„Warum sagst du es mir nicht?“, fragte Tim leise und sah mich einfach weiter von der Seite her an.

„Meinst du wirklich ich könnte dir die Antwort darauf geben?“, fragte ich leise und ich spürte wie eine gewisse Nervosität meinen Körper erfasste. Eine Ahnung die langsam ihre Finger nach einem ausstreckte und Stückchen für Stückchen einen mehr erfasste. Aber vielleicht täuschte ich mich auch, vermutlich machte mir dieser Moment wieder einmal einen Strich durch die Rechnung und ließ mich Dinge spüren und vermuten die nicht da waren. Es wäre nicht das erste Mal in dieser Woche gewesen.

Leise seufzte Tim neben mir auf und richtete seinen Blick nach vorne.

„Wenn du es nicht kannst, dann kann es niemand“, sprach er leise und die Art wie er es sagte ließ mir klar werden, dass meine Ahnung mich nicht betrogen hatte. Dass es kein fehlgeleitetes Gefühl war, sondern dass es diesesmal wirklich so war wie ich es gefühlt hatte. Ich sah weiter nach vorne in die Nacht hinein und schwieg. Nicht weil ich nichts sagen konnte und nicht weil ich nichts sagen wollte, sondern einfach nicht weil ich nicht wusste was ich sagen sollte. Was sollte man in einem solchen Moment auch sagen? Wie sollte man die richtigen Worte finden wenn man genau wusste, dass sie weh tun würden? Da gab es kein mehr oder weniger schmerzvoll. Egal wie sanft man die Worte auch wählen würde, sie würden Schaden zufügen. Man würde einem Menschen den man lieb gewonnen hatte weh tun und wer tat das schon gerne? Für einen winzigen Moment ging mir die Melodie einer Serie durch den Kopf die in diesem Moment wohl nicht passender hätte sein können. (http://media.putfile.com/Do-No-Harm)
 

„Möchtest du nicht wenigstens versuchen mir eine Antwort zu geben?“, durchbrach Tim die Stille die sich über uns gelegt hatte. Er hatte wohl gespürt dass es eine Antwort sein würde die ihm nicht gefallen könnte und trotzdem schien er es wissen zu wollen. Vielleicht hat er es auch schon viel länger geahnt und hatte deswegen so lange geschwiegen. Hatte nie etwas angedeutet, nie etwas gezeigt weil er geahnt hatte dass es sich für ihn nicht zum Guten wenden würde.

„Ich will es versuchen“, antwortete ich ihm leise, nach einer kleinen Pause. „In den letzten Tagen bist du mir sehr wichtig geworden und ich fühle mich wohl wenn du da bist. Ich freue mich wenn du auftauchst und ich freue mich wenn ich dich sehe. Du bringst mich zum lachen und du bist da wenn ich dich brauche. Du bist mir sehr ans Herz gewachsen und ich habe dich wirklich lieb aber...“

„Aber mehr auch nicht“, führte Tim meinen Satz zu ende und ich hörte wie seine Stimme unsicher geworden war. „Das ist es doch was du sagen wolltest oder?“

„Ja das ist es wohl“, gab ich ihm leise recht und noch nie waren mir diese Worte schwerer über die Lippen gekommen. Ich hasste mich in diesem Moment dafür ihm weh tun zu müssen, aber ich wollte ihn auch nicht hoffen lassen, wo es keine Hoffnung mehr gab. Nicht für ihn, nicht in diesem Fall.

„Ich... Du musst...“, fing ich an doch da hatte mir Tim schon den Finger auf den Mund gelegt. Langsam schüttelte er den Kopf.

„Pssst“, sagte er sanft und seine Stimme war brüchig geworden. Er wollte nicht dass ich ihm irgendetwas erklärte oder mich für meine Gefühl rechtfertigte. Er hatte gehört was er hören wollte oder hören musste. Alle seine Fragen waren beantwortet. Es gab für ihn nichts mehr dass es wert gewesen wäre in Erfahrung gebracht zu werden. Langsam stand Tim vom Boden auf, nahm seine Gitarre in die Hand und ging auf die Leiter zu die nach unten führte. Am Ende des Daches blieb er stehen.

„Ich hoffe.... “, kam es von Tim der sich langsam zu mir umdrehte. „Du wirst glücklich mit ihm.“ Dann drehte er schnell seinen Kopf beiseite und kletterte die Leiter nach unten. Ich wusste warum er es getan hatte, denn ich hatte die Tränen im Mondlicht glitzern sehen können, die über seine Wange gelaufen waren. Das Herz in meiner Brust zog sich schmerzhaft zusammen und ich schloss meine Augen damit mich der Schmerz nicht überwältigte. Ich wusste dass ich ihm weh getan hatte, auch ohne dass er es mir sagte. Ich brauchte keine Worte um zu wissen dass es so war. Seine Stimme, sein Blick... Nichts hätte deutlicher sein können. Erst hatte ich nicht gewusst was ich ihm hätte sagen sollen und nun gab es so vieles, was ich ihm noch sagen wollte. Doch jetzt, jetzt war es zu spät. Meine Worte sollten für immer ungehört bleiben.

„Zu einer anderen Zeit hätte die Antwort vielleicht ja gelautet“, murmelte ich leise in die stille Nacht hinein und schlang meine Arme fester um meine Beine. Ich sah wie Tim am Bus entlang über den Platz ging und dann hinter der Türe verschwand die in die Halle führte. Vermutlich würde er sich nun irgendeine Geschichte ausdenken die er seinen Bandkollegen erzählen konnte wo er gesteckt hatte und ich konnte Per vor mir sehen, wie er seine ganz typischen Kommentare losließ. Ich hörte sie lachen und scherzen, so als wäre alles so wie es immer war. Aber war es das denn? Konnte es denn jemals wieder so sein? Nein das konnte es nicht. Es hatte sich so vieles verändert in den letzten Tagen dass ein Zurück nicht mehr möglich war. War für den Einen mein Auftauchen der Anfang gewesen, so hatte es für einen Anderen das Ende bedeutet. Während der eine das Glück spüren durfte, so quälte den anderen der Schmerz. Beide kannten einander und trotzdem würden sie wohl nie ein Wort darüber verlieren. Keiner würde vom anderen jemals alles erfahren und das war vielleicht auch gut so.
 

Mein Blick richtete sich hinauf zum Himmel, der sich langsam mit Wolken zugezogen hatte und nun den Mond verdeckten. Die Welt wurde in ein dunkles Licht getaucht das sich wie ein schwarzes Tuch über die Stadt und ihre Bewohner legte. Einzig und alleine ein paar Straßenlaternen schienen sich trotzig gegen diese Veränderung zu wehren indem sie weiter hell ihr Licht in die Nacht schickten um den Menschen ihren Weg zu leuchten. Doch wo war das Licht was mir den Weg zeigte? Wo war es wenn man es am nötigsten brauchte? Ich hatte das Gefühl den Weg den ich vor wenigen Tagen noch glaubte gefunden zu haben, wieder verloren zu haben. Ein falscher Schritt und alles würde wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Aber war es denn Realität oder war alles nur ein Traum aus dem ich nicht aufwachen wollte oder nicht konnte? Ich wusste es nicht. Ich wusste nichts mehr. In meinem Kopf herrschte zum ersten Male seit Tagen gähnende Leere. Ein großes schwarzes Loch das mich vorhatte zu verschlingen und dem ich hilflos ausgeliefert war.

Der Wind hatte zugenommen und wehte nun unbarmherzig durch die Straßen und ließ die Äste der Bäume bizarre Formen auf den Boden malen. Knochige Arme die versuchten nach den Seelen der Menschen zu greifen und sie in ihr Verderben zu ziehen. Schatten die in der Nacht zum Leben erwachten, waren sie doch am Tage zu einem starren Dasein verdammt. Verdammt war wohl das Wort, das wohl in diesem Moment am treffensten war. Ein einziges Wort das so vieles an diesem Tage beschrieb. Ich fühlte mich hilflos und alleine und die Furcht vor der Zukunft die tagsüber noch wie ein drohender Schatten über mir geschwebt war, hatte mich nun eingehüllt und nahm mir beinahe die Luft zum atmen. Als die Wolken das Weinen anfingen vermischten sich ihre Tränen mit den meinigen und mir wurde klar, dass ich nicht alleine war. Ich war es nie gewesen und würde es auch niemals sein. Nein ich durfte jetzt nicht liegen bleiben nur weil ich gefallen war. Es war nur eine weitere Herausforderung in meinem Leben. Eine von vielen. Niemanden war geholfen wenn ich jetzt aufgab. Nicht mir und noch weniger ihm. Ich mochte ihm weh getan haben, aber wie weh würde ich ihm erst tun, wenn ich mich jetzt hängen ließ? Nein das wäre nicht das gewesen was er hätte haben wollen.

Ich rappelte mich vom Boden auf und stieg die Leiter nach unten. Mit schnellen Schritten brachte ich die wenigen Meter vom Bus zur Halle hinter mich. Gerade in dem Moment als ich den geschützten Eingang erreicht hatte öffnete der Himmel seine Schleusen und der Regen prasselte unbarmherzig auf die trockene Erde herab. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen sah ich noch einmal zum Himmel hinauf ehe ich die Türe der Halle öffnete und dahinter verschwand.

Geständnis

„Da bist du ja wieder!“, rief mir Per schon entgegen und wedelte mit einer Bierflasche in der Hand. „Jetzt hättest du beinahe die nächste Runde verpasst.“

„Die hat sie doch eh schon“, meinte Julius und grinste.

„Ne das war doch die letzte Runde gewesen oder waren es die letzten 2 gewesen? Ach egal wir reden ja nicht von der letzten sondern von der nächsten“, lachte Per und grinste von einem Ohr zum anderen.

„Letzte, nächste... Ist doch alles das Gleiche“, kam es von Julius der Per zuprostete.

So wie es aussah hatten sie nicht nur eine Runde hinter sich gebracht seitdem ich die Halle verlassen hatte. Aber das passte schon, einer musste oder besser gesagt sollte ja noch einigermaßen nüchtern bleiben. Sonst gab es ja niemanden der sie heil ins Bett brachte.

„Irgendwie hast du ja recht“, meinte Per dann schulterzuckend und drückte mir eine Flasche Bier in die Hand. „Also wo waren wir stehen geblieben?“

Fragend blickte er in die Runde, doch scheinbar hatte keiner aufgepasst oder es war ihnen alle mittlerweile wieder entfallen.

„War ja klar“, seufzte Per und verdrehte kunstvoll die Augen. „Kaum taucht ein Mädel auf, gehen bei euch die Lichter aus. Halloohoooo! Aufwachen! Feiern!“

Mit der freien Hand wedelte er Stefan vor der Nase herum, der ihn entgeistert anblickte.

„Ja sie wachen wieder auf, dann kann es ja weitergehen und Prost!“, lachte Per und ich konnte einfach nur noch den Kopf schütteln. Das konnte ja noch was werden mit denen und an die Busfahrt nach Berlin wollte ich jetzt lieber mal nicht denken. Sie würde wohl keinen Deut besser werden als die Nacht in München als sie in einem ähnlichen Zustand in die Betten gefallen waren.
 

Ich zuckte leicht zusammen als mich etwas am Rücken berührte und ich sah über die Schulter wer oder was es gewesen war.

„Sag mal warum bist du so nass?“, fragte mich Max, der hinter mir aufgetaucht war. „Normalerweise zieht man sich vorher aus bevor man unter die Dusche geht.“

„Stimmt, das macht man normalerweise auch“, grinste ich und neigte leicht meinen Kopf auf die Seite. „Wenn allerdings die Dusche der Himmel ist, dann wäre ausziehen wohl nicht so eine gute Wahl. Außer natürlich man hat Lust draußen für einen kleinen Menschenauflauf zu sorgen.“

„Wie jetzt?“, fragte Max, der mir gerade nicht so wirklich folgen konnte. Entweder es lag daran, dass es spät war oder es lag daran, dass der Alkoholpegel zu hoch war. Woran es jetzt lag, war schwer zu entscheiden.

„Was ich damit sagen wollte ist, dass es draußen angefangen hat zu regnen“, erklärte ich ihm und lachte leise auf.

„Ja aber was rennst du auch draußen rum wenn es regnet?“, fragte Max weiter nach und stand wohl doch ein wenig zu sehr auf dem Schlauch.

„Max?“

„Ja?“

„Gehe mal einen Schritt zur Seite.“

„Hä wieso?“

„Damit du vom Schlauch runter gehst auf dem du gerade stehst?“

Max sah mich an, dann an sich herunter und fing das grinsen an, welches von Sekunde zu Sekunde breiter wurde.

„Nein Max“, sagte ich schnell und schüttelte lachend meinen Kopf. „Sag jetzt lieber nicht was dir gerade durch den Kopf geht. Behalte es besser für dich.“

Oh nein wenn er schon so grinste, dann konnte nichts Gutes dabei raus kommen. So gut kannte ich ihn mittlerweile um das jetzt schon zu wissen.

„Darf ich es dir dann wenigstens ins Ohr flüstern?“, fragte er grinsend und zwinkerte mir zu. Er hatte in diesem Moment ein spitzbübisches Funkeln in den Augen und erinnerte mich an einen 5-jährigen Lausbub.

„Ok... Ausnahmsweise“, meinte ich nach kurzer Bedenkzeit und nickte mit dem Kopf.

Max warf kurz einen Blick nach rechts und nach links, beugte sich dann ein Stückchen zu mir und flüsterte mir ins Ohr, was ihm gerade durch den Kopf gegangen war. Mit großen Augen und offenen Mund sah ich ihn an. Das hatte er doch jetzt nicht gerade wirklich gesagt oder doch? Nein das konnte nicht er gewesen sein, das musste jemand anderes gewesen sein. Aber es war gerade nur er da gewesen und sonst niemand. Ich merkte wie mir so langsam die Röte ins Gesicht stieg und senkte doch ein wenig verlegen meinen Blick. *Ich glaubs nicht*, ging es mir durch den Kopf und das was ich gerade zu hören bekommen hatte musste ich erst einmal schlucken. Nein ich hatte mit allem gerechnet, aber damit dann doch auch wieder nicht.
 

„Was habt ihr Beide denn schon wieder zu flüstern?“, fragte Per und sah zwischen mir und Max hin und her.

„Flüstern? Wer flüstert hier denn?“, fragte ich grinsend zurück und nahm einen Schluck aus meiner Bierflasche. „Also ich sehe hier niemanden flüstern.“

„Also ich auch nicht“, meinte nun auch noch Max und zuckte mit den Schultern. „Also Per ich glaube eher du hast zu tief ins Glas geschaut und bildest dir schon Dinge ein die gar nicht vorhanden sind.“

„Ihr habt euch doch verschworen“, meinte Per und schüttelte den Kopf, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Gebt's doch einfach zu.“

In diesem Moment fiel mir ein, dass Per mir ja eigentlich etwas versprochen hatte und bis jetzt war ich noch immer nicht dazu gekommen, dieses Versprechen von ihm einzufordern.

„Das einzige was ich zugebe ist, dass ich das arme Mädel hier jetzt vor einer Erkältung bewahren will“, meinte Max ruhig und legte seine Arme von hinten um mich herum. „Nicht dass sie uns noch krank wird, wenn sie hier in den nassen Sachen durch die Gegend rennt.“

„Ach und das ist der einzige Hintergedanke den du hast?“, kam es fragend und grinsend zugleich von Julius der Max einen zweifelnden Blick zuwarf.

„Also so wirklich nehme ich dir das jetzt aber nicht ab“, kam es nun auch noch von Per, der Max einen genauso zweifelnden Blick zuwarf.

„Und ich erst recht nicht“, kam es nun von Stefan der ja genau wusste dass es nicht so war wie von Max hingestellt. Aber ich musste es ihm hoch anrechnen, dass er niemanden etwas davon erzählt hatte. Er hatte dicht gehalten und kein Wort darüber verloren. Jemand anderes hätte wohl keine Sekunde gezögert und es sofort weitererzählt, aber nicht er.

„Von mir mal ganz zu schweigen“, kam es von Ingo der plötzlich hinter uns aufgetaucht war und grinsend in die Runde blickte.

„Also wenn jetzt noch Benedikt um die Ecke kommt, dann frage ich mich wer sich hier gegen wen verschworen hat“, meinte ich und schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein. Wie konnte man nur so neugierig oder besser gesagt misstrauisch sein? Aber man musste zugeben, dass sie einen guten Riecher zu haben schienen, denn ansonsten wären ja wohl jetzt nicht diese Kommentare gefallen.

„Nun... Wolltet ihr uns nicht etwas sagen?“, kam es von Benedikt der nun ebenfalls aufgetaucht war.

„Sag mal habt ihr euch irgendwie abgesprochen?“, fragte Max und sah von einem zum anderen. „Soviel Zufall gibt es doch gar nicht wie ihr hier gerade produziert.“

„Abgesprochen? Wir uns? Würden wir doch niemals tun“, meinte Per ruhig, bevor er das lachen anfing.

„Ihr doch nicht“, meinte ich nur und musste aber selbst lachen. Es war einfach zu amüsant wie sie alle dastanden und auf eine Bestätigung für ihre Vermutungen warteten. Im Endeffekt ahnten es doch so oder so schon alle, also warum wollten sie noch unbedingt eine Antwort haben? Konnte man denn nicht mal auf eine Antwort verzichten?

„Also was ist jetzt? Wir haben nicht ewig Zeit“, meinte Ingo wieder und klopfte mit den Fingern auf die Uhr.

„Ja genau wir müssen doch die Hochzeit planen. Wisst ihr eigentlich wie viel Zeit so was kostet?“, lachte Benedikt und sah uns an.

„Außerdem müssen wir noch los und shoppen gehen oder sollen wir etwa in Jeans und Vans zu eurer Hochzeit kommen?“, lachte Per und unterstützte somit Ingo und Benedikt in ihren Forderungen.

„Von den Einladungskarten wollen wir erst mal gar nicht anfangen zu reden“, haute Julius jetzt auch noch in die gleiche Kerbe.
 

„Ihr wollt's wohl wirklich wissen oder?“, fragte ich in die Runde und bekam als Antwort ein beinahe synchrones Nicken.

„Ja jetzt sagt schon!“, quängelte Per und verdrehte die Augen. „Oder wollt ihr uns in Unwissenheit sterben lassen?“

„Wäre zumindest eine Möglichkeit“, lachte Max und sah Per schmunzelnd an.

„Ich gebe dir gleich Möglichkeit“, drohte Per ihm lachend und sah dann zu mir. „Bekommt man wenigstens von dir eine Antwort?“

„Hm... Da muss ich erst Max fragen“, entgegnete ich ihm grinsend und drehte meinen Kopf zu Max. „Meinst du ich kann ihnen eine Antwort geben oder eher doch nicht?“

„Lass mich mal einen Moment drüber nachdenken“, kam es von Max der einen nachdenklichen Blick aufsetzte. „Eigentlich... Neee... Eigentlich ja nicht... Obwohl... Im Endeffekt... Also möglicherweise.... Trotzdem... Ich meine... Wer weiß... Allerdings...“

Plötzlich zuckte Max mit den Schultern und löste seine Umarmung.

*Was hat er jetzt vor?*, fragte ich mich in Gedanken, doch es dauerte nur wenige Sekunden da war mir klar was er vorhatte. Sanft legte er seine Hände an meine Wangen, sah mir tief in die Augen, ehe sich unsere Lippen zu einem Kuss vereinten. Es waren nur wenige Sekunden und trotzdem kam es mir wie eine kleine Ewigkeit vor. Langsam löste er seine Lippen von den meinigen, sah mir in die Augen, ehe er mich wieder in den Arm nahm. Grinsend sah er in die Runde.

„Reicht euch das als Antwort oder soll ich deutlicher werden?“, lachte er und ich hatte in diesem Moment fast das Gefühl, als wäre ihm eine Last von den Schultern genommen worden. Als wäre er froh darüber, dass das Geheimnis nun keines mehr war. Aber wenn es so war, dann ging es ihm nicht anders als mir. Jetzt brauchte man nicht mehr aufpassen wann man etwas sagte oder wie man etwas sagte. Brauchte nicht mehr darauf zu achten dass man auch ja alleine war wenn man mit dem anderen ein paar Zärtlichkeiten austauschen wollte und wenn es auch nur ein flüchtiger Kuss war.
 

„Ich hab's doch gewusst!“, rief Per plötzlich aus und hüpfte mit der Bierflasche in der Hand um den Tisch herum. „Ha! Ich wusste es, ich wusste es!“

Ich sah Per an, grinste und fing dann an zum lachen. In diesem Moment erinnerte er mich an Rumpelstilzchen der um das Feuer gehüpft war, nur mit dem Unterschied, dass es sich hier um ein Tisch handelte.

„Dann können wir also tatsächlich mit der Planung beginnen“, schmunzelte Benedikt und lachte leise auf.

„Jetzt mal langsam“, meinte ich zu ihm und schüttelte den Kopf. „So schnell geht es dann doch auch wieder nicht.“

„Na wer weiß, wer weiß“, kam es nun von Ingo der genauso am grinsen war. „Ich passe dann auch auf eure Kinder auf. Patenonkel Ingo macht das doch gerne.“

„Jetzt drehen sie vollends durch“, meinte Max leise zu mir und deutete mit dem Finger an, dass die anderen doch nicht mehr alle Tassen im Schrank haben konnten. Aber ich sah ihm an, dass es ihn freute dass sie es alle so locker aufgenommen hatten. Dass sie sich scheinbar alle darüber zu freuen schienen.

„Sieht stark danach aus“, sagte ich ebenfalls leise und legte meine Hände auf seine. Es war einfach ein beruhigendes Gefühl ihn bei mir zu wissen und ich konnte noch immer nicht so wirklich glauben dass so etwas ausgerechnet mir passiert war. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen lehnte ich mich ein wenig an ihn und genoss die gute Stimmung um mich herum.

Wiedersehensfreude

„Wir sind wieder daheim!“, rief Per laut durch den Bus, als dieser das Ortsschild von Berlin hinter sich gelassen hatte. „Berlin wir kommen!“
 

Ja wir waren wirklich in Berlin angekommen, auch wenn keiner von uns mehr daran geglaubt hatte. Die Fahrt war einfach nur das reinste Chaos gewesen und es war schief gegangen was nur hatte schief gehen können. Erst waren wir in einen riesen Stau geraten, dann hatte unser Busfahrer entschieden eine andere Strecke zu nehmen die uns natürlich genau in eine Vollsperrung geführt hatte. Wie hätte es auch anders sein sollen? Ein Unglück kam ja bekanntlicherweise selten alleine. Aber das schlimmste war ja nicht einmal die Vollsperrung selbst, sondern die Tatsache dass es mitten auf weiter Flur passiert war. Wäre wenigstens eine Raststätte in der Nähe gewesen, wäre es ja noch erträglich gewesen aber so garantiert nicht. Wenigstens hatten die anderen Autofahrer ihren Spaß gehabt, denn die Jungs hatten natürlich nichts besseres zu tun gehabt, als ihr Können zum Besten zu geben, wenn auch natürlich in einer reinen Akustikversion. Etwas anderes war ja auch nicht möglich, aber den anderen Stauopfern hatte es gefallen und das war wohl die Hauptsache. Nachdem es dann endlich wieder weiterging waren so viele Stunden vergangen, dass wir es, sofern nicht doch noch etwas dazwischen kam, gerade noch rechtzeitig zum Soundcheck schaffen würden. Aber so wirklich dran geglaubt hatte niemand mehr, aber wir hatten es doch tatsächlich noch geschafft. Genau 5 Minuten vor Beginn bog der Bus in die Oranienstrasse ein. Vor dem SO36 hatten sich schon Unmengen von Leute angesammelt und ich fragte mich, wie die bitte alle reinpassen sollten. Es war der pure Wahnsinn wie viele Leute aufgetaucht waren um das letzte Konzert der Tour mit der Band zu feiern und noch einmal so richtig die Bude zu rocken. Der Bus suchte sich einen geeigneten Parkplatz, während die Jungs mal so richtig nervös wurden. Der eine hibbelte auf seinem Sitz herum und es konnte ihm nicht schnell genug gehen und der nächste wollte am liebsten gar nicht aussteigen weil er das Gefühl hatte komplett alles vergessen zu haben. Aber so viel Zeit zum darüber nachdenken hatten sie nicht wirklich, denn kaum stand der Bus, stand Hektik an. Benedikt sprang beinahe schon aus dem Bus und trieb die Jungs zur Eile an, denn noch mehr Zeit zu verlieren als man eh schon verloren hatte, konnte einfach nicht angehen. Es stand zwar schon fest dass sich alles ein wenig nach hinten verschieben würde, aber es war eben doch ein Unterschied ob es nur eine Stunde war oder doch mehr. Aber einen Vorteil hatte die Hektik dann doch gehabt, denn Benedikt hatte vollkommen vergessen dass er mir heute noch etwas zeigen wollte, so konnte ich mich ohne schlechtes Gewissen abseilen. Nach den zwei letzten Tagen eine Erholung die nicht in Worte zu fassen war. Ein paar Minuten nach den Jungs verließ ich den Bus und schlenderte gemütlich die Straße entlang, denn ich hatte ja Zeit und ein Kaffee in Ehren durfte man ja nicht verwehren und schon gar nicht mir. Kurz blieb ich stehen und sah mich um, ehe ich die Straße überquerte. Zumindest hatte ich vorgehabt die Straße zu überqueren, als mich jemand an der Schulter festhielt.
 

„Andrea?“, sprach jemand meinen Namen aus, aber so leise, dass ich es beinahe nicht verstanden hätte. Ich drehte mich um, wundernd wer da jetzt hinter mir sein könnte. Mit großen Augen sah ich die Person an, ehe ich ihr mehr oder weniger um den Hals fiel.

„Jules! Was machst du denn hier?“, fragte ich überrascht und erfreut zugleich. Ja es freute mich wirklich sie hier zu sehen, denn mit ihr hatte ich jetzt wirklich nicht gerechnet.

„Auf ein Konzert gehen?“, meinte sie schmunzelnd und musterte mich langsam von oben nach unten. „Woher kommt mir das Hemd denn nur so bekannt vor?“

Ich sah erst sie an, dann an mir herunter und dann wieder zu ihr. Mit einem breiten Grinsen stand Jules vor mir und musste sich ein Lachen verkneifen.

„Findest du nicht dass es dir ein klein wenig zu groß ist?“, fragte sie, deutete auf die umgekrempelten Ärmel und fing dann das Lachen an.

„Ach aber nur ein klein wenig“, fiel ich in ihr Lachen ein und es tat gut sie lachen zu hören. Das letzte Mal als ich sie nämlich gesehen hatte, hatte sie alles getan, aber auf keinen Fall gelacht. „Lust auf einen Kaffee?“

„Du hast also noch immer nichts anderes im Kopf als Kaffee?“, fragte Jules lachend, nickte aber mit dem Kopf.

„Sag bloß du hättest etwas anderes erwartet?“, entgegnete ich grinsend und zog sie einfach mit mir mit auf die andere Straßenseite, wo wir uns an einen Tisch setzen.

„Nein ich hätte mich wohl eher gewundert wenn es nicht so gewesen wäre“, lachte Jules und schien wirklich gute Lauen zu haben. „Dann hätte ich mich wohl gefragt was die mit dir angestellt haben in der Woche, dass du sogar Kaffee links liegen lässt.“

„Glaub mir, das schafft so schnell keiner“, meinte ich zu ihr und schüttelte den Kopf. „Nichtmal die und das muss schon viel heißen.“

Als die Bedienung kam bestellten wir unseren Kaffee und ich kramte meine Zigaretten aus der Tasche und zündete mir eine an.

„Ja jetzt erzähl doch endlich mal“, meinte Jules die auf ihrem Stuhl herumrutschte, als würde sie auf glühenden Kohlen sitzen.

„Was willst du denn hören?“, fragte ich lachend, da ich echt nicht wusste wo ich anfangen sollte mit dem erzählen. Es war so vieles passiert, dass es echt schwer war mit einer Sache anzufangen.

„Wie wäre es wenn du mit Sonntag anfängst und mit deiner Ankunft hier aufhörst? Ich bin einfach neugierig wie gut ihr euch verstanden habt, auch wenn ich mir denken kann dass ihr euch gut verstanden habt, ich meine warum sonst solltest du Maxs Hemd anhaben und ach ich bin so neugierig“, rasselte Jules alles in einem Atemzug runter und ich hatte meine Probleme ihr folgen zu können. So wie es aussah, war sie wirklich nicht mehr sauer oder wütend auf mich, so wie am Sonntag noch. Vielleicht hatte sie wirklich nachgedacht oder ach war es im Endeffekt nicht auch egal? Sie freute sich mich zu sehen und ich freute mich sie zu sehen. Das alleine zählte doch.

„In Ordnung, dann fange ich einfach mal an“, lachte ich und fing dann an, ihr alles zu erzählen was ich mit den Jungs erlebt hatte. Wie wir mit dem Bus nach Nürnberg gefahren waren, was wir in Nürnberg erlebt hatten. Wie es weiter nach München ging und natürlich auch die Sache mit dem etwas verrückt geratenen Fan.
 

„Die hatte dir wirklich gedroht?“, fragte Jules nach und dachte, dass ich sie auf den Arm nehmen würden.

„Ja klar hat sie das“, meinte ich zu ihr und nickte mit dem Kopf.

„Ich meine so richtig gedroht? Boah krass... Meinste die hätte das wirklich durchgezogen?“

„Zugetraut hätte ich der echt alles“, kam es von mir und so war es auch wirklich gewesen. In der Stadt hatte ich das ja noch alles ein wenig belächelt, aber als sie dann vor der Halle gestanden war, da war es mir dann doch ganz anders gegangen.

„Und was ist noch alles passiert?“, quängelte Jules als ich gerade einen Schluck von meinem Kaffee trank, der mittlerweile schon kalt war, da ich von Jules regelrecht ausgequetscht wurde. Sie wollte alles wissen und das am besten so schnell wie nur irgendwie möglich. Also tat ich ihr natürlich auch den Gefallen.

So erzählte ich ihr auch die Sache wie die Jungs vollkommen blau nach ihrer Sauftour wieder zurückgekommen waren, was es mit dem Bildartikel auf sich gehabt hatte, wie es am nächsten Tag in Frankfurt zugegangen war. Eben alles was ich mit den Jungs und der Crew auf Tour erlebt hatte. Es gab eigentlich nichts, was ich ihr nicht erzählte, abgesehen von 2 Dingen. Diese 2 Dinge hatte ich bisher vermieden ihr zu erzählen, weil ich absolut nicht wusste, wie ich es ihr erzählen sollte und ob ich es ihr überhaupt erzählen sollte. Ich wusste ja noch genau warum sie damals so wütend auf mich gewesen war und ich war mir einfach nicht sicher, ob sie diese Neuigkeit so locker wegstecken würde.
 

„Wow... Echt hammer“, meinte Jules nachdem ich mit meiner Erzählung geendet hatte. „Was du alles erlebt hast und überhaupt... Man du bist echt zu beneiden.“

„Manchmal hätte ich sie echt am liebsten in einen Sack gepackt und in irgendeinem Fluss versenkt, weil sie einem so auf den Geist gehen konnten“, lachte ich und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. „Aber dann gab es wieder Momente wo ich echt froh drüber war, dass mein Auto damals den Geist aufgegeben hat.“

„Das glaub ich dir gerne“, sagte Jules und senkte für einen kurzen Moment ihren Blick. „Nun ich glaube ich muss dir was sagen.“

Ein wenig überrascht sah ich zu ihr und fragte mich, was sie damit jetzt meinte. Ohne etwas darauf zu erwidern sah ich sie einfach nur an und wartete auf das, was sie mir sagen wollte.

„Also wegen damals.... Ich wollte mich bei dir entschuldigen“, meinte Jules leise und spielte nervös mit dem Kaffeelöffel der auf dem Tisch lag. „Es war nicht fair von mir dir eine Ohrfeige zu verpassen und noch weniger war es ok von mir dir eine Szene zu machen. Egal ob es die hier war oder die bei dir daheim. Es war dumm von mir dir die Schuld an allem zu geben und noch dümmer war es, dir damals etwas unterstellt zu haben. Ich war wütend gewesen, aber nicht einmal auf dich, sondern eher auf mich. Wütend weil ich mich so doof angestellt habe und wütend, weil ich neidisch auf dich war. Meinst du, du kannst mir das verzeihen?“

Mit einem offenen und ehrlichen Blick sah mich Jules an und ich wusste genau, dass sie ihre Entschuldigung ernst meinte. Aber würde sie diese immer noch ernst meinen, wenn sie erfuhr was sich in der Woche noch zugetragen hatte? Ich wusste es einfach nicht, aber wenn ich es nicht drauf ankommen ließ, würde ich es wohl auch nie erfahren.

„Es war nicht fair gewesen das stimmt“, sprach ich ruhig und zündete mir noch eine Zigarette an. „Aber es war genauso wenig fair von mir gewesen, dich hängen zu lassen. Aber hinterher ist man wohl immer schlauer.“ Ich grinste so leichtlebig vor mich hin und seufzte dann leise auf. „Ich war nicht sauer auf dich und ich bin es auch heute nicht und deswegen brauchst du dich bei mir auch nicht entschuldigen. Wohl eher müsste ich mich bei dir entschuldigen.“

„Du dich bei mir entschuldigen?“, fragte Jules verwundert nach und sah mich aufmerksam an.

„Ja ich mich bei dir“, meinte ich kopfnickend und zog wieder an meiner Zigarette.

„Du hast doch aber gar nichts gemacht. Warum willst du dich denn dann bitte bei mir entschuldigen?“

Nein Jules schien wirklich nicht zu verstehen warum ich mich bei ihr entschuldigen wollte. Und es schien auch nicht danach, als würde sie irgendwas ahnen oder vermuten was die ganze Sache nicht gerade leichter machte.

„Es gibt eine Sache die sich auf Tour zugetragen hat, die ich dir noch nicht erzählt habe“, sagte ich zu ihr und spielte verlegen mit einer Haarsträhne. „Ich wusste einfach nicht wie ich es dir sagen sollte, aber ich weiß, dass ich es dir sagen muss.“

„Warum sagst du es dann nicht einfach?“, kam es von Jules mit einem aufmunternden Lächeln. „So schlimm kann es ja wohl nicht sein, dass du es mir nicht erzählen kannst oder? Du wirst dich ja wohl kaum auf eine Beziehung mit Max eingelassen haben.“

Jules sah mich grinsend an und lachte dann auf, doch als sie merkte, dass ich nicht in das Lachen eingefallen war, verstummte sie.

„Du hast doch nicht oder?“, hakte sie nach und schien so langsam zu begreifen.

„Tut mir leid“, meinte ich leise zu ihr und senkte betreten den Blick. „Ich weiß dass er dir gefällt und ich weiß wie ich damals geredet habe und... Aber ich habe mich was das angeht getäuscht und auf Tour... Ich weiß nicht... Wir haben uns einfach perfekt verstanden und es hat einfach gepasst und... Ich weiß doch auch nicht wie es passieren konnte... Es ist einfach passiert und es tut mir leid.“

Jules sah mich einen Moment lang einfach nur an ehe sie den Kopf sinken ließ. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, so wie sie es immer machte wenn sie nachdachte. Auch wenn sie diese Bewegung nicht gemacht hätte, hätte ich gewusst dass sie nachdachte. Ich kannte Jules schon so lange, dass ich manchmal das Gefühl hatte schon im voraus zu wissen was sie sagen oder tun würde. Aber in diesem Falle versagte ich völlig. Ich hatte keine Ahnung was sie nun sagen würde, ob sie überhaupt etwas sagen würde oder ob sie nicht einfach aufstand und ging.

Leise seufzte Jules auf und sah mich wieder an.

„Liebst du ihn?“, fragte sie leise und ihre Stimme klang überraschend ruhig und gefasst.

„Ja das tue ich wohl“, meinte ich und sah noch immer auf den Tisch.

„Liebt er dich?“, fragte sie weiter und sah mich einfach weiter an.

„Ich denke schon“, antwortete ich ihr und wusste ehrlich gesagt nicht, warum sie mich jetzt ausgerechnet das fragte.

„Dann geht das in Ordnung“, kam es dann von Jules und ich hob überrascht meinen Kopf und sah sie an. War die Jules die gerade vor mir saß wirklich die Jules die ich kannte oder hatte man sie in den vergangenen Tagen durch einen Klon ersetzt? Ich blinzelte, doch Jules saß immer noch vor mir und wenn man genau hinsah, konnte man ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen erkennen.

„Wie?“, kam es von mir nur, denn zu mehr war ich in diesem Moment absolut nicht fähig. Ich hatte erwartet dass sie mich anbrüllen würde, dass sie enttäuscht aufstehen und gehen würde, hatte sogar erwartet dass ich nicht nur eine Ohrfeige von ihr kassieren würde, aber nicht davon war eingetreten.

„Du klingst verwirrt“, meinte Jules und lächelte nun deutlich.

„Ähm ja schon ein wenig“, gab ich zu und sah Jules noch immer vollkommen entgeistert an. Wie auch sollte man so etwas jetzt verstehen? Vor einer Woche machte sie mir noch die Hölle heiß und jetzt Verständnis pur. Ich sah mich kurz um ob nicht irgendwo einer mit einer Kamera saß und jetzt gleich hervorgesprungen kam und mich aufklärte, dass ich gerade Opfer von 'Versteckte Kamera' geworden bin, aber da kam niemand hervorgesprungen.

„Ich meine sehen wir es doch mal so“, kam es von Jules die leise auflachte und sich sichtlich über meine Verwirrtheit zu amüsieren schien. „Ich wollte ihn und du hast ihn bekommen. Ich meine was kann mir besseres passieren, als eine Freundin zu haben, die sich den Sänger einer absolut geilen Band geangelt hat? Gut, natürlich wäre es mir lieber gewesen ich hätte ihn bekommen, aber so wie es jetzt kam, damit kann ich auch gerade so leben. Ok, das ganze ist jetzt nicht gerade uneigennützig, aber mal ehrlich... Was wäre ich für eine Freundin die ihrer besten Freundin das Glück nicht gönnt?“

„Und was wäre ich ohne eine solche Freundin wie dich?“, fragte ich und mir war in diesem Moment ein solcher Stein vom Herzen gefallen, dass ich mich gleich 50 Kilo leichter fühlte. Jetzt musste ich nur aufpassen, dass ich später nicht über die Straße schwebte.

„Aber eins musst du mir versprechen“, grinste Jules und zwinkerte mir kurz zu. „Bei der nächsten Party möchte ich dabei sein, denn du hast mich mit deinen Erzählungen so neugierig gemacht, dass ich so etwas unbedingt auch mal erleben möchte.“

„Darauf gebe ich dir mein Wort“, meinte ich erleichtert, stand von meinem Stuhl auf und nahm sie erst einmal richtig in die Arme. „Und die Party wird schneller kommen als dir lieb ist oder meinst du wirklich, ich lasse dich jetzt mit den anderen da draußen vor der Türe warten?“

Nein das hatte ich gewiss nicht vor und das würde ich auch nicht tun. Das war wohl das mindeste was ich für sie tun konnte. Aber dass sie mir verzeihen konnte und mir sogar noch Glück wünschte, zeigte mir doch, dass sie wirklich eine wahre Freundin war.

„Meinst du wirklich das geht?“, fragte sie jetzt vorsichtig nach, da sie sich das nicht so ganz vorstellen konnte.

„Da bin ich mir 100% sicher Jules, wenn nicht sogar mehr als das“, meinte ich lachend, legte das Geld für den Kaffee auf den Tisch und stand von meinem Stuhl auf. „Also auf gehst sonst wird nur das Bier warm.“

Ein wenig unsicher stand Jules auf und so wirklich traute sie mir noch nicht über den Weg oder besser gesagt meinem Optimismus. Aber sie folgte mir dann doch und so wie ich es ihr versprochen hatte, war es kein Problem gewesen sie in die Halle mit zu nehmen, während alle anderen weiter davor warten mussten.

Suche

„Ist das geil“, murmelte Jules nur und ließ ihren Blick quer durch die Halle und dann über die Bühne wandern, auf der gerade die Jungs standen und Soundcheck hatten. „Und das hast du jetzt eine Woche lang mitgemacht?“

„Das und noch viel mehr“, lachte ich und steckte die Hände in die Hosentasche.

„Ich kann's noch gar nicht glauben“, murmelte Jules wieder und schüttelte ihren Kopf. „Kannst du mich mal kneifen?“

„Kann ich, aber außer dass es weh tut wird sich nichts ändern“, meinte ich grinsend und zuckte mit den Schultern. „Glaub mir, das hab ich auch schon versucht.“

„Boah wie kannst du da nur so ruhig bleiben?“, kam es verwundert von Jules die nervös von einem Bein auf das andere trat.

„Nun vielleicht weil es für mich nicht das erste Mal ist?“, schlug ich grinsend vor und zuckte mit den Schultern. Nein es war wirklich nicht das erste Mal dass ich dem Soundcheck beiwohnen konnte.
 

„Da bist du ja endlich“, rief Benedikt von der Bühne herüber und kam auf mich und Jules zu. Direkt vor uns blieb er stehen und sah erst zu mir und dann zu Jules. „Sag mal bist du nicht das Mädel das wir damals auf dem Parkplatz aufgegabelt haben?“

„Ja genau das ist sie“, sagte ich grinsend und nickte mit dem Kopf. „Das ist Jules.“

„Wusste ich es doch“, lachte Benedikt auf und sah wieder zu mir. „Kannst du mal zurück zum Bus gehen und mir die blaue Mappe holen? Die bräuchte ich dringend und hab die dummerweise im Bus liegen lassen.“

„Ja klar kein Problem“, meinte ich zu ihm und nickte mit dem Kopf. Für mir war das wohl das geringste Problem. „Jules wartest du hier auf mich?“

Doch bevor sie mir antworten konnte hatte Benedikt sich schon zwischen uns gestellt.

„Jules du hast doch jetzt sicherlich nichts vor oder?“, fragte er sie schmunzelnd. „Weil Ingo dort drüben benötigt ein wenig Hilfe, sonst kommt er wieder mal nicht ums Eck rum und ist auch dann noch nicht fertig, wenn das Konzert angefangen hat. Über 2 helfende Hände würde er sich sicherlich freuen.“

„Ja... Ähm klar helfe ich“, stammelte Jules die ein klein wenig überrumpelt war.

„Hervorragend, dann komm einfach mal mit mir mit“, meinte Benedikt ruhig und sah dann zu mir. „Also von alleine holt sich die Mappe bestimmt nicht.“

Er sah kurz zu Jules, dann wieder zu mir und zwinkerte. Ich wusste genau was er mir damit sagen wollte und er hatte also nicht vergessen was ich ihm vor einer Woche erzählt hatte.

„Aye, aye Sir! Bin schon unterwegs! Ich eile!“, meinte ich lachend, salutierte und machte mich dann auch schon aus dem Staub. Um Jules machte ich mir keine Sorgen, wusste ich doch, dass sie sich in guten Händen befand. Benedikt würde schon ein Auge auf sie haben und Ingo wohl erst recht. Wer sich bei den beiden nicht wohl fühlte, der hatte wirklich ein sehr großes Problem mit Menschen. Einen unkomplizierteren Menschen als Ingo hatte ich zum Beispiel noch nie kennengelernt.
 

Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und verließ die Halle um zum Bus zu gehen. Es war wie als wäre keine Zeit vergangen, denn die Blicke schienen noch immer die gleichen zu sein die ich in meinem Rücken spürte, gleichfalls wie das leise Tuscheln und das zusammenstecken der Köpfe. Aber im Vergleich zu damals störte es mich nicht einmal, ich hatte wohl gelernt damit um zu gehen, ich beachtete es ja nicht einmal mehr. Damals hatte ich mich noch gefragt was sie jetzt wohl sagten oder dachten und jetzt musste ich nur darüber grinsen.

Vor dem Bus blieb ich stehen, tippte die Nummer ein und wartete bis sich die Türe geöffnet hatte um einsteigen zu können.

„So wo hat er die Mappe jetzt wohl hingelegt?“, fragte ich mich laut und sah mich um. Auf den ersten Blick war es unmöglich irgendwo auch nur das Eckchen einer blauen Mappe zu entdecken. „Uns als Chaoten aber selbst keine Ordnung halten können. Ich hätte es mir doch denken können.“

Aber wenn ich einfach nur hier rumstand würde ich die Mappe wohl nie finden. Also machte ich mich auf die Suche nach der Mappe von der er gesprochen hatte. Ich sah auf dem Sitz nach, ich sah in der Ablage nach, ich sah sogar unter den Sitzen nach, aber egal wo ich auch nachsah, die Mappe wollte und wollte sich nicht finden lassen.

„Wo zum Henker steckt das Ding denn?“, fluchte ich leise auf, denn mir fiel absolut nichts ein, wo das Ding noch stecken konnte.

„Also wenn sie jetzt da nicht liegt, dann ist sie nicht im Bus“, murmelte ich und begann doch tatsächlich sämtliche Unterlagen die Benedikt im Bus deponiert hatte zu durchsuchen, aber auch hier war sie nicht zu finden.

„Dann halt nicht“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. Ich hatte jetzt wirklich an jeder nur erdenklichen Stelle im Bus gesucht und die Mappe nirgendwo gefunden, also musste er sie wohl woanders liegen lassen. Hier war sie definitiv nicht. Ich stieg aus dem Bus und wäre beinahe voll in eine Horde Mädels gestolpert die sich vor dem Bus versammelt hatten.
 

„Duhuu?“, fragte eines der Mädchen und zog mit der Schuhspitze Halbkreise auf den Boden. „Du bist doch das Mädchen was da in der Zeitung war oder?“

„Ähm wie bitte?“, fragte ich und sah das Mädchen doch ein wenig fragend an.

„Ja ich meine, meine Freundin und ich und die anderen, also die die da auch noch stehen, also wir haben da gewettet“, erzählte das Mädchen weiter und die Halbkreise wurden von mal zu mal größer. „Also ob du es bist oder ob du es nicht bist und nun ja jetzt würden wir halt gerne wissen wollen ob du es denn jetzt bist oder ob du es nicht bist?“

Ich kratzte mich am Hinterkopf und wusste jetzt nicht so recht was ich darauf jetzt sagen sollte. Lügen wäre doof und die Wahrheit war es wahrscheinlich genauso. Immerhin wusste ich ja nicht was sie mit ihrer Frage sonst noch bezweckten außer eine Information zu bekommen. Allerdings erschienen sie mir nicht so verrückt zu sein wie das Mädel in München es gewesen war.

„Nun ich weiß ja nicht was es euch jetzt bringt, aber ja ich war das Mädchen“, sagte ich letztendlich, denn hätte ich jetzt was anderes erzählt, hätten sie es mir wohl kaum abgenommen.

„Du warst das echt? Wahnsinn!“, rief das Mädchen aus und sah grinsend zu den anderen. „Darf ich dich mal was fragen? Also nur wenn es für dich ok ist natürlich?“

Nun war ich wirklich verwundert. Soviel Höflichkeit war ich gar nicht gewohnt und schon gar nicht von weiblichen Fans, aber das Leben schaffte es doch immer wieder einen zu überraschen.

„Öhm ja klar“, meinte ich und zuckte mit den Schultern. So schlimm würde die Frage sicherlich nicht sein und falls doch, konnte ich ja immer noch ausweichend antworten oder die Antwort verweigern.

„Hat er dir wirklich? Also hat er dich wirklich gefragt? Ich meine hat er dir wirklich einen Antrag gemacht?“, fragte das Mädchen zögerlich und man sah ihr an, dass ihr die Frage ein wenig unangenehm war.

„Nein das hat er nicht“, meinte ich leise lachend und schüttelte den Kopf. „Wir haben lediglich rumgealbert und die Bildzeitung hat mal wieder ihr ganz eigenes Süppchen gekocht. Es hat keinerlei Heiratsanträge gegeben.“

„Sicher?“

„Todsicher! Wenn es einen gegeben hätte an diesem Tag und in diesem Moment, dann hätte ich mitbekommen“, grinste ich und das Mädchen atmete erleichtert auf. „Gibt es sonst noch etwas das du auf dem Herzen hast?“

„Ich nicht aber Steffi die würde gerne wissen ob Julius schon eine Freundin hat“, meinte das Mädchen und bekam von einem Mädchen heftig eine in die Rippen geboxt. So wie sie sich verhielt konnte es sich nur um die erwähnte Steffi handeln.

„Nicht dass ich wüsste“, meinte ich schmunzelnd und machte mich so langsam auf den Weg zurück. Benedikt würde sicherlich schon warten.

„Und was ist mit Tim? Hat der schon eine Freundin?“, fragte nun ein anderes Mädchen und mir wurde klar, dass wenn ich jetzt wieder eine Antwort gab, ich wohl gar nicht mehr in der Halle ankommen würde.

„Da fragt ihr ihn am besten selbst“, meinte ich grinsend und zuckte mit den Schultern. „Er kann es euch am ehesten sagen und beißen tut er auch nicht. Traut euch einfach.“

Ich schaute nun, dass ich den Weg vom Bus zurück zum Eingang schaffte und das ohne noch weiter mit Fragen belagert zu werden. Nicht dass ich hier noch in Teufels Küche geriet. Ich hatte Glück und konnte durch die Hallentüre verschwinden, ehe noch mehr Fragen aufkamen. Drinnen atmete ich erst einmal durch und machte mich auf die Suche nach Benedikt.
 

„Hat einer Benedikt gesehen?“, fragte ich ein 2 Leute die gerade an mir vorbei liefen, aber beide schüttelten den den Kopf. Wo zum Henker steckte er denn? Also machte ich mich weiter auf die Suche, doch auch in der Halle konnte ich ihn nirgendwo entdecken. Weder auf der Bühne, noch bei Ingo. Es gab nur noch einen Ort wo er sein konnte und genau den suchte ich jetzt auch auf. Irgendwann musste ich doch die schlechte Nachricht los werden. Ruhig öffnete ich die Türe zum Backstagebereich als irgendjemand pfiff. Ich blieb stehen, sah mich kurz um, aber da sich niemand regte zuckte ich nur die Schulter und betrat den Backstagebereich.

„Und denkt dran was ich euch gesagt habe in Ordnung?“, hörte ich Benedikts Stimme und ging weiter den Gang entlang.

„Geht klar!“, hörte ich die Jungs sagen und blieb in der Türe stehen.

„Ich hätte es mir doch denken können dass ihr hier seid“, meinte ich lachend und deutete mit dem Blick auf den Kasten der in der Ecke stand.

„He der ist für heute Abend“, meinte Stefan gespielt entsetzt wie ich von ihnen nur so etwas denken konnte.

„Und ich war kurz davor mir Sorgen zu machen“, lachte ich auf und sah dann zu Benedikt. „Also ich weiß ja nicht wo du deinen Kopf hast, aber im Bus lag die Mappe auf jeden Fall nicht.“

„Ja das habe ich mittlerweile auch gemerkt“, meinte Benedikt und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Die lag auf der Bühne, da wo sie auch sein sollte. Sorry dass ich dich umsonst nach draußen geschickt habe.“

„Passt schon. Hauptsache die Mappe ist wieder aufgetaucht“, meinte ich zu ihm. Nichts wäre wohl schlimmer gewesen als wenn Dinge die man brauchte verloren gingen.

„Ach ja falls du Jules suchst, die ist gerade mit Ingo dabei den Merchstand auf Vordermann zu bringen“, lachte Benedikt auf.

„Danke“, meinte ich nur zu ihm und lächelte ihn an.

„Wofür?“

„Du weißt ganz genau wofür“, sagte ich mit einem Augenzwinkern zu ihm und verließ den Raum wieder. Auch wenn Jules jetzt eine Beschäftigung hatte, wollte ich sie nicht wieder den ganzen Abend alleine lassen. Es war jetzt so oder so alles getan was noch getan werden musste, die Jungs bereiteten sich seelisch vor und in 5 Minuten würde die Halle ihre Tore öffnen. Es war also an der Zeit meinen Platz einzunehmen.

Ein bisschen Spaß muss sein

„Hallo Berlin!“, rief Max ins Mikro und begrüßte die Fans die alle zum letzten Konzert erschienen waren. „Es ist geil wieder bei euch zu sein!“

Und prompt legte die Band auch schon mit „Point Of No Return“ los. Es war absolut unbeschreiblich was sich in diesem Moment in der Halle tat. Kein Konzert auf dem ich war hatte diese Wirkung wie jetzt dieses letzte. Es war der pure Wahnsinn. Die Fans brachten die Halle zum beben und innerhalb kürzester Zeit war es so warm im SO geworden dass man locker mit knapper als knapp rumlaufen konnte.

„War das jedes mal so?“, fragte mich Jules und ich musste mich konzentrieren damit ich überhaupt etwas von dem verstand was sie mir sagte.

„Ne das schafft nur Berlin“, lachte ich und schüttelte dabei den Kopf. Nein Berlin war schon ein einzigartiges Publikum wie es kein zweites Mal existierte. Empty Trash hatte einfach Heimvorteil und das war ganz deutlich zu spüren.

„Weißt du was?“, fragte ich sie nun und hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht.

„Was?“, fragte Jules nach die mir gerade nicht so ganz gefolgt war.

„Wir feiern jetzt!“, lachte ich, packte sie an der Hand und zog sie mitten in die tobende Menge. Die ganzen Konzerte über die ich mitgemacht hatte, hatte ich eines nie gemacht und das war mit den Fans zusammen gefeiert und genau das würde ich jetzt nachholen.

Jules warf mir einen überraschten Blick zu, aber der löste sich schnell auf und machte einem vollkommen erfreuten Blick platz. Sie freute sich genauso wie ich mich freute und das war einfach ein verdammt gutes Gefühl. Ich hatte Dinge erlebt von denen ich nie zu träumen gewagt hätte. Ich hatte eine absolut geile Woche erleben dürfen, ich hatte einen Menschen gefunden bei dem ich mich geborgen fühlte und ich hatte eine Freundin auf die ich mich verlassen konnte. Was gab es denn was ein Mensch sich noch wünschen konnte? Mein Glück war doch absolut perfekt, gut es gab da den einen oder anderen dunklen Fleck, aber die gehörten einfach dazu. Zu perfekt war auch nicht das erstrebenswerteste.

„Du spinnst doch“, lachte Jules als ich sie immer weiter durch die Menge nach vorne zog, bis wir mehr oder weniger direkt vor der Bühne standen.

„Ich weiß“, grinste ich nur und schüttelte den Kopf so dass meine Haare in alle Richtungen flogen. Ja es war mir vollkommen egal ob sie mich jetzt für verrückt hielten oder ob nicht. Man war bekanntlicherweise nur einmal jung und das wollte und vorallendingen sollte genutzt werden.

Ich zog Jules näher zu mir ran und deutete mit dem Daumen in Richtung Bühne.

„Und jetzt werden wir die mal so richtig aus dem Konzept bringen einverstanden?“, meinte ich zu ihr und hatte ein so breites Grinsen im Gesicht das dem Grinsen von Per alle Ehre gemacht hätte.

„Das ist nicht dein ernst oder?“

„Und wie er das ist!“, lachte ich auf und ich meinte es wirklich so wie ich es gesagt hatte. Sie hatten mich die ganze Zeit auf den Arm genommen, mich aufgezogen und mich in die Falle tappen lassen wo sie nur konnten, jetzt sollten sie es zurückbekommen und das so richtig.

„Ja aber wie willst du das machen?“

„Das ist ganz einfach. Mach es mir einfach nur nach“, lachte ich und drehte mich wieder zur Bühne. Ich hatte schon eine Idee wie ich es schaffen könnte die Jungs aus dem Konzept zu bringen, mal schauen ob es klappte. Mit einem etwas verständnislosen Blick sah mich Jules an und wusste jetzt nicht was sie von mir und meiner Aktion halten sollte. Aber ich wusste dass sie verrückt genug war, es mir einfach gleich zu machen. Nein diesen Abend würden die Jungs so schnell nicht vergessen.

Die Band hatte gerade den letzten Akkord von Romance gespielt und Max war wieder an den Bühnenrand getreten um das nächste Lied anzukünden. Mit einem Grinsen sah er zu mir und Jules und legte eine Hand an das Mikro.

„Unser nächster Song ist wohl einer der ältesten den wir haben“, sprach er ins Mikro und grinste.

„Unsere letzte Nacht liegt schon viel weiter zurück“, meinte ich, verschränkte die Arme und sah dabei irgendwo an die Decke.

Max wollte gerade weitersprechen als er mich hörte und warf mir einen überraschten Blick zu.

„Ja schon sehr lange zurück, ich meinte schon sehr alt und...“, fing er wieder an, doch brach mitten im Satz ab, weil er scheinbar vollkommen den Faden verloren hatte.

„Also gegen heute Abend hätte ich nichts einzuwenden“, meinte ich wieder und öffnete die ersten beiden Knöpfe des Hemds, welches ich noch immer trug. Ich hatte vorher einfach vergessen mir etwas anderes anzuziehen als ich im Bus gewesen war.

Max stand auf der Bühne sah zu mir, folgte dann mit seinem Blick meiner Hand, ehe er versuchte sich auf das zu konzentrieren was er eigentlich gerade sagen wollte.

„Also unser nächster Sex ähm Song... SONG!“, verbesserte er sich schnell und man merkte schnell dass seine Konzentration in diesem Moment vollkommen flöten gegangen war. Das Publikum, was von dem was sich da vor der Bühne abspielte nichts mitbekam, war bei dem Versprecher am gröhlen und es fielen diverse Kommentare die es Max nicht unbedingt leichter machten den Faden wieder zu finden.

Mit einem fragenden Blick sahen Stefan, Julius und Tim zu Max, da sie ja nicht verstanden hatten was ich zu ihm gesagt hatte. Man sah ihnen genau an, dass sie sich fragten was wohl gerade in Max vorgehen musste, dass er so einen Hänger hatte.

„Ich glaube was Max sagen wollte ist, dass unser nächster Song Acrobat Lady sein wird“, rief nun Tim in sein Mikro und bewahrte Max somit vor weiteren Peinlichkeiten.

Max warf Tim einen dankbaren Blick zu ehe er zu mir blickte und nur leicht mit dem Kopf schüttelte. Aber an seinem Blick konnte ich erkennen, dass er mir nicht böse war sondern dass er es wohl mit Humor nahm.
 

„Das hast du jetzt gerade nicht getan oder?“, fragte mich Jules mit großen Augen die mich mit einem unfassbaren Blick anstarrte.

„Doch habe ich“, meinte ich grinsend und zerrte sie nun auf die andere Seite der Bühne wo Tim stand.

„Das war aber nicht fair“, meinte Jules und sah mich nun vorwurfsvoll an.

„Du hast keine Ahnung was für Scherze die mit mir getrieben haben. Da war das noch harmlos gewesen“, sagte ich kopfschüttelnd und deutete mit dem Kopf auf Tim. „Und der ist als nächstes fällig.“

„Wie willst du das machen?“

„Wieso ich? Das ist dein Job“, lachte ich, legte Jules meine Hände in den Rücken und brachte sie vor der Bühne in Position.

„Das kann ich nicht!“, rief Jules aus und schüttelte den Kopf.

„Oh doch das kannst du“, meinte ich zu ihr. „Tue einfach das, was du mir damals gezeigt hast als wir bei mir waren.“

„Nein! Das ist nicht dein ernst! Das mache ich nicht!“, weigerte sich Jules und sah mich aus weit aufgerissenen Augen an.

Tim stand auf der Bühne und grinste zu uns herunter, nichts ahnend, was ihm demnächst blühen würde. Aber wenn schon, dann sollte auch er sein Fett wegbekommen, auch wenn es ihm gegenüber vielleicht nicht unbedingt fair war. Aber er hatte eine kleine Abreibung wohl genauso verdient wie die anderen auch.

„Na komm jetzt sei kein Frosch“, stichelte ich Jules ein wenig und ich wusste dass sie mitmachen würde, ich brauchte nur noch ein Weilchen betteln.

„Ja aber ich kenne ihn doch kaum“, entgegnete Jules und ich wusste genau dass sie Lust drauf hatte, sich aber nur nicht getraute.

„Ja und? Seit wann stört dich das?“, lachte ich und boxte sie leicht in die Rippen.

„Auf deine Verantwortung ok?“

„Aber selbstverständlich!“, meinte ich und hob die Hand zum Schwur. Ich würde ihr garantiert keine Suppe einbrocken und sie diese dann alleine auslöffeln lassen. Nein so unfair war ich dann doch auch wieder nicht.

Jules drehte sich wieder zur Bühne um und ich stellte mich direkt neben sie. Kurz sahen wir uns an und dann zu Tim, der nichts ahnend seine Finger über die Gitarrensaiten fliegen ließ und immer mal wieder zu uns runter blickte.

Plötzlich zog Jules den Träger ihres Tops langsam über die Schulter und ließ Tim dabei nicht aus den Augen.

*Sie macht es tatsächlich*, lachte ich in Gedanken auf und amüsierte mich köstlich über den Blick den Tim in diesem Moment machte. Kurz sah er zu Max und dann wieder zu Jules die sich von nichts aus der Ruhe bringen ließ. So etwas war ihm auf der ganzen Tour wohl noch nicht untergekommen, aber bisher ließ er sich ja davon noch nicht aus der Ruhe bringen. Da mussten wir wohl noch einen oben drauf legen. Also tat ich es Jules nun gleich und gemeinsam versuchten wir nun Tim aus dem Konzept bringen. Der sah nun aus, als würde es ihm ganz anders werden, denn er sah immer wieder zwischen Max und uns hin und her und man merkte genau, dass er versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Ich warf kurz einen Blick zu Max, der wohl in Lachen ausbrechen würde, müsste er sich nicht gerade auf den Gesang konzentrieren.

„Auf zum Finale“, meinte ich zu Jules die mich angrinste und nickte.

Sie ließ den Träger von ihrem Top noch ein weiteres Stückchen weiter nach unten wandern. Doch damit war für Jules noch lange nicht das Ende erreicht. Nein jetzt ließ sie noch eindeutige Bewegungen und Gestiken folgen und ich musste mich schon zur Seite drehen damit ich nicht lauthals losprustete. Es war einfach zu geil was sie da abzog und es hatte auch genau den erwünschten Erfolg. Sie hatte Tim so aus dem Konzept gebracht dass er nicht nur seinen Einsatz verpasste, sondern sich auch im Anschluss daran gleich nochmal verspielte. Lachend drehte sie sich zu mir um.

„Give me five!“, lachte sie und hob mir ihre Hand hin.

„Strike!“, meinte ich ebenfalls lachend und schlug ein. Frauen waren eben doch die besseren Spieler und das hatten wir ja wohl gerade erfolgreich bewiesen.
 

Tim sah entschuldigend zu den anderen, die sich alle ein breites Grinsen nicht verkneifen konnten. Vorallem Max schaffte es nicht. Er schnappte sich das Mikro und grinste ins Publikum.

„Wie ihr seht hat Tim die lange Tour nicht gut getan“, lachte er ins Mikro und warf Tim einen Seitenblick zu. „Falls sich also jemand finden lässt der ihn ein wenig auf andere Gedanken bringen möchte, der soll sich später einfach bei Ingo am Merchandisestand melden und seine Telefonnummer hinterlassen. Wir werden uns dann um alles weitere kümmern.“

Vom Schlagzeug her kam ein lautes Lachen, als Per sich über diese Ankündigung beinahe nicht mehr einbekam.

Nun schnappte sich Tim sein Mikro und warf Max einen Seitenblick zu.

„Und wenn ihr schon dort seid, dann kauft am besten noch etwas ein“, sprach er grinsend und zwinkerte Max zu. „Nicht dass Max seine Telefonrechnung nicht mehr bezahlen kann die in Zukunft wohl recht hoch ausfallen wird.“

Max lachte auf und zuckte nur mit den Schultern.

„Wo er recht hat, da hat der Kleine wohl recht“, lachte er und sah dann wieder zum Publikum. „Und das bringt uns auch schon zu unserem nächsten Song Limited!“
 

Grinsend sah ich zu Jules, packte sie wieder am Arm und zog sie hinter mir her aus der Menge heraus und nach hinten wo es dann von der Lautstärke her wieder einigermaßen erträglich war.

„Jules? Das eben rechne ich dir verdammt hoch an“, meinte ich zu ihr und nickte bestätigend mit dem Kopf.

„Ach was!“, winkte Jules lachend ab. „Das war doch ne Kleinigkeit für mich.“

Ich lachte auf und drückte sie einfach an mich. Der Abend wäre wohl nur halb so lustig geworden wäre sie nicht hier aufgetaucht.

Wie soll's nur weitergehen?

Das Konzert war ohne weitere größere Zwischenfälle zu Ende gegangen und die Jungs hatten sich noch den einen oder anderen Spaß auf der Bühne gegönnt. Es hatte fast den Anschein, als wollten sie gar nicht wieder von dieser runter und könnten locker noch einmal eine Woche hinten dran hängen. Aber sobald sie im Backstagebereich waren und einmal durchgeatmet hatten waren sie wohl froh darüber dass es jetzt endlich vorbei war. So viel Spaß wie die Tour auch gemacht hatte, so geschlaucht hatte sie auch. Jeder war jetzt erst einmal froh über ein paar Tage Entspannung. Einfach mal die Beine hochlegen und nichts tun. Schlafen solange man Lust hatte, erholen und dann wieder mit neuer Kraft an die Sache herangehen, denn der Studiotermin rückte langsam aber sicher näher.

Zum letzten Male half ich Ingo beim Aufräumen der ganzen Sachen. Jeder Handgriff saß, als hätte ich nie etwas anders gemacht. In den wenigen Tagen war mir das tägliche Prozedere einfach in Fleisch und Blut übergegangen. Ingo hatte zwar gemeint ich solle doch einfach den letzten Abend genießen, aber ich hatte abgelehnt. Es war einfach meine Art mit einer grandiosen Zeit abzuschließen und das ließ ich mir keinesfalls nehmen. Während ich zusammen mit ihm und Jules die Kartons verpackte und draußen stapelte, ruhten sich die Jungs im Backstagebereich aus. Es war allen klar dass es ein sehr langer Abend werden würde und wohl eine noch viel längere Nacht. Es war das letzte Mal wo alle zusammen sein konnten und es musste doch eine erfolgreiche Tour gefeiert werden und das war sie auf alle Fälle gewesen. Wenn sie damit nicht einen riesen Schritt vorwärts gekommen waren, dann hatten wohl alle ein anderes Konzert besucht gehabt als ich.
 

„Es fällt dir nicht leicht oder?“, fragte mich Jules ruhig die sich neben mir auf die Bordsteinkante gesetzt hatte.

„Hm?“, kam es von mir und ich sah Jules fragend an.

„Den Abschied meine ich“, sprach Jules und sah mich aufmerksam an.

„Wenn ich ja sagen würde, dann müsste ich lügen“, seufzte ich auf und spielte mit den Fingern mit ein paar Steinchen die zu meinen Füßen lagen.

„Was hast du jetzt vor? Ich meine wie soll es weitergehen?“

Seufzend zuckte ich mit den Schultern.

„Wenn ich das wüsste, dann wäre ich klüger“, meinte ich leise. Ich hatte keine Ahnung wie es jetzt weitergehen sollte. Die letzten Tage hatte es mir vor diesem Abend gegraut und ich hatte ihn immer weit von mir weg geschoben. Hatte immer wieder darüber nachgedacht und war doch auf keine Lösung gekommen.

„Habt ihr denn nicht darüber geredet?“

Ich sah auf die Straße und schüttelte den Kopf.

„Ihr habt wirklich nicht darüber gesprochen wie es nach Tourende weitergehen soll?“, fragte Jules doch ein wenig verwundert nach, weil sie sich das nicht so ganz vorstellen konnte.

„Nein haben wir wirklich nicht“, meinte ich leise und zuckte wieder mit den Schultern. „Wir wussten beide dass der Tag kommen würden, aber wir haben beide versucht ihn zu verdrängen. Wir haben nicht darüber gesprochen weil wir uns die Zeit bis dahin nicht vermiesen lassen wollten von dem Gedanken daran und jetzt wo er da ist, da hatten wir noch keine Zeit gehabt darüber zu reden.“

Schweigend saß Jules neben mir und sah ebenfalls auf die Straße hinaus.

„Weißt du Jules... Ich kann mir im Moment nicht einmal vorstellen wie ich es schaffen soll alleine in meiner Wohnung zu sitzen“, sprach ich leise und sah sie von der Seite her an. „Du weißt dass ich nie der Mensch gewesen bin der anderen Menschen längere Zeit um sich herum brauchen konnte und jetzt... Jetzt kann ich es mir anders nicht mehr vorstellen. Es war nur eine Woche gewesen und trotzdem hat sich so vieles bei mir geändert. Wenn ich aber schon nicht weiß wie ich das machen soll, wie soll ich dann wissen was... Was aus mir und Max werden soll.“

Ja während der Tour war alles so einfach gewesen. Man war zusammen schlafen gegangen, man war zusammen aufgestanden, man hatte zusammen gefrühstückt und wenn man den anderen gebraucht hatte, da hatte man nur hingehen brauchen. Wenn man das Gefühl bekommen hatte sich anlehnen zu müssen, dann hatte man es einfach getan. Jetzt war alles nicht mehr so einfach. Es war mir bewusst gewesen dass es nicht leicht werden würde, aber dass es so schwer werden würde, das war mir wohl doch nicht so klar gewesen.

„Ich weiß dass es Telefon gibt und ich weiß auch dass Berlin nicht aus der Welt ist, aber es ist einfach nicht das Gleiche“, sprach ich leise weiter und atmete tief ein. „Ich hätte niemals gedacht dass ein Mensch mir so wichtig werden könnte dass ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen kann, aber ich glaube das Leben selbst hat mich eines besseren belehrt.“

Ich drehte leicht meinen Kopf und sah Jules von der Seite her an.

„Darf ich dich mal etwas fragen?“

„Warum solltest du das nicht können?“, entgegnete Jules ein wenig verwundert.

„Glaubst an die Große Liebe Jules?“

Nun war Jules vollkommen verwirrt, dass ausgerechnet ich ihr eine solche Frage stellte. Solche Fragen war sie von mir eindeutig nicht gewohnt, denn ich war eigentlich immer diejenige von uns Beiden gewesen, die sich nie darüber Gedanken gemacht hatte. Die immer ein Leben in Freiheit vorgezogen hatte, der noch nie so der Beziehungsmensch gewesen war und nun stellte ausgerechnet ich ihr diese eine Frage.

„Wow... Jetzt hast du mich wirklich eiskalt erwischt mit deiner Frage“, kam es von Jules die nicht so recht wusste was sie mir jetzt sagen sollte. „Auch wenn sie mir noch nicht begegnet ist, so glaube ich dennoch, dass es sie gibt. Du hast sie scheinbar schon gefunden.“

Mit einem sanften Lächeln sah mich Jules an und legte mir dann den Arm um die Schultern.

„Und warum fühle ich mich dann gerade so schlecht?“, fragte ich leise und lehnte meinen Kopf an ihre Schulter.

„Wenn du dich schlecht fühlst dann nur weil du nicht weißt wie es weitergeht“, sprach Jules ruhig. „Aber zeigt das nicht wie viel er dir bedeutet? Ich meine gerade du machst dir einen Kopf darüber wie du es ohne ihn aushalten sollst und das wo du früher nicht genug Ruhe vor anderen haben konntest. Du hast für andere damals immer nur ein müdes Lächeln übrig gehabt denen es so ging wie es dir nun geht. Hast immer gesagt wie einfach das doch alles sei und du das überhaupt gar nicht verstehen würdest können und jetzt sitzt du hier und weißt nicht mehr vor noch zurück. Dich hat es wohl zum ersten Male so richtig erwischt würde ich mal behaupten.“

Leise seufzte ich auf und wischte mir mit dem Arm über die Augen.

„Wenn er bei mir ist, dann habe ich immer das Gefühl dass es nicht auf der Welt gibt, das mir schaden könnte“, sprach ich leise und schloss leicht meine Augen. „Wenn ich ihn bei mir spüre, dann gibt es nichts vor dem ich mich mehr fürchte. Wenn ich ihm in die Augen blicke, dann weiß ich, dass ich verstanden werde. Dass er mich versteht auch ganz ohne Worte. Wenn er mich in den Arm nimmt dann fühle ich mich geborgen, beschützt und wenn er mich küsst, dann bleibt die Zeit stehen. Ich habe keine Angst mehr zu fallen, denn ich weiß dass es jemanden gibt, der mich wieder auffängt. Es gibt so vieles was ich ihm sagen möchte, doch wenn er dann vor mir steht, dann wird mir klar, dass kein Wort der Welt das ausdrücken könnte was ich für ihn empfinde. Weißt du Jules, manchmal habe ich sogar das Gefühl er wüsste schon lange vor mir was ich denken würde und umgedreht ist es nicht anders. Ich brauche ihn nur anschauen und weiß was in ihm vorgeht. Es klingt alles so verrückt, so unglaubwürdig, aber es ist so. Wenn ich ihn lachen sehe, dann bin ich glücklich. Wenn ich sehe wie viel Spaß es ihm macht auf der Bühne zu stehen, dann freue ich mich mit ihm. Alleine seine Stimme zu hören ist schon ein unheimlich beruhigendes Gefühl und ich... Ich will ihn einfach nicht verlieren.“

Ich spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen und versuchte krampfhaft sie zu verhindern. Ich konnte doch jetzt nicht das heulen anfangen nur weil ich nicht wusste wie es weitergehen sollte. Es konnte doch nicht tatsächlich so weit mit mit gekommen sein, dass mich so etwas so dermaßen aus der Bahn werfen konnte. Es konnte, nein es durfte mir niemand so wichtig werden, dass ich mit dem Gedanken anfing zu spielen, mein komplettes Leben über den Haufen zu werfen. Alles hinzuwerfen was ich mir aufgebaut hatte nur damit ich in der Nähe von jemanden sein konnte.

„Och Mensch“, meinte Jules leise und nahm mich fester in den Arm. „Bitte lass den Kopf nicht so hängen. Es wird sich bestimmt ein Weg finden lassen. Da bin ich mir sicher.“

Jules wusste in dem Moment absolut nicht was sie sagen oder machen sollte. Wir kannten uns schon so viele Jahre und noch nie hatte sie mich in so einer Situation erlebt. Noch nie hatte sie mich so fertig mit den Nerven gesehen und vermutlich wollte sie mich auch nie wieder so sehen. Die Person von der sie immer geglaubt hatte dass es nichts gebe was sie umwerfen würde, saß nun wie ein Häufchen Elend neben ihr und zweifelte.

„Nur weil ihr jetzt nicht mehr jeden Tag zusammen sein könnt verlierst du ihn doch nicht gleich“, sprach Jules leise weiter und sah mich aufmunternd an.

„Ich... Er wird demnächst im Studio verschwinden und kaum erreichbar sein, ich soll in ein paar Tagen meinen Ferienjob antreten, kannst du mir sagen wie das funktionieren soll? Ein paar Minuten telefonieren in der Woche kann keine Beziehung aufrecht erhalten. Nicht auf Dauer und ich möchte nicht dass jeden Tag ein Stückchen mehr von mir stirbt“, meinte ich zu ihr und meine Stimme hatte etwas verzweifeltes bekommen. „Vielleicht... Vielleicht sollte ich es einfach beenden bevor... bevor ich es nicht mehr kann.“

„Nein das tust du nicht!“, widersprach mir Jules ernst und sah mich direkt an. „Das wirst du nicht tun haben wir uns da verstanden?! Denk gar nicht erst dran! Du würdest dich damit doch nur unglücklich machen und du würdest den Schritt schneller bereuen als du ihn gegangen bist. Also hör auf so einen Schwachsinn zu reden!“

„Wieso Schwachsinn?“, fragte ich leise und zuckte mit den Schultern. „Es würde nur das passieren, was früher oder später so oder so passieren würde. Ich würde es lediglich ein wenig beschleunigen.“

„Wenn du nicht sofort aufhörst so einen Unfug zu erzählen dann werde ich dir so eine scheuern, dass du in einer Woche noch alle 5 Finger von mir auf deiner Wange betrachten kannst!“, kam es von Jules die es wirklich ernst zu meinen schien mit ihrer Drohung. „Da findest du jemand der dir zum ersten Mal so richtig etwas bedeutet und du willst es einfach so wegwerfen ohne ihm und der Beziehung eine Chance gegeben zu haben? Du hast doch früher für alles gekämpft, warum willst du jetzt also einfach so aufgeben? Ich kapiere das nicht! Ich kapiere es wirklich nicht! Weißt du eigentlich wie viele Mädchen dich dafür beneiden? Die am liebsten mit dir tauschen würden und du, du willst da einfach mal kurz das Ganze beenden nur weil du nicht weißt wie es weitergehen soll? Wie wäre es wenn du dir lieber darüber Gedanken machen würdest anstatt darüber wie man das Ganze am ehesten beenden könnte.“

Ich ließ den Kopf hängen und stupste mit dem Finger einen Stein durch die Gegend. Irgendwie hatte sie ja schon recht mit dem was sie sagte. Er bedeutete mir so vieles und ich wollte das alles einfach so zu den Akten legen? Stimmt ich hatte früher immer und für alles mögliche gekämpft und mich von nichts unterkriegen lassen. Wenn ich gefallen war, war ich jedes mal wieder aufgestanden. Niemals war ich liegen geblieben, also warum wollte ich ausgerechnet jetzt damit beginnen? Es passte doch gar nicht zu mir. Ja er hatte mein Leben verändert aber sollte er es wirklich so weit verändern dass ich das aufgab, was ich war? Wollte ich überhaupt dass er es so weit veränderte? Und war ich überhaupt noch der Mensch den er kennengelernt hatte, wenn ich das alles aufgab? Nein das wäre ich nicht mehr. Ich wäre irgendjemand, aber nicht mehr die Person die ihn auf dem Parkplatz frech von der Seite angesprochen hatte, die ihm während der Woche immer wieder Kontra gegeben hatte und die ihm auch mal über den Mund gefahren war wenn es zu viel geworden war. Würde ich genau diesen Teil von mir ändern, dann wäre ich wirklich nicht mehr die Person die ich wirklich war. Es war ein wichtiger Teil von mir und den wollte ich einfach nicht aufgeben, für nichts und niemanden in der Welt. Das hatte ich mir selbst einmal geschworen und diesen Schwur sollte ich nicht brechen.

„Er würde mir die Hölle heiß machen“, sagte ich leise und ein schwaches Lächeln lag mir auf den Lippen.

„Was meinst du jetzt damit?“, fragte Jules verwundert nach, die der Wechsel doch ein wenig überrascht hatte.

„Max natürlich“, meinte ich zu ihr und sah sie von der Seite her an. „Er würde mir die Hölle heiß machen, sollte ich jetzt bei ihm auftauchen und ihm verkünden dass es besser sei es zu beenden bevor es richtig hat anfangen können.“

„Wie kommst du jetzt bitte da drauf?“, fragte Jules und zog leicht eine Augenbraue nach oben.

„Ich weiß nicht wie ich da jetzt drauf komme, aber ich weiß einfach dass es so wäre“, antwortete ich ihr und zuckte mit den Schultern. Nein ich konnte es wirklich nicht erklären, es war einfach eines meiner vielen Bauchgefühle.

„Und wenn er es tun würde, dann würde ich ihn dabei sogar noch unterstützen“, meinte Jules und nickte zur Unterstreichung ihrer Aussage mit dem Kopf.

„Wenn es nicht so ernst wäre, würde ich es glatt drauf ankommen lassen“, sagte ich zu ihr und atmete tief durch.

„Das sagst du jetzt nur weil du weißt dass du es nicht tust“, meinte Jules und musterte mich von der Seite.

„Nein eigentlich nur deswegen weil ich gerne wissen würde ob ich wenigstens gegen euch im Doppelpack verliere“, meinte ich mit einem leichten Grinsen. „Im Einzel schlag ich euch ja immer.“

Jules lachte leise auf und drückte mich an sich.

„Das ist die Kämpferin die ich kenne“, meinte sie und man merkte, dass ihr ein riesen Stein vom Herzen gefallen war. Zwar war ich immer noch nicht schlauer, weil ich wusste noch immer nicht wie es weitergehen würde, aber zumindest hatte sie es geschafft mir die dummen Flausen auszutreiben die mich kurzzeitig überkommen hatten. Aber wenn man sich in einem Wechselbad der Gefühle befand war es schwer einen vernünftigen Gedanken zu fassen, da konnte es leicht zu solchen Aussetzer kommen. Wenigstens gab es noch Menschen die genau wussten wie sie damit umgehen mussten und wie man mich wieder auf andere Gedanken bringen konnte.

Doch während ich hier hier draußen saß, hatte Max drinnen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen.

Beweis

Die Jungs hatten sich erholt und umgezogen und waren nun überall in der Halle unterwegs um Autogramme zu geben, sich mit Fans fotografieren zu lassen und natürlich um mit Freunden zu reden die zahlreich erschienen waren. Es war nun mal Berlin und da kannte sie wohl die halbe Stadt.

„Max? Kann ich ein Autogramm von dir haben?“, fragte ein Mädchen wobei das noch ein wenig harmlos ausgedrückt war.

„Ähm ja klar“, meinte Max, der eigentlich gerade dabei gewesen war sich mit Simon zu unterhalten. „Hast du was zum schreiben?“

„Ja sicher“, meinte das Mädel und kramte einen Edding aus der Hosentasche hervor.

„Und wo soll ich unterschreiben?“, fragte Max, denn das Mädel hatte nichts in der Hand wo man hätte unterschreiben können.

„Na hier“, meinte das Mädchen grinsend und öffnete fast ihr ganzes Hemd um auf eine bestimmte Stelle zu deuten.

Während Simon sich umdrehen musste um nicht das lachen anzufangen, stand Max da und wusste nicht was er jetzt machen sollte. Er sah zu dem Mädchen und dann auf den Edding und dann wieder zu dem Mädchen.

„Sorry, aber mach ich nicht“, meinte er dann zu ihr und drückte ihr den Edding wieder in die Hand. Er schnappte sich sein Bier und drehte sich zu Simon um.

„Ja aber wieso nicht? Früher hast du das doch auch gemacht“, kam es verwundert und auch enttäuscht von dem Mädel die nicht fassen konnte was gerade passiert war.

„Früher ist früher und heut ist heut“, meinte Max nur und ließ sie schlichtweg stehen. Nein darauf konnte er jetzt gut und gerne verzichten.
 

„Ist was passiert von dem ich noch nichts weiß?“, fragte Simon verwundert und sah Max an.

„Könnte gut möglich sein“, meinte Max grinsend, sagte aber auch nicht mehr als das.

„Ja und was?“, hakte Simon nach, der ja mal so überhaupt nicht neugierig war. Nein es brannte ihm überhaupt nicht auf der Seele zu erfahren, warum Max dieses 'Angebot' gerade abgelehnt hatte. Da musste doch irgendetwas vorgefallen sein, soviel stand fest. „Ich meine hast du dir das Mädel gerade angesehen?“

„Ja habe ich und?“

„Sowas lässt du stehen?“

„Ja tue ich“, kam es schulterzuckend von Max der nicht wusste warum Simon so verwirrt war. „Wenn sie dir gefällt, dann schnapp sie dir doch.“

„Jetzt mal raus mit der Sprache hier“, lachte Simon und wollte es jetzt endlich wissen. Da war doch was im Busch.

„Na gut dann will ich dich mal nicht weiter auf die Folter spannen“, sagte Max lachend und wollte gerade zum erzählen ansetzen, ehe er sich mit fragendem Blick umdrehte, als ihm jemand den Arm um die Hüften gelegt hatte.
 

„Und was machen wir heute Abend noch?“, kam es fragend von dem Mädel, was ihn gerade eben schon etwas gefragt hatte.

„Keine Ahnung was du machst, ich für meinen Teil weiß es“, meinte Max und verdrehte leicht die Augen.

„Ich dachte wir könnten... Naja...“, meinte das Mädel wieder und tippelte mit den Fingerspitzen auf seinem Bauch herum.

Max warf Simon einen bittenden Blick zu, doch der war lediglich am Grinsen.

„Ich glaube ich lass euch mal besser alleine“, meinte er und verschwand in der Menge.

„Simon ich...!“, rief Max ihm noch hinterher, doch da ruckte sein Kopf auch schon wieder zu dem Mädchen, welches jetzt angefangen hatte ihm mit der Hand über den Rücken zu streicheln. Ruhig trat Max einen Schritt beiseite, so dass nun wieder ein wenig Abstand zwischen ihm und dem Mädel bestand.

„Ich weiß ja nicht was du vorhast, aber könntest du das bitte unterlassen?“, meinte Max und war sichtlich nicht erfreut über das was das Mädel da gerade abzog.

„Aber wieso denn?“, fragte das Mädel und verringerte mit einem Schritt den Abstand so sehr, dass jetzt wohl kaum mehr eine Bildzeitung zwischen ihr und Max gepasst hätte.

„Weil ich das nicht möchte, ganz einfach“, meinte erneut und ließ das Mädel ein weiteres Mal einfach stehen. Nein was zu weit ging, ging zu weit und das was sie da gerade abzog ging sogar mehr als nur zu weit. Max fragte sich, wie man nur so weit gehen konnte. Gut vielleicht wäre er früher darauf eingestiegen, aber jetzt garantiert nicht mehr. Die Zeiten hatten sich einfach geändert und er hatte keine Lust darauf dass sich alles wegen so einem übertriebenen Groupie erneut änderte. Kurz sah er sich um, schaute wo die anderen alle steckten und ganz besonders nach Simon, der später noch etwas von ihm zu hören bekommen würde. Was fiel dem bitteschön ein, sich einfach zu verdünnisieren und das ausgerechnet in so einem Moment? Hatte er denn keine Augen im Kopf gehabt? Kopfschüttelnd öffnete er die Türe zum Klo und verschwand dahinter. Das gerade eben ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Er verließ das Klo wieder um sich die Hände zu waschen und warf einen Blick in den Spiegel. Seine Augen weiteten sich und ruckartig drehte er sich um.
 

„Was soll das?“, fragte er und klang reichlich genervt. So langsam war die Grenze des schlechten Geschmacks eindeutig überschritten.

„Ich dachte mir dass es dir da draußen einfach nur unangenehm war, weil so viele Leute um uns herum standen“, meinte das Mädel wieder und ging langsam auf Max zu. „Hier ist außer uns niemand.“

„Sag mal hab ich mich vorher nicht klar genug ausgedrückt oder warum kapierst du es nicht?“, fragte Max und schüttelte den Kopf. „Also gut, dann eben noch einmal. Lass... Mich... In... Ruhe!“, sagte Max und betonte jedes Wort so deutlich, so dass man es eigentlich gar nicht missverstehen konnte.

„Jetzt tue doch nicht so als würdest du es nicht wollen“, sprach das Mädel und blieb direkt vor Max stehen, der mittlerweile so weit vor ihr zurückgewichen war, dass er nun mit dem Rücken zur Wand stand.

„Ich tue nicht nur so, ich will es wirklich nicht!“, kam es von Max, der das Mädel an der Schulter packte und einfach beiseite schieben wollte. Es reichte ihm einfach. Wenn sie es durch Worte nicht kapieren wollte, dann vielleicht auf diese Art. Doch das Mädel packte Max am Handgelenk und hielt ihn fest.

„Hast du etwa Angst man könnte uns erwischen?“, meinte sie leise und fing schon wieder an mit der Hand auf seinem Bauch herum zu tippeln. „Wir können auch gerne zu mir gehen. Ich wohne ganz in der Nähe und da stört uns bestimmt niemand.“

„Weder habe ich Angst dass uns jemand erwischen könnte, noch habe ich Bock drauf mir dir irgendwohin zu gehen“, meinte Max und so langsam war er nicht nur genervt, sondern auch gereizt. „Wenn ich Lust bekomme mit jemanden Sex zu haben, dann gehe ich zu meiner Freundin und das bist garantiert nicht du!“

„Ach das sagst du doch jetzt nur so“, meinte das Mädel, deren Hand nun in eine ganz andere Richtung unterwegs war. „Das ist doch nur eine Ausrede, denn du hast doch gar keine Freundin. Du würdest dich doch niemals nur mit einer zufrieden geben wenn du alle haben kannst und selbst wenn, so gut wie ich ist sie bestimmt nicht.“
 

„Da täuschst du dich aber“, kam es von Stefan der plötzlich im Raum stand. „Es ist keine Ausrede so wie du sagst, sondern es entspricht den Tatsachen.“

Erschrocken zuckte das Mädel zusammen und sah verwirrt zwischen Max und Stefan hin und her.

„Wie? Was?“, stammelte sie und war auf einmal gar nicht mehr so von sich überzeugt wie gerade eben noch.

„Was gibt es daran nicht zu verstehen?“, fragte Stefan ruhig und wusch sich die Hände. „Er hat eine Freundin so wie er es gesagt hat und deswegen sind deine Bemühungen auch vollkommen umsonst. Das Beste ist, du verziehst dich einfach und suchst dir jemand anderen. Bei Max jedenfalls wirst du auf Granit beißen.“

„Ja aber es heißt doch...“, fing das Mädchen an, doch Stefan schüttelte den Kopf.

„Es heißt viel wenn der Tag lang ist und es wird verdammt viel Unsinn geschrieben und verbreitet. An deiner Stelle würde ich keinen Pfifferling auf das geben was einem andere erzählen“, meinte Stefan und trocknete sich die Hände ab. „Er hat eine Freundin, es ist ihm ernst und alles andere hat dich nicht zu interessieren.“

Das Mädel sah von Stefan zu Max, ehe sich ihr Gesicht nun doch etwas rötlich färbte und sie letztendlich aus dem Klo verschwand. Das war jetzt dann doch zu viel gewesen.
 

„Danke“, meinte Max und atmete erleichtert aus.

„Wofür?“, fragte Stefan und sah Max mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Dafür dass du mich gerade gerettet hast vielleicht?“

„Ach das meinst du“, lachte Stefan und lehnte sich mit der Schulter gegen die Türe, so dass jetzt niemand mehr herein konnte.

„Und auch für das was du zum Schluss gesagt hast“, fügte Max noch hinzu.

Stefan sah Max an und zuckte dann leicht mit den Schultern.

„Gut ich habe damals meine Bedenken gehabt und um ehrlich zu sein sind sie immer noch nicht ganz verschwunden“, meinte er grinsend und lachte dann leise auf. „Aber ich hab dich in den letzten Tagen beobachtet und ich habe dich heute Abend beobachtet. Ich hab gesehen wie dich das Weib angegraben hat und ich hab gesehen wie sehr es dir auf den Keks ging. Ich meine früher wärst du doch sofort drauf eingestiegen und jetzt? Ich habe mitbekommen was sich hier abgespielt hat und wenn das nicht Beweis genug war, dann weiß ich auch nicht. Die ganze Sache scheint dir wirklich ernst zu sein, ansonsten würdest du wohl kein Honigkuchenpferdchengrinsen bekommen wenn du Andrea siehst. Aber auch wenn ihr jetzt meinen Segen habt, solltest du es auch nur wagen ihr weh zu tun, dann Gnade dir Gott.“

Max sah kurz zu Boden bevor er wieder zu Stefan sah. Ihm war bei seinen Worten wirklich ein Stein vom Herzen gefallen, denn er hatte sich die ganze Zeit gefragt gehabt wie er es Stefan jemals beweisen sollte dass er es ernst meinte.

„Hört sich vielleicht blöde an, aber es beruhigt ungemein deinen Segen zu haben“, meinte Max und grinste dabei. „Auch wenn ich mich frage, warum es dir so wichtig war. Gibt es da vielleicht etwas das du mir sagen möchtest?“

Mit großen Augen sah Stefan Max an, ehe er das Lachen anfing.

„Du meinst doch damit jetzt nicht etwa andeuten zu wollen dass ich?“, fing Stefan an und schüttelte lachend seinen Kopf. „Sollte es so sein, dann vergiss es gleich wieder.“

„Und was ist, wenn ich es nicht vergessen will sondern eine Antwort haben will?“

„Die Antwort ist Nein“, meinte Stefan und sah Max mit offenem Blick an. „Mehr als freundschaftliche Gefühle waren und werden bei mir nie vorhanden sein. Gut vielleicht ist sie mehr für mich als nur eine gute Freundin, aber nicht mehr als ich für eine Schwester empfinden würde. Ja das trifft es wohl am besten. Es kam wohl einfach nur der Große Bruder in mir durch der seine Schwester vor dem Übel bewahren wollte.“

„Dann sollte der Große Bruder doch glatt Trauzeuge werden“, lachte Max und klopfte Stefan auf die Schulter.

„Du willst doch damit jetzt nicht sagen dass ihr beide euch? Nein das willst du jetzt nicht oder? Du nimmst mich auf den Arm? Ich meine du machst Witze? Du machst doch Witze oder?“, kam es von Stefan, der jetzt wieder einmal nicht wusste ob Max ihn jetzt mal wieder auf den Arm nahm oder ob er es ausnahmsweise mal ernst meinte. So wirklich sicher konnte man sich bei ihm nämlich nie sein.

„Wer weiß?“, lachte Max und schüttelte den Kopf. „Nein ich kann dich beruhigen es war wirklich nur ein Witz.“

Erleichtert atmete Stefan auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Und ich dachte gerade echt“, murmelte er und langte sich an den Kopf.

„Aber man sollte niemals nie sagen“, lachte Max und brachte sich außer Reichweite. „Der Abend ist noch lang und die Nacht erst recht, wer weiß was da noch alles passieren kann.“

„Erst jeder Beziehung aus dem Weg gehen und jetzt Nägel mit Köpfen machen? Du machst mich fertig“, seufzte Stefan und rollte mit den Augen. „Aber wenn, dann will ich es aber als erstes erfahren.“

„Geht klar“, lachte Max und zwinkerte Stefan zu.

Ja er war wirklich erleichtert dass jetzt alles so gekommen war und jetzt waren auch die letzten Zweifel aus dem Weg geräumt. Jetzt konnte es nur noch bergauf gehen und auch wenn noch ein paar Hürden aus dem Weg zu räumen waren, so sah die Zukunft besser aus als sie jemals ausgesehen hatte.

Unverhofft kommt oft

„Sag mal hat einer von euch Andrea gesehen?“, fragte Benedikt und sah zwischen Per und Tim hin und her.

„Nö keine Ahnung wo die steckt“, meinte Tim und zuckte mit den Schultern.

„Frag doch mal Max“, meinte Per lachend und bekam dafür von Tim eins in die Rippen geboxt.

„Drei mal darfst du raten Per wen ich als erstes gefragt hab“, sagte Benedikt kopfschüttelnd und verschwand dann auch schon wieder.

„Warum sucht er sie denn jetzt?“, kam es fragend von Tim der zu Per gesehen hatte.

„Mensch denk doch mal scharf nach“, antwortete Per und gab Tim einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. „Jetzt wieder eingefallen?“

„Ach ja stimmt da war ja was“, meinte Tim und lachte auf.

„Sag mal wie spät ist es denn?“, fragte Per und sah sich nach einer Uhr um.

„Kurz vor 12 glaub ich wieso?“

„Wieso?! Soll ich dir noch einmal eine geben oder fällt es dir auch ohne ein?“

„He das war ein Spaß“, lachte Tim und grinste Per an. „Du glaubst doch nicht wirklich dass ich das vergessen hab?“

„Na bei dir kann man sich nie so wirklich sicher sein“, meinte Per und sah Tim schräg von der Seite an.

„He wenn hier einer verpeilt ist dann ist das Stefan“, lachte Tim und schüttelte den Kopf.

„Was ist mit mir?“, kam es von Stefan der genau in diesem Moment aufgetaucht war.

Tim sah Per an, dieser sah Tim an und beide sahen sie gleichzeitig Stefan an, ehe sie anfingen zu lachen.

„Was ist denn jetzt schon wieder so witzig?“, fragte Stefan der beiden einen Vogel zeigte. So ganz dicht konnten sie doch gerade nicht so wirklich sein oder genau das war das Problem.

„Sag mal hast du Andrea gesehen?“, fragte Per nun nach und sah Stefan abwartend an.

„Das letzte mal als ich sie gesehen hab da war sie nach draußen verschwunden aber das ist auch schon eine ganze Weile her“, meinte Stefan und zog leicht eine Augenbraue nach oben.

„Benedikt sucht sie nämlich und findet sie nicht“, erklärte Tim die ganze Sache.

„Warum fragt er nicht Max wo sie ist?“, meinte Stefan und als die beiden wieder anfingen zu lachen, kam er sich reichlich veräppelt vor.

„Das hat er schon getan und der weiß es auch nicht“, grinste Per und trank einen Schluck.

„Sagt mal hat einer....“

„Nein Max wir wissen nicht wo sie steckt“, kam es nun lachend von den Dreien gleichzeitig.

„Woher wusstet ihr was ich fragen wollte?“

Reichlich verdutzt sah Max seine Bandkollegen an und kratzte sich dann am Hinterkopf. Gab es etwas das sie wussten und er nicht oder was war hier gerade los?

„Wir haben hellseherische Fähigkeiten entwickelt“, kam es grinsend von Per gefolgt von einem „Weil wir Gedanken lesen können“, von Tim.

„Ihr habt doch alle einen an der Waffel!“, meinte Max und schüttelte den Kopf. Das war ja bald nicht mehr zum aushalten und er freute sich so richtig darauf sie wenigstens für eine kurze Zeit alle los zu sein.

„Da seid ihr ja wir suchen euch schon überall“, meinte ich lachend zu den Jungs und zog Jules hinter mir her.

„Sucht eigentlich gerade jeder jeden?“, kam es verwundert von Julius der genau in diesem Moment ebenfalls auftauchte.

„Hä wieso?“, fragte ich nach, denn irgendwie hatte ich gerade das Gefühl ja mal so richtig überhaupt nichts zu verstehen.

„Nun Ingo sucht Benedikt, Benedikt sucht dich und du uns. Wenn das nicht verdächtig ist, dann will ich nicht länger Julius Caspa Hubertus Engel Murke heißen“, meinte Julius und sah in die Runde.

Mit großen Augen sah ich ihn an, aber nicht deswegen weil sich scheinbar wirklich jeder zu suchen schien, sondern wegen dem Namen. Jules die neben mir stand kämpfte mit einem Kichern und drehte sich dezent zur Seite.

„Willst du doch eh nicht“, lachte Per und duckte sich bevor Julius ihm eine verpassen konnte.

„An deiner Stelle wäre ich mal ganz schnell ruhig Jacob“, meinte Julius und verpasste Per einen scharfen Seitenblick.

„Kann mir mal einer verraten....“

„Nein Ingo wir haben alle keine Ahnung wo Benedikt abgeblieben ist“, lachten jetzt alle im Chor und erst recht über das verdutzte Gesicht das Ingo in diesem Moment machte.

„Ihr macht mich fertig“, seufzte Ingo und rollte so gekonnt mit den Augen, dass es zu amüsant war ihn dabei zu beobachten.

„Und bitte Ingo, frag jetzt nicht woher wir wussten was du uns fragen wolltest“, lachte Max und legte seinen Arm um meine Hüften.

„Nein ich frag mich bei euch schon lange nichts mehr“, meinte Ingo nur und schüttelte den Kopf. Das hatte er schon vor langer Zeit aufgegeben.

„Ich habe die perfekte Lösung“, meinte ich lachend und sah in die Runde. „Da jetzt eigentlich nur noch Benedikt fehlt wäre es wohl das einfachste sich nicht mehr vom Fleck zu bewegen. Irgendwann wird er schon wieder zurückkommen.“

„Wer wird wieder zurückkommen?“

„Na habe ich es nicht gesagt?“, meinte ich lachend und sah zu Benedikt über dessen Kopf das berühmte Fragezeichen aufblinkte.

„Passt schon“, grinste Per und versuchte ein ernstes Gesicht zu machen.

„Habe ich irgendetwas verpasst?“, fragte Benedikt und sah langsam von einem zum anderen.

„Die Frage hab ich auch schon gestellt und keine Antwort erhalten“, meinte Stefan ruhig und sah zu Benedikt. „Aber vielleicht hast du ja mehr Glück.“

Benedikt setzte zum reden an, doch winkte dann mit der Hand ab. Nein am besten er ließ das Ganze jetzt einfach auf sich beruhen. Sonst würde das wohl noch eine Ewigkeit hin und her gehen so wie er die Jungs mittlerweile kannte. Wenn sie wollten konnten sie so ein Spielchen nämlich über Stunden hinziehen und zum Schluss wusste keiner mehr um was es überhaupt gegangen war.

„Sind wir jetzt eigentlich endlich vollzählig?“, fragte er und sah von einem zum anderen.

„Zählen wir doch durch“, schlug Per vor und grinste. „1“

„2“, kam es von Julius.

„3“, meinte Max und deutete dann mit dem Finger auf mich. „Und hier ist meine Nummer 1.“

„Die 1 hatten wir doch aber schon“, kam es von Stefan der gerade nur mit halbem Ohr zugehört hatte.

„Stefaaaan“, rief Per theatralisch aus und knallte mit dem Kopf auf die Tischplatte.

„Ja wat denn?“, meinte Stefan und sah Per an.

„Ok dann eben nochmals von vorne“, meinte Per kopfschüttelnd. „1“

„2“, kam es dann wieder von Julius gefolgt von einer „3“ von Max.

„4“, sagte nun Stefan mit einem kleinen Grinsen.

„5 sind wir in der Band“, lachte Tim und steckte seine Hände in die Hosentasche.

„6“, meinte ich und wie aus der Pistole geschossen setzte Max ein „Nur mit mir“ hinten dran was bewirkte, dass die ganze Mannschaft das Lachen anfing.

„Wo waren wir gerade stehen geblieben?“, fragte Ingo und warf einen Blick nach oben.

„So hat das keinen Sinn“, meinte Benedikt und lachte leise auf. „Wie ich sehe habt ihr noch so viel Energie in euch, dass wir locker noch eine Woche dran hängen könnten.“

„Mindestens wenn nicht mehr“, meinte Per und klopfte mit den Fingern auf dem Tisch herum.

„Seid ihr alle bereit?“, fragte Benedikt und sah abwartend drein.

„Ich denke mal schon oder Jungs?“, fragte Max grinsend und alle waren am nicken, außer mir, denn das Fragezeichen war nämlich genau in diesem Moment von Benedikt an mich übergangen.

„Wenn alle bereit sind, dann können wir ja loslegen“, meinte Benedikt grinsend, drehte sich um und ging auf den Backstagebereich zu, gefolgt von Ingo, Tim, Stefan und Julius. Per sah grinsend zu Jules ehe er sie einfach an der Hand packte und hinterher zog. Fragend sah ich zu Max, der scheinbar genau wusste was vor sich ging, jedenfalls las ich das aus seinem Grinsen heraus.

„Was habt ihr vor? Ihr habt doch was vor oder? Also raus mit der Sprache!“, meinte ich zu Max und piekste ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust.

„Ja wir haben tatsächlich etwas vor“, kam es lachend von Max. „Aber was, das wirst du noch früh genug merken.“

Einerseits war ich ja verdammt neugierig drauf was sie bitteschön vorhatten und ganz besonders weil sie mir davon überhaupt nichts gesagt hatte. Aber andererseits war ich auch nervös gerade weil ich es nicht wusste.

„Wenn es etwas schlimmes ist dann...“, meinte ich zu Max, der aber nur lachte und mich in Richtung Backstagebereich bugsierte. Vor der Türe blieb er jedoch stehen und sah mich musternd an.

„Nein so funktioniert das nicht“, meinte er ruhig und überlegte kurz. Dann stellte er sich hinter mich und verdeckte mir mit den Händen die Augen. „Vertrau mir einfach“, meinte er leise und führte mich langsam durch den Gang.

*Was zum Henker haben die bitte vor?*, fragte ich mich, denn mir war die ganze Sache höchst suspekt.
 

Plötzlich blieb Max stehen und ich natürlich mit ihm.

„Seid ihr bereit?“, fragte Max und ich konnte mir vorstellen dass alle breit am Grinsen waren. Jules doch sicherlich auch, denn immerhin war sie vor mir im Raum gewesen und wusste genau was auf mich zukommen würde.

„Ja das sind wir“, meinte Stefan und wenn mich nicht alles täuschte, so hörte ich etwas wie Nervosität aus seiner Stimme.

„Hier ist also deine Überraschung“, kam es von Max der mir die Hände von den Augen nahm und neben mich trat.

Ich musste erst einmal blinzeln damit ich wieder scharf sah und was ich dann sah, ließ mir buchstäblich die Kinnlade nach unten fallen.

Mit großen Augen sah ich zu Max, dann zu der Überraschung und dann zu den anderen.

„Das... Ihr macht Witze oder?“, kam es ungläubig von mir, denn ich konnte mir nicht vorstellen dass das wirklich ihr ernst war. Das konnten sie doch nicht wirklich gemacht haben und wann bitte hatten sie es gemacht? Es hatte doch kaum eine Möglichkeit für so etwas gegeben.

„Gefällt es dir wenigstens?“, fragte Max und sah mich fragend an.

„Ob es mir gefällt? Du fragst mich ernsthaft ob mir das gefällt?“, fragte ich ihn mit großen Augen. „Es ist... Es ist Wahnsinn! Es ist... Fantastisch! Es ist... Scheiße ich weiß nicht was ich sagen soll.“

Ich schlug die Hand vor den Mund und starrte fassungslos auf das riesen Poster welches in dem Zimmer stand und auf dem alle zu sehen waren. Die Jungs... Benedikt... Ingo... Eben all die Leute mit denen ich die letzte Woche verbracht hatte. Ich war so gerührt dass es mir wirklich die Tränen kamen.

„He nicht heulen“, meinte Max und nahm mich in den Arm.

„Ihr seid doch verrückt“, meinte ich leise und konnte es absolut nicht fassen. Konnte nicht glauben was ich da mit eigenen Augen sah.

„Wir haben alle sehr gut zugehört in den letzten 2 Tagen“, meinte Benedikt ruhig, war aber am schmunzelnd. „Besonders Ingo hier hat sehr gut zugehört und wir haben uns zusammengesetzt und uns überlegt wie wir uns bei dir für die tolle Zeit bedanken können und wie wir dir den Abschied vielleicht ein wenig erleichtern könnten. So entstand die Idee dieses Fotos hier. Jeder hat noch etwas persönliches drauf geschrieben und so ist das Gefühl alleine zu sein vielleicht nicht doch so schlimm. Immerhin hast du uns dann alle in der Nähe, wenn auch nur als Bild.“

„Ich weiß gar nicht was ich sagen soll“, meinte ich und sah von einem zum anderen. „Ihr seid so wundervolle Menschen und ich lüge nicht wenn ich sage dass diese eine Woche die schönste in meinem Leben war und ich habe jede einzelne Sekunde davon in vollen Zügen genoßen. Oh man ihr seid mir alle so ans Herz gewachsen.“

Ich löste mich aus der Umarmung und fiel nun jedem einzelnen um den Hals. Ich war ihnen so dankbar. Für die Zeit, für die Überraschung, für ihre Freundschaft und dafür dass sie einfach nur da waren.

„Wenn du nicht sofort aufhörst zu heulen, dann fange ich auch noch an“, meinte Per zu mir und grinste etwas schief.

„Und ich gleich mit“, meinte Stefan und fuhr sich verlegen mit der Hand über den Hinterkopf.

„He wenn ihr anfangt, dann... Wie soll ich dann aufhören?“, meinte ich mit einem Lächeln und wischte mir mit dem Ärmel über die Augen. Ich richtete meinen Blick wieder auf das Poster und in diesem Moment tauchten so viele verschiedene Bilder aus den vergangen Tagen vor meinem geistigen Auge auf, dass ich das Gefühl bekam, alles noch einmal zu erleben.

„Auch wenn es eine Abschiedsfeier ist, muss das noch lange nicht in einer Trauerfeier ausarten, also ran an die Flaschen und jetzt wird so richtig auf den Putz gehauen!“, meinte Benedikt und lachte auf.

„So richtig auf den Putz gehauen?“, fragte Per und sah zu Benedikt.

„Wenn ich sage es wird auf den Putz gehauen, dann meine ich das auch so“, kam es grinsend von Benedikt der mit dem Kopf nickte.

„Leute malt den Tag im Kalender rot an“, rief Stefan lachend. „Benedikt hat die offizielle Erlaubnis zum Totalabsturz gegeben!“

Ich lachte leise auf und ging langsam auf Max zu und legte ihm die Arme um die Hüften. Mit sanften Blick sah ich ihn von unten herauf an.

„Habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt dass ich froh bin dich auf dem Parkplatz schräg von der Seite angequatscht zu haben?“, fragte ich leise und sah ihn dabei einfach nur an.

„Ich kann es nicht oft genug hören“, antwortete Max und legte seine Arme um meine Schultern.

„Aber es gibt etwas, das ich dir noch nicht gesagt habe“, meinte ich leise und atmete tief durch.

„Und das wäre?“, fragte Max und sah mich aufmerksam an.

„Dass ich dich liebe“, sagte ich und sah ihm tief in die Augen. Für einen Moment sah er mich einfach nur an, ehe er mir einen unheimlich sanften Kuss gab.

The Last Night

Die Party hatte im SO36 begonnen und hatte sich dann beinahe durch halb Berlin gezogen. Überall wo nur möglich hatten wir einen Stop eingelegt und etwas getrunken. Es war einfach Spaß pur mit den Jungs um die Häuser zu ziehen und ich hoffte nur, das nächste Mal würde nicht so lange auf sich warten lassen. Irgendwie gab es bestimmt eine Möglichkeiten. Wir waren gerade in einem Club gehen den wir als nächstes unsicher machen wollten als Jules stehen blieb.

„Jules nicht schlapp machen!“, meinte ich lachend und grinste sie an.

„Das hat damit nichts zu tun“, kam es kopfschüttelnd von Jules. „Aber wenn ich jetzt nicht los mache, dann erwische ich den Zug nicht mehr.“

„Ja und?“, fragte Per und sah Jules an.

„Ja genau und? Dann nimmste den nächsten“, meinte Tim und lachte auf.

„Es ist aber der Letzte und wenn ich den nicht erwische, dann stehe ich die halbe Nacht auf dem Bahnhof und darauf verzichte ich dann doch zu gerne“, meinte Jules und machte sich schon dran sich verabschieden zu wollen, doch da hatte sie nicht mit den Jungs gerechnet.

„Dann nehme doch nicht den Letzten sondern den Ersten oder den Zweiten oder von mir aus auch den Fünften“, grinste Tim und legte Jules den Arm um die Schultern.

„Wie meinst du das jetzt bitte?“

„Das ist doch ganz einfach“, meinte Stefan und stellte sich auf die andere Seite von Jules. „Was Tim damit andeuten will ist, dass es für dich weder einen Grund gibt jetzt zu gehen, noch eine Nacht auf dem Bahnhof zu verbringen.“

„Ja und wo bitte soll ich sonst bleiben?“, fragte Jules die jetzt nicht so ganz hinterher kam. Ich musste mir das Lachen verkneifen und lehnte mich gegen Max, der hinter mir stand.

„Also ich hab noch einen Platz im Bett frei“, meinte Tim und grinste Jules von der Seite her an.

„Also wenn dann schläft sie ja wohl bei mir“, meinte Stefan und zwinkerte Jules zu, die zwischen den Beiden stand und nicht mehr wusste was sie jetzt sagen sollte.

„Und wenn 2 sich streiten, dann freut sich der Dritte“, lachte Per, nahm Jules an die Hand und verschwand mit ihr im Club.

Stefan sah zu Tim und Tim zu Stefan.

„Woher kommt mir das nur so bekannt vor?“, kam es von Tim der einen fragenden Blick aufgesetzt hatte. Er wusste dass es so eine Szene schon einmal gegeben hatte, aber er kam einfach nicht drauf.

„Ich weiß ja nicht, aber das Gefühl habe ich gerade auch“, meinte Stefan und zuckte dann mit den Schultern. „Ach beim nächsten Bier fällt uns das bestimmt wieder ein.“

Er drehte sich um und ging in den Club, gefolgt von Tim, so dass nur noch Max und ich draußen standen.

„Also ich weiß sehr gut woher ihnen das bekannt vorkommt“, meinte ich schmunzelnd, denn im Gegensatz zu ihnen konnte ich mich noch sehr gut daran erinnern.

„Ich weiß es auch noch“, lachte Max leise auf und hielt mich an der Hand fest als ich den Anderen in den Club folgen wollte. Verwundert blieb ich stehen und sah Max an.

„Jules ist in guten Händen“, meinte Max ruhig und trat einen Schritt auf mich zu. „Und uns werden sie bestimmt nicht vermissen.“

„Was willst du damit jetzt andeuten?“, fragte ich leise, auch wenn ich mir denken konnte was er mir damit sagen wollte, aber ich wollte es einfach von ihm selbst hören.

„Weißt du die Jungs werde ich vermutlich morgen Abend schon wieder sehen“, meinte er leise und zog mich in seine Arme. „Aber ich will einfach die letzten Stunden alleine mit der Person verbringen die mich beinahe komplett um meinen Verstand bringt und von der ich nicht genug bekommen kann.“

„Kenne ich sie denn?“, fragte ich mit einem sanften Lächeln und legte ihm meine Hände um die Hüften.

„Ich weiß nicht ob du sie kennst“, meinte Max mit einem kleinen Lächeln. „Sie ist ein gutes Stück kleiner als ich, hat eine ziemlich freche Klappe, blau-grüne Augen, ein umwerfendes Lächeln und rennt schon den ganzen Tag in einem viel zu großen Hemd durch die Gegend.“

Ich lachte leise auf und lehnte meine Stirn gegen seine Brust. So blieb ihn einfach einen Moment lang stehen und lauschte dem Klopfen seines Herzens, ehe mich seine Stimme aus den Gedanken zurückholte.

„Meinst du sie hätte Lust darauf die Nacht bei mir zu verbringen?“, fragte er leise und sah mir in die Augen.

„Ich glaube es gibt in diesem Moment nichts was sie lieber tun würde“, antwortete ich ihm genauso leise und strich ihm mit den Fingerspitzen über die Wange. Nein es gab in diesem Moment wirklich nichts anderes was ich mir vorstellen könnte als diese Nacht mit dem Menschen zu verbringen der mir so vieles bedeutete. Mit einem sanften Blick sah mich Max an ehe er mit seinen Lippen die meinigen berührte. Es war nur ein kurzer Kuss und dennoch war so viel Gefühl darin gelegen, dass es mir beinahe den Atem genommen hätte.

Max löste seine Umarmung und nahm meine Hand in seine. Schweigend gingen wir nebeneinander die Straßen entlang. Ich kann nicht in Worte fassen was mir in diesem Moment durch den Kopf ging. Es war so vieles und doch auch wieder nichts. Ein Gedanke und dann doch wieder viele. Hätte mir vor einer Woche noch jemand erzählt dass ich einem Menschen begegnen den ich lieben lernen würde, den hätte ich wohl für verrückt erklärt. Hätte man mir dazu noch gesagt um wen es sich handeln würde, dann hätte ich wohl die Einweisung in eine Klapse beantragt. Nein ich hatte es mir einfach nicht vorstellen könnte dass ausgerechnet mir so etwas passieren könnte und dennoch war es so gekommen. Es war ein so wunderschönes Gefühl und ich fragte mich, wie ich davor nur ohne es auskommen konnte.

„Hier sind wir“, meinte Max, blieb vor einer Haustüre stehen und kramte den Schlüssel aus seiner Hosentasche. Für eine winzigen Moment fragte ich mich, wie viele vor mir diesen Weg schon gegangen waren und was er ihnen alles erzählt hatte. Aber ich schob den Gedanken weit von mir, denn es war jetzt und nicht damals.

Leise betraten wir die Wohnung die still vor uns lag und scheinbar waren alle schon am schlafen. Aber um diese Uhrzeit war es auch nicht wirklich ein Wunder. Max ging leise voran, öffnete seine Zimmertüre und wartete bis ich eingetreten war, ehe er diese schloss und das Licht anmachte.

Neugierig ließ ich meinen Blick durch sein Zimmer wandern und musste hier und da still in mich hinein schmunzeln.

„Das sind also meine heiligen 4 Wände“, kam es leise von Max der hinter mich getreten war und seine Arme um meine Taille gelegt hatte. „Ein wenig chaotisch, aber das bin ich ja auch.“

„Ich würde sagen nicht viel chaotischer als bei mir“, sagte ich schmunzelnd, denn so war es wirklich. Wir waren beides Chaoten was das anging und ich wollte lieber nicht wissen wie es aussehen würde, würden wir mal gemeinsam unter einem Dach leben. Ich legte meine Hände auf seine und strich leicht mit dem Daumen über seinen Handrücken.

Ein sanfter Schauer glitt mit den Rücken herunter als ich seine warmen Lippen auf meinem Hals spürte. Ich schloss meine Augen und ließ seine Berührungen auf mich wirken. Es war viel zu lange her als ich in diesen Genuss hatte kommen dürfen.
 

Max nahm seine Hände von meinem Bauch glitt langsam damit an meinen Seiten nach oben. Leicht wanderten sie über mein Schlüsselbein hin zu den Knöpfen des Hemds. Mit jedem Kuss den er mir auf meinen Hals hauchte, öffnete sich ein Knopf. Er schien keine Eile damit zu haben, sondern er ließ sich Zeit damit. Sanft strich er mit Fingerspitzen über die warme Haut an meinem Bauch. Seine Berührungen hinterließen ein Kribbeln auf meiner Haut als würden tausende von Ameisen darüber wandern. Langsam glitten seine Fingerspitzen an meinem Körper nach oben, fuhren leicht die Kontur meines Bhs entlang, bevor sie unter das Hemd wanderten und dieses Stückchen für Stückchen über meine Schultern streiften, ehe es achtlos zu Boden fiel. Ein kurzes Frösteln überkam mich, doch machte es schnell einem warmen Gefühl Platz. Kaum spürbar strich er mit den Fingerspitzen über meine Schultern, langsam meine Arme hinab. Ich spürte wie sich sämtliche Härchen aufrichteten, wie als würden sie von der Spannung die sich zwischen seinen Händen und meinem Körper befand angezogen. Leicht legten sich eine Hand von ihm auf meine Hüfte und drehte mich langsam zu ihm um. Mit einem sanften Blick sah Max mir in die Augen ehe er mit seinen Lippen die meinigen berührte. Zärtlich und doch voller Leidenschaft war der Kuss den er mir gab. Leicht glitt seine Zungenspitze über meine Lippen, ehe sie sich auf den Weg zu der meinigen machte um mit ihr ein ganz besonders Spiel zu beginnen. Meine Hände die eben noch auf seiner Hüfte gelegen waren wanderten langsam über seinen Rücken hinauf ehe sie sich um seinen Nacken legten.

Ohne den Kuss auch nur für eine Sekunde zu unterbrechen, hob Max mich hoch, ging ein paar Schritte durch sein Zimmer, ehe er mich auf seinem Schreibtisch absetzte. Max ließ den Kuss langsam ausklingen und strich mir mit der Spitze seines Zeigefingers über die Wange. Fuhr an meinem Kinn entlang eher er mit seine Lippen wieder zu einem Kuss mit den meinigen vereinte.

Meine Finger wanderten von seinem Nacken langsam über seine Schultern und ließen nun einen Knopf nach dem anderen von seinem Hemd aufgehen. Es hatte manchmal eben doch seine Vorteile wenn Mann ein Hemd trug. Meine Finger schlichen sich langsam unter das dünne Stück Stoff und strichen sanft über die warme Haut die sich darunter verbarg. Ich spürte die leichte Gänsehaut die sich unter meinen Berührungen auf seiner Haut gebildet hatte. Langsam wanderten meine Hände wieder hinauf zu seinen Schultern und schoben ihm langsam das Hemd über die Schultern, welches nun wie das andere zuvor ebenfalls achtlos zu Boden fiel. Sanft strich ich mit den Fingerspitzen den Schwung seines Schlüsselbeins entlang und seine Arme hinunter.

Erneut ließ Max den Kuss enden nur um mit seinen Lippen wieder meinen Hals zu berühren. Ich spürte wie mein Kopf sich leicht auf die Seite neigte um ihm den Weg zu erleichtern. Sanft und mit einem Hauch von Schüchternheit ließ Max seine Küsse über meinen Hals langsam weiter nach vorne wandern. Seine Lippen berührten kaum meine Haut und doch hatte ich das Gefühl die Stellen wo sie mich berührt hatten würden brennen. Leicht lehnte ich mich nach hinten als seine Lippen ihren Weg zu meinem Brustbein gesucht hatten. Mit den Händen stützte ich mich auf der Tischplatte ab und ich merkte wie sich mein Atem vertieft hatte. Das alles... Es war so anders als die vielen Male zuvor. Anders als all das was ich früher schon erlebt hatte. Es war einfach etwas ganz besonderes. Aber auch noch nie zuvor hatte ich einen Menschen so sehr begehrt wie ich ihn begehrte und trotzdem kam ich nicht eine Sekunde auf die Idee dies alles einfach zu überspringen. Nein gerade das hier machte das ganz besondere aus. Ich spürte seine Hände auf meinem Rücken wie sie langsam nach oben wanderten und kurz darauf das beengende Gefühl um meinen Brustkorb herum nachließ. Sachte legte er seine Hände auf meine Schulterblätter und zog mich zu sich. Wieder sah er mir tief in die Augen während er die Träger meines Bhs zwischen die Finger nach und dann langsam seine Hände über meine Arme nach unten wandern ließ. Ein leichtes Zittern erfasste meinen Körper als das Stückchen Stoff neben mir auf dem Schreibtisch zum liegen kam. Aber er ließ mir keine Zeit mich näher damit zu befassen denn schon spürte ich wieder seine Lippen auf den meinigen. Ich schloss meine Augen und ließ mich einfach von dem Gefühl treiben welches meinen Körper erfasst hatte. Wieder einmal lösten sich seine Lippen nur um sich kurz darauf auf meinen Schultern nieder zu lassen. Erneut suchten sie sich ihren Weg zu meinem Brustbein. Seine Hände glitten leicht über meinen Bauch, meine Seiten hinauf ehe sie wieder auf meinen Schulterblätter zum liegen kamen. Leicht lehnte ich mich gegen seine Hände, die sich langsam in Richtung Tisch bewegten und somit mein Körper sich erneut nach hinten neigte. Mit jedem Zentimeter den er sich neigte, wanderten Max's Küsse auf meinem Körper weiter nach unten. Beinahe zufällig strich seine Zungenspitze über die warme Haut und ich hielt für den Bruchteil einer Sekunde den Atem an als ein nie gekanntes Gefühl meinen Körper erfasste. Vorsichtig legte er mich auf dem Schreibtisch ab und strich mit den Fingerspitzen an meinen Seiten herunter ehe sie vom Bund meiner Hose aufgehalten wurden. Langsam glitten sie daran entlang und blieben am Knopf stehen. Doch sie machten sich nicht etwa daran zu schaffen, sondern wanderten ihren Weg langsam wieder zurück. Langsam wanderten sie an meinen Seiten hinauf, strichen sanft über mein Schulterblatt und zwischen meinen Brüsten wieder nach unten. Langsam und ohne Eile ließen seine Finger einen Knopf nach dem anderen meine Hose aufgehen. Eine angenehme Nervosität erfasste mich als sie das taten und ich ließ sie einfach gewähren. Stück für Stück wanderten seine Finger unter die Jeans ehe diese sich den anderen Kleidungstücken gesellte die sich bereits am Boden befanden. Ich richtete meinen Oberkörper langsam wieder auf und sah ihm in die Augen, ehe ich ihm meine Hand in den Nacken legte und seinen Kopf zu mir zog um ihm einen sanften und zugleich auch leidenschaftlichen Kuss zu geben. Ließ ihn somit spüren was das alles für mich bedeutete und wie wichtig er mir geworden war. Leicht löste ich mich von seinen Lippen und es waren nur wenige Millimeter die sie voneinander trennten. Sachte strich ich mit den Fingern über seine Schultern hinab zu seiner Brust die sich langsam, aber deutlich hob und senkte. Ich ließ sie einen Moment dort verweilen, während sich unsere Lippen weiterhin nur wenige Millimeter voneinander entfernt befanden. Dann ließ ich meine Finger über seinen Körper weiter nach unten wandern, doch als sie sich einmal auf dem Weg befanden, gab es für sie kein zurück mehr. Bald schon hatte meine Hose von seiner Gesellschaft bekommen.

Mit einem tiefen Blick in meine Augen verringerte Max den Abstand, als er seine Lippen wieder auf den meinigen niederließ. Voller Leidenschaft war der Kuss und das Spiel unser beider Zungen hatte nun ein anderes Niveau erreicht. Die Spannung die sich zwischen uns langsam aufgebaut hatte war kaum mehr auszuhalten und dennoch schien keiner den ersten Schritt gehen zu wollen. Wollte es so lange hinauszögern wie es nur möglich war.

Wieder ließ Max den Kuss enden und sah mir in die Augen, mit leicht zitternden Bewegungen ließ er seine Fingerspitze wieder über meine Wange gleiten. Begann langsam damit den Schwung meiner Lippen nachzufahren, als ich damit leicht seinen Finger umschloss. Ich entließ seinen Finger wieder nur ihm gleich danach erneut mit meinen Lippen gefangen zu nehmen. Glitt leicht mit der Zungenspitze über seine Fingerkuppe und sah ihm dabei die ganze Zeit tief in die Augen. Ich wollte sehen was er dachte, was er in genau diesem Moment fühlte, was das in ihm hervorrief. Ich sah wie Max schluckte und dann seine Hände auf meinen Rücken legte. Ich schlang meine Beine um seine Hüften und verschränkte meine Arme in seinem Nacken. Kurz darauf hatte er mich auch schon auf seine Hüften gehoben. Ich biss mir leicht auf die Lippen, als ich ihn spürte und mein Atem ging schneller. Seine Lippen suchten die meinigen und vereinte sie zu einem leidenschaftlichen und fordernden Kuss den ich nur zu gerne erwiderte. Plötzlich spürte ich die kühle Wand in meinem Rücken und meine Hände lösten sich aus seinem Nacken und fuhren ihm durch die Haare. Seine Bewegungen wurden intensiver und ich spürte sein Herz an meinem Körper wie es wild in seiner Brust klopfte. Ich ließ mich einfach fallen und überließ meinen Gefühlen die Kontrolle über meinen Körper. Meine Hände glitten fahrig über seinen Rücken und wären meine Lippen nicht in einem Kuss mit den seinigen vereint, so hätte ich mir wohl erneut auf die Lippen beißen müssen, als eine wohlige Wärme meinen Körper erfasste. Max schien es gemerkt zu haben, denn er ließ seine Bewegungen schneller werden. Immer und immer weiter trieben uns seine Bewegungen dem Höhepunkt entgegen. Meine Finger krallten sich in seine Schultern, als sich alles in mir zusammen zog und wir gemeinsam zum Höhepunkt kamen. Völlig außer Atem lehnte ich meinen Kopf gegen die Wand in meinem Rücken, während Max seinen Stirn gegen meine Brust gelehnt hatte. Unser beider Atem ging schnell, während der Puls das Blut durch unsere Adern jagte. Max nahm seinen Kopf von meiner Brust und sah mich einfach nur an. Schien zu genießen in welchem Zustand sich mein Körper gerade befand. Sanft schloss er mich in seine Arme und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Vorsichtig hob er mich von seinen Hüften, ehe er mir einen Arm um den Rücken legte und den anderen hinter meinen Kniekehlen entlang führte und mich auf seine Arme hob. Ruhig trug er mich zu seinem Bett hinüber wo er mich sanft ablegte und sich dann neben mich legte. Ich schmiegte meinen erhitzten Körper an seinen und bettete meinen Kopf auf seiner Brust. Sanft streichelten seine Finger über meinen Rücken. Es war ein wunderschönes Gefühl einfach so neben ihm liegen zu können. Seinen Körper an dem meinigen spüren zu können und seinen Atem der warm über meine Haut strich. Leicht streichelte ich ihm mit dem Zeigefinger über seinen Bauch. Für einen kurzen Moment musste ich an die Anderen denken und was sie jetzt wohl machten und ob sie uns auch wirklich nicht vermisst hatten. Aber andererseits konnten sie sich wohl denken wo wir waren und wohl noch eher was wir machen würden. Bei diesem Gedanken musste ich anfangen zu lächeln.

„An was denkst du gerade?“, fragte Max leise der mein Lächeln bemerkt hatte.

Ich hob meinen Kopf ein Stückchen und legte dann mein Kinn auf seine Brust so dass ich ihn ansehen konnte.

„Ich musste gerade an die anderen denken und was sie wohl denken was wir gerade tun“, meinte ich ehrlich zu ihm und legte meine Hand auf seine Brust.

„Gerade tun wir nichts“, lächelte Max und ein kleines Funkeln lag in seinen Augen.

„Max?“, fragte ich leise denn ich kannte das Funkeln in seinen Augen ja nur zu gut. Er hatte doch irgendetwas vor. Anders konnte es doch gar nicht sein.

Doch anstatt mir eine Antwort zu geben richtete Max seinen Oberkörper auf und sah mich von oben herab an. Mit dem Finger strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht, ehe er mir einen zärtlichen Kuss gab. Leicht löste er seine Lippen und zog seinen Arm unter meinen Kopf hervor und richtete seinen Oberkörper weiter auf. Ich schluckte leicht als ich seinen Blick sah und fuhr mir mit der Zungenspitze ein wenig nervös über die Lippen. Leicht hauchte mir Max einen Kuss auf die Lippen und bewegte dann seinen Körper neben mir weiter nach unten. Ich legte meinen Kopf auf das Kissen und ließ einfach alles auf mich zukommen. Ich spürte seine Lippen zwischen meinen Brüsten und seine Hand die sich leicht auf mein Becken gelegt hatte. Langsam glitt er mit der Zungenspitze zwischen meinen Brüsten entlang weiter nach unten. Immer mal wieder verweilte er an einer Stelle um diese mit seinen Lippen zu liebkosen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl und ich spürte wie die Lust wieder ihre Finger nach meinem Körper ausstreckte. Während seine Lippen meinen Bauch liebkosten strichen seine Fingerspitzen langsam über meinen Oberschenkel. Erst glitten sie über die Außenseite nach unten und dann ganz langsam an den Innenseiten wieder nach oben. Mir wurde ganz anders bei seinen Liebkosungen und ich biss mir auf die Lippe. Das war doch absolut verrückt. Seine Lippen lösten sich von meinem Bauch und ich wollte schon schauen, als ich sie an einer ganz anderen Stelle zu spüren bekam. Meine Finger krallten sich leicht in die Bettdecke, als eine Welle der Lust durch meinen Körper rollte. Ich schloss meine Augen und spürte wie mein Atem der sich gerade erst wieder beruhigt hatte, erneut zu vertiefen begann. Meine Finger versuchten seinen Körper zu berühren doch er hatte sich vollständig aus meiner Reichweite begeben. Wieder gruben sich meine Finger in die Bettdecke, als ein leichtes Zittern meinen Körper erfasste. Immer weiter trieben mich seine Liebkosungen bis ich das Gefühl bekam demnächst meinen Verstand zu verlieren. Mein Atem ging mittlerweile nur noch stockend und glich mehr einem Keuchen als einer geregelten Atmung. Immer wieder musste ich mir auf die Lippen beißen und das was er tat ließ mich jegliche Kontrolle verlieren. Ruckartig richtete ich meinen Oberkörper auf, legte Max meine Hände auf die Schultern und drückte ihn mit sanfter Bestimmtheit auf den Rücken. Langsam ließ ich mich auf seinem Becken nieder und nun war er es der sich auf die Lippen beißen musste. Leicht begann ich mein Becken auf ihm zu bewegen und aus den Augenwinkel heraus sah ich, wie seine Hand in die Bettdecke griff. Langsam ließ ich meine Bewegungen intensiver werden, aber noch immer waren sie langsam und ich hatte nicht vor so schnell etwas daran zu ändern. Max richtete seinen Oberkörper auf und gab mir einen fordernden Kuss. Sein Blick den er mir schenkte hatte ein wenig etwas flehendes bekommen. Ich ließ den Kuss enden und lehnte meinen Oberkörper nun ein Stückchen weiter nach hinten und stützte mich mit den Händen auf dem Bett ab. Langsam aber sicher ließ ich meine Bewegungen schneller werden, doch immer wenn ich merkte er konnte bald nicht mehr, wurde ich wieder langsamer. Seine Hände krallten sich immer wieder in die Bettdecke dass seine Knöchel weiß durch die Haut hindurch schimmerten. Sein Atem war in ein Keuchen übergangen und sein Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig. Kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn und glitzerten im Licht der Lampe. Wieder ließ ich meine Bewegungen schneller werden und ließ mich dann einfach nur noch von den Gefühlen treiben. Ich hatte ihn und mich schon zu weit getrieben, als dass es noch heraus zu zögern gewesen wäre. Mit einem lauten Keuchen erreichten wir unseren Höhepunkt und für einen Moment lang verweilte ich einfach in meiner Position. Max richtete seinen Oberkörper auf und schlang seine Arme um meinen zitternden Körper. Mit kleinen Küssen bedeckte er mein Gesicht ehe er mich an sich drückte.

„Ich liebe dich so sehr dass es weh tut“, flüsterte er mir leise ins Ohr und hielt mich einfach nur in seinen Armen. Es war das erste Mal dass er das Wort 'Liebe' erwähnt hatte und auch das erste Mal, dass er es in diesem Zusammenhang erwähnte, dass er es so direkt aussprach. Ich lehnte meine Stirn gegen seinen Kopf und versuchte langsam wieder zu Atem zu kommen.

Es war nicht das letzte Mal in dieser Nacht dass wir uns liebten und erst als der erste Sonnenstrahl sich in sein Zimmer verirrte verlosch das Licht der Lampe.

Das Ende vom Anfang

„Jessica wirfst du mal deinen Bruder aus dem Bett?“, meinte Maxs Mutter zu seiner Schwester.

„Geht klar“, meinte Jessica lachend, stand vom Stuhl auf und machte sich auf den Weg zum Zimmer ihres Bruders.

„Max?!“, rief Jessica und riss die Türe auf. „Du sollst....“ Doch den Rest des Satzes verschluckte sie, verließ das Zimmer wieder und schloss die Türe hinter sich. Mit ruhigen Schritten ging sie zurück in die Küche und setzte sich wieder auf den Stuhl.

„Ist er wach?“, fragte ihre Mutter sie und sah vom Topf auf.

„Ähm nein“, meinte Jessica und schüttelte den Kopf.

„Ich hab doch gesagt du sollst ihn wecken. Zieh ihm halt die Decke weg damit er aufsteht“, meinte ihre Mutter wieder und wischte ihre Hände an einem Küchentuch ab.

„Oh nein das werde ich nicht tun“, meinte Jessica und schüttelte heftig ihren Kopf.

„Dann wecke ich ihn eben“, meinte ihre Mutter und machte sich dran die Küche zu verlassen.

Jessica sprang von ihrem Platz auf und stellte sich ihrer Mutter in den Weg.

„Das würde ich lieber nicht tun“, meinte Jessica grinsend und sah aus der Küche und den Gang lang. „Außer du klopfst vorher an und wartest bis er reagiert, ansonsten könnte es peinlich werden.“

„Jessica? Gibt es irgendetwas das du mir sagen willst damit?“, fragte ihre Mutter nach und musterte ihre Tochter aufmerksam.

„Nun außer dass wir vielleicht ein Gedeck mehr auf den Tisch legen sollten nicht wirklich“, lachte Jessica und trat beiseite.

„Wie ein Gedeck mehr?“, fragte ihre Mutter nach und sah ihre Tochter ein wenig zweifelnd an. „Bekommst du etwa Besuch?“

„Ich nicht“, meinte Jessica und lachte auf. „Aber Max hat welchen.“

„Wie Max hat welchen? Wie kommst du drauf dass Max Besuch hat?“

„Weil ich 4 Füße unter der Bettdecke liegen hab sehen und ich mir nicht vorstellen kann dass Max einer seine Bandkollegen beim schlafen im Arm hält“, kam es von Jessica die bei dem Gedanken anfangen musste zu lachen. „Außer er hat während der Tour seinen Geschmack verändert.“

Ihre Mutter schüttelte leicht den Kopf und musste aber selbst leise lachen.

„Ok dann deckst du den Tisch für eine Person mehr und ich versuche deinen Bruder wach zu bekommen“, meinte sie und verließ nun die Küche und machte sich auf den Weg zu Max's Zimmer. Ruhig klopfte sie an die Türe und lauschte ob man von drinnen etwas hören konnte, aber es war totenstill im Zimmer. Also klopfte sie noch einmal und als sich dann immer noch nichts tat, öffnete sie die Türe einen Spalt.

„Max? Das Essen ist demnächst fertig, würdest du dann also bitte aufstehen?“, rief sie in das Zimmer und blieb stehen.

„Hmm...“, hörte sie jemanden murmeln, war sich aber nicht wirklich sicher wer da jetzt gemurmelt hatte. Ob es jetzt ihr Sohn oder sein Besuch gewesen war.

„In ca 20 Minuten steht das Essen auf dem Tisch, nur damit du Bescheid weißt“, rief sie in das Zimmer und schloss die Türe wieder. Sie kehrte zurück in die Küche wo Jessica ein weiteres Gedeck aufgelegt hat.

„Und steht er auf?“, fragte sie grinsend und ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken. „Oder besser gesagt stehen sie auf?“

Es war nicht das erste Mal dass Max ein Mädchen mit nach Hause brachte, aber es war ein wenig seltsam, dass sie noch immer da war.
 

Ich war schon wach geworden als seine Schwester gerufen hatte und hatte natürlich auch mitbekommen was seine Mutter gesagt hatte. Ich wusste jetzt nicht so recht ob sie wussten dass er nicht alleine war oder ob sie davon gar nichts ahnten.

„Max?“, sagte ich leise und stupste Max gegen den Arm.

„Ich will aber nicht“, murmelte Max und zog mich fester in seine Arme. Er wusste genau dass wenn ich aufstand der Abschied begonnen hatte und den versuchte er natürlich so lang wie es nur möglich war hinaus zu zögern.

„Aber du kannst doch nicht den ganzen Tag hier liegen bleiben?“, meinte ich zu ihm und sah ihn fragend an.

„Oh doch und ich beweise es dir auch“, kam es schmunzelnd von Max, der wirklich keine Anstalten machten aufzustehen. Ganz im Gegenteil. Er zog die Decke wieder nach oben und legte seinen Kopf auf meine Schulter.

Sanft lächelnd sah ich ihn an und strich ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er sah so friedlich aus wie er so da lag.

„Ich glaube aber nicht dass deine Mutter und deine Schwester von deinen Plänen besonders überzeugt sind“, meinte ich leise zu ihm und ließ meine Hand auf seiner Wange liegen.

„Reicht das nicht wenn ich es bin?“, fragte Max schmunzelnd und sah mich an, wobei er gerade mal ein Auge aufgemacht hatte.

„Du vielleicht schon“, meinte ich zu ihm und lachte dann leise auf. „Dein Magen ist aber anderer Meinung.“

Denn genau in diesem Moment konnte man seinen Magen knurren hören. Max drehte sich seufzend auf den Rücken.

„Immer diese Verräter“, seufzte er auf und streckte sich ein wenig. „Na gut ihr habt mich überredet.“

Ruckartig setzte er sich auf und mit einem weiteren Schwung hatte er die Decke auch schon aus dem Bett befördert.

„Heee!“, beschwerte ich mich lachend, denn es wurde auf einmal verdammt kalt so ganz ohne Decke.

„Du wolltest ja nicht liegen bleiben, also beschwere dich nicht“, meinte Max, der gar nicht so schnell reagieren konnte, wie ich ihm das Kissen an den Kopf geworfen hatte.

„Aufstehen ja, aber doch nicht so“, murrte ich und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. Erst wollte er nicht aufstehen und jetzt konnte es ihm auf einmal nicht schnell genug gehen.

„Wenn du wüsstest wie gut meine Mutter kochen kann, dann würdest du da jetzt nicht mehr so ruhig sitzen“, meinte Max und stand doch tatsächlich vor mir auf. Es geschahen scheinbar noch immer Wunder und das war das erste an diesem Tag. Die ganze letzte Woche war ich immer diejenige gewesen die als erstes aufgestanden war und nun war er doch tatsächlich vor mir aus dem Bett. Aber vermutlich war Mutters Küche doch noch das beste Mittel um jemanden aus dem Bett zu bekommen und wenn ich ehrlich war, war es mir ja früher auch nicht anders gegangen als ich noch daheim gewohnt hatte.

„Ok du hast gewonnen“, meinte ich und bewegte mich in Richtung Bettkante zu. Grübelnd sah ich über den Boden und schaute wo meine Kleidungstücke überall verteilt am herum lagen. „Sag mal Max, hast du mir vielleicht irgendein T-Shirt oder so was in der Art?“

„Ich hab dir alles was dein Herz begehrt“, lachte Max leise auf und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dann ging er zu seinem Schrank, blieb grübelnd davor stehen, bevor er hinein griff und ein T-Shirt hervor zog. „Vielleicht etwas zu groß, aber das scheint dich ja nicht zu stören“, meinte er schmunzelnd und warf es mir zu.

„War das etwa eine Anspielung auf das Hemd von gestern?“, fragte ich lachend und zog mir das Shirt über den Kopf.

„Wer weiß?“, kam es mit einem breiten Grinsen von Max der sich ebenfalls frische Sachen aus dem Schrank holte und sich anzog. Kopfschüttelnd stand ich nun auch aus dem Bett und zog mir meine restlichen Sachen an. Ich war ein wenig nervös, weil ich hatte keine Ahnung wie seine Familie jetzt reagieren würde, wenn Max mit mir auftauchen würde und ehrlich gesagt hätte ich mir ein anderes Aufeinandertreffen gewünscht. Nicht so plötzlich und nicht gerade vom Bett direkt an den Tisch, aber zu ändern war es jetzt auch nicht mehr.

„Fertig?“, fragte Max und sah mich an.

„So fertig wie man eben sein kann“, antwortete ich und schloss den Knopf meiner Jeanshose.

„Dann würde ich mal sagen dass es Zeit ist dir meine Mutter und meine Schwester vorzustellen“, sprach Max und legte seinen Arm um meine Schulter. „Und du brauchst keine Angst zu haben, die sind beide vollkommen harmlos.“

Er konnte sich wohl denken was gerade in meinem Kopf vor sich gehen musste, ansonsten hätte er wohl nicht das ausgesprochen an was ich gerade gedacht hatte. Ich nickte nur mit dem Kopf und folgte Max dann durch den Gang bis er vor der Küche stehen blieb.

„Guten Morgen“, meinte Max grinsend, da er genau wusste dass der Morgen schon längst vorbei war.

„Auch schon aus dem Bett gefallen?“, fragte seine Schwester grinsend und ich merkte, dass ihr Blick nicht nur auf ihrem Bruder hängen blieb. Aber würde ich anders reagieren? Vermutlich würde ich es ganz genauso machen, wenn ich einen Bruder hätte der plötzlich mit einem Mädel im Arm in der Küche stehen würde.

„Max ich dachte schon du stehst gar nicht mehr auf“, sprach seine Mutter und sah dann kurz zu seiner Schwester. Scheinbar hatten sie doch gewusst dass er nicht alleine im Bett lag, zumindest nicht wenn ich 4 Teller anstelle von 3 auf dem Tisch zählte. Aber dennoch schienen sie von etwas ein klein wenig verwundert zu sein.

„Ich hatte ja einen guten Grund liegen zu bleiben“, lachte Max und gab mir einen Kuss. „Aber darf ich kurz vorstellen? Das ist Andrea und Andrea das ist meine Mutter und das ist meine Schwester Jessica.“

Als Max mir den Kuss gegeben hatte, war mir nicht entgangen dass sich bei seiner Schwester kurz die Augen geweitet hatten. Nein scheinbar hatten sie mit vielem gerechnet, aber damit dann wohl doch auch wieder nicht. Aber gerade das, ließ mich nur noch nervöser werden, als ich es so oder so schon war.

„Freut mich dich kennen zu lernen“, sagte seine Mutter freundlich und hielt mir die Hand hin.

„Danke und ich hoffe ich mach ihnen keine Umstände“, meinte ich zu ihr und sah ein wenig schüchtern auf den Boden. Ich weiß nicht, aber als sein Vater dagestanden war hatte ich mich nicht so seltsam gefühlt, aber bei seiner Mutter war es etwas vollkommen anderes. Vielleicht lag es auch daran dass ich sie nicht irgendwann und irgendwo kennenlernte, sondern in der Küche nach einer aufregenden Nacht. Ich merkte wie mir die Röte schon alleine beim Gedanken daran ins Gesicht stieg und mein Kopf sank noch ein Stückchen weiter. *Die denken es sich doch bestimmt eh schon*, schoss es mir durch den Kopf, immerhin war es ja Max neben dem ich stand.

„Nein keineswegs“, lachte seine Mutter leise auf und schüttelte den Kopf. „Am besten ihr zwei setzt euch hin, denn das Essen ist fertig.“

„Kann ich ihnen vielleicht bei etwas behilflich sein?“, fragte ich ruhig, während sich Max auf einen Stuhl setzte.

Ein wenig überrascht sah seine Mutter mich an und ich wusste jetzt nicht ob ich etwas falsches gesagt hatte oder nicht.

„Nein das brauchst du nicht“, sprach seine Mutter und ihr Blick war noch immer leicht verwundert. Entweder sie war überrascht dass ich mich noch in der Wohnung befand oder sie war überrascht, dass ich gefragt hatte ob ich helfen könne. Aber so war ich nun einfach mal. Wenn ich irgendwo war, da fragte ich immer ob ich helfen konnte. Ich fühlte mich einfach komisch wenn ich bei jemanden zu Besuch war und mich bedienen ließ. Aber ich hatte jetzt ja zumindest gefragt. Also setzte ich mich auf den Stuhl und sah Max von der Seite her an. Dieser war am grinsen und ich fragte mich, woher er bitte die gute Laune hatte. Nun vielleicht würde ich ja später noch dahinter kommen oder er klärte mich darüber auf warum seine Mutter so überrascht war und warum seine Schwester so schweigsam am Tisch saß.

„Und was hast du heute noch vor?“, fragte seine Mutter ihren Sohn und setzte sich ebenfalls an den Tisch.

„Nun ich werde wohl mal kurz bei den anderen durchklingeln und fragen ob sie gut heimgekommen sind“, meinte Max und sah seine Mutter an. „Dann werde ich mir einen gemütlichen Nachmittag mit Andrea machen und dann um 8 Uhr oder so kommt Carl um sie abzuholen und heimzufahren und ich werde wohl nochmals in den Proberaum müssen.“

„Dein Vater kommt vorbei?“, fragte seine Mutter nach, so als hätte sie ihn gerade nicht so ganz verstanden.

„Ja ich hab ihn gestern angerufen und ihn gefragt und er hat gesagt er kommt vorbei“, meinte Max ruhig und zuckte leicht mit den Schultern. So ein großes Wunder war es doch auch wieder nicht. Immerhin befand er sich zur Zeit in der Stadt und da konnte er ja wohl mal kurz vorbei schauen.

Seine Mutter schien sich mit der Antwort zufrieden zu geben und schweigend ging das Essen weiter und letztlich auch zu Ende. Max hatte nicht übertrieben als er meinte dass seine Mutter gut kochte, denn es schmeckte wahrlich lecker. Nach dem Essen stand Max auf, nahm mich an der Hand und verschwand mit mir wieder in seinem Zimmer.
 

„Hast du gerade das gleiche erlebt wie ich?“, fragte Jessica ihre Mutter und deutete mit der Hand in die Richtung in der ihr Bruder gerade verschwunden war.

„Ich glaube schon“, meinte ihre Mutter und sah verwundert auf den Platz auf dem Max gerade gesessen war.

„Kannst du mir dann erklären was mit ihm passiert ist?“, fragte Jessica ihre Mutter wieder, denn sie konnte das alles nicht so wirklich verstehen. Gut es war nicht das erste Mal dass ein fremdes Mädchen in der Wohnung war, aber entweder war sie gegangen bevor jemand etwas mitbekommen konnte oder er hatte sie direkt zur Türe gebracht, aber vorgestellt hatte er noch keine so wirklich und schon gar nicht hatte er den Mädels einen Kuss gegeben so dass es jeder mitbekommen konnte.

„Eigentlich hatte ich gedacht du erklärst es mir“, meinte ihre Mutter und sah ihre Tochter an, ehe beide das Lachen anfingen.

„Ich glaube der hat uns heute Abend so einiges zu erzählen.“

„Das glaube ich allerdings auch!“, kam es von Jessica die am liebsten jetzt schon wissen wollte was mit ihrem Bruder vorgegangen war. Es musste doch eine logische Erklärung für sein Verhalten geben.

„Ich hätte da ja eine Vermutung, aber so richtig vorstellen kann ich es mir noch nicht“, meinte Jessica und sah für einen Moment nachdenklich drein.

„Die hatte ich auch schon, aber dann ging es mir wie dir“, meinte ihre Mutter und schmunzelte vor sich hin. „Aber ich würde mich freuen wenn es tatsächlich so wäre. Dann würde endlich mal Ruhe hier einkehren.“

Jessica sah ihre Mutter an und nickte leicht mit dem Kopf. Wünschen würde sie es ihrem Bruder zumindest, auch wenn sein Verhalten sie in diesem Moment ein wenig aus dem Konzept brachte. Aber daran würde man sich bestimmt auch noch gewöhnen.
 

„Frag Stefan mal wo Jules abgeblieben ist“, meinte ich zu Max, der gerade mit Stefan am telefonieren war. Stefan war der einzige gewesen der bisher ans Telefon gegangen war. Bei allen anderen war die Leitung absolut tot geblieben. Entweder waren sie nicht daheim oder hatten alle Telefone ausgeschaltet oder gleich den Stecker aus der Dose gezogen.

„Die ist wo?“, hörte ich Max sagen, bevor das Lachen anfing. Mit leicht fragenden Blick sah ich ihn an und wartete darauf dass er mir erzählte was er gerade gehört hat.

„Du machst Witze oder?“, hörte ich Max wieder sagen und so langsam wurde ich neugierig.

„Das hätte ich zu gerne gesehen“, lachte Max uns schüttelte seinen Kopf.

*Muss ja sehr witzig sein*, ging es mir durch den Kopf und ja ich geb's ja schon zu, ich war verdammt neugierig und es fuchste mich, dass ich nicht wusste über was es die Beiden hatten.

„Kein Wunder geht der nicht ans Telefon.“

„Nein Stefan ich will damit überhaupt nichts andeuten.“

Wieder war Max am Lachen und das Grinsen auf seinem Gesicht wurde von Mal zu Mal breiter. Da war doch irgendwas im Busch. Es konnte doch gar nicht anders sein!

„Ok dann sehen wir uns später“, meinte Max zu Stefan, legte auf und sah zu mir. Er versuchte ernst zu blicken, aber das misslang ihm absolut. Tief atmete er ein und versuchte etwas zu sagen, was aber alles in einem Lachen wieder unterging.

„Ähm Max? Alles ok?“, fragte ich bei ihm nach und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Was bitte hatte er am Telefon von Stefan erfahren, dass es ihn so zum Lachen brachte?

„Bin mir nicht so sicher“, lachte Max und ließ sich nach hinten auf das Bett fallen. Er schlug die Hände über seinem Kopf zusammen und war einfach nur am Lachen.

„Also wenn du dich beruhigt hast, würdest du mir dann sagen wo Jules ist?“, fragte ich ihn und schüttelte den Kopf. Das durfte doch echt nicht wahr sein.

„Das ist es ja“, lachte Max, drehte sich leicht und legte seinen Kopf bei mir in den Schoß.

„Weißt du eigentlich dass ich gerade absolut gar nichts kapiere?“, fragte ich ruhig und strich ihm mit den Fingern ein paar Haare aus dem Gesicht.

„Dann geht es dir wie mir“, grinste Max und sah mich von unten herauf an.

„Nun ja, aber du scheinst mehr zu wissen als ich“, meinte ich ruhig und legte meinen Arm über seinen Oberkörper. „Immerhin hast du gerade mit Stefan telefoniert und musst von ihm etwas erfahren haben, das dich zum Lachen gebracht hat und wenn ich mich nicht sehr täusche muss es irgendetwas mit Jules zu tun haben.“

„Gut kombiniert Watson“, grinste Max. „Ich weiß wo Jules ist, auch wenn ich mir das noch nicht so ganz vorstellen kann.“

Wieder fing Max an zum lachen und vergrub sein Gesicht an meinem Bauch. Ich sah ihn an ehe ich ihm einen Vogel zeigte. Also im Moment zweifelte ich stark an seinem Verstand.

„Und wo ist sie bitte?“

„Bei Per“, meinte Max und grinste über das ganze Gesicht.

„Du machst Witze oder?“

„Das gleiche hab ich Stefan auch gefragt, aber scheinbar ist das keiner.“

„Die soll wirklich bei Per sein?“

„Genau!“

„Ja aber was bitte macht sie bei Per? Ich meine...“, fragte ich und und fuhr mir verwundert durch die Haare. Irgendwie konnte ich mir da jetzt absolut keinen Reim machen.

„Ich nehme mal an nichts anderes als wir auch“, lachte Max und piekste mir mit dem Finger zwischen die Rippen, so dass ich zusammenzuckte.

„Das glaube ich allerdings nicht.“

„Also Stefans Erzählungen zufolge muss es ja gestern noch so richtig heiß hergegangen sein. Besonders zwischen den Beiden“, erzählte Max und richtete sich wieder auf. „Details hat er mir allerdings keine verraten.“

Ich sah Max an und wusste ehrlich gesagt gerade nicht ob er mir die Wahrheit sagte oder ob er versuchte mich auf den Arm zu nehmen. So wie er im Moment drauf war, traute ich ihm ehrlich gesagt alles zu. Aber andererseits hatte sich das Telefonat wirklich so angehört als würde es stimmen was er mir erzählte, zumindest was ich von dem Telefonat mitbekommen hatte. Besonders viel war es ja nicht unbedingt gewesen.

„Die soll mir nur in die Finger geraten“, meinte ich leise und musste aber selbst das grinsen anfangen. Na da würde es wohl heute Abend noch jede Menge zu erzählen geben und wehe sie versuchte mir auszuweichen, das konnte sie gleich vergessen. Ich wollte alles, so wirklich alles von ihr wissen und irgendwie würde ich es schon aus ihr herausquetschen.
 

Ich hatte meinen Kopf auf seine Schulter gelegt und die Augen geschlossen. Ich wollte nicht sehen wie der Zeiger der Uhr sich immer weiter und weiter bewegte und der Zeitpunkt des Abschieds immer näher rückte. Aber mir war klar, dass es vergebene Mühe war. Egal wie oft ich es auch noch versuchte es zu verdrängen, ich würde es nicht aufhalten können. Ein Klingeln hallte durch die Wohnung und kurz darauf klopfte es an die Türe.

„Max? Carl ist da“, hörte ich seine Mutter draußen vor der Türe sagen und öffnete langsam meine Augen.

Max legte seine Arme fester um meine Schultern und zog mich näher zu sich heran.

„Ich möchte nicht dass du gehst“, flüsterte er leise und seine Stimme zitterte leicht. „Bleibe einfach hier... Hier bei mir.“

Ich schluckte und strich ihm mit den Fingerspitzen über den Hals.

„Ich glaube du kannst dir gar nicht vorstellen wie gerne ich das tun würde“, kam es leise von mir. „Aber du weißt, dass ich es nicht tun kann.“

Leise seufzte Max auf und strich mir mit der Hand über die Wange.

„Ich möchte aber nicht erleben wie es ist dich nicht an meiner Seite zu wissen“, sprach er leise weiter und ich merkte, wie schwer ihm das alles fiel.

Ich nahm meinen Kopf von seiner Schulter und sah ihm tief in die Augen.

„Ich werde immer an deiner Seite sein“, sagte ich leise und hauchte ihm einen sanften Kuss auf seine Lippen. „Wenn du das Gefühl hast es nicht mehr auszuhalten, dann werde ich mich in deine Gedanken schleichen und dir ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Wenn du das Gefühl bekommst mit deinem Leben nicht mehr klar zu kommen, dann werde ich das Licht sein das dir deinen Weg leuchtet und wenn du schläfst werde ich über deinen Schlaf wachen... Ich werde immer bei dir sein, auch wenn du mich nicht siehst.“

Sanft strich mir Max mit dem Zeigefinger die Konturen meines Gesichtes nach ehe er seine Lippen auf den meinigen niederließ und mir einen liebevollen und zärtlichen Kuss gab.

Wieder klopfte es an die Türe und langsam ließ Max den Kuss ausklingen.

„Es gibt wohl immer jemand der stört“, meinte er mit einem schwachen Lächeln und löste seine Umarmung um es mir zu ermöglichen auf zu stehen.

„Irgendwann wir der Tag kommen an dem uns niemand mehr stören kann“, sagte ich zu ihm und hielt ihm die Hand hin. Nein irgendwann würde es nichts mehr geben was uns stören könnte. Ich wusste nicht woher ich diese Sicherheit nahm, aber sie war einfach da. Sie war so klar, dass es einfach gar nicht anders sein konnte.

Max nahm meine Hand und erhob sich vom Bett und nickte leicht mit dem Kopf.

„Dieser Tag wird kommen das weiß ich“, meinte er leise und legte mir seinen Arm um die Hüften ehe er mit mir an seiner Seite sein Zimmer verließ. Schweigsam gingen wir den Gang entlang und die Treppe nach unten wo sein Vater bereits wartete.

Ich sah Max an und es tat so weh ihn zurück zu lassen. Es war so, als würde ein Teil von mir bei ihm bleiben, während ein anderer ihn verließ. Ich sah ihm wie schon so oft in seine Augen, doch noch nie hatte ich darin das lesen können was ich ihn diesem Moment in ihnen lesen konnte. Diesen Schmerz der mir die Brust zuschnürte und mir den Atem nahm. Ich schluckte und spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich wollte es nicht, ich wollte es ihm – uns – nicht noch schwerer machen, aber ich konnte sie einfach nicht zurückhalten. Mit dem Daumen wischte mir Max sanft über die Wange.

„I think you re-wrote my lovesong“, sprach Max leise und zog mich in seine Arme. Ich spürte wie sein Herz klopfte und schweigend legte ich meine Arme um seinen Körper. Ich wusste dass es wohl für längere Zeit das letzte Mal gewesen sein würde, wo ich ihm so nahe sein konnte wie ich es jetzt war. Langsam löste Max seine Umarmung und man merkte wie ungern er es tat, aber er wusste dass es im Moment einfach keine andere Lösung gab. Schweigend öffnete er die Beifahrertüre, ließ mich einsteigen und schloss sie wieder. Er trat ein paar Schritte zurück und atmete tief durch. Sein Vater startete den Motor und fuhr den Wagen aus der Parklücke. Ich drehte meinen Kopf nach hinten und sah wie sich Max mit dem Handrücken über die Augen wischte. Ich sah wieder nach vorne und ließ den Kopf auf meine Brust sinken. Ich hatte gewusst dass es nicht einfach werden würde, aber mir war nicht klar gewesen wie schwer es werden würde.
 

Max sah dem Wagen nach bis er um die Ecke und außer Reichweite verschwunden war. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben betrat er das Haus und ging den Weg alleine zurück. Er öffnete die Türe wo seine Mutter und seine Schwester standen und ihn fragen wollten, doch als sie sahen wie es ihm ging, schwiegen sie. Max ging weiter den Gang entlang, zurück in sein Zimmer und schloss die Türe hinter sich. Er nahm seine Gitarre und setzte sich damit auf sein Bett. Sein Blick glitt hinaus aus dem Fenster, ehe er anfing zu spielen...
 

I hope you’re doing fine out there without me

Cause I’m not doing so good without you

The things I thought you’d never know about me

Were the things I guess you always understood

So how could I have been so blind for all these years

I guess I only see the truth through all this fear of living without you
 

Everything I have in this world and all that I’ll ever be

It could all fall down around me

Just as long as I have you right here by me
 

Ich lehnte meinen Kopf gegen die Scheibe, richtete meinen Blick aus dem Fenster und sah zu wie die Häuser an mir vorbei zogen. Beobachtete die Menschen welche die Straße entlang gingen und die Autos wie sie durch die Straßen fuhren. Alles schien einem bestimmten Weg zu folgen, ein Ziel zu haben, während mein Weg mich immer weiter von dem entfernte was mir lieb war. Die Häuser wurden weniger und Bäume füllten die Lücken zwischen ihnen, bis sie bald das ganze Bild beherrschten. Die Straßenpfosten flogen an mir vorbei und waren gerade einmal ein kurzes, weißes Aufblitzen.
 

I can’t take another day without you

Cause baby I could never make it on my own

I’ve been waiting so long just to hold you

and to be back in your arms where I belong

sorry I can’t always find the words to say

everything I’ve ever known gets swept away

Inside of your love
 

Everything I have in this world and all that I’ll ever be

It could all fall down around me

Just as long as I have you right here by me
 

Ich fragte mich was er gerade machte, wie er sich fühlte, was er dachte, weil zum ersten Male seit langer Zeit konnte ich es nicht sehen, nicht in seinen Augen lesen. Zum ersten Male seit langer Zeit hatte ich das Gefühl zu fallen und es gab nichts was mich auffangen könnte. Mit jedem Kilometer den wir uns von Berlin entfernten, wurde mein Herz schwerer. Was zum Henker machte ich in diesem Auto? Warum fuhr ich dorthin zurück wo ich nicht hin wollte? Wo ich nicht hingehörte? Warum fuhr ich meiner Vergangenheit entgegen, wenn meine Zukunft doch hinter mir lag? Die Seiten des Autos kamen immer näher als wollten sie mich zwischen ihnen erdrücken und ich musste mich zusammenreißen nicht einfach 'Halt' zu schreien, seinen Vater zum umdrehen zu bringen. Ihn darum zu bitten einfach wieder nach Berlin zurück zu fahren. Mich dorthin zurück zu bringen, wo ich hingehörte.
 

As the days roll on I see time is standing still for me

When you’re not here

sorry I can’t always find the words to say

everything I’ve ever known is swept away

Inside of your love
 

Everything I have in this world and all that I’ll ever be

It could all fall down around me

Just as long as I have you right here by me
 

„Der ist für dich“, sprach Carl ruhig und legte mir einen großen Briefumschlag auf den Schoß. „Benedikt hat mich darum gebeten ihn dir zu geben.“

Ich sah Carl an und dann auf den Briefumschlag. Mit zitternden Fingern öffnete ich ihn und nahm den Brief heraus der unter anderem in ihm enthalten war. Langsam las ich ihn mir durch und zum ersten Male seit wir Berlin verlassen hatte lag ein Lächeln auf meinen Lippen. Es war nicht einfach nur ein Brief und ein Haufen Papier, nein es war mehr als nur das. Es war ein Lichtblick am dunklen Horizont.
 

Everything I have in this world and all that I’ll ever be

It could all fall down around me

Just as long as I have you right here by me
 

Es war nicht nur ein einfacher Brief den ich in diesem Moment in meinen Händen hielt, sondern es war meine Zukunft. Nun lag es an mir diese Chance die man mir geboten hatte zu nutzen. Das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und über den Weg den ich gehen wollte selbst zu entscheiden und ich wusste in diesem Moment genau wohin mich mein Weg führen würde.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Mad_Redhaired_Goblin
2007-09-08T12:19:30+00:00 08.09.2007 14:19
Ja die Geschichte ist bereits fertig da ich die schon vor einer Weile geschrieben habe und lade jetzt so nach und nach die Kapitel hoch. Sitze aktuell an der Fortsetzung die dann auch hochgeladen wird, sobald ich jetzt hiermit fertig bin ^^

Die Band hab ich auf 3 Konzerten getroffen und mich mit ihnen unterhalten, aber kennen kann man das dann doch nicht nennen.
Empty Trash gibt es wirklich und es handelt sich um eine junge Band in Berlin die gerade im Studio ist um ihr erstes Album aufzunehmen.

Von:  Momotaro
2007-09-08T07:44:39+00:00 08.09.2007 09:44
...Wie kann man eigentlich so schnell weiterschreiben? Oder hast du die Geschichte bereits und stellst sie jetzt nur nach und nach on?

Der Stil is auch weiterhin großartig, sehr lesenswert! Kennst du die Band in Wirklichkeit? Die gibt's doch wirklich, oder? *auf so 'ner seite war*
Oo?
Von:  Mad_Redhaired_Goblin
2007-09-03T14:27:04+00:00 03.09.2007 16:27
Freut mich sehr dass es dir bisher gefällt und ich hoffe das bleibt auch noch ne Weile so ^^
Hast ja noch ein paar Kapitel vor dir *zwinker*
Von:  Momotaro
2007-09-03T07:53:44+00:00 03.09.2007 09:53
bin ja noch nichtmal annähernd durch... ^^° im grunde hab ich noch nichtmal den geringsten schimmer, wo das alles noch hinführt, aber ich musste mal kurz unterbrechen, um zu schreiben: ich bin begeistert! echt, toller stil! ist so einfach gehalten, absolut nicht übertrieben! *zu favos pack* aber echt! ^^y *schonma fan-fähnchen bastel*


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