Das Leben geht weiter von Mad_Redhaired_Goblin (Empty Trash Fanfic) ================================================================================ Kapitel 1: Kartons über Kartons ------------------------------- „Jules?“, rief ich durch die Wohnung, als ein lautes Klirren aus der Küche kam. „Alles in Ordnung bei dir?“ „Ja ja... Alles in Ordnung“, rief Jules schnell zurück. *Glaub ich nicht*, sagte ich in Gedanken und legte das Buch, welches ich gerade in den Händen gehalten hatte, zu den anderen in den Karton. Langsam stand ich auf und streckte mich erst einmal, denn mir waren vom vielen Sitzen so halb die Beine eingeschlafen. Ein höchst unangenehmes Gefühl. Ich schüttelte mein Bein bis das Kribbeln endlich nachließ und ging in die Küche aus der das Klirren gekommen war. Jules kniete auf dem Boden und sammelte die Glasscherben auf die dort lagen. „Tut mir leid es ist mir aus der Hand gefallen“, sprach sie und warf die Scherben in den Mülleimer. „Ich hoffe es war kein wichtiges Glas oder so.“ „Das? Nein“, meinte ich und schüttelte den Kopf. „Das war ein altes Saftglas gewesen, das wäre wohl so oder so im Müll gelandet. Solange du meine Sektgläser leben lässt ist alles in Ordnung, weil die werden noch gebraucht.“ Jules erhob sich und strich sich eine Strähne hinters Ohr, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. „Ich kann es echt noch nicht glauben dass du nach Berlin ziehst“, meinte sie und setzte sich auf einen Küchenstuhl. „Und noch weniger, dass ich deine Wohnung hier übernehmen kann.“ „Du wolltest doch schon lange von daheim raus“, sagte ich lachend und setzte mich auf den anderen Küchenstuhl. „Also was lag näher als dir die Wohnung zu geben, als irgendjemand fremden? So bleibt sie wenigstens in der Familie.“ „Ja aber fällt dir das denn überhaupt nicht schwer?“ „Was meinst du damit?“ „Naja.... Ich meine du hast doch hier gewohnt und ist das nicht komisch jetzt einfach woanders hin zu ziehen?“, fragte Jules und schob ein paar alte Zeitungen von einem Eck des Tisches in die andere. „Sicherlich hab ich hier gewohnt und sicherlich ist es seltsam jetzt woanders hin zu ziehen“, sagte ich ruhig und angelte mit der Hand nach der Colaflasche die neben dem Kühlschrank auf der Arbeitsfläche stand. „Aber man ist immer dort daheim wo man Freunde hat. Außerdem weiß ich dass die Wohnung in guten Händen ist und du weißt jetzt auch, wo du bleibst wenn du nach Berlin kommst.“ „Das hätte ich auch so gewusst“, murmelte Jules und bekam doch tatsächlich rote Wangen. „So genau wollte ich es dann doch auch wieder nicht wissen“, lachte ich auf und schenkte mir ein Glas Cola ein. Ja Jules und ich hatten einen Tag nachdem ich wieder zu hause gewesen war, ein sehr ausführliches Gespräch gehabt. Ich hatte es mir natürlich nicht nehmen lassen sie über alles was an dem Abend noch passiert war auszufragen und sie hatte mir auch brav alles erzählt. Ehrlich gesagt hatte ich nicht einmal großartig nachfragen müssen, denn Jules war so aufgeregt gewesen, dass ich sie sogar bei ihren Erzählungen hatte bremsen müssen. Auch wenn ich es damals nicht hatte glauben wollen als mir Max erzählt hatte sie sei bei Per, so hatte Jules mir diesen Zahn doch schnell gezogen. Sie hatte tatsächlich die Nacht bei Per verbracht und sie hatten sich beide sehr gut verstanden gehabt. Ob jetzt aber zwischen ihnen etwas gelaufen war oder nicht, darüber hatte sie mir keine Auskunft erteilt. Das Gespräch lag jetzt 3 Wochen zurück und einer Woche würde ich mein Praktikum beginnen. Ich hatte es damals nicht fassen können und ich würde es wohl heute noch nicht glauben, würden in der Wohnung nicht überall Umzugkartons herumstehen. Es war als wäre es gestern gewesen, wo mir Carl den Umschlag von Benedikt gegeben hatte. Der Umschlag der in dem Moment so vieles verändert hatte. Es war nicht nur ein Brief darin gewesen mit so einigen Erklärungen, sondern es hatte sich auch ein Vertrag darin befunden. Ein Arbeitsvertrag. Ich hatte keine Ahnung wie Benedikt das geschafft hatte diesen Vertrag möglich zu machen, aber irgendwie hatte er es geschafft. Damals als er gemeint hatte er würde mir ein paar Sachen zeigen war ich ihm schon dankbar gewesen, aber dass er mir jetzt auch noch einen Praktikumsplatz besorgt hatte, war mehr gewesen, als ich mir jemals erhofft hätte. Am gleichen Tag noch hatte ich ihn angerufen und gefragt ob das ein schlechter Scherz sei oder ob er es wirklich ernst gemeint hatte. Er hatte gelacht und mich gefragt ob ich ihm so einen Scherz ernsthaft zutrauen würde. Natürlich hatte ich es nicht getan, aber an diesem Tag war es einfach zu unglaubwürdig gewesen um wahr sein zu können. Aber es war die Wahrheit gewesen. Wie er es geschafft hatte, hatte er mir allerdings nicht beantworten wollen, nicht einmal nach dem dritten Nachfragen und dann hatte ich die Sache auch auf sich beruhen lassen. Ich hatte lange überlegt ob ich wirklich nach Berlin ziehen sollte, aber bei der bloßen Vorstellung an mehrere Stunden Autofahrt am Tag, war der Entschluss umzuziehen doch recht schnell gefallen. Es war eben doch ein Unterschied ob man 10 Minuten in einer Straßenbahn verbrachte oder ob man wenn es gut lief etwas mehr als eine Stunde in einem Auto verbrachte. In den vergangenen Wochen war ich öfters in Berlin gewesen um mich nach einer passenden Wohnung um zu schauen und wurde dabei natürlich tatkräftig von Max, Jules und Per unterstützt. Sogar Tim und Stefan waren hin und wieder dabei gewesen. Es war jedes mal eine sehr spaßige Angelegenheit gewesen, denn während ich auf Dinge wie Einbauküche und ähnliches achtete, so schauten die Jungs eher danach, wie gut sie geeignet war um Party zu feiern. Es hatte eine Weile gedauert aber letztendlich hatte ich doch noch eine Wohnung gefunden die mir zugesagt hatte. Sie ging über 2 Stockwerke und war genau das was ich gesucht hatte. Sie hatte ein großes Wohnzimmer im unteren Stock und einen großen Balkon. Im zweiten Stockwerk, was eigentlich nicht wirklich ein richtiges Stockwerk war, lagen das Schlafzimmer und das Badezimmer. Also genug Platz um sich auszubreiten und auch genug Platz um mal ein paar Leute einen Schlafplatz nach einer Party zu bieten. Die Wohnung kostete mehr als ich für meine alte gezahlt hatte, aber überraschenderweise hatten mir meine Eltern angeboten die Differenz zu übernehmen die zwischen der alten Miete und der neuen lag. Sie hatten wohl gemerkt wie wichtig mir das alles war und wollten mir keine Steine in den Weg legen oder hatten besser gesagt die aus dem Weg geräumt. Ohne ihre Hilfe wäre das wohl alles gar nicht möglich gewesen. „Sag mal wann soll es denn morgen losgehen?“, fragte mich Jules und langte nach der Colaflasche. „Nun der Umzugswagen kommt um 9 Uhr und dann wird alles verladen was es eben zu verladen gibt“, meinte ich und zündete mir eine Kippe an. „Viel ist es ja nicht. Dann fahren wir alle nach Berlin hoch und räumen die ganzen Sachen einfach nur in die Wohnung. Einräumen lohnt sich nicht, besonders nicht wenn ich noch streichen muss und alles. Konnte ich bisher ja nicht machen, da ich ja erst gestern den Schlüssel zur Wohnung bekommen habe.“ Ich sah mich um wo denn der Aschenbecher hingekommen war, aber er ließ sich einfach nirgendwo finden, also nahm ich eine uralte Kaffeetasse die so oder so im Müll landen würde und funktionierte die einfach in einen Aschenbecher um. „Soll ich dir dann wenn alles ausgeladen ist noch bei etwas helfen?“, fragte Jules und versuchte einen neutralen Gesichtsausdruck zu machen, aber ich hatte sie durchschaut. „Ach Jules, mich schaffst du nicht hinters Licht zu führen, dafür kennen wir uns schon viel zu lange“, lachte ich auf und drückte die Zigarette aus. „Du fragst doch nur um zu wissen ob du gleich zu Per abhauen kannst oder erst später. So ist es doch oder?“ Ein wenig verlegen nickte Jules mit dem Kopf. Hatte ich also doch ins Schwarze getroffen. „Willst du mir eigentlich nicht endlich mal sagen was da zwischen euch beiden läuft?“ „Was soll denn da schon laufen?“ „Jules? Du weißt genau was ich meine“, sagte ich zu ihr und zog leicht die Augenbrauen nach oben. „Meinst du ich hab das nicht mitbekommen wie ihr immer zusammen gesessen seid? Wie ihr ständig am tuscheln und lachen gewesen seid? Da läuft doch was, also gib es einfach zu.“ „Ja wir verstehen uns gut, aber das heißt doch nicht gleich dass da was laufen muss“, widersprach mir Jules, achtete aber darauf, mir meinem Blick auszuweichen. „Jules?“ „Ja?“ „Jetzt rücke endlich raus mit der Sprache, sonst....“ Lachend hielt ich die offene Flasche in der Hand und deutete an, was passieren würde, würde sie nicht endlich mit der Sprache herausrücken. Jules rückte mit dem Stuhl ein Stückchen nach hinten und sah mich warnend an. „Das wagst du nicht...“ „Oh doch das tue ich und das weißt du genau!“ Jules sah mich kurz fragend an, hob dann ihre Hände und seufzte theatralisch auf. „Na gut, na gut... Ich gebe auf“, meinte sie und zuckte leicht mit den Schultern. „Es läuft wirklich nichts aber... Naja wie soll ich sagen... Er ist ein ganz lieber und wir verstehen uns echt gut und...“ Jules fuhr sich durch die Haare und bekam einen leicht verträumten Blick. „Und du hast dich in ihn verliebt richtig?“, fragte ich nach, auch wenn ich mir die Antwort schon längst denken konnte. „Ich glaube schon“, murmelte Jules und eine zarte Röte hatte ihr Gesicht überzogen. „Dann würde ich sagen schnappe ihn dir“, lachte ich und stellte die Flasche wieder auf den Tisch zurück. „Toll und wie soll ich das anstellen?“, fragte Jules seufzend und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Jetzt komm schon Jules, was soll daran so schwer sein?“, meinte ich zu ihr und sah sie an. „Ich meine du kannst es ihm sagen oder noch besser, du zeigst es ihm einfach. Genügend Möglichkeiten gibt es ja. Du musst nur den Mut dafür haben.“ „Ja und was ist wenn er es nicht will? Also wenn ich ihm nicht das bedeute was er mir bedeutet?“, fragte Jules wieder nach und man merkte dass sie sich Gedanken deswegen gemacht hatte und scheinbar noch immer machte. „Meinst du er würde so viel Zeit mit dir verbringen wenn du ihm egal wärst? Meinst du wirklich er würde jedes mal fragen ob du auch mit kommst wenn ich gesagt habe dass ich nach Berlin komme? Meinst du wirklich er hätte dir angeboten bei ihm zu übernachten wenn er absolut kein Interesse an dir hätte?“ „Ja irgendwie hast du ja Recht, aber trotzdem. Vielleicht sieht er mich ja auch nur als gute Freundin oder tut das nur, weil ich deine Freundin bin und du mit seinem Freund zusammen bist“, warf Jules ein und ließ ein wenig den Kopf hängen. „Du glaubst doch nicht etwa selbst an das was du gerade versuchst mir hier weiß zu machen oder?“, fragte ich nach, aber scheinbar schien es wirklich so zu sein. „Per ist nicht der Mensch der aus Höflichkeit jemanden einen Platz zum schlafen anbietet und noch weniger würde er das tun nur weil du meine Freundin bist und ich mit Max zusammen bin. Er könnte sich auch gar nicht dafür verantwortlich fühlen wo du bleibst wenn du mitkommst, aber genau das tut er ja nicht. Also gebe dir einfach einen Ruck und setze alles auf eine Karte. Ich bin mir sicher du gewinnst.“ „Meinst du wirklich?“ „Ich würde es dir sonst garantiert nicht sagen oder seit wann lasse ich eine Freundin voll ins offene Messer laufen?“ Jules seufzte leise auf und schüttelte den Kopf. „Nein“, murmelte sie und sah mich an. „Bist du denn da wenn es in einem Fiasko endet?“ Ich lächelte und nickte mit dem Kopf. „Klar bin ich dann für dich da“, meinte ich ruhig und sah Jules mit offenem Blick an. „Ich lasse dich gewiss nicht noch einmal hängen. Das damals war mir Lehre genug gewesen.“ Nein das würde ich gewiss nicht tun. Was wäre ich denn für eine Freundin die ihre Freundin in so einem Falle im Stich ließ? In einem Moment wo man glaubte die Welt würde in sich zusammenbrechen und es würde kein Morgen mehr geben. Ich würde für sie da sein, egal in welcher Situation sie mich dann auch stören würde. Erleichtert sah Jules mich an und das Lächeln war wieder auf ihre Lippen zurückgekehrt. „Freut mich zu hören“, meinte sie und sah sich dann in der Küche um. „Aber weniger freut es dich wohl zu hören, dass wenn wir nicht mal langsam einen Gang zulegen, wir noch die ganze Nacht mit packen beschäftigt sein werden.“ „Musst du mich denn gerade jetzt daran erinnern?“, lachte ich auf und sah mich seufzend in der Küche um. Ja es gab noch sehr viel zu tun, aber nicht nur hier. In eigentlich jedem Zimmer lagen noch Sachen herum die darauf warteten in einem Karton verstaut zu werden. Es gab nichts schlimmeres als ein Umzugstag an dem nicht alles fix und fertig verpackt war. Reines Chaos war da dann wohl noch ein harmloser Ausdruck für. „Ok, dann lass uns mal weitermachen“, seufzte ich und trank mein Glas leer. „Aber vorher rufe ich den Pizzaservice an, sonst verhungere ich noch und dann ist der Umzug so oder so gelaufen.“ „Und Max würde es mir niemals verzeihen dass ich dich nicht vor dem Hungertod bewahrt habe und mich mein Leben lang verfolgen und mir Vorwürfen überschütten“, lachte Jules, deren Magen auch das Knurren angefangen hatte. Aber so war es nun einfach mal, arbeiten machte eben doch hungrig. Kapitel 2: Umzugsstress ----------------------- Piep... Piep... Piep... Ich fuhr mir mit den Händen über das Gesicht und richtete mich seufzend auf. Ich hatte keine Ahnung wie viel Stunden ich geschlafen hatte, aber es war eindeutig zu wenig gewesen. Bis spät in die Nacht hinein hatten Jules und ich noch Sachen in Kartons verpackt und hatten uns nicht von dem Gefühl klein kriegen lassen, niemals rechtzeitig fertig zu werden. Aber wir hatten es doch noch geschafft und waren beide todmüde auf die Matratzen gefallen. „Mach doch mal den Wecker aus“, murmelte Jules von der anderen Seite des Zimmers und richtete sich im Bett auf. Die Haare hingen ihr wirr vom Kopf und die Ringe unter den Augen zeugten von einer langen Nacht. Aber vermutlich sah ich auch nicht gerade viel besser aus. „Ich eile ja schon“, gab ich zurück und patschte mit der Hand neben mir auf dem Boden herum, bis ich den Wecker in die Finger bekam und ihn ausmachte. Ich ließ mich wieder nach hinten auf die Matratze fallen und starrte an die Decke. Die ganzen letzten Wochen hatte ich mich auf diesen Tag gefreut und jetzt fühlte ich mich, als wäre ein Panzer über mich drüber gefahren. Total zerschlagen und kaputt. Wie bitte sollte ich diesen Tag heil überstehen ohne nicht irgendwann einmal im Stehen einzuschlafen? So zumindest fühlte ich mich gerade. Aber das Gefühl würde wohl wieder verschwunden sein, sobald ich die ersten Häuser Berlins entdecken würde. Allerspätestens dann war ich wieder topfit. Ich warf wieder einen Blick auf den Wecker und richtete mich wieder auf. „Ich geh Kaffee kochen“, meinte ich und quälte mich auf die Beine. „Weil in 45 Minuten steht der Umzugswagen vor der Türe und dann ist die Ruhe vorbei.“ „Und das Frühstück?“, fragte Jules und wischte sich ein paar Haare aus dem Gesicht. „Wird wohl ausfallen, außer du ziehst dich an und gehst beim Bäcker vorbei“, meinte ich und sah Jules schräg von der Seite her an. „Ok lassen wir es ausfallen“, kam es von ihr und ich sah ihr an, dass sie sich am liebsten wieder hingelegt hätte. Woher kannte ich das nur so gut? „Dann eben nur Kaffee zum Frühstück“, lachte ich und vermisste so richtig das Frühstück was es jeden Morgen auf Tour gegeben hatte. Ja auf so ein Frühstück hätte ich jetzt richtig Lust, aber daraus wurde wohl nichts. Müde schlappte ich in die Küche in der gerade noch 2 Tassen und die Kaffeemaschine stand, alles andere befand sich fein säuberlich in den Kartons verpackt die sich überall in der Wohnung stapelten. Es war das organisierte Chaos schlechthin. Aber irgendwie würde es schon klappen, hoffte ich zumindest. Der Kaffee war gerade durch die Maschine gelaufen, als es an der Türe klingelte. *Wer ist das denn bitte?*, fragte ich mich selbst und warf einen Blick auf die Uhr. Wer bitte sollte so früh schon bei mir klingeln und dann auch noch an meinem Umzugstag? Ich warf einen sehnsüchtigen Blick auf den Kaffee und ging dann nach draußen an die Türe um sie zu öffnen. „Sie wollten geweckt werden?“, lachte Max und gab mir einen sanften Kuss. „Was... Was machst du hier?“, fragte ich verdattert, denn ich hatte ehrlich gesagt nicht mit ihm gerechnet. Eigentlich hatten wir vorgehabt dass ich ihn anrief wenn wir in Berlin waren. „Willst du mich nicht erstmal reinlassen oder besser gesagt uns?“, fragte Max grinsend und warf einen Blick über die Schulter. „Uns? Ähm ich meinte euch?“, kam es wieder von mir und man merkte mir genau an, dass ich in diesem Moment vollkommen den Faden verloren hatte. „Na Stefan, Per und mich“, meinte Max und da kamen auch schon die anderen beiden grinsend um die Ecke. „Morgen!“, riefen Per und Stefan gemeinsam und ich war überwältigt von so viel guter Laune und Wachheit, dass ich am liebsten wieder die Decke über den Kopf gezogen hätte. „Ähm klar kommt rein“, meinte ich und wartete bis alle drei in der Wohnung waren, bevor ich die Türe schloss. „Jules? Wir haben Besuch!“, rief ich in Richtung Schlafzimmer wo Jules wohl noch immer auf der Matratze lag und sah dann wieder zu den Jungs. „Hat euch jemand aus dem Bett geworfen und wie bitte kommt ihr hier her?“, fragte ich und versuchte wach zu werden. „Da ist aber noch jemand sehr verpennt“, lachte Max und wuschelte mir durch die Haare. „Wer ist es denn?“, kam es von Jules, die in Shorts und Top aus dem Schlafzimmer gewankt kam und kaum aus den Augen schauen konnte. „Mach doch einfach mal die Augen auf“, meinte ich grinsend und lehnte mich mit der Schulter gegen den Türrahmen. Jules sah zu mir, dann zu Max und dann zu Stefan. Von mal zu mal waren ihre Augen größer geworden, doch als sie Per sah, war alles zu spät. Ihre Augen waren so groß wie noch nie und nach einem kurzen Aufschrei war sie auch schon wieder im Schlafzimmer verschwunden. Verdattert sah Per ihr nach und dann zu mir. „Also ich hab schon vieles erlebt“, meinte Per kopfschüttelnd. „Aber noch nie dass ein Mädel schreiend vor mir weggelaufen ist.“ Wir anderen sahen uns an, ehe wir gemeinsam das Lachen anfingen. „Tja Per“, meinte Max und klopfte seinem besten Freund aufmunternd auf die Schulter. „Es gibt für jeden und für alles ein erstes Mal.“ „Muss ich das jetzt verstehen?“, kam es wieder von Per, der das eben wohl wirklich nicht so richtig verstehen konnte. „Das ist Jules wie sie leibt und lebt“, sagte ich grinsend und ging zurück in die Küche um mir eine Tasse Kaffee einzuschenken. „Aber sobald sie sich angezogen und von dem Schrecken erholt hat euch hier zu sehen, wird sie wieder auftauchen. Da bin ich mir sicher.“ Und so war es dann auch. Nach nicht einmal 5 Minuten tauchte Jules auch schon wieder auf und war so wie ich es gesagt hatte, angezogen. Ganz im Gegensatz zu mir, die noch immer in Shorts und T-Shirt herum turnte. Aber mir war das egal, denn die Jungs sollten sich nach der Woche eigentlich an den Anblick gewöhnt haben und mich störte es einfach nicht. Jules dagegen war es wohl einfach peinlich gewesen von Per so gesehen zu werden und war deswegen abgehauen, aber das konnte ich ihm ja schlecht auf die Nase binden. Das sollte Jules schon brav selbst tun. Ich setzte mich auf den Küchentisch, hatte in der einen Hand die Kaffeetasse und in der anderen Hand eine Zigarette und sah mehr als nur fertig aus. „Wolltet ihr mir nicht noch sagen was ihr hier macht? Also ich meine wie seid ihr hier her gekommen und warum seid ihr hier her gekommen?“, fragte ich nach und trank einen Schluck und der tat so richtig gut. „Dir helfen“, kam es von Stefan der zu Max blickte. „Mit dem Auto“, meinte Max grinsend und sah zu Per. „Na damit ihr das nicht alles alleine machen müsst“, meinte dieser und lachte auf. Ich sah zwischen den Dreien langsam hin und her. „War das jetzt spontan oder habt ihr euch vorher abgesprochen?“, fragte ich lachend und mein Blick wanderte langsam von einem zum anderen. „Ja sicher wir wussten ja auch vorher schon was du uns fragen wirst“, meinte Stefan grinsend und lehnte sich gegen den Kühlschrank. „Ok 1:0 für euch“, sagte ich und sah für einen kurzen Moment ein wenig fragend vor mich her, als es mich am Rücken juckte und ich nicht wusste ob ich jetzt die Zigarette weglegen sollte oder ob ich die Kaffeetasse abstellen sollte. Ich hatte zu beidem keine großen Ambitionen, also hüpfte ich einfach vom Tisch, ging zum Schrank und rieb mir den Rücken an dessen Kante bis das Jucken aufgehört hatte. „Not macht erfinderisch oder wie war das?“, fragte Per lachend und ging ein paar Schritte bis er rein zufälligerweise neben Jules stand. „Damit hättest du den Nagel voll auf den Kopf getroffen“, sagte ich zu Per und zwinkerte ihm zu. „Jetzt solltest du nur noch das andere auf die Reihe bekommen.“ „Das andere?“, fragte Per und zog leicht die Augenbrauen nach oben. „Was meinst du damit?“ „Also wenn du das nicht selbst weiß, dann muss ich mir wohl ernsthafte Sorgen machen“, meinte ich und sagte in diesem Moment beinahe das Gleiche, wie er zu mir vor ein paar Tagen gesagt hatte. Mal schauen ob er den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatte. Wenn nicht... Tja dann konnte ich es auch nicht ändern. Den Blick den mir Jules in diesem Moment zuwarf ignorierte ich gekonnt, trank meinen Kaffee leer, drückte meine Zigarette aus und stellte dann die leere Tasse in die Spüle. „Wann kommt denn der Umzugswagen?“, fragte Max ruhig und sah mich an. „Der kommt...“, fing ich an doch bevor ich weiter reden konnte hatte es auch schon an der Türe geklingelt. „Jetzt.“ „Wie jetzt?“ „Na jetzt halt“, lachte ich und ging in Richtung Türe. „Du willst doch jetzt nicht die Türe aufmachen?“, fragte Max und warf mir einen zweifelnden Blick zu. „Ähm eigentlich schon“, meinte ich und sah ihn fragend an. „So?“ Mit noch immer zweifelnden Blick sah mich Max an und deutete auf meine Shorts. „Oh“, meinte ich nur als ich an mir runter sah und an ihm wieder hoch. „Ok mach du die Türe auf und ich zieh mir was anderes an.“ „Sehr gute Idee“, grinste Max und gab mir einen Klaps auf den Hintern, als ich an ihm vorbei und in Richtung Schlafzimmer ging. Während ich mich umzog, öffnete er die Türe und wie vermutet, standen tatsächlich die Leute der Umzugsfirma vor der Türe. Dank der Hilfe der 3 ging das Ausräumen der Wohnung schneller voran, als ursprünglich gedacht, so dass schon nach knapp 2 Stunde die komplette Wohnung leer und alle Kartons und Möbel im LKW verstaut waren. Jetzt wo jedes Zimmer leer war, war es schon ein wenig ein komisches Gefühl, aber ich wusste ja dass es bald wieder mit Leben gefüllt sein würde. Jules würde sich wohl nicht gerade viel Zeit lassen mit dem ausziehen aus der elterlichen Wohnung, sondern wohl so früh wie nur möglich damit beginnen. Aber nicht nur das ausräumen war schnell voran gegangen, sondern auch das einräumen war ruck zuck vonstatten gegangen, so dass sogar noch Zeit genug geblieben war, die Kartons in die entsprechenden Zimmer zu verräumen. Einräumen würde ich allerdings wohl erst am nächsten Tag, zumindest einmal einen Teil, denn ich war einfach nur froh wenn ich an diesem Tag keinen weiteren Karton zu sehen bekam. Das heute hatte mir eindeutig gereicht. Aber der größte Stress stand mir wohl erst noch bevor, denn bevor ich so richtig mit dem Einräumen beginnen konnte, musste ich erst noch die Zimmer streichen. Ich wusste schon genau wie ich jedes Zimmer gestalten wollte und hatte demnach auch schon konkrete Pläne wie ich was in Angriff nehmen würde. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt die Nacht in der neuen Wohnung zu verbringen und es wäre mir egal gewesen wenn ich dafür in einem Schlafsack auf dem Boden liegen musste, aber Max hatte es dann letztendlich doch geschafft mich von diesem Gedanken abzubringen. Und ehrlich gesagt war die Vorstellung bei ihm zu schlafen dann doch wesentlich reizvoller gewesen als eine Nacht alleine in einer leeren Wohnung zwischen lauter Kartons zu verbringen. Kapitel 3: Hilfsangebot ----------------------- Max steckte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Türe und ließ mich eintreten, bevor er hinter uns die Türe wieder schloss. „Wir sind wieder da!“, rief er durch die Wohnung und warf den Schlüssel auf die Kommode neben dem Eingang. „Wir?“, rief seine Mutter aus dem Wohnzimmer zurück. „Ja Andrea und ich“, rief Max zurück und gemeinsam gingen wir auf das Wohnzimmer zu, in welchem seine Mutter saß und vor ihr lagen ein paar Aufsätze auf dem Tisch. „Wie kommt es dass ihr schon fertig seid?“, fragte seine Mutter, stand auf und nahm mir zur Begrüßung erst einmal in den Arm. „Nun durch die tatkräftige Unterstützung drei junger Herren die auf einmal vor der Türe standen, ging das Ausräumen um einiges schneller“, meinte ich lachend und sah seine Mutter an. „Und somit waren wir früher in Berlin als ursprünglich angenommen.“ Bärbel sah mich fragend an, ehe sie zu Max blickte und das lächeln anfing. „Ach deswegen bist du heute morgen schon so früh aufgestanden“, kam es schmunzelnd von ihr ehe sie wieder zu mir blickte. „Ich hatte mir schon Sorgen gemacht ob er vielleicht an Schlafstörungen leiden könnten. So früh wie heute morgen ist er schon seit Monaten nicht mehr aufgestanden.“ „Das ist doch überhaupt gar nicht wahr“, beschwerte sich Max ohne sich das Grinsen zu verkneifen. „Andrea, glaub ihr kein einziges Wort. So schlimm bin ich überhaupt nicht“, meinte er zu mir und sah mich an. „Nein du bist schlimmer“, kam es lachend von Jessica seiner Schwester, die im Flur stand und ihren Bruder angrinste. Max schlug seufzend die Hände über seinem Kopf zusammen. „Womit habe ich das nur verdient dass sich die ganze Frauenwelt gegen mich verschwört?“, kam es von ihm und er warf einen fragenden Blick an die Zimmerdecke. „Die Ganze?“, fragte ich lachend und piekste ihm in die Seite. „Aber schön zu hören dass wir 3 für dich die Welt sind.“ „Und das werdet ihr auch immer bleiben“, meinte Max ruhig und legte mir seinen Arm um die Hüfte. „Ich könnte mir niemals ein Leben ohne euch vorstellen.“ „Du alter Charmeur“, lachte seine Mutter und schüttelte ihren Kopf. „Jetzt haben wir allerdings ein kleines Problem. Ich hab mit euch nicht vor 6 gerechnet und deswegen auch noch nicht angefangen zu kochen. Ich wollte erst noch die Aufsätze hier fertig machen.“ Ich lächelte und winkte leicht mit der Hand ab. „Das ist doch kein Problem“, meinte ich und sah Bärbel an. „Du machst einfach die Aufsätze weiter und ich gehe in die Küche und koche.“ „Bist du nicht fertig vom Umzug?“ „So fertig dass ich es nicht mehr schaffen würde einen Kochlöffel zu schwingen bin ich dann auch wieder nicht“, meinte ich lachend und sah von Max zu seiner Schwester. „Außerdem stehen hier noch zwei weitere Leute herum die mir sicherlich zur Hand gehen werden.“ Mit großen Augen sahen mich die Beiden an, ehe sie sich gegenseitig anblickten und letztendlich mit den Schultern zuckten. „Das ist echt lieb von dir dass du das machst“, bedankte sich Bärbel und man sah ihr an, dass sie sich darüber freute und auch ein wenig erleichtert war sich darum nicht auch noch kümmern zu müssen. „Mach ich doch gerne“, meinte ich lächelnd und packte Max und Jessica an den Händen und zog sie aus dem Wohnzimmer, damit Bärbel weiter korrigieren konnte. Für mich war das wirklich kein Thema, zu hause hätte ich auch kochen müssen und so konnte ich mich schon nützlich machen. Ich hatte in den letzten 3 Wochen so oft hier geschlafen und gegessen und irgendwie wollte ich mich dafür erkenntlich zeigen und wenn es nur ein gekochtes Essen war. Man hatte mir nie das Gefühl gegeben nur ein Gast zu sein, sondern man hatte mich mit offenen Armen empfangen und mir das Gefühl gegeben zur Familie zu gehören und Familienmitglieder halfen nun einmal einander. „Du hast das jetzt aber nicht ernst gemeint dass wir dir helfen sollen oder?“, fragte Max bei mir nach und musterte mich langsam. „Das habe ich mich gerade allerdings auch gefragt“, kam es von seiner Schwester die mich genauso fragend anblickte. „Da ich es absolut nicht leiden kann wenn mir jemand beim kochen über die Schulter schaut, habt ihr noch einmal Glück gehabt“, sagte ich grinsend und ging in die Küche. „Allerdings spätestens zum Tisch decken werdet ihr von mir eingespannt und da gibt’s auch keine Ausreden.“ „Gebongt“, lachte Jessica und verschwand aus der Küche zurück in ihr Zimmer. Ich holte zwei Töpfe aus dem Schrank und stellte den Herd an, ehe ich mich fragend in der Küche umsah. Ich wusste zwar ein klein wenig wo was war, aber zum lockeren kochen reichte es dann doch nicht. Aber ich würde mich da schon irgendwie durchwurschteln. „Danke“, meinte Max ruhig und ich zuckte erst einmal zusammen, weil ich davon ausgegangen war, dass er sich auch schon aus dem Staub gemacht hatte. „Danke? Wofür?“, fragte ich verwundert und ließ Wasser in den Topf laufen. „Liegt das nicht klar auf der Hand? Oder besser gesagt steht in der Spüle?“, kam es mit einem kleinen Lächeln von ihm und ich verstand ehrlich gesagt gerade nur Bahnhof. Ich nahm den Topf aus der Spüle und stellte ihn auf den Herd. „Also jetzt verstehe ich genauso viel wie vorher“, meinte ich und sah Max an. „Nämlich gar nichts.“ Nein ich hatte absolut keine Ahnung was er mir damit sagen wollte oder auf was er hinaus wollte. Manchmal war es einfach unmöglich seinen Gedankengängen zu folgen, selbst für mich. Vielleicht würde ich es ja irgendwann einmal können, aber im Moment war ich dann doch noch auf seine Erklärungen angewiesen. „Dafür dass du meiner Mutter die Arbeit abnimmst vielleicht?“, kam es von Max der mit der Schulter gegen einen Schrank gelehnt dastand. „Dafür braucht sich doch niemand bedanken“, meinte ich und wischte mir die Hände an einem Geschirrhandtuch ab. „Ich tue es gerne und wenn ich deiner Mutter somit Arbeit abnehmen kann, dann gleich noch viel lieber. Ich kann hier essen, ich kann hier schlafen, also kann ich mich doch auch beteiligen. Immerhin macht eine Person mehr im Haus, auch mehr Arbeit aus oder etwa nicht?“ „Für dich mag das vielleicht selbstverständlich sein, aber eben nicht für andere“, sagte Max ruhig und legte seine Hände auf meine Hüften. „Sie hat dich sehr gerne und wenn du nicht gesagt hättest du kochst, dann hätte sie wohl alles stehen und liegen lassen. Mit deinem Angebot dich um das Essen zu kümmern hast du sie jetzt wohl endgültig auf deine Seite gezogen.“ Ich sah Max von unten herauf an, streckte mich und gab ihm einen kleinen, sanften Kuss. „Irgendwie muss ich meine zukünftige Schwiegermutter doch unterstützen“, meinte ich mit einem kleinen Augenzwinkern zu Max, der daraufhin das Grinsen anfing. „Ich glaube darauf spekuliert sie bereits“, lachte er leise auf und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Oh“, kam es nur von mir, denn mit so einer Reaktion hatte ich jetzt nicht gerechnet. „Dann sollte ich mir doch jetzt noch gleich viel mehr Mühe geben.“ Ich legte Max die Hände auf die Hüfte, drehte ihn um und schob ihn dann aus der Küche. „Und damit das auch klappt tust du jetzt irgendwas anderes und lässt mich in der Küche alleine“, meinte ich lachend und sah ihn an. „Nicht dass ich noch das Essen versalze weil ich meinen Blick nicht von dir nehmen kann.“ „Bestünde die Gefahr denn?“, fragte Max grinsend und neigte bei der Frage leicht seinen Kopf. „Max?“ „Ja?“ „Kusch!“, sagte ich lachend und nun war ich es die ihm einen Klaps auf den Hintern gab. Nein ich konnte es wirklich nicht gebrauchen wenn mir jemand beim kochen zusah und mir ständig im Weg stand. Wenn ich kochte war die Küche mein persönliches Reich und da konnte ich einfach niemanden gebrauchen. Egal ob jetzt männlich, weiblich oder was auch immer sonst. Lachend zog Max von dannen und ich widmete mich wieder dem Topf auf dem Herd, in dem das Wasser mittlerweile das Sieden angefangen hatte. Ich warf einen kurzen Blick in den Kühlschrank und schon wusste ich was ich kochen würde oder besser gesagt was seine Mutter vorgehabt hatte zu kochen. Ich hoffte nur dass es ihnen alle schmecken würde. Meine Mutter hatte mir zwar schon recht früh das Kochen beigebracht und mir auch allerhand Tipps und Tricks gezeigt, aber es war eben doch ein kleiner Unterschied ob man für sich oder Freunde kochte oder ob man für die Familie des Freundes kochte. Aber ich hatte jetzt genau 2 Möglichkeiten. Entweder ich machte mich langsam daran das Essen zu kochen oder ich sinnierte weiter über das 'Was wäre wenn'. Allerdings würde bei der 2ten Möglichkeit keiner satt werden und geholfen war erst recht keinem. Also machte ich mich an die Arbeit um so zügig wie möglich das Essen auf den Tisch zu bringen. Mein Magen zumindest würde sich sehr darüber freuen endlich etwas zum tun zu bekommen. Immerhin hatte ich ihn heute stark vernachlässigt und das gefiel ihm gar nicht, wie er mit lautem Protest kund tat. So wie von mir angekündigt hatte ich Max und Jessica zum decken des Tisches verdonnert, was auch beide ohne zu murren erledigt hatten. Von Jessica hatte ich nichts anderes erwartet, aber bei Max hatte es mich dann doch ein klein wenig verwundert. Aber er würde ganz bestimmt seine Gründe haben. Meine Befürchtungen es könnte ihnen nicht schmecken hatten sich bereits nach den ersten Bissen in Luft aufgelöst. Es schmeckte jedem und Bärbel hatte sich überlegt ob sie nicht mir die Leitung der Küche überlassen sollte an den Tagen wo ich hier war. Ja es war wirklich ein wundervolles Gefühl so in eine Familie aufgenommen zu werden und genau das waren sie für mich auch mittlerweile schon geworden – Eine Familie. Kapitel 4: Probe ---------------- „Und was habt ihr heute noch vor?“, fragte seine Mutter ruhig und sah zwischen Max und mir hin und her. „So wie es aussieht werden wir uns gleich wieder auf den Weg machen“, sprach Max ruhig nachdem er einen Blick auf die Küchenuhr geworfen hatte. „Wir wollten uns noch im Proberaum treffen.“ „Willst du nicht dableiben Andrea?“, kam es fragend von seiner Mutter. „Du siehst aus als würdest du gleich auf dem Stuhl einschlafen.“ „Nun ja ein wenig müde bin ich schon“, sagte ich leise lachend. „Aber nach ein bisschen frischer Luft geht das schon wieder und außerdem kann ich mich dort ja faul auf das Sofa setzen und die Füße hochlegen. Arbeiten müssen ja die anderen.“ „Wenn ihr meint“, sagte seine Mutter ruhig und zuckte mit den Schultern. „Alt genug seid ihr ja um selbst entscheiden zu können.“ „Du sagst es“, lachte Max und stand von seinem Stuhl auf. „Ich verspreche dir auch hoch und heilig dass ich sie heil und gesund wieder nach Hause bringen werde.“ „Spinner“, murmelte Jessica und verdrehte die Augen. Früher hatte sie ihren Bruder kaum gesehen und wenn dann war er meistens müde gewesen, hatte kaum etwas gesagt und jetzt schien er Dauer-Gute-Laune zu haben. So wirklich dran gewöhnt hatte sie sich noch nicht so ganz, aber das würde sicherlich auch noch werden. „Wir sind auch leise wenn wir zurückkommen“, meinte Max und machte verschwand aus der Küche. „Und was ist mit danach?“, rief ihm seine Schwester lachend hinterher und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. „Es kam leider einfach so über mich“, meinte sie grinsend und zuckte mit den Schultern. „Weißt du dass du manchmal kein Deut besser bist als dein Bruder?“, meinte ich lachend und erst recht als ich ihren fragenden Blick sah. „Ihr habt beide ein unheimlich freches Mundwerk und liebt es den anderen zu ärgern wo es nur geht.“ Bärbel fing das Lachen an und Jessica sah ziemlich verdattert drein. Wie mochte ich das jetzt nur gemeint haben? So jedenfalls sah ihr Gesichtsausdruck gerade aus. „Ich wünsche euch beiden noch einen schönen Abend“, sagte ich lächelnd und stand ebenfalls auf um Max zu folgen. „Euch Zwei auch“, rief uns seine Mutter noch zu, ehe die Türe hinter uns beiden ins Schloss fiel. Die frische Luft tat gut und ich spürte wie die Müdigkeit so langsam verschwand. Zwar würde ich heute gewiss nicht die Nacht durchmachen, aber ein paar Stunden würde ich bestimmt noch durchstehen. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen dass es heute besonders lange werden würde, denn Per und Stefan waren sicherlich auch nicht die Fittesten, wenn man bedachte wann sie heute morgen aufgestanden waren. Sie hatten zwar am Abend zuvor keine Kartons packen müssen, aber arg viel früher waren sie sicherlich auch nicht ins Bett gefallen. Falls doch, musste man den Tag im Kalender wohl rot anstreichen. Es dauerte eine Weile bis wir am Proberaum ankamen, aus dem schon ein buntes Musik- und Stimmengewirr nach draußen drang. Vermutlich waren sie schon alle längst anwesend und Max und ich waren wieder einmal die Letzten. Aber daran hatten wir uns ja bereits gewöhnt und die anderen würden sich wohl nur wundern, sollte es einmal anders herum sein. „Na wen haben wir denn da?“, fragte Stefan grinsend als Max und ich durch die Türe kamen. „Wenn das mal nicht die zwei heiß vermissten sind“, lachte Tim und spielte ein paar Akkorde auf seiner Gitarre. Es tat gut ihn so lachen zu sehen und noch mehr ihn wieder scherzen zu hören. Es war damals ein sehr seltsames Gefühl gewesen zu wissen dass es jemand gab der einen sehr mochte, der unglücklich war, während man selbst glücklich war. Es hatte eine ganze Weile gedauert bis sich Tim daran gewöhnt hatte dass ich und Max zusammen waren und auch wenn es ihm schwer gefallen war, er hatte sich nie etwas anmerken lassen. Es wusste außer uns beiden niemand was jemals in der Nacht in Hamburg draußen auf dem Platz geschehen war und es würde auch niemals jemand erfahren. Es war unser beider Geheimnis und würde es wohl auch immer bleiben. Es ging einfach niemanden etwas an. „Wir hatten eigentlich damit gerechnet dich heute nicht mehr zu sehen“, meinte Per zu Max und versuchte dabei ernst zu bleiben. „Ich meine wie lange habt ihr Zwei euch jetzt nicht mehr gesehen?“ „Per du bist unmöglich“, hörte ich Jules sagen die plötzlich hinter uns aufgetaucht war. „Anstatt zu erkennen wie wichtig ihm die Band und die Probe ist, kannst du mal nur wieder anzügliche Witze reißen, die übrigens nicht mal witzig sind.“ Per bekam große Augen und sah Jules einfach nur an, während alle anderen ein immer breiteres Grinsen bekamen. Ja endlich gab mal jemand Per Kontra. Er hatte es einfach verdient. „Sind wir hier zum quatschen oder zum proben?“, fragte Max in die Runde, der mittlerweile seinen Platz eingenommen hatte. „Ihr wisst alle dass uns so viel Zeit auch wieder nicht bleibt. Also sollten wir uns ein wenig am Riemen reißen.“ „Wo er recht hat, hat er recht“, kam es von der Türe, in welcher auf einmal Carl stand. Wo kam der jetzt auf einmal her? Max hatte doch gar nicht gesagt dass sein Vater auch kommen würde und wenn ich mir Max jetzt gerade mal näher ansah, hatte er davon auch nichts gewusst und war wohl nicht minder überrascht ihn hier zu sehen. Zusammen mit Jules ließ ich mich auf das Sofa sinken was in einer Ecke des Raumes stand, während Carl auf einer umgedrehten Bierkiste Platz nahm. „Was ist jetzt?“, fragte Carl und sah die Jungs an. „Wollt ihr nicht endlich mal anfangen?“ Die Jungs sahen einander schulterzuckend an und legten los. Keiner hatte gewusst dass Carl vorbeikommen würde und dementsprechend waren auch alle ein wenig aus dem Konzept, was man schon nach den ersten Minuten merkte. „Jungs konzentriert euch mal“, meinte Carl und unterbrach somit die Jungs mitten im Song. „Das was ihr da gerade macht ist Bullshit! Das ist alles, aber kein guter Song.“ Max sah seinen Vater an und dann wieder weg. Man sah ihm genau an, dass es ihm überhaupt nicht passte wenn sein Vater sich auf diese Art und Weise einmischte. Er wusste selbst dass es gerade nicht das gelbe vom Ei war was sie hier ablieferten, aber sie waren eben alle ein wenig kaputt, aber das schien seinen Vater nicht wirklich zu interessieren. Per gab den Takt vor und die Jungs begannen erneut den neuen Song zu spielen, doch wieder wurden sie nach nur wenigen Minuten von Carl unterbrochen. „Ist es denn so schwer den Takt zu halten?“, fragte Carl und sah zu Per. „Du kannst nicht schneller oder langsamer werden nur weil du gerade Lust hast. Du bist derjenige der den Takt vorgibt, also ein bisschen mehr Konzentration bitte.“ Carl beugte sich auf der Bierkiste ein Stückchen nach vorne und stützte sich mit den Unterarmen auf seinen Oberschenkel ab, während er die Jungs weiter beobachtete. Max schloss kurz seine Augen und ich sah wie sich sein Brustkorb deutlich hob und wieder senkte. Ja er musste gerade tief eingeatmet haben und ich glaubte zu wissen warum. Wieder setzten die Jungs zum spielen an, doch sie hatten noch nicht einmal so richtig angefangen, als Carl auch schon laut aufseufzte und prompt hörten auch schon wieder alle auf. „Wo bitte liegt dein Problem?“, fuhr Max seinen Vater an und hatte dabei die Hand gehoben, mit den Handflächen nach oben. „Was sollte das gerade?“, fragte Carl und sah seinen Sohn an. „Es kann doch nicht sein dass Tim mit einem vollkommen anderen Akkord anfängt als es Stefan tut. Ihr wollt professionell sein, dann sollten euch solche Fehler nicht unterlaufen.“ „So fucking what!“, meinte Max und verdrehte die Augen. „Die letzten Tage sind wir von morgens bis abends nur am proben, reißen uns den Arsch auf damit alles funktioniert und jetzt nehmen wir es mal nicht so ernst und du drehst am Rad.“ „Während einer Tour könnt ihr auch nicht einfach mal das Leck-Mich-Verhalten an den Tag legen“, meinte Carl und sah seinen Sohn an. „Da müsst ihr jeden Tag die gleiche Leistung bringen...“ „Wir sind aber nicht auf Tour“, unterbrach Max seinen Vater. „Sondern stehen in unserem Proberaum und wollen einfach mal wieder ohne jeglichen Druck unsere Songs spielen. Es ist mir ehrlich gesagt egal ob Per den Takt nicht hält oder ob Tim in einer anderen Tonlage spielt als Stefan. Professionell ja, aber das heißt nicht dass wir auf unseren Spaß verzichten wollen.“ „Wenn ihr es aber jetzt schon nicht hinbekommt, wie wollt ihr es auf Tour machen?“, kam es wieder von Carl der nicht vorhatte sich etwas von Max sagen zu lassen. „Wie bitte?“, meinte Max und sah seinen Vater fragend an. „Ich glaub ich habe mich gerade verhört.“ „Nein das hast du nicht“, sprach Carl und schüttelte den Kopf. „Die Tour war gut und ihr ward nicht schlecht, aber ihr hättet besser sein können.“ „Ja und? Dann hätten wir eben besser sein können? Sollen wir uns jetzt in die Ecke setzen und heulen?“ „Nein ihr sollt endlich mal kapieren dass ihr mehr tun müsst wenn ihr es schaffen wollt!“ „Sollen wir uns etwa jeden Tag in den Proberaum einsperren, von morgens bis abends üben und üben bis wir den Spaß daran verlieren? Jeder hier im Raum weiß wie wichtig ist es ist, da brauchen wir niemand der es uns jeden Tag aufs neue aufs Brot schmiert“, sagte Max und er war doch ein wenig aufgebracht. Ich konnte beide Seiten verstehen. Carl der eigentlich nur das Beste für die Jungs wollte und Max, der einfach nicht wollte dass man ihm ständig in etwas hineinredete. Da prallten einfach zwei sehr gute Musiker aufeinander, jeder mit konkreten Vorstellungen und da kam es eben zu Reibungen. Ich sah zu den Jungs die alle schweigend auf ihrem Platz standen und nicht wussten was sie jetzt davon halten sollten. Gut es war nicht die erste Auseinandersetzung die sie von Carl und Max mitbekamen, aber es war jedesmal aufs neue eine seltsame Situation. „Leute wenn wir so weitermachen, dann können wir die Probe gleich knicken“, sprach Julius ruhig und sah zwischen Carl und Max hin und her. „Entweder wir diskutieren die Sache jetzt tot oder wir nutzen die Zeit. Was glaubt ihr wohl ist effektiver?“ Carl und Max sahen zu Julius und beide zuckten gleichzeitig mit den Schultern. Im Endeffekt hatte Julius ja recht, aber trotzdem wurmte es Max, dass sein Vater ihm so wenig zutraute. Zumindest hörte es sich im Moment stark danach an. Er nahm die Sache ernst, ihm war das alles wichtig und er wusste auf was es drauf ankam, also warum vertraute sein Vater ihm nicht einmal. Es war ihm ja klar, dass es Carl nur gut meinte und versuchte ihnen mit seiner Erfahrung und seinem Wissen zu helfen, aber ein paar Erfahrungen würden sie dann doch gerne noch alleine machen. Ich wurde leicht am Arm gerüttelt und hörte jemand leise „Aufwachen“ sagen. Langsam machte ich meine Augen auf und sah Max an der mich grinsend ansah. „Ich wusste gar nicht dass unsere Musik auch gut zum einschlafen ist“, meinte er schmunzelnd und gab mir einen kleinen Kuss. „Sorry“, murmelte ich und gähnte herzhaft. „War wohl doch ein wenig zu lange der Tag für mich.“ „Dann sollten wir heim gehen“, meinte Max und half mir aus dem Sofa. „Wir sind so oder so fertig mit der Probe.“ Ich nickte leicht mit dem Kopf, folgte Max und freute mich schon auf ein weiches Bett. Kapitel 5: Farbschlacht ----------------------- Ich drehte mich auf die andere Seite und langte mit der Hand auf den Platz neben mir. *Halt! Da fehlt doch was!*, schoss es mir durch den Kopf und ich machte die Augen auf. Ja es fehlte tatsächlich etwas oder besser gesagt jemand. Der Platz neben mir im Bett war leer und es sah aus, als wäre es schon länger so. War ich so müde gewesen, dass ich so tief geschlafen hatte, dass ich nicht mitbekommen hatte wie Max aufgestanden war? Ich drehte mich auf den Rücken, runzelte die Stirn und zuckte letztendlich mit den Schultern. Kurz warf ich einen Blick auf die Uhr und da wurde mir auch klar, warum ich alleine im Bett lag. Es war mittlerweile später Nachmittag und er hatte mir ja gesagt dass er an diesem Tag einen Termin hatte. Aber warum hatte er mich nicht geweckt als er gegangen war oder hatte er es und ich konnte mich nur nicht daran erinnern? So wirklich sicher war ich mir da absolut nicht. Aber es wurde auch nicht besser wenn ich die ganze Zeit hier im Bett lag, denn es gab eine Wohnung die dringend gestrichen und eingerichtet werden wollte. Seufzend stand ich auf, verschwand im Badezimmer und zog mich anschließend an. „Na? Ausgeschlafen?“, kam es von Bärbel als ich gerade das Zimmer verließ. „Nun ja es geht so“, lachte ich leise und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. „Aber ich kann ja schlecht den ganzen Tag verschlafen. Immerhin habe ich heute noch was zu tun.“ „Da fällt mir ein“, meinte seine Mutter und sah mich an. „Max hat gemeint er würde heute Abend dann direkt zu dir kommen und ich soll dir sagen er vermisst dich jetzt schon.“ Ein wenig verlegen senkte ich meinen Blick, denn es war komisch wenn einem die Mutter des Freundes solche Nachrichten ausrichtete. „Na dann hoffe ich mal, dass ich dann auch so weit fertig bin bis er kommt“, sagte ich grinsend. „Ansonsten spanne ich ihn einfach ein.“ „Der soll dir ruhig zur Hand gehen, wenn er schon einen Schlüssel hat“, lachte seine Mutter und warf einen kurzen Blick auf die Uhr. „Soll ich dich kurz rüber fahren?“ „Nur wenn es dir nichts ausmacht.“ „Natürlich nicht“, sagte Bärbel kopfschüttelnd und nahm die Schlüssel vom Brett. „Und unterwegs besorgen wir noch was zu essen, weil ich gehe mal stark davon aus, dass du nichts im Haus hast.“ „Wo du recht hast, hast du recht“, lachte ich und überlegte kurz ob ich etwas vergessen hatte, aber da ich nicht viel mitgebracht hatte, konnte ich auch nicht gerade viel vergessen. Auf dem Weg zu meiner Wohnung waren wir noch kurz einkaufen gewesen und nun stand ich mitten im Wohnzimmer, das mehr einem Chaos glich. Überall war Plane ausgelegt und im Moment fragte ich mich, wer mehr Farbe abbekommen hatte. Die Wand oder ich. Aber zumindest war das Wohnzimmer fertig gestrichen und nun musste noch das Schlafzimmer dran glauben. Ich streckte mich, gähnte und warf einen Blick auf die Uhr. Wenn ich in dem Tempo weitermachen würde, dann wäre ich auf alle Fälle fertig bis Max zurückkam. Allerdings könnte er sich aber auch ruhig Zeit lassen. Ich legte die Rolle neben den Farbeimer, strich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht und ging nach draußen auf den Balkon um eine zu rauchen. Nachdem man die ganze Zeit nur Farbgeruch in der Nase gehabt hatte, war die Luft eine angenehme Abwechslung. Ich lehnte mich mich mit dem Rücken gegen das Geländer und sah ihn das frisch gestrichene Wohnzimmer. Die Wände waren weiß, außer die Ecke in der später das Sofa stehen sollte, hatte ich mit Farbflächen abgehoben. Es würde später perfekt zu dem Sofa passen, welches ich bestellt hatte und welches wohl in den nächsten Tagen geliefert werden würde. Das Sofa und noch ein paar andere Möbel waren nur möglich gewesen, da meine Oma mich ein wenig finanziell unterstützt hatte. Sozusagen Ostergeschenk, Weihnachtsgeschenk und Geburtstagsgeschenk auf einmal. Ich drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und ging wieder in die Wohnung. Jetzt wo das Wohnzimmer fertig war, stand das Schlafzimmer an. Es sollte in einer Mischung aus Gelb und einem warmen Orange gestrichen werden und das in einer speziellen Technik. Ich hoffte nur es würde auch so klappen wie ich es mir in den Kopf gesetzt hatte. Ich hatte das noch nie gemacht, aber es gab für alles ein erstes Mal und entweder es klappte oder es klappte nicht. Man würde es ja sehen. Mit der einen Hand schnappte ich mir den Eimer mit der gelben Farbe und mit der anderen schnappte ich den Eimer mit dem Orange. *Puh... Leicht sind sie ja nicht gerade*, dachte ich mir und hatte meine Mühe die Eimer in das obere Stockwerk zu bringen. Sicherlich hätte ich auch erst den einen Eimer und dann den anderen hoch tragen können, aber da siegte jetzt schlichtweg die Faulheit. Warum 2 mal laufen, wenn es doch auch mit einem mal ging? Im Zimmer stellte ich die Eimer ab und bewegte erst einmal die Finger von denen ich glaubte, sie würden mir gleich abfallen. Selbst schuld eben. Ich öffnete die Deckel der beiden Farbeimer, rührte einmal kräftig um und schnappte mir den Schwamm. „Na dann auf zum fröhlichen sauigeln“, meinte ich lachend und machte mich an die Arbeit. Ich hatte mir das unheimlich schwer vorgestellt, aber es stellte sich als überraschend einfach heraus. Es machte so richtig Spaß und war wesentlich entspannender als mit einer schweren Farbrolle die Wand hoch und runter zu streichen. Das würde morgen einen deftigen Muskelkater geben, soviel stand fest. Aber ich hatte es ja nicht anders gewollt. Ich hatte es mir ja in den Kopf gesetzt alles an einem Tag zu machen, also machte ich es auch. Mit dem Arm wischte ich mir über das Gesicht um die Strähnen irgendwie aus dem Gesicht zu bekommen, denn meine Hände waren voller Farbe es musste ja nicht sein, dass ich aussah wie ein Streifenhörnchen. Obwohl ich eine gewisse Ähnlichkeit sicherlich schon aufweisen konnte. Zumindest hatte ich das Gefühl überall auf meinem Körper Farbe kleben zu haben und ich freute mich jetzt schon auf eine warme Dusche. Wieder tunkte ich den Schwamm in den Farbeimer und wischte summend damit über die Wand. Mit jeder Handbewegung bekam die Wand mehr Farbe und es war ein tolles Gefühl zu sehen wie eine Wand so nach und nach fertig wurde. Wieder tunkte ich den Schwamm in die Farbe und fuhr wieder damit über die Wand. Mit der anderen Hand drehte ich die Lautstärke meines MP3-Players lauter und fing nun munter an zum singen. Mit Musik ging eben alles sehr viel leichter von der Hand. Im Takt der Musik tanzte ich während dem streichen hin und her und es war mir vollkommen egal wie das im Moment aussehen musste oder wie krumm und schief es sich anhörte. Es war ja außer mir niemand hier. Wieder tunkte ich den Schwamm in die Farbe, als mich etwas am Kopf berührte und ich erschreckt herumfuhr. Aber alles was es bewirkte war, dass ich das Gleichgewicht verlor und auf dem Hintern landete. „Moah Max!“, rief ich aus und musste mich beherrschen nicht den Schwamm nach ihm zu werfen. „Hättest du dich nicht bemerkbar machen können?“ „Habe ich doch“, meinte er lachend und sah zu mir runter. „Aber du warst so vertieft gewesen, dass du mich nicht gehört hast.“ „Wie lange bist du denn schon hier?“, fragte ich und warf den Schwamm auf den Eimerdeckel und suchte nach einem Tuch um mir die Hände abzuwischen. Ich war nämlich so ungeschickt gefallen, dass ich mit der Hand den Schwamm zusammengequetscht hatte und mir die Farbe zwischen den Fingern hindurch gequollen war. Grinsend reichte mir Max das Handtuch. „Lang genug um fest zu stellen, dass wenn ich nicht aufpasse mir Konkurrenz aus den eigenen Reihen droht“, sagte er grinsend und hielt mir die Hand hin um mir beim aufstehen aufzuhelfen. „Mist jetzt hast du mich ertappt“, sagte ich lachend und ließ mir von ihm wieder auf die Beine helfen. „Ertappt? Bei was?“, fragte er nach und legte seine Stirn ein wenig in Falten. „Weißt du Max“, fing ich an und sah ihn zwischen den Wimpern hindurch an. „Eigentlich war ja alles ein ausgeklügelter Plan gewesen. Erst mich an dich ranwerfen, dann die nötigen Kontakte knüpfen und dann dich sitzen lassen, weil ich die große Karriere vor Augen hab. Aber irgendwie muss da wohl etwas schief gegangen sein.“ Max sah mich mit großen Augen an, ehe er anfing zu lachen. „Und was ist schief gegangen?“, fragte Max schmunzelnd nach und glaubte mir natürlich kein einziges Wort. Wäre ja auch schlimm gewesen hätte er es getan. „Nun ja schief gegangen ist vielleicht das falsche Wort“, meinte ich und musste mir das Lachen verkneifen. „Viel eher hakt es noch an den notwendigen Kontakten. Ich glaube daran sollte ich noch arbeiten, was bedeutet, du musst mich noch ein Weilchen ertragen.“ „Ob ich das überstehen werde?“, kam es seufzend von Max der einen Blick an die Zimmerdecke warf und anschließend die Augen verdrehte. „Ich gebe dir gleich überstehen“, sagte ich lachend und stupste Max mit der Fingerspitze auf die Nasenspitze auf der nun ein gelber Punkt prangte. Schielend sah Max auf den Punkt und dann zu mir. „Ist das die neue Art und Weise seinen Besitz zu markieren?“, fragte er nach und in seinen Augen lag schon wieder dieses gewisse Funkeln bei dem man mit allem rechnen musste. „Mal schauen ob ich das auch kann.“ So schnell dass ich gar nicht reagieren konnte, hatte sich Max den Schwamm geschnappt und ihn mir mitten ins Gesicht gepatscht. „Nein da fehlt noch was“, meinte er und ehe ich mich versah hatte ich den Schwamm auf den Kopf gepatscht bekommen und ich merkte wie die Farbe meine Haare runtertropfte. „Das wirst du mir büßen“, meinte ich lachend und schmiegte nun mein Gesicht an seinen Hals, so dass sein Hals jetzt genauso bunt war wie mein Gesicht. „Iiiihhh“, rief Max aus und zog seinen Kopf zwischen seine Schulter, aber da war es natürlich schon zu spät. Zufrieden betrachtete ich mein Werk. Ja so konnte man es lassen. „Weißt du eigentlich dass du eine riesen Wutz bist?“, fragte Max lachend und sah sich auf dem Boden nach dem Handtuch um. „Das bin ich erst seit ich dich kenne“, widersprach ich ihm feixend und stemmte die Hände in die Hüften. „Bevor ich dich kannte war ich nämlich lieb, brav und unschuldig gewesen.“ Mit großen Augen sah mich Max wieder an, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach. „Du? Unschuldig? Brav? Lieb? Wenn du schläfst vielleicht!“, lachte er und schüttelte den Kopf. Nein er nahm mir vieles ab, aber das garantiert nicht. Aber es hätte mich auch stark gewundert wenn er es getan hätte. „Das ist überhaupt gar niemals nie nicht wahr“, meinte ich versuchst ernst, aber sein Lachen war einfach zu ansteckend. „Willst du damit etwa andeuten ich würde übertreiben?“, fragte Max und hatte schon wieder den Schwamm in der Hand. Ich sah zu dem Schwamm, dann zu Max und ließ mich vor ihm auf die Knie fallen. „Ich tue alles was du willst, aber bitte lege den Schwamm auf die Seite“, flehte ich ihn an und setzte einen zuckersüßen Blick auf. Max sah auf den Schwamm in seiner Hand und dann zu mir nach unten. „Ich sage dir jetzt mal lieber nicht an was ich gerade gedacht habe“, meinte er feixend und warf den Schwamm neben den Eimer auf den Boden. „Du würdest mich wohl ansonsten durch halb Berlin jagen.“ „Ach würde ich das?“, hakte ich nach und alleine aufgrund seiner Aussage konnte ich mir schon ausmalen an was er gerade gedacht hatte. So gut kannte ich ihn mittlerweile. „Was macht dich denn da so sicher?“ „Nun also weil“, fing Max an und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Jetzt hatte er sich wohl ein klein wenig in die Sackgasse geredet und das merkte er gerade. „Ja weil?“, fragte ich nach und sah ihn von unten herauf weiter an. „Weil... Ja weil eben“, wich Max meiner Frage aus und ließ seinen Blick durch den Raum wandern. „Und was wäre wenn ich wüsste was dir gerade durch den Kopf gegangen ist und ich absolut nichts dagegen hätte?“, sprach ich weiter und genoss den Gesichtsausdruck den Max, gerade in genau diesem Moment, machte in vollen Zügen. Eine Mischung aus Überraschung, Verlegenheit und Leidenschaft. So einen Blick bekam man nicht alle Tage geboten. „Wie? Aber du? Ich meine...“, kam es nur von Max, der scheinbar absolut nicht mehr wusste was er sagen sollte. Aber er merkte dann doch recht schnell dass ich genau gewusst hatte was ich sage und auf was ich damit hatte hinaus wollen. In manchen Situationen waren Taten eben doch deutlicher als nur Worte. Kapitel 6: Vorbereitungen ------------------------- Die nächsten Tage war ich immer schon recht früh aufgestanden, denn ich wollte so einiges erledigen. Nicht nur das einräumen der Küche stand an, sondern auch das aufbauen der Möbel und das anschließende verstauen der Sachen die noch friedlich in ihren Kartons schlummerten. Ich wollte noch vor dem Wochenende mit allem fertig sein, damit die Einweihungsparty steigen konnte, die ich dummerweise allen versprochen hatte und das alles wollte ich hinter mich gebracht haben, ehe ich am Montag meinem ersten Arbeitstag gegenüberstand. Ich hatte keine Ahnung was da auf mich zukommen würde, was mich erwarten würde und mit was ich allem konfrontiert werden würde, aber zumindest gab es einen kleinen Lichtblick. Ich kannte immerhin eine Person dort, was mir den Einstieg wohl ein klein wenig erleichtern würde. Vorausgesetzt natürlich Benedikt würde auch die Zeit haben hin und wieder bei mir vorbei zu schauen und mir zu helfen, sollte ich mal nicht weiter wissen. Aber so wie ich mich kannte machte ich mir wieder einmal unnötig Gedanken, so wie eigentlich jedesmal wenn mir etwas bevorstand das ich nicht einschätzen konnte. Wie viele Gedanken hatte ich mir vor der Tour gemacht? Mir ausgemalt was alles passieren könnte und was war das Ende vom Lied gewesen? Es war alles anders gekommen als ich gedacht hatte. Aber das Leben hielt immer seine Überraschungen für einen parat und sorgte dafür, dass es niemals langweilig werden konnte. Selbstverständlich nur, wenn man sich auch auf das Leben einließ. Wer nur stur daheim in seinen 4 Wänden hockte und sich nicht für die Türe traute, für den würde wohl jeder Tag sein wie die vielen davor. Jeder hatte es selbst in der Hand was er aus seinem Leben machen wollte. Es brauchte lediglich ein wenig Mut und den Willen etwas zu ändern, dann konnte selbst aus einem Stubenhocker ein Partylöwe werden. Was bedeutete es schon hin und wieder mal auf die Schnauze zu fliegen? Solange man nicht liegen blieb, sondern wieder aufstand, war doch alles im normalen Bereich. Nicht alles im Leben lief glatt, aber mit jeder neuen Herausforderung die einem das Leben stellte, wuchs man weiter über sich hinaus. Die Herausforderungen waren es, die einen Menschen zu dem machte was er war und was sein würde. Man war das was man getan hatte und man würde das sein, was man tat. Es war ein ungeschriebenes Gesetz was einfach existierte und dennoch war es den meisten Menschen keinesfalls geläufig. Diese Menschen meinten wohl, dass sie tun und lassen konnten ohne dass sie jemals die Konsequenzen dafür tragen mussten, aber da täuschten sie sich und würden es früher oder später noch bemerken. Man konnte nur hoffen, dass es dann nicht bereits zu spät war. Es hieß zwar immer, dass es im Leben nie für eine Veränderung zu spät war, aber das traf nun einmal nicht auf alles zu. *Wenn du jetzt weiter über das Leben sinnierst wirst du nie fertig werden*, ermahnte ich mich selbst in Gedanken nachdem ich einen Blick auf die Uhr geworfen hatte. Es war jetzt beinahe fünf Uhr und um sechs würden sie so nach und nach eintrudeln und ich hatte das Gefühl dass nichts, aber auch wirklich nichts so richtig fertig war. Der Tisch war noch immer ungedeckt und die Küche sah aus als hätte eine Bombe eingeschlagen aber zumindest einmal waren die Getränke kalt gestellt. Es gab nämlich nichts schlimmeres als warmes Bier. Ok es gab schlimmere Dinge als das, aber nicht in diesem Moment. „Andrea? Wo hast du denn dein schwarzes T-Shirt hingeräumt? Das mit dem Spruch drauf?“, rief Jules fragend und lehnte sich dabei über die hüfthohe Wand, des oberen Stockwerks. „Das liegt im Schrank“, rief ich zurück und trug die Teller von der Küche ins Wohnzimmer um sie dort auf den Tisch zu stellen. „Da liegt es aber nicht“, rief Jules zurück und raufte sich die Haare. „Da muss es aber liegen“, rief ich zurück und ging ein paar Schritte im Wohnzimmer, so dass ich sie von unten zu ihr hinauf schauen konnte. „Im Schrank unten links, bei den ganzen anderen T-Shirts. Ich bin mich sicher dass es dort liegt.“ „Unten Links?“ „Ja unten links.“ „Kein Wunder finde ich es dann nicht“, meinte Jules und lachte auf. „Du hast nämlich vorher rechts unten im Schrank gesagt und da habe ich nichts gefunden. Zumindest nichts in dem ich nicht ersaufen würde.“ Ich sah Jules an, schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. Sie hätte eigentlich selbst auf die Idee kommen können im anderen Eck zu suchen, wenn ihr aufgefallen war, dass ihr die Sachen im rechten Teil zu groß waren. Selbst einem Blinden wäre es wohl aufgefallen dass es Maxs Sachen waren und nicht meine, aber Jules schien wohl mit ihren Gedanken im Moment wo ganz anders zu sein und ich konnte mir auch schon vorstellen wo sie waren. Noch immer nicht hatte sie es auf die Reihe gebracht Per gegenüber auch nur einen Hauch anzudeuten und wenn sie es heute nicht schaffen würde, dann würde ich nachhelfen, soviel stand fest. Normalerweise mischte ich mich in solche Angelegenheiten gar nicht erst ein, denn wenn es schief ging war man meistens der Buhmann, aber hier ging es wohl einfach nicht anders. Aber wenn der Prophet nun mal nicht zum Berg kam, musste der Berg eben zum Propheten. Ich brauchte ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, aber irgendwas würde mir da bestimmt noch einfallen. In der Küche fing die Eieruhr an zu piepsen und gab mir somit das Zeichen, dass das Essen soweit fertig war. Ich ging zurück in die Küche und warf einen Blick in den Ofen, bevor ich ihn abdrehte. Kurz sah ich mich um wo das Handtuch lag, schnappte es mir, denn auf verbrannte Finger konnte ich doch sehr gut verzichten. Gerade wollte ich die Auflaufform aus dem Ofen nehmen, als es auch schon an der Türe klingelte. „Jules! Mach mal die Türe auf!“, rief ich nach draußen und holte die heiße Form aus dem Ofen und stellte sie erst einmal auf dem Herd ab. „Fuck ist das heiß“, murmelte ich, denn die Hitze hatte ich noch durch das Handtuch gemerkt. Wahrscheinlich sollte ich mir demnächst einfach 2 Handtücher nehmen, anstatt nur eines. Ich hörte wie die Haustüre ging und fragte mich, wer da jetzt wohl gerade gekommen war. „Wer isses denn?“, rief ich nach draußen, drehte mich um und schnappte dann erst einmal nach Luft, als Max direkt vor mir stand. „Hab ich dich erschreckt?“, fragte er grinsend und gab mir einen Kuss zur Begrüßung. „Himmel, was musst du dich auch immer so leise anschleichen“, meinte ich und atmete langsam wieder aus. Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare und sah ihn dann fragend an. „Warum klingelst du eigentlich wenn du einen Schlüssel hast?“ „Hab ich doch gar nicht.“ „Und wer hat dann bitte gerade eben an der Tür geklingelt?“ „Das war ich“, kam es lachend von Per der seinen Kopf in die Küche streckte. „Aber Max war schneller als ich“, lachte Jules und tauchte neben Per auf. „Schneller? Wie?“, fragte ich nach, weil so ganz kam ich jetzt nicht mit. „Nun ich habe an der Türe geklingelt“, meinte Per und sah grinsend zu Jules. „Und ich wollte die Türe aufmachen“, sagte sie und sah zu Max. „Aber da hatte ich sie schon aufgeschlossen“, lachte Max und genoss meine Verwirrtheit sichtlich. „Wieso klingelt Per wenn du neben ihm stehst?“ „Weil er geklingelt hatte in dem Moment wo ich um die Ecke kam?“, schlug Max grinsend vor und warf einen Blick über meine Schulter hinweg auf das Essen. „Ich glaub da muss ich mal probieren“, meinte er und schnappte sich eine Gabel. Doch bevor er probieren konnte, hatte ich ihm schon lachend auf die Finger gehauen. „Nichts da wird probiert“, meinte ich mit gespielter Strenge und schüttelte den Kopf. „Du kannst ruhig warten bis die anderen da sind. Lange dürfte es ja nicht mehr dauern. In der Zwischenzeit könntest du dich lieber mal um den Rest kümmern, damit ich mich endlich mal umziehen kann.“ Ich rannte schon den ganzen Tag in einem schlichten Shirt und einer abgeschnittenen Jogginghose durch die Gegend, weil es einfach für die Dinge die ich hatte heute machen müssen, bequemer gewesen war. Aber das hieß nicht, dass ich vorhatte den ganzen Abend so herum zu rennen. „Also mich stört es nicht“, grinste Max nachdem er mich musternd von oben nach unten betrachtet hatte. „Also mich auch nicht“, kam es unterstützend von Per der Jules überrascht ansah, weil sie ihm in die Rippen geboxt hatte. „Männer“, seufzte ich leise auf. „Warum müsst ihr eigentlich immer zusammenhalten?“ „Weil man sonst nicht gegen euch Frauen ankommt?“, lachte Per und hielt dieses mal Jules Hände fest, bevor sie ihm ein weiteres Mal in die Rippen boxen konnte. „Also wenn ihr so schwach seid, dann sollte ich wohl besser den Bierkasten selbst aus dem Keller holen“, feixte ich und warf einen prüfenden Blick auf die Arme der beiden Jungs. „Nicht dass ihr mir unterwegs noch von der schweren Last zusammenbrecht.“ „Jetzt übertreibst du aber!“, lachte Max, packte mich an der Hüfte und fing an mich zu kitzeln. „Maaaaax“, kicherte ich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. „Tue lieber was sinnvolles.“ „Gute Idee“, meinte er und ehe ich mich versah, gab er mir auch schon einen leidenschaftlichen Kuss. „Hilfe“, meinte Per und grinste über das ganze Gesicht. „Da kann man ja neidisch werden.“ Ich löste mich von Maxs Lippen und sah zu Per. Mir lag ja in diesem Moment ein so passendes Kommentar auf der Zunge, aber ich verkniff es mir lieber. Ich konnte dem armen jungen Mann doch nicht so sehr einen Wink mit dem Zaunpfahl geben, dass es schon kein Wink mehr war, sondern ich hätte ihn damit wohl beinahe erschlagen, hätte ich mir das Kommentar jetzt nicht verkniffen. „Per? Wie wäre es, wenn du mal den Bierkasten holst?“, sagte ich zu ihm und sah dann zu Jules. „Und du zeigst ihm wo der Keller ist.“ So, somit waren die beiden schon einmal beschäftigt und ich vor weiteren frechen Äußerungen verschont. „Max und du kümmerst dich um das Besteck und die restlichen Teller, damit die aus der Küche rauskommen, genauso wie die Gläser und der Rest eben und ich verschwinde mal kurz und zieh mich um.“ Kurz sah ich zwischen den Dreien hin und her, doch da keine Einsprüche kamen, verschwand ich aus der Küche und ging nach oben ins Schlafzimmer um mir etwas anderes anzuziehen. Ich öffnete den Schrank und schlug beinahe die Hände über dem Kopf zusammen. Warum hatte ich mir eigentlich so viel Mühe gegeben alles ordentlich einzuräumen wenn es jetzt aussah, als wäre ein Tornado durch den Schrank gefegt? So viel Chaos konnte man doch gar nicht veranstalten nur um ein einfaches T-Shirt zu suchen, aber Jules schaffte wirklich alles. So langsam bekam ich das Gefühl sie schlug so langsam nach mir, während ich ruhiger wurde. Früher war sie diejenige gewesen die immer auf Ordnung geachtet hatte und ich diejenige, mit der das Chaos Hand in Hand unterwegs war und jetzt schien es beinahe umgedreht zu sein. Aber wenn 2 Chaoten unter einem Dach lebten, dann musste es einen geben der hin und wieder ein Auge auf die Sache warf. Gut Max wohnte ja nicht bei mir, zumindest nicht offiziell. Er schlief nachts hier, aß meistens auch hier, hatte ein paar Sachen von sich hier, aber das war es eigentlich auch schon. Jeder hatte noch sein eigenes Reich wohin er sich zurückziehen konnte wenn er seine Ruhe brauchte und das wollten wir auch weiterhin beibehalten, da waren wir uns recht schnell einig gewesen. Man musste ja nicht gleich alles überstürzen und so etwas schon gar nicht. Umgezogen ging ich wieder nach unten wo überraschenderweise alles erledigt war. Es gab nichts mehr, was noch gemacht werden musste. Jetzt fehlte nur noch die restlichen Leute und dann konnte die Einweihungsparty beginnen. Kapitel 7: Balkongeflüster -------------------------- „Und schon Zeit gehabt dich einzuleben?“, fragte Benedikt ruhig und lehnte sich leicht mit dem Rücken gegen das Balkongeländer. „Bis jetzt nicht wirklich“, meinte ich lächelnd und zog an meiner Zigarette. „Die letzten paar Tage hab ich mit einräumen verbracht, da kann man nicht wirklich von einleben sprechen. Aber ich denke das wird in den nächsten Tagen sicherlich noch passieren.“ „Schöne Wohnung muss ich sagen“, meinte er weiter und ließ seinen Blick durchs Wohnzimmer wandern. „Für euch beide fast wie geschaffen.“ „Wenn man mal außen vor lässt dass hier nur einer wohnt“, lachte ich und drückte meine Zigarette im Aschenbecher aus. „Wie jetzt?“ „Nun ich weiß auch nicht“, sagte ich schmunzelnd. „Aber jeder denkt wir würden hier zusammen wohnen, aber das stimmt so nicht ganz.“ „Nicht? Sah aber danach aus“, grinste Benedikt und trank einen Schluck von seinem Bier. „Er wohnt vielleicht zur Hälfte hier“, meinte ich und zuckte leicht mit den Schultern. „Aber mehr auch nicht. So schnell sind wir dann doch auch wieder nicht.“ „Schade und ich habe mich schon auf eine große Hochzeit gefreut“, lachte er auf. „Sag mal wollt ihr uns so schnell wie möglich vor den Traualtar bringen oder was habt ihr vor?“, kam es von mir mit einem Grinsen und einem zugleich fragenden Blick. Ständig redete hier jeder vom heiraten, dabei war es doch verrückt nach so kurzer Zeit schon an so einen Schritt zu denken. Besonders da weder ich noch Max großartig viel vom heiraten hielten. „Das liegt nur daran, dass wir dich alle mal in einem Kleid sehen wollen und nicht immer nur in Hosen“, lachte Benedikt und stellte die Bierflasche auf den Tisch. „Ach und dafür muss man gleich heiraten?“, fragte ich lachend zurück und zeigte ihm den Vogel. „Das könnt ihr, wenn es euch so wichtig ist, auch anders haben. Auf alle Fälle wäre es billiger und weniger Folgenreich.“ „Aber nur halb so schön“, warf Benedikt ein und ging vorsichtshalber in Deckung. „Benedikt“, fing ich an und warf ihm einen gespielt ernsten Blick zu. „Wenn du noch einmal das Wort Hochzeit in meiner Anwesenheit erwähnst, dann schwöre ich dir, dass die nächsten 6 Monate für dich zum reinsten Alptraum werden.“ Mit großen Augen sah Benedikt mich an, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach. Alleine die Vorstellung hatte ihm wohl schon gereicht um zu diesem Gefühlsausbruch zu kommen. „Du? Mir?“, kam es lachend von ihm, ehe er den Kopf schüttelte. „Wohl eher ich dir, besonders da ich ja jetzt weiß wie ich das anstellen kann.“ „Benedikt ich warne dich“, meinte ich zu ihm. „Ansonsten überlege ich mir das Ganze noch einmal oder ich lass mir irgendwas einfallen und glaub mir, mir würde etwas einfallen.“ „Wie du dich gegen die Hochzeitsplanung wehren kannst“, sagte Benedikt grinsend. „Oder wo du am schnellsten ein Hochzeitskleid her bekommst.“ „Benedikt!!!“, rief ich nur aus und hielt mir die Ohren zu. Das war ja schlimm und wenn das die nächsten 6 Monate so weitergehen würde, dann würde ich es wohl irgendwann doch noch mal tun, nur damit endlich Ruhe herrschte. Auf Dauer konnte das doch kein Mensch aushalten. „Ich glaube dir hat die Tour eindeutig nicht gut getan“, meinte ich zu ihm und sah mich kurz suchend um, wohin ich denn mein Bier vorher gestellt hatte. „Damals warst du wesentlich ruhiger und reifer gewesen um es mal so auszudrücken. Da hattest du noch nicht nur solche Sachen im Kopf gehabt, da konnte man sich noch ernsthaft mit dir unterhalten. Aber jetzt? No Chance!“ Leicht zuckten Benedikts Augenbrauen nach oben, als ich das sagte und mit einem leicht fragenden Blick sah er mich an. „Das ist jetzt nicht dein ernst oder?“, hakte er nach und in seinem Blick lag noch immer etwas fragendes. „Najaaa... Ich meine überlege doch mal wie wir uns früher unterhalten haben und wie wir uns jetzt unterhalten“, sprach ich ruhig und lehnte mich neben ihm gegen das Balkongeländer. „Es ist jetzt einfach anders oder wir haben uns verändert oder das Umfeld hat sich geändert. Keine Ahnung, aber irgendwie hat sich etwas verändert.“ Es war schwer zu erklären was sich da verändert hatte. Es war wieder einmal so ein typisches Bauchgefühl von mir. Aber ich erinnerte mich an das Gespräch damals so kurz vor der Tour, an das Gespräch auf dem Dach des Busses und an die vielen andere Gespräche die ich mit ihm geführt hatte. Sie waren alle einfach anders gewesen und wenn ich mir die Gespräche jetzt so ansah, bekam ich stellenweise beinahe das Gefühl, vor mir würde ein komplett anderer Mann stehen. „Ich denke was sich geändert hat sind einfach die Umstände“, kam es nach einer Weile von Benedikt der die Bierflasche in seinen Händen hin und her drehte. „Damals kannte man sich noch nicht, wusste nicht was der andere vorhatte oder dachte, wie er ist und da war einfach die Grundlage eine ganz andere. Aber das heißt nicht, dass es nicht mehr möglich ist, auch wenn sich vieles nun verändert hat.“ „Darf ich dir mal eine ernsthafte Frage stellen?“, fragte ich ihn und sah ihn von der Seite her an. „Klar doch“, meinte er, wenn auch ein wenig verdutzt. „Hast du dich eigentlich schon einmal gefragt was passiert wäre, wären die Jungs damals nicht in genau diesem Moment zurückgekommen?“, fragte ich ruhig und sah ihn aufmerksam an. Es war zwar komisch gerade jetzt nach diesem Abend zu fragen und eigentlich würde seine Frage auch nicht wirklich etwas ändern, aber da ich mich selbst gefragt hatte wollte ich einfach wissen ob er sich die Frage auch schon gestellt hatte. „Wie kommst du jetzt auf das?“, fragte er zurück und lächelte leicht. „Nun um ehrlich zu sein, hatte es mich damals stark gewundert dass du ausgerechnet am nächsten Tag hast verschwinden müssen“, sprach ich ruhig das aus, was mir damals durch den Kopf gegangen war. „Und ich hatte mich einfach gefragt ob es etwas mit dem zu tun hatte, was ein paar Stunden zuvor passiert war.“ Benedikt atmete leise aus, trank einen Schluck und sah ins Wohnzimmer und mein Blick folgte seinem Blick und somit wusste ich wohin er sah. „Wenn du dich noch gut daran erinnerst, dann auch sicherlich an das, was ich dir damals gesagt hatte“, sprach er ruhig und nahm noch einen Schluck aus der Flasche. „Du wolltest es mir damals nicht glauben und hast noch versucht es zu erklären, aber vermutlich war es dir zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht klar gewesen auf was es hinauslaufen würde.“ Ich wusste genau was er mir damit sagen wollte, auf was er anspielte, aber dennoch war es keine Antwort auf die Frage die ich ihm gestellt hatte. Es war nicht so dass ich unbedingt eine Antwort haben wollte oder eine Antwort brauchte, aber es war einfach ein fehlendes Puzzlestück welches viele andere zusammenfügen würde. „Aber ja ich hab mich gefragt“, sprach Benedikt weiter. „Allerdings habe ich mir diese Frage gestellt nicht im Bezug auf mich, sondern auf dich.“ „Auf mich?“, fragte ich verwundert, denn wie war das jetzt zu verstehen? „Ja auf dich“, lachte Benedikt leise und wuschelte mir mit der Hand durch die Haare. „Hast du dich denn nie gefragt ob es nicht Schicksal war dass sie genau in diesem Moment zurückgekommen sind?“ Ok jetzt hatte er mich eiskalt mit seiner Frage erwischt und ich musste erst einmal darüber nachdenken, denn wenn ich ehrlich war, hatte ich mir diese Frage noch nie gestellt. Genauso wenig wie ich die ganze Sache mit dieser Sichtweise betrachtet hatte. Ich hatte mich lediglich gefragt was auf dem Dach weiter geschehen wäre, aber nicht was das Drumherum für eine Rolle gespielt hätte. „Ich muss gestehen ich habe es mich nicht gefragt“, antwortete ich ihm dann nach einer Weile und schüttelte dabei den Kopf. „An das habe ich nicht gedacht oder besser es ist mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen mich das zu fragen.“ „Bist du glücklich?“, fragte Benedikt ruhig und sah mich nun wieder von der Seite her an. „Ja das bin ich“, antwortete ich ruhig und dazu brauchte ich nicht lange zu überlegen. Ich war es einfach ohne wenn und aber. Es gab nichts wo ich das Gefühl hatte es würde etwas fehlen. Es war einfach so perfekt wie man es sich eigentlich nur träumen konnte. „Dann solltest du aufhören dich 'Was wäre wenn' zu fragen sondern genieße dein Leben so wie es gerade ist“, sagte er ruhig und legte seinen Arm um meine Schultern. „Das Schicksal wird schon gewusst haben warum es was tut und warum es in einem bestimmten Moment passiert. Da brauchst du dir als Mensch keinen Kopf deswegen zerbrechen. Es kommt wie es kommt und meistens kommt es unverhofft, aber es bringt immer etwas positives mit sich.“ Leise lachte ich auf und lehnte mich gegen ihn. Wo er recht hatte, da hatte er wohl recht. Ich sollte mir wirklich weniger Gedanken über Dinge machen die in der Vergangenheit lagen, sondern lieber das Jetzt und Hier genießen. „Das ist der Benedikt den ich vermisst habe“, meinte ich zu ihm und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. „Schön dass er noch vorhanden ist, zwischen all dem Hochzeitsgerede.“ Ja das waren die Art von Gespräche gewesen die ich bei ihm vermisst hatte. Er sah einfach Dinge die man selbst nicht sah, aber er sagte es einem nie direkt, sondern er ließ einen immer selbst darauf kommen. Er hatte einfach eine andere Sicht der Dinge, was wohl nicht nur daran lag, dass er doch ein paar Jahre älter war als ich. Er sah das Leben einfach ganz anders und ich freute mich schon darauf mit ihm zusammen zu arbeiten, vorausgesetzt natürlich es gab überhaupt eine Möglichkeit dazu. Kapitel 8: Manchmal muss man einfach Hintern treten --------------------------------------------------- „Sagt mal muss ich jetzt eifersüchtig werden?“, kam es lachend von Max, der in der Balkontüre stand und Benedikt und mich ansah. „Nur wenn du es dir nicht verkneifen kannst“, gab ich lachend zurück und ging auf ihn zu um ihm den Arm um die Hüften zu legen. „So wie damals zum Beispiel“, meinte Per der in genau diesem Moment aufgetaucht war. Irgendwie musste der Kerl das riechen, weil warum sonst würde er immer genau im passenden Moment auftauchen? Max sah über die Schulter zu Per und verdrehte nur die Augen. Er wusste nämlich genau auf was Per anspielte, genauso wie ich. Nur Benedikt hatte nie etwas davon mitbekommen und eigentlich hatte es auch so bleiben sollen. „Per?“, fragte ich ruhig und winkte ihn mit dem Zeigefinger zu mir. Ein wenig fragend sah Per mich an, ehe er zu Max blickte, doch der zuckte nur mit den Schultern. Er wusste ja auch nicht was ich vorhatte, denn Gedankenlesen konnte er dann doch noch nicht. „Ähm ja?“, fragte Per und hielt wohl aus Erfahrung einen gewissen Sicherheitsabstand ein. Er kannte mich wohl einfach zu gut oder Jules hatte ihm zu viel über mich erzählt. „Ein Stückchen näher bitte“, meinte ich und winkte wieder mit dem Zeigefinger. Nur widerwillig folgte Per meiner Bitte und er sah in dem Moment aus, als hätte er Angst dass man ihm eins auf den Deckel gab. Verdient hätte er es zwar und irgendwie bekam er jetzt auch gleich eines auf den Deckel, aber auf eine andere Art und Weise wie er jetzt vielleicht vermutete. Ich nahm meinen Arm von Maxs Hüften und legte ihn stattdessen Per um die Hüfte. „Per? Ich glaube wir sollten mal ein ernstes Wörtchen miteinander reden“, sprach ich ruhig und sah ihn an. „Das glaubst du! Aber ich nicht“, meinte Per, der nicht wusste was er von der Sache jetzt halten sollte. Ihm kam das alles äußerst suspekt vor. „Glaub mir Per“, sprach ich ruhig und ging mit ihm ein paar Schritte beiseite. „Dieses Gespräch ist einfach notwendig besonders in Hinsicht auf deine Zukunft.“ Ich sah wie das Fragezeichen übers Per aufpoppte und musste mir ein Lachen verkneifen. Aber die Sache war jetzt viel zu wichtig um zu lachen. Aus den Augenwinkel heraus sah ich wie Max und Benedikt die Köpfe zusammensteckten und ich konnte mir fast schon denken über was sie gerade sprachen. Max war wohl gerade dabei Benedikt aufzuklären, zumindest schloss ich das aus dem Grinsen welches auf Benedikts Gesicht von Mal zu Mal breiter wurde. „Du machst mir Angst“, meinte Per, hatte aber noch immer ein kleines Grinsen auf dem Gesicht und das würde wohl so schnell auch nicht verschwinden. „Keine Sorge Per, so schlimm wird es nicht werden“, meinte ich und sah ihn an. „Außer natürlich du hast vor Jules noch länger im Ungewissen zu lassen. Dann könnte ich es mir eventuell noch einmal überlegen.“ „Jules? Was hat Jules damit zum tun?“, fragte Per und setzte einen Blick auf, so als könnte ihn kein Wässerchen trüben, aber die leichte Rotfärbung seiner Ohren hatten ihn schon längst verraten. „Och Per“, meinte ich und schüttelte leicht und vorwurfsvoll den Kopf. „Glaubst du denn wirklich ich wäre so blind um das nicht zu sehen?“ „Was denn sehen?“, versuchte sich Per weiter dumm zu stellen, aber er hatte schon in dem Moment verloren, wo er auf dem Balkon aufgetaucht war. „Also zählen wir mal zusammen“, meinte ich und sah kurz nachdenklich in die Luft. „Du hast sie bei dir übernachten lassen, du hast immer gefragt ob sie mitkommt, du hast dich um sie gekümmert, du schaust immer dass du in ihrer Nähe sein kannst und da ist dieser besondere Blick mit der du sie immer anschaust. Wie wäre es wenn du endlich mal deinen Hintern zu ihr schwingst und es ihr sagst anstatt andere mit Kommentare zu beglücken?“ „Ihr sagen? Ähm was soll ich ihr sagen?“, kam es von Per dessen Ohren mittlerweile genauso schön leuchteten wie damals im Hotel. „Ich fass es nicht“, seufzte ich auf und verdrehte die Augen. „Du hast dich in sie verknallt, sie sich in dich und keiner von euch beiden bekommt die Klappe auf und das wo ihr sie doch sonst nie zubekommt. Alles muss man hier alleine machen.“ Ich schnappte Per an der Hand und zog ihn einfach hinter mir her und direkt auf Jules zu. Vor Jules, die mir einen reichlich fragenden Blick zuwarf, blieb ich stehen. „So und jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht“, sprach ich ruhig und sah zwischen Jules und Per hin und her. „Entweder ihr steht jetzt zu dem was ihr fühlt und küsst euch oder aber ich sperre euch beide so lange gemeinsam in ein Zimmer bis ihr geredet habt. Ihr könnt es euch aussuchen.“ Es war vielleicht unfair was ich gerade machte, aber ich konnte mir die Tragödie einfach nicht länger anschauen. Da waren zwei Menschen die sich liebten und einfach nicht den Mumm hatten es dem anderen zu sagen. Vermutlich wäre das Schweigen noch Tage weiter gegangen ohne dass sich etwas verändert hätte. Nein das konnte man wirklich nicht länger mit ansehen. Ich verschränkte meine Arme und sah zwischen den beiden hin und her. „Also was ist jetzt?“, fragte ich. „Ich drehe mich auch um wenn ihr kein Publikum wollt.“ Jules stand da und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, während Per einfach nur verlegen auf den Boden starrte. Mir war klar dass es eine verdammt peinliche Situation für die Beiden war, aber wenn die sanfte Methode nicht klappte, dann musste eben der Holzhammer her. Ja manchmal musste man den Leuten einfach mal einen Tritt in den Hintern verpassen und sie zu ihrem Glück zwingen. Die Beiden waren das perfekte Beispiel dafür. „Ich geb's auf“, seufzte ich als beide einfach nur dastanden und auf den Boden starrten. „Gegen soviel Schweigen komm ich einfach nicht an. Tja ich habe es zumindest versucht.“ Ich zuckte mit den Schultern, drehte mich um und ließ sie einfach stehen. Überließ sie sozusagen selbst ihrem Schicksal. Sollten sie doch selbst schauen wie sie jetzt klar kamen. Genug Gesprächsstoff hatte ich ihnen ja jetzt geliefert. Es gab nichts mehr was der andere nicht wusste jetzt mussten sie es nur noch zu nutzen wissen. Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und ging zurück auf den Balkon wo Max und Benedikt standen und das Geschehen wohl beobachtet hatten. Das Grinsen auf den Gesichtern ließ es einen zumindest annehmen. „Und?“, fragte Max lachend und legte seinen Arm um meine Schultern. „Hör mir bloß auf“, meinte ich zu ihm und schüttelte den Kopf. „Ich frag mich echt wie alt die Beiden sind. 12? Obwohl 12-jährige sind da noch mutiger als die Zwei.“ Es war doch echt zum verrückt werden. Da gab es zwei Menschen die total ineinander verschossen waren und die bekamen es einfach nicht auf die Reihe. „Da wäre ich mich allerdings nicht so sicher“, lachte Max auf und drehte sich ein Stückchen um, so dass man jetzt ins Wohnzimmer schauen konnte. „Scheint als hätte deine Aktion Früchte getragen.“ Verwundert sah ich zu ihm, ehe ich ins Wohnzimmer blickte und das was ich da sah, ließ mich doch gleich mal aufatmen. Endlich hatten sie es geschafft sich zu küssen, das war immerhin schon mal ein gutes Zeichen. „Mission erfüllt“, lachte ich leise und lehnte mich an Max. Es war doch immer wieder etwas schönes andere Menschen glücklich zu machen und noch mehr, wenn es die beste Freundin war. Kapitel 9: Der erste Tag ------------------------ Es war ein sehr langer Abend gewesen und die Party war bis in die frühen Morgenstunden gegangen. Es musste wohl Sonnenaufgang gewesen sein, als der letzte die Wohnung verlassen hatte und Max und ich todmüde ins Bett fallen konnten. Aber es hatte sich gelohnt und es war wie ein kleiner Rückblick an die vergangene Tour gewesen. So ausgelassen hatte man alle nicht mehr gesehen und noch weniger auf einem Fleck. Ja es war schön gewesen endlich mal wieder alle gleichzeitig um sich zu haben und es würde bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein wo so eine Party gefeiert wurde. Zumindest nicht wenn die Nachbarn nicht doch noch ihre Meinung änderten. Wir hatten uns ja beherrscht, aber hin und wieder war es dann doch etwas lauter geworden als geplant, aber so war die Jugend eben. Es klappte niemals so wie man es sich vorgenommen hatte. Nur ungern war ich aus dem Bett gekrochen, aber einer hatte die Wohnung ja aufräumen müssen. Max und ich hatten uns schon seelisch darauf vorbereitet alles alleine machen zu müssen, aber überraschenderweise waren auf einmal Per und Jules vor der Türe gestanden um uns zur Hand zu gehen. Zu Viert war die Wohnung dann doch schneller wieder in Orginalzustand gebracht wie anfänglich erwartet. Aber da sah man eben auf wen man zählen konnte in solchen Momenten, wobei mich da das Gefühl nicht los ließ, dass Jules da der treibende Faktor gewesen war. Sie wusste ja dass ich am nächsten Tag meinen ersten Arbeitstag hatte und schrecklich nervös deswegen war, da wollte sie wohl nicht gerade, dass ich bis spät in die Nacht am aufräumen war, sondern dass ich die Chance hatte, mich früh ins Bett legen zu können um ausgeruht den Tag beginnen zu können. Sie kannte mich eben, denn genau so hatte ich es auch gemacht. Max hatte mich zwar ein wenig verwundert angeschaut als ich um 10 Uhr gemeint hatte, dass ich schlafen gehen würde, aber als ich es ihm erklärt hatte, hatte er es verstanden. Er war dagegen noch ein wenig um die Häuser gezogen, aber das war ja auch kein Problem gewesen. Wir waren zwar ein Paar, aber trotzdem hatte jeder noch seine Freiheiten und nur weil ich ins Bett ging hieß das noch lange nicht, dass er es auch tun musste. Mir machte es nichts aus wenn er alleine unterwegs war, weil ich vertraute ihm einfach. Ich wusste zwar manchmal selbst nicht woher ich das Vertrauen nahm, aber es war einfach da. Vertrauen war die Grundlage einer jeden Beziehung und war sie nicht vorhanden, dann stand auch die Beziehung unter keinem guten Stern. Vielleicht war ich was das anging naiv dass ich jetzt schon so viel Vertrauen gegenüber brachte, besonders wenn man sich ins Gewissen rief wer er war, wie er gewesen war und wie seine Fans drauf waren. Aber trotz allem hatte ich keine Angst dass etwas passieren könnte das nicht passieren sollte. Als mein Wecker am Montagmorgen das piepsen anfing hätte ich ihn am liebsten geschnappt und gegen die Wand geworfen. Ich fühlte mich wie gerädert und hatte keine Ahnung warum. Weder hatte ich am Tag davor zu tief ins Glas geschaut noch war ich lange wach gewesen. Ich rieb mir über die Augen und musste dem Wunsch, einfach die Decke über den Kopf zu ziehen, widerstehen. Mein Magen war am rebellieren und ich fühlte mich schlimmer wie nach einer durchzechten Nacht. *Wenn du nicht bald aufstehst kommst du an deinem ersten Tag auch noch zu spät*, ermahnte ich mich selbst und quälte mich aus dem Bett. Ich warf einen Blick zu Max, der friedlich schlief und von dem Piepsen des Weckers nicht einmal wach geworden war. Ich hatte keine Ahnung wann er heimgekommen war, aber wenn er so tief schlief, dann musste es sehr spät gewesen sein oder auch früh. Kam immer darauf an, von welcher Seite man es betrachtete. Leise um ihn nicht doch noch zu wecken nahm ich die Sachen vom Stuhl die ich mir am Abend zuvor noch rausgelegt hatte und verschwand im Badezimmer nebenan. Vielleicht würde eine Dusche helfen auf Touren zu kommen und mich wieder wie ein Mensch zu fühlen. Nicht dass ich dort auftauchte und alle fragten sich was ich hier verloren hatte. Gott so nervös war ich nicht einmal an meinem ersten Schultag gewesen und das musste schon was heißen. An diesem Tag hatte ich mich in meinem Kleiderschrank versteckt gehabt und wollte nicht mehr rauskommen, weil ich der Meinung gewesen war, in der Schule würden die Lehrer die Schüler verschlingen. Ob ich das wirklich gemacht hatte wusste ich nicht mehr so genau, aber meine Mutter konnte sich noch sehr gut an diesen Tag erinnern und egal mit wem auch immer sie gerade sprach, sie konnte es sich nicht verkneifen den Leuten diese Geschichte zu erzählen. Es wunderte mich so oder so schon, dass sie es nicht auch schon Max erzählt hatte. Aber nur weil sie es noch nicht getan hatte hieß das nicht gleich, dass sie es nicht noch tun würde. Prüfend sah ich in den Spiegel und schüttelte nur den Kopf über das was ich da zu sehen bekam. „Andrea? Du siehst einfach nur scheiße aus“, sagte ich zu meinem Spiegelbild, rollte mit den Augen und streckte mir letztendlich selbst die Zunge raus. Warum machte ich mir eigentlich so viele Gedanken? Mehr als mich gnadenlos blamieren, alles falsch machen und mich wie der letzte Trottel aufführen konnte ich doch eh nicht machen. Also nichts, was ich nicht schon bereits kannte oder hinter mir hatte. Umgezogen verließ ich das Badezimmer und ging nach unten ins Wohnzimmer. Ich nahm einen Stift und hinterließ Max eine kleine Nachricht, ehe ich meinen Schlüssel packte und die Wohnung verließ. Zuerst hatte ich überlegt ob ich mit dem Auto fahren sollte, aber entschied dann doch besser mit den Öffentlichen zu fahren. So brauchte ich mir schon einmal keinen Kopf über einen Parkplatz zu machen und brauchte mich nicht durch den Berliner Berufsverkehr quälen. Alles in allem ein sehr großer und nicht zu verachtender Vorteil. In der Straßenbahn ließ ich mich auf einen Platz sinken und versuchte einfach an nichts zu denken, aber das stellte sich schwieriger heraus als erwartet. Wenn ich wenigstens wüsste was mich erwarten würde, was ich tun musste, würde es vielleicht einfacher sein, aber ich wusste absolut gar nichts. Benedikt hatte nichts, aber auch überhaupt nichts verraten gehabt, nicht einmal als ich ihm gedroht hatte ihn bis auf die Knochen zu blamieren. So tief in Gedanken versunken hätte ich beinahe meine Haltestelle verpasst und konnte gerade noch so durch die sich schließenden Türen huschen. Das wäre es wirklich noch gewesen, einfach so die Haltestelle zu verpennen. Ich warf einen Blick auf das Gebäude und ich spürte wie die Übelkeit in mir aufstieg. *Jetzt reiß dich doch endlich mal zusammen!*, ging es mir durch den Kopf und nach einmal tief einatmen ging ich auf die Türe zu, öffnete sie und machte mich auf den Weg zu meinem neuen Arbeitsplatz. „Da bist du ja endlich“, wurde ich auch schon lachend von Benedikt begrüßt. „Ich dachte schon du hast dich vor lauter Angst im Zimmer eingeschlossen.“ Ich hätte mir doch denken können dass so eine Begrüßung kommen würde, besonders da er ja gewusst hatte dass ich mir einen Kopf wegen heute machte. „Das hättest du wohl gerne gehabt“, meinte ich zu ihm und grinste leicht. „Aber den Spaß konnte ich dir leider nicht gönnen.“ „Sehr gut“, sagte Benedikt und ging auf schon auf einen Schreibtisch zu. „Und ich dachte schon ich wäre mit dem ganzen Papierkram völlig alleine.“ Schmunzelnd deutete er mit der Hand auf die Papiere die sich auf dem Tisch beinahe stapelten. Ich hatte zwar keine Ahnung was das für Papiere waren, aber er würde es mir hoffentlich gleich sagen. Weil man konnte schlecht etwas machen wenn man nicht wusste, was man eigentlich machen sollte. „Ok“, fing ich an und sah von den Papieren zu Benedikt. „Ich sehe dort auf dem Tisch einen Haufen Papiere liegen und es sieht nach jeder Menge Arbeit aus. Ich würde vorschlagen du sagst mir was das ist, was ich tun soll, damit ich anfangen kann.“ „Am Samstag noch voller Sorge und jetzt arbeitswütig“, lachte Benedikt und setzte sich auf die Tischkante. „So habe ich es gerne.“ Er fuhr sich mit der Hand über den Kopf und sah dann zu dem Papierstapel. „Das sind alles Bewerbungen von Bands für das nächste Emergenzafestival hier in Berlin“, sagte er ruhig und grinste dann kurz. „Tja und die sollte man jetzt einer Ordnung unterziehen und das wird deine Aufgabe sein.“ „Ok klingt logisch“, sagte ich und nickte leicht mit dem Kopf. „Und nach welchen Kriterien soll das ganze geordnet werden?“ „Nun das ist auch deine Aufgabe“, lachte Benedikt und stellte sich wieder hin. „Wie das ist auch meine Aufgabe?“, fragte ich nach, denn das was ich jetzt gerade dachte konnte er doch gar nicht meinen oder etwa doch? „Es ist deine Aufgabe dir ein sinnvolles und praktisches System zu überlegen und anschließend die Bewerbungen danach zu ordnen“, erklärte Benedikt ruhig und hatte damit genau das ausgesprochen von dem ich gehofft hatte er würde es nicht tun. „Aber warum soll ich mir ein System überlegen wenn ihr doch sicherlich schon eines habt?“, hakte ich nach, denn der Sinn der darin lag wollte sich mir nicht so wirklich offenbaren. „Stimmt wir haben ein System, aber vielleicht ist das System was du dir überlegst besser als unseres“, lachte Benedikt und sah kurz zu einer jungen Frau die ihn etwas gefragt hatte. Kurz erklärte er ihr ein paar Dinge und sah dann wieder zu mir. „Außerdem steht man in dem Job öfters mal vor organisatorischen Problemen oder wird mit einem bisher unbekannten Dingen konfrontiert und nun ja, das ist jetzt sozusagen deine Generalprobe für heute.“ Wenn ich hätte können, dann wäre ich ihm wohl in genau diesem Moment an den Hals gesprungen. Er wusste genau dass ich diesem Tag nervös entgegen gefiebert hatte und nun hatte er nichts besseres zu tun als mich gleich am ersten Tag ins eiskalte Wasser zu werfen und mich mir selbst zu überlassen. Ich hatte eigentlich gedacht er zeigt mir etwas, aber nein da hatte ich mich wohl mächtig getäuscht. Ich hatte ja nichts dagegen selbständig zu arbeiten, aber in diesem Fall erschien mir das alles ein wenig schwierig zu werden. Ich hatte doch von nichts eine Ahnung, wie sollte ich mir da ein System überlegen mit dem man arbeiten konnte? Aber vielleicht war auch genau das was er herausfinden wollte. Ob ich mich von so einer Aufgabe aus der Ruhe bringen lassen würde oder ob nicht. *Na dir werde ich es noch zeigen*, meinte ich in Gedanken zu ihm, verkniff es mir aber es laut zu sagen. „In Ordnung“, sagte ich ruhig und knackste leicht mit den Fingern. „Bis wann soll ich damit fertig sein?“ Benedikt warf einen Blick auf die Uhr, überlegte kurz, musterte mich und nickte dann mit dem Kopf. „Jetzt ist es 10 Uhr... Ich würde sagen bis um Drei? Ja das sollte zu schaffen sein“, sprach er ruhig und sah mich an. „Dann haben wir noch genügend Zeit die Bewerbungen durch zu arbeiten und unsere ersten Entscheidungen zu treffen.“ In 5 Stunden sollte ich mir ein System überlegen und auch noch die ganzen Bewerbungen danach sortieren? Ok scheinbar sollte auch noch das Arbeitstempo und die Auffassungsgabe gleich am ersten Tag mit geprüft werden. Alles in allem eine große Herausforderung, aber sie war zu schaffen. „Ok dann mache ich mich jetzt einfach an die Arbeit und um drei Uhr hast du alles auf deinem Tisch liegen“, sagte ich zu ihm und setzte mich an den Schreibtisch. „Falls du Fragen hast oder Probleme dann kannst du jederzeit fragen“, meinte Benedikt ruhig und für das Grinsen welches er gerade hatte, hätte ich ihm gleich noch einmal an den Hals gehen können. Hatte ich auf Tour noch gedacht es könnte nicht schlimmer kommen, so hatte er mich gerade eines Gegenteils überzeugt. „Dort drüben steht die Kaffeemaschine und dort hinten steht irgendwo der Getränkeautomat und falls du Hunger bekommen solltest, gleich um die Ecke ist ein Bäcker.“ „Danke für die Informationen sie werden mir bestimmt nützlich sein“, meinte ich lächelnd und nahm die erste Bewerbungen in die Hand um mir einfach mal einen ersten Überblick zu verschaffen was da eigentlich alles drin stand. Vielleicht würde ich so einem sinnvollen System schon einmal einen Schritt näher kommen. Kapitel 10: Arbeitsbesprechung ------------------------------ Es war gar nicht so einfach gewesen, aber letztendlich hatte ich es dann doch noch geschafft ein System zu finden nach welchem ich die ganzen Bewerbungen sortieren konnte. Nachdem dieses einmal gefunden war, ging der Rest eigentlich überraschend schnell. Vermutlich hatte ich mir mal wieder mehr Sorgen gemacht als unbedingt notwendig gewesen waren, aber wollte einfach gute Arbeit leisten. Diese 6 Monate waren nun mal entscheiden für den weiteren Verlauf meines Studiums. Wenn ich diese 6 Monate versiebte dann war erst mal nichts mehr mit studieren. Dann durfte ich das Ganze noch einmal durchziehen und hätte somit ein halbes Jahr verloren und wer wusste schon, ob es den Studiengang dann noch geben würde. Immerhin stand es noch nicht fest ob er jetzt auf Dauer angeboten werden sollte oder ob nicht. Ich wollte mich nicht umentscheiden müssen nur weil ich in den 6 Monaten meinen Kopf nicht richtig benutzt hatte. Außerdem hatte ich mitbekommen dass Benedikt wegen mir ein gutes Wort eingelegt hatte und da wollte ich ihn natürlich nicht enttäuschen. Nicht nachdem er so vieles für mich getan und mir ermöglicht hatte. Ich heftete die letzten Bewerbungen zusammen und sah auf den nun geordneten Stapel. Entweder es war akzeptabel und sinnvoll oder es war Müll, aber das würde ich wohl erst erfahren, wenn ich ihm das alles auf den Tisch gelegt hatte. Also nahm ich den Stapel und ging damit zu Benedikt und blieb vor seinem Tisch stehen. „Sortiert und systematisch geordnet“, sagte ich ruhig und legte den Stapel auf seinen Tisch. Benedikt sah von seinem Rechner auf und dann zur Uhr. „Schon fertig?“, fragte er ein wenig verwundert, denn laut der Uhr die im Büro an der Wand hing, hatte ich noch eine knappe Stunde Zeit. „Wenn nicht würde ich wohl jetzt nicht vor deinem Schreibtisch stehen“, sagte ich grinsend und steckte meine Hände in die Gesäßtaschen. „Ok das ist ein Argument“, sagte Benedikt lachend und zog den Stapel näher zu sich heran. Ruhig nahm er den ersten Hefter in die Hand, blätterte hindurch und nahm sich dann den nächsten vor. Er sprach die ganze Zeit kein Wort und ich wusste jetzt nicht ob das was Gutes zu bedeuten hatte oder ob nicht. Nervös fing ich an auf den Füßen hin und her zu wippen, denn diese Stille machte mich beinahe verrückt. Warum konnte er nicht irgendwas sagen? Zum Beispiel dass die Sonne draußen schien. Machte zwar keinen Sinn, aber allemal besser als dieses Schweigen. Benedikt legte den letzten Hefter zurück auf den Stapel und sah mich an. „Hunger?“, fragte er ruhig und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. *Hunger? Wie kommt er jetzt auf Hunger? Kann er nicht endlich sagen ob es so Ok ist oder nicht?*, ging es mir durch den Kopf, denn so langsam wurde ich ungeduldig. Aber so wie es aussah hatte er nicht vor mir sein Urteil bekannt zu geben. „Dürfte ich fragen wie du jetzt auf diese Frage kommst?“, fragte ich stattdessen zurück und versuchte mir meine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. „Nun du bist seit heute morgen um 10 hier und ich hab nicht gesehen dass du irgendwann einmal verschwunden wärst“, antwortete Benedikt ruhig und grinste leicht dabei. „Deswegen gehe ich mal davon aus, dass du noch nichts gegessen hast und nach 4,5 Stunden könnte man eigentlich mal Hunger bekommen, besonders wenn man wie du mal wieder nicht gefrühstückt hast.“ „Nun eigentlich“ 'nicht' wollte ich sagen, doch da machte mir mein Magen einen Strich durch die Rechnung der meinte genau in diesem Moment sich melden zu müssen. Leise lachte Benedikt auf und das Grinsen wurde noch breiter. „Ok das war Antwort genug“, meinte er und schaltete seinen Rechner auf Standby. „Um die Ecke ist ein Chinese und ich würde mal sagen, ich lade dich zum Essen ein.“ „Ja und die Bewerbungen?“, fragte ich verwundert nach und sah ihn an. Er konnte doch jetzt nicht ans Essen denken, wenn da so viel Arbeit auf seinem Tisch lag. „Die werden bestimmt nicht wegrennen“, lachte er und stand auf. „Außer sie bekommen plötzlich Beine, aber das halte ich für ausgeschlossen.“ „Das meinte ich jetzt aber nicht“, sagte ich mit leichtem Kopfschütteln zu ihm. Er wusste genau was ich meinte und scheinbar machte es ihm Spaß mich auf die Folter zu spannen. „Ich dachte die müssen um 3 Uhr fertig sein wegen der Besprechung und ich habe keine Ahnung ob sie so verwendbar sind oder nicht. Weil wenn nicht dann hätte ich jetzt noch Zeit um alles zu ändern.“ Benedikt kam um den Tisch herum und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Jetzt atme erst einmal tief durch“, meinte er zu mir und seine Stimme hatte etwas beruhigendes an sich. „Du machst dir schon wieder über Dinge einen Kopf, wo man sich gar keinen Kopf machen braucht. Du musst wesentlich ruhiger und lockerer werden ansonsten bekommst du in dem Job irgendwann einen Nervenkoller. Also gehen wir jetzt was essen oder gehen wir was essen?“ Wie bitte hatte ich das jetzt zu verstehen? Konnte ich das jetzt deuten dass sie so akzeptabel waren oder waren sie so ein großer Bockmist, dass es so oder so nichts bringen würde sie noch einmal neu zu sortieren? Aber ich sah schon er würde mir wohl keine Antwort geben, bis ich etwas gegessen hatte. „Ok gehen wir was essen“, meinte ich schließlich und gab mich geschlagen. „Aber du zahlst!“ „Habe ich doch gesagt“, lachte Benedikt und meldete sich bei einem seiner Kollegen ab und verschwand zusammen mit mir aus dem Büro. Es war tatsächlich nur ein kurzer Weg vom Büro zu dem angesprochenen Chinese. Wenigstens hier hatte er mal eine konkrete Aussage getroffen. Wir setzten uns an einen freien Tisch und versanken erst einmal beide schweigend in der Speisekarte, ehe wir uns entschieden hatten und unsere Bestellungen aufgaben. „Und wann seid ihr 2 am Sonntag ins Bett gekommen?“, fragte er ruhig und sah mich über den Tisch hinweg an. „Ich glaube es war 6 Uhr morgens oder so gewesen“, antwortete ich ruhig und nahm meine Cola entgegen. „Vielleicht auch noch später. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung wann es genau war.“ „Ist also noch eine ganze Weile gegangen nachdem ich mich verabschiedet hatte“, lachte Benedikt auf und schüttelte den Kopf. „Das kann man wohl sagen“, meinte ich grinsend und nickte mit dem Kopf. Oh ja es war noch sehr lange gegangen. Er hatte sich ja schon um 2 Uhr morgens verabschiedet gehabt, da war die Party noch in vollem Gange gewesen. „Ich hatte auch nichts anderes von euch erwartet“, sagte Benedikt ruhig und stützte sich mit den Ellenbogen auf der Tischplatte ab. „Und sonst? Alles in Ordnung?“ „Ich kann nicht klagen“, meinte ich ruhig und nippte an meinem Glas. „Eigentlich könnte es nicht besser laufen, aber es würde wesentlich besser laufen wenn ich endlich wüsste ob meine Arbeit in Ordnung war oder nicht.“ Benedikt sah mich an, ehe er das Lachen anfing. „Du gibst wohl nie auf oder?“ „Oh nein“, entgegnete ich grinsend. So leicht gab ich gewiss nicht auf. „Hartnäckigkeit ist immer von Vorteil in dem Job, weil man muss sich durchsetzen können, ansonsten hat man verloren weil einem alle auf der Nase herumtanzen“, sagte Benedikt ruhig und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Man muss genau wissen was man will und wie man es erreichen kann, nur dann kommt man auf effektivem Weg dorthin wohin man will. Es war vielleicht nicht fair gewesen dich gleich an deinem ersten Tag vor eine solche Aufgabe zu setzen. Du hattest absolut kein Vorwissen, wusstest nicht genau was von dir verlangt wurde oder nach welchem System du arbeiten sollst, aber du hast genau das gemacht was man in so einem Moment am besten macht – Deinen Kopf eingesetzt. In diesem Job kommt es öfters vor dass man vor solchen Aufgaben steht. Es mag vielleicht jedes mal das Gleiche sein, aber dennoch ist es niemals das Gleiche. Du kannst 10 Festivals haben, alle laufen nach dem gleichen Prinzip ab, aber dennoch ist jedes für sich anders. Die Leute sind andere, die Crew ist eine andere, die Probleme sind andere. Mit einem Schema-F-Arbeiten kommt man da nicht weit. Man hat zwar seine Grundvorgehensweisen und wenn alles gut geplant ist, hat man vielleicht Glück, aber in den meisten Fällen passiert immer irgendetwas mit dem man nicht gerechnet hat. Wenn man dann nicht seinen Kopf einsetzt hat man verloren.“ Benedikt unterbrach seine Ausführungen als der Kellner kam und uns das Essen brachte. „Gute Planung ist eine Sache, Improvisation die Andere, aber beides funktioniert nur wenn man sich bei dem was man tut auch Gedanken macht“, meinte Benedikt ruhig und trank einen Schluck. „Wie viele Gedanken hättest du dir wohl gemacht wenn ich dir ganz genau gesagt hätte was du tun sollst? Du hättest lediglich Anweisungen umgesetzt, aber mehr auch nicht. Du hättest dich vermutlich nicht gefragt warum du es tust oder welchen Sinn es hat, du hättest es einfach getan weil ich gesagt habe du musst es tun. Was meinst du wie vielen Leuten du begegnen wirst, die glauben alles besser zu wissen? Die der Ansicht sind ihre Meinung sei die einzig wahre und nur ihr Weg wäre der effektivste? Hätte ich da jedes mal einen Strich gemacht, hätte ich wohl schon ein halbes Buch damit voll.“ Leise lachte Benedikt auf und so langsam verstand ich was er mir damit sagen wollte und warum er mich ins kalte Wasser geworfen hatte. Vermutlich hätte ich wirklich nur das getan was er mir gesagt hätte ohne mir darüber Gedanken zu machen was ich eigentlich tat. Aber dadurch dass er mir gar keine Anhaltspunkte gegeben hatte, hatte ich darüber nachgedacht und mir überlegt, welcher Weg wohl der effektivste sein würde. Ich war vor einem Problem gestanden und hatte mir eine Lösung überlegt. Das was ich wohl noch oft genug tun musste. In den Job ging es nicht darum das umzusetzen was jemand von einem umgesetzt haben wollte, sondern es so umzusetzen, dass es gut war. Einen Kompromiss aus dem was gewünscht wurde, aus dem was machbar war und dem was gut war. Es war eine Sache die jeder für sich entscheiden musste und das jedes Mal aufs Neue. Ein Universalrezept gab es hier wohl einfach nicht. „Aber du hast nicht nur deinen Kopf bei der Arbeit eingesetzt“, sprach Benedikt ruhig weiter, nachdem er den letzten Bissen mit einem großen Schluck herunter gespült hatte. „Sondern du hast ihn auch richtig eingesetzt. Um es kurz zu sagen – Du hast erstklassige Arbeit abgeliefert.“ Mit einem wohl etwas entgeisterten Blick musste ich ihn in diesem Moment angesehen haben, denn er fing leise an zu lachen. „Damit hast du jetzt wohl nicht gerechnet oder?“ „Ehrlich gesagt? Nein!“, meinte ich und sprach damit die Wahrheit. Ich hatte wirklich mit allem gerechnet, aber nicht damit. Gut wenn man einmal ein System gefunden hatte war es wirklich nicht besonders schwer gewesen, zumindest nicht im Nachhinein gesehen. „Und weißt du warum du damit nicht gerechnet hast?“, fragte er schmunzelnd und sah mich aufmerksam an. „Nein aber du wirst mich sicherlich gleich aufklären“, meinte ich lächelnd. „Weil du dir zu viele Gedanken machst und zu wenig an dich glaubst“, sagte Benedikt ruhig. „Du weißt dass du es kannst, aber du getraust dich einfach nicht es zu tun. Du bist eine starke Persönlichkeit und hast ein ziemlich großes Mundwerk, aber wenn es um solche Dinge geht, da verlässt du dich viel zu sehr auf die Meinungen von anderen. Legst viel zu viel Wert auf das was sie sagen oder sagen könnten. Du lässt dich davon so sehr beeinflussen dass du das machst was anderen gefallen könnte, aber nicht das, was du eigentlich machen wolltest. Du musst lernen hinter dem zu stehen was du tust, denn nur dann kannst du dein Projekt auch vor anderen vertreten und deine Meinung durchsetzen.“ „Mag sein aber....“, fing ich an, wurde aber sofort von Benedikt unterbrochen. „Genau das meine ich“, meinte er und sah mich an. „Dieses Aber. Du findest ein Aber wo es eigentlich gar kein Aber gibt und noch weniger eines geben sollte. Es ist dein Leben und es sind deine Ziele die du erreichen willst. Wenn du deine Entscheidungen ständig von der Meinung anderer abhängig machst, was für ein Leben führst du dann? Welche Ziele erreichst du dann? Deine oder die, die anderen für dich vorgesehen haben? Man wird es im Leben niemals allen recht machen können und es wird immer Menschen im Leben geben die einen kritisieren aber es gibt in deinem ganzen Leben nur eine einzige Person der du Rechenschaft schuldig bist und das bist du selbst. Stehe zu dir selbst und stehe zu dem was du machst, gehe keine Kompromisse ein wenn es dein persönliches Belangen betrifft und du wirst merken, dass die Kritiker so laut gar nicht sind. Man stößt vielleicht ein paar Leute vor den Kopf, aber die stecken das schon weg.“ Ich sah Benedikt einen Moment lang einfach nur an, ehe ich auf den Tisch sah. Er hatte mit dem was er sagte recht und das in allen Punkten. Ich fragte mich woher er das alles wusste, woher er mich so gut kannte, dass er es so auf einen Punkt hatte bringen können. Es war wirklich so dass ich viele meiner Entscheidungen von der Meinung Anderer abhängig machte. Dass ich oftmals den Weg des geringsten Widerstandes ging und Sachen machte die ich eigentlich gar nicht machen wollte, sie aber tat um Andere zufrieden zu stellen. Dass ich oft genug meine eigenen Belange zu Gunsten Anderer zurückstellte, auch wenn es mich nicht zufrieden machte, eher das Gegenteil bewirkte. Aber noch viel komischer war es, das alles von ihm gesagt zu bekommen. Von jemanden der mich gerade einmal eine Woche erlebt hatte und mich trotzdem durchschaut hatte. Ihm konnte man wohl nicht wirklich etwas vormachen. Er hatte mir ja damals schon gesagt dass er eine gute Menschenkenntnis hatte, aber dass sie so gut sein würde, hatte ich nicht erwartet. Im Moment kam ich mir vor wie ein kleines Kind das von seinem Vater eine Lektion über das Leben erhalten hatte. „Lust auf einen Nachtisch?“, unterbrach Benedikts Frage meine Gedankengänge und ich sah zu ihm und der Karte die er in der Hand hielt. „Das lasse ich mir nicht zweimal sagen“, gab ich schmunzelnd zurück und nahm ihm die Karte aus der Hand. Wenn man schon einmal eingeladen wurde, dann musste man es doch auch ausnutzen. „Ich wusste doch dass die Süße was Süßes will“, lachte Benedikt und zwinkerte mir zu. „Tja... Was meinst du wohl warum ich so süß bin?“, gab ich zwinkernd zurück und lachte leise auf. Aber nicht über das was gerade gesagt worden war, sondern eigentlich lachte ich viel eher über mich. Ich hatte mir die letzten 2 Tage so einen Kopf wegen diesem Tag gemacht, habe mir das schlimmste was es nur ging vorgestellt und hatte mich damit völlig ohne Grund verrückt gemacht. Ja ich sollte wirklich aufhören mir über alles mögliche Gedanken zu machen sondern es einfach auf mich zukommen lassen. War auf alle Fälle gesünder für die Nerven und für mein Umfeld. Kapitel 11: Kochprofi am Werk ----------------------------- „So dann würde ich mal sagen wir gehen mal wieder zurück, nicht dass sie uns noch vermissen“, meinte Benedikt grinsend und winkte den Kellner an den Tisch, damit er die Rechnung begleichen konnte. „Außerdem gibt es da noch ein paar Bewerbungen zu besprechen.“ „Da könntest du recht haben“, entgegnete ich grinsend. „Wir wollen doch nicht dass meine ganze Arbeit umsonst war.“ „Korrekt!“, lachte Benedikt und wir verließen zusammen das Restaurant um zurück ins Büro zu kehren. Dort wurden wir schon sehnlichst erwartet, denn alle warteten eigentlich nur darauf dass Benedikt auftauchte und man mit der Besprechung beginnen konnte. Ich wusste nicht so genau was ich in der Zeit machen sollte oder ob es das für heute gewesen war, aber als Benedikt mich einfach mit in das große Besprechungszimmer schleppte war mir klar, dass mein Tag noch lange kein Ende gefunden hatte. Zwar wusste ich nicht so recht was ich da sollte, weil ich konnte weder etwas dazu beitragen, noch kam ich bei dem Ganzen so recht mit, aber interessant war es dennoch. Einfach mal die ganze Sache von einer anderen Seite aus sehen zu können. Es war eine Sache bei einem Konzert als Besucher dabei zu sein, aber es war wesentlich interessanter zu erfahren, wie viel Planung und Überlegung im voraus schon reingesteckt wurde, bevor auch nur ein Ton gespielt werden konnte. Auf Tour hatte ich ja einen winzig kleinen Einblick bekommen was es alles zu tun gab, aber da war ja die meiste Arbeit bereits erledigt gewesen. Jetzt bekam ich es sozusagen hautnah mit wie sich ein Teilchen zu dem anderen zusammenfügte. Aber so interessant und faszinierend es auch war, so froh war ich als die Besprechung endlich ein Ende fand. Es war mittlerweile acht Uhr abends und ich freute mich darauf, meine Füße hochlegen zu können. Immerhin sollte ich in 12 Stunden ja schon wieder aufstehen. Ich war gespannt ob Max daheim war oder ob nicht. Er hatte zwar gemeint sie würden heute nicht proben, aber das konnte sich bei ihnen von einer Minute auf die andere ändern. Man musste jederzeit mit allem rechnen, aber das ließ es zumindest nicht langweilig werden. Man wurde ständig von etwas überrascht so dass es eigentlich gar keine Möglichkeit gab dass der Alltag sich einschleichen konnte. Die Straßenbahn war wesentlich leerer als noch am Morgen und darüber war ich sogar ziemlich froh. Mir klingelte noch immer der Kopf von den ganzen Gesprächen eben, dass ich nicht auch noch schnatternde Schulmädels gebrauchen konnte, die über den letzten Tratsch und Klatsch aus Bravo, Yam oder wie die ganzen Teeniemagazine alle hießen, redeten. Das war Morgens schon der absolute Horror, da konnte ich ihn Abends gewiss nicht noch einmal ertragen. Das beste war wohl, ich nahm mir morgen meinen MP3-Player mit und stellte ihn so laut, dass er das Geschnatter übertönen würde. Vielleicht ließ sich so die morgendliche Fahrt mit der Bahn leichter ertragen. Einen Versuch war es zumindest mal wert. Außerdem fing ein Tag mit Musik gleich sehr viel besser an als ohne. Vor der Türe blieb ich stehen und kramte aus der Tasche meinen Schlüssel, er sich natürlich mal wieder ganz unten befinden musste. Immer das was man im Moment am dringensten brauchte, war am weitesten weg. Aber irgendwann hatte ich ihn dann doch noch gefunden, steckte ihn ins Schloss und öffnete die Türe. Ich hing meine Jacke an die Garderobe und legte meine Tasche auf den Boden, zog die Schuhe aus und betrat das Wohnzimmer. „Jemand zu Hause?“, rief ich durch die Wohnung, rechnete aber nicht damit eine Antwort zu erhalten. „Außer mir niemand“, kam es von Max, der seinen Kopf aus der Küche herausstreckte. „Und jetzt dir natürlich.“ Er kam aus der Küche und auf mich zu. Sanft legte seine Arme um meine Schultern und sah mich von oben herab an. „Na wie war die Arbeit?“, fragte er, bevor er leise das lachen begann. „Wie immer mein Schatz“, antwortete ich ihm im gleichen Tonfall, ehe auch ich das Lachen anfangen musste. Es hörte sich absolut bescheuert an. Das war wohl das typischste was man von alten Ehepaaren dachte oder was man glaubte was bei ihnen am Ende eines Arbeitstages ablaufen würde. „Ok jetzt aber ernsthaft“, lachte Max und gab mir einen Kuss. „War es so schlimm wie du erwartet hast oder schlimmer?“ „Im Gegenteil“, meinte ich zu ihm und schüttelte den Kopf. „Nach den ersten 10 Minuten hatte ich zwar kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt Benedikt einfach zu erwürgen, aber dann ging es eigentlich.“ „Ihn erwürgen?“ „Ja erwürgen und das sogar eigenhändig“, bestätigte ich ihm das eben gesagt noch einmal und nickte dazu auch noch mit dem Kopf. „Ja aber wieso denn? So schlimm kann er doch gar nicht sein... Zumindest doch nicht zu dir?“, fragte Max nach, denn das konnte er sich jetzt doch nicht so ganz vorstellen oder besser gesagt es interessierte ihn brennend, warum gerade ich solche Gedanken bekam. „Ich erzähle es dir sofort, aber jetzt brauche ich erst einmal etwas zum trinken“, lachte ich, löste mich aus seiner Umarmung und ging auf die Küche zu. „Da würde ich...“, rief Max noch und wollte scheinbar verhindern dass ich die Küche betrat, aber da stand ich schon mittendrin. Ich ließ meinen Blick durch die Küche schweifen, die aussah als hätte jemand darin gewütet und warf Max einen fragenden Blick zu. Was bitteschön hatte er denn hier veranstaltet? Max verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und hatte seinen Blick leicht zu Boden gesenkt. „Nun ja... Ich hab versucht zu kochen“, meinte er und kaute dann leicht auf seiner Unterlippe herum. In diesem Moment sah er aus wie ein kleiner Lausbub der etwas angestellt hatte und nun Angst hatte Schelte von seiner Mutter zu bekommen. „Du hast versucht zu kochen?“, fragte ich nach, denn irgendwie konnte ich mir das einfach nicht vorstellen. Warum kam er bitte auf die Idee zu kochen und wenn er etwas hatte kochen wollen, was war es denn gewesen? „Ich weiß das hört sich verrückt an“, meinte Max und sah mich mit niedergeschlagenen Blick an. „Aber ich wollte dich überraschen und nun jaaaaa... Es hat leider nicht so geklappt wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hoffe du bist mir jetzt nicht böse dass es hier so aussieht als hätte eine Bombe eingeschlagen und ich räume auch alles wieder auf und putzen tue ich auch.“ „Soll ich dir was sagen?“, sagte ich ruhig, ging auf ihn zu und legte ihm meine Arme um seine schmale Taille. „Selbst wenn du die Küche abgefackelt hättest, hätte ich dir nicht böse sein können. Zumindest nicht besonders lange. Du wolltest mich überraschen und der Gedanke alleine zählt doch, nicht das Ergebnis.“ „Du bist mir also wirklich nicht böse?“, fragte Max vorsichtig nach und schien sich wirklich nicht sicher zu sein. „Nein, ganz gewiss nicht“, lachte ich leise und lehnte mich gegen ihn. „Dafür lieb ich dich viel zu sehr, als dass ich dir wegen einer chaotischen Küche böse sein könnte. Das heißt aber nicht dass sie immer so aussehen sollte.“ Ich sah ihn von unten herauf mit einem leichten Lächeln in die Augen und sah wie sich die Erleichterung in ihnen breit machte. Er legte seine Arme um meine Schultern und zog mich näher zu sich heran. „Und ich hatte schon Angst du würdest mir die Hölle heiß machen“, kam es leise von ihm. „Kommst heim mit knurrendem Magen und findest das heillose Chaos in der Küche vor.“ „Du bist halt einfach nicht zu einem Hausmann geschaffen“, lachte ich leise und sah ihn grinsend an. „Aber dafür hast du ja mich die sich um solche Sachen kümmert.“ „Ohne dich würde ich wohl gnadenlos verhungern“, meinte Max grinsend und fuhr sich mit der Hand verlegen über den Kopf. „Na wer weiß?“, sagte ich grinsend und sah einen Moment lang pfiffelnd in die Luft. „Willst du damit vielleicht irgendetwas andeuten?“, fragte Max nach und in seinen Augen lag schon wieder das Unheil verkündende Funkeln. Lachend trat ich einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände. „Würde ich doch niemals nie nicht und überhaupt erst recht nicht und schon gar nicht und du weißt schon tun“, sagte ich ernster Mine, auch wenn meine Mundwinkel leicht dabei zuckten. Aber es war nun mal schwer in so einem Moment nicht zu grinsen. Aber Max wäre wohl der Letzte der verhungern würde, nicht wenn sich so viele Mädchen regelrecht darum prügelten ihm etwas Gutes tun zu dürfen. Es würde sich wohl jederzeit jemand finden lassen der das übernahm. „So was hattest du eigentlich vorgehabt zu kochen?“, fragte ich ihn und betrachtete den Herd mit einem kritischen Blick. Wenn man genau hinsah konnte man die Rückstände von übergekochtem Wasser erkennen und wenn man noch genauer hinsah konnte man überall auf dem Herd und an der Wand dahinter kleine rote Flecken erkennen. Aber was noch viel verwunderlicher war, war die Tatsache dass Töpfe in der Spüle standen, die alle nicht viel besser aussahen, als der Rest. „Das weiß ich selbst nicht so genau“, meinte Max und kratzte sich mit der Hand am Hinterkopf. „Ich hab halt geschaut was im Kühlschrank ist, was in den Schränken ist und hab improvisiert.“ „So sieht es auch aus“, meinte ich lachend, nahm einen Topf aus der Spüle und drehte ihn leicht hin und her, bevor ich ihn wieder zurückstellte. „Aber bevor ich mir da jetzt irgendwas zusammenreime ist es wohl besser ich koche und schnell etwas und du deckst solange den Tisch.“ „Geht klar, da kann ich wenigstens nichts falsch machen“, grinste Max und nahm die Teller aus dem Schrank. „Falsch nicht, allerhöchstens kaputt“, lachte ich, als ihm beinahe ein Teller von der Arbeitsplatte gerutscht wäre, weil er mit dem Arm daran hängen geblieben war. „Sorry, aber du machst mich einfach so nervös, dass ich nicht weiß wohin mit mir“, kam es schlagfertig von ihm zurück, dass ich erst einmal sprachlos war. Ein wenig verlegen fuhr ich mir mit den Fingern durch die Haare und wusste jetzt nicht, was man dazu noch sagen sollte ohne dass es sich blöde anhörte. Das beste war wohl gar nichts darauf zu erwidern, auch wenn es bedeutete ihm diesen Punkt zu gönnen. Mit einem zufriedenen und leicht triumphierenden Blick verließ Max die Küche um den Tisch zu decken, während ich mich um das Abendessen kümmerte. Wenn es schon so los ging, wie sollten da erst noch die folgenden Tage werden? Das Chaos war eigentlich schon vorprogrammiert und ich erwischte mich, wie ich mir Gedanken darüber machte, was mich wohl am nächsten Tag erwarten würde. Aber im gleichen Moment wo es mir aufgefallen war, hatte ich diese Überlegungen auch schon wieder weit von mir geschoben. Warum Gedanken über etwas machen, was man so oder so nicht beeinflussen konnte? Es war doch viel spannender sich einfach überraschen zu lassen. Kapitel 12: Wenn die Fetzen mal fliegen --------------------------------------- „Und du bist dir sicher dass du nicht mitkommen willst?“, fragte Max nach und ließ einfach nicht locker. „Du weißt ganz genau dass es nichts mit wollen zu tun hat“, sagte ich ihm zum keine Ahnung wievielten Mal und zog an meiner Zigarette. „Und mit was bitte dann?“, kam es wieder von Max, der es einfach nicht kapieren wollte, dass es nicht ging. „Ich würde euch ja gerne begleiten, aber ich kann es nicht“, sagte ich zu ihm und lehnte mich mit dem Rücken gegen das Balkongeländer. „Du könntest bestimmt wenn du ihn einfach nur mal fragen würdest“, meinte Max und atmete tief ein. „Max ich bin jetzt seit 3 Wochen dort und ich bin bisher die erste Person die nach so kurzer Zeit schon mit so einem Konzept betraut wurde“, kam es ein klein wenig genervt von mir. „Ich kann jetzt nicht einfach alles hinwerfen und sagen 'Leute kann ich doch nicht machen, ich muss mal für 4 Wochen weg'. Was glaubst du würden die sagen? Was denkst du wohl was Benedikt sagen würde?“ „Der würde das bestimmt verstehen können“, meinte Max wieder und sah mich an. „Aber du hast ihn ja noch nicht einmal gefragt.“ „Warum sollte ich auch? Ich weiß genau was er sagen würde“, entgegnete ich und schnippte den Zigarettenstummel über den Balkon. „Ach und woher willst du wissen was er sagt? Vielleicht ist es auch gar kein Problem und du machst nur eines daraus.“ „Ich kann nicht einfach ein Team im Stich lassen was sich auf mich verlässt!“ „Aber mich... Mich kann man ja einfach mal so im Stich lassen. Versteh schon“, kam es von Max der sichtlich gereizt war. „Jetzt komme mir bitte nicht mit der Tour“, meinte ich und meine Stimme hatte einen leicht warnenden Unterton bekommen. „Du weißt genau wie gerne ich mitgekommen wäre und du weißt genauso gut, wie wichtig mit der Job ist, also höre endlich auf mich vor eine Entscheidung zu stellen. Die Aufnahmen das sind deine Zukunft, das Konzept ist meine Zukunft. Ich verlange von dir doch auch nicht die Aufnahmen um 4 Wochen zu verschieben bis ich mit meinem Konzept fertig bin oder?“ „Das ist etwas anderes.“ „Und was bitte soll daran so viel anders sein?“ „Man kann solche Aufnahmen nicht einfach mal so verschieben“, meinte Max und sah mich an. „Da steckt eine Menge Geld drin, eine Menge Arbeit und außerdem haben die Leute auch ihre Pläne.“ „Ach und bei mir soll das also so viel anders sein?“, fragte ich und schüttelte leicht den Kopf. „Bei dem was wir machen steckt genauso viel Geld drin, mindestens genauso viel Arbeit und auch wir haben einen Plan der eingehalten muss. Was denkst du wohl wäre los, wenn wir unseren Termin nicht einhalten können weil ich meine mal kurz 4 Wochen Urlaub machen zu müssen? Von diesem Konzept hängt eine Menge ab und verdammt viele Leute verlassen sich auf das Team und auf mich. Es ist mir einfach wichtig die Sache die ich angefangen habe zu Ende zu bringen. So eine Chance bekomme ich nicht noch einmal.“ „Ja ich hab schon gemerkt dass dir das alles wichtiger ist als ich es bin“, meinte Max sauer und ging zurück ins Wohnzimmer. Ich wusste dass er sauer war und es einfach nicht verstehen wollte. Für ihn lag die Sache einfach klar auf der Hand – Ich hatte keine Lust sie zu den Studioaufnahmen zu begleiten. Aber so war es einfach nicht korrekt. Ich wäre so gerne mitgekommen, aber es ging einfach nicht. In 6 Wochen sollte in Berlin das nächste Emergenza stattfinden und bis dahin war noch so vieles zu tun. Ich war mit einer Aufgabe betraut worden für die ich einfach diese 4 Wochen brauchte. Ich wusste ja noch nicht einmal ob ich es in der Zeit überhaupt schaffen konnte alles zu vollenden, aber man zählte einfach auf mich, es ging um meine Zukunft und die wollte ich einfach nicht aufs Spiel setzen. Was hatte ich schon davon wenn ich ihn zu den Aufnahmen begleitete und später mit nichts in den Händen hier saß? Aber das ging einfach nicht in seinen Kopf. „Max“, sagte ich, nachdem ich ins Wohnzimmer getreten war. „Es ist mir nicht wichtiger als du es bist, aber es ist mir im Moment wichtiger als deine Aufnahmen. Es ist meine Zukunft von der wir hier reden und über die du bestimmen willst. Aber so funktioniert es einfach nicht.“ „Ich weiß ja dass es dir wichtig ist“, sagte Max und ließ sich auf das Sofa fallen. „Aber du hättest ja zumindest einfach mal fragen können. Aber nein du tust es nicht einmal.“ „Wozu auch wenn ich die Antwort schon kenne?“ „Antwort kenne, Antwort kenne“, äffte Max mich nach und verdrehte die Augen. „Ich kann es bald nicht mehr hören!“ „Wenn du es nicht mehr hören kannst, dann hör einfach auf mir ständig die gleiche Frage zu stellen“, fauchte ich ihn an, denn das war jetzt dann doch zu viel des Guten gewesen. „Du kannst mich von mir aus noch 100 Mal fragen warum ich Benedikt nicht einfach frage und du wirst 100 Mal die gleiche Antwort erhalten. An dieser Antwort wird sich nichts ändern. Ich frage ihn nicht und damit Punkt, Aus, Basta!“ „Du willst doch nicht einmal dass sich etwas ändert“, fauchte Max nun zurück. „Du bist doch vollauf zufrieden wenn du mit ihm zusammenarbeiten kannst.“ „Geht jetzt das schon wieder los?“, fragte ich und stemmte die Hände in die Hüften. „Wann endlich hörst du mit diesen schwachsinnigen Unterstellungen auf? Das ist ja nicht mehr auszuhalten!“ „Ach ja? Schwachsinnige Unterstellungen?“, kam es fragend von Max, dessen Augen sich ein wenig dunkler gefärbt hatten. „Du kommst abends heim und erzählst mir was Benedikt doch alles getan hat, was er nicht alles gesagt hat und wie toll es doch ist mit ihm zusammen zu arbeiten. Vermutlich kommst du nicht mit, nicht weil du es nicht kannst, sondern weil du dich nicht von ihm trennen willst.“ „ES REICHT JETZT!“, fuhr ich Max wütend an, denn mir war jetzt einfach der Kragen geplatzt. Ich war die ganzen Unterstellungen einfach satt. „ICH BIN NOCH LANGE NICHT FERTIG!“, schlug Max zurück und war vom Sofa aufgesprungen. „Wie ist es denn mit den ganzen Überstunden die du schiebst? Glaubst du eigentlich ich bin blöde und kapiere das einfach nur nicht? Du tust es doch nicht weil du es musst, sondern weil du so noch mehr Zeit im Büro verbringen kannst.“ „Halte einfach die Klappe Max! Halte einfach nur deine Klappe!“, meinte ich mit lauter Stimme zu ihm und ich musste mich wirklich zusammenreißen. Was fiel ihm eigentlich ein mir solche Sachen zu unterstellen? Sicherlich machte ich Überstunden aber ich tat es weil ich in dem Job voran kommen wollte und nicht weil Benedikt ebenfalls dort war. Benedikt war mein Boss und ein guter Freund und das war aber auch alles. „Ich lasse mir von dir garantiert nicht verbieten das auszusprechen was Tatsache ist“, fuhr Max mich an und war um den Tisch herum gekommen und stand nun direkt vor mir. „Tatsache? Vielleicht in deinem kleinen kranken Hirn“, sagte ich wütend und stupste ihm mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. „Du bildest dir Sachen ein die überhaupt nicht vorhanden sind. Vermutlich stehst du sogar drauf dir selbst das Leben schwer zu machen.“ Wütend schlug Max meine Hand beiseite und sah mich mit einem Blick an, der vermutlich sogar die Hölle hätte einfrieren können. „Wage es nicht noch einmal dir ein Urteil über mein Leben zu bilden“, sagte er leise und dennoch war seine Stimme voller Wut. Was seine Stimme nicht ausdrückte, das tat sein Blick. „Ach du also darfst munter über mein Leben urteilen und was ich doch ach so schlimmes angeblich tue aber ich darf es nicht?“, meinte ich zu ihm und es war mir egal ob es sich nun ironisch anhörte oder nicht. „Ich glaube du hast vergessen wer vor dir steht und dass ich nicht eines deiner Abenteuer bin das du so manipulieren kannst wie es dir gerade in den Kram passt. Die dir nach dem Mund reden und zu allem was du sagst oder tust Ja und Amen sagen!“ „Jetzt hör auf so einen verdammten Quatsch daher zu reden!“, kam es jetzt wieder lauter von Max der erneut die Augen verdrehte. „Gib doch einfach zu dass es so ist!“, fauchte ich ihn an und trat einen Schritt zurück. „Dir passt es doch einfach nicht in den Kram dass ich neben dir noch mein Eigenes Leben habe und dir nicht wie ein treudoofes Hündchen hinterher trotte! Warum auch sonst willst du dass ich meine Zukunft in die Tonne kloppe?“ „Weißt du was? Du hast doch einen Knall!“, meinte Max und zeigte mir den Vogel. „Wenn hier einer einen Knall hat, dann bist eindeutig du das Max!“, sagte ich, drehte mich um und ging auf den Esstisch zu, wo ich mein Glas vorher abgestellt hatte. „ICH SOLL EINEN KNALL HABEN WEIL ICH GENAU WEISS DASS DU DICH MIT IHM IM BÜRO VERGNÜGST!“, brüllte Max durch die Wohnung und nun war ihm wohl der Kragen geplatzt. „JA GENAU DESWEGEN!“, brüllte ich zurück und drehte mich wieder zu ihm um. „ICH FASS ES NICHT!“, schrie Max und seine Augen waren noch dunkler geworden. „DU HÄLTST MICH DOCH TATSÄCHLICH FÜR SO BLÖDE DASS ICH DAS NICHT MITBEKOMME?!“ „NEIN ICH HALTE DICH FÜR SO DÄMLICH DASS DU AUF SO ABGEFUCKTE IDEEN KOMMST!“ „SAG MAL KAPIERST DU ES EIGENTLICH NICHT ODER WILLST DU ES NICHT KAPIEREN?“ „WO BITTE LIEGT DEIN GOTTVERDAMMTES PROBLEM?!“ Wütend standen wir beide im Wohnzimmer und funkelten uns an. Es war eine dieser Situationen wo keiner von uns nachgeben wollte, sondern jeder vorhatte seinen Sturkopf durch zu setzen und dass wir beide einen hatten, das war uns klar. Aber er war einfach davon überzeugt dass da mehr war und bestand auf dieser Meinung. Ich, die wusste dass dem nicht so war versuchte ihn vom Gegenteil zu überzeugen und keiner von uns merkte, dass wir angefangen hatten uns gegenseitig mit Vorwürfen und falschen Unterstellungen zu überhäufen. Eine Schlammschlacht der allerbesten Güte. Die Nachbarn würden sich sicherlich sehr darüber freuen. So etwas bekamen sie sicherlich nicht alle Tage zu hören. „ER IST DAS GOTTVERDAMMTE PROBLEM!! AUF TOUR HAT ER SCHON SCHATTEN GESPIELT, DANN BESORGT ER DIR DIESEN JOB WO ER ÜBERRASCHENDERWEISE DEIN BOSS IST, DANN KURZ VOR UNSERER ALBUMAUFNAHME KOMMT ER MIT DIESER AUFGABE AN UND DU BIST SO BLIND UND MERKST NICHT EINMAL WAS ER DAMIT BEZWECKEN WILL?!“ „SAG MAL BIST DU JETZT KOMPLETT DURCHGEDREHT? OHNE DIESEN JOB WÜRDE ICH JETZT NICHT EINMAL HIER WOHNEN UND DU HAST NICHTS ANDERS ZU TUN ALS IHM ZU UNTERSTELLEN DASS ER DAS NUR AUS EINEM BESTIMMTEN GRUND TUT?!“ „JA NIMM IHN DOCH AUCH NOCH IN SCHUTZ!“, schrie Max sauer und schnappte seine Jacke die er über den Sessel gelegt hat. „WEISST DU WAS? ICH HAB DIE SCHNAUZE VOLL UND HAU AB!“ Max drehte sich um und öffnete die Türe die hinaus zum Flur führte. „JA HAU DOCH AB WENN DU DICH DANN BESSER FÜHLST!“, schrie ich ihm hinterher und in dem Moment wo die Türe ins Schloss fiel, flog auch schon das Glas welches ich in der Hand gehalten hatte an die Wand wo er gerade noch gestanden war. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Ich verstand einfach nicht warum Max immer und immer wieder auf dieser Sache herumreiten musste. Immer wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging, dann kramte er diese Sache aus der Schublade. Eifersucht gehörte zu jeder Beziehung dazu und eine gesunde Eifersucht hatte auch noch keiner Beziehung geschadet, aber das was er da abzog ging einfach zu weit. Schon auf Tour hatte er dieses Bild in seinem Kopf gehabt und auch wenn ich gedacht hatte er hätte es nicht mehr, so war es wohl die ganze Zeit über in seinem Kopf geblieben. Aber ich wusste einfach nicht wie ich es ihm klar machen sollte dass da nichts war und nie etwas sein würde. Ich mochte Benedikt und er war ein wichtiger Mensch in meinem Leben, aber es gab nur eine einzige Person der mein Herz gehörte und das war Max. Daran würde sich auch nichts ändern. Es konnte kommen wer wollte, er könnte mir die Welt zu Füßen legen, mir anbieten alle meine Wünsche und Träume zu erfüllen und dennoch würde ich ablehnen. Warum konnte Max einfach nicht verstehen dass es für mich nur ihn gab? Leise seufzte ich auf und ging auf die Stelle zu, an welcher das Glas in Scherben auf dem Boden lag. Vorsichtig sammelte ich diese auf und warf sie in der Küche in den Müll. Wir hatten uns hin und wieder mal gezofft wenn unsere Meinungen in unterschiedliche Richtungen gegangen waren, aber so einen heftigen Streit hatten wir noch nie gehabt und ich fragte mich, ob das Glas wohl das einzige war, was in diesem Abend zu Bruch gegangen war. Es waren sehr viele unschöne Worte gefallen und wir hatten beide unsere Grenzen komplett aus den Augen verloren gehabt. Aber nun waren sie schon gefallen und konnten nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie hatten ihr Ziel schon gefunden und auch getroffen. Seine Vorwürfe hatten weh getan, sehr sogar und trotz allem fragte ich mich, ob er nicht vielleicht doch allen Grund hatte um auf solche Ideen zu kommen. Vielleicht war ich es ja selbst gewesen die mit ihrem Verhalten ihn zu solchen Schlüssen hatte kommen lassen. Aber er hatte nie etwas gesagt, mich nie spüren lassen dass es ihn störte oder er damit ein Problem hatte. Es hatte nie irgendwelche Anzeichen gegeben oder waren sie mir einfach nicht aufgefallen? Vielleicht war ich ja wirklich blind so wie er es gesagt hatte und merkte nicht was wirklich vor sich ging, dass nicht alles was passierte aus Freundschaft heraus passierte sondern wirklich einen bestimmten Sinn verfolgten. Ich verließ die Küche und ließ mich im Wohnzimmer auf das Sofa sinken. Die Beine zog ich an meinen Körper, umschlang meine Beine mit meinen Armen und legte mein Kinn auf meine Knie. Mein Blick ging hinaus auf den Balkon, während meine Gedanken bei Max waren. Ich fragte mich, ob er mitbekommen hatte wie das Glas hinter ihm an die Wand geflogen waren und wenn er es mitbekommen hatte, was hatte er wohl in diesem Moment gedacht? Was hatte er von mir in diesem Moment gedacht? Ich war wahrlich nicht stolz auf das was ich getan hatte, aber ich hatte einfach die Kontrolle verloren. Er hatte mich mit seinen Vorwürfen so sehr auf die Palme gebracht, dass ich kein anderes Ventil in diesem Moment gefunden hatte. Ja seine Worte hatten geschmerzt, aber noch mehr schmerzte der Gedanke dass dieser Abend vielleicht der Letzte sein könnte. Ich wusste nicht ob er im Affekt gesagt hatte dass er gehen würde und ob er nicht nur gegangen war weil er es nicht länger hatte hören können oder ob er mit gehen wirklich gehen gemeint hatte. Mein Blick fiel auf mein Handy das nur wenige Meter von mir entfernt auf einem Schrank lagen. Aber was hätte ich ihm jetzt in diesem Augenblick auch sagen sollen? Egal was ich auch sagen würde, es würde wohl das falsche sein. Ich wusste ja noch nicht einmal was ich ihm hätte sagen sollen. Dass es mir leid tat? War denn so etwas mit einer so einfachen Entschuldigung einfach abgetan? Wie sollte man sich bei einem Menschen entschuldigen dem man weh getan hatte? Dem man Sachen an den Kopf geworfen hat wo man genau wusste dass sie nicht stimmten und man es nur getan hatte, damit man dem Menschen weh tun konnte? Dass man so tief im Schlamm gewühlt hatte nur um etwas zu finden, dass dem Gesagten noch eines oben drauf setzen konnte? Wie sollte man sich für so etwas entschuldigen? Ich ließ meinen Blick durch die Wohnung schweifen, die dunkel vor mir lag. Es war still. So still dass ich mich selbst atmen hören konnte. Zu still. Morgen würden sie für 4 Wochen aus Berlin verschwinden um ihr Album auf zu nehmen, während ich hier zurückbleiben würde. Das einzige was ich hatte um mit ihm zu reden würde das Telefon sein. Dieses Mal würde ich nicht mal kurz Abends vorbeifahren können, dafür war es zu weit. Ich wusste nicht einmal ob ich es an einem Wochenende schaffen würde vorbei zu fahren. Das wovor ich immer Angst gehabt hatte, stand mir nun kurz bevor. Ich musste schauen wie ich ohne ihn klar kam. Noch vor Wochen hatte ich mir nicht vorstellen können mein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen, jemanden so nahe an mich heran zu lassen dass jede Minute ohne ihn zu Stunden wurden und doch war es geschehen. Ich hatte mich auf das eingelassen wovor ich mich am meisten gefürchtet habe – Mein Leben und mein Glück in die Hände eines anderen Menschens zu legen. Ich wusste dass es schief gehen konnte und trotzdem hatte ich diesen Schritt gewagt und jetzt... Jetzt saß ich hier und wusste nicht ob alles mit einem einzigen Schlag ein Ende gefunden hatte. Das Leben gab und nahm. Es fragte nicht lange, es nahm sich einfach das was es sich nehmen wollte. Kompromisslos. Das Leben nahm keine Rücksicht auf die Gefühle von Menschen noch auf ihre Ziele oder Wünsche. Ich wusste nicht ob er heute noch einmal zurückkommen würde. Mir blieb nur die Hoffnung dass er es tun würde. Dass er nicht einfach ging ohne mir noch einmal die Chance zu geben mich für alles zu entschuldigen. Mir die Chance gab ihm zu sagen was er mir bedeutete. Die Welt drehte sich weiter und der Zeiger der Uhr folgte stur seiner festgelegten Bahn während ich einfach nur im Dunkeln auf dem Sofa saß und in die Nacht hinaus starrte. Kapitel 13: Zukunft ------------------- Ich hatte keine Ahnung wie lange ich schon hier auf dem Sofa saß und in die Nacht hinaus starrte. Noch immer saß ich so da, wie ich mich hingesetzt hatte. Ich hatte mich nicht bewegt, mich nicht getraut mich zu bewegen aus Angst seine Rückkehr nicht mit zu bekommen. Aber ich wollte hier sein wenn er heim kam, ich hatte ihm doch noch so vieles zum sagen. Plötzlich... Ich hob ein wenig meinen Kopf als ich hörte wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Er war tatsächlich zurückgekommen, doch warum war er es? War er zurückgekommen weil er zurückkommen wollte oder war er nur hier, weil er etwas vergessen hatte? So viele Gedanken schossen mir in diesem Moment durch meinen Kopf, dass ich glaubte er würde platzen. Ich verhielt mich still und bewegte mich nicht. Nur mein Blick folgte der schemenhaften Gestalt die sich durch das fahle Mondlicht vom Rest der Wohnung abhob. „Max?“, fragte ich leise und ich merkte wie meine Stimme zitterte. Die Gestalt zuckte zusammen und bewegte sich leicht. „Du bist noch wach?“, kam es leise und fragend zurück und es war wirklich Max der dort im Wohnzimmer stand. Ich fühlte mich erleichtert und dennoch verschwand die Kälte nicht aus meinem Körper. Die Kälte die sich über mich gelegt hatte, als er die Wohnung verlassen hatte. „Ich...“, fing ich leise an und senkte meinen Blick. „Ich wollte hier sein wenn du zurück kommst.“ *auch wenn ich nicht wusste ob du es tun würdest* Max bewegte sich langsam auf das Sofa zu. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, nicht in seinen Augen lesen... Ich wusste nicht was er dachte oder was er fühlte. Ich wusste nichts. Langsam setzte sich Max auf das Sofa und sah mich an. „Es ist gleich 5 Uhr und du musst in 3 Stunden wieder aufstehen“, sprach Max leise. Ich drehte leicht meinen Kopf und sah ihn an. Was hatte er mir damit sagen wollen? War es ihm denn egal warum ich hier saß dass er nicht nach fragte warum? Warum machte er mich auf das aufmerksam? Wollte er damit auf irgendetwas anspielen? „Es ist mir egal“, sagte ich leise und klemmte meine Hände zwischen meine Knie, damit er nicht sehen konnte dass sie zitternden. Ich fröstelte trotz der Wärme die in der Wohnung lag, so erreichte sie doch nicht mein Innerstes. „Deine Zukunft ist dir egal?“, fragte Max leise nach und ich konnte seinen Blick sehen, auch wenn ich es nicht wirklich tun konnte. Aber ich brauchte kein Licht um zu wissen wie er aussah, wie sein Blick war, ich sah ihn so deutlich vor mir dass es beinahe schon beängstigend war. „Ja das ist sie“, sprach ich leise und spürte wie mir eine Träne über die Wange rollte. „Was bringt es mir wach auf Arbeit zu sein, wenn ich dadurch dem Menschen der mir so vieles im Leben bedeutet nicht sagen kann, dass es mir leid tut? Was bringt mir eine Zukunft wenn ich sie ohne den Menschen verbringen muss den ich liebe?“ Ich hatte so viel Zeit zum nachdenken gehabt und diese Worte waren nicht einfach nur gesagt worden um alles wieder zum Guten zu wenden, nein sie waren das was ich dachte, was ich fühlte. Ja der Job war mir wichtig und ja er war meine Zukunft, aber das war Max ebenfalls. Er war mir das wichtigste in meinem Leben und das wollte ich einfach nicht aufgeben. „Wenn ihr morgen geht, dann werde ich mitkommen“, sagte ich leise und drehte meinen Kopf wieder beiseite. Mein Blick ging wieder hinaus in die Nacht. „Nein das wirst du nicht“, sagte Max leise und aus den Augenwinkel heraus konnte ich sehen wie er den Kopf schüttelte. Ich schloss meine Augen und dennoch konnte ich nicht verhindern dass mir die Tränen über die Wangen liefen. War es das also jetzt wirklich gewesen? War so schnell alles vorbei? Konnte denn alles so schnell vorbei sein? Aber warum auch sonst sollte er mich nun nicht dabei haben wollen, wo es ihm vorher noch so wichtig gewesen war. Es konnte doch nur so sein und vermutlich war er wirklich nur zurückgekommen, weil er etwas holen wollte. Wie hatte ich nur so naiv sein können und glauben dass ein paar Worte alles Gesagte rückgängig machen konnte? „Ich.... ich verstehe“, kam es leise mit tränenerstickter Stimme von mir, aber ich konnte mich einfach nicht länger verstellen. Wozu auch? Welchen Sinn sollte das alles noch haben? Er hatte sich entschlossen und nun musste ich schauen wie ich mit seiner Entscheidung klar kam. Langsam löste ich meine Haltung und wollte vom Sofa aufstehen. Einfach gehen um alleine sein zu können, doch da legte sich seine Hand auf meinen Arm. Er hielt ihn nicht fest, er hatte nur seine Hand auf diesen gelegt. Aber es reichte um stehen zu bleiben. „Nein das tust du nicht“, sagte Max leise und schüttelte seinen Kopf. „Ich habe vieles gesagt gehabt und ich habe über vieles nachgedacht. Ich hatte ja lange genug Zeit und ich bin zu einem Entschluss gekommen.“ Ich trat einen Schritt zurück, so dass seine Hand von meinem Arm fiel. Mein Blick lag auf ihm und doch sah ich durch ihn hindurch. „Was gibt es da nicht zu verstehen?“, fragte ich leise und meine Stimme klang müde und verletzt. „Du wolltest dass ich mitkomme, du bist gegangen und kommst zurück und sagst mir nun, dass du nicht willst dass ich mitkomme. Ich denke es ist offensichtlich was du mir damit sagen möchtest, aber ich werde schon irgendwie klar kommen.“ Ich drehte mich um, denn was gab es da noch zu sagen oder zu erklären? Er hatte seinen Entschluss gefasst und jetzt musste ich eben schauen wie ich damit klar kam. Er hatte sich entschieden und ich musste mit den Folgen leben. Nein ich sah nichts, was man da noch erklären musste. „Warum gibst du mir nicht die Chance es dir zu erklären?“, fragte Max leise und ich hörte wie er aufstand, ehe ich seinen Atem in meinem Nacken spürte. „Erklären was nicht notwendig ist zu erklären?“, fragte ich leise zurück und schlang meine Arme um meinen Körper in der Hoffnung ihn so wärmen zu können. „So ist es nicht und ich weiß, dass du es tief in deinem Inneren auch weißt“, sprach Max leise und kam mir ein Stückchen näher. „Ich soll es wissen?“, fragte ich leise und schüttelte langsam meinen Kopf. „Das einzige was ich weiß ist, dass ich nichts mehr weiß. Was bis vorher noch klar vor mir gelegen ist, liegt nun in tiefer Dunkelheit. Das Licht was mich geleitet hat ist erloschen und ziellos irre ich umher und du sagst, ich würde es wissen?“ „Ich habe dich vorher vor eine Entscheidung gestellt vor ich dich nicht hätte stellen sollen“, sprach Max leise und auf meine Arme durchzog ein leichtes Kribbeln als er mit seinen Händen langsam an ihnen hinunter glitt ohne sie dabei zu berühren. „Es war egoistisch von mir von dir zu verlangen dass du deine Zukunft einfach so aufgibst nur damit ich dich an meiner Seite haben kann, damit ich mich nicht alleine fühle. Ich möchte nicht dass du das aufgibst was dir wichtig ist und deswegen möchte ich auch nicht, dass du mitkommst. Es ist mir leider erst klar geworden nachdem ich stundenlang alleine durch Berlin gelaufen bin.“ Ich biss mir auf die Lippe als ich seine Worte hörte und sie doch nicht glauben konnte. War es wirklich so wie er es in diesem Moment sagte oder hörte ich nur das, was ich hören wollte, weil ich meine Augen vor der Wahrheit verschloss? „Heißt das also...“, fing ich zu sprechen an ehe mir die Stimme versagte und ich den Satz abbrechen musste. Leicht legte Max seine Hände auf meine Schultern und drehte mich langsam zu ihm um. Sanft strich er mir mit der Hand über die Wange. „Ich liebe dich und alleine die Vorstellung ohne dich zu sein schmerzt“, sprach Max mit leiser und sanfter Stimme. „Aber die Vorstellung dich unglücklich zu machen raubt mir den Verstand und lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Du warst bereit gewesen alles für mich aufzugeben, aber das kann und werde ich nicht zulassen. Ich weiß ich muss noch vieles lernen, ich weiß ich muss dir mehr vertrauen und ich hoffe, dass du mir die Zeit gibst es zu tun. Ich werde noch viele Fehler machen und es wird nicht immer leicht sein, aber bitte gebe mir die Chance dir zu beweisen dass ich es schaffen kann.“ Ich lehnte meine Stirn gegen seine Brust, nicht wissend was ich sagen sollte. Die Wärme die vorher meinen Körper verlassen hatte kam wieder zurück und verdrängte Stückchen für Stückchen die Kälte aus mir. Meine Zukunft die nur noch ein schemenhafter Schatten gewesen war nahm wieder Konturen an, wurde schärfer und schärfer bis sie wieder klar vor mir lag. Ich nahm meinen Kopf wieder von seiner Brust und sah ihn von unten herauf an, während er mir mit dem Finger meine Tränen von der Wange wischte. „Meinst du kannst mir das was ich dir an den Kopf geworfen habe verzeihen?“, fragte er leise und in seiner Stimme lag etwas bittendes. Ich sah ihn an und nickte langsam mit dem Kopf. „Wenn du mir verzeihen kannst?“, fragte ich leise und zum ersten Mal seit Stunden lag wieder ein kleines Lächeln auf meinen Lippen. War ich vorher noch ohne Hoffnung gewesen so glaubte ich nun dass wir gemeinsam jede noch so große Schwierigkeit überstehen würden können die das Leben für uns vorbereitet hatte. Kapitel 14: Abschied auf Zeit ----------------------------- Ein lautes Piepen riss mich aus meinem Schlaf und es dauerte einen Moment bis mir klar wurde, dass es nicht der Wecker war der dieses Geräusch von sich gab. *What the fuck?*, fragte ich mich in Gedanken und schlug die Bettdecke beiseite. Wer zum Henker kam auf diese dumme Idee um diese Uhrzeit anzurufen? Es war kurz vor halb Acht und ich hatte das Gefühl, gerade eben erst die Augen zugemacht zu haben. Dabei war es vor 2 Stunden gewesen. Müde und mit noch halbgeschlossenen Augen tapste ich die Stufen nach unten und überlegte wo ich das Telefon hingelegt hatte. So wirklich Mühe gab ich mir eigentlich nicht wirklich, denn vielleicht gab es ja die Hoffnung dass der Anrufer auflegte weil ihm alles zu lange dauerte. Aber scheinbar hatte ich da die Rechnung ohne den Anrufer gemacht. Es klingelte und klingelte und es schien so, als würde das Klingeln von Mal zu Mal lauter und aufdringlicher zu werden. Ich seufzte auf, warf ein Kissen beiseite und da lag das Telefon ja. „Ja?“, murmelte ich müde und vergaß vollkommen mich mit meinem richtigen Namen zu melden. Aber es war einfach Macht der Gewohnheit und ich kam gar nicht auf die Idee dass es jemand sein könnte, der mich nicht kannte. „Da hört sich aber jemand sehr müde an“, lachte die Person am anderen Ende und schien sehr guter Laune zu sein. „Ich höre mich nicht nur so an, sondern ich bin es auch“, meinte ich und gähnte herzhaft. „Ok dann wird mein Vorschlag dir ja gerade recht kommen“, hörte ich es wieder am anderen Ende lachen. „Und dieser wäre?“, gähnte ich ins Telefon und es war mir relativ egal ob das jetzt unhöflich war oder nicht. Ich war müde und das konnte man ruhig merken. „Die Jungs fahren ja heute für 4 Wochen ins Studio und da dachte ich mir, dass du sicherlich Zeit mit Max verbringen möchtest“, erklärte die Stimme am anderen Ende. „Also bleibst du heute am besten daheim, genießt die Zeit und kommst erst morgen wieder. Bedeutet, dass ich dich heute nicht hier sehen will.“ „Oh... Ok... Gut gedacht“, sagte ich und war wirklich ein klein wenig überrascht. Jetzt war mir auch klar, warum das Telefon so früh geklingelt hatte. Hätte es eine halbe Stunde später geklingelt, dann wäre ich wohl nicht mehr daheim gewesen. „Dann wünsche ich dir eine gute Nacht, einen noch schöneren Tag und wir sehen uns morgen in aller Frische wieder“, lachte Benedikt und legte den Hörer auf. Ich sah noch einmal verdutzt auf das Telefon in meiner Hand, ehe ich es auf stumm schaltete und es zurück auf das Sofa warf. Müde tapste ich wieder zurück ins Schlafzimmer und ließ mich ins Bett sinken und kuschelte mich sofort wieder in die warme Decke. „Wer war es denn?“, fragte Max leise und zog mich näher zu sich heran. „Benedikt“, murmelte ich und legte meinen Kopf auf seine Schulter. „Was wollte er denn?“ „Mir sagen dass ich freihabe weil ihr doch heute fahrt“, antwortete ich ihm und legte meinen Arm um seinen Bauch. „Schön“, sagte Max leise und schloss seine Arme um mich. Es dauerte nicht lange da waren wir beide wieder eingeschlafen. Es war wirklich ein turbulenter Abend davor gewesen und der Schlaf würde uns beiden sehr gut tun. So schnell konnte uns jetzt niemand mehr stören, denn das Telefon war stumm gestellt, der Wecker aus gestellt und wagen so früh vor der Türe zu stehen würde so oder so niemand. Jedenfalls niemand der wusste wer in diesen 4 Wänden wohnte. Der Duft von frischem Kaffee kitzelte mich in der Nase und müde blinzelte ich mit den Augen. Der Platz neben mir war leer, also war Max wohl bereits aufgestanden. Anders konnte es auch gar nicht sein, denn wer sonst hätte den Kaffee kochen können und dass es jemand tat verriet zumindest der Geruch. Mit den Füßen schob ich die Bettdecke ans Fußende und räkelte mich erst einmal ausgiebig, ehe ich aufstand. Ich zog mir etwas anderes an und ging dann die Treppe nach unten und immer dem Duft von Kaffee folgend, bis ich letztendlich in der Küche stand. „Mmmmmh“, seufzte ich und roch an dem frischen Kaffee in der Kaffeekanne. „Dich kann man aber auch nicht überraschen“, meinte Max lachend und schüttelte seinen Kopf. „Überraschen? Wieso überraschen?“, fragte ich verwundert, denn womit hatte er mich denn überraschen wollen, sollte er es vorgehabt haben. „Nun weil ich dir eigentlich das Frühstück ans Bett bringen wollte?“, schlug Max grinsend vor und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Spüle. „Aber scheinbar kann man das nur, wenn man sämtliche Türen und Fenster schließt bevor man anfängt mit Kaffee kochen.“ Ein wenig verlegen sah ich auf den Boden der Küche, kratzte mich mit der Hand am Hinterkopf, ehe ich Max von unten herauf ansah. „Ich kann mich ja nochmal ins Bett legen und so tun als würde ich schlafen“, meinte ich mit einem etwas entschuldigenden Blick. Ich wusste ja wie ärgerlich es sein konnte wenn man jemanden überraschen wollte und der einem einen Strich durch die Rechnung machte. Aber der Duft von frischem Kaffee weckte mich einfach, da konnte ich mich einfach nicht dagegen wehren. „Wäre eine Idee“, lachte Max und sah sich kurz in der Küche um. „Und wenn du nach oben gehst, dann könntest du ja eigentlich auch gleich die Brötchen und so weiter mit nehmen.“ „Das hast du dir wohl so gedacht“, lachte ich und schlug ihm leicht mit der flachen Hand gegen den Arm. „Ich trage alles nach oben, du krümmelst das Bett voll und ich darf danach das Bett ausschütteln. Oh nein mein Schatz, so haben wir aber nicht gewettet.“ „Einen Versuch war es ja zumindest mal wert“, lachte Max und rieb sich den Arm, auch wenn das überhaupt nicht hatte weh tun können. „Meinst du, du schaffst es dann wenigstens den Tisch zu decken?“ „Hmm... Ich glaube das bekomme ich gerade noch hin“, sagte ich mit einem Zwinkern und räumte dann alles was man für ein ausgiebiges Frühstück benötigte nach draußen und stellte es auf den Esstisch. Ich hatte keine Ahnung wann wir uns einmal ein ausgiebiges Frühstück gegönnt hatten. Meist war es bei einem schnellen Frühstück auf halbem Weg aus der Wohnung heraus geblieben. Zumindest war es bei mir so gewesen. Aber ich schlief nun mal lieber 15 Minuten länger, als dass ich frühstückte. War vielleicht nicht gesund und nicht gerade Konzentrationsfördernd, besonders dann nicht wenn einem der Magen anfing zu knurren, aber der Wunsch nach mehr Schlaf war morgens einfach viel zu groß. „Max? Bringst du noch die Butter aus dem Kühlschrank mit?“, rief ich in die Küche, weil die hatte ich wieder einmal vergessen. Irgendwann einmal würde ich noch meinen Kopf irgendwo vergessen, so wie ich in letzter Zeit ständig Sachen vergaß. Man wurde eben doch nicht jünger. Es war ein sehr ruhiger Nachmittag den wir beide verbrachten und der tat uns beiden auch sehr gut. Wenn man bedachte dass am Abend davor noch ganz gewaltig die Fetzen geflogen waren, so konnte man es sich jetzt schon gar nicht mehr vorstellen. Aber der Streit war für uns beide nicht einfach gewesen und auch wenn keiner mehr ein Wort darüber verloren hatte, so war es dennoch klar, dass sich jeder so seine Gedanken machte. War alles nur dahergesagt gewesen oder steckte in so mancher Unterstellung nicht doch ein wenig Wahrheit? Es war ein schmaler Grat und oftmals sagte man in einem Streit Dinge, die man so nicht unbedingt sagen wollte, aber man traf damit absolut ins Schwarze. „Hast du auch alles was du brauchst?“, fragte ich Max der seine Tasche gerade die Treppe runtertrug. „Und wenn nicht dann habe ich schon einen Grund um zurück nach Berlin zu fahren“, meinte er grinsend und stellte seine Tasche in den Flur. „Ja und die anderen machen dich bei deiner Rückkehr erst einmal einen Kopf kürzer“, sagte ich lachend. „Hätte zwar den Vorteil dass ich mich dann nicht mehr so strecken müsste, aber ich hätte dich dann doch lieber als Ganzes zurück.“ „Keine Sorge ich werde schon auf mich aufpassen“, sprach Max ruhig und nahm mich in den Arm. „Und in knapp 4 Wochen hast du mich ja wieder und kannst dich mit eigenen Augen von der Vollständigkeit überzeugen.“ „Und das werde ich sehr ausführlich tun“, meinte ich mit einem Zwinkern und legte meine Arme um seine Hüfte. „Habe dann doch so einiges nachzuholen.“ Max hatte ein wissendes Lächeln auf den Lippen und lehnte leicht seine Stirn gegen meine. „Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr ich mich darauf freue“, sprach er leise und sah mir tief in die Augen. „Ich vermisse dich ja jetzt schon und ich bin noch nicht einmal weg. Wie soll das erst in den nächsten Tagen werden? Ich glaube das überlebe ich nicht.“ Sanft strich ich ihm mit der Fingerspitze über die Wange. „Wir werden da sicherlich einen Weg finden“, sagte ich leise und ein sanftes Lächeln lag mir auf den Lippen. Ich wusste zwar noch nicht wie es werden würde, aber irgendwie würden wir es bestimmt überstehen. Es waren nur knapp 4 Wochen wo wir getrennt waren. Man konnte es auch als Generalprobe sehen, denn ich glaubte nicht, dass ich auf jeder Tour die sie machten dabei sein konnte. Da würde es wohl für eine längere Zeit als nur 4 Wochen sein. Von draußen drang ein lautes Hupen in die Wohnung und es war klar, wer sich damit angekündigt hatte. „Scheint wohl so als wäre es soweit“, seufzte ich leise und löste meine Umarmung. Leicht nickte Max mit dem Kopf und nahm seine Tasche. Er legte eine Hand an die Türklinke, öffnete die Türe ein Stück, ehe er in seiner Bewegung innehielt. Die Tasche flog zu Boden als Max sich umdrehte, mich ganz dicht an sich heranzog und seine Lippen die meinigen in einem leidenschaftlichen und zugleich liebevollen Kuss berührten. „Ich liebe dich“, flüsterte er mir leise ins Ohr und hauchte mir noch einen kleinen Kuss auf die Lippen, als in diesem Moment erneut jemand auf die Hupe drückte. „Nun geh schon bevor sie dich hier raus tragen“, meinte ich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, auch wenn es mir unheimlich schwer fiel mich von ihm zu verabschieden. Aber es war ja nur für eine begrenzte Zeit und dann konnte ich ihn wieder in meine Arme schließen. Nur leicht nickte Max mit dem Kopf, nahm wieder seine Tasche und verließ die Wohnung. Ich schloss die Türe hinter ihm und ging zurück ins Wohnzimmer. Es war wieder still geworden und ich freute mich schon auf den Tag, an dem die Stille ein Ende nehmen würde. Kapitel 15: Nächtliche Gespräche -------------------------------- Es war eine stressige Woche gewesen und es hatte keinen Tag gegeben, an dem ich mal vor 8 Uhr abends heimgekommen war. Aber außer der Emergenza-Aufgabe hatte ich noch andere Aufgaben zu tun und kam stellenweise einfach nicht ums Eck herum. Ich fragte mich, wie man so viel Arbeit schaffen sollte oder gar konnte. Oft genug hatte ich die Sachen einfach mit nach Hause genommen und sie dort fertiggestellt, da ich nicht noch länger im Büro sitzen wollte. Aber ich war nicht die Einzige der es so ging, sondern ein paar Andere hatten das gleiche Problem. Es war wohl immer so stressig wenn ein solcher Event an stand und daran musste man sich wohl einfach gewöhnen. Das war nun mal einfach kein Job der einen fixen Feierabend besaß. Wenn etwas fertig werden musste, dann musste es fertig werden. Egal wie auch immer man das anstellte. Ich wollte lieber nicht wissen wie viel Liter Kaffee und wie viel Zigaretten ich in dieser Woche bereits vernichtet hatte und noch weniger wollte ich wissen, wie viel davon noch folgen würde. Es war noch lange nicht vorbei und das schlimmste stand mir wohl noch bevor. Aber es hatte einen guten Grund warum ich mich da so rein hängte und das war, dass ich fertig werden wollte bevor Max wieder zurück nach Berlin kam Vielleicht konnte ich ja bei Benedikt 2 freie Tage für mich rausbetteln wenn ich mit meiner Arbeit noch vor Terminabgabe fertig werden würde. So konnte ich den Tag an dem er zurück kam ruhig angehen lassen und musste am folgenden Tag nicht schon wieder um halb 9 das Haus verlassen. Müde fuhr ich mir mit beiden Händen über das Gesicht und ließ mich auf dem Sofa nach hinten fallen. Der Tisch vor mir war über und über mit Akten und Papieren bedeckt und man konnte kaum mehr ein Fleckchen Tisch erkennen. Es war wieder einmal dieser Zeitpunkt, an dem mir sämtliche Buchstaben vor den Augen verschwammen und nichts mehr einen Sinn ergab. Seufzend bewegte ich meine Kopf langsam von einer Seite zur anderen in der Hoffnung so die Verspannung im Nacken los zu werden, aber leider war sie so einfach dann doch nicht zu überlisten. Kurz warf ich einen Blick auf die Uhr und griff dann nach dem Telefon was neben mir lag. Max würde jetzt sicherlich erreichbar sein und das ohne dass man Gefahr lief bei etwas zu stören. Es bestand zwar die Chance ihn zu erwischen wo er gerade mit den Jungs die Gegend unsicher machte, aber die Aufnahmen waren jetzt eindeutig beendet. Ich stand vom Sofa auf und ging nach draußen auf den Balkon wo ich mich setzte und mir eine Zigarette anzündete. Wir rauchten beide und dennoch war eigentlich die gesamte Wohnung rauchfreie Zone. Es gab einen Balkon und demnach keinen Grund in der Wohnung zu rauchen und bisher klappte das auch ohne Probleme. Anfangs hatten zwar ein paar Leute gefragt warum wir das so gemacht hatten, aber es hielten sich alle daran. Sie gingen einfach raus auf den Balkon ohne dass man ihnen etwas sagen musste. Ich legte meine Füße auf das Balkongeländer, zog an meiner Zigarette, drückte die Kurzwahltaste und wartete. Ein leises und gleichmäßiges Tuten kam aus dem Hörer und sagte mir, dass nun am anderen Ende der Leitung ein Telefon klingeln würde. „Ich wollte dich gerade anrufen“, lachte Max am anderen Ende, der natürlich sofort an der Nummer gesehen hatte wer anrief. „Das hätte ich jetzt auch gesagt“, meinte ich ebenfalls lachend und zog wieder an meiner Zigarette. „He das stimmt!“, beschwerte sich Max und ich konnte vor meinen Augen sehen wie er am grinsen war. „Da kannst du die Anderen fragen.“ Und prompt hörte man auch schon aus dem Hintergrund die Anderen lauthals das von Max Gesagte bestätigen. Lachend schüttelte ich den Kopf. „Ok, Ok ich gebe mich ja schon geschlagen“, sagte ich zu Max, zog noch ein letztes Mal an meiner Zigarette und drückte sie im Aschenbecher aus. „Ich hoffe doch mal ihr hattet heute einen angenehmeren Tag als ich es hatte?“ „Kommt stark darauf an wie stressig deiner war“, sagte Max und ich hörte wie eine Türe ins Schloss fiel. „Aber du kannst ja vorbeikommen dann munter ich dich wieder auf.“ „Zu gerne würde ich das jetzt machen“, seufzte ich leise und erhob mich vom Stuhl um wieder das Wohnzimmer zu betreten. „Tim hast du denn kein eigenes Zimmer?“, hörte ich Max am anderen Ende rufen und musste leise auflachen. Wenn das kein dezenter Rauswurf war, dann wollte ich nicht länger Andrea heißen. Ich hörte wie Tim etwas, für mich unverständlich, murmelte und dann wieder das Geräusch einer sich schließenden Türe. „Hast du jetzt etwa alle aus dem Zimmer geworfen?“, fragte ich ruhig und mein Blick fiel auf die ganzen Sachen die auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet herumlagen. Je länger ich sie ansah, desto weniger Lust bekam ich darauf, sie noch einmal in die Hand zu nehmen. Nein es reichte was ich heute getan hatte. Lieber stand ich morgen früher auf oder machte morgen länger, aber heute hatte ich wahrlich genug. „Ja aber sicher“, lachte Max. „Die können auch woanders gammeln und nicht ausgerechnet in meinem Zimmer. Außerdem sind die nur hier geblieben weil sie wissen wollten was ich mir dir rede und das geht sie ja mal überhaupt gar nichts an.“ Ok da musste ich ihm recht geben. Es ging sie wirklich nichts an, was wir sprachen oder worüber wir uns unterhielten, auch wenn es nichts verfängliches war. „Da magst du recht haben“, sagte ich leise lachend und stieg die wenigen Treppen nach oben und betrat das Schlafzimmer. „Und was hast du heute schönes gemacht?“ „Außer dem was ich gestern schon gemacht hab und vorgestern und den Tag davor auch schon?“, fragte Max lachend und ich sah seine Augen vor mir aufblitzen. „Also so wie du redest muss es ja ziemlich eintönig bei euch zugehen“, antwortete ich schmunzelnd und ließ mich auf das Bett fallen. „Keine wilden Partys? Keine Skandale? Keine nackte Mädchen vor den Zimmertüren? Ihr seid ja richtig langweilig.“ „He! Das hört sich ja fast so an als würdest du geradezu auf solche Stories warten“, meinte Max lachend. „Solange die Mädels vor deiner Türe stehen bleiben und nicht irgendwann doch im Zimmer landen, kann mich so schnell nichts aus der Ruhe bringen“, meinte ich zu ihm, während ich mit den Beinen über der Bettkante baumelte. „Dann wirst du eine ruhige Woche haben, denn das wird auf keinen Fall passieren“, sagte Max am anderen Ende der Leitung ruhig. „Für so was gibt’s ja die Besenkammer oder wie war das?“, fragte ich lachend, aber ich wusste natürlich wie er es gemeint hatte und es war ein sehr beruhigendes Gefühl. „Wenn dir Besenkammern gefallen dann können wir das gerne tun“, lachte Max leise. „Wobei im Moment wäre es mir vollkommen egal wo und wie, solange es mir dir ist.“ Auf meine Lippen legte sich bei seinen Worten ein kleines Lächeln. Er konnte sich in diesem Moment wohl kaum vorstellen wie sehr ich mir das wünschte. Einfach seinen Körper an meinem spüren, seinen Atem der warm über meine Haut strich, seine Hände die meinen Körper liebkosten. Leise seufzte ich auf bei der Vorstellung. „Alles Ok bei dir?“, fragte Max leise und seine Stimme klang ein wenig besorgt. Er wusste ja nicht was los war oder an was ich gerade gedacht hatte. „Nein ist es nicht“, sagte ich leise und drehte mich im Bett auf die Seite, so dass ich auf den leeren Platz im Bett neben mir blickte. „Die Wohnung ist so still und das Bett ist so leer und... Ich vermisse dich... Du fehlst mir.“ Am anderen Ende der Leitung wurde es ruhig und ich konnte ihn lediglich noch atmen hören. Ich stellte mir vor wie er in seinem Zimmer saß. Das sanfte Funkeln in seinen Augen und das Lächeln auf seinen Lippen. Das Bild war so deutlich, dass ich das Gefühl hatte einfach nur die Hand ausstrecken zu müssen um ihn berühren zu können. „Wie gerne würde ich jetzt deine Lippen berühren“, sprach Max am anderen leise. „Den Geschmack deiner Lippen auf meinen schmecken und deinen warmen Körper neben mir spüren.“ Ich schloss leicht meine Augen bei seinen Worten und lauschte einfach nur dem was er sagte. „Mit meinen Händen deinen Körper berühren, ihn liebkosen“, sprach Max leise weiter. „Die Reaktionen beobachten welche die Berührungen in dir hervorrufen. Langsam würde ich mit den Fingern deinen Arm hinunter streicheln. Jeden Zentimeter den ich berühre mit allen Sinnen genießen.“ Tief atmete ich ein und lauschte einfach weiter seiner Stimme. Der Wunsch ihn jetzt in diesem Moment bei mir zu haben machte es mir leicht diese Vorstellung zu haben. Ließ mich beinahe spüren wie seine Hände über meinen Körper wanderten. Ich ließ mich einfach von der Vorstellung und seiner Stimme treiben während sich langsam die Dunkelheit über Berlin legte. Kapitel 16: Eifersucht ---------------------- „Ja aber das macht doch so gar keinen Sinn“, sprach Benedikt ruhig und sah mich an. „Schau mal hier“, er kramte auf dem Tisch nach einer bestimmten Liste und hielt sie mir unter die Nase. „Hier hast du doch genau aufgelistet. Wie kommst du dann jetzt bitte auf die Idee“, wieder kramte er mit der Hand nach einem Stück Papier. „Es hier genau andersherum zu machen?“ Ich ließ meinen Blick zwischen den beiden Blätter hin und her wandern und seufzte auf. „Ich werde das nie rechtzeitig schaffen“, ächzte ich und schlug die Hände über meinem Kopf zusammen. Ich verschränkte meine Hände in meinem Nacken und ließ wieder die Wirbel ein wenig knacken. „Natürlich wirst du das“, kam es von Benedikt der mich ein wenig fragend von der Seite her ansah. „Alles Ok?“ „Wie man's nimmt“, meinte ich und sah ihn an. „Am Montagabend kommt Max zurück, das Konzept ist noch nicht so weit wie es sein sollte und ich weiß nicht wie ich es noch schaffen soll. Abgesehen davon bringt mein Nacken mich noch um.“ Nein ich hatte wirklich absolut keine Ahnung wie ich das alles schaffen sollte. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt das Konzept übermorgen fertig zu haben, damit es auch mit den beiden freien Tagen klappte die ich haben wollte, aber dafür sah es alles andere als rosig aus. Im Moment sah es eher danach aus, als würde ich den Tag an dem Max zurück kam im Büro verbringen und den Tag danach gleich noch mit. Das Konzept musste am Mittwoch fertig auf dem Tisch liegen und wir hatten bereits Freitag. Es würde auf alle Fälle ein sehr, sehr langes Wochenende für mich werden mit viel Kaffee und wenig Schlaf sollte das überhaupt ausreichen. „Dreh dich mal“, kam es mit einem Lächeln von Benedikt der mir mit der Hand andeutete ich solle ihm den Rücken zudrehen. „Na auf.“ Ein wenig fragend sah ich an, weil ich hatte keine Ahnung auf was er hinaus wollte, noch was es mir jetzt bei dem Konzept weiterhelfen sollte, aber einen bestimmten Grund musste es ja habe, sonst würde er es ja nicht wollen. Also drehte ich mich auf dem Sofa leicht zur Seite so dass ich ihm nun meinen Rücken zuwandte. „Und jetzt versuch dich zu entspannen“, meinte er ruhig und legte seine Hände auf meine Schultern und begann diese zu massieren. „Daran könnte ich mich beinahe gewöhnen“, seufzte ich und es tat wirklich gut. „Könntest du das im Büro nicht auch mal machen?“ „So viel Lust auf Büroklatsch?“, lachte Benedikt auf und sah mich kurz von der Seite her an, ehe er mit der Massage fortfuhr. „Ok gutes Gegenargument“, sagte ich lachend und genoss die Massage wirklich. Sie tat wirklich gut und war genau das, was ich in diesem Moment gebraucht hatte. Es war unheimlich schwer sich auf etwas zu konzentrieren, wenn einen ein schmerzender Nacken quälte. Aber ich brauchte mich ja auch nicht wundern so krumm wie ich in den letzten Tagen immer auf dem Sofa gesessen war nur um mit dem Konzept voran zu kommen. Da war ein verspannter Nacken geradezu vorprogrammiert. „Schade dass sich das Konzept nicht genauso schnell erledigen lässt“, sagte ich seufzend und schielte auf die Blätter die wild verstreut auf dem Tisch lagen. „Ich weiß gar nicht was du hast“, kam es von Benedikt. „Du bist doch schon so gut wie fertig.“ „Das glaubst aber auch nur du“, meinte ich und bewegte leicht meine Hand hin und her, da ein Kopfschütteln etwas ungeschickt gewesen wäre. „Was heißt hier glauben? Ich weiß dass es so ist“, sagte Benedikt und er schien wirklich von seiner Sache überzeugt zu sein. „Ja aber da fehlt doch noch so vieles“, widersprach ich ihm und schüttelte nun doch leicht den Kopf. „Dann ist es das reinste Chaos und von Ordnung weit und breit keine Spur. Für dich mag das vielleicht noch ein Klacks sein, aber für mich leider nicht.“ „Was fehlt denn da bitte noch? Du hast doch alles was du brauchst“, sagte Benedikt und beschäftigte sich mit einer verspannten Stelle. „Du musst es nur noch in die korrekte Reihenfolge bringen, die einzelnen Punkte zusammenführen und alles den letzten Schliff verpassen. Glaub mir das bekommst du locker in der Zeit hin die du noch hast. Außerdem bin ich doch auch noch da.“ „Ich weiß dass du auch noch da bist“, sagte ich und zuckte leicht zusammen, als seine Finger eine schmerzhafte Stelle erwischt hatten. „Aber du tust schon mehr als du eigentlich müsstest oder besser gesagt solltest. Du hättest die letzten Tage locker um 6 Uhr abhauen können und bist trotzdem mit mir länger dageblieben. Die Hälfte des Konzepts stammt doch so oder so von dir.“ „Jetzt übertreibst du aber“, lachte Benedikt und schüttelte seinen Kopf. „Das Konzept stammt zu 100% von dir alleine. Ich hab dir lediglich hier und da mal ein paar Tips gegeben oder dich in die richtige Richtung geschubst, aber mehr war das nicht. Ich habe dich schön alleine arbeiten lassen.“ „Ja Tips ohne die ich wohl noch immer am Anfang stehen würde“, meinte ich und schielte zu ihm nach hinten, wofür ich einen leichten Schlag auf den Hinterkopf bekam. „Da vorne spielt die Musik und brav entspannen“, sagte er grinsend und widmete sich nun der anderen Schulter. „Du übertreibst mal wieder maßlos und stellst dein Licht unter den Scheffel. Du kannst es, du hast das Potential, du musst es dir wie gesagt nur zutrauen oder besser gesagt zu dem was du geleistet hast stehen. Das was du in der kurzen Zeit schon alles auf die Beine gestellt hast, dafür brauchen andere Monate dazu. Und wage jetzt ja nicht zu sagen dass liegt nur daran dass ich dein Boss bin.“ „Woher wusstest du was ich sagen wollte?“, fragte ich lachend, denn etwas in dieser Art hatte ich schon auf der Zunge liegen gehabt. „Vielleicht weil ich dich jetzt lange genug kenne um das zu wissen?“, antwortete Benedikt mit leicht fragendem Unterton. „Das wäre jetzt schon das 2:0 für dich“, meinte ich ruhig und zog nun auch das andere Bein auf das Sofa, so dass ich nun im Schneidersitz auf diesem saß. „Hast du dir vielleicht schon einmal die Frage gestellt dass ich, gerade weil ich dein Boss bin, härter mit dir umspringe als mit den anderen?“, fragte Benedikt ruhig obwohl er sich die Antwort eigentlich schon denken konnte. Natürlich hatte ich mir diese Frage nie gestellt, sondern war immer davon ausgegangen dass er bei mir eher ein Auge zudrückte. „Tust du das denn?“, fragte ich zurück, denn sagen konnte man ja bekanntlich viel wenn der Tag lang war. „Oh ja“, lachte Benedikt. „Jemand anderen hätte ich nicht mit so viel Arbeit eingedeckt.“ „Ach dir hab ich also die vielen schlaflosen Nächte zu verdanken?“, hakte ich mit gespieltem Ernst nach, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Diese Alpträume aus denen ich schweißgebadet aufwache und diese Panik vor jedem neuen Tag so dass ich sogar schon vor meinem Wecker wach bin?“ Gut das war jetzt natürlich gnadenlos übertrieben, aber er wusste ja wie er es zu verstehen hatte. Im Büro war er mein Boss und ansonsten war er einfach ein sehr guter Freund. „Du hast es genau auf den Punkt gebracht“, sagte Benedikt und ich konnte das Grinsen auf seinem Gesicht sehen, auch wenn ich mit dem Rücken zu ihm saß. „Aber sehen wir es doch mal so. Was würde es dir bringen wenn ich dich tagein tagaus nur Akten kopieren lassen würde? Oder alte Sachen abheften oder Ordner sortieren lassen würde? Im Endeffekt würdest du genau gar nichts lernen und außerdem wärst du damit schlichtweg unterfordert. Du brauchst Herausforderungen, denn nur dann wächst du über dich hinaus.“ Und schon wieder hatte er recht mit dem was er sagte. Ich brauchte wirklich hin und wieder Herausforderungen ansonsten wurde es mir schnell langweilig. Nein auch wenn es Stress war, so war ich doch recht dankbar dafür, dass er dafür sorgte dass ich ihn auch hatte. Sonst würde ich tatsächlich nach 6 Monaten dastehen und so gar nichts wissen. Ich wollte ihm gerade etwas erwidern, als das Telefon klingelte und ich vor lauter Schreck erst einmal zusammenzuckte. *Wo ist es denn?*, fragte ich mich selbst, denn wenn man nach dem Klingeln ging, dann musste es sich ganz in der Nähe befinden, aber wo war es dann bitte? Ich ließ meinen Blick über den Tisch wandern, aber da war so gut wie gar nichts zu erkennen. „Suchst du das hier?“, fragte Benedikt lachend und hielt mir das Telefon unter die Nase. „Genau das!“, sagte ich nickend und nahm das Gespräch an. „Ja?“ „Ich vermisse dich“, hörte ich es am anderen Ende der Leitung sagen und ein Lächeln legte sich mir auf die Lippen. „Max schön deine Stimme zu hören“, sagte ich, sah kurz zu Benedikt und deutete mit der Hand auf den Balkon. „Alles klar bei dir?“ Ich stand vom Sofa auf, nahm im vorbeigehen meine Zigaretten mit und trat hinaus auf den Balkon. Es war frisch draußen, denn es hatte erst vor kurzem aufgehört mit dem Regnen und die Feuchtigkeit lag noch immer in der Luft. „Wenn ich mit dir reden kann ist immer alles in Ordnung“, sprach Max leise. „Ich bin froh wenn die Aufnahmen endlich vorbei sind und es wieder heimwärts geht.“ „Ist es denn so stressig geworden?“, fragte ich ruhig und zog an meiner Zigarette. Vor ein paar Tagen hatte sich das alles noch anders angehört, aber vermutlich machte sich nun so langsam der Burn-Out bemerkbar. Knapp 4 Wochen war schon eine lange Zeit. „Nun es wird nicht gerade einfacher, wir sind alle ausgelaugt und dementsprechend auch leicht gereizt“, sprach Max und man hörte es ihm an dass er kaputt war. Es tat irgendwie weh zu wissen dass er kaputt war und man nicht da sein konnte um ihn wieder auf zu bauen. „Du hast es ja bald geschafft“, sagte ich sanft und schnippte den Stummel über das Balkongeländer. Normalerweise machte ich das nicht, aber der Aschenbecher stand leider außer Reichweite und zum Aufstehen hatte ich keine große Lust. „Es bleibt doch dabei dass ihr Montagabend wieder zurückkommt oder?“, fragte ich ruhig, denn es konnte ja durchaus sein dass sich daran etwas geändert hatte. „Daran hat sich nichts geändert“, sagte Max ruhig und ich atmete erleichtert auf. „Um Sieben müsste ich wieder bei dir sein und dann wird alles nachgeholt. Jede einzelne Minute. Also beantrage schon mal Urlaub.“ Ich lachte leise auf und schüttelte den Kopf. Das war typisch Max so wie man ihn kannte. Wie gut dass sich daran nichts geändert hatte. „Wenn alles gut läuft und wir heute noch ein gutes Stück schaffen, dann habe ich Montagnachmittag und den ganzen Dienstag frei. Mehr war leider nicht nicht möglich“, meinte ich mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen. „Aber ich rate dir am Montag nicht zu spät zu kommen, weil ich habe da eine kleine Überraschung für dich vorbereitet.“ „Wir?“, fragte Max nach und seine Stimme hatte sich ein klein wenig verändert. Ich biss mir auf die Lippen und hätte am liebsten das zuletzt Gesagte wieder gestrichen, aber das ging ja nun einmal nicht. „Ich habe dir doch von dem Konzept erzählt was ich bis Mittwoch fertig machen muss“, sprach ich ruhig und überlegte mir diesmal genau was ich sagte. „Es stellte sich als größer heraus als anfänglich gedacht und wenn ich die freien Tage haben möchte, dann sollte ich bis Montag damit fertig sein. Alleine schaffe ich es nicht, deswegen ist Benedikt hier um mir dabei zu helfen.“ „Benedikt ist bei dir?“, kam es wieder von Max und sofort kam mir der Streit wieder zurück ins Gedächtnis. Ich hörte seine Stimme und ich hörte das was er sagte. Die Vorwürfe die er mir gemacht hatte und in meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. „Ja er ist bei mir weil es im Büro einfach nicht möglich gewesen wäre in Ruhe zu arbeiten“, erklärte ich ihm und biss mir auf die Lippe damit ich nicht seufzte. Ich hörte an seiner Stimme dass er misstrauisch war und sich jetzt wohl in seiner Phantasie alles mögliche ausmalen würde, nur nicht das, was wirklich hier passierte. Nämlich konzentriertes Arbeiten. „Ich verstehe“, kam es von Max gefolgt von einer kleinen Pause. „Nun dann will ich mal nicht länger stören.“ „Max“, sagte ich leise und dennoch war meine Stimme eindringlich. Ich wollte nicht dass er jetzt etwas falsches dachte, wieder einmal von einer falschen Grundlage ausging wie schon einmal. „Du störst mich niemals und es gibt nichts auf der Welt von dem ich mich lieber von der Arbeit abhalten lasse als dich.“ „Dich nicht aber vielleicht ihn“, sagte Max und seine Stimme klang kühl. „Wie dem auch sei... Wir sehen uns am Montag.“ Aus dem Hörer kam nur noch ein regelmäßiges Tuten, als Max aufgelegt hatte. Ich sah für einen Moment verdutzt auf den Hörer ehe ich meine Hand seufzend sinken ließ. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Warum aber hatte ich mich auch verplappert? Andererseits, warum hätte ich es ihm nicht sagen sollen? Es war nichts und da würde niemals etwas sein, also gab es für mich auch keinen Grund ihn zu belügen. Benedikt war hier als Freund der helfen wollte und nicht als Nebenbuhler der nur darauf gewartet hatte bis die Luft rein war. Es gab tagsüber so viele Möglichkeiten, da brauchte es diesen einen Abend ganz gewiss nicht. Aber Max wollte es einfach nicht verstehen, da konnte ich es noch so oft erklären. Ich hob die Hand mit dem Telefon, drückte die Kurzwahltaste, denn eigentlich wollte ich das Gespräch nicht so unbeendet lassen. Das Freizeichen ertönte, doch anstelle von Max ging nur die Mailbox dran. *Na spitze*, schoss es mir durch den Kopf, denn warum da nur die Mailbox dran ging, war mir klar. Er hatte genau gewusst dass ich ihn noch einmal anrufen würde und da er wohl nicht mehr weiter reden wollte, hatte er sein Handy einfach ausgemacht. So konnte man sich natürlich auch aus der Affäre ziehen. Ich schnappte mir meine Zigaretten, betrat das Wohnzimmer und ließ mich neben Benedikt auf das Sofa fallen. „Alles in Ordnung“, fragte Benedikt und sah mich aufmerksam an. Ihm war das Telefonat reichlich kurz vorgekommen, aber direkt nachfragen wollte er dann doch auch nicht. „Wie man's nimmt“, meinte ich nur, warf das Telefon hinter mich auf das Sofa und schnappte mir ein paar vor mir liegende Blätter. „Du willst wohl nicht darüber reden oder?“, fragte Benedikt vorsichtig nach. „Nicht wirklich“, sagte ich ruhig und legte eines der Blätter zurück auf den Tisch um mir ein anderes dafür zu nehmen. „Ok“, meinte Benedikt und zuckte leicht mit den Schultern. „Dann lass uns mal weitermachen, sonst sitzen wir in 5 Stunden noch hier.“ Ich war ihm dankbar dafür, dass er nicht weiter nachgefragt sondern die Sache auf sich beruhen hat lassen. Es wäre auch reichlich seltsam gewesen ihm sagen zu müssen, dass er der Grund gewesen war, weshalb das Telefonat so kurz verlaufen war. Kapitel 17: Rückkehr -------------------- Endlich war Montag und das bedeutete Max würde heute endlich wieder zurückkommen. Ich war an diesem Vormittag noch im Büro gewesen um die letzten Feinheiten an dem Konzept vorzunehmen und war dann um die Mittagszeit verschwunden. Es gab noch so vieles zu tun, dass ich die Zeit einfach brauchte. Ich wollte Max mit einem leckeren Essen überraschen und dafür musste ich noch so einiges einkaufen. Es sollte ein ganz spezieller und besonderer Abend werden. Immerhin hatten wir uns jetzt beinahe 4 Wochen nicht gesehen und nur telefoniert und da sollte doch der Abend gebührend beginnen. Er sollte sich gleich wieder zu hause fühlen. Vollgepackt mit Tüten betrat ich die Wohnung in der es bald nicht mehr so ruhig sein würde. Es war zwar hin und wieder auch mal schön gewesen abends heim zu kommen und es war niemand da der einem Fragen stellte, aber im Großen und Ganzen hatte ich ihn doch sehr vermisst. Früher hatte ich es genoßen alleine in einer Wohnung zu wohnen, nichts teilen zu müssen, tun und lassen können worauf ich gerade Lust hatte und wenn es mitten in der Nacht das Kaffeekochen war. Aber es hatte sich doch so einiges in den letzten Wochen geändert. Jetzt konnte ich es mir gar nicht mehr vorstellen wieder alleine in einer Wohnung zu leben. Der Mensch gewöhnte sich eben doch an beinahe jede Lebenssituation. Ruhig warf ich einen Blick in den Ofen. Das Essen sah lecker aus und roch herrlich. Während das Essen so langsam fertig wurde, fing ich an den Tisch zu decken. Ich stellte Kerzen auf den Tisch und überprüfte noch einmal ob auch alles wirklich perfekt war. Ja es sollte perfekt werden. Nicht nur das Essen, sondern auch was ich mir für den Rest des Abends überlegt hatte. Es würde ihm bestimmt gefallen, so gut kannte ich ihn um mir das denken zu können. Kurz warf ich einen Blick auf die Uhr, schaltete den Ofen aus und verschwand dann noch oben um mich um zu ziehen. Es war kurz vor Sieben und die Türe konnte jeden Moment aufgehen. Wäre eine etwas komische Überraschung wenn ich nicht fertig war wenn er zurück kam. Umgezogen ging ich wieder nach unten und direkt in die Küche. Ich nahm den Wein aus dem Kühlschrank, die Gläser aus dem Schrank und stellte alles auf den Tisch. Der Wein würde gut zu dem Essen passen, für das ich beinahe 2 Stunden in der Küche gestanden hatte. Aber die Rückkehr von Max war es mir wert gewesen und so oft passierte es ja auch wieder nicht, dass er für längere Zeit nicht da war. Mein Blick ging zur Uhr, deren Zeiger jetzt genau auf 7 Uhr standen. Jetzt konnte er wirklich jede Minute zur Türe hereinkommen. Mit dem Feuerzeug zündete ich die Kerzen auf dem Tisch an und setzte mich auf einen Stuhl. Ich hörte ja wenn sich der Schlüssel im Türschloss herumdrehte. Ich warf erneut einen Blick auf die Uhr deren Zeiger nun so langsam auf 8 Uhr zuging. Max war bisher noch nicht zurückgekommen. *Sicherlich ist ihnen etwas dazwischen gekommen*, dachte ich mir, denn es gab bestimmt eine logische Erklärung für seine Verspätung. Es konnte etwas mit dem Auto sein, sie konnten in einem Stau stecken oder es hatte eine Planänderung gegeben. Die Tatsache dass er mich nicht darüber informiert hatte, hatte ich weit von mir geschoben. Sicherlich hatte er seine Gründe warum er mich nicht angerufen hatte und mir Bescheid gegeben hatte. Sollte es was größeres sein, dann hätte er es bestimmt getan. Also war es garantiert nur eine kurze Verzögerung und nicht mehr. Aber trotzdem konnte einen das Warten verrückt machen. Deswegen schnappte ich mir meine Zigaretten und ging auf den Balkon um eine zu rauchen. Es war einfach zur Nervenberuhigung, auch wenn das Rauchen die Nerven nicht unbedingt beruhigte, aber man bildete es sich ein. Aber in diesem Moment war es für mich wohl einfach nur Abwechslung. Etwas um auf andere Gedanken zu kommen und wenn es nur für ein paar Minuten war. Das stupide Warten mit irgendetwas zu unterbrechen. Ich hätte natürlich auch den Fernseher anmachen können oder den Computer oder mich irgendwie anders ablenken, aber vermutlich hätte ich mich so oder so auf nichts konzentrieren können. Ich merkte ja jetzt schon wie ich rauchte ohne es so wirklich zu registrieren. Ständig ertappte ich mich dabei, wie ich auf die Uhr sah. Es wurde immer später und später, aber noch immer gab es keine Nachricht. Kein Anruf, keine SMS. Nichts! Irgendwann hatte ich mich aufs Sofa gesetzt und die Füße auf den Tisch gelegt. Die Kerzen auf dem Tisch waren beinahe runtergebrannt und ich hatte sie ausgemacht. Das Essen lag zugedeckt im Backofen und würde vermutlich morgen in den Müll wandern. Es war nichts was sich mal so locker wieder aufwärmen ließ und schmecken würde es schon dreimal nicht mehr. Im Moment wusste ich nicht ob ich mir mehr Sorgen machen sollte oder ob ich einfach nur enttäuscht sein sollte. Der Zeiger der Uhr hatte die 10 Uhr überschritten und ging stetig auf 11 Uhr zu. Mein Blick wanderte zum Telefon. Ich hatte schon öfters versucht ihn zu erreichen, doch es war immer nur die Mailbox dran gegangen. Mein Blick ging für einen Moment zum Esstisch, der noch immer genauso aussah wie am Anfang, abgesehen von den Kerzen. Wieder ging meine Hand zum Telefon und ich war kurz davor zum 20ten Mal die Kurzwahltaste zu drücken, doch dann wählte ich eine andere Nummer. „Blut?“ „Ja hallo Per... Ich bin's“, meldete ich mich und wusste nicht einmal ob ich gerade das richtige tat. Ich kam mir seltsam vor Max hinterher zu telefonieren, aber ich machte mir einfach Sorgen. „Andrea? Was gibt’s denn?“, fragte Per und klang ein wenig überrascht. Wäre ich vermutlich auch, würde er mich mitten in der Nacht anrufen. „Ich... Ich wollte fragen wo ihr seid“, meinte ich ruhig und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. „Seid ihr schon losgefahren oder seid ihr noch oben?“ „Wo wir sind?“, fragte Per zurück und klang nun doch verwunderter. „Wir sind schon seit ein paar Stunden zurück in Berlin.“ „Oh“, kam es von mir nur und ich merkte wie ich den Kopf sinken ließ. Sie waren also schon lange zurück und Max steckte irgendwo. Er hatte sich nicht gemeldet und gar nichts. Scheinbar hatte er es auf einmal doch nicht mehr so eilig heim zu kommen. „Wieso? Was ist denn los?“ „Nun Max ist noch nicht da und ich versuch ihn zu erreichen, aber es geht nur die Mailbox dran“, erklärte ich ihm meinen Anruf. „Und da dachte ich, ich versuche es mal bei dir, damit ich überhaupt eine Info hab.“ Am anderen Ende wurde es für einen Moment still und ich hörte wie sich 2 Leute kurz unterhielten. Ob es jetzt weiblich oder männlich war schwer heraus zu hören und eigentlich ging mich das auch gar nichts an. „Weißt du vielleicht wo er stecken könnte?“, fragte ich Per, glaubte aber nicht dass ich von ihm eine Antwort erhalten würde. Er war immerhin sein bester Freund und wenn Max zu ihm sagte er solle schweigen, dann würde Per das auch tun. „Ich bin eigentlich davon ausgegangen dass er bei dir ist“, sagte Per betont ruhig, aber ich spürte einfach dass er in diesem Moment nicht die ganze Wahrheit sagte. „Nun er wird bestimmt noch auftauchen“, meinte ich leise und zuckte leicht mit den Schultern. „Sag Jules bitte einen lieben Gruß von mir.“ „Klar mach ich und du mach dir keinen Kopf.“ „Danke“, meinte ich zu ihm und legte dann wieder auf. Ich wusste ehrlich gesagt nicht was ich machen sollte. Da waren sie schon seit Stunden zurück und Max hatte sich weder blicken lassen, noch hatte er sich gemeldet, geschweige denn hatte er dafür gesorgt dass man ihn erreichen konnte. Es sah alles danach aus, als wolle er auch gar nicht erreicht werden, zumindest nicht von mir. Mit den Händen fuhr ich mir über das Gesicht und über den Kopf und seufzte leise auf. Sollte ich jetzt traurig sein oder einfach nur wütend? Wütend darüber dass ich hier saß und wartete, während er sich lieber irgendwo herumtrieb? Dass ich hier gesessen hatte und mir Sorgen gemacht hatte, während er sich womöglich irgendwo vergnügte? Dass er mich warten ließ und all meine Mühen umsonst gewesen waren? Ja ich war wütend, aber noch viel eher war ich traurig. Traurig und enttäuscht. Ich wusste nicht was in den letzten wenigen Tagen vorgefallen sein musste, dass er es vorzog nicht zu mir zu kommen. Hatte ich vielleicht etwas getan, dass es ihm unmöglich machte hier aufzutauchen? Ich wusste es wirklich nicht, das einzige was ich wusste war, dass er mich wohl nicht sehen wollte. Womöglich wollte er nicht einmal etwas mit mir zu tun haben, weshalb auch sonst meldete er sich nicht oder hatte es bewusst verhindert dass ich mich bei ihm melden konnte. Ich spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen und ich fühlte mich auf einmal wieder so einsam und so leer wie damals vor wenigen Monaten. An dem einen Abend an dem ich so vieles verloren hatte und zugleich mir so vieles geschenkt wurde. Damals hatte ich mir geschworen nie wieder einem Menschen so sehr zu vertrauen und nun hatte ich es doch wieder getan und für wozu? Ich wusste es wirklich nicht. Müde stand ich vom Sofa auf und ging hinauf ins Schlafzimmer. Was brachte es noch zu warten? Er würde diese Nacht nicht mehr auftauchen. Ich zog meine Sachen aus, kroch in das leere Bett und wickelte mich in die Decke ein. Aber es war nicht so einfach einzuschlafen, wenn einem so viele Gedanken durch den Kopf gingen wie mir in diesem Moment. So viele Fragen die ich mir stellte ohne eine Antwort darauf zu haben. Vielleicht würde ich irgendwann einmal eine Antwort erhalten, aber vielleicht würde ich auch ewig darauf warten müssen. Kapitel 18: Schreckliches Geheimnis ----------------------------------- Ich lag wach im Bett und starrte an die Zimmerdecke. Ich konnte einfach nicht einschlafen, nicht solange ich nicht wusste wo er war, was er tat und warum er sich nicht gemeldet hatte. Ich hatte es versucht, aber ich war kläglich gescheitert. Ein leises Geräusch drang vom unteren Teil der Wohnung ins Schlafzimmer und ich warf einen Blick auf den Wecker der neben mir auf dem Nachttisch stand. Es war jetzt kurz vor 4 Uhr in der Früh. Nein er hatte es wahrlich nicht eilig gehabt nach Hause zu kommen. Ich drehte mich auf die Seite, als jemand das Zimmer betrat. Ich wusste dass er es war, dafür brauchte ich nicht hinschauen. Mir brannten in diesem Moment so viele Fragen auf der Seele die ich ihm jetzt am liebsten gestellt hatte, aber er sollte nicht mitbekommen dass ich noch wach war. Dass ich die ganzen letzten Stunden nicht hatte schlafen können und noch weniger sollte er wissen, dass ich mir Sorgen gemacht hatte. Es wurde für einen Moment ein wenig unruhig im Bett als er sich hinlegte. Ich spürte wie er mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht strich und mir einen Kuss auf die Wange gab. Ich hörte auch das leise „Träum süß“ das er mir ins Ohr flüsterte, aber ich reagierte nicht darauf, wollte nicht darauf reagieren. Er hatte mich mit seinem Verhalten verletzt und ich konnte nicht einfach so wieder zur Tagesordnung übergehen. Aber auch jetzt wo er da war, konnte ich nicht schlafen. Mit offenen Augen lag ich im Bett, während er selig zu schlafen schien. Warum war er erst so spät nach Hause gekommen und warum tat er so, als wäre nichts passiert? Hatte er etwa schon vergessen gehabt was ich ihm erzählt hatte? Hatte er es vergessen oder war es ihm egal gewesen? Einen Grund gab es sicherlich und ich würde ihn noch erfahren ob er es wollte oder ob nicht. Ich drehte mich wieder auf den Rücken und starrte erneut einfach nur an die Zimmerdecke. Ich versuchte ja zu schlafen, aber es ging einfach nicht. Immer und immer wieder stellte ich mir die gleiche Frage. Die Frage nach dem Warum. Aber egal wie oft ich auch darüber nachdachte, ich fand keine Lösung. Zumindest keine Lösung die mir logisch erschien. Eigentlich hatte ich ja an diesem Tag frei, aber je länger ich wach lag, desto weniger Lust verspürte ich diesen freien Tag wahr zu nehmen. Was würde er auch schon bringen? Er hatte gestern keine Zeit mit mir verbringen wollen, warum sollte es sich nun geändert haben. Aber vielleicht war ich auch einfach nur stur und wollte ihm nun zeigen wie es war wenn man sich auf etwas gefreut hatte und es dann nicht eintrat. Vorausgesetzt natürlich er konnte sich überhaupt noch daran erinnern dass ich heute frei gehabt hätte. Als der Wecker auf halb Neun sprang, erhob ich mich aus dem Bett und ging an meinen Schrank um mir neue Sachen heraus zu nehmen. Ich gab mir keine große Mühe leise zu sein, so wie sonst immer. Wenn er wach wurde, dann wurde er eben wach. Dann war es sein Problem und nicht meines. Mit den Sachen unterm Arm verschwand ich im Badezimmer um erst einmal zu duschen. Vielleicht verhalf mir ja das zu neuen Lebensgeistern und vertrieben ein wenig die Müdigkeit die sich in meinem Körper breit gemacht hatte. Ich kam unter der Dusche vor und wollte mich anziehen, merkte aber schnell, dass ich etwas im Schlafzimmer vergessen hatte. Also ging ich wieder zurück ins Schlafzimmer und trat an den Schrank um das Vergessene herauszuholen. „Du bist wach?“, hörte ich es leise vom Bett fragen. Scheinbar hatte ich Max wohl doch geweckt. *Wie schade aber auch*, ging es mir dabei unfairerweise durch den Kopf. „Ja das bin ich“, meinte ich nur und zog mich weiter an. Aus den Augenwinkel sah ich, wie Max sich im Bett aufgesetzt hatte. Er sah müde aus und er sah kaputt aus. Aber das taten wir wohl beide. „Was hast du vor?“, fragte er nach und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. „Ins Büro gehen“, sagte ich und sah mich kurz im Zimmer um, ob ich nicht etwas vergessen hatte. „Ja aber ich dachte du hast heute frei“, kam es wieder fragend von Max, der nun aus dem Bett aufstand. „Habe mich umentschieden“, sagte ich und schnappte meine Jacke die über einen Stuhl hängte. Es war morgens nicht mehr so warm wie noch vor ein paar Tage. Man merkte eben doch, dass der Herbst so langsam kam. „Ja aber wieso?“ „Weil ich noch etwas am Konzept machen muss.“ „Ich dachte du bist fertig und wir könnten heute endlich mal wieder einen ganzen Tag zusammen verbringen“, kam es von Max der auf mich zu kam und der es wirklich nicht verstand. Nicht verstand warum ich jetzt einfach ging wo ich doch frei hatte. Wenigstens das hatte er nicht vergessen, wenn er schon den Rest vergessen hatte. „Ich bin eben doch noch nicht fertig“, sagte ich, zog meine Jacke an und verließ das Schlafzimmer. Ruhig ging ich die Treppe nach unten, während Max mir hinterher ging. „Kannst du das nicht morgen noch machen?“, fragte Max und blieb oben auf der Treppe stehen. Er schien wohl so langsam zu merken dass etwas nicht stimmte. „Nein kann ich nicht“, sagte ich nur kurz und fuhr mir mit den Händen über das Gesicht. „Ja aber du hast doch gesagt dass...“, sagte Max, kam die Treppe herunter, blieb jedoch auf halber Strecke stehen, als sein Blick auf den Esszimmertisch fiel. „Ich weiß nicht wann ich zurückkomme, also warte nicht auf mich“, meinte ich zu ihm, schnappte meinen Schlüssel und verließ die Wohnung. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung was ich im Büro tun sollte, aber es würde sich bestimmt etwas finden lassen was ich tun konnte. Max sah auf die Türe die gerade ins Schloss gefallen war und ließ sich auf die Treppe sinken. „Ich bin ein Vollidiot! Ein riesiger Vollidiot!“, sagte er laut und raufte sich die Haare. So langsam verstand er wirklich warum ich gegangen war, wo doch alles anders geplant gewesen war. Aber er wusste, dass er selbst daran schuld war. Er hatte einen Fehler gemacht und der war nicht wieder gut zu machen. Barfuß ging er nach unten ins Wohnzimmer, suchte das Telefon und klingelte durch. Er warte nicht erst bis sich sein Gesprächspartner gemeldet hatte, sondern fing gleich an zu reden. „Per ich bin so ein Vollidiot“, sagte Max und fuhr sich mit der freien Hand über das Gesicht. „Ein Volltrottel wie es ihn kein zweites Mal gibt!“ „Und deswegen wirfst du mich um die Uhrzeit aus dem Bett?“, fragte Per und klang reichlich müde. Es war absolut nicht seine Zeit und das sollte Max eigentlich wissen. Aber wenn er um diese Uhrzeit anrief, dann musste es einen guten Grund haben. „Was ist los?“ „Kannst du es dir nicht denken?“ „Ähm nein?“ „Sie wollte mich gestern überraschen und ich... Ich bin erst mitten in der Nacht nach Hause gekommen“, sagte Max und sah alles andere als glücklich aus. „Und jetzt ist sie sauer und ist einfach gegangen.“ „Sie ist sauer und da wunderst du dich noch darüber?“, kam es von Per der scheinbar nicht vorhatte Max zu beruhigen. „Du wärst es doch auch gewesen wenn sie dich einfach hängen gelassen hätte oder? Weißt du eigentlich was du da gestern angestellt hast?“ „Sicherlich wäre ich sauer gewesen, aber was hätte ich den machen sollen?“ „Dich vielleicht mal melden? Damit sie weiß was los ist und sich keine Sorgen macht?“ „Woher willst du das wissen?“ „Weil sie gestern hier angerufen hat und gefragt hat wo du bist? Ob ich etwas wüsste? Weil sie ständig versucht hat dich zu erreichen, aber du dein Handy aus hattest?“ „Sie hat bei dir angerufen?“ „Ja natürlich hat sie das und sie hat sich verdammt enttäuscht angehört!“ „Aber was soll ich denn machen?“, fragte Max nach und hatte einen ratlosen Ausdruck auf dem Gesicht. „Wie wäre es mit der Wahrheit?“ „Ja aber ich kann ihr ja wohl schlecht sagen dass ich mich nicht heim getraut hatte oder?“ „Das meinte ich jetzt nicht damit. Aber du weißt genau was damit gemeint ist“, kam es wieder von Per, dessen Stimme ein klein wenig säuerlich geworden war. „Ich kann es ihr aber nicht sagen“, seufzte Max und biss sich auf die Unterlippe. „Willst du sie dann lieber weiter belügen? Was meinst du wie lange das gut geht? Was ist wenn sie es von irgendjemanden erfährt? Was glaubst du wohl wie sie dann reagiert?“ „Von wem sollte sie es denn erfahren? Es wissen doch nur ihr davon und ihr werdet es ihr wohl kaum auf die Nase binden oder?“ „Nein werden wir nicht, aber ich hab ehrlich gesagt keine Lust sie ständig anlügen zu müssen, nur weil du dich mal wieder nicht unter Kontrolle hast halten können“, meinte Per und klang nun wirklich sauer. „Und die anderen werden auch keine große Lust haben Alibi für dich zu spielen.“ Leise seufzte Max wieder auf. Er wusste ja dass er einen Fehler gemacht hatte und dass er den Abend am liebsten ungeschehen machen wollte, aber das war leider nicht möglich. „Wenn ich es ihr sage dann... Sie wird mir das nicht verzeihen können“, meinte Max wieder und da war er sich recht sicher. „Per ich weiß nicht was ich jetzt machen soll.“ „Tja Max! Das hättest du dir überlegen müssen bevor du gemeint hast sie betrügen zu müssen!“ „Meinst du ich bin stolz drauf!?“ „Ich hoffe mal nicht!“, sagte Per. „DU hast dir die Suppe eingebrockt, also musst DU sie auch wieder auslöffeln. Aber ich rate dir eines, warte nicht zu lange damit. Du machst es nur schlimmer als es so oder so schon ist.“ „Heißt das du wirst mir nicht helfen?“, fragte Max, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte. „Genau das heißt es Max“, sagte Per. „Ich hab dir schon oft genug den Arsch gerettet und es wird langsam mal Zeit, dass du für deine Fehler selbst gerade stehst. Kläre die Sache, ansonsten kläre ich sie.“ „Das würdest du nicht tun oder?“ „Oh doch das würde ich tun. Sie tut so vieles für dich und wie dankst du es ihr? Du gehst ihr bei der erstbesten Gelegenheit fremd! Ich pack's einfach nicht! Was zum Henker hat dich bitte geritten dass du so einen Bockmist baust?!“ „Ich weiß es doch selbst nicht verflucht nochmal! Ich weiß nur dass es der größte Fehler meines Lebens war.“ „Dann schaue dass du es geregelt bekommst bevor es zu spät ist“, meinte Per und legte dann einfach das Telefon auf. Max sah auf das Telefon in seiner Hand und nickte leicht mit dem Kopf. Er wusste dass er es sagen musste, auch wenn nicht wusste was für ein Ende es nehmen würde. Aber er konnte nicht mit einer Lüge weiterleben. Er hatte einen Fehler gemacht und jetzt musste er eben die Rechnung bezahlen. Kapitel 19: Mit dem Rücken zur Wand ----------------------------------- Ich setzte mich an meinen Tisch und griff, wie so oft schon in den vergangenen Tagen, nach dem dicken, blauen Hefter. In diesem Hefter war alles, was ich in den letzten Tagen zusammengetragen und erarbeitet hatte. Wegen ihm hatte ich mir beinahe die Nächte um die Ohren geschlagen und er war es gewesen, weswegen ich Max nicht hatte begleiten können. Er war das papiergewordene Böse wenn man es einfach mal auf den Punkt bringen wollte. Er hatte für so viel Stress und Ärger gesorgt, dass es für dieses und wohl auch gleich für das nächste Leben reichen würde. Wenn er nicht gewesen wäre, dann wäre sicherlich vieles anders gekommen. Er bedeutete Ärger und trotzdem hatte ich ihn jetzt als Zuflucht verwendet. Mir war einfach keine andere Ausrede eingefallen als dass ich noch an diesem Konzept arbeiten müsste. Mehr oder weniger lustvoll blätterte ich zwischen den verschiedenen Seiten hin und her. Ich wusste dass es fertig war und dass es nichts mehr gab, was man daran noch machen musste, aber ich musste ja zumindest einmal den Anschein wahren. Nicht dass noch jemand auf die Idee kam mich zu fragen, was ich hier an meinem freien Tag wollte. Ich konnte ja wohl schlecht sagen, dass ich vor meinem eigenen Freund geflüchtet war. Aber bekanntlich kam es im Leben nie so, wie man es sich wünschte. „Was machst du denn hier?“, hörte ich Benedikt in meinem Rücken fragen. „Nach was sieht es denn aus?“, fragte ich zurück und starrte auf eines der Blätter im Hefter. „Ich habe nicht danach gefragt was du tust, sondern was du hier machst“, meinte Benedikt und kam um den Tisch herum, so dass er mich nun anschauen konnte. „Ich sitze hier weil ich noch etwas arbeiten muss“, sagte ich betont ruhig und deutete mit der Hand auf den blauen Hefter. „Es fehlt noch etwas und das wollte ich jetzt erledigen.“ „Du hast heute frei genommen weil Max da ist und sitzt nun hier und sagst mir, du musst noch etwas arbeiten?“, fragte Benedikt nach und man merkte es ihm an, dass er mir kein Wort glaubte von dem was ich sagte. „Ja genau das habe ich zu dir gesagt“, meinte ich und achtete aber genau darauf, ihn dabei nicht an zu sehen. Er würde sich doch sofort darin bestätigt fühlen dass etwas nicht stimmte, wenn er mir jetzt schon nicht über den Weg traute. „Ok“, meinte Benedikt ruhig und nahm mir den Hefter aus der Hand und schlug ihn auf. „Dann sage mir mal bitte was noch fehlt und was du ändern musst.“ Ich atmete tief ein und biss mir dann auf die Unterlippe. Ich schloss für einen winzigen Augenblick die Augen. Ich wusste genau er hatte mich erwischt und das ließ mich irgendwie wütend werden. Warum konnte man mir nicht einmal diesen Rückzug gönnen? „Das wirst du merken wenn es geändert ist“, meinte ich ein wenig patzig zu ihm und nahm ihm den Hefter einfach wieder aus der Hand. „Also würdest du mich jetzt bitte in Ruhe arbeiten lassen?“ Kurz sah ich ihn an, ehe ich meinen Blick wieder auf den Hefter vor mich richtete. Ich wusste selbst dass ich mich selbst in eine Sackgasse gebracht hatte, aber was hätte ich machen sollen? Ich konnte ihm ja wohl schlecht den wahren Grund nennen. Wir waren im Büro und nicht irgendwo privat. Meine privaten Probleme hatten hier im Büro nichts zu suchen und schon gar nicht sollten sie hier diskutiert werden. „Nimm deine Jacke wir gehen“, meinte Benedikt ernst und deutete auf die Jacke die an meinem Stuhl hing. „Ich muss...“, fing ich an, doch Benedikt schnitt mir einfach das Wort ab. „Du musst überhaupt nichts“, sagte Benedikt und seine braunen Augen hatten einen etwas tieferen Ton angenommen. „Weder musst du noch etwas arbeiten, noch musst du noch etwas verändern. Du bist fertig das weiß ich, weil ich habe es mir durchgesehen. Also würdest du jetzt bitte deine Jacke anziehen?“ „Ist ja schon gut“, meinte ich noch immer patzig und schnappte mir meine Jacke. Was ging es ihn eigentlich an? Ich war hier weil ich hier sein wollte. Es war doch mein Problem wenn ich an meinem freien Tag zur Arbeit ging. Er hatte gar nicht das Recht dazu sich in mein Leben einzumischen. Freund hin oder her. Auch Freunde sollten wissen wo ihre Grenzen lagen. Aber da wir uns mitten im Büro befanden wo jeder uns zuhören konnte, konnte ich ihm ja schlecht sagen was ich von seiner Aktion hielt. Also blieb mir nichts anderes übrig als ihm einfach zu folgen. Doch kaum waren wir vor der Türe blieb ich stehen und sah ihn an. „Kannst du mir mal bitte sagen was das gerade eben sollte?“, fragte ich ihn und es war mir egal ob meine Stimme jetzt unbeherrscht war oder nicht. „Das kann ich gerne tun“, antwortete Benedikt ruhig und steckte seine Hände in seine Jackentasche. „Aber nicht hier und nicht jetzt.“ „Ich will es aber jetzt wissen und nicht irgendwann einmal!“ „Dann komme einfach mit“, sagte Benedikt schlicht und ging los. Er ließ mir die Wahl ob ich folgen würde oder ob ich einfach stehen blieb. Er zwang mich nicht direkt, aber dieses indirekte Zwingen reichte mir schon voll und ganz. Ich hatte also jetzt die Wahl zwischen ahnungslos stehen gelassen werden und nachgeben. Es war doch zum aus der Haut fahren! Hatte sich heute jeder und alles gegen mich verschworen? Missmutig steckte ich die Hände in die Jackentasche und folgte Benedikt. Er würde hoffentlich wissen wohin er wollte. Vor einem Cafe blieb Benedikt stehen und sah mich an. „Du willst doch jetzt nicht etwa Kaffeetrinken gehen oder wie?“ „Korrekt!“, meinte er nur und betrat das Cafe. Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn und folgte ihm. Er konnte einen regelrecht wahnsinnig machen mit seiner Ruhe. Konnte er nicht auch mal sauer werden? Mehr oder weniger genervt folgte ich ihm in das Cafe und ließ mich ihm gegenüber auf einen Stuhl sinken. Ich hatte nicht vor hier lange zu bleiben. Lediglich so lange wie ich wusste was er mir zu sagen hatte. „Ich nehme mal an du möchtest auch einen Kaffee?“, fragte Benedikt ruhig und bestellte einfach für mich mit, nachdem ich ihm keine Antwort gegeben hatte. Wenn er Lust auf fröhliches Geplänkel hatte, dann war er bei mir eindeutig an der falschen Adresse. „So du wolltest mir erzählen warum du an deinem freien Tag im Büro auftauchst“, sagte Benedikt ruhig, nachdem die Bedienung die beiden Kaffee gebracht hatte. „Das habe ich dir bereits gesagt“, meinte ich nur und schüttete etwas Milch in die braune Brühe. „Außerdem wolltest du mir etwas sagen wenn ich mich nicht irre.“ „Gut“, meinte Benedikt und zuckte leicht mit den Schultern. „Das Problem ist nur das, dass ich dir kein Wort glaube und das Gefühl habe du versuchst mir hier ein Lügenmärchen aufzutischen und das so schlecht, dass du es selbst nicht einmal glaubst.“ „Und kannst du mir auch mal bitte sagen warum ich lügen sollte?“, fragte ich nach und sah ihn mit direktem Blick an. Angriff war vielleicht doch die beste Art von Verteidigung. Besonders wenn man mit dem Rücken zur Wand stand, was ich in diesem Moment schlichtweg tat. Ich wusste dass ich log und ich wusste auch dass es sich nach einer Lüge anhörte, aber was sollte ich auch anderes machen? „Die letzten Tage hast du gearbeitet wie eine Verrückte damit es mit dem freien Tag klappt. Jetzt tauchst du auf, siehst aus wie einmal quer durchs Klo gezogen und willst mir erzählen du müsstest noch etwas machen? Schon vergessen dass wir dein Konzept am Montag gemeinsam durchgegangen sind und es perfekt war?“ „Danke für das Kompliment“, meinte ich nur mit einem doch etwas ironischen Unterton. Aber was sollte man da auch großartig sagen wenn einem jemand sagte, dass man beschissen aussah? „Gern geschehen“, sagte Benedikt nur ruhig und überhörte die Ironie einfach. „Also was ist gestern schief gegangen und sag jetzt ja nicht, es sei alles in bester Ordnung, weil das ist es nämlich nicht. Ich habe mich schon einmal damit abgefunden und ich werde es nicht noch einmal tun.“ „Was willst du jetzt bitte von mir hören?“, fragte ich nach und versuchte so das Unausweichliche noch ein wenig hinaus zu zögern. „Die Wahrheit“, sagte Benedikt und sah mich an. „Einfach nur die Wahrheit.“ Kurz sah ich ihn an ehe ich seufzte und mir auf die Lippe biss. Sollte ich ihm wirklich die Wahrheit sagen oder reichte es, wenn ich ihm nur eine Teilwahrheit sagte? Wäre es nicht besser ihm einfach zu verschweigen was an dem Tag passiert war wo er bei mir gewesen war und gleich am gestrigen Tage zu beginnen? Aber würde es dann einen Sinn machen? Ich trank einen Schluck Kaffee, aber egal wie lange ich es noch versuchte zu verhindern, Benedikt würde wohl erst Ruhe geben, wenn er wusste was er wissen wollte. „An dem Abend wo du bei mir warst und wir das Konzept bearbeitet hatten, da hatte Max doch angerufen“, erzählte ich einfach drauf los. Er wollte die Wahrheit haben? Gut! Dann sollte er sie auch bekommen. „Er wollte wissen was ich mache und da habe ich ihm gesagt, dass du da bist und wir an meinem Konzept arbeiten. Daraufhin hat er das Gespräch mehr oder weniger beendet und weißt du warum? Weil er eifersüchtig ist auf dich! Weil er glaubt du würdest alles nur tun weil du irgendwelche Absichten hegst! Schon auf Tour war er es gewesen und am Tag bevor er hat los müssen sind deswegen bei uns die Fetzen geflogen wie noch nie! Er ist nämlich der festen Überzeugung dass du mir das Konzept nur aufgebrummt hast damit ich nicht mit konnte, weil du einen Keil zwischen mir und Max treiben willst. Und was soll ich sagen? Es hat perfekt funktioniert! Seit diesem Abend war er nicht mehr für mich erreichbar. Das Handy war aus und hat man gefragt wo er ist wusste es keiner. Aber das war noch nicht das Beste! Das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt. Gestern hätte er ja heimkommen sollen und ich hab mir die größte Mühe gegeben ihn zu überraschen und weißt du was? Er ist gar nicht aufgetaucht! Ich musste Per anrufen um zu erfahren dass sie schon seit Stunden wieder zurück in Berlin waren, aber der Herr hatte es nicht für nötig gehalten sich zu melden! Irgendwann heute Nacht um 4 ist er dann mal aufgetaucht. Und jetzt frage ich dich... Ist es jetzt immer noch so verwunderlich dass ich an meinem freien Tag in dem verdammten Büro sitze?“ Mit funkelnden Augen starrte ich Benedikt an. Er hatte die Wahrheit hören wollen und das hatte er jetzt auch getan. Es war mir klar dass er das gewiss nicht hatte hören wollen, aber er hatte es einfach nicht anders gewollt. Jetzt wusste er was Sache war und jetzt sollte er auch schauen wie er mit diesen Informationen klar kam. Wie er es machen würde, das war nicht mein Problem. Ich hatte genug eigene Probleme. Einen Moment lang sah mich Benedikt einfach nur an. Es war schwer an seinem Blick etwas zu erkennen, denn da stand so vieles geschrieben, dass es schwer war ein Gefühl genauer zu erkennen. Mir war klar dass er die Worte die ich ihm gerade einfach so an den Kopf geworfen hatte erst einmal verdauen musste. Hätte ich mich nicht so von ihm in die Ecke gedrängt gefühlt, hätte ich es ihm vermutlich nicht einmal gesagt und wenn, dann sicherlich nicht so. Aber ich hasste es einfach wenn ich mit dem Rücken zur Wand stand und dann griff ich einfach an. „Ich weiß nicht was ich jetzt sagen soll“, meinte Benedikt leise und rührte mit dem Löffel in seinem Kaffee herum, dass einem schon vom zuschauen schlecht wurde. „Wie wäre es mit gar nichts?“, meinte ich nur und verschränkte die Arme. Ich hatte es wieder einmal geschafft jedem der mir irgendwie nahe stand voll vor den Kopf zu stoßen. Aber er selbst hatte doch gesagt dass man zu dem stehen sollte was man wollte, dass man nur sich Rechenschaft schuldig war und dass man sein Ding machen sollte. Also sollte er jetzt auch mit den Konsequenzen leben. „Jetzt macht das auch alles einen Sinn“, meinte Benedikt wieder und legte den Löffel neben die Tasse. „Deswegen ist er also in letzter Zeit mir gegenüber so seltsam gewesen. Ihm mochte es vielleicht nicht so bewusst gewesen sein, aber mir schon.“ „Schön dass es wenigstens für dich einen Sinn macht“, sagte ich und verdrehte die Augen. „Für mich macht es nämlich absolut keinen! Ich weiß nur dass mein Freund, von dem ich nicht einmal mehr weiß ob er es überhaupt noch ist, eifersüchtig auf meinen Boss und guten Freund ist und ich nicht weiß wie ich ihm klar machen soll, dass ihm von diesem keine Gefahr droht!“ Ich hatte es schon so oft versucht, aber ich war jedes Mal gegen eine Mauer des Schweigens gerannt. Sobald ich auch nur das Thema angeschnitten hatte, waren bei Max sämtliche Rollläden runtergegangen und er hatte auf stur geschaltet. „Warum zweifelst du?“, fragte Benedikt leise nach und sah mich aufmerksam an. „Warum ich zweifel? Ist das denn nicht logisch?“, fragte ich zurück und verdrehte wieder die Augen. „Hallo?! Er hat sich am Telefon verleugnen lassen, meldet sich 3 Tage lang nicht, hält es nicht für nötig mich darüber zu informieren dass er wieder in Berlin ist und taucht irgendwann mitten in der Nacht auf und tut am nächsten Tag so, als sei nichts gewesen?“ „Meinst du nicht dass du das vielleicht zu ernst siehst?“ „Zu ernst? Willst du mir damit vielleicht sagen ich übertreibe? Dass ich mir das alles einbilde?“ „Nein so habe ich das nicht gemeint.“ „Ach ja? Und wie dann bitte?!“ Ich glaubte wirklich gerade ich war im falschen Film. Ich musste mir doch nicht etwa wirklich sagen lassen ich würde übertreiben. Wenn ich übertreiben würde, dann würde das ganz anders aussehen. Ich zählte lediglich Fakten auf, Tatsachen an denen es nicht zu rütteln gab. Sie waren so passiert wie ich sagte und für mich war das einfach Grund genug zu zweifeln. „Ich meine vielleicht gibt es ja eine logische Erklärung für alles?“, schlug vor Benedikt vor, aber ich merkte genau, dass er selbst nicht an das glaubte was er sagte. Er selbst konnte auch nicht leugnen, dass die Fakten für sich sprachen. „Und welche bitte? Was gibt es für eine logische Erklärung sich am Telefon verleugnen zu lassen?“ „Woher willst du wissen dass es so war?“ „Wenn ich einen der Anderen anrufe die rein zufälligerweise mit ihm in einem Hotel sind und seltsamerweise keiner weiß wo er ist? Keiner mir eine Auskunft erteilen kann, dann ist einfach etwas zu viel des Zufalls. Wenn ich Per anrufe und ihn nach Maxs Verbleiben frage und er mir zwar antwortet aber das erst nach einer Pause, dann ist das alles andere als beruhigend“, sagte ich zu Benedikt und klopfte leicht mit dem Löffel auf dem Tisch herum. Nein es war wirklich alles andere als beruhigend, es bewirkte schlichtweg das Gegenteil. Irgendetwas war faul. Ich spürte es. „Warum bist du heute ins Büro gekommen anstatt mit ihm zu reden?“, fragte Benedikt ruhig und trank einen Schluck von dem Kaffee. Ich sah Benedikt an und lachte auf. Ich wusste nicht warum, aber mir war auf einmal nach Lachen zu Mute. „Weil ich ein Feigling bin?“, schlug ich vor und traf damit wohl vollkommen ins Schwarze. „Weil ich Angst vor dem hatte was er mir vielleicht sagen könnte? Weil ich lieber weiter heile Welt träumen möchte anstatt in einem Alptraum auf zu wachen?“ Dabei war jetzt alles schon ein reiner Alptraum. Es hatte alles so gut angefangen, aber es war nur eine Frage der Zeit gewesen bis das Bilderbuchleben wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrach. Es war bisher immer so gewesen, warum sollte es jetzt anders sein? Bisher war alles was in meinem Leben gut zu verlaufen schien, früher oder später in einem Fiasko geendet. Nein es verwunderte mich nicht wirklich, es verwunderte mich nur, dass es so spät passiert war. Aber vielleicht hatte es sich auch alles schon viel früher angekündigt und ich hatte nur meine Augen davor verschlossen. Mich krampfhaft an etwas festgehalten, was so nicht mehr existierte. „Vielleicht sollte ich auch einfach nach Hause gehen und mich dem Ende stellen“, seufzte ich leise und ließ den Kopf hängen. Ja vielleicht sollte ich das einfach tun, dann hatte ich es hinter mir. „Heißt es denn nicht 'Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende'?“ „So darfst du aber nicht denken“, meinte Benedikt leise und legte seine Hand auf meine. „Wie soll ich denn sonst denken“, fragte ich leise und senkte meinen Blick auf den Tisch. „Wenn er dich nicht hätte sehen wollen, dann wäre er gewiss nicht mehr zu dir gekommen. Weder am Abend, noch mitten in der Nacht“, sprach Benedikt ruhig und sah mich an. „Oder würdest du zu jemanden zurück gehen den du nicht mehr sehen möchtest?“ „Nein würde ich wohl nicht tun“, meinte ich zu ihm und schüttelte den Kopf. „Na siehst du“, sagte Benedikt und sah mich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen an. „Ich glaube es löst sich alles auf. Ihr müsst euch nur einfach mal zusammensetzen und über all das reden, was sonst nicht ausgesprochen wird. Er hatte es in den letzten Tagen nicht einfach und du hattest es auch nicht einfach. Vielleicht solltet ihr zwei einfach mal für ein paar Tage in den Urlaub fahren. Nur ihr Beide.“ „Urlaub? Was ist das?“, fragte ich und tatsächlich legte sich ein kleines Lippen auf meine Lippen. „Das ist das, was du von mir bekommst, wenn du es von mir verlangst“, lachte Benedikt leise auf. „Sag mir einfach Bescheid und ich schau dass es klappt. Jetzt ist ja das Schlimmste vorbei.“ „Würdest du das wirklich tun?“, fragte ich nach und konnte es mir nicht so ganz vorstellen. Nicht weil ich nicht glaubte dass er mir Urlaub gab, sondern viel eher nicht deswegen, da ich nicht glaubte dass Max sich frei machen konnte. Das Album war aufgenommen und jetzt ging es wohl bald mit der Promotion für das Album los. Da war wohl erst einmal nicht an Urlaub zu denken. Aber ich sah wahrscheinlich wieder einmal viel zu schwarz und es würde sich doch noch eine Möglichkeit ergeben. „Sonst hätte ich es dir wohl nicht angeboten“, kam es mit einem Grinsen von Benedikt der sich in seinem Stuhl leicht zurücklehnte. „Und was hast du jetzt mit deinem angebrochenen Tag vor? Ins Büro jedenfalls werde ich dich nicht mehr lassen.“ „Gute Frage“, meinte ich schulterzuckend. „Nach Hause möchte ich im Moment nicht. Vielleicht schaue ich mal ob Jules wach ist und lade sie auf einen Stadtbummel ein, damit ich endlich dem Vorurteil entspreche das Männer von Frauen haben, nämlich dass sie nur Shoppen im Kopf haben.“ Lachend sah mich Benedikt an, ehe er den Kopf schüttelte. „So habe ich es gerne“, meinte er schmunzelnd. „Meine Mitarbeiter machen sich einen schönen Tag, während ich nicht weiß wo mir der Kopf steht.“ Mit einem Zwinkern in den Augen sah er mich an und fügte schnell noch ein „Und nein ich brauche keine Hilfe“ hinten an, da er gesehen hatte, dass ich zum sprechen ansetzte. „Gut wenn du meine Hilfe nicht willst, dann werde ich sie dir auch nicht aufdrängen“, meinte ich ruhig und kramte in der Tasche nach meinem Handy. „Versuch du auf andere Gedanken zu kommen und mehr will ich nicht“, sagte Benedikt ruhig und erhob sich von seinem Platz. „Wir sehen uns morgen wieder.“ Damit verschwand er auch schon aus dem Cafe und ließ mich zurück. Kapitel 20: Weiber unter sich ----------------------------- Seufzend zuckte ich mit den Schultern und wählte die Nummer von Jules. Ich hoffte nur sie war zu Hause und hatte auch Zeit, ansonsten würde es wohl eine sehr eintönige Shoppingtour werden. „Alles klar bei dir?“, fragte Jules, die an der Nummer erkannt hatte, wer sie da gerade anrief. „Ähm ja... Eigentlich schon“, meinte ich, doch ein wenig überrascht über diese Art von Begrüßung. „Ich wollte fragen ob du Zeit hast? Also jetzt und heute Nachmittag?“ „Klar habe ich Zeit. Für dich hab ich doch immer Zeit“, meinte Jules und ich starrte kurz auf das Handy in meiner Hand, ehe ich es mir wieder ans Ohr hielt. „Ja also ich wollte fragen ob du Lust hast mit mir shoppen zu gehen“, fragte ich ruhig und strich mir ein paar Haare aus dem Gesicht. „Einfach mal wieder nur wir beide. So wie früher halt.“ „Klar können wir machen und danach gehen wir gemeinsam zur Probe“, meinte Jules und es folgte eine kleine Stille. „Aber... Halt! Stop! Was ist mit Max? Hast du nicht wegen ihm heute frei?“ „Mir ist es ehrlich gesagt egal was er heute macht“, sagte ich bemüht ruhig und zuckte zusätzlich mit den Schultern, auch wenn Jules das natürlich nicht sehen konnte. „Ich habe heute Lust mit meiner besten Freundin die Stadt unsicher zu machen, also werde ich das auch tun.“ Am anderen Ende des Telefons wurde es wieder still. Fing sie jetzt etwa auch noch an zu überlegen ob sie wirklich mitkommen wollte oder ob sie es doch lieber ließ? „Also was ist jetzt? Kommst du mit oder nicht?“, fragte ich deswegen noch einmal nach, weil ich hätte dann doch gerne eine Entscheidung von ihr. Dusselig hatte ich mich gestern schon gewartet, da brauchte ich es heute nicht schon wieder. „Wo treffen wir uns?“, fragte Jules nach einer halben Ewigkeit und ich hatte mich schon gefragt ob sie überhaupt jemals antworten würde. „Bahnhof? Alex? Mir ist es egal“, meinte ich nur schulterzuckend, denn mir war es wirklich egal. Treffen konnte man sich überall wenn man wollte. „Ok dann würde ich sagen treffen wir uns oben am Bahnhof“, sagte Jules und ich hörte wie eine Türe auf und wieder zuging. „Ich sollte in ungefähr 15 Minuten dort sein.“ „Gut dann sehen wir uns ja dort“, meinte ich zu ihr und beendete das Gespräch. Das Handy steckte ich zurück in die Tasche, erhob mich von meinem Platz und ging zu der Bedienung um den Kaffee zu bezahlen. Doch die sagte mir, dass er bereits bezahlt war. Es konnte nur Benedikt gewesen sein. So langsam sollte ich mir wohl mal Gedanken darüber machen, wie ich mich revanchieren konnte, so oft wie er mich schon eingeladen hatte. Sei es zum Kaffee gewesen, sei es zum Mittagessen gewesen oder zur Pizza für Zwischendurch. Er hatte da nie großartig gefragt oder was gesagt. Er hatte es einfach gemacht. Er war einfach ein sehr lieber Mensch und ich war froh ihn zu kennen, auch wenn es dadurch zwischen mir und Max immer mal wieder zu Reibungen kam. Draußen vor der Türe steckte ich meine Hände wieder in die Jackentasche, denn es war doch frisch geworden und der Herbst kündigte sich so langsam aber sicher an. Die Blätter der Bäume verloren langsam das satte Grün und färbten sich in allen möglichen Gelb und Orangetöne. Ich liebte den Herbst einfach. Sich daheim in eine warme Decke kuscheln, während draußen die Herbststürme tobten. Mit ruhigen, aber doch zügigen Schritten ging ich auf die Station zu und musste nicht einmal besonders lange warten bis die nächste Bahn kam. Sie war relativ leer, was wohl daran lag, dass die Schüler aktuell in ihren Klassenzimmer saßen und die Erwachsenen ihrer täglichen Arbeit nachgingen. Es gab genügend Plätze wo ich mich hätte setzen können, aber ich zog es vor zu stehen, denn ich musste so oder so gleich wieder aus der Bahn raus. Da lohnte es sich einfach nicht, so alt dass ich nicht mehr stehen konnte war ich dann doch auch wieder noch nicht. Am Bahnhof verließ ich die Bahn, ging die Treppe nach unten und dann beinahe quer durch den halben Bahnhof. Er war nun mal nicht gerade klein und ich hoffte nur ich verließ ihn auch an der richtigen Stelle. Nicht dass Jules auf der anderen Seite auf mich wartete. So große Lust noch einmal quer durch den Bahnhof zu müssen hatte ich nämlich nicht gerade. Aber ich hatte Glück. Ich hatte noch nicht einmal so richtig den Bahnhof verlassen, als ich Jules auch schon warten sah. „Da bist du ja endlich“, begrüßte mich Jules und umarmte mich kurz zur Begrüßung. „Ich dachte schon du kommst nicht mehr.“ „Jetzt komm... So lange hast du auch nicht warten können“, meinte ich mit zweifelndem Blick. „Du hast keine Ahnung wie lange 5 Minuten sein können“, lachte Jules und steckte ihre Hände in die Hosentasche. „Oh doch das weiß ich zu gut“, entgegnete ich, so hatte ich es doch gestern am eigenen Leib erfahren müssen wie grausam das Warten sein konnte. „Aber jetzt lass uns losgehen sonst stehen wir in einer halben Stunde noch hier.“ Ich hängte mich bei Jules ein und gemeinsam gingen wir los. Sicherlich hätten wir auch das Stück mit der Bahn fahren können, aber spazieren hatte dann doch auch seinen Reiz. Ich hatte die letzte Tage genug Zeit mit sitzen verbracht und die Bewegung tat mir richtig gut. Außerdem konnte man beim spazieren seine Seele baumeln lassen und auf andere Gedanken kommen. Außer man hatte eine Begleiterin wie Jules. „Sag mal wie kommt es dass du es vorziehst shoppen zu gehen, anstatt die Zeit mit Max zu verbringen?“, fragte mich Jules und warf mir dabei einen Blick von der Seite zu. „Besonders wenn er so lange nicht da war. Etwas besonderes vorgefallen?“ Ich warf ihr einen Blick zu und sah wieder nach vorne auf meinen Weg. „Jules weißt du eigentlich dass du immer die richtigen Fragen im falschen Moment stellst?“, fragte ich zurück und warf ihr wieder einen Seitenblick zu. „Wenn ich nicht genau wüsste dass dem nicht so ist, würde ich fast vermuten du weißt mehr als du wissen könntest.“ „Ich was wissen? Nein! Würde ich sonst nachfragen?“, kam es von Jules die heftig ihren Kopf schüttelte. „Nein ich meine... Du hast Max jetzt fast 4 Wochen nicht gesehen und da verwundert es mich eben, dass du jetzt nicht bei ihm bist.“ „Bist du denn bei Per?“, fragte ich zurück und sah sie an. „Ja nein...“ „Also!“ „Aber ich würde, wenn er nicht heute wohin hätte müssen“, sagte Jules und sah mich mit einem offenen Blick an. „Also ein wenig eine andere Voraussetzung als bei dir oder etwa nicht?“ Leise seufzte ich auf. Sie hatte ja recht mit dem was sie sagte. Es war tatsächlich bei mir anders als bei ihr. „Ja schon...“, murmelte ich und hatte eigentlich gar keine Lust die ganze Geschichte jetzt noch einmal erzählen zu müssen. „Hat er es dir gesagt?“, fragte Jules vorsichtig nach und sah mich aufmerksam von der Seite her an. „Gesagt? Was hätte er denn sagen sollen? Jules?“ Ich war stehen geblieben und sah Jules mit einem fragenden Blick an. Was hatte sie damit jetzt sagen wollen oder besser auf was wollte sie mit der Frage hinaus? Da stimmte doch etwas nicht oder? Warum stellte sie mir ausgerechnet diese Frage und keine andere? „Ja ähm... Wo er gewesen ist?“, meint Jules und sah für einen winzigen Augenblick einfach durch mich hindurch. „Wie wo er gewesen ist? Woher weißt du das?“, hakte ich nach, denn Jules schien wirklich mehr zu wissen als sie bereit war zu zugeben. „Ich war bei Per gewesen als du angerufen hast schon vergessen?“, meinte Jules und sah mich an. „Ach stimmt ja“, sagte ich und setzte meinen Weg weiter fort und sah wieder auf die Straße vor mir. Vielleicht hätte ich das besser nicht getan, denn dann hätte ich den erleichterten Blick von Jules bemerkt, aber so war er mir verborgen geblieben. „Und hat er dir gesagt wo er so lange war?“, fragte Jules wieder nach und sah ebenfalls auf die Straße. „Er kam erst heute morgen um 4 Uhr heim und heute morgen hatte ich nicht gerade viel Lust mich mit ihm zu unterhalten“, erzählte ich und zuckte leicht mit den Schultern. „Beziehungsweise habe ich ihm gar keine Möglichkeit gegeben mir etwas zu sagen. Ich wollte einfach nur raus.“ Leise seufzte Jules neben mir auf was bewirkte, dass ich ihr einen fragenden Blick zuwarf. Was gab es bitteschön für sie zum seufzen? Bei ihr war doch alles in bester Ordnung. „Und was willst du jetzt machen?“, fragte Jules und sah mich wieder von der Seite her an. „Du kannst ihm doch nicht ewig aus dem Weg gehen oder ihn anschweigen. Irgendwann müsst ihr doch mal reden.“ „Jules du hast keine Ahnung was ich nicht alles kann“, sagte ich nur und mein Blick verfinsterte sich für einen Moment. „Er hat sich bei mir nicht gemeldet, wenn ich angerufen hatte war er nie da und dann kommt er mitten in der Nacht nach Hause obwohl er gewusst hatte dass ich etwas vorbereitet hatte und tut am nächsten Morgen so als wäre alles wie sonst? Nee Jules, das funktioniert so nicht. Sicherlich interessiert es mich wo er gesteckt hatte und zugleich will ich es lieber nicht wissen. Verstehst du? Ich habe einfach das Gefühl da gibt es etwas, das zum Himmel stinkt.“ „Hmm“, murmelte Jules und zog ihren Kopf leicht zwischen ihre Schultern. Sie schien nachzudenken. Ob jetzt über das was ich ihr gesagt hatte oder ob sie sich gerade eine Erklärung überlegte wusste ich nicht und ehrlich gesagt war es mir auch egal. Es würde so oder so nur etwas nutzloses herauskommen. Ein guter Ratschlag der keiner war oder etwas anderes in diese Richtung. „Bezeichne mich von mir aus als stur oder als nachtragend, aber so ist es nun einfach mal“, sagte ich wieder und blieb stehen. „Er hat den Bockmist gebaut, also soll er auch schauen wie er die Sache wieder bereinigt bekommt. Ich lasse mir doch von ihm nicht auf der Nase herumtanzen!“ „Ja vielleicht gibt es auch einen ganz anderen Grund für alles“, meinte Jules vorsichtig und biss sich leicht auf die Lippen. „Jules wenn du mir damit irgendetwas sagen willst, dann tue es doch bitte so, dass man es auch versteht“, meinte ich und sah sie abwartend an. „Mensch ich weiß es doch auch nicht“, sagte Jules und verdrehte die Augen. „Ich denke mir nur dass er einen Grund für sein Verhalten hat.“ „Dann soll er ihn mir doch einfach sagen!“ „Ja wie hätte er denn sollen wenn du ihm keine Chance gibst?!“ Ok damit hatte sie recht. Ich hatte ihm ja wirklich keine Chance gegeben irgendetwas zu erklären, weil ich war ja heute morgen schlichtweg vor allem geflüchtet. Aber hätte ich ihm heute morgen die Chance gegeben, dann wäre ich ihm wohl nur irgendwann an die Gurgel gesprungen und das war ja auch nicht der Sinn der Sache. Ich war mir relativ sicher dass das passiert wäre, weil selbst als ich heute morgen dann aufgestanden war, war ich noch geladen gewesen. Ein falsches Wort und es wären die Fetzen geflogen. Nein da war es doch besser gewesen ich war einfach gegangen. So zumindest hatte ich genügend Zeit um wieder auf ein normales Level zu kommen. „Ist ja schon gut“, seufzte ich und verdrehte die Augen. „Aber um ehrlich zu sein habe ich dich angerufen um auf andere Gedanken zu kommen und nicht mich die ganze Zeit über das 'was wäre wenn' zu unterhalten. Also gehen wir jetzt shoppen oder nicht?“ Ich sah Jules fragend an und deutete mit der Hand auf einen Laden vor dem ich stehen geblieben war. Das Schaufenster sah recht interessant aus, also konnte man doch ruhig mal einen Blick reinwerfen. Zeit hatten wir ja genügend. „Also wenn ich das Top da im Schaufenster anschaue, dann frage ich mich, warum wir noch hier stehen“, lachte Jules und ehe ich mich versah wurde ich auf von ihr in den Laden gezogen. Ich schüttelte nur den Kopf, aber trotzdem erwischte ich mich dabei, dass ich grinsen musste. Ja shoppen half tatsächlich wenn man auf andere Gedanken kommen wollte. Vielleicht sollten es die Männer auch einfach mal ausprobieren, bevor sie darüber urteilten und uns Frauen als shoppingsüchtige Geschöpfe abstempelten. Mit einer Einkaufstüte in der Hand und einem neuen Top mehr in Jules' Schrank verließen wir den Laden wieder und gingen direkt in den Nächsten. Man konnte sagen, Jules und ich ließen es uns heute so richtig gut gehen und es gab nichts, was wir nicht anprobierten. Es konnte noch so abgefahren, noch so grauenvoll oder stillos sein, einer von uns Beiden probierte es auf alle Fälle an. Kapitel 21: Zukunftsmusik ------------------------- Ein paar viele Läden und ein paar vielen Kleidungsstücke später, war meine Laune doch schon wieder beachtlich gestiegen. Die Shoppingtour hatte doch tatsächlich geholfen auf andere Gedanken zu kommen. Ich hatte beinahe schon vergessen was an diesem Morgen passiert war. Plötzlich blieb Jules stehen und das Grinsen auf ihrem Gesicht wurde von Moment zu Moment breiter. „Jules? An was denkst du gerade?“, fragte ich vorsichtig nach, denn das Grinsen gefiel mir überhaupt nicht. „Ich weiß jetzt wohin wir als nächstes gehen“, lachte Jules und sah mich an. „Und das wäre?“ „Da rein!“, meinte Jules und deutete mit der Hand auf einen Laden. „Oh nein Jules!“, meinte ich und schüttelte den Kopf. „Ooooh doch!“ „Ooooh Nein!“ „Aber sicher!“ „Das ist nicht dein ernst?“ „Und wie er das ist“, meinte Jules und zog mich einfach auf den Laden zu, auch wenn ich mich dagegen wehrte. Das konnte doch nicht ihr ernst sein? Was sollten wir in dem Laden? Da gehörten wir doch gar nicht hin. Zumindest jetzt noch nicht. An der Türe versuchte ich noch ein letztes Mal mich dagegen zu wehren, doch Jules hatte nicht meine Hand los zu lassen. Erst als die Türe hinter uns wieder zuging ließ sie meine Hand los. Eine Frau in mittlerem Alter kam aus einem Hinterzimmer und blieb vor uns stehen. „Kann ich euch weiterhelfen?“, fragte sie freundlich auch wenn sie ein wenig über unser Auftauchen verwundert zu sein schien. „Ich denke schon“, meinte Jules und ging ein paar Schritte auf die Frau zu. „Meine Freundin hier hat vor zu heiraten. Also jetzt nicht in den nächsten Tagen, aber sie würde sich gerne jetzt schon einmal umschauen. Wissen sie, sie ist sich noch nicht so sicher welche Art das Kleid sein soll. Ob jetzt lieber romantisch oder eher etwas schlichtes und da dachte ich mir, dass sie ihr sicherlich helfen können.“ Ich hätte Jules in diesem Moment am liebsten erwürgt. Wie kam sie bitte auf diese hirnverbrannte Idee ich hätte vor zu heiraten und wäre mir über das Kleid noch nicht sicher? Erstens wollte ich nicht heiraten und dann schon gar nicht in diesem Alter. Heiraten war doch von vorgestern und etwas für Spießer wie ich es immer auszudrücken pflegte. Es war einfach nicht mein Ding und jetzt hatte sie mich doch tatsächlich in einen Laden für Brautmode geschleppt. „Ein wenig jung sind sie ja schon“, meinte die Frau mit einem kleinen Lächeln. „Aber die Liebe kennt einfach kein Alter.“ Ok jetzt hätte ich Jules nicht nur erwürgen können, sondern wäre am liebsten im Erdboden versunken. Das war ja einfach nur peinlich. „Sie können sich also nicht entscheiden nun dann schauen wir mal, ob ich ihnen da weiterhelfen kann“, meinte die Frau, nahm eines der Kleider und kam damit auf mich zu. „Probieren sie mal das an.“ Ich sah auf das Kleid und musste mich beherrschen nicht die Augen zu verdrehen. Überall Spitze und Tüll. Da lief es mir jetzt schon eiskalt den Rücken herunter. Aber gut, dann wollte ich das Spiel eben mitspielen. Ich nahm das Kleid und verschwand damit in einer Umkleidekabine. Es war ein sehr seltsames Gefühl ein Brautkleid an zu haben und man merkte es mir wohl schon auf einige Kilometer an. Umgezogen verließ ich die Kabine und stellte mich dem Urteil von Jules und der Verkäuferin. Die beiden sahen mich an, dann einander und schüttelten gleichzeitig den Kopf. „Nein dieser Stil passt überhaupt nicht zu ihnen“, meinte die Frau, ging an ein paar Kleider vorbei, ehe sie stehen blieb und ein anders hervorholte. „Probieren sie mal das hier.“ Gesagt, getan. Mit dem anderen Kleid in der Hand betrat ich wieder die Umkleidekabine. Ich zog das eine Kleid aus und das andere an. Das zweite Kleid war mir dann doch schon angenehmer. Es hatte zwar ebenfalls Spitze, aber es gab weit und breit keinen Tüll zu entdecken. Umgezogen verließ ich die Kabine wieder um mich ein weiteres Mal der Meinung der Beiden zu stellen. „Besser als das andere auf alle Fälle“, meinte Jules und unterstützte ihre Aussage mit einem Kopfnicken. „Das stimme, aber es ist noch immer nicht das Richtige“, meinte die Frau und musterte mich langsam. Dann nahm sie wieder ein Kleid und reichte es mir. Leise seufzend nahm ich das Kleid entgegen und verschwand wieder in der Umkleidekabine. Ich wusste genau warum nicht nicht heiraten wollte, wenn man mal bedachte, dass die Kleiderwahl nicht das einzige war, was man bei einer Hochzeit hinter sich bringen musste. Ich hatte das Kleid noch nicht einmal angezogen, da fühlte ich mich schon mehr als nur unwohl. Die Träger kniffen und der Rock war meiner Meinung nach viel zu kurz. Aber ich hatte im Moment so oder so nicht viel zu sagen. Also kam ich wieder heraus und drehte mich einmal im Kreis. „Um Gottes Willen!“, rief Jules aus und schüttelte den Kopf. „Du siehst aus als wärst du dem Kleid schon seit Jahren entwachsen!“ „Da muss ich ihrer Freundin recht geben“, sagte die Frau und schüttelte den Kopf. „Das ist viel zu sportlich. Sie brauchen etwas schlichteres, aber dennoch auffälliges.“ Mit nachdenklichem Blick ging sie von Kleid zu Kleid, nahm mal dieses und mal jenes heraus und hängte es kopfschüttelnd wieder zurück. Es sah alles danach aus, als würde es in dem ganzen Laden nichts geben, was zu mir passen würde. Allerdings hatte ich mich da wohl zu früh gefreut. Mit einem Kleid über dem Arm kam die Frau wieder zu mir zurück. „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube dass wird es wohl sein“, meinte sie freundlich und reichte mir das Kleid. Mit einem etwas kritischen Blick betrachtete ich es oder besser gesagt das, was ich bisher erkennen konnte. Es schien nirgendwo Tüll oder Spitze aufzuweisen und der Stoff fühlte sich weich und angenehm an. Auch schien es nirgendwo Träger zu besitzen die kneifen konnten. Ich konnte Teile von Stickereien entdecken, aber wie es wohl im Ganzen aussah, würde ich wohl erst sehen, wenn ich es anprobierte. Also ging ich den Weg, den ich bereits ein paar Mal gegangen war. Ich zog das eine Kleid aus und das andere an, als ich vor einem kleinen Problem stand. „Jules? Würdest du mir vielleicht mal kurz helfen?“, rief ich nach draußen und streckte den Kopf hinter dem Vorhang vor. „Ich? Ja klar“, meinte Jules und kam auf mich zu. „Was für ein Problem hast du denn?“ „Das, dass ich das Kleid hinten nicht zu bekomme vielleicht?“ Das Kleid wurde hinten mit feinen, kleinen Schlaufen geschlossen und die bekam ich trotz diverser Verrenkungen einfach nicht zu. Da musste Jules einfach ran. Immerhin hatte sie mir die Suppe auch eingebrockt. Aber sie war so gnädig es mir hinten zu schließen, so dass ich kurz darauf die Kabine verlassen konnte. Ich musste gestehen, es war bequem und fühlte sich gar nicht mal so schlecht an. „Sagt das mehr zu?“, fragte ich und drehte mich langsam im Kreis. Irgendwie kam ich mir dabei zwar doof vor, aber sie sollten es ja wenn auch von allen Seiten sehen können. „Krass“, kam es leise von Jules, die sich die Hand vor den Mund geschlagen hatte. „So grauenvoll?“, fragte ich nach, denn ich wusste jetzt ehrlich gesagt nicht was sie damit gemeint hatte. „Nein im Gegenteil! Das ist... Du siehst traumhaft aus!“, rief Jules und mit großen Augen sah sie mich an. „Schau doch mal in den Spiegel! Also wenn es das nicht ist, dann ist es keins!“ Mit zweifelndem Blick sah ich sie an und dann zu der Frau, die mir aufmunternd zulächelte. Kurz kratzte ich mich nachdenklich am Hinterkopf, riskierte dann aber doch einen Blick in den Spiegel. Jules mochte zwar etwas übertrieben haben, aber es sah wirklich nicht schlecht aus. Ich drehte mich ein wenig von einer Seite auf die andere, um es mir genauer anzusehen. Es hatte einen schlichten Schnitt, aber es war trotzdem keinesfalls langweilig. Der Rock war hinten länger und etwas ausladender und der Rand des Rockes war mit feinen Stickereien versehen. Auch auf dem oberen Teil des Kleides fanden sich die Stickereien wieder und ich musste zugeben, es stand mir wirklich und je länger ich mich im Spiegel betrachtete, desto mehr gefiel mir das was ich sah. „Ihre Freundin hat recht“, sprach die Frau, kam auf mich zu und blieb hinter mir stehen. „Sie sehen wirklich traumhaft in diesem Kleid aus. Es sieht aus, als wäre es für sie gemacht worden. Das ist der Stil für den sie sich entscheiden sollten, wenn es dann einmal so weit ist.“ „Meinen sie wirklich?“, fragte ich nach und strich mit den Händen langsam über den feinen Stoff. Sollte mir, die sonst nur in Hosen und T-Shirts herum lief, wirklich ein Kleid stehen? Das letzte Mal als ich ein Kleid getragen hatte, das war zu meiner Grundschulzeit gewesen und das auch nur, weil meine Mutter gemeint hatte, dass ein Mädchen nicht in Hosen herum zu laufen hatte. Sobald ich alt genug gewesen war, hatte ich mich dann erfolgreich dagegen wehren können und irgendwann hatte meine Mutter es aufgegeben mir Kleider zu kaufen. Aber hier – Hier war es einfach etwas anderes. Ich sah in den Spiegel und lachte leise auf. „Warum lachst du?“, fragte mich Jules und sah mich schräg von der Seite an. „Ich habe mir gerade vorgestellt wie du in einem Kleid und Per in einem Anzug ausseht“, meinte ich zu ihr und sah sie an. „Bei Max hab ich da keine Schwierigkeiten.“ Nein Max konnte ich mir durchaus in einem Anzug vorstellen und vermutlich sah das nicht einmal schlecht aus. Aber Per? Jules? Nein das konnte ich mir dann doch nicht vorstellen. „Dir werden wir es noch zeigen“, meinte Jules lachend und drohte mir mit dem Finger. „Aber so wie du strahlst gefällt dir wohl das Bild was du gerade siehst.“ „Was du dir alles einbildest“, meinte ich und verdrehte die Augen, konnte aber nicht verhindern, dass eine gewisse Röte meine Wangen überzog. „Erwischt!“, sagte Jules nur und streckte mir die Zunge heraus. Ich wusste genau dass Widerrede zwecklos war. Daher verschwand ich einfach wieder in der Umkleidekabine um das Kleid gegen meine gewohnte Kleidung auszutauschen. Es war fast so, als würde man das eine Leben abstreifen und in ein anderes schlüpfen, auch wenn es natürlich Schwachsinn war. So einfach konnte man ein Leben dann doch nicht loswerden. Umgezogen kam ich wieder aus der Kabine. „Vielen Dank dass sie so viel Geduld mit mir gehabt haben“, bedankte ich mich bei der Verkäuferin und sah kurz zu Jules. „Jetzt weiß ich endlich welche Art von Kleid ich nehme, wenn ich dann heirate.“ „Ich wünsche ihnen viel Glück und überstürzen sie nichts“, sagte die Frau mit einem kleinen Zwinkern in den Augen. Vermutlich hatte sie sich sicherlich ihren Teil denken können, aber sie hatte den Spaß mitgemacht. Dabei wusste sie gar nicht, dass sie mir wirklich geholfen hatte und auch Jules würde es wohl nicht gemerkt haben. Aber in dem Moment wo ich das Kleid angehabt hatte und mich damit im Spiegel gesehen hatte, war mir der Gedanke irgendwann einmal zu heiraten, gar nicht mehr so abwegig vorgekommen. Vor dem Laden hängte sich Jules wieder bei mir ein und sah mich mit einem breiten Grinsen von der Seite her an. „Und? War es jetzt so schlimm?“, fragte sie mich und schien so richtig gute Laune zu haben. „Ja war es“, meinte ich und zog sicherheitshalber den Kopf ein. „Wie?!“ „Nein war es nicht“, gab ich seufzend zu, bevor mir Jules noch an den Hals sprang. „Es war doch recht lustig gewesen, auch wenn ich das eine Kleid mehr als nur grauenvoll fand. Ich und Tüll und so einen Kram. Hilfe!“ „Ok, das sah wirklich grauenvoll aus“, lachte Jules und schüttelte sich. „Aber das letzte Kleid... Das war doch einfach wahnsinn oder? Du sahst darin so toll aus... Man da bin ich so richtig ins Träumen gekommen. Du und Max... Gemeinsam vor dem Altar...“ Seufzend warf Jules einen Blick in den Himmel, bevor sie mir einen scharfen Blick zuwarf, da ich ihr in die Rippen geboxt hatte. „Jules? Klappe!“, sagte ich und zeigte ihr den Vogel. „Schon vergessen wie alt wir sind? Oder schon vergessen dass wir erst seit knapp 3 Monate zusammen sind?“ „Nein habe ich nicht, aber deswegen könnt ihr doch trotzdem heiraten oder etwa nicht? Ihr seid beide volljährig, also was sollte euch daran hindern?“, meinte Jules und brachte ein wenig Abstand zwischen uns Beide. „Klar ich denke nach 3 Monaten schon ans heiraten, aber sonst ist bei dir alles in Ordnung oder?“, fragte ich zweifelnd und musterte sie kritisch. „Außerdem gehören zum heiraten immer Zwei.“ Nein der Gedanke an eine Heirat von mir und Max war wirklich absurd. Dafür waren wir einfach viel zu kurz zusammen und außerdem waren wir zum heiraten beide viel zu jung. Klar gab es genügend Leute die in dem Alter heirateten, aber dazu hatte ich keine große Lust zu gehören. Außerdem bezweifelte ich, dass Max mit seinen 18 Jahren sich schon über so etwas Gedanken machte, ganz davon zu schweigen, dass er es sich vorstellen konnte. Gerade jetzt in dieser Phase seiner Karriere hatte er wohl anderes im Sinn. „Kommst du jetzt mit?“, fragte Jules und blieb stehen. „Wie? Wohin?“ „Hast du mir gerade etwa nicht zugehört?“ „Ähm vermutlich nicht“, meinte ich entschuldigend. Ich hatte wirklich nicht mitbekommen was sie gefragt hatte, denn dafür war ich einfach zu sehr in Gedanken versunken gewesen. „Na ich hab ich dich gefragt ob du mit zur Probe kommst?“ „Achso... Ähm ja klar“, meinte ich und nickte mit dem Kopf. Dumme Frage. Natürlich würde ich mit zur Probe kommen. Die ließ ich mir garantiert nicht entgehen und vielleicht... Nun ja vielleicht würde ich ja heute Abend erfahren was gestern los gewesen war. Konnte ja gut sein dass sich heute Abend eine gute Gelegenheit dafür ergab und ich hatte mich mittlerweile auch so weit beruhigt dass ich ihm nicht sofort an die Gurgel springen würde. Kapitel 22: Bauchgefühl ----------------------- Gemeinsam fuhren wir mit der Bahn zum Proberaum. Per würde sicherlich damit rechnen dass Jules kam, aber würde Max mit mir rechnen? Ich wusste es nicht so recht. Mit der Zeit war ich mir reichlich doof vorgekommen dass ich morgens einfach so abgehauen war. Sicherlich hatte es ihm genauso weh getan wie es mir weh getan hatte, dass er nicht aufgetaucht war. Seit wann bitte zahlte ich Gleiches mit Gleichem zurück? Das passte doch so gar nicht zu mir. An unserer Haltestelle stiegen wir aus und gingen die Straßen entlang, bis wir vor dem Proberaum stehen blieben. Man konnte schon die Stimmen der anderen hören, wenn auch man nicht verstand was sie sagten. „Na dann mal auf in die gute Stube“, lachte Jules und öffnete die Türe. Schon wurden die Stimmen lauter und deutlicher, aber noch immer verstand man nichts. Es hörte sich allerdings sehr danach an, als wären 2 Personen heftig aneinander geraten. Ich warf Jules einen fragenden Blick zu, doch die zuckte nur ratlos mit den Schultern. Wir waren uns wohl beide nicht sicher ob wir da jetzt reingehen sollten oder nicht. Aber letztendlich traf Jules die Entscheidung indem sie die Türe öffnete und eintrat. Sofort wurde es still. So, als hätte jeder seine Stimme verloren. Mein Blick glitt langsam durch den Raum und ich entdeckte Max der vor Stefan stand und sich gegenseitig anfunkelten. Wenn ich eine Wette abschließen müsste wer sich gerade gezofft hatte, dann würde ich wohl auf die Beiden tippen. So nahe wie sie sich gerade gegenüber standen und die Blicke die sie sich zuwarfen, waren einfach zu eindeutig. Da konnte man zu gar keinem anderen Entschluss kommen. Doch als sie mich und Jules sahen, warfen sie sich nur einen entsprechenden Blick zu und jeder drehte sich um und ging in eine andere Richtung. Ich hatte das Gefühl dass im Proberaum eine doch etwas angespannte Atmosphäre herrschte und ich fragte mich ein wenig warum es so war. Eigentlich sollten doch alle gute Laune haben. Das Album war im Kasten und würde wohl bald in den Läden stehen und sie standen hier und schoben schlechte Laune. Ich ließ mich auf das Sofa fallen und ließ meinen Blick durch den Raum wandern. Irgendwas war heute anders. Erklären konnte ich es zwar nicht, aber es war einfach so. Manchmal sah es so aus, als würden die anderen Max aus dem Weg gehen oder ihn zumindest nicht so beachten wie sie sich gegenseitig beachteten. Er hatte irgendwie eine Außenseiterrolle bekommen und ich fragte mich wieso. Aber genauso waren mir die Blicke aufgefallen die sie mir immer wieder zuwarfen. Also irgendwas war faul, da konnte mir erzählen wer wollte und was auch immer er wollte. Für mich war es Fakt und Basta. Ob der Streit zwischen Max und Stefan etwas damit zu tun hatte oder war die Stimmung der Grund für ihren Streit gewesen? Wenn man nicht wusste worum es gegangen war, war es schwer zu sagen was der Grund gewesen war. Dass es einen gegeben haben musste war klar. So grundlos zoffte man sich ja nicht. Ich warf einen Blick zu Jules die immer mal wieder zu Per blickte und die scheinbar wortlos kommunizierten. Wenigstens funktionierte das bei ihnen noch. Wenn ich zu Max sah, senkte er entweder seinen Blick oder sah in eine andere Richtung. Hauptsache er brauchte mir nicht in die Augen zu schauen. „Jules? Ich glaube ich geh besser nach Hause“, meinte ich leise zu Jules und langte nach meiner Jacke. „Aber wieso?“, fragte sie verwundert und sah mich an. „Bezeichne es Bauchgefühl oder wie auch immer“, meinte ich und zog mir die Jacke an. „Aber ich denke nicht dass meine Anwesenheit hier erwünscht wird.“ „Da musst du dich täuschen. Ganz bestimmt!“, kam es von Jules die den Kopf schüttelte. „Jules, lass es einfach“, meinte ich leise zu ihr und schaute in meinen Taschen nach, ob auch noch alles drin war und nicht vielleicht etwas rausgeflogen war. Es wäre ziemlich ungeschickt ohne Schlüssel vor der Türe zu stehen. „Nein du bildest dir das alles nur ein“, widersprach mir Jules und warf kurz einen Blick zu Per, ehe sie wieder zu mir sah. „Ich bilde mir also ein dass jeder mir hier einen mitleidigen Blick zu wirft und Max meinen Blicken ausweicht? Wenn du meinst“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Wir telefonieren.“ Damit verschwand ich auch schon aus dem Proberaum und machte mich auf den Rückweg. Ich hatte einfach keine Lust mehr gehabt länger dort zu bleiben. Vermutlich wusste jeder was heute morgen passiert war und hatten nur so viel Anstand es nicht anzusprechen. Wer sich da nicht doof vorkam, der hatte meinen vollen Respekt. Ich jedenfalls konnte es nicht. „Spitze hinbekommen“, meinte Jules nur und warf den Jungs einen scharfen Blick zu. „Ich hab den ganzen Tag gebraucht um sie auf andere Gedanken zu bringen und ihr schafft es in nur wenigen Minuten alles wieder zunichte zu machen.“ „Was hat sie denn gesagt?“, fragte Tim und sah Jules an. „Na dass sie das Gefühl hat hier nicht erwünscht zu sein und dass ihr sie alle mitleidig angeschaut habt“, meinte Jules und regte sich doch reichlich darüber auf. „Aber Max... Dass du ihr nicht in die Augen schauen kannst gut, aber hast du wirklich geglaubt dass ihr das nicht auffällt?“ „Du bist doch ein absoluter Vollidiot!“, fuhr Stefan Max an, der sich auf eine Box gesetzt hatte. „Erinnerst du dich noch daran, was ich dir damals im SO gesagt habe?“ „Ja verdammt ich weiß es noch“, schlug Max zurück und sah Stefan an. „Und ich habe es auch nicht vergessen. Immerhin ist das jetzt der vierte Tag in Folge wo du es mir unter die Nase reibst!“ „Ja anders scheinst du es ja nicht zu kapieren!“, kam es wieder von Stefan der seine Gitarre weggelegt hatte und wieder vor Max stand. „Damals noch große Töne gespuckt und jetzt den Schwanz einziehen oder sollte ich sagen nicht unter Kontrolle gehabt?“ „Wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen dass ich selbst weiß dass es ein Fehler gewesen ist!“ „Tolle Erkenntnis Max, aber leider zu spät!“ „Ja und durch deine ach so tollen Kommentare wird’s auch nicht besser, also halte endlich mal deine Klappe!“ „Ich halte meine Klappe wann ich will und nicht weil es dir gerade in den Kram passt!“ „Vielleicht sollte ich dafür sorgen dass du die hältst?“ Max war von der Box gerutscht und stand nun direkt vor Stefan. Seine Hand hatte er an seiner Seite zu einer Faust geballt. „Verdammt es reicht!“, rief Per und stellte sich genau zwischen Max und Stefan. „Was bringt es denn wenn ihr euch hier jetzt die Köpfe einschlagt? Weder macht es den Fehler ungeschehen, noch löst es das Problem.“ „Er soll mich einfach nur in Ruhe lassen“, meinte Max und funkelte Stefan über Per hinweg weiter an. „Ich werde dich aber nicht in Ruhe lassen, damit das klar ist“, kam es von Stefan, der Per in dem Moment genauso zu ignorieren schien. „Ihr macht mich wahnsinnig!“, rief Per und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Und nicht nur dich“, kam es jetzt auch von Tim, der sich auf das Sofa hatte sinken lassen. „Seit 4 Tagen seit ihr euch nur am streiten. Jeden Tag die gleiche Leier, die gleichen Vorwürfe und die gleichen Entschuldigungen. Ich kann es bald auswendig. Aber ist euch bei euren ganzen Streitereien eigentlich mal der Gedanke gekommen, dass es die ganze Zeit nur um euch beide gegangen ist? Habt ihr auch nur einmal einen Gedanken an sie verschwendet? Sie weiß von nichts, aber euer Verhalten macht es ihr nicht gerade schwer etwas zu ahnen.“ „Anstatt euch an die Gurgel zu gehen solltet ihr euch vielleicht mal überlegen was man machen könnte“, sagte Per und setzte sich zu Tim auf das Sofa. Wollten sich Max und Stefan jetzt noch immer den Kopf einschlagen, dann sollten sie es doch einfach tun. Er konnte eh sagen was er wollte, es hörte ja keiner auf ihn. Hätte er gerade 50ct zur Hand hätte er wohl mit einer Parkuhr gesprochen. Da bewegte sich zumindest etwas und wenn es nur das rote Schildchen innen drin war. Diese ewigen Diskussionen brachten doch wirklich keinem etwas. Weder fiel es Max dadurch leichter mit seiner Freundin über den Fehltritt zu reden, noch brachte es Stefan irgendetwas. Er machte sich damit nur selbst das Leben schwer. Dem Rest gingen sie damit einfach nur auf den Nerv. Keiner war besonders erfreut gewesen als man erfahren hatte dass Max wieder in sein altes Verhalten gefallen war, zumindest in dieser einen Nacht, aber jetzt war das Kind so oder so schon in den Brunnen gefallen. „Er hat Scheiße gebaut, also soll er dazu stehen“, meinte Stefan und verschränkte seine Arme. „Das weiß ich selbst du Depp“, meinte Max und verschränkte ebenfalls seine Arme. Um das zu wissen da brauchte er gewiss niemanden dazu. „Ach ja? Und warum weiß sie nichts davon wenn du doch scheinbar dazu stehst?“ „Ja soll ich etwa zu ihr hinrennen und sagen 'Hallo Andrea wie geht’s dir? Ach hab ich dir schon erzählt dass ich eine Andere gepoppt hab?' Aber sonst ist noch alles klar bei dir oder?“ „Würdest du das so sagen würde ich dich so was von windelweich prügeln!“ „Na dann mach doch!“ „Fordere es nicht heraus Ok?“ „Du traust es dich doch so oder so nicht!“ Max und Stefan standen sich erneut gegenüber und wenn Blicke töten könnten, wären beide gleichzeitig umgefallen. Die Luft im Proberaum war zum schneiden dick und so geladen, dass es jeden Moment zu einer Explosion kommen konnte. „Ja genau haut euch eine aufs Maul dann hat sie erst recht einen Grund zum nachfragen“, kam es nun von Julius dem das alles reichlich auf den Nerv ging. Er packte seine Sachen zusammen und schnappte seine Jacke. „Wisst ihr was? Mir reicht es jetzt. Klärt das und wenn ihr wieder normal seid meldet euch damit man wieder proben kann. Im Moment macht ihr nämlich 8-jährigen, denen man die Sandschaufel weggenommen hat, ernsthafte Konkurrenz.“ Ja es reichte ihm wirklich. Er mischte sich normalerweise in solche Dinge gar nicht erst ein, aber hier war es ihm jetzt einfach zu viel geworden. Er konnte und wollte sich das einfach nicht länger anhören. Es brachte nichts außer schlechte Stimmung und weiterhelfen tat es keinem. Ohne noch etwas zu sagen verschwand er aus dem Proberaum und machte sich auf den Heimweg. „Die Nummer vom Notarzt sollte euch bekannt sein“, meinte Per und erhob sich vom Sofa. „Dort ruft ihr einfach an wenn ihr miteinander fertig seid.“ Nun schnappte auch Per seine Jacke und blickte dann zu Jules, die sich wortlos erhob und ebenfalls ihre Jacke schnappte. „Sie holt euch dann auch bestimmt in der Ambulanz ab“, sagte nun auch Tim und tat das gleiche wie seine Kollegen auch schon. Sollten sie sich doch prügeln wenn sie der Ansicht waren es würde ihnen bei ihrem Problem helfen. Zusammen mit Per und Jules verließ Tim den Proberaum in dem jetzt nur noch Stefan und Max standen. Ein wenig verdattert sahen sie zu wie alle den Raum verlassen hatten und so langsam dämmerte es den beiden, dass sie so wirklich nicht weiter kamen. Während Max wieder auf der Box Platz nahm, ließ sich Stefan auf das Sofa sinken. „Wie konntest du nur so einen Fehler machen?“, fragte Stefan überraschend ruhig und sah Max an, der sich mit den Händen über das Gesicht fuhr. „Ich wünschte ich könnte dir darauf eine Antwort geben“, sagte dieser leise und zuckte mit den Schultern. „Aber ich kann es leider nicht. Seit diesem Abend frage ich mich immer und immer wieder nach dem warum, aber ich finde nichts was es erklären könnte.“ „Aber es muss doch einen Grund geben“, sagte Stefan und sah Max an. „Ich meine du liebst sie doch oder etwa nicht? Da geht man doch nicht einfach mal so fremd.“ „Natürlich liebe ich sie“, kam es von Max der Stefan mit einem ehrlichen Blick ansah. „Ich liebe sie so sehr, dass ich vor nichts mehr Angst habe als sie zu verlieren.“ „Wenn du sie so sehr liebst, warum hast du dann riskiert dass genau das eintreten könnte, was du am meisten fürchtest?“ Stefan konnte es wirklich nicht verstehen und vielleicht war auch das der Grund, warum er Max immer und immer wieder reizte, herausforderte. Er wollte einfach nur verstehen warum sein Freund einen solchen Fehler begangen hatte. „An dem Abend wo es passiert ist... Ich hatte davor mit ihr telefoniert und sie hat mir erzählt dass Benedikt bei ihr ist“, kam es von Max der seinen Blick zu Boden gesenkt hatte und alles andere als glücklich aussah. „Ich weiß dass es Schwachsinn ist, aber in dem Moment hatte ich lauter Bilder in meinem Kopf... Bilder von ihr und... und ihm und ich wurde sie einfach nicht los.“ „Du hast geglaubt sie würde dich mit ihm betrügen?“, fragte Stefan nach, denn das hielt er schlichtweg für unmöglich. Sie würde Max garantiert nicht mit Benedikt betrügen. Sollte sie es überhaupt jemals tun, dann mit jedem anderen, aber nicht mit Benedikt. „Nein das habe ich nicht geglaubt... Zumindest nicht wirklich“, erzählte Max weiter. „Ich bin in die Bar gegangen und hab getrunken um auf andere Gedanken zu kommen... Die Bilder in meinem Kopf zu vergessen. Gott, sie hat mir in den ganzen Wochen so sehr gefehlt... Ihr Lächeln, ihre Augen, ihre Stimme... Ihr warmer Körper an meinem.... Ich hab mich einfach so alleine gefühlt und dann... Dann war auf einmal das Mädchen da und... Ich weiß doch selbst nicht wie es passieren konnte.“ Max seufzte auf und ließ den Kopf hängen. Er wünschte er könnte es erklären, wüsste was sich wirklich alles an diesem Abend zugetragen hatte, aber er konnte sich nicht mehr an die Details erinnern. Er wusste noch, dass er sich unterhalten hatte und das nächste woran er sich erinnern konnte war, dass er neben ihr im Bett aufgewacht war. Wie sie allerdings dorthin gekommen waren, was sie alles getan hatten, daran konnte er sich partout nicht erinnern, so sehr es auch versuchte. Es ging einfach nicht. Stefan sah Max an und zum ersten Male wurde ihm bewusst, wie dreckig es ihm gehen musste. Zum ersten Male sah er nicht die Person die fremdgegangen war, sondern die Person die unter diesem Fehler wirklich zu leiden schien und das nicht erst seit gerade. Ihm war das bisher so gar nicht aufgefallen, aber jetzt sah er die dunklen Ringe unter den Augen und auch, dass das Gesicht schmaler geworden war. „Vielleicht solltest du ihr genau das sagen?“, meinte er ruhig und sah Max an. „Sie wird bestimmt wütend sein, sie wird verletzt sein, sie wird dich wohl anschreien und dich alles heißen, aber ich denke, sie wird es verstehen können. Vielleicht nicht gleich und vielleicht nicht morgen, aber irgendwann bestimmt. Egal was du ihr dann auch sagen wirst, warte nicht zu lange damit. Du machst es weder dir noch ihr damit leichter.“ Max nickte leicht mit dem Kopf und sah zu Stefan der gerade die Türe hinter sich schloss. Er wusste dass er es ihr sagen musste, er wollte sie einfach nicht länger belügen. Er wusste nur noch nicht wie er es ihr sagen sollte. Wie sollte man jemanden den man liebte sagen, dass man ihn betrogen hatte und im gleichen Moment erzählen wie sehr man ihn doch lieben würde. Die Person würde einem doch kein einziges Wort davon glauben. Ja er hatte Angst vor dem was dann passieren würde. Angst davor wieder alleine zu sein, jetzt wo er wusste wie es sein konnte wenn man jemanden wirklich liebte. Wie schön es war am nächsten Morgen neben der Person auf zu wachen die man liebte und nicht neben einer Person, die man gerade einmal für ein paar Stunden kannte. Früher hatte er es sich nie vorstellen können und jetzt wollte er das Gefühl einfach nicht mehr missen. Kapitel 23: Erfolg auf ganzer Linie ----------------------------------- Leise seufzte ich auf als der Wecker wie jeden Morgen das Klingeln anfing. Wie gerne würde ich jetzt liegen bleiben, aber es ging nicht. Heute war ein wichtiger Tag, denn heute würde sich wohl entscheiden ob sich die letzten Wochen für mich gelohnt hatten oder ob sie sinnlos gewesen waren. Entweder es passte oder es war vollkommen daneben. Ich war nervös, aber das wäre wohl jeder gewesen der an meiner Stelle stand. Wenigstens war ich ausgeschlafen, denn ich war am Abend davor sofort ins Bett gefallen nachdem ich heimgekommen war. Die Nacht davor hatte ich schon nicht geschlafen und ich wollte kein weiteres Mal warten bis Max nach Hause kam. Leise, um Max nicht zu wecken, kroch ich aus dem Bett und stand auf. Aber ich musste wohl nicht leise genug gewesen sein, denn Max drehte sich um und sah mich an. „Kannst du heute nicht daheim bleiben?“, fragte er leise und sah mich aus müden Augen bittend an. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und setzte mich auf die Bettkante. Sanft strich ich ihm mit den Fingern ein paar Strähnen aus der Stirn. „Ich würde es gerne, sehr gerne sogar“, sagte ich leise und ein kleines Lächeln lag auf meinen Lippen. „Am liebsten würde ich jetzt wieder unter die Bettdecke kriechen und mich an dich kuscheln, aber dann brauche ich wohl die nächsten Monate nicht mehr um diese Uhrzeit aufstehen.“ Würde ich jetzt einfach wieder ins Bett gehen, nicht zur Arbeit auftauchen, dann war dort niemand, der das Konzept präsentieren konnte. Sicherlich Benedikt wusste über alles Bescheid, aber sie wollten es von mir haben und nicht von ihm. Es war der Punkt an dem ich wichtige Kontakte knüpfen konnte und die entscheiden wurde ob ein weiteres Studium überhaupt notwendig war oder ob ich nicht zu einem Quereinsteiger wurde. Der Job den ich machte, machte mir unheimlich viel Spaß und das Studium würde mich wohl nicht gerade in diese Richtung weiterführen. Es würde mich vielleicht in die Nähe führen, aber nicht dahin, wohin ich wollte. Wenn das Praktikum vorbei war, dann musste ich zurück an die Uni und das würde bedeuten, dass ich nur noch am Wochenende in Berlin sein konnte. Die Uni war einfach zu weit weg um jeden Tag hin und wieder zurück fahren zu können. Also musste ich jetzt einfach diese Chance nutzen, denn wer konnte schon sagen, dass ich in den nächsten Monaten noch einmal eine solche erhalten würde? „Heißt das, dass wenn du nicht kommst du deinen Job los bist?“, fragte Max nach. In seiner Hand hielt er die meinige und strich mir mit dem Daumen leicht über den Handrücken. „Ja das heißt es wohl“, meinte ich und sah ihn mit einem leicht entschuldigenden und zugleich sanften Blick an. Meine Wut von gestern war verraucht. Er war mir einfach viel zu wichtig, als dass ich ihm auf ewig sauer sein konnte. Gut er hatte mich warten lassen, aber er hatte es sicherlich nicht böse gemeint und so wie er sich gestern verhalten hatte, tat es ihm garantiert auch schon leid. Man sollte in einer Beziehung verzeihen können, auch wenn man verletzt worden war. „Dann sollte ich dich wohl nicht länger aufhalten“, kam es nun mit einem kleinen Lächeln von Max, ehe er mir die Hand in den Nacken legte, mich langsam zu ihm zog und mir einen sanften und zärtlichen Kuss gab. Es tat so gut wieder seine Lippen spüren zu dürfen, dieses Kribbeln dass sie hinterließen und das warme Gefühl was durch meinen Körper strömte. Langsam löste ich mich von seinen Lippen und sah ihm in die Augen. „Ich beeile mich damit ich früh wieder zurück bin“, sagte ich leise, bevor ich ihm einen kleinen Kuss auf die Lippen hauchte und mich dann wieder vom Bett erhob. Ich musste mich jetzt beeilen, sonst würde ich die Bahn verpassen und dann zu spät kommen. Aber auf einen gereizten Benedikt konnte ich sehr gut verzichten, denn so fing kein Tag besonders gut an. Im hinausgehen zog ich mir meine Jacke an und joggte dann zur Station und schaffte es gerade noch, mich zwischen den sich schließenden Türen hindurch zu quetschen. In der Jackentasche kramte ich nach meinem MP3 Player, aber er war nicht dort. Ich versuchte es in der anderen Jackentasche, aber auch dort war er nicht. Seufzend ließ ich meinen Kopf gegen die Türe der Straßenbahn sinken. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Vollkommen schutzlos war ich den kreischenden und gackernden Schülern ausgeliefert und es gab nichts, was sie zum Schweigen bringen konnte. Gerade heute hätte ich aber hätte ich es nötig gehabt, denn wie sollte man sich konzentrieren, wenn neben einem darüber geredet wurde, dass ein Matthias eine Sabine beim Flaschendrehen hatte küssen müssen und sie sich ja so doof angestellt hatten. Ich versuchte die Schülergespräche zu ignorieren und ging in meinem Kopf noch einmal alles durch. Schritt für Schritt arbeitete ich mich durch die einzelnen Punkte. *Es wird schon nichts schief gehen*, beruhigte ich mich selbst und rief mir ins Gedächtnis, was Benedikt gesagt hatte. Man musste hinter dem stehen was man erarbeitet hatte, denn nur dann konnte man es auch präsentieren und vertreten. Es war gut, das wusste ich, jetzt musste ich es den anderen nur noch gut verkaufen. An meiner Haltestelle stieg ich aus und ging auf das Büro zu und betrat es. Es herrschte eine etwas angespannte Stimmung, aber wen wunderte das schon. Es ging um eine große Sache und jeder der daran beteiligt war wusste, was auf dem Spiel stand. Da konnte man nicht so locker flockig an die Sache ran gehen wie man es sonst tat. „Bist du bereit?“, begrüßte mich Benedikt und sah mich fragend an. „So bereit wie man eben sein kann“, meinte ich mit einem Lächeln und legte meine Jacke über den Stuhl. Auch wenn es ernst war, brauchte man keine Hektik machen. Das machte einen nur unnötig nervös und sorgte dafür, dass man Fehler machte und das wollte keiner. „Ok, in 5 Minuten geht’s los“, sagte er und nahm das Konzept von meinem Schreibtisch. „In 5 Minuten?“, fragte ich nach, denn ich hatte eigentlich gehofft das Konzept noch einmal durchlesen zu können, aber daraus wurde wohl nichts. Benedikt sah sich kurz um und dann wieder zu mir. „Oder auch nicht“, meinte er und deutete auf das große Besprechungszimmer, wo sich so nach und nach die Leute einfanden. „Sieht eher nach gleich aus.“ Ok, das ging dann doch etwas überraschend schnell, aber so konnte ich mich schon nicht unnötig nervös machen. Jede Sache hatte eben seine Vor- und seine Nachteile. Ruhig folgte ich Benedikt in das Besprechungszimmer und schloss die Türe hinter mir. Jetzt also hieß pokern. Im richtigen Moment die richtigen Karten ausspielen und am Ende den Sieg nach Hause holen. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte einer der Männer zu mir und schüttelte mir die Hand. „Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Ich bin überrascht wie man nach nur so kurzer Zeit, schon eine solche Arbeit abliefern kann. Es sollte mehr Menschen wie sie geben, die so leidenschaftlich an eine Aufgabe herangehen. In ihnen steckt sehr viel Potential und ich hoffe sie werden den Weg weitergehen den sie jetzt eingeschlagen haben.“ Es war mir doch ein klein wenig peinlich so viel Lob zu bekommen. Ich wusste nämlich nicht, wie ich damit umgehen sollte. Gut ich hatte viel Zeit mit der Ausarbeitung verbracht, aber das hätte jeder andere doch wohl auch getan. Niemand würde eine Aufgabe die man gestellt bekommen hatte gar nicht oder nur mangelhaft lösen. Soviel Ergeiz steckte eigentlich in jedem Menschen. „Ich denke das wird sie tun“, meinte Benedikt und sah mich lächelnd von der Seite an. Er wusste genau dass ich nicht wusste was sagen und hatte es einfach mal für mich übernommen. „Dann sollten sie gut auf ihre Mitarbeiterin aufpassen“, lachte der Mann und reichte auch Benedikt der Hand. „So einen Glücksgriff gelingt ihnen bestimmt kein zweites Mal.“ „Keine Sorge ich werde sie nicht aus den Augen lassen“, lachte Benedikt und brachte die Männer noch zur Türe um sie dort zu verabschieden. Ich sah ihnen nach und ließ mich auf einen Stuhl sinken und atmete erst einmal tief ein und wieder aus. Solche Worte bekam man nicht jeden Tag zu hören und schon gar nicht von einem Mann mit so viel Einfluss. Es hatte tatsächlich geklappt. Die ganzen Stunden Arbeit hatten sich gelohnt. Sie waren nicht nur zufrieden gewesen mit dem was ich gemacht hatte, sondern sie waren begeistert gewesen und hatten mir schon angeboten mich in das nächste Projekt ebenfalls einzubeziehen. Mittlerweile sah wirklich alles danach aus, als hätte ich vor ein paar Monaten das letzte Mal eine Universität von innen gesehen. Aber um ehrlich zu sein, ich würde sie garantiert nicht vermissen. „Sie haben recht mit dem was sie sagen“, kam es von Benedikt, der wieder zurückgekommen war und nun vor mir stand. „Du hast sehr gute Arbeit abgeliefert. Dass dein Konzept sehr gut ist, hatte ich dir ja schon gesagt, aber wie du es präsentiert hast war spitze. Man hat dir absolut nicht angemerkt dass du erst seit so kurzer Zeit in diesem Bereich tätig bist. Man hätte echt denken können, du hättest nie etwas anderes gemacht.“ „Jetzt übertreibst du aber“, meinte ich und senkte verlegen meinen Blick. So langsam konnten sie ja mal mit dem Lobeshymnen aufhören. Da wurde man ja ganz wirr im Kopf. „Und schon ist das Selbstbewusstsein auch schon wieder verschwunden“, lachte Benedikt und schüttelte langsam den Kopf. „Dort drin von Unsicherheit keine Spur und jetzt das genaue Gegenteil.“ „Das liegt nur an dir“, meinte ich grinsend und sah ihn von unten herauf an. „Na wenn du meinst? Aber was hältst du davon wenn wir das jetzt feiern gehen?“, fragte er ruhig und setzte sich auf die Tischkante. „Nun eigentlich wollte ich nach Hause und meinen Erfolg mit Max feiern“, sagte ich und drehte mich mit dem Stuhl langsam von einer Seite zur anderen. „Dann hat sich also alles aufgeklärt?“ „Naja nicht so wirklich, aber ich denke das wird es bestimmt heute Abend.“ „Nun dann möchte ich dich natürlich nicht aufhalten“, meinte Benedikt und wuschelte mir wie sonst auch immer mit der Hand durch die Haare. „Du sollst das doch nicht machen“, beschwerte ich mich grinsend und brachte meine Haare wieder einigermaßen in Ordnung. Ich schnappte mir meine Jacke, verabschiedete mich noch von den Anderen und verließ dann das Büro. Ich wollte auf dem Heimweg noch etwas zur Feier des Tages einkaufen und dann einfach nur zurück zu Max und ihm diese gute Neuigkeit berichten. Es würde sich bestimmt darüber freuen und ich freute mich, endlich wieder einen Abend mit ihm verbringen zu können. So wie vor seiner Abreise. Ja ich freute mich wirklich schon sehr darauf. Kapitel 24: The Breaking ------------------------ Mit einer Einkaufstüte im Arm schloss ich die Türe auf und sorgte mit dem Fuß dafür, dass sie wieder zurück ins Schloss fiel. „Ich bin wieder da!“, rief ich in die Wohnung und hängte meine Jacke an die Garderobe. Ich wusste nicht ob Max jetzt da war oder ob nicht. Aber wenn er nicht da war, dann würde er bestimmt heute Abend wieder da sein und dann würde etwas leckeres auf ihn warten. Immerhin mussten wir doch noch das fertiggestellte Album von ihm und meinen Erfolg heute feiern. Irgendwann musste doch mal gefeiert werden, also warum nicht heute? Ich brauchte morgen nicht im Büro auftauchen, sondern konnte daheim bleiben. Also konnte es heute ruhig eine lange Nacht werden. Gab ja so einiges das nachgeholt werden wollte. Ich nahm die Einkaufstüte wieder unter den Arm die ich davor auf den Boden gestellt hatte und öffnete die Türe die ins Wohnzimmer führte. „Aaah du bist ja da“, meinte ich als ich Max entdeckte, der auf dem Sofa saß. „Sehr schön, weil es gibt was zum feiern.“ Ich lächelte ihn an und deutete auf die Einkaufstüte in meinem Arm. „Dort drin befindet sich alles was man für ein leckeres Essen benötigt und dazu noch eine Flasche Sekt“, meinte ich grinsend und strich mir ein wenig umständlich die Haare aus dem Gesicht. „Erstens haben wir noch nicht auf dein Album angestoßen und zweitens... Nun wie soll ich sagen... Hmmm... Ich hab's geschafft vielleicht? Ja doch das hört sich gut an.“ Ich strahlte über das ganze Gesicht und trug die Einkaufstüte in die Küche und stellte sie dort auf die Arbeitsplatte. „Meine Arbeit hat ihnen wirklich gut gefallen“, erzählte ich weiter während ich die Sachen aus der Tüte räumte und auf der Arbeitsplatte aufreihte. „Falsch was sage ich da... Sie waren begeistert. Weißt du dass sie gemeint haben es sollte mehr Leute wie mich geben? Gott mir war das ja sooo peinlich gewesen das kannst du dir gar nicht vorstellen.“ Ich musste auflachen als ich mir das noch einmal ins Gedächtnis zurück rief und wie ich mich verhalten hatte. Vollkommen unfähig etwas darauf zu sagen und wäre Benedikt nicht im richtigen Moment aufgetaucht, dann wäre es wohl erst so richtig peinlich geworden. „Ich habe doch nur meine Arbeit gemacht“, sprach ich weiter und stellte die Sektflasche in den Kühlschrank. „Gut ich hab mich da schon rein gehängt, weil wenn ich nicht muss, dann will ich die Uni nur sehr ungern noch einmal von innen sehen, aber das habe ich dann doch nicht erwartet.“ Ich machte den Kühlschrank wieder zur und sah zu den Sachen auf der Arbeitsplatte, als mir auffiel, dass Max noch gar nichts gesagt hatte. Ich wischte meine Hände an einem Handtuch ab, ging nach draußen und lehnte mich mit der Schulter gegen den Türrahmen. „Tut mir leid“, meinte ich und sah Max mit einem sanften Lächeln an. „Ich erzähle hier und erzähle und erzähle und lass dir keine Chance etwas zu sagen. Aber ich kann es einfach nicht fassen was mir da passiert ist.“ Ich schloss leicht die Augen, atmete tief durch und öffnete sie dann wieder. Mit einem Lächeln auf den Lippen sah ich zu Max, der noch immer auf dem Sofa saß und sich keinen Zentimeter bewegt hatte. Sein Blick war starr auf den Tisch vor ihm gerichtet und kein Lächeln zierte seine Lippen. Nicht einmal der Ansatz eines solches war auf ihnen zu erkennen. Da stimmte doch etwas nicht. „Max?“, fragte ich vorsichtig nach und ging langsam auf das Sofa zu. Was war los mit ihm? Ansonsten war er doch auch nicht so schweigsam. Nein da stimmte eindeutig etwas nicht. Heute morgen war er ganz anders gewesen und jetzt? „Ja?“, fragte er leise und hob langsam seinen Kopf. Er sah noch müder aus als er es am Morgen schon getan hatte. Er sah beinahe so aus, als hätte er die ganze Nacht kein Auge zu getan. Um ehrlich zu sein, sah er grauenvoll aus. Warum war mir das heute morgen nicht so direkt aufgefallen? „Alles in Ordnung bei dir?“, fragte ich nach und in meiner Stimme schwang ein wenig die Besorgnis mit. „Du siehst so aus, als wäre es dir nicht gut. Was ist los?“ Ich ließ mich neben ihm auf das Sofa sinken und strich ihm mit der Fingerspitze ein paar Haare aus der Stirn. Max biss sich auf die Unterlippe und ließ seinen Kopf wieder ein Stückchen sinken. Er wusste nicht ob er es wirklich sagen sollte und noch weniger ob es ausgerechnet jetzt sein sollte. Er wusste genau dass er damit einen wundervollen Tag zerstören würde, aber er konnte es einfach nicht länger verschweigen. Die Last auf seinen Schultern war einfach zu groß um sie weiter mit sich herumtragen zu können. „Nein ich denke nicht dass alles in Ordnung ist“, sprach er leise und für einen Moment schien seine Stimme von irgendwo her zu kommen. So, als wäre er nicht hier im Wohnzimmer. „Auch wenn ich wünschte es wäre so.“ „Was ist denn passiert?“, fragte ich und sah ihn an. Was wollte er damit sagen? War irgendjemanden etwas passiert oder war irgendetwas schief gegangen? War irgendetwas mit einem der Anderen los oder gar mit Jules? „Bitte Max, jetzt sag doch was los ist.“ „Es ist aber nicht so einfach“, sagte Max und erhob sich von seinem Platz. Er steckte seine Hände tief in seine Hosentasche und ging ein paar Schritte bis er vor dem Fenster stehen blieb und hinaus sah. „Und noch weniger die richtigen Worte dafür zu finden, wenn es sie denn überhaupt geben sollte.“ Ratlos saß ich auf dem Sofa und sah ihn an. Was wollte er bitteschön damit jetzt ausdrücken? Ich verstand einfach nicht was hier los war, was mit ihm los war. Sonst war er doch auch nicht der Mensch der lange zögerte bis er etwas aussprach. Nein sein Verhalten gefiel mir überhaupt nicht. Ich konnte es mir nicht erklären, aber irgendetwas tief in mir sagte mir, dass es nichts Gutes sein würde. „Warum... Warum versuchst du es dann nicht einfach?“, fragte ich nach und merkte, dass meine Stimme unsicher geworden war. Wollte ich denn wirklich wissen was er zu sagen hatte oder wäre es nicht besser, es nicht zu wissen? Es musste etwas sein, dass ihn zu belasten schien. Hatte es vielleicht etwas mit Montag zu tun? Der Grund warum er so spät nach Hause gekommen war? Oder hatte es etwas mit dem zu tun, was in Hamburg passiert war? „So schlimm wird es ja schon nicht sein“, meinte ich, stand langsam auf und ging auf ihn zu. Ich legte leicht meine Arme von hinten um seine Hüften und meinen Kopf an seinen Rücken. „Du weißt doch dass mich so schnell nichts aus der Bahn werfen kann.“ Maxs Haltung versteifte sich als ich ihm meine Arme um die Hüften legte und noch ratloser als vorher nahm ich meinen Kopf wieder von seinem Rücken. Wollte er es etwa nicht mehr dass ich ihn umarmte? Langsam löste ich die Umarmung wieder und trat einen Schritt zurück. „Max? Was ist hier los?“, fragte ich nach und ein ungutes Gefühl überkam mich. Ein Bild tauchte vor meinem inneren Auge auf. Ein Bild von dem ich nicht hoffte dass es das war, was er mir sagen wollte aber es nicht sagen konnte. Ich betete, dass es nicht das war. Nein das konnte, das durfte es einfach nicht sein. „Bevor ich dir sage was ich zu sagen habe, möchte ich dich wissen lassen, dass ich dich liebe und sich nichts daran ändern wird“, sprach Max leise und für einen Moment hatten sich seine Schultern ein Stückchen angehoben ehe sie sich wieder gesenkt hatten. Er hatte tief Luft geholt. Luft für das, was er jetzt sagen würde und mir wurde von Sekunde zu Sekunde klarer, dass ich es nicht hören wollte. Ich wollte ihm sagen, dass er es nicht sagen musste, aber ich stand einfach nur da. Ich hatte keine Gewissheit, aber dennoch ahnte ich, was er mir jetzt sagen würde. Ich spürte es einfach. Es konnte gar nicht anders sein und auch wenn er noch nichts gesagt hatte, so wurde das Bild schärfer. Jetzt würde es einen Sinn machen warum er sich nicht gemeldet hatte, warum er am Montag so spät nach Hause gekommen war. Die Erklärung für alles was ich mich in den letzten Tagen gefragt hatte. Ein Klos hatte sich in meinem Hals gebildet. „Willst du damit sagen dass....“, fing ich leise an, schaffte es aber nicht den Satz zu Ende zu führen. Ich konnte es einfach nicht aussprechen. Es ging einfach nicht. Langsam nickte Max mit dem Kopf. „Ja“, sagte er leise und lehnte seinen Kopf für einen Moment gegen das kühle Glas der Fensterscheibe. Es war still im Wohnzimmer geworden nachdem diese wenigen Worte gefallen waren. Wenige Worte die so vieles sagten. Die für sich sprachen, die das sagten, was ich gehofft hatte nie hören zu müssen. „Wieso?“, fragte ich leise und schloss meine Augen. „Wieso nur hast du das getan?“ Er hatte doch gesagt er würde mich lieben. Warum hatte er es dann getan? Warum er? Ich fragte mich ob ihm etwas gefehlt hatte, etwas das ich ihm nicht hatte geben können. Hatte nicht vielleicht ich einen Fehler gemacht? Etwas getan dass ihn zu diesem Schritt getrieben hatte? Vielleicht war etwas das ich gesagt oder getan hatte der Auslöser dafür gewesen. Langsam drehte sich Max um und sah mich an. Er sah mich einfach nur an. Schweigend. Ich wollte schreien, ich wollte ihn anbrüllen, aber es ging nicht. Ich stand einfach nur da und sah ihn fragend an. „Es tut mir leid, das musst du mir glauben“, sagte er bittend und legte mir die Hände auf die Schultern. „Ich weiß selbst nicht wie es passieren konnte. Sie...“ Doch ich hob meine Hand und winkte ab, ehe ich einen Schritt nach hinten ging und seine Hände von meinen Schultern fielen. Langsam schüttelte ich meinen Kopf. „Ich... Ich will es nicht hören“, sprach ich leise und ich wollte es wirklich nicht hören. Ich wollte nicht hören was sich an diesem Abend zugetragen hatte. Wollte nicht hören was passiert war. Es reichte wenn ich das Bild in meinem Kopf hatte, da brauchte ich keine Erklärungen mehr. „Bitte Andrea... Lass es mich dir erklären“, bat Max leise und sah mich mit eindringlichem Blick an. Er konnte den Schmerz in meinen Augen lesen und das machte es ihm nicht gerade einfacher. Er wusste dass er einen Fehler gemacht hatte, aber so langsam schien er zu ahnen, wie groß er wirklich gewesen war. Ja er spürte wie die Angst in ihm hinaufkroch und ihn beinahe zu lähmen schien. Wieder schüttelte ich nur langsam meinen Kopf. Was sollte es da noch zu erklären geben? Es gab nichts zu erklären. Er hatte mich betrogen, mein Vertrauen missbraucht, war das nicht eindeutig? Nein, es gab nichts mehr zu erklären, außer eines vielleicht. „Die Anderen... Wussten sie es?“, fragte ich leise nach und vermied es ihm in die Augen zu blicken. Ich konnte es einfach nicht mehr. Ich konnte nicht mehr in die Augen des Menschens blicken, der mir so sehr weh getan hatte. „Welche Anderen?“, fing Max an, seufzte dann aber leise auf. „Ja sie wussten davon.“ „Alle?“ „Ja alle.“ Ich nickte langsam mit meinem Kopf, als Zeichen, dass ich verstanden hatte. Sie hatten es also alle gewusst und keiner hatte es mir gesagt. Alle hatten sie mich belogen, genauso wie Max es getan hatte. Stefan und Tim die ich am Wochenende gefragt hatte. Per, der mir am Montag nichts sagen wollte und Jules von der ich gedacht hatte, sie wäre meine Freundin. Doch wieder einmal hatte mich das Leben eines besseren belehrt. Es gab niemanden auf der Welt, dem man wirklich vertrauen konnte. Früher oder später würden sie einen alle belügen und betrügen. Ich fragte mich, warum ich immer und immer wieder auf die gleiche Lebenslüge herein fiel, so sollte ich es doch besser wissen. Immer wenn man glaubte das Glück gefunden zu haben, wenn man dachte endlich den Weg gefunden zu haben den man gehen wollte, gab es etwas, das einem alles wieder weg nahm. Nein in dieser Welt durfte man sich nicht freuen, durfte man nicht glücklich sein. Nicht wenn man nicht wollte, dass einem alles wieder genommen wurde. „Es tut mir leid, das musst du mir wirklich glauben“, sprach Max und seine Stimme war unsicher geworden. „Ich hoffe du kannst mir verzeihen was ich getan habe.“ Wieder sah er mich mit einem eindringlichen und zugleich bittenden Blick an. Er hoffte dass ich ihm verzeihen würde können, aber zugleich spürte er, dass das Gespräch nicht das Ende nehmen würde, was er sich vielleicht erhofft hatte. Er versuchte meinen Blick mit seinem zu begegnen um in meinen Augen lesen zu können was ich dachte. Zu lesen ob es Hoffnung gab oder ob sie verloren war. Wartete darauf dass ich etwas sagte, doch ich stand vor ihm und schwieg. Alles was ich ihm jemals hatte sagen wollen, war mit einem Schlag wie weggewischt, so als hätte es sie nie gegeben. „Schrei mich an, brülle rum, haue mir eine rein... Aber bitte... Bitte tu endlich was!“, kam es nun verzweifelt von Max der nicht mehr weiter wusste. Er hatte damit gerechnet dass ich in Tränen ausbrechen würde, dass ich ihn anschreien würde, ihn alles heißen würde, aber nichts dergleichen geschah. Den ganzen Tag über hatte er sich überlegt wie er reagieren könnte und nun, nun wusste er nicht was er machen sollte. Meine Reaktion oder besser gesagt die nicht vorhandene Reaktion war für ihn einfach unmöglich einzuschätzen. Er konnte damit nichts anfangen, konnte nicht darauf reagieren und das ließ ihn wahnsinnig werden. Aber selbst wenn ich hätte schreien wollen, so hätte ich es nicht können. Selbst wenn ich ihn hätte Ohrfeigen wollen, ich hätte meine Hand nicht erheben können. Ich war wie gelähmt und es kam mir alles so vor, als würde es wie in Zeitlupe passieren. Die Farben die verblassten und zu einem schmutzigen Grau wurden. Die Sonne die sich langsam verabschiedete und der Dämmerung den Platz überließ. Der Zeiger der Uhr der sich nur träge vorwärts bewegte. Ja selbst die Musik die leise über den Balkon in die Wohnung getragen wurde, schien langsamer zu laufen und klang dadurch verzerrt. „Ich hätte es wissen müssen“, meinte ich zu ihm und lachte leise auf. Ich wusste nicht warum ich lachte, aber die Situation schien so auswegslos, dass es mich einfach überkam. „Nichts ist für die Ewigkeit.“ Ich lenkte meinen Blick langsam aus dem Fenster. Ließ ihn über die wenigen Bäume wandern, deren Blätter sich gelb gefärbt hatten und die sich langsam im Wind und her bewegten. „Jemand hat mal zu mir gesagt, dass der Tod nichts ist vor dem man sich fürchten muss“, sagte ich leise und lenkte meinen Blick wieder zu ihm. „Er ist nur der Anfang von einem neuen Leben.“ Mit einem etwas verständnislosen Blick sah Max mich an. Er wusste nicht was das jetzt zu bedeuten hatte, was ich ihm damit sagen wollte und ob ich ihm damit überhaupt etwas sagen wollte. Er wusste nur, dass er etwas tun musste. Langsam kam er auf mich zu und legte mir wieder die Hände auf die Schultern. Doch wieder trat ich ein paar Schritte zurück, so dass seine Hände wieder nach unten fielen. „Fass mich bitte nicht an“, sagte ich leise und doch war meine Stimme sehr gut zu verstehen. Nein ich wollte nicht dass er mich jetzt berührte. Nicht nachdem ich wusste, dass er erst vor kurzem damit ein anderes Mädchen berührt hatte. Dass er mit ihr Dinge getan hatte, die eigentlich mir vorbehalten hätten sein sollen. Ich hatte gewusst wie er war, aber ich hatte gedacht, dass er sich ändern würde können, aber scheinbar legte man alte Gewohnheiten doch nicht so schnell ab. Wie hatte ich nur so blind und so naiv sein können, dass ich gedacht hatte, ich könnte ihn ändern? Wie hatte ich nur glauben können, dass ich diejenige sein würde, der er treu sein könnte? Alle hatten sie mich blind in mein Unglück rennen lassen und es durch ihr Schweigen wohl noch so richtig genoßen. „Was... Was hast du jetzt vor?“, fragte Max leise, der seinen Blick zu Boden gerichtet hatte und seine Schultern hängen ließ. Er gab ein jämmerliches Bild ab und trotzdem verspürte ich kein Mitleid. Ich verspürte.... Nichts. Weder Glück, noch Schmerz. Weder Freude, noch Leid. Eine große Leere hatte mich erfasst und unterdrückte jegliches menschliche Gefühl. „Ich muss nachdenken“, sagte ich leise und ging auf den Schrank zu, auf welchen ich vorher noch meinen Schlüssel gelegt hatte. Ich nahm den Schlüssel in die Hand und ging auf die Türe zu, welche zum Wohnzimmer hinausführte. „Ja aber du kannst doch jetzt nicht gehen?! Du kannst mich doch jetzt nicht einfach hier stehen lassen?! Was ist mit mir? Was ist mit uns?! Verdammt es tut mir doch leid... Es war ein Fehler der mir nicht noch einmal passieren wird... Ich liebe dich und ich tue alles was du von mir verlangst, aber bitte... bitte verlasse mich nicht“, flehte Max und ging hinter mir her. Er stellte sich vor die Haustüre und sah mich mit bittendem Blick an. Nein er wollte nicht dass ich ging und das wurde deutlich. „Ich weiß doch nicht was ich ohne dich machen soll... Ich will kein Leben ohne dich verstehst du? Du bist das wichtigste was ich in meinem Leben habe! Du bist die einzige die mir jemals in meinem Leben etwas bedeutet hat... Ich würde alles für dich aufgeben wenn ich wüsste es würde dich glücklich machen... Bitte Andrea... Geh nicht.“ Zum Ende hin war seine Stimme immer leiser geworden. Für einen Moment sah ich ihm in die Augen. Sah das verräterische Glitzern in seinen Augenwinkel, sah den Schmerz und die Verzweiflung die er spürte in seinen Augen und sah die Angst die er hatte. Ich streckte die Hand nach der Türklinke aus, drückte sie nach unten und öffnete sie einen spaltbreit. „Warte nicht auf mich“, sagte ich leise und trat durch die Türe, schnappte mir im hinausgehen meine Jacke und verließ die Wohnung. Ich hatte seine Anwesenheit einfach nicht länger ertragen können. Wollte jetzt einfach nur alleine sein um in Ruhe über das nachdenken zu können, was ich eben erfahren hatte. Versuchen mit dem Gedanken, mit dem Gefühl betrogen worden zu sein, klar zu kommen. Den Fall in das große schwarze Loch unter meinen Füßen zu bremsen. Was er mir gesagt hatte, hatte mir schlichtweg den Boden unter den Füßen weggerissen. Hatte mir mit einem Schlag alles genommen was mir lieb und wichtig gewesen war. Für das ich so vieles aufgegeben hatte und jetzt? Jetzt stand ich da und wusste nicht wie es weitergehen sollte. Wusste nicht wie ich mit dem was ich verloren hatte klar kommen sollte. Er war fremdgegangen und trotzdem fragte ich mich immer und immer wieder, ob ich nicht mit Schuld daran hatte. Ich hatte gewusst dass er eifersüchtig war und trotzdem hatte ich nicht die Rücksicht darauf genommen, die ich vielleicht hätte nehmen sollen. Vielleicht hätte ich es ihm an diesem einen Tag doch verschweigen sollen, dann wäre es wohl nicht passiert. Warum hatte ich nicht einfach Job Job sein lassen können und war mitgefahren? Für einen Job von dem ich nicht einmal wusste ob er das war, was ich mir erhofft hatte, hatte ich alles was mir wichtig war aufs Spiel gesetzt. Hatte alles auf eine Karte gesetzt und verloren. Ich ließ mich hinter das Steuer meines Wagens sinken, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und startete den Motor. Einen Moment lang blieb ich einfach so sitzen, ehe ich einen Gang einlegte und den Wagen aus der Parklücke fuhr. Ich wusste wohin ich fahren musste. Er hatte mir früher schon bei meinen Problemen geholfen und er würde es auch dieses Mal wieder tun. Kapitel 25: Warten ------------------ Max sah auf die sich schließende Türe. Er wollte schreien, er wollte sie festhalten, aber er war unfähig sich zu bewegen. Er konnte einfach nur dastehen und musste hilflos mit ansehen wie das, was er am meisten liebte, verschwand. Wie das eintrat vor dem er sich am meisten gefürchtet hatte. War heute etwa der Tag der Abrechnung gekommen? Der Tag an dem er für alles zahlen musste was er in seinem Leben getan hatte? So viele Jahre hatte er das getan was er wollte, worauf er Lust hatte ohne dass er einmal dafür hatte zahlen müssen. Doch heute, heute war es anders. Das Leben hatte ihm jeden Fehler den er in seinem Leben gegangen hatte in Rechnung gestellt und jetzt hatte er alles auf einmal bezahlen müssen. Wie blind hatte er nur sein können, dass er geglaubt hatte, dass nichts im Leben seine Konsequenzen haben würde? Wie hatte er nur so blind sein können, dass er geglaubt hatte dieser Fehler ließe sich irgendwie einfach aus der Welt schaffen? Nein egal was man in seinem Leben tat, irgendwann einmal musste man dafür bezahlen ob man wollte oder nicht. Das Leben kannte keinen Kredit. Langsam glitt seine Hand über die Türe durch die ich gerade getreten war. Warum hatte es nur so weit kommen müssen? Max lehnte seine Stirn gegen die Türe, ehe er mit der Hand wütend und verzweifelt dagegen schlug. Er wusste nicht mehr ob es wirklich so richtig gewesen war die Wahrheit zu sagen oder ob er mit einer Lüge nicht besser dran gewesen wäre. Eine Lüge die zwar ihm zu schaffen gemacht hätte, aber er hätte so viel Schmerz nicht sehen brauchen. Einen Schmerz, der ihm die Luft zum Atmen genommen hatte, der ihm das Gefühl gegeben hatte, man würde ihm das Herz aus der Brust reißen und zugleich das Wissen, dass man sich selbst die Schlinge um den Hals gelegt hatte. Dass es die eigene Hand gewesen war die einem das Messer in den Körper gerammt hatte. Wenn es die Möglichkeit geben würde die Zeit zurück zu drehen, er würde in diesem Moment alles dafür geben diese Möglichkeit nutzen zu können. Er würde so vieles ändern, so vieles anders machen. Den Fehler ungeschehen machen. Aber es gab diese Möglichkeit leider nicht. Es gab nichts was ihm die Schuld die er auf seine Schultern geladen hatte, wieder abnehmen konnte. Er musste schauen wie er nun mit dieser Schuld leben konnte. Aber er fragte sich, ob sie es schaffen konnte. Ob sie es schaffen konnte zu verzeihen. Es war ihm klar, dass sie nicht vergessen würde können, aber vielleicht schaffte sie es ja ihm zu verzeihen. „Ich liebe dich doch“, sprach er leise und schloss die Augen während er, mit dem Kopf weiter gegen die Türe gelehnt, dastand. Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seiner Lethargie und nur langsam wandte er sich von der Türe ab. Immer wieder warf er einen Blick über seine Schulter ob sie sich nicht doch wieder öffnen würde, aber sie blieb verschlossen. Seine Hand griff nach dem Telefon. „Ich bin's... Benedikt... Ist die Andrea da?“, hörte er die Stimme am anderen Ende fragen. „Nein“, sprach er leise und beinahe monoton. „Ist sie denn noch nicht zurückgekommen?“ „Doch...“ „Und wo ist sie jetzt?“ „Weg...“ „Hat sie was vergessen oder warum ist sie weg? Sie wollte doch mit dir feiern?“, fragte die Stimme am anderen Ende weiter nach. „Sie... Sie ist weg und ich glaube nicht dass sie wiederkommt...“ „Max was ist los?“, kam es nun besorgt vom anderen Ende. „Was ist passiert?“ „Sie ist gegangen... Ich weiß nicht wohin... Sie ist einfach nur gegangen...“, sagte er erneut leise und sah immer wieder zur Türe. „Max sage mir bitte was passiert ist“, kam es nun ein wenig eindringlicher vom anderen Ende der Leitung. „Ich habe für meinen Fehler bezahlt und sie verloren... Sie ist weg.... Gegangen...“ „Max... Bitte... Glaub mir das renkt sich wieder ein... Sie liebt dich“, kam es vom anderen Ende in einem nun beruhigenden Ton. „Sie kommt wieder da bin ich mir sicher... Gib ihr einfach Zeit.“ „Sie wird nicht wiederkommen...“ „Doch das wird sie.“ „Du hast nicht den Schmerz in ihren Augen gesehen... Wie willst du dann wissen, dass sie zurückkommen wird?“ „Weil sie dich liebt Max und nur dich!“ „Hmm“, murmelte er nur leise und warf einen Blick zur Türe. „Du darfst jetzt nicht aufgeben... Weder sie, noch dich, noch eure Liebe... Kämpfe um ihr Vertrauen wieder zu gewinnen.. Nur wenn du jetzt aufgibst, dann hast du sie wirklich verloren“, kam es wieder vom anderen Ende der Leitung. „Meldest du dich wenn du etwas von ihr hörst?“ „Ich werde dich sofort anrufen wenn ich etwas von ihr hören... Versprochen.“ „Danke...“ Max legte das Telefon neben sich auf das Sofa und sah aus dem Fenster hinaus. Wolken hatten sich am Himmel gebildet und verdeckten das letzte fahle Licht des Tages. Es war fast so, als würde sich seine Stimmung am Himmel widerspiegeln. Als würde der Himmel genau wissen was er fühlte und wollte es ihm gleich tun. Sein Blick wanderte vom Fenster zur Uhr die an einer Seite des Wohnzimmers an der Wand hing. Es waren nur wenige Minuten vergangen seit die Türe zugefallen war und dennoch kam es ihm vor, als wären es Stunden. Er wusste nicht ob sie zurückkommen würde und noch weniger wusste er, ob sie ihn dann noch hier sehen wollte, aber er konnte einfach nicht gehen. Er wollte hier sein wenn sie zurück kam, wollte für sie da sein. Wieder glitt sein Blick hinüber zu der Uhr an der Wand. 3 Stunden waren nun vergangen seit dem die Türe zugefallen war. 3 Stunden ohne eine Nachricht. Müde fuhr sich Max mit den Händen über das Gesicht. Nicht zu wissen wo sie steckte, nicht zu wissen was nun war, ließ ihn verrückt werden. Er musste sich beherrschen, damit er nicht erneut in der Wohnung auf und ab lief. Er hatte es schon getan, aber es hatte ihn keinesfalls beruhigt. Im Gegenteil. Mit der Hand griff er nach dem Telefon wie schon so oft in den letzten 3 Stunden. Er hatte Tim angerufen, doch er hatte ihm keine Auskunft geben können. Er hatte Stefan angerufen in der Hoffnung dass sie sich bei ihm gemeldet hatte, doch auch hier hatte man ihm keine Auskunft erteilen können. Wieder drückte er die Tasten auf dem Telefon und wartete auf das Freizeichen. „Hat sie sich bei dir gemeldet?“, fragte er, kaum hatte derjenige am anderen Leitung das Telefon abgehoben. „Ähm wer denn?“ „Andrea natürlich.“ „Andrea? Ich kenne keine Andrea.“ „Ja aber du musst doch... Ich sorry... Ist dein Bruder da?“ „Nein der hat glaube ich um 4 oder so das Haus verlassen.“ „Ok... Danke...“ „Alles klar bei dir?“ „Ja alles klar“, meinte Max und beendete das Gespräch wieder. Das Telefon drehte er in seinen Händen hin und her, ehe er es wieder neben sich auf das Sofa legte. Also hatte sie sich bei Julius auch nicht gemeldet, zumindest hatte sein Bruder von nichts gewusst. Sie hätte sich bestimmt mit Namen gemeldet wenn sie angerufen hätte, aber wenn ihm der Name nicht geläufig gewesen war, dann wusste er bestimmt nichts. Langsam stand Max vom Sofa auf und ging nun doch wieder durch die Wohnung. Sein Blick blieb an dem gemeinsamen Foto hängen, welches auf dem kleinen Regal in der Nähe des Balkons stand. Ein Foto welches sie glücklich und vereint zeigte. Für ihn in diesem Moment eine Erinnerung an längst vergangene Tage. Mit der Fingerspitze strich er über das Abbild der Person an seiner Seite, ehe er das Foto vom Regal und mit nach draußen auf den Balkon nahm. Vorsichtig löste er das Foto aus dem Bilderrahmen und stecke es sich in die Hemdtasche. Mit zitternden Fingern kramte er seine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und zündete sich eine Zigarette an. Er wusste nicht die wievielte es war, aber es war ihm egal. Es war nebensächlich und nicht relevant. Der Rauch verließ langsam seine Lungen und verfing sich im Wind der ihn langsam über den Balkon trug. Es war Nacht geworden und Gewitterwolken hingen bedrohlich am Himmel. Mahnend und bereit jederzeit ihre geballte Kraft los zu lassen. Er machte sich Sorgen, doch weniger um sich selbst, sondern mehr um die Person der er weh getan hatte. Die nun alleine irgendwo dort draußen war. Alleine mit ihrem Schmerz. Wieder klingelte das Telefon und Max ließ alles fallen und eilte zurück ins Wohnzimmer. War er das? Der ersehnte Anruf? Würde er jetzt endlich erfahren wo sie steckte? Erfahren ob es ihr gut ging? Ob alles in Ordnung war? Oder war es ein Anruf der nichts Gutes zu verheißen hatte? „Ja?“, fragte er nervös und hielt das Telefon in seinen zitternden Händen. „Hat sie sich bei dir gemeldet?“, fragte die Stimme am anderen Ende besorgt. „Nein Per... Hat sie nicht“, sagte Max leise und ließ sich auf das Sofa sinken. „Und ich weiß nicht mehr was ich machen soll... Ich... Ich sollte sie suchen gehen...“ „Und wo willst du sie suchen gehen? Berlin ist groß“, sagte Per und versuchte die Sorge in seiner Stimme zu unterdrücken. Hätte er gewusst was passieren würde, dann hätte er Max niemals geraten, ihr die Wahrheit zu sagen. „Ich weiß es nicht, aber alles ist besser als hier zu sitzen und nichts zu tun“, sagte Max leise und war vom Sofa wieder aufgestanden. „Was ist wenn ihr etwas passiert ist und ich sitze hier anstatt bei ihr zu sein.“ „Mach dich nicht verrückt Max“, sprach Per. „Ihr ist nichts passiert...“ „Woher willst du das wissen?“ „Wenn ihr etwas passiert wäre, dann hätte man dich schon längst davon in Kenntnis gesetzt“, sprach Per in beruhigendem Ton. „Vielleicht... Vielleicht hast du recht“, sprach Max leise und lehnte sich mit der Stirn gegen das kühle Glas der Fensterscheibe. „Wenn sie sich doch nur melden würde... Nur ein einfaches 'Mir geht’s gut'... Oder einfach nur ein 'Hallo'... Alles wäre besser als dieses verfluchte Warten...“ „Max, wenn sie hier anruft, dann werde ich mich sofort bei dir melden... Versprochen.“ „Danke...“, sprach Max leise und ließ die Hand mit dem Telefon sinken. Eine Hand legte er langsam an die Scheibe und sah wieder hinaus in die dunkle Nacht. Der Wind hatte zugenommen und die Äste der Bäume wiegten sich im Wind. Es war alles andere als eine Nacht in der man unterwegs sein sollte. Kapitel 26: My Immortal ----------------------- Lange Zeit war ich einfach nur mit dem Wagen durch die Nacht gefahren. Vollkommen ohne Ziel. Jetzt stand ich hier, hatte den Motor ausgestellt und sah aus der Windschutzscheibe, hinaus auf die Mauer die sich schwach vom Rest der Gegend abhob. 8 Monate war es nun her, seit ich das letzte Mal hier gewesen war und dennoch kam es mir vor wie gestern. Ich erinnerte mich noch genau an diesen einen Tag. Der Tag der so vieles verändert hatte, der mich verändert hatte und der mein Leben verändert hatte. Einen Tag den ich lange Zeit erfolgreich verdrängt hatte der aber nun klarer als jemals zuvor in meinem Kopf war. Damals war mir klar geworden dass alles im Leben vergänglich war, sogar das Leben selbst. Dass es nichts gab, was bis in alle Ewigkeiten bestehen konnte. Alles an was ich damals geglaubt hatte war mit einem Male wie weggewischt gewesen. Ich war in ein tiefes Loch gefallen, wo ich geglaubt hatte niemals wieder heraus zu kommen. Aber ich hatte mich wieder nach oben gekämpft, mich wieder zurück in das Licht gekämpft, die Dunkelheit hinter mir gelassen... Doch wozu? Wozu waren diese ganzen Mühen gewesen? Das Leben hatte mir eine helfende Hand gereicht und ich habe nach ihr gegriffen und nun, nun war es die gleiche Hand, die mich wieder zurück in das Loch warf. These wounds won't seem to heal This pain is just too real There's just too much that time cannot erase Ich zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und öffnete die Türe. Für einen Moment zögerte ich, doch dann stieg ich aus dem Wagen. Die Türe warf ich einfach zu und zog den Reißverschluss meiner Jacke nach oben. Es war kalt geworden und der Wind pfiff leise durch die menschenleeren Straßen. Verfing sich in den Ästen der Bäume und brachte die Blätter zum rascheln. Es klang als würden leise Stimmen unverständliches vor sich hin murmeln. Mit langsamen Schritten ging ich auf das hohe, schmiedeiserne Tor zu. Es fiel mir nicht leicht diese Schritte zu gehen. Schon damals waren sie mir nicht leicht gefallen. Die ganze Zeit hatte ich mich an der Vorstellung festgehalten alles sei nur ein böser Traum, doch dieses Tor hatte mich zurück in die Realität gebracht. Mein Blick glitt langsam an dem dunklen Eisen entlang nach oben. Für einen Moment schloss ich meine Augen, bevor ich die Hand an die Klinke legte und sie hinunter drückte. Beinahe lautlos schwang eine Seite des Tors nach hinten und gab den Weg frei. Schritt für Schritt ging ich weiter. Der Kies knirschte unter meinen Schritten. Der helle Kies der sich kaum merkbar vom Rest abhob. Hier und da brannten Kerzen und hüllten die wenigen Zentimeter um sie herum in ein schwaches, rötliches Licht. When you cried I'd wipe away all of your tears When you'd scream I'd fight away all of your fears Es war dunkel und obwohl ich den Weg nur ein einziges Mal gegangen war, so wusste ich genau wohin ich musste. Es war ein Weg gewesen den ich nicht gerne gegangen war und auch jetzt war es ein Weg den ich nur ungern ging. In der Ferne war der leise Ruf einer Eule zu hören. Für einen Moment lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Es war kein Ort an dem man sich Nachts aufhalten sollte. Kein Ort an dem sich ein Lebender aufhalten sollte, denn das war nicht sein Reich und dennoch war es ein Ort der Begegnung. Als ein leises Rascheln die Stille um mich herum durchbrach blieb ich stehen. Lauschte in die Dunkelheit, doch es war nichts mehr zu hören. Langsam setzte ich mich wieder in Bewegung. Weiter meinem Ziel entgegen. Ein Blitz durchzuckte den Himmel und tauchte alles für einen winzigen Augenblick in ein grelles Licht. Schatten tanzten für den Bruchteil einer Sekunde und malten ihre grotesken Schatten auf die dunkle Erde, gefolgt von einem lauten Donnergrollen. Es schien fast so, als würde jemand nicht wollen, dass ich mich hier aufhielt. Als würde jemand mich davor warnen wollen, alte Erinnerungen wieder zum Leben zu erwecken. Wollte mich so bewegen, ruhen zu lassen was schon seit Monaten ruhte. Aber ich konnte es einfach nicht mehr. Ich hatte es 8 Monate lang ruhe lassen ohne es für mich beendet zu haben. Ich hatte gedacht ich würde es auch so schaffen, aber ich hatte gemerkt, dass ich es nicht konnte. Alle hatten sie mir gesagt dass es nicht meine Schuld gewesen war, dass ich es nicht hätte verhindern können, aber sie waren alle nicht dabei gewesen, sie alle konnten das gar nicht beurteilen. Ich war es gewesen und ich wusste was sich abgespielt hatte. Ich wusste dass ich Schuld daran war. Wäre ich nicht gewesen, dann wäre alles anders gekommen... Now I'm bound by the life you've left behind Ich war dort angekommen wo ich hatte hin wollen und blieb stehen. Mein Blick glitt langsam über die Blumen die dort trotzig der Kälte widerstanden und versuchten mit ihren Farben über das hinweg zu täuschen, weswegen sie gepflanzt worden waren. Eine letzte Erinnerung an glückliche Tage. Langsam ging ich den kaum sichtbaren Pfad entlang. Es waren nur wenige Schritte gewesen. Ich ging in die Hocke und fuhr mit der Fingerspitze langsam die Konturen der Schrift nach die in den Stein gemeißelt worden waren. Meine Lippen formten lautlos den Namen der dort geschrieben stand. Ein Name der mich so viele Jahre lang begleitet hatte. Der Name einer Person die mich zum lachen gebracht hatte, die immer für mich da gewesen war, die mich festgehalten hatte wenn ich Halt brauchte, die mir zugehört hatte wenn ich jemanden zum reden gebraucht hatte, die mir immer einen Rat gewusst hatte und auch jetzt wohl einen gewusst hätte. Eine Person die mich nie absichtlich im Stich gelassen hätte. Your voice it chased away All the sanity in me Eine Person die mir so vieles im Leben bedeutet hatte und nun... Nun war sie nicht mehr da. Ich konnte niemals mehr zu ihr gehen und sie um Rat fragen, konnte mich niemals mehr an ihre Schulter anlehnen wenn es mir dreckig ging und konnte niemals mehr ihr fröhliches Lachen vernehmen. Das Lachen was mich selbst zum lachen gebracht hatte, gleich wie traurig oder wütend ich auch gewesen war. Er hatte es immer wieder geschafft mich auf zu muntern. Es war nicht einmal das gewesen was er gesagt hatte, sondern er war einfach nur da gewesen wenn ich ihn gebraucht hatte. Er hatte immer gewusst was in mir vorging und nichts hatte ich ihm vormachen können. Ich war wie ein offenes Buch für ihn gewesen. Er war der einzige Mensch gewesen dem ich jemals richtig vertraut habe. Es hatte nichts von mir gegeben, was er nicht gewusst hatte. Ich hatte mit allem zu ihm kommen können, ihm alles erzählen können egal wie peinlich oder lächerlich es gewesen war. Aber jetzt... Jetzt war er nicht mehr bei mir. Er konnte mich vielleicht hören, aber er würde mir keine Antwort mehr geben können. Ich ließ mich neben seinem Grab auf die Knie sinken. Ich fühlte mich so müde. So leer als sei alles menschliche aus meinem Körper verschwunden. „Warum du?“, fragte ich leise in die Stille der Nacht hinein. „Warum habe nicht ich es sein können?“ Ich richtete meinen Blick hinauf in den Himmel der in diesem Moment seine Schleusen öffnete. Die Kälte, der Regen... ich spürte es nicht. Meine Kleidung sog den Regen auf und hing schwer an meinen Schultern, doch waren sie leichter als die Schuld die schon seit Monaten auf ihnen lastete. „Du hättest nicht der sein dürfen der gehen musste“, sprach ich leise und lenkte meinen Blick wieder auf das dunkle Grab. „Du hattest doch noch so vieles vor dir gehabt. Du hattest Ziele, du hattest Pläne... Ich nicht... Es hätte mich treffen müssen, nicht dich.“ Ich fuhr mir mit den Händen durch die nassen Haare und schloss leicht die Augen. Verfolgte die Bilder die vor meinem inneren Auge auftauchten. Bilder aus vergangenen Zeiten. Bilder auf denen ich gelacht hatte, auf denen er gelacht hatte. Bilder von uns Beiden wie wir am See mit den anderen gegrillt hatten. Bilder wie wir gemeinsam auf dem Fasching gewesen waren. Bilder aus gemeinsamen Zeiten. Zeiten die für immer ein Ende gefunden hatten. Nur wenige Sekunden waren es gewesen und doch hatten sie für die Ewigkeit entschieden. „Erinnerst du dich noch daran wie wir gemeinsam auf dem Turm gesessen waren und du mir erzählt hattest was du im Herbst beginnen wolltest?“, fragte ich leise und hielt meine Augen noch immer geschlossen. „Wie du mich gefragt hattest und ich dir keine Antwort geben konnte? Damals hattest du mich auch gefragt ob ich mir jemals vorstellen würde können zu heiraten oder eine Familie zu haben. Damals habe ich alles verneint und von mir gewiesen, doch heute... heute hätte ich dir wohl eine andere Antwort gegeben.“ Leise seufzte ich auf. Ja heute hätte ich ihm wirklich eine andere Antwort gegeben. Eine Antwort die er nie würde hören können. Ich wünschte ich hätte die Chance ihm all das sagen zu können. Ihm sagen zu können dass ich einen Menschen gefunden hatte den ich liebte, einen Menschen mit dem ich meine Zukunft verbringen wollte, einen Menschen für den ich alles aufgeben würde... Einen Menschen von dem ich geglaubt hatte er würde mich lieben. Er hatte mir weh getan und dennoch, dennoch liebte ich ihn noch immer. Fühlte mich einsam weil er nicht bei mir war und zugleich jedoch wünschte ich ihn weit weg von mir. Ich konnte nicht mit ihm, aber noch weniger konnte ich ohne ihn. „Weißt du, nachdem du... Nachdem du dein neues Leben angetreten hast, hatte ich mir geschworen nie wieder einem Menschen so sehr zu vertrauen wie dir“, sprach ich leise und ich spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Wie sie sich langsam mit dem Regen vermischten der mir über das Gesicht lief. „Ich wollte einfach nicht noch einmal den Schmerz spüren, diese Leere spüren die zurückbleibt wenn diese Person geht und doch... Doch habe ich es wieder getan. Ich dachte dieses Mal... Dieses Mal würde es nicht so kommen... Ich dachte dieses Mal würde es anders werden... Aber... aber ich habe mich getäuscht.“ Mein Kinn sank mir auf die Brust und meine Finger gruben sich in die vom Regen aufgeweichte Erde neben mir. Ja ich war verzweifelt. Ich wollte ihm doch vergeben, wollte doch verzeihen, aber warum konnte ich es dann nicht? Warum konnte ich nicht einfach zurückgehen? Ja er hatte einen Fehler begangen und er hatte mein Vertrauen missbraucht, aber sollte man in einer Beziehung solche Fehler nicht auch verzeihen können? Andere schafften es doch auch, warum konnte ich es dann nicht? „Kannst du mir sagen was ich tun soll? Kannst du mir sagen warum ich dem Menschen den ich über alles liebe nicht verzeihen kann? Warum ich nicht über meinen Schatten springen kann? Warum ich mir selbst das nehme was mir das einzig wichtige in meinem Leben ist?“, fragte ich leise und mein Blick richtete sich in die Ferne. „Es ist so dunkel geworden und ich finde den Weg nicht mehr... Kannst du ihn mir nicht zeigen? So wie du es früher auch immer getan hast?“ Ein Zittern überkam meinen Körper und ich schlang meine Arme um meinen Körper. Hoffte so ein wenig Wärme zu bekommen. Doch die Kälte wollte mich nicht wieder loslassen. Hielt mich weiter fest in ihrem Griff. I've tried so hard to tell myself that you're gone But though you're still with me I've been alone all along „Warum hast du mich alleine gelassen? Warum bist du einfach gegangen? Du hast doch gewusst dass ich für das Leben das auf mich wartete noch nicht bereit gewesen war! Warum hast du mich einfach im Stich gelassen?! Warum?!“, rief ich verzweifelt und schlug mit den Händen gegen den Grabstein. „Warum bist du nicht da wenn ich dich am nötigsten habe! Warum hilfst du mir nicht? Warum hast du mich alleine gelassen!!“ Kraftlos sanken meine Hände zu Boden. Er konnte mich nicht hören. Er konnte mir nicht antworten. Er würde es niemals wieder tun. So viele Monate hatte ich mich geweigert es zu akzeptieren. Geweigert zu akzeptieren dass er nicht mehr unter uns war. Doch jetzt konnte ich es einfach nicht mehr verdrängen. Er hatte ein neues Leben angefangen und mich in meinem Alten zurückgelassen... Kapitel 27: Was vor 8 Monaten geschah ------------------------------------- Per wollte Jules gerade einen Kuss geben, als es an der Türe klingelte. „Was zum....“, fluchte Per leise, quälte sich aus dem Bett und ging, nur mit einer Boxershort bekleidet, zur Türe. Kurz sah er durch den Spion ehe er die Türe öffnete. „Max? Was machst du denn hier?“, fragte er, verwundert seinen Freund vor der Türe stehen zu sehen. „Ich hab's nicht mehr ausgehalten“, meinte Max und ging an Per vorbei in die Wohnung hinein. „Es sind jetzt bald 6 Stunden wo sie weg ist und sich nicht gemeldet hat. Ich konnte einfach nicht länger rumsitzen.“ Per fuhr sich mit der Hand durch die Haare und war nur froh, dass seine Eltern nicht da waren. Die hätten sicherlich einen Aufstand gemacht, wenn da mitten in der Nacht einer an der Türe klingelte. „Und was hast du jetzt vor?“, fragte Per und sah Max mit leicht zweifelndem Blick an. „Ich habe keine Ahnung, aber irgendwo muss sie ja stecken, also suche ich sie einfach“, meinte Max und zuckte mit den Schultern. „Du willst sie mitten in der Nacht suchen? Du weißt doch noch nicht einmal wo du suchen sollst.“ „Ich weiß, aber alles ist besser als tatenlos daheim zu sitzen“, seufzte Max und ließ den Kopf hängen. Diese ganze Warterei war zermürbend. Immer wieder diese Blicke auf das Telefon das einfach nicht klingeln wollte. Egal wo man anrief, niemand konnte einem etwas sagen. „Und du bist dir sicher, dass wirklich niemand etwas weiß?“, fragte Per nach, der sich nicht vorstellen konnte, dass sie wirklich so spurlos verschwinden konnte. „Tim weiß nichts, Stefan weiß nichts, Julius weiß nichts, Benedikt weiß nichts, sogar ihre Eltern wissen von nichts“, meinte Max und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand hinter sich. „Ihre Eltern? Du hast ihre Eltern angerufen?“, kam es ungläubig von Per, der sich nicht vorstellen, dass Max das wirklich getan hatte. „Bist du denn verrückt? Was meinst du was die sich jetzt für Sorgen machen wenn du anrufst und ihnen erzählst sie ist verschwunden?!“ „Keine Sorge Per“, meinte Max und winkte schwach mit der Hand ab. „Ich habe sie gefragt ob sie sich gemeldet hat weil sie ihnen eine tolle Neuigkeit sagen wollte, aber sie hat nicht angerufen. Ich habe es schon so angestellt, dass es keine Möglichkeit zum Misstrauen gibt.“ Nein da hatte er schon aufgepasst. Es reichte ja, wenn er sonst alle anderen verrückt gemacht hatte. Sogar seine Schwester hatte er aus dem Bett geklingelt deswegen, aber sie hatte ihm auch nichts sagen können. „Weißt du wo ich vielleicht suchen könnte? Irgendeine Idee?“, fragte Max leise und sah seinen besten Freund an. „Nein nicht wirklich“, meinte Per und schüttelte den Kopf. „Aber vielleicht hat Jules eine Idee.“ „Sie ist hier?“ „Natürlich ist sie hier“, meinte Per und ging zurück in sein Zimmer, wo Jules auf dem Bett saß. Jules hob den Kopf und wollte erst fragen was los war, als sie Max sah und ihr jegliche Frage im Hals stecken blieb. Er sah überhaupt nicht gut aus. Im Gegenteil. Er sah beschissen aus. „Immer noch keine Nachricht?“, fragte sie vorsichtig nach und legte Max die Hand auf die Schulter, nachdem sich dieser auf das Bett gesetzt hatte. „Nicht eine“, meinte Max leise und schüttelte dabei den Kopf. „Ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Ich mache mir so verdammte Sorgen... Ich weiß dass sie irgendwo dort draußen ist... Ich spüre es einfach, aber ich weiß nicht wo.“ Leicht strich ihm Jules mit der Hand über den Arm. „Hat sie denn irgendetwas zu dir gesagt was uns vielleicht helfen könnte?“, fragte sie vorsichtig nach. Vielleicht gab es ja einen Anhaltspunkt, etwas das ihnen helfen konnte. Wieder schüttelte Max den Kopf. „Sie hat überhaupt nicht viel gesagt... Die ganze Zeit über nicht“, meinte Max und sah zu Jules. „Sie hat nicht geschrien, sie hat nicht geheult... Nichts... Es war fast so, als würde sie das alles einfach nur wegstecken.“ Jules nickte leicht mit dem Kopf. Sie wusste genau was dieses Verhalten zu bedeuten hatte, aber sie konnte Max das jetzt nicht sagen. Sie konnte ihm nicht sagen, dass dies ein Zeichen dafür gewesen war, wie sehr seine Worte getroffen hatten. Sie kannte ihre beste Freundin gut genug um das zu wissen. Je weniger sie sprach, desto mehr hatte man ihr weh getan. „Max ich weiß es ist schwer, aber bitte überlege noch einmal genau was sie alles gesagt hat“, sprach Jules weiter und sah Max an. „Sie hatte mich nach dem Warum gefragt, wollte aber keine Antwort hören... Sie hatte mich gefragt ob es ihr alle gewusst habt und dass sie nachdenken muss und ich nicht auf sie warten brauche“, erzählte Max und sah Jules an. „Da war nicht mehr.“ „Bist du dir da ganz sicher Max?“, fragte Jules wieder nach. Es musste doch etwas geben was einem weiterhelfen konnte. „Ja ich bin mir... Nein halt da war noch was“, sprach Max und dachte nach. „Ich weiß nicht mehr genau was sie gesagt hatte, aber das war irgendwas mit Tod und neues Leben oder so ähnlich gewesen.“ Mit leicht hochgezogenen Augen sah Jules Max an. Per, der die ganze Zeit schweigend zugehört hatte, sah mit großen Augen zu Max und wollte gerade zum reden ansetzen, doch Jules sah ihn an und schüttelte den Kopf. Sie hatte eine Vermutung, aber sie war sich dessen nicht so sicher. „Klang es vielleicht so“, sprach Jules und machte dann eine kleine Pause um sich an die korrekte Reihenfolge zu erinnern. „Der Tod ist nichts vor dem man sich fürchten muss. Er ist nur der Anfang eines neuen Lebens.“ Max hob seinen Kopf und sah Jules mit verständnislosem Blick an. Woher konnte sie wissen was Andrea gesagt hatte? Warum konnte sie sich so gut an die Worte erinnern und er konnte es nicht. „Das war es nicht wahr?“, fragte Jules noch einmal nach, war sich aber sicher dass es so gewesen war, sonst hätte Max jetzt wohl sicherlich nicht so reagiert. „Ja, aber woher weißt du das?“, fragte Max und sah Jules weiterhin fragend an. Aber nicht nur Max sah Jules fragend an, sondern auch Per. Er verstand auch nicht woher Jules so schnell wusste was sie gesagt hatte. „Diese Worte.... Die hatte Matze zu ihr gesagt“, sprach Jules leise und ihr Blick richtete sich auf einen Punkt am anderen Ende des Zimmers. „Matze war ihr bester Freund. Sie kannten sich aus dem Sandkasten.“ „Du meinst sie könnte bei ihm sein? Hast du eine Adresse? Eine Telefonnummer? Dann kann ich da anrufen... Vielleicht ist sie ja dort, warum sonst sollte sie genau diese Worte sagen?“ „Du kannst ihn nicht anrufen Max“, sprach Jules leise und richtete ihren Blick wieder auf Max. „Natürlich kann ich ihn anrufen! Meine Güte ja es ist spät, aber das ist mir egal! Wenn sie dort sein könnte, dann möchte ich das wissen. Also hast du mir die Telefonnummer?“, fragte Max und es war ihm wirklich egal ob es jetzt mitten in der Nacht war und er vielleicht jemanden aus dem Bett werfen würde. Hier ging es darum heraus zu bekommen wo sie steckte und das war es ihm wichtiger. „Max du kannst Matze nicht anrufen! Dort wo er ist... Dort gibt es keine Telefone“, kam es von Jules die für einen Moment schlucken hat müssen. Sie hatte Matze ja genauso gekannt, wenn auch nicht so lange wie es Andrea getan hatte. Sie sah zwischen Per und Max hin und her und konnte die fragenden Blicke der Beiden sehr gut sehen. „Er ist vor knapp... Nein Falsch... Er ist heute vor 8 Monaten ums Leben gekommen.“ Ja es war tatsächlich vor genau 8 Monaten passiert. Auf den Tag genau. So langsam war sich Jules immer sicherer, dass sie sich dort aufhalten würde. Sie konnte es nicht beweisen, aber es war einfach eine Sache die man sicher wusste ohne es belegen zu können. „Aber... Aber wie kommst du dann darauf dass sie dort sein könnte?“, fragte Per nach, dem sich der Zusammenhang nicht erschließen wollte. „Das Datum und dann die Worte“, sprach Jules und sah zu Per. „Es sind nicht irgendwelche Worte die er irgendwann einmal zu ihr gesagt hat. Er hat sie in einem ganz bestimmten Moment zu ihr gesagt und das war heute vor 8 Monaten gewesen.“ Jules atmete tief durch. Es war noch immer nicht leicht über diesen Abend zu reden und sie war nicht einmal direkt mit dabei gewesen. Sie war erst gekommen, als alles passiert war. Aber alleine dieser Anblick ließ ihr noch heute einen kalten Schauer über den Rücken laufen. „Ich verstehe nicht ganz“, meinte Per und sah Jules schulterzuckend an. Nein da fehlten einfach noch viel zu viele Teile um die Geschichte verstehen zu können. „Wir waren alle auf einer Party gewesen und haben den Geburtstag von einem Freund von uns gefeiert. Wir wollten eigentlich alle bei ihm übernachten, aber Andrea wollte dann doch heim. Sie wollte das Fahrrad nehmen und heimfahren. Es war nicht so weit gewesen, aber Matze wollte sie nicht alleine durch die Nacht fahren lassen und hat entschieden, sie nach Hause zu fahren“, erzählte Jules und in ihren Händen knetete sie ein Stückchen Bettdecke hin und her. „Er wollte danach wieder zurückkommen, aber er kam nicht zurück. Nach einer Stunde haben wir angefangen uns Sorgen zu machen, wir haben versucht sie auf dem Handy zu erreichen, aber es war niemand dran gegangen. Wir hatten bei ihr daheim angerufen, aber sie war noch nicht nach Hause gekommen und da ist uns klar geworden, dass etwas nicht stimmte. Wir sind dann los gefahren, haben sie gesucht und.... und haben sie gefunden....“ Jules schluckte und atmete tief durch. Die Bilder waren einfach so deutlich vor ihrem Auge, dass sie kaum weitersprechen konnte. Aber sie wusste sie musste es erklären, denn wie sonst sollten Max und Per es verstehen können? „Ein Besoffener war ihnen frontal ins Auto gefahren“, sprach Jules weiter und ihre Stimme war unsicher geworden. „Überall lag Glas und es qualmte überall. Die Windschutzscheibe von Matzes Auto lag irgendwo im Gras und es war so still. Der Typ der den anderen Wagen gefahren hatte, lag bewusstlos im Auto. Ich hatte Angst gehabt auf Matzes Wagen zu zugehen, Angst vor dem was ich dort vielleicht sehen würde. Aber ich wusste ich muss es tun. Ich musste wissen ob es ihnen gut ging.“ Per merkte wie schwer es Jules fiel über das alles zu sprechen und legte ihr sanft den Arm um die Schultern. Wollte ihr so Kraft gegeben und ihr zeigen, dass er für sie da war. „Sie saß im Wagen und ihr Blick.... Ihr Blick war so leer gewesen und ich dachte... dachte sie sei nicht mehr am Leben“, erzählte Jules weiter und schluckte erneut. „Sie hatte den Arm um Matze gelegt und... Ihren Blick... Ich werde ihn nie wieder vergessen... Aber sie war nicht tot... Sie lebte noch... Sie sah mich an und dann sagte sie mir, was Matze zu ihr gesagt hatte... Das was sie auch zu dir gesagt hatte... Es waren seine letzten Worte gewesen... Er hatte den Unfall nicht überlebt...“ Jules legte eine Pause ein und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Es war jetzt 8 Monate her und noch immer war alles so deutlich und Jules konnte nur ahnen wie es ihrer besten Freundin ergehen musste. Wie sie sich fühlen musste. „Es dauerte noch weitere 1,5 Stunden bis man sie aus dem Wagen hatte bergen können, aber die ganze Zeit hatte sie ihn nicht los gelassen“, sprach Jules leise weiter. „Ihr war nicht viel passiert und so konnte sie schon nach nur 2 Tagen wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden...“ „Aber warum glaubst du dass sie bei ihm ist?“, fragte Per vorsichtig nach und strich Jules eine Träne von der Wange. „Weil... Sie hatte sich die Schuld an dem Unfall gegeben und sie gibt ihn sich heute noch“, meinte Jules und sah Per an. „Wir konnten sagen was wir wollten, sie blieb bei ihrer Meinung... Sie meinte dass wenn sie nicht hätte heim wollen, er niemals in den Wagen gestiegen wäre und er jetzt noch am Leben wäre. Weißt du Per, er war für sie wie ein großer Bruder gewesen und sie für ihn wie seine kleine Schwester. Wenn sie Probleme hatte oder nicht weiter wusste, ist sie immer zu ihm gegangen und ich glaube sie ist es auch dieses Mal. Sie hat nie wirklich damit abgeschlossen und jetzt dieses Datum und dann noch die Sache die vorgefallen ist und ihre Worte... Sie hat auch damals nicht geschrien oder geheult... Nichts! Es ist alles genau wie damals verstehst du? Ich... Sie muss dort sein.“ Leicht nickte Per mit dem Kopf. So langsam verstand er, hatte die einzelnen Informationen zu einem Bild zusammengefügt. „Meinst du sie gibt sich auch jetzt die Schuld?“, fragte Per leise nach und ignorierte, dass Max ebenfalls im Zimmer anwesend war. „Ja das glaube ich“, sagte Jules und nickte mit dem Kopf. Max sah zwischen Per und Jules hin und her und ließ den Kopf sinken. Sollte sie sich wirklich die Schuld für seinen Fehler geben? Aber warum? Sie traf doch keine Schuld. Der einzige der Schuld daran hatte dass es so weit gekommen war, war er selbst gewesen. Er und nicht sie. Er hatte sich doch nicht unter Kontrolle gehabt, warum also gab sie sich die Schuld? Mit den Händen fuhr er sich über das Gesicht und jetzt wo er das alles gehört hatte, fühlte er sich noch schlechter als überhaupt schon. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Max leise und sah zu den Beiden. „Du machst jetzt überhaupt nichts“, sagte Per und stand vom Bett auf um seine Sachen zusammen zu suchen. „Wenn sie tatsächlich dort ist wo Jules glaubt, dann bist du wohl der Letzte den sie sehen möchte. Also bleibst du hier und wartest, auch wenn es dir nicht passen wird.“ „Ja aber ich...“, fing Max an, dem es wirklich nicht passte, dass er hier sitzen bleiben sollte. „Nein Max“, sagte Per und kramte nach seiner Jacke. „Wenn wir sie gefunden haben rufen wir dich an. Das ist mein letztes Wort.“ Per sah zu Jules die mittlerweile ebenfalls angezogen war. Er nahm sie an der Hand, steckte seine Schlüssel ein und verließ zusammen mit ihr die Wohnung. Er konnte sich vorstellen dass Max sich nun alles andere als wohl fühlen würde, besonders nicht nachdem, was er alles erfahren hatte und er konnte sich auch vorstellen, dass er sich jetzt seine Gedanken machen würde, aber das sollte er auch ruhig tun. Gut er hatte für den ungeschickten Termin nichts können, aber für den Fehltritt auf alle Fälle. Er glaubte kaum, dass Max noch einmal so einen Fehler begehen würde. Er würde daraus lernen, da war sich Per sicher. Kapitel 28: Stille ------------------ Per hatte seine Hände tief in seine Hosentasche gesteckt und den Kragen seiner Jacke nach oben geklappt. Es war absolut kein Wetter um vor die Türe zu gehen und ehrlich gesagt würde er jetzt lieber im warmen Bett liegen und kuscheln, anstatt bei dieser Kälte durch die Nacht zu laufen. „Wieso glaubst du, dass sie sich die Schuld gibt?“, fragte Per und sah Jules von der Seite her an. Er wusste einfach nicht woher sie diese Sicherheit nahm. Gut sie kannte sie schon sehr lange, aber trotzdem konnte man sich bei so etwas doch nicht so sicher sein. Außer natürlich man konnte Gedanken lesen, aber da das keiner konnte, konnte man sich auch niemals wirklich sicher sein. „Es ist eigentlich ganz einfach“, sagte Jules und sah zu Per. „Damals hat sie sich die Schuld gegeben, weil sie dabei gewesen ist und jetzt gibt sie sich die Schuld, weil sie nicht dabei gewesen ist.“ „Muss ich das jetzt verstehen?“, fragte Per und hatte einen etwas ratlosen Blick. „Schau mal“, meinte Jules und hängte sich bei Per ein. „Meinst du es wäre zu diesem Fehltritt gekommen wenn sie dabei gewesen wäre?“ Für einen Moment überlegte Per und schüttelte den Kopf. „Nein sicherlich nicht.“ „Na siehst du“, sagte Jules und sah wieder auf die Straße. „Sie weiß es genauso wie du es weißt. Sie weiß, dass wenn sie dabei gewesen wäre, es nicht dazu gekommen wäre und deswegen gibt sie sich ja auch die Schuld daran.“ „Ja aber warum gibt sie sich die Schuld für etwas, das Max verbockt hat? Sie hätte doch auch dabei sein können und es hätte trotzdem passieren können. Hätte sie sich dann auch die Schuld gegeben?“ „Vermutlich ja“, meinte Jules und zuckte leicht mit den Schultern. „Sie ist was das angeht einfach etwas seltsam. Sie sucht selten die Schuld bei anderen, sondern in erster Linie immer bei sich selbst. Wenn sie dabei gewesen wäre und Max hätte diesen Fehler begangen, dann hätte sie sich wohl gefragt ob sie etwas falsch gemacht hat, ob er etwas vermisst hat oder ob sie ihm nicht das hat bieten können was er gebraucht hat. Sie hat eine verdammt große Klappe wie du ja selbst weißt und sie kann auch verdammt gut austeilen wenn es sein muss, aber bei so was hat sie einfach kein besonders großes Vertrauen in sich. Sie ist wohl einfach zu gutmütig und glaubt zu sehr an das Gute im Menschen.“ „Ich kann mir das gar nicht so wirklich vorstellen“, meinte Per und schüttelte leicht den Kopf. „Ich meine ich habe sie auf Tour erlebt und da hat sie eigentlich immer den Eindruck gemacht, als könnte sie so schnell nichts aus der Bahn werfen. Sie hat allen Kontra gegeben und sich nichts gefallen lassen und jetzt ist sie das genaue Gegenteil.“ „Nun sie weiß diese Seite sehr gut zu verstecken“, meinte Jules und blieb an der Haltestation stehen. „Weißt du Per, sie war zwar schon früher mal mit Jungs zusammen. Mal hier ne Woche, mal da ne Woche. Das längste war glaube ich 2 Monate oder so gewesen, länger hat sie es meistens nicht ausgehalten. Sobald es ernster geworden ist hat sie sich irgendetwas einfallen lassen und ist verschwunden. Sie hat eigentlich nie wirklich jemanden vertraut, bis jetzt... Ich glaube Max ist der Erste bei dem sie es wirklich ernst meint.“ „Du meinst sie ist das erste Mal richtig verliebt?“, fragte Per nach und wartete bis Jules in die Straßenbahn eingestiegen war und ließ sich dann neben sie auf den Sitz fallen. „Nein ich glaube sie ist über den Punkt bereits hinaus“, meinte Jules und sah kurz aus dem Fenster. „Gestern waren wir ja zusammen in der Stadt gewesen und ich hab sie in ein Brautmodegeschäft geschleppt. Du musst wissen, sie und heiraten ist wie Feuer und Wasser. Ich hab sie in verschiedene Kleider stecken lassen und bei einem Kleid.... Ich glaube in diesem Moment hat sie sich vorstellen können verheiratet zu sein.“ „Wie bitte?“, fragte Per und musste trotz der Situation ein klein wenig lächeln. „Ja ich weiß das muss sich verrückt anhören“, meinte nun auch Jules lächelnd und sah Per an. „Aber es war wirklich so. Sie sah in den Spiegel und hatte voll den verträumten Blick drauf gehabt. Ich hab sie so ehrlich gesagt noch nie gesehen.“ „Du meinst sie hat sich wirklich vorgestellt mit Max verheiratet zu sein?“ „Ja genau das mein ich“, sagte Jules und nickte mit dem Kopf. „Ich hab sie danach noch damit aufgezogen und ihr gesagt dass es doch so abwegig nicht wäre und sie hat mir vehement widersprochen und gemeint dass sie viel zu jung zum heiraten wäre und sie außerdem gar nicht heiraten will. Aber ich habe es ihr nicht abgenommen, dafür war der Blick einfach zu verträumt gewesen.“ Leicht fing Per an den Kopf zu schütteln. „Na spitze“, seufzte er leise und legte seinen Arm um Jules Schultern. „Und er baut einen solchen Bockmist. Wie gut dass er das alles nicht weiß, sonst würde der mir wohl noch im Viereck daheim rumspringen.“ Nein Per wollte sich lieber nicht vorstellen wie Max reagieren würde, wenn er davon wüsste. Vermutlich würde er die Polizei und die Feuerwehr gleich mit anrufen und auf die Suche schicken. Von den anderen Jungs mal ganz zu schweigen. Wobei das wohl die kleinste Dummheit sein würde, auf die Max in diesem Moment kommen würde. Nein es war wohl wirklich besser so wie es jetzt war. Er machte sich schon genug Vorwürfe, zum Teil sicherlich gerecht, aber trotzdem hatte Per ein wenig Mitleid mit ihm. Er wusste ja wie mies sich Max am Morgen danach gefühlt hatte und mit was für einer schlechten Laune er den ganzen Tag herum gerannt war. Würde er das jetzt auch noch wissen, dann konnte man wohl für gar nichts mehr garantieren. Nein, es reichte schon wenn einer am Boden lag, da musste sich der andere nicht auch noch daneben legen. „Ich weiß was du meinst, auch wenn ich gerade gute Lust hätte es ihm unter die Nase zu reiben“, meinte Jules und seufzte ebenfalls leise auf. „Wobei ich mich ja auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert habe. Ich meine, ich wusste dass er fremdgegangen ist und hab ihr noch was von harmlos und wird sich schon alles aufklären erzählt. Auch nicht gerade besser.“ „Wir haben uns alle nicht mit Ruhm bekleckert... Keiner von uns“, sagte Per und gab Jules einen kleinen Kuss. „Aber es war nunmal nicht unsere Aufgabe es ihr zu erzählen, sondern seine.“ „Ja das schon, aber ich bin ihre beste Freundin... Ich hätte ihr doch einen Hinweis geben müssen... Dann wäre sie vielleicht nicht ganz so tief gefallen“, meinte Jules und seufzte wieder leise auf. „Jetzt fange du bitte nicht auch noch an dir Vorwürfe zu machen“, sprach Per ruhig und sah Jules an. „Wir haben schon 2 die das tun, das sollte eigentlich für einen Tag reichen oder?“ „Stimmt schon, aber trotzdem“, meinte Jules und ließ ein wenig den Kopf sinken. Nein sie fühlte sich nicht gut. Sie hatte ihre beste Freundin belogen und wer konnte sich da noch großartig gut fühlen? Wohl nur jemand der absolut gefühlskalt war und das war sie garantiert nicht. Schweigsam saßen sie nebeneinander in der Bahn, bis Per sich von seinem Platz erhob. „Wir sind da“, meinte er und deutete nach draußen in die Nacht, wo man so oder so nichts erkennen konnte. Wenn er sich so recht überlegte, war er eigentlich noch nie hier gewesen, aber vermutlich hatte er da auch nicht viel verpasst. „Darf ich dich mal was fragen?“, meinte Per und sah Jules wieder von der Seite her an. „Ja klar“, sagte Jules und sah ein wenig verwundert drein. „Du hast doch erzählt dass sich Andrea und er schon seit klein auf kannten oder?“ „Ja das habe ich erzählt.“ „Dann gehe ich doch mal davon aus, dass er bei euch in der Nähe gewohnt hat oder?“ „Ja hat er auch... Aber auf was willst du hinaus?“ „Nun ich frage mich gerade, wenn er bei euch in der Nähe gewohnt hat, warum er dann hier in Berlin beerdigt ist.“ „Ach das meinst du“, sagte Jules und hängte sich wieder bei Per ein. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen, was immerhin etwas war und die Nacht ein wenig erträglicher machte. „Seine Großeltern sind hier beerdigt und seine Eltern wollten, dass er bei ihnen ist.“ „Ach so“, murmelte Per und sah sich kurz um, da er nicht so genau wusste, ob sie jetzt in die richtige Richtung gingen oder in die genau entgegengesetzte Richtung. Ein wenig fragend sah er zu Jules. „Sind wir eigentlich richtig? Ich war hier noch nie.“ „Ja wir müssen eigentlich nur die Straße runter und dann stehen wir direkt davor“, meinte Jules und lehnte sich beim gehen leicht an Per. Es war schon komisch so mitten in der Nacht auf einen Friedhof zu gehen. Sie wusste nicht einmal ob er auf war oder ob sie nicht auf einmal vor verschlossener Türe standen. Aber das war nicht das einzige über was sich Jules gerade einen Kopf machte. Je näher sie dem Friedhof kamen, desto unsicherer war sie sich, ob Andrea auch wirklich dort war. Es konnte ja doch auch gut sein, dass sie gar nicht hier her gefahren war, sondern an die Stelle, an der der der Unfall passiert war. Möglich war es doch auch. „Sag mal Jules... Ist das dort hinten nicht ihr Auto?“, fragte Per plötzlich und deutete auf einen Wagen der vor der Friedhofsmauer geparkt war. „Ja... Ja das ist er“, meinte Jules und beschleunigte ihre Schritte. Sie war also tatsächlich hier her gefahren und wenn der Wagen noch dort stand, dann würde sie bestimmt auch noch hier sein. *Bitte lasse sie nichts falsches getan haben*, schoss es Jules durch den Kopf und eine Unruhe überkam sie. *Lieber Gott, ich bitte dich sonst nie um etwas, aber bitte lass ihr nichts zugestoßen sein* Vor dem Wagen blieb Jules stehen und spähte in das Innere, doch es war leer. Kurz legte sie die Hand auf die Motorhaube, doch diese war kalt. Vermutlich war sie schon eine ganze Weile hier. „Ich hatte tatsächlich recht“, meinte Jules und sah zu Per. „Sieht so aus“, kam es kopfnickend von ihm. „Du scheinst sie eben doch am besten von uns zu kennen.“ Jules sah zu Per und ging dann auf das große, schwere Eingangstor zu. Es war nicht geschlossen, also musste jemand es aufgemacht haben. Aber war es auch wirklich sie gewesen? „Soll ich mitkommen?“, fragte Per nach, denn er wusste jetzt nicht so recht ob er mitkommen sollte oder nicht. Vielleicht wäre es gut wenn er mitkam, es wusste ja keiner was sie dort drin erwarten würde. Aber andererseits war es auch nicht so gut wenn er mitkam und es war besser wenn Jules alleine ging. Für einen kurzen Moment dachte Jules nach, ehe sie den Kopf schüttelte. „Ich denke es ist besser wenn ich alleine gehe“, sprach Jules und steckte ihre Hände in ihre Jackentasche. „Ruf du lieber Max an und sag ihm dass wir sie gefunden haben.“ „Und was soll ich ihm sagen wenn er fragt wie es ihr geht?“ „Dann sag ihm.... Sag ihm es geht ihr gut.“ „Sicher?“ „Nein, aber das ist wohl das einzige was ihn beruhigen kann.“ „Da hast du wohl recht“, seufzte Per. „Schrei einfach wenn du mich brauchst Ok?“ „So laut ich kann“, sagte Jules und gab ihm einen sanften Kuss. Während Per sein Handy aus der Tasche kramte um Max anzurufen, machte sich Jules auf den Weg hinein in den Friedhof. Es war ein komisches Gefühl mitten in der Nacht über einen Friedhof zu gehen. Es hatte eine beklemmende Atmosphäre und war irgendwie beängstigend. Es war nicht so, dass Jules Angst hatte, dass auf einmal ein Zombie hinter einem der Grabsteine hervorspringen würde, aber sie hatte sich auf Friedhöfen noch nie wohl gefühlt. Hier lagen Tote und sie fühlte sich einfach viel zu lebendig für einen solchen Ort. Vorsichtig setzte sie einen Schritt vor den anderen. Immerhin war es dunkel und so genau konnte sie den Weg dann doch nicht erkennen. In der Dunkelheit hörte sie jemanden leise murmeln und ging einfach mal dem Geräusch hinterher. Sie wusste zwar nicht wer da murmelte, aber sie hoffte einfach mal, dass es Andrea war. Sollte es jemand anderes sein, dann würde sie wohl ein kleines Problem haben. „Andrea?“, fragte Jules vorsichtig in die Stille hinein, bevor sie leise fluchte. Warum nur waren Grabsteine so hart und Schienbeine so empfindlich? Ich zuckte zusammen als ich plötzlich jemanden meinen Namen sagen hörte. „Wer ist da?“, rief ich leise, denn es konnte doch niemand wissen dass ich hier war. Ich hatte niemanden etwas gesagt. Wer also stand da in der Dunkelheit und kannte meinen Namen? „Ich bin's... Jules“, sprach Jules leise und kam langsam näher, bis sie neben mir stehen blieb. „Was willst du hier?“, fragte ich nur kurz, während mein Blick weiterhin auf das Grab gerichtet war. „Ich habe dich gesucht“, sprach Jules leise und ging neben mir in die Hocke. „Gesucht? Mich?“ „Ja dich“, sagte Jules wieder leise und legte mir die Hand auf die Schulter. „Nachdem du einfach verschwunden bist und nicht wieder heimgekommen bist, da habe ich mir Sorgen um dich gemacht.“ „Du dir Sorgen gemacht“, lachte ich leise auf und schüttelte den Kopf. „Hast du nicht schon genug gelogen?“ „Es tut mir leid“, seufzte Jules und senkte ihren Blick. „Es tut mir leid... Es tut mir leid... Ich kann es nicht mehr hören“, sagte ich laut und hielt mir die Ohren zu. „Andrea hör mir doch bitte zu“, meinte Jules, nahm meine Hände und drückte sie mit sanfter Gewalt nach unten. „Ich weiß ich hätte es dir sagen müssen, aber ich konnte es nicht... Ich weiß dass es ein Fehler gewesen war dich zu belügen.“ „Fehler... Fehler... Es interessiert mich nicht ob es ein Fehler war oder nicht“, sagte ich und sah Jules an. „Es ist mir egal ob es dir leid tut oder nicht... Du hast mich belogen... Ich dachte von dir, dass du meine beste Freundin wärst, aber da habe ich mich wohl getäuscht... Die beste Freundin hätte einen nicht belogen.“ „Ja ich habe dich belogen das ist wahr, aber mir hat das auch nicht gefallen.“ „Ach ja? Warum hast du es dann nicht einfach gesagt? Warum hast du mir nicht einfach gesagt dass mein Freund sich mit einer anderen vergnügt hat?“ „Weil ich nicht wusste wie ich es dir hätte sagen sollen!“ „Klar du hast nicht gewusst wie du es mir sagen sollst, aber die Frechheit besitzen mich in Brautkleider zu stecken und das obwohl du genau gewusst hast was los ist. Heuchelst mir noch etwas vor von wegen es sei alles ganz harmlos und jetzt behauptest du, du hättest nicht gewusst wie du es mir sagen sollst? Mach dich nicht lächerlich Jules! Wenn du nicht gewusst hättest wie du es mir sagen sollst, dann hättest du es dir verkneifen sollen mir Hoffnungen zu machen!“ „Ich weiß selbst dass ich das nicht hätte tun sollen, aber ich wollte dir einfach zeigen wie es sein kann und ich bin immer noch davon überzeugt dass es so sein kann“, meinte Jules und sah mich an. „Er bereut seinen Fehler wirklich und das kannst du mir glauben. Er hat bei jedem angerufen von dem er weiß, dass du ihn kennst... Er wollte dich sogar in Berlin suchen... Zu Fuß! In diesem Moment sitzt er bei Per und wird erleichtert sein, dass es dir gut geht. Glaub mir.... Er würde alles tun wenn er damit seinen Fehler ungeschehen machen könnte!“ „Und da kann er von mir aus auch sitzen bleiben“, meinte ich und stand auf. „Aber vorher kann er noch seine Sachen holen... Ich möchte sie nicht mehr in der Wohnung haben.“ „Andrea tue doch nichts was du später bereust!“ „Keine Sorge Jules, ich weiß genau was ich tue.“ „Nein das weißt du nicht!“, meinte Jules und schüttelte den Kopf. „Du bist verletzt, du bist sauer, du bist enttäuscht... Da sagt man oftmals Dinge die man so nicht meint.“ „Jules ich hatte genug Zeit um darüber nachzudenken, also sage mir nicht was ich meine und was ich nicht meine!“ „Du sitzt seit keine Ahnung wie vielen Stunden hier am Grab, du bist klatschnass und du willst mir sagen dass du noch weißt was du sagst?“ „Ja das weiß ich genau!“ „Du bist doch nicht ganz klar im Kopf Andrea!“, meinte Jules und verdrehte die Augen. „Es ist doch nicht normal mitten in der Nacht und dann noch im Regen an einem Grab zu hocken, es ist nicht normal dem Mann den man liebt vor die Türe zu setzen. Gut er hat einen Fehler gemacht, aber das was du tust ist übertrieben! Gott verdammt er ist beinahe durchgedrehte als du nicht heimgekommen bist, er liebt dich und du liebst ihn doch genauso... Also gebe ihm doch eine Chance!“ „Eine Chance... Eine Chance... Wenn hier einer eine Chance verdient hätte, dann er!“ Mit der Hand deutete ich auf das Grab neben mir. Ja er hätte eine Chance verdient gehabt, aber er hatte sie nicht bekommen. „Jetzt hör endlich auf damit! Er ist tot kapier das endlich und er wird nicht wiederkommen... Du kannst nicht ändern was in der Vergangenheit war, aber du kannst deine Zukunft ändern... Denk doch an das was du in dem Laden gedacht hast... Das ist doch das was du willst!“ „Ich soll endlich kapieren dass er tot ist? Ich soll das endlich kapieren! Ich habe es schon lange kapiert Jules! Ich habe es schon in dieser Nacht kapiert!“ „Warum kannst du dann die Sache nicht endlich ruhen lassen?“ „Für dich ist das ja auch alles so einfach... Du warst nicht dabei Jules... Du bist nicht schuld daran... Du...“ „Und du bist es auch nicht! Oder bist du hinter dem Steuer des anderen Wagens gesessen?“ „Du weißt genau was ich meine Jules!“ „Ja ich weiß es, aber das macht die Sache nicht richtiger! Er ist gefahren weil er fahren wollte und nicht weil du ihn gezwungen hast! Was glaubst du würde er sagen? Was glaubst du würde er dir sagen wenn er wüsste dass du gerade dabei bist deine Zukunft in den Müll zu werfen?!“ „Sei ruhig! Sei einfach nur ruhig!“, meinte ich und hielt mir wieder die Ohren zu. Ich wollte nicht hören was sie zu mir sagte. Ich wollte es einfach nicht hören. „Nein ich bin nicht ruhig und du kannst dir von mir aus ewig die Ohren zu halten, aber das ändert nichts an der Tatsache dass du ihn liebst und du genau weißt, dass er derjenige ist, mit dem du deine Zukunft verbringen möchtest!“ „Die Zukunft von der du redest... Die gibt es nicht mehr... Sie ist in dem Moment Vergangenheit geworden wo er meinte mit irgendeinem dahergelaufenen Weib in die Kiste springen zu müssen!“ „Dann ist er es eben, aber es gibt trotzdem für ihn nur eine Person die ihm wichtig ist und das bist du!“ „Ich soll ihm wichtig sein? Ich? Wenn ich ihm wichtig gewesen wäre, dann wäre er keine andere gepoppt! Er hat doch nicht eine Sekunde lang auch nur einen Gedanken an mich verschwendet während er dieses Weib flachgelegt hat! Vermutlich hat es diesem Arschloch auch noch Spaß gemacht! Und ich war so doof gewesen und hatte geglaubt mich würde er nicht betrügen... Aber was soll man auch von jemanden erwarten der Mädels zum Frühstück vernascht! Ich war doch nur eine von ach so vielen dass er wohl nicht einmal mehr weiß mit wem er wann durch die Betten gehüpft ist!“ Jules hatte das alles nicht ohne Grund gesagt. Sie wusste dass ich langsam wütend wurde und genau das war ihr Ziel gewesen. Sie wollte dass ich laut wurde, sie wollte dass ich das schreien anfing, sie wollte dass ich alles raus ließ was ich vorher einfach nur geschluckt hatte. „Ja er ist ein Arschloch, aber dieses Arschloch liebt dich! Kapierst du nicht, dass er sofort alles stehen und liegen lassen würde für dich? Vermutlich würde er sogar die Band Band sein lassen wenn er dich damit glücklich machen könnte!“ „Ich will aber nicht dass er die Band verlässt... Ich will nicht dass er alles aufgibt... Das einzige was ich will ist, dass er mich mit dem Respekt behandelt den ich verdient habe!“ „Dann gib ihm die Chance es dir zu beweisen! Es wird ihm bestimmt kein zweites Mal passieren, da bin ich mir sicher!“ „Stimmt... Es wird ihm kein zweites Mal passieren, weil es kein zweites Mal geben wird“, meinte ich kühl und ließ Jules dann einfach stehen. Für sie mochte das alles so einfach sein. Chance geben... Was war wenn ich ihm eine Chance gab und er sie wieder nicht nutzte? Ich hatte einfach keine Lust noch einmal betrogen zu werden. Ja ich liebte ihn und aus genau diesem Grund konnte ich ihm diese Chance nicht geben, so sehr sie ich ihm auch geben wollte. Es hatte zu sehr weh getan diese Worte von ihm zu hören und ich hatte Angst, sie noch einmal hören zu müssen. Aber ich wollte sie nicht noch einmal hören, also musste ich es beenden, bevor sich die Möglichkeit noch einmal bot. Es noch einmal passierte. Ich bezweifelte, dass ich es ein zweites Mal aushalten würde können. „Jetzt bleib doch stehen“, rief Jules und ging mir nach. Es war gar nicht so einfach jemanden zu folgen, wenn man sich auf einem Friedhof befand und man jederzeit über etwas stolpern konnte. Aber sollte sie doch rufen, ich würde garantiert nicht stehen bleiben. Doch am Tor hatte sie mich dann doch eingeholt und hielt mich am Arm fest. „Wenn du ihm keine zweite Chance geben willst, dann solltest du ihm das sagen Andrea“, meinte Jules nun mit kühler Stimme. „Stelle dich vor ihn hin und sage ihm ins Gesicht, dass du ihm keine zweite Chance gibst! Dass es für dich beendet ist. Du verlangst von ihm Respekt, also dann verhalte du dich so, wie du es von anderen erwartest!“ Ich sah Jules an und konnte nicht glauben was sie da von mir verlangte. Sie wusste doch genau dass ich das nicht konnte. Sie wusste doch genau dass ich ihm nicht in die Augen schauen konnte während ich ihm diese Worte sagte. Nein Jules hatte keine Ahnung was sie da wirklich von mir verlangte. „Das... Das... Du weißt genau dass ich das nicht kann“, sagte ich leise und schüttelte den Kopf. „Ach nein? Dann solltest du dich schon einmal mit dem Gedanken anfreunden“, meinte Jules und warf einen Blick zu Per, der ein wenig näher gekommen war. „Ich könnte wetten er ist in den nächsten paar Minuten hier und dann kannst du dich vor ihn stellen und ihm sagen dass er seine Sachen packen soll und sich verpissen kann. Dass du nichts mehr mit ihm zu tun haben willst und er für dich gestorben ist. Also du weißt was du zu tun hast.“ Ich sah Jules einfach nur an und schüttelte meinen Kopf. Sie konnten Max nicht angerufen haben und zu ihm gesagt haben, dass er kommen sollte. Sie konnte doch wirklich nicht von mir verlangen, dass ich ihm sagen sollte, dass er verschwinden sollte. Jules wusste doch genau dass ich das nicht wollte. „Das kann ich nicht und das werde ich nicht“, meinte ich zu Jules und riss mich von ihr los. Ich schüttelte heftig mit dem Kopf und ging einfach so schnell ich konnte. Nein ich würde nicht mehr da sein wenn er kam. Wenn er hier auftauchte, dann würde ich weit weit weg sein. Sollte es doch einer der anderen ihm sagen. Sie hatten ihn ja auch angerufen, also sollten sie sich doch darum kümmern. Mein Blick war auf den Boden gerichtet, damit ich nicht stolperte. „Andrea!“, hörte ich Jules schreien und ich drehte meinen Kopf zu ihr um ihr etwas zu sagen. Dann sah ich sie. 2 weiße Augen in der dunklen Nacht. Sie sahen mich an, kamen näher. Fixierten mich und ließen mich mitten in der Bewegung innehalten. Wie gelähmt sah ich weiter in diese 2 weißen Augen. Damals, damals hatten sie mich auch so angesehen. Gleich würde ein lautes Klirren die Nacht zerreißen und tausende von Glasscherben würden auf mich nieder regnen. Gleich würde ein Ruck durch mich hindurch gehen und das Kreischen von sich verbiegendem Metall würde in meinen Ohren schmerzen. Ich hörte das Quietschen von Reifen und schloss meine Augen. Etwas riss an meiner Schulter und dann – Stille.... Kapitel 29: Blackout -------------------- Ein brennen durchzog meine Wange und ich blinzelte leicht mit den Augen. Mit der Hand fuhr ich mir vorsichtig über das Gesicht, aber da waren keine Glassplitter. Ich saß auch nicht, aber was war dann bitte gerade passiert? Ruckartig richtete ich mich auf und ich spürte sogleich die Übelkeit in mir aufsteigen. Langsam atmete ich ein paar Mal ein und wieder aus, bis das das Gefühl mich übergeben zu müssen, besser wurde. „Sag mal bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“, schrie mich jemand an und sofort war das Gefühl wieder schlimmer geworden. Mir brummte der Kopf so als würde ich einen kompletten Bienenstock darin aufbewahren. Ich fuhr mir mit den Händen über den Kopf und spürte etwas Warmes. „Oh Scheiße“, murmelte ich und blinzelte wieder mit den Augen. Noch immer war alles was ich sah reichlich unscharf, aber eins wusste ich zumindest schon einmal. Ich saß nicht in einem Wagen. Dafür war es einfach viel zu hart. „Ja genau oh Scheiße“, hörte ich wieder jemand schreien und ich drehte meinen Kopf in die Richtung aus der die Stimme kam. „Jules? Was machst du hier?“ „Was ich hier mache? Du fragst mich ernsthaft was ich hier mache?!“ „Ja das tue ich, aber das ist doch noch lange kein Grund zu schreien“, sagte ich und hielt mir die Ohren zu. Das war ja kaum auszuhalten. „Ich habe dafür gesorgt dass du nicht vor ein Auto rennst... Wie wäre es mal mit einem Danke?“ „Ähm Stop!“, meinte ich und sah Jules mit einem fragenden Blick an. „Von was redest du da eigentlich?“ Ich hatte absolut keine Ahnung von was Jules da eigentlich gerade redete. Es war hier weit und breit kein Auto vor das man laufen konnte und wie hätte ich vor ein Auto laufen sollen, wenn ich hier auf dem Boden saß? Auf einem Boden der übrigens äußerst kalt und nass war. Jules sah mich wohl genauso fragend an wie ich sie ansah, bevor sie den Kopf schüttelte. „Du weißt aber schon noch wo du bist oder?“, fragte sie nach und musterte mich vorsichtig. „Ja ich sitze hier auf dem Boden, vor dem Friedhof auf dem Matze begraben liegt“, sagte ich und fragte mich, ob mit ihr noch alles in Ordnung war. Zumindest verhielt sie sich im Moment nicht gerade danach. „Und du wunderst dich nicht, warum du mitten in der Nacht dort bist?“ „Nein darüber wunder ich mich nicht“, meinte ich und wollte den Kopf schütteln, aber bereits nach den ersten Sekunden entschied ich, dass das keine gute Idee war. „Ich weiß wie ich auf den Friedhof gekommen bin, ich weiß warum ich dort hin gegangen bin und ich weiß dass du auf einmal aufgetaucht bist und ich keine Lust gehabt hatte dir länger zu zuhören und deswegen gegangen bin. Was ich aber nicht verstehe ist, was du da von einem Auto schwaffelst!“ Jules zog beide Augenbrauen nach oben und sah kurz zu Per der plötzlich neben ihr aufgetaucht, bevor sie mich wieder ansah. „Du kannst dich wirklich an nichts erinnern was passiert ist, nachdem du den Friedhof verlassen hast?“ „Meinst du ich würde so doof fragen wenn ich es wüsste?“, meinte ich und stand vorsichtig auf. Es war nämlich verdammt kalt am Hintern geworden und ich hatte keine Lust die nächsten Tage mit einer Erkältung im Bett zu verbringen. „Also würdest du mich dann mal bitte aufklären?“ Ein wenig unsicher stand ich auf meinen eigenen Füßen und sah Jules erwartungsvoll an. Entweder litt sie an übertriebener Vorstellung oder es war wirklich etwas passiert an das ich mich nicht mehr erinnern konnte, auch wenn ich nicht mir das nicht so ganz vorstellen konnte. Allerdings gab es da ein paar Dinge, die ich mir nicht erklären konnte, also konnte es doch sein. „Du wolltest verschwunden sein bevor Max hier auftaucht und hast nicht geschaut wohin du läufst“, meinte Jules und verschränkte ihre Arme. „Ich hab deinen Namen geschrien als das Auto kam, aber anstatt weg zu gehen bist du dagestanden und hast vollkommen fasziniert auf das nahende Auto gestarrt. Hätte ich dich nicht an der Schulter zurück gerissen, dann hättest du wohl Bekanntschaft mit einer Motorhaube gemacht.“ Ich sah Jules in diesem Moment an, als hätte sie mir erzählt, dass ich einen 6er im Lotto hatte. Konnte das wirklich so passiert sein wie sie es gerade erzählte? Wäre ich beinahe wirklich vor ein Auto gelaufen? Ich war doch nicht so blöde und blieb stehen wenn ein Auto kam oder doch? Ich wusste es wirklich nicht. Es konnte absoluter Humbug sein was sie mir da gerade versuchte weis zu machen, aber es konnte auch durchaus wahr sein. Zumindest wäre es eine Erklärung dafür, dass ich auf dem Boden gelegen war und mir der Kopf brummte. Kurz warf ich einen fragenden Blick zu Per, der jedoch nur schweigend mit dem Kopf nickte. Aber da gab es etwas in ihrer Geschichte, was mir gar nicht gefallen hatte und ich sah an Per vorbei in die Dunkelheit. „Dann sollte ich mich wohl bei dir bedanken oder?“, meinte ich, aber es klang alles andere als freundlich. Für einen kurzen Moment hatte ich mich doch ernsthaft gefragt, warum sie es getan hatte. Nicht welche Gründe sie gehabt hatte so zu handeln, sondern warum sie mich nicht einfach hatte lassen. Ich sah momentan so oder so keine Zukunft mehr und das wäre doch der perfekte Moment gewesen um einen Schlussstrich zu ziehen. Aber ich wusste genau dass es ein schwachsinniger Gedanke gewesen war und es nur ein feiges Davonlaufen gewesen wäre. Etwas das nicht mein Fall war. Ich rannte vor nichts davon, außer vielleicht vor Max. Sie hatte wollen dass ich es ihm ins Gesicht sagte und das, wo sie doch genau wusste, dass ich es nicht konnte. Ich würde es nicht sagen können und genau deswegen wollte ich auch nicht, dass wir aufeinander trafen. Warum konnte sie das einfach nicht akzeptieren? „Aber jetzt würde ich dann gerne fahren“, meinte ich und kramte in meiner Hosentasche nach dem Schlüssel. „Fahren? Sag mal bist du irre?“, fragte Jules und stellte sich mir in den Weg. „Du fährst jetzt überhaupt nirgendwo hin.“ „Ja soll ich etwa hier übernachten oder was?“ „Nein du wirst mit uns zusammen zurückfahren.“ „Danke für das Angebot aber ich verzichte“, sagte ich und kramte in der anderen Hosentasche nach dem Schlüssel. Aber da war er auch nicht. „Und ich werde dich nicht in dein Auto einsteigen lassen“, kam es wieder von Jules. „Du kannst dich nicht mehr erinnern was in den letzten paar Minuten passiert ist, lagst bewusstlos auf dem Boden und willst jetzt so mir nichts dir nichts mit dem Auto fahren?“ „Ähm ja das hatte ich eigentlich vor“, sagte ich und suchte in meiner Jackentasche nach dem Schlüssel. Irgendwo musste er ja sein. Ich war mir absolut sicher, dass ich ihn vorher in die Tasche gesteckt hatte, also musste er auch in einer davon sein. So viele gab es ja nicht zur Auswahl. „Vergiss es Andrea...“, meinte Jules und schüttelte den Kopf. „Ach Jules, jetzt hör doch endlich auf diese Besorgnis zu heucheln“, sagte ich zu ihr und sah sie an. „Es hat dich nicht interessiert wie es mir ging als du mir rotzfrech ins Gesicht gelogen hast, also hat es dich jetzt auch nicht zu interessieren.“ „Glaub mir oder glaub es mir nicht“, meinte Jules und ihre Augen funkelten wütend. „Ich habe ein schlechtes Gewissen an dem Tag gehabt und mir tut es leid dass ich dich belogen habe. Das entspricht genauso der Wahrheit wie dass ich mir Sorgen um dich mache. Du bist meine beste Freundin und ich habe nicht vor einfach zu zuschauen wie du dich unglücklich machst.“ „Meinst du nicht das ist meine Entscheidung? Es ist mein gottverdammtes Leben! Und wenn ich mir von niemanden rein reden lassen will, dann lasse ich mir von niemanden rein reden!“ „Es ist aber nicht nur dein gottverdammtes Leben! Was ist mit seinem? Hast du auch nur einmal einen Gedanken daran verschwendet? Du bist nicht mehr alleine falls du es nicht schon vergessen hast, sondern du teilst dein Leben mit einer anderen Person. Wenn du etwas entscheidest, dann entscheidest du über sein Leben gleich mit! Und du kannst mir erzählen was du willst, du kannst von mir aus tausend Mal sagen dass er sich zum Teufel scheren soll, ich glaub dir kein einziges Wort! Du willst und kannst dir ein Leben ohne ihn doch gar nicht mehr vorstellen!“ „Lalalalala“, meinte ich nur und hielt mir die Ohren zu. Ich hatte einfach genug davon. Wer glaubte sie eigentlich zu sein, dass sie der Meinung war, mir vorschreiben zu können was ich zu denken und zu tun hatte? Es war mein Leben. Gut ich teilte es zwar mit ihm, aber hatte er daran gedacht dass er über mein Leben mit entschied als er mit dieser Bitch ins Bett gehüpft war? Nein hatte er doch auch nicht. Warum also musste immer ich an alle Andere denken? Warum sollte ich immer zurückstecken? „Du stehst doch total neben dir“, kam es von Jules welche mit den Augen rollte. „Du bist doch nicht mehr im Vollbesitz deiner Sinne. Damals warst du es nicht gewesen und heute bist du es auch nicht.“ „Wage es nicht von damals zu reden Jules“, meinte ich leise und warf ihr einen warnenden Blick zu. „Du hast doch keine Ahnung.“ „Ach habe ich nicht? Hast du etwa vergessen dass ich damals dort gewesen bin? Schon vergessen dass ich mich um dich gekümmert habe? Schon einmal daran gedacht dass ich genauso geschockt gewesen war? Ich hab dich im Wagen gesehen und hab gedacht du wärst tot! Also hör auf zu behaupten ich hätte keine Ahnung!“ „Warst du dabei? Bist du im Wagen gesessen oder ich?“ „Nein ich bin nicht im Wagen gesessen, aber in den Tagen und Wochen drauf, hast du so oft davon erzählt, dass ich noch heute das Gefühl habe im Wagen gesessen zu sein! Ich habe dir zugehört und ich war für dich da gewesen... Damals genauso wie heute. Meinst du etwa ich wäre durch halb Berlin gefahren, mitten in der Nacht um dich zu suchen, wenn ich mir nicht Sorgen um dich gemacht hätte?“ „Du hast mich gefunden, mir geht’s gut und jetzt fahre ich nach Hause“, sagte ich zu ihr und hielt den Schlüssel in der Hand, den ich endlich gefunden hatte. Ohne noch ein Wort zu sagen ging ich auf meinen Wagen zu und steckte den Schlüssel ins Türschloss. „Nein du wirst nirgendwo hinfahren!“, rief Jules und ich spürte ihren Blick in meinem Rücken. „Ach ja und wer bitte will mich daran hindern?“, fragte ich, drehte den Schlüssel herum und zog ihn wieder aus dem Schloss. Wenn sie mich hätte daran hindern wollen, dann hätte sie schon längst versucht mir den Schlüssel aus der Hand zu nehmen. „Ich zum Beispiel“, hörte ich eine mir sehr bekannte Stimme in meinem Rücken und fuhr herum. „Wa... Was machst du denn hier?“, fragte ich nach und ließ vor lauter Schreck den Schlüssel fallen. Ich hatte keine Ahnung woher er auf einmal aufgetaucht war. Es hätte mir doch auffallen müssen, ich hätte ihn doch hören müssen oder zumindest sehen müssen. Aber er war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Kapitel 30: Ungewisse Zukunft ----------------------------- „Das könnte ich dich genauso gut fragen“, meinte Benedikt zu mir und verschränkte seine Arme. „Also ich höre?“ Nein er schien nicht besonders gut gelaunt zu sein. Das sah man ihm nicht nur an, sondern man hörte es ihm auch an. Ich warf kurz einen Blick zu Jules und zu Per und mir war sofort klar wer ihn wohl angerufen haben musste. Langsam drehte ich meinen Kopf wieder zu Benedikt. „Ich war am Grab meines besten Freundes und wollte jetzt gerade wieder nach Hause fahren“, sagte ich bemüht ruhig und sah ihn an, wobei ich eher durch ihn hindurch sah, als ihn direkt anzuschauen. „Es ist also für dich etwas vollkommen normales mitten in der Nacht über Friedhöfe zu schleichen, stundenlang im Regen unterwegs zu sein und dann so als sei nichts geschehen wieder nach Hause zu fahren?“ „Ja das ist es.“ „Nein verdammt das ist es nicht!“, kam es laut von Benedikt der mit der flachen Hand auf das Autodach schlug. Es hatte so einen lauten Knall gelassen, dass ich vor lauter Schreck zusammen zuckte. Hätte ich noch etwas in der Hand gehalten, wäre das jetzt wohl auch auf den Boden geflogen. So aufgebracht hatte ich ihn noch nie erlebt und um ehrlich zu sein, machte mir das gerade ein klein wenig Angst. „Aber ich...“, fing ich an, doch bei dem Blick den er mir in diesem Moment zuwarf, blieb mir der restliche Satz wortwörtlich im Hals stecken. „Ich will jetzt endlich wissen was hier los ist“, sagte er wieder laut und seine Augen funkelten wütend. „Ich will wissen warum mich Max heute schon keine Ahnung wie oft angerufen hat und nachgefragt hat, ob ich wüsste wo du steckst. Ich will wissen warum du mitten in der Nacht hier bist und ich möchte wissen warum mich Per anruft und meint ich müsste dringend kommen. Ich will es jetzt hören und ich will die Wahrheit wissen. Haben wir uns da verstanden?“ „Aber ich...“, fing ich wieder leise an und hatte mittlerweile meinen Blick zu Boden gesenkt. „Haben... wir... uns... da... verstanden?!“, wiederholte Benedikt seine letzten Worte noch einmal laut und betonte jedes einzelne Wort mehr als nur deutlich. „Ich bin ja nicht taub“, meinte ich nur und verzog das Gesicht. Ich war zwar gerade beinahe vor ein Auto gelaufen, aber schwerhörig war ich deswegen noch lange nicht. „Jetzt hörst du mir mal gut zu“, meinte er wütend und packte mich mit den Händen an den Schultern. „Es ist 3 Uhr in der Früh, ich habe einen langen Tag vor mir, noch kein Auge zugetan und habe ehrlich gesagt absolut keine Lust mir hier jetzt irgendwelche Ausflüchte von dir anzuhören. Ich will jetzt sofort wissen was hier los ist!“ Ich verzog wieder leicht das Gesicht, doch dieses Mal nicht weil er laut war, sondern weil sein Griff mehr als nur unangenehm war. „Dann frag doch die wenn du es unbedingt wissen willst“, antwortete ich ihm trotzig, obgleich ich wusste dass es ihn wohl nur noch ärgerlicher machen würde. „Ich habe dich nicht gebeten hier her zu kommen. Ich komme auch alleine klar!“ „Du kommst alleine klar?“, kam es mit zweifelndem Unterton von Benedikt der mich für einen kurzen Moment musterte. „Sicherlich tust du das nicht, sonst würdest du nicht aussehen wie quer durch die Pfütze gezogen und noch weniger passt es zu all dem anderen was ich so gehört habe.“ „Ja und? Es ist immer noch mein Leben!“, meinte ich, doch in diesem Moment schlug er wieder mit der flachen Hand auf das Autodach, doch dieses Mal auf die Stelle, die direkt neben meinem Kopf lag. Mit großen Augen sah ich ihn an. Zum ersten Male wusste ich wirklich nicht was in ihm vorging. Ich konnte ihn absolut nicht einschätzen und das ließ sämtliche Schutzmauern auf einmal in sich zusammenstürzen. „Ich will Antworten... SOFORT!“ „Es tut mir leid“, murmelte ich und zog meinen Kopf zwischen die Schultern. Ja es hörte sich vielleicht komisch an, aber ich hatte Angst. Angst davor dass seine Hand das nächste Mal nicht auf das Autodach schlagen würde. Ich traute ihm so etwas nicht zu, aber ein Mensch der so wütend war, der war wohl zu Dingen fähig, die er sonst nicht tun würde. „Hörst du mir eigentlich verdammt nochmal zu!? Ich will keine Entschuldigungen sondern Erklärungen!“ Ich spürte wie mir die Tränen in die Augen stiegen und in der Hoffnung es irgendwie verhindern zu können, blinzelte ich, aber es war vergebens. Müde ließ ich mich mit dem Rücken gegen das Auto fallen und wischte mir mit dem Handrücken über die Augen. „Sie haben es alle gewusst“, sagte ich leise und meine Stimme hatte das Zittern angefangen. „Sie haben es gewusst und mir nichts gesagt... Sie alle haben mich belogen.“ Wieder wischte ich mir mit dem Handrücken über die Augen, aber das machte die Sache nicht viel besser. Also beließ ich es dabei und verschränkte stattdessen meine Arme. „Was haben alle gewusst?“, fragte Benedikt nach und sah mich mit direktem Blick an. „Max... Er... Er hat...“, stammelte ich, aber ich brachte es einfach nicht über meine Lippen. Alleine der Gedanke daran gab mir das Gefühl jemand würde mir das Herz aus der Brust reißen. Wie sollte ich es da noch aussprechen können? Ich wandte mein Gesicht zur Seite, denn ich konnte den Blick von Benedikt einfach nicht länger ertragen. Dieser jedoch lenkte seinen Blick zu Jules und Per. So langsam schien er zu verstehen was hier los war, auch wenn er nicht alles wusste. Aber er ahnte den Grund den alles hier hatte und der gefiel ihm überhaupt nicht. Ja das würde mehr als nur einen Sinn ergeben. Er nahm seine Hände von meinen Schultern und fuhr sich damit über das Gesicht, ehe mich einfach in seine Arme nahm. „Gott was hat der dumme Junge nur angerichtet“, seufzte er leise und schüttelte leicht seinen Kopf. Ich wusste nicht was in diesem Moment mit mir geschah, aber ich legte meine Arme um ihn und drückte mich an ihn. Tränen liefen mir über die Wangen und mein Körper zitterte. „Er hat mich betrogen und sie alle haben es gewusst“, sprudelte es aus mir heraus, während ich mich einfach an ihm festhielt. „Sie haben mich alle belogen und gesagt es sei nichts schlimmes... Er hat mich betrogen und ich war so naiv zu glauben mir könnte so etwas nicht passieren... Ich war so dumm und habe geglaubt er würde mich lieben aber das tut er nicht... Wenn er es tun würde, dann hätte er mich nicht betrogen... Warum bin ich nicht mit nach Hamburg gefahren... Wieso? Wenn ich da gewesen wäre, dann hätte er es nicht getan... Dann wäre das alles nicht passiert... Ich habe alles... alles falsch gemacht... Ich habe ihn im Stich gelassen... Ich war nicht da als er mich brauchte... Ich bin schuld.... Ich konnte ihm nicht das geben was er brauchte... Ich hab mir alles kaputt gemacht... Alles...“ „Schhhh“, murmelte Benedikt leise und fuhr mir mit der Hand sachte über den Kopf. Hatte er also mit seiner Ahnung recht behalten, aber er wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als dass er falsch gelegen hätte. Er hätte es sich doch denken können als er das erste Mal mit Max geredet hatte, er hätte es doch schon ahnen müssen, als sie am Dienstag im Büro aufgetaucht war, aber er hätte niemals gedacht dass Max wirklich ein solcher Fehltritt unterlaufen könnte. Sicherlich war Max kein Kind von Traurigkeit gewesen, aber er hatte wirklich gedacht, dass es dieses Mal anders sein würde, aber da hatte er sich wohl auch ein wenig getäuscht. Er wüsste in diesem Moment zu gerne was Max dazu bewegt hatte mit einer Anderen ins Bett zu gehen, während seine eigene Freundin daheim auf ihn wartete. Aber jetzt war nicht der Augenblick um so etwas in Erfahrung zu bringen. Dafür war später auch noch genügend Zeit. Ja er würde wohl mal ein ernstes Wörtchen mit Max reden müssen, auch wenn ihm das vermutlich gar nicht passte. Aber es wurde endlich mal Zeit, dass der Junge erwachsen wurde und lernte, dass das Leben kein Spiel war das man jederzeit von vorne beginnen konnte. Dass alles was man tat seine Folgen hatte und nicht alles mit einer simplen Erklärung wieder gut gemacht werden konnte. Nein dieses Mal hatte er wirklich einen riesen Fehler gemacht. „Ich weiß doch nicht mehr was ich tun soll“, fing ich wieder an zum sprechen. „Ich kann ihn nicht mehr sehen und trotzdem... Trotzdem vermisse ich ihn... Seine Stimme tut mir in den Ohren weh und dennoch höre ich sie in meinem Kopf... Wenn er mich berührt tauchen Bilder in meinem Kopf auf die ich nicht sehen will und dennoch... dennoch wünschte ich, ich könnte ihn spüren.... Ich stehe zwischen 2 Stühlen und weiß nicht auf welchen ich mich setzen soll... Der eine jagt mir Angst ein und ich will ihn auch nicht... Der Andere...Er ist mir so vertraut und trotzdem so fremd... Ich will doch einfach nur meine Zukunft zurück...“ Ich trat einen kleinen Schritt zurück und sah Benedikt aus verquollenen Augen an. „Eine Zukunft von der ich genau weiß, dass es nicht mehr die gleiche sein wird die sie einmal war.“ Benedikt legte mir seine Hände auf die Schultern und sah mich mit einem ruhigen Blick an. Er wusste wohl genau was ich damit meinte und er schien verstehen zu können was in mir vorging. Er hatte mir nicht erzählt wie schlecht es Max doch ginge und wie leid ihm alles tun würde. Er hatte nicht gesagt dass alles wieder gut werden würde obwohl er genau wusste dass es so einfach nicht war. Nein er hatte einfach nur zugehört und war für mich da gewesen. „Nein du hast recht, es wird nicht mehr die gleiche sein“, sagte er leise und ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen. „Sie wird anders sein, aber dennoch gibt es sie noch. Du bräuchtest nur die Hand ausstrecken und zugreifen und du würdest sie wieder in deinen Händen halten. Es liegt alleine an dir ob es sie weiterhin geben wird oder ob die Zukunft zur Vergangenheit wird.“ Mit einem etwas fragenden Blick sah ich Benedikt an. Ich verstand nicht so recht was er mir damit jetzt sagen wollte. Er hatte wieder einmal in seinen ganz eigenen Rätseln gesprochen und es würde wohl ein Weilchen dauern bis mir klar wurde was er damit hatte ausdrücken wollen. Es hatte Tage gedauert bis ich verstanden hatte was er mir damals auf dem Dach des Busses hatte sagen wollen und jetzt würde es wohl nicht anders sein. „Aber weder ist jetzt der richtige Zeitpunkt noch der passende Ort an dem du dir Gedanken machen solltest“, sprach er ruhig und sah dann zu Jules und Per die zwar langsam näher gekommen waren, aber sich nicht getraut hatten etwas zu sagen und schon gar nicht am Anfang. Für einen gewissen Moment lang hatte sich Per sogar gefragt gehabt, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war Benedikt anzurufen, aber er hatte einfach das Gefühl gehabt, dass er und Jules es nicht hinbekommen würden. Jetzt war er erleichtert und froh darüber, dass er doch getan hatte. „Was ist jetzt?“, fragte Jules leise und sah unsicher zwischen Benedikt und mir hin und her. Sie kannte Benedikt kaum und wusste daher auch nicht so wirklich wie sie mit ihm umgehen sollte. „Ihr werdet jetzt heim gehen und Max sagen, dass er vorerst wieder bei seiner Mutter wohnen wird“, meinte Benedikt zu Jules. „Und wie sollen wir ihm das klar machen?“, fragte Per der sich nervös mit der Hand durch die Haare fuhr. Alleine der Gedanke das Max sagen zu müssen ließ es ihm schon schlecht werden. „Das ist nicht mein Problem“, kam es von Benedikt der Per mit einem leichten Schulterzucken ansah. „Du bist mit ihm in Hamburg gewesen und du hättest ein Auge auf ihn haben können, also ist es auch dein Problem dir zu überlegen wie du ihm das beibringst.“ „Das ist jetzt nicht dein ernst oder?“, kam es fragend von Per der nicht so ganz glauben konnte was er da gerade gehört hatte. „Doch es ist mein ernst und falls du auf die Idee kommen solltest mit mir jetzt darüber diskutieren zu wollen, dann vergesse die Idee gleich wieder. Ich werde mit dir nicht darüber diskutieren.“ „Ja aber...“, fing Per an, doch da fiel ihm Jules ins Wort. „Was ist jetzt mir ihr?“, fragte Jules stattdessen und warf mir einen Blick zu. Sie hatte wirklich ein schlechtes Gewissen weil sie mich belogen hatte und auch wegen der falschen Hoffnung auf eine gewisse Zukunft die sie mich hat machen lassen. „Ich werde sie jetzt erst einmal mit zu mir nehmen bevor sie noch weitere dumme Einfälle hat“, sagte Benedikt zu Jules und zog seine Jacke aus um sie mir um die Schultern zu legen. „Außerdem möchte ich sie jetzt nur ungern alleine lassen und auf dich ist sie ja verständlicherweise alles andere als gut zu sprechen, also kann ich sie bei dir nicht lassen.“ Eine gewisse Röte überzog Jules Wangen und sie senkte den Blick. Er hatte ja recht mit dem was er sagte und auch wenn es nicht gerade angenehm war sein Verhalten unter die Nase gerieben zu bekommen, so war sie froh, dass er jetzt hier war. „Jetzt mach aber mal 'nen Punkt“, kam es von Per, dem es wiederum gar nicht passte wie Benedikt mit Jules umsprang. Sie hatten alle Fehler gemacht, aber das war doch noch lange kein Grund so mit jemanden zu reden. „Ist schon Ok“, meinte Jules zu Per, legte ihm die Hand auf den Arm und schüttelte dabei Kopf. Dann richtete sie ihren Blick wieder zu Benedikt. „Pass bitte gut auf sie auf.“ „Werde ich“, meinte Benedikt ruhig und kramte in seiner Hosentasche nach seinem Autoschlüssel. Ich hatte von der Unterhaltung nicht gerade viel mitbekommen, denn es lief einfach alles wie ein Film an mir vorbei. Ein Film den man sah, aber doch nicht sah. Nein es waren andere Bilder die mich gefangen hielten und die sich immer und immer wieder wiederholten. Ich hörte immer und immer wieder die Worte die er mir gesagt hatte und die alles zum einstürzen gebracht hatten. Ich merkte nicht einmal wie mich Benedikt auf seine Arme hob und zu seinem Auto trug. Mein Kopf legte sich beinahe wie aus Gewohnheit auf seine Schulter. Im Moment wollte ich einfach nur schlafen. Schlafen und von einer wunderschönen und friedlichen Zukunft träumen. Ein Traum aus dem ich nie wieder aufwachen wollte. Kapitel 31: Here without you ---------------------------- Max hörte wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte, sprang vom Bett auf und eilte an die Wohnungstüre. „Wo ist sie? Wie geht’s ihr?“, fragte er sofort, noch bevor Per auch nur einen Fuß in die Wohnung gesetzt hatte. Per warf Max einen kurzen Blick zu, wartete bis Jules ebenfalls die Wohnung betreten hatte und schloss dann wieder die Türe. Ohne großartig auf Max zu reagieren, ging er auf sein Zimmer zu und ließ sich dort auf das Bett fallen. Er hatte noch immer nicht so ganz verarbeitet was er gerade erlebt hatte und noch weniger wusste er, wie er es jetzt Max klar machen sollte. Die ganze Rückfahrt über hatte er überlegt was er sagen konnte oder sagen sollte, aber nichts davon war passend gewesen. „Jetzt sag schon“, kam es von Max der in der Türe stand und zu Per sah. Warum sagte er nichts und warum war sie nicht mit ihnen gekommen? „Wie es ihr geht? Es geht ihr beschissen!“, sagte Per und rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Er hatte nicht wirklich viel Lust es seinem Freund auf die schonende Art und Weise beizubringen. Im Endeffekt wollte er es eigentlich nur hinter sich bringen, weil er genau wusste wo das alles enden würde. „Ja aber wo ist sie? Du hast doch gesagt ihr habt sie gefunden und jetzt lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen“, meinte Max wieder und man hörte ihm an, dass ihm die ganze Geschichte doch ziemlich an den Nerven zerrte. „Du willst wissen wo sie ist?“, sagte Per und sah Max für einen Augenblick fragend an. „Sie ist in guten Händen und das sollte dir reichen.“ „Nein das reicht mir aber nicht“, sagte Max und schüttelte den Kopf. Mit dieser Antwort konnte er nämlich absolut nichts anfangen. Das traf auf so vieles zu und er wollte doch einfach nur eine definitive Antwort von Per haben. Etwas mit dem er arbeiten konnte, mit dem er etwas anfangen konnte und nicht irgendwelche Andeutungen. „Sie ist bei Benedikt“, seufzte Per, so als würde er schon ahnen was diese Aussage jetzt bewirken würde. „Sie ist wie bitte wo?“, kam es von Max, der Per einem zweifelnden Blick ansah. Er musste sich doch gerade eben verhört haben. Es ging gar nicht anders. Es musste einfach so sein. „Sie ist bei Benedikt“, wiederholte Per seine Worte noch einmal und zog seine Jacke aus, die er einfach achtlos über einen Stuhl warf. „Wie... Was... Was hat er denn bitte damit zum tun?“ „Er ist gekommen weil ich ihn angerufen habe“, sagte Per und fuhr sich wieder mit den Händen über das Gesicht. „Du hast ihn angerufen? Bist du denn wahnsinnig?“, fragte Max und rollte mit den Augen. Das konnte doch echt nicht wahr sein. „Du kannst ihn doch nicht einfach anrufen und... Du weißt doch ganz genau dass es für ihn jetzt die perfekte Situation ist und glaub mir er weiß sie bestimmt zu nutzen. Scheiße.... Ich glaub's nicht!“ „Sag mal drehst du jetzt ganz durch?“ „Durchdrehen? Hallo er ist hinter meiner Freundin her und jetzt ist sie bei ihm und ich schwöre dir er weiß die Situation zu nutzen“, meinte Max und in seinen Augen lag ein wütendes Funkeln. „Jetzt komm mal wieder runter!“, meinte Per etwas lauter und sah Max an. „Hast du eigentlich noch immer nicht kapiert was deine verdammte und unbegründete Eifersucht angerichtet hat? Er hat absolut kein Interesse an ihr und noch weniger sie an ihm! Es gibt nur eine einzige Person in ihrem Leben die ihr wirklich wichtig ist und die steht hier gerade in meinem Zimmer und rafft nicht was sie angestellt hat!“ „Kein Interesse... Darf ich lachen?! Darauf haben die beiden doch nur gewartet!“ „Halt die Klappe Max“, meinte Per und in seiner Stimme lag etwas warnendes. „Du hast nicht gesehen wie dreckig es ihr geht... Du hast nicht zuschauen müssen wie das Leben komplett an ihr vorbei gegangen ist... Du hast nicht erlebt wie sie beinahe vor ein Auto gelaufen ist weil sie Angst hatte du könntest jeden Moment um die Ecke kommen... Scheiße! Sie hat nicht einmal mehr auf Jules reagiert! Als sie da bewusstlos auf dem Boden lag da habe ich ihn angerufen weil ich gemerkt habe das wir alleine nicht mehr klar kommen. Was hätte ich denn anderes machen sollen? Vielleicht dich anrufen damit die ganze Sache noch schlimmer wird? Verdammt nochmal Max du hast ihr alles genommen und das einzige was dir gerade einfällt ist deine gottverdammte Eifersucht! Ich kann es nicht mehr hören!“ „Na spitze! Jetzt fällst du mir auch noch in den Rücken... Sehr toll... Wirklich“, kam es sauer von Max der Per gar nicht so richtig zugehört hatte. Er hatte nur gehört dass sie jetzt bei Benedikt war und in diesem Moment waren sämtliche Rollläden bei ihm nach unten gegangen. Hatte alles andere abgeblockt. „Ich falle dir also in den Rücken nachdem ich gerade durch halb Berlin gelaufen bin um zu schauen wie es deiner Freundin geht? In der Hoffnung den Fehler den DU begangen hast wieder einigermaßen gerade zu biegen? Weißt du was Max, schau doch selber wie du klar kommst! Ich hab die Schnauze voll“, entgegnete Per genauso wütend. Er kam damit einfach nicht klar, dass es Max scheinbar so egal war wie es seiner Freundin ging und das nur, weil er das Feindbild Benedikt nicht aus dem Kopf bekam. „Ja du bist mir in den Rücken gefallen in dem Moment wo du ihn angerufen hast!“ „Scheiße was hätte ich denn sonst tun sollen kannst du mir das mal sagen?“ „Ja keine Ahnung... Warum hast du nicht Ingo angerufen oder meinen Vater oder wen weiß ich? Warum musste es ausgerechnet er sein?“ „Weil er der einzige war der mir in dem Moment eingefallen ist? Herrgott ich habe da nicht lange nachgedacht, sondern einfach angerufen! Wir brauchten Hilfe und mir war es ehrlich gesagt scheiß egal wer da jetzt kommt, hauptsache es kommt einer. Aber das geht ja in deinen sturen Kopf wieder mal nicht rein. Erst irgendwelche Weiber ficken und dann einen auf eifersüchtig machen!“ „Es war eine und du weißt genau dass das nicht geplant war!“ „Wenn es geplant gewesen wäre, dann wäre es ja noch schlimmer“, sagte Per und funkelte Max wütend an. „Deine verflixte Eifersucht hat dir alles kaputt gemacht und was machst du? Du machst gerade so weiter! Du hast nichts, aber auch überhaupt nichts daraus gelernt! Vielleicht ist es ganz gut so dass du ihr nicht mehr über den Weg laufen sollst.“ „Wie bitte? Was willst du damit sagen?“ „Das, dass du ab sofort wieder bei deiner Mutter wohnen sollst“, meinte Per und zuckte leicht mit den Schultern. „Hat sie das gesagt? Hat sie gesagt ich solle nicht mehr auftauchen? War das wirklich ihr Wunsch gewesen?“, fragte Max nach und er war schlagartig ruhig geworden. Konnte sie das wirklich gesagt haben? Wenn sie es gesagt hatte, was würde es für die Zukunft bedeuten? War es das Ende so wie es sich anhörte oder war es nur für eine gewisse Zeit. Zum ersten Male wurde Max wirklich so richtig bewusst was alles auf dem Spiel stand. Per warf Jules einen kurzen Blick zu und sah dann wieder zu Max. „Ja es war ihr Wunsch gewesen“, sagte er, auch wenn es ihm natürlich klar war, dass es so nicht ganz der Wahrheit entsprach. Es war Benedikt gewesen der es gesagt hatte und nicht sie, aber wenn er die Wahrheit gesagt hätte, dann wäre Max wohl erst recht wieder an die Decke gegangen. So bestand zumindest die Chance, dass er es kapierte, dass er den Warnschuss hörte und sich dementsprechend verhalten würde. Er fühlte sich nicht wohl dabei, aber Max hatte ihm einfach keine andere Wahl gelassen. Es wurde Zeit dass Max kapierte dass es nicht Benedikt war der schuld an allem war, sondern dass er es ganz alleine war. Dass es seine Eifersucht gewesen war, die alles zunichte gemacht hatte und nicht jemand anderes. Vielleicht würde er so endlich einmal nachdenken. „Ich... ich verstehe“, murmelte Max leise und ließ seinen Kopf hängen. Ohne noch ein Wort zu sagen, drehte er sich herum und verließ die Wohnung. Per sah ihm nach und ließ sich dann seufzend auf das Bett sinken. „Meinst du es war richtig gewesen ihn zu belügen?“, fragte er und sah Jules an. „Es war die einzige Möglichkeit dass er aufwacht“, meinte sie zu Per und legte ihm den Arm um die Schultern. „Trotzdem fühle ich mich nicht so ganz wohl dabei“, seufzte Per auf und schüttelte leicht seinen Kopf. „Was wenn ich es dadurch nur noch schlimmer gemacht habe?“ „Glaub mir, schlimmer kann man das nicht mehr machen“, sagte Jules und sah Per mit einem aufmunternden Lächeln an. „Wenn sie ihm jemals etwas bedeutet hat, dann wird er kämpfen und wenn er es nicht tut... Tja dann war das jetzt wohl wirklich das Ende.“ Leicht nickte Per mit dem Kopf. Irgendwo hatte Jules ja recht und er konnte nur hoffen dass Max wirklich kämpfen würde, aber genau da war er sich ja nicht so sicher. Es hatte für Max nie einen Grund gegeben zu kämpfen, besonders nicht um die Liebe eines Mädchens. Er hatte sie immer haben können und wenn sie ihm langweilig geworden waren, hatte er sie wieder ausgetauscht. Ihm war kein Fall bekannt, wo Max es wirklich schwer gehabt hatte das Mädchen zu bekommen, das er hatte haben wollen. Und jetzt wo es ihn so richtig erwischt hatte, musste er das alles lernen. Er würde es nicht leicht haben, so viel stand für Per fest. Max hatte die Hände tief in die Hosentaschen gesteckt, als er alleine die Straße entlang ging. Immer wieder hörte er die gleichen Worte in seinem Kopf und er konnte sie einfach nicht begreifen. Warum hatte sie einen solchen Wunsch geäußert? Ja er hatte einen Fehler gemacht und er bereute ihn mehr als alles andere, aber warum konnte sie ihm nicht einfach eine Chance geben? Ihm die Chance geben alles besser zu machen, beweisen zu können dass es wirklich das erste und letzte Mal war, dass es sich nicht wiederholen würde. Oder hatte sie ihm diese Chance gegeben und er hatte es einfach nur nicht mitbekommen. Nicht mitbekommen weil er ständig nur an das Eine gedacht hatte. Nachdenklich kickte er mit dem Fuß eine leere Flasche beiseite die auf dem Weg lag und mit einem dumpfen Klirren im Gebüsch landete. Ja er war eifersüchtig und das nicht gerade wenig, aber warum war er es überhaupt? Es hatte für ihn doch niemals einen Grund zur Eifersucht gegeben. Nie hatte sie ihm das Gefühl gegeben dass etwas nicht stimmen konnte. Warum dann nur könnte er jedem Kerl der sie länger als unbedingt nötig ansah den Hals herum drehen? Warum passte es ihm dann nicht wenn sie sich mit anderen so gut verstand? Früher hatte er sich um so etwas nie einen Kopf gemacht und hatte es auch niemals brauchen. Er hatte immer das bekommen was er haben wollte. Er hatte es leicht gehabt und auch wenn die Mädels nur mit ihm mitgekommen waren weil er bekannt war, so hatte es ihn nicht gestört. Ja er hatte es stellenweise sogar gut zu nutzen gewusst. Und jetzt? Jetzt verfluchte er es bekannt zu sein, nicht einfach der junge Mann von neben an sein zu können. Endlich hatte er jemanden gefunden wo er zur Ruhe kommen konnte, wo er er selbst sein konnte und was machte er? Er machte sich das alles kaputt durch eine unbegründete Eifersucht. Er hatte Angst gehabt sie zu verlieren und durch diese Angst hatte er sie weit von sich gestoßen. Er hatte das geschafft von dem er gehofft hatte, es würde niemals passieren. *Wie habe ich nur so egoistisch sein können?*, fragte er sich in Gedanken und seufzte leise auf. Ja er war egoistisch gewesen in dem er von ihr verlangt hatte auf Menschen zu verzichten mit denen sie sich gut verstand. Es war egoistisch gewesen von ihr zu verlangen alles stehen und liegen zu lassen und es war egoistisch gewesen von ihr zu erwarten, dass sie seinen Fehler einfach verzeihen würde. Er hatte sie nicht nur betrogen, sondern er hatte ihr Vertrauen missbraucht. Sie hatte so vieles für ihn aufgegeben, aber er hatte es immer irgendwie als selbstverständlich angesehen. Nie darüber nachgedacht was es wirklich bedeutete, es war für ihn einfach normal so gewesen. Er war es von seinem bisherigen Leben einfach so gewöhnt gewesen alles zu bekommen, dass er nie großartig darüber nachgedacht hatte. Nie daran gedacht hatte dass es nicht nur ums Nehmen ging, sondern auch ums Geben. Sie war umgezogen, sie arbeitete den ganzen Tag, finanzierte die Wohnung, finanzierte das Essen und er? Er hatte sich einfach ins gemachte Nest gesetzt. Nein er hatte wahrlich keine Ruhmestaten begangen, nichts worauf er zurückgreifen konnte. Nie war von seiner Seite etwas gekommen, er hatte immer nur erwartet. Er hatte erwartet dass sie sein Leben teilte, dass sie Interesse daran zeigte, dass sie alles akzeptierte was er machte, aber er hatte sie nie großartig für das interessiert was sie gemacht hatte. Er hatte nie nachgefragt wie es in ihrem Job lief und wenn er es doch mal getan hatte, dann nie aus echtem Interesse, sondern mehr aus Höflichkeit heraus. Nein er hatte wirklich nie etwas getan worauf er stolz hätte sein können. Er erinnerte sich noch genau daran, als er sie gefragt hatte ob sie bereit wäre alle guten und schlechten Zeiten mit ihm zu teilen. Sie hatte ihm geantwortet dass sie es versuchen würde, aber hatte er es denn jemals versucht? Sie hatte ihm gesagt dass sie ihm die Zeit geben würde zu lernen, aber hatte er sich bisher jemals die Mühe gemacht etwas zu lernen oder war es nicht so gewesen, dass er einfach so weitergemacht hatte wie früher auch? Dass er sich so gar nicht geändert hatte? Für einen Moment blieb Max stehen und sah die Straße entlang. Er hatte nicht wirklich eine Ahnung wo er war, aber im Moment war es ihm auch vollkommen gleichgültig. Zum ersten Male hatte er das Gefühl nirgendwo mehr dazu zu gehören. Als wäre alles was er bisher erreicht hatte, vollkommen sinnlos geworden. Was brachte einem der ganze Ruhm, wenn es niemanden gab, mit dem man ihn teilen konnte. Es niemanden gab der sich mit einem freute? Mit langsamen Schritten ging Max weiter die Straße entlang. Ein schwaches Lächeln huschte ihm über die Lippen, als er sich daran erinnerte wie sehr sie sich gefreut hatte, als er ihr erzählt hatte, dass es mit dem Plattendeal geklappt hatte. Wie sie durch die Wohnung gesprungen war und es kaum glauben konnte. Er erinnerte sich noch daran, wie sehr sie sich gefreut hatte, als sie die Zusage für die Wohnung bekommen hatte und wie sehr sie sich auf diese gemeinsame Zukunft gefreut hatte. Eine Zukunft die ohne ihren Job so niemals möglich gewesen wäre. Ohne diesen Job hätte sie niemals nach Berlin ziehen können und sie hätten niemals jede Nacht zusammen verbringen können. Der Job hatte nicht nur ihr, sondern auch ihm so vieles ermöglicht und was hatte er gemacht? Er hatte die Person verdammt, dem sie alles zu verdanken hatte. Er hatte ihnen etwas Gutes tun wollen und er hatte ihn dafür verurteilt. Ihm unterstellt etwas eigennütziges damit bezwecken zu wollen und das ohne einen Beweis zu haben. Ohne auch nur den Hauch eines begründeten Verdachts zu haben. Ja er war egoistisch gewesen. Er hatte von allen erwartet auf ihn Rücksicht zu nehmen, auf das Rücksicht zu nehmen was er wollte, was er dachte, was er fühlte ohne auch nur eine Sekunde daran zu verschwenden was sie vielleicht wollten. An einem Hauseingang blieb Max stehen und setzte sich auf die Treppenstufen. Er erinnerte sich an seine Zeit bei Deutschland sucht den Superstar und an die 3te Mottoshow. Thema waren Lovesongs gewesen. Er hatte damals nicht gewusst wie er diese Runde überstehen sollte, so hatte er sich doch noch niemals in einer solchen Situation befunden. Nie das Gefühl gekannt jemanden so sehr zu lieben, dass jede Sekunde zur Stunde wird, wenn die Person nicht bei einem ist. Wusste nicht wie es ist jemanden zu vermissen dass man beinahe nicht mehr weiß wohin mit sich selbst. Dass jeder Tag den man nicht mit der Person die man liebte verbringen konnte, ein verlorener Tag war. Damals war er noch der Meinung gewesen mit seinem Leben, so wie es war, zufrieden zu sein. Der Meinung alles zu haben was man zum glücklich sein brauchte, doch jetzt... Jetzt wusste er, dass er sich damals nur belogen hatte. Es gab so vieles mehr im Leben von dem er bis vor wenigen Monaten noch keine Ahnung gehabt hatte. Gefühle von denen er nicht einmal gewagt hatte zu träumen. Momente die er sich so nie hätte vorgestellt. Doch jetzt, jetzt wusste er es besser. Jetzt wusste er wie schön das Leben sein konnte, wenn man es zusammen mit einem anderen Menschen verbrachte. Wie schön es war von jemanden aufrichtig geliebt zu werden, wie schön es war wenn man abends erwartet wurde, wie schön es war mit jemanden zusammen einzuschlafen und an seiner Seite wieder aufzuwachen. Zu wissen dass man nicht alleine war... Früher hatte er es sich nicht vorstellen können und jetzt wollte er es sich nicht mehr anders vorstellen. Aber er wusste, dass er sich ändern musste, dass er sein altes Leben hinter sich lassen musste, denn sonst würde es nicht funktionieren. Er musste lernen, dass nicht immer alles nur nach seinem Kopf gehen konnte, dass er auch mal zurückstecken musste, auch wenn es ihm schwer fiel. Er konnte nicht sein Leben mit jemanden verbringen wollen und trotzdem nur das tun, was er tun wollte. Je länger Max nachdachte, desto mehr fiel ihm auf wie viel er tatsächlich falsch gemacht hatte. Wie viele Fehler er wirklich gemacht hatte und dass es nicht nur dieser eine gewesen war. Müde fuhr er sich mit den Händen über das Gesicht und erhob sich von der Treppe wieder. Langsam setzte er seinen Weg durch das nächtliche Berlin fort. Seine Hände hatte er wieder tief in seine Hosentaschen vergraben und den Kopf leicht zwischen die Schultern gezogen. Nein es ging ihm wirklich nicht gut, aber er gab dieses Mal niemand anderem die Schuld. Er hatte begriffen dass die Schuld ganz alleine bei ihm lag und sonst bei niemanden. Er war es der die Fehler begangen hatte und er war es der auch die Rechnung dafür bezahlen musste. Eine sehr hohe Rechnung, aber er hatte sie wohl erst sehen müssen, bis er begreifen konnte, dass er so nicht weitermachen konnte. Wieder hob er seinen Kopf und ein leises Seufzen kam ihm über die Lippen, als er sah wo er sich befand. Er lehnte sich mit der Schulter gegen eine Straßenlaterne und sah auf das Haus vor ihm. Ließ seinen Blick über die dunklen Fenster wandern. Er stieß sich von der Laterne ab und ging auf den Hauseingang zu. Er nahm den Schlüssel aus seiner Hosentasche und verspürte für einen kurzen Moment den Drang einfach den Schlüssel ins Schlüsselloch zu stecken und die Türe zu öffnen. Doch anstelle den Schlüssel in die Türe zu stecken, warf er ihn einfach nur durch den Schlitz im Briefkasten. Einen Moment lang blieb er einfach so vor der Türe stehen. „Du hast etwas besseres als mich verdient“, sprach er leise in die Stille der Nacht hinein, ehe er sich von der Türe abwandte und in der Dunkelheit verschwand. Kapitel 32: Erklärungen ----------------------- Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte ein paar Mal. Müde rieb ich mir die Augen und sah aus Gewohnheit auf den Platz neben mir. Aber er war leer. Doch halt, es gab noch mehr, was hier anders war. Ruckartig setzte ich mich auf, doch ließ ich mich gleich wieder zurück in die Kissen fallen. Mein Kopf brummte so sehr, dass mir alles vor den Augen verschwamm. Ich wartete einen Moment bis sich alles wieder gelegt hatte und setzte mich dann langsam auf. Mein Blick wanderte durch das Zimmer, das eindeutig nicht mein Schlafzimmer war. Ich hatte keine Ahnung wo ich war und noch weniger wusste ich, wie ich hier her gekommen war. Ich schlug die Bettdecke beiseite, schwang die Beine über die Bettkante und stand langsam auf. Wieder überkam mich ein kurzes Schwindelgefühl und ich fragte mich, warum das so war. Hatte ich gestern etwa zu viel getrunken oder was war passiert? Es dauerte einen gewissen Moment bis mir die Erinnerungen so langsam kamen, aber egal wie lange ich überlegte, es wollte mir absolut nicht einfallen, warum ich hier war. Aus einem mir nicht bekannten Grund fehlten mir schlichtweg ein paar Minuten in meiner Erinnerung. Aber wenn sie mir wirklich fehlten, dann würde es auch nichts bringen, wenn ich weiter versuchte sie zurück zu bekommen. Da musste ich wohl jemanden fragen, der anwesend gewesen war. Zwei Namen fielen mir ja noch ein, auch wenn ich nicht gerade viel Lust hatte, mich noch einmal mit Per oder Jules zu unterhalten. Ich war ehrlich gesagt froh, wenn ich sie eine Weile lang nicht sehen musste und sie sollten sich ja hüten, mir so schnell nochmals über den Weg zu laufen. Ein wenig suchend sah ich mich im Zimmer um, bis ich meine Sachen gefunden hatte, die fein säuberlich auf einem Stuhl lagen. Sie waren sauber und sie waren trocken, aber wieso? Es hatte doch gestern geregnet und ich war der Meinung, dass sie alles andere als sauber gewesen waren. Irgendwas war hier doch los. Aber was? Leicht schüttelte ich den Kopf und zog mir meine Sachen an, bevor ich das Schlafzimmer, von dem ich keine Ahnung hatte wem es gehörte, verließ. Ich sah mich kurz um und setzte dann leise einen Schritt vor den anderen. Ich wusste ja nicht ob ich alleine war oder nicht und da ich keine Ahnung hatte wem das alles gehörte war es vielleicht gar nicht so falsch, sich leise aus dem Staub zu machen. „Wie ich sehe bist du wieder wach“, sagte eine Stimme in meinem Rücken und erschrocken drehte ich mich um. Jetzt nicht weil ich die Stimme nicht kannte, weil das tat ich natürlich, sondern weil ich mich so darauf konzentriert hatte leise zu sein, dass ich auf sonst nichts geachtet hatte. Ich hatte nichts unrechtes getan und dennoch fühlte ich mich ertappt. „Ähm... Ja also ich denke mal schon“, murmelte ich und fuhr mir verlegen durch die Haare. „Zumindest habe ich die Augen offen und ähm ja liege nicht mehr im Bett.“ Es war ein sehr seltsames Gefühl jetzt so vor ihm zu stehen und nicht zu wissen was in der Nacht geschehen war. So mal gar nicht zu wissen was man eventuell gemacht haben könnte. „Sehr gut“, meinte Benedikt mit einem kleinen Lächeln. „Dann würde ich mal sagen du kommst jetzt mit, weil ich könnte mir vorstellen, du hast Hunger.“ Mit leicht fragenden Blick sah ich ihn an. Er schien das alles so locker zu nehmen, so als wäre es etwas ganz natürliches dass ich bei ihm in der Wohnung war. So als wäre es nicht das erste Mal, wobei es genau das war. „Ähm ja irgendwie schon aber... Ich meine... Nun also....“, stammelte ich und sah ihn weiterhin fragend an. Leise lachte Benedikt auf, der sich wohl denken konnte was mir gerade durch den Kopf ging, welche Fragen ich mir stellte. Er schien genau zu wissen was vorgefallen war, auch wenn ich mich nicht daran erinnern konnte ihn gestern gesehen zu haben. Zumindest nicht nachdem ich das Büro verlassen hatte. Ruhig kam er auf mich zu und legte mir den Arm um die Schultern. „Jetzt isst du erst einmal etwas, trinkst einen Kaffee und dann werde ich dir deine Fragen beantworten“, meinte er mit einem breiten Grinsen. „Aber erst dann und nicht schon vorher.“ Woher nur wusste er eigentlich immer was in meinem Kopf vorging oder dass ich Fragen hatte. Manchmal hatte ich echt das Gefühl ich war für ihn ein offenes Buch in dem er nur herumblättern musste um genau zu wissen was los war. Aber vermutlich wusste er im Augenblick über Dinge Bescheid, die mir in meinen Erinnerungen fehlten. Wenn ich also wissen wollte was am Abend zuvor passiert war, dann blieb mir wohl nichts anders übrig, als mit zu kommen und zu frühstücken. Unsicheres Gefühl hin oder her. Also folgte ich ihm in die Küche, setzte mich an den Tisch wo tatsächlich schon etwas zum Essen und eine dampfende Tasse Kaffee stand. Noch bevor ich etwas anderes machte, langte ich nach der Tasse und trank einen riesen Schluck. Beinahe im gleichen Augenblick kamen die Lebensgeister zurück und die Müdigkeit verschwand aus meinem Körper. Die Tasse wanderte zurück auf den Tisch und ein Brötchen suchte sich seinen Weg auf meinen Teller und wurde kurzerhand in 2 Hälften geschnitten. Erst jetzt merkte ich wie sehr doch mein Magen knurrte und die Fragen die mir auf der Zunge lagen, waren erst einmal wieder vergessen. Schweigend saß Benedikt am Tisch, während ich mich hungrig über das Essen hermachte. Er musste jetzt bestimmt denken ich hätte seit Tagen nichts mehr gegessen so wie ich gerade zulangte, aber es war mir egal. Irgendwann einmal schob ich den Teller von mir und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. „Noch einen einzigen Bissen und ich platze“, meinte ich lachend und rieb mir über den vollen Magen. „Und ich darf dann schon wieder putzen“, antwortete Benedikt ebenfalls lachend und schenkte uns beiden nochmals Kaffee nach. „Aber abgesehen davon wäre es schade. Wer heftet mir denn dann die ganzen Unterlagen ab?“ „Ach ja? So ist das also“, meinte ich grinsend und sah ihn an. „Ich habe schon gedacht du würdest mich als ernsthafte Unterstützung ansehen.“ „Du machst einen hervorragenden Job und es wäre wirklich ein großer Verlust“, sagte Benedikt nun wieder ernster und das gefiel mir nicht wirklich. Irgendwie befürchtete ich, dass nun nichts gutes kommen würde und ehrlich gesagt wollte ich es auch gar nicht hören. „Also mach so eine Dummheit wie gestern bitte nicht noch einmal.“ Mit einem etwas fragenden Blick sah ich ihn an. Dummheit? Von was für einer Dummheit sprach er denn? Hatte ich gestern etwa etwas gemacht was ich nicht hätte tun sollen? „Benedikt es hört sich jetzt bestimmt seltsam an, aber von was für einer Dummheit sprichst du denn?“ „Du kannst dich wirklich an nichts mehr erinnern von dem was heute Nacht passiert ist?“ „Ähm Nein?“, meinte ich und schüttelte den Kopf. „Ich weiß noch dass ich mich mit Jules gestritten habe, aber dann ist da nur noch ein schwarzer Fleck bis zu dem Punkt wo ich heute morgen die Augen aufgemacht habe.“ Nicht zu wissen was passiert war, was man getan oder gesagt hatte, war ein sehr seltsames Gefühl. Man kam sich so hilflos vor. Wie jemand dem man alles noch einmal beibringen musste. „Ja du hast dich mit Jules gestritten auch wenn ich nicht weiß um was es im Detail ging“, sagte Benedikt und stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Du warst am Grab deines besten Freundes gewesen, während alle anderen nicht wussten wo du steckst. Sie haben sich alle Sorgen gemacht, besonders da Max alle verrückt gemacht hat indem er sie alle halbe Stunde angerufen hatte um zu fragen ob du dich bei ihnen gemeldet hättest.“ Als der Name 'Max' fiel zog sich alles in mir zusammen und ich musste erst einmal schlucken. Ich wusste noch genau warum ich zum Grab gefahren war und auch was ich dort alles gesagt hatte. Wusste noch genau den Grund, so genau wie ich noch Maxs Worte in meinen Ohren hörte, so als würde er neben mir stehen und sie immer und immer wieder wiederholen. „Mitten in der Nacht klingelte bei mir das Telefon und Per bat mich zu kommen“, erzählte Benedikt weiter. „Er meinte sie hätten dich gefunden und alles würde aus den Bahnen laufen. Sie wüssten nicht mehr weiter und bräuchten meine Hilfe. Ich wusste im ersten Moment nicht was los war, es hatte mir ja keiner gesagt was vorgefallen ist. Also bin ich losgefahren und was ich da gesehen hab... Ich möchte es nicht noch einmal sehen. Du standest total neben dir, Jules erzählte mir du wärst beinahe vor ein Auto gelaufen und ich stand da und wusste nicht warum und wieso und noch weniger was ich jetzt tun sollte. Es hat eine ganze Weile gebraucht bis du mal gesagt hast was los war, dass Max dich betrogen hat...“ „Ich war gerade dabei es zu verdrängen“, fiel ich Benedikt leise ins Wort und seufzte auf. „Und die Puzzleteile fügten sich langsam zu einem Bild zusammen“, sprach Benedikt weiter und überging mein Gemurmel einfach. „Ich hielt es dann für besser dich mit zu mir zu nehmen anstatt dich zurück in deine Wohnung zu bringen. Ich wusste ehrlich nicht zu was du in dieser Nacht noch fähig gewesen wärst und ich wollte das Risiko es einfach drauf ankommen zu lassen auch nicht eingehen.“ „Es scheint dass ich allen ziemlichen Ärger gemacht habe“, meinte ich leise und senkte entschuldigend meinen Blick. „Ärger weniger... Du hast sie in Angst und Sorge versetzt. Keiner wusste wo du warst, keiner wusste ob nicht vielleicht etwas passiert sein könnte. Es wussten ja alle Bescheid und deswegen haben sich auch alle Sorgen gemacht als du dich stundenlang nicht gemeldet hattest, wie vom Erdboden verschluckt gewesen bist. Max wollte sogar zu Fuß durch Berlin laufen und dich suchen und glaub mir, er hätte erst aufgehört, wenn er dich gefunden hätte.“ Ich wusste jetzt nicht was ich dazu sagen sollte. Ein Teil von mir sagte sich, dass er doch ruhig hätte suchen sollen und wenn es Tage gebraucht hätte. Ein anderer Teil sagte sich dass ich ihm wohl doch etwas bedeuten musste, wenn er sich solche Sorgen gemacht hatte und so einen Aufwand betrieben hatte nur um mich zu finden. „Ich denke ich kann dir versprechen, dass es nie wieder dazu kommen wird“, sagte ich zu Benedikt. Wie auch sollte es noch einmal dazu kommen? Es war vorbei und somit gab es auch keine Möglichkeit eines solchen Vorfalls mehr. Für einen kurzen Augenblick warf mir Benedikt einen fragenden Blick zu, so als ob er ahnte welche Gedanken mir in diesem Moment mit durch den Kopf gingen, aber er unterließ es weitere Fragen diesbezüglich zu stellen. Er nahm es einfach wortlos hin, wenn auch er sich bestimmt seine eigenen Gedanken dazu machte. „Das einzige Versprechen dass ich von dir hören möchte ist, dass du nicht aufgibst“, sagte er zu mir und sah mir in die Augen. „Weder heute, noch morgen, noch irgendwann sonst in der Zukunft.“ Konnte ich ihm das Versprechen denn geben? Wie sollte man jemanden versprechen nicht aufzugeben, wenn man noch nicht einmal wusste, was einem die Zukunft noch bringen würde, welche Hürden sie einem stellte oder was für Steine sie einem in den Weg legte. Wie sollte man jetzt etwas versprechen, wenn noch so viele Jahre vor einem lagen? Es war einfach ein Versprechen dass ich nicht geben konnte. Weder heute noch morgen noch sonst irgendwann. „Du weißt dass du ein Versprechen verlangst, dass ich dir nicht geben kann“, erwiderte ich ihm und sah ihn genauso an, wie er mich ansah. „Ich weiß dass es viel verlangt ist, aber nur wenn du es gibst, weiß ich, dass du es versuchen wirst“, antwortete er mir und ich verstand ein wenig was er mir damit sagen wollte. Vermutlich hatte er sogar recht. Wenn ich es ihm nicht versprach, dann würde ich es wohl nicht einmal versuchen. Ich würde mich einfach treiben lassen, auch wenn der Fluss mich hinab in die Tiefe führen würde. Tief atmete ich ein und langsam wieder aus. „Ich verspreche dir nicht aufzugeben. Weder heute, noch morgen, noch in Zukunft“, sagte ich dann mit ruhiger Stimme und schickte zugleich ein Gebet in den Himmel, dass ich diesen Schwur nicht einmal bereuen würde. Zufrieden und auch mit einem Lächeln nickte Benedikt mit dem Kopf, erhob sich von seinem Platz und fing dann an den Tisch ab zu räumen. Auf meine Frage ob ich ihm nicht helfen sollte, winkte er nur ab. Nachdem alles aufgeräumt war, sah Benedikt zu mir. „Ich denke mal du würdest jetzt gerne heim oder?“ „Irgendwie schon...“, meinte ich mit ein wenig unsicherer Stimme, denn ich wusste ja nicht so wirklich, was mich daheim erwarten würde und ehrlich gesagt hatte ich keine große Lust dazu, Max über den Weg zu laufen. „Da brauchst du nicht weiter nachdenken, er wird nicht da sein“, meinte Benedikt so als wüsste er schon wieder was ich gedacht hatte. „Wie kannst du dir da so sicher sein, dass er nicht dort ist?“ „Ich hab Per gesagt er solle Max sagen, dass er die nächste Zeit erstmal wieder daheim wohnen soll.“ „Du hast was gesagt?“ „Nun ich dachte dass es einfach besser ist wenn ihr euch so schnell nicht wieder über den Weg lauft, jeder Zeit für sich hat zum nachdenken und da war das nun einmal der einfachste Weg.“ „Das heißt doch aber noch lange nicht, dass er sich auch daran hält. Ich meine....“ „Er wird nicht da sein Andrea. Per wird es ihm gesagt haben und wohl auch deutlich gemacht haben, denn erstens hab ich ihm deutlich gemacht wie wichtig es ist und außerdem ist Per auf Max gerade auch nicht besonders gut zu sprechen.“ Das war jetzt eine dieser Informationen auf die ich gut und gerne verzichtet hätte. Was zwischen mir und Max vorgefallen war, war eigentlich eine Sache die auch nur uns Beide etwas anging. Es sollte nicht passieren, dass es seine Kreise zog und auch andere da mit reingezogen wurden. Weder Per, noch Stefan noch sonst jemand aus der Band. Es durfte nicht passieren dass ein zwischenmenschliches Problem zu Spannungen in der Band führte, denn da stand einfach zu viel auf dem Spiel. Vielleicht sollte ich doch ein Wörtchen mit Per reden, auch wenn ich vor kurzer Zeit noch das Gegenteil tun wollte. Aber manchmal musste man eben seine Entscheidungen überdenken und notfalls rückgängig machen. „Ok dann vertraue ich dir einfach mal“, meinte ich schlussendlich mit einem kleinen Lächeln, denn etwas anderes blieb mir wohl auch kaum übrig. Ich musste es einfach darauf ankommen lassen ob Max sich nun daran hielt oder ob er es nicht tat. Entweder die Wohnung war verlassen oder er hielt sich dort auf. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. „Falls doch etwas schief gehen sollte, du weißt ja wie du mich erreichst.“ Benedikt zwinkerte mir zu, nahm seinen Schlüssel vom Tisch und ging zur Türe. Ich folgte ihm und auch wenn ich äußerlich ruhig zu sein schien, so war ich das gewiss nicht. Ich wusste nicht was mich daheim erwarten würde und das machte mich nervös. Irgendwie freute ich mich darauf nach Hause zu gehen, zurück in eine vertraute Umgebung und doch machte mir genau das Angst. Dort gab es so vieles was mich an ihn erinnerte, was an eine gemeinsame Zeit erinnerte und ich wusste wirklich nicht, ob ich damit klar kommen würde. Aber herausfinden würde ich es wohl nur dann, wenn ich es versuchte. Es dauerte eine Weile bis wir bei mir daheim angekommen waren, denn scheinbar war heute halb Berlin auf den Straßen unterwegs und die Ampeln schienen ihre Vorliebe für Rot entdeckt zu haben. Kurz ließ ich meinen Blick über die Fenster wandern um zu schauen ob sich dahinter etwas bewegte, aber nichts dergleichen ließ sich feststellen. Es schien wirklich niemand daheim zu sein. Ich schnallte mich ab, öffnete die Türe und sah noch einmal zu Benedikt. „Danke“, sagte ich leise. Er war immer für mich da gewesen, wenn es kompliziert wurde und nie hatte er eine Gegenleistung erwartet oder gar gefordert. Manchmal sogar hatte ich ein wenig das Gefühl ihn auszunutzen, auch wenn er das wohl vehement abgestritten hätte, wenn ich ihm von dem Gefühl erzählt hätte. Aber er gab so vieles und ich nahm oftmals nur, weil es nichts gab was ich ihm hätte geben können. Ich hoffte nur ich würde irgendwann einmal die Chance erhalten, mich für all das bei ihm zu revanchieren. „Pass einfach nur auf dich auf. Ok?“ „Ok“, sagte ich, stieg aus dem Wagen aus und schloss die Wagentüre hinter mir. Mit langsamen Schritten ging ich auf das Haus zu und blieb davor stehen. Ich warf einen Blick über meine Schulter zurück zum Wagen und mir wurde klar, dass Benedikt wohl so lange dort stehen würde, bis ich in der Wohnung verschwunden war. Aber so lange wollte ich ihn nicht warten lassen, also kramte ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche, steckte ihn ins Schloss und öffnete die Türe. Vorsichtig trat ich ein, lauschte, doch kein Geräusch war zu hören. Sie schien wirklich verlassen zu sein. Also schloss ich die Wohnungstüre hinter mir und im gleichen Augenblick drang das Geräusch eines startenden Wagens von draußen herein. Ich hängte meinen Schlüssel an das Schlüsselbrett, zog meine Schuhe aus und betrat das Wohnzimmer. Langsam ließ ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Auf dem Sofa entdeckte ich das Telefon das sonst auf dem Schrank stand, auf dem Tisch lagen beinahe ein halbes dutzend leere Zigarettenschachteln und der Aschenbecher auf dem Balkon schien über zu quellen. Ich ließ meinen Blick weiter wandern bis er an dem leeren Bilderrahmen hängen blieb, in welche ein gemeinsames Bild von mir und Max gewesen war. Es war verschwunden und ich konnte nur spekulieren wohin. Ich verließ das Wohnzimmer und betrat die Küche. Sie sah noch immer so aus, wie zu dem Zeitpunkt an dem ich das Haus verlassen hatte. Die Einkäufe von gestern standen noch immer an dem Platz an dem ich sie hingestellt hatte. Wenn die leeren Zigarettenschachteln auf dem Tisch nicht wären und der volle Aschenbecher konnte man fast das Gefühl bekommen, hier wäre die Zeit stehen geblieben. Aber das war sie nun mal nicht, aber man konnte sie auch nicht anhalten oder gar zurückdrehen. Seufzend machte ich mich daran die Arbeit die ich gestern angefangen hatte zu Ende zu bringen um so einfach ein wenig Normalität in mein Leben zu bringen, das aktuell einem reinen Trümmerhaufen glich. Zumindest in meine Augen. Nachdem die Küche wieder in Ordnung gebracht war, machte ich mich daran die leeren Schachteln zu entsorgen, die ein stummes Zeugnis davon waren, wie sich Max wohl gefühlt haben musste, als ich mich nicht gemeldet hatte. Welch Sorgen er sich gemacht haben musste und vermutlich auch Vorwürfe. In diesem Moment wünschte ich mir ich könnte Gedanken lesen, wüsste was jetzt in seinem Kopf vorging, wie er sich fühlte und wo er jetzt steckte. Ja ein Teil vermisste ihn sogar und wünschte sich nicht mehr, als dass er jetzt durch die Türe treten würde und alles würde sich wieder regeln. Es war meine Wohnung und dennoch fühlte sie sich fremd an. Er fehlte, auch wenn er überall präsent war. Die Gitarre die an der Wand stand, die Blätter mit Textfetzen auf dem Tisch... Es sah alles so aus, als würde er jeden Moment zurückkommen und wäre nur kurz weg um etwas zum essen zu holen. Aber er war nicht nur kurz weg und es stand in den Sternen ob er zurückkehren würde. Ob er es überhaupt noch wollte. Leise seufzend knotete ich die Enden der Mülltüte zusammen und entschied, sie gleich in den Mülleimer zu werfen. Auf dem Rückweg würde ich einen Blick in den Briefkasten werfen, denn es konnte ja gut sein, dass mal etwas anderes darin lag als nur Rechnungen oder Werbung. Irgendetwas erfreuliches wie zum Beispiel eine Gewinnbenachrichtung oder eine Urlaubspostkarte von jemanden. Ich nahm den Schlüssel wieder vom Haken, öffnete die Türe und ging hinüber zu den Mülleimer. Ich öffnete den Deckel und warf die Mülltüte hinein und ertappte mich dabei, wie ich für den Bruchteil einer Sekunde nach einem zerissenen Foto schaute. *Andrea du spinnst jetzt völlig*, meinte ich in Gedanken zu mir selbst und ließ den Deckel des Mülleimers wieder runter. Nein Max würde wohl niemals ein gemeinsames Foto zerreißen, wohl nicht einmal wenn er wütend war. Ich steckte eine Hand in die Hosentasche und ging zurück in die Wohnung. Ich wollte gerade wieder in das Wohnzimmer, als mir einfiel, dass ich ja noch in den Briefkasten schauen wollte. Also drehte ich mich um, öffnete den Briefkasten und langte mit der Hand nach dem Berg Papier der darin lag. Man konnte schon auf den ersten Blick sehen, dass er zum größten Teil aus Werbung bestand, die umgehend den Weg in das Altpapier finden würde. Ich zog meine Hand zurück und wollte mich gerade auf den Weg in die Küche machen, als ein leises Klirren meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Mein Blick wanderte langsam über den Flurboden, bis er an einem Schlüssel hängen blieb der direkt unter dem Briefkasten lag. Die Finger die den Inhalt des Briefkastens hielten, öffneten sich, so dass sich das Papier auf dem Boden verteilte. Wie große, bunte Schneeflocken fielen sie zu Boden, aber ich achtete nicht drauf. Wie gebannt starrte ich auf den Schlüssel am Boden. Ich wusste sofort was für ein Schlüssel das war, auch ohne dass ich ihn in die Hand hätte nehmen müssen. Der Anhänger an dem der Schlüssel hing, war mir vertraut. Langsam hob ich den Schlüssel vom Boden auf und schloss meine Finger darum. War das jetzt das Ende? Gab es denn ein Zeichen was noch deutlicher war als jemanden den Schlüssel zur gemeinsamen Wohnung zurück zu geben? Ich wusste es nicht und irgendwie wollte ich es auch gar nicht wissen. Der Teil in mir der ihn vorher noch vermisst hatte, war schweigsam geworden, so als würde nun auch ihm so langsam vieles klar werden. Ohne mich um das herumliegende Papier zu kümmern ging ich ins Wohnzimmer, ließ mich auf das Sofa sinken und legte den Schlüssel vor mir auf den Tisch. Schweigend starrte ich auf das kleine silberne Stück Metall, ehe meine Hand zum Telefon griff... Kapitel 33: Urlaubswünsche -------------------------- Nachdem Benedikt sich versichert hatte dass auch alles in Ordnung zu sein schien, startete er seinen Wagen und lenkte ihn wieder in den Berliner Verkehr. Er wusste genau wo er jetzt hinfahren würde und bereute es, es nicht schon viel früher getan zu haben. Er hätte die Vorzeichen erkennen müssen und reagieren, aber stattdessen hatte er gewartet. Gedacht dass sich das alles mit der Zeit legen würde, aber genau das hatte es eben nicht getan. Ihm war klar, dass auch er nicht gerade unschuldig an dem ganzen Desaster war und das einzige was er jetzt noch tun konnte, war einfach ein paar Sachen klar stellen, versuchen zu erklären, wo es eben noch möglich war. *Wenigstens da hab ich noch Glück*, dachte er sich, als er einen freien Parkplatz fand und seinen Wagen parkte. Er stieg aus, schloss den Wagen ab und ging auf das Haus zu vor welchem er geparkt hatte. Er war noch nie hier gewesen, aber für alles gab es ein erstes Mal. Kurz ließ er seinen Blick über die Namensschilder wandern, als sich die Haustüre öffnete und Benedikt die Gunst des Momentes nutzte und einfach durch die Türe huschte. Mit wenigen Schritten war er vor der Wohnungstüre angelangt und drückte nun mit dem Finger auf die Klingel. Er wusste nicht ob jemand da war und noch weniger wer ihm jetzt die Türe öffnen würde, aber das würde er ja gleich erfahren, denn Schritte näherten sich der Türe, ehe sie sich öffnete. „Hallo Jessica. Ist dein Bruder auch da?“, fragte Benedikt ruhig und hielt seine Hände in den Hosentaschen gesteckt. Jessica sah Benedikt an und schien zu überlegen. Sie kannte Benedikt von ihrem Bruder her, schien sich aber zu fragen was er wohl hier wollte. „Ja ist er“, antwortete sie dann ein wenig zögerlich und warf einen Blick über ihre Schulter in die Wohnung hinein, ehe sie wieder zu Benedikt sah. „Aber ich glaub nicht dass er in der Stimmung für Besuch ist. Seitdem er heute morgen nach Hause gekommen ist, hat er sein Zimmer nicht mehr verlassen. Nichtmal zum Essen ist er raus gekommen und schaut man in sein Zimmer, dann liegt er auf dem Bett und starrt an die Decke. Er reagiert auch nicht wenn man ihn anspricht aber naja... du kannst es ja trotzdem mal versuchen.“ „Dank dir“, meinte Benedikt und trat in die Wohnung und wartete bis Jessica die Wohnungstüre geschlossen hatte. „Und mach dir um deinen Bruder keine Sorgen, das renkt sich alles wieder ein.“ *Hoffe ich zumindest*, fügte Benedikt in Gedanken an den Satz hinzu und ging dann Jessica hinterher die zu dem Zimmer ihres Bruders ging. „Hoffentlich bald, es ist nämlich sonst so still hier“, seufte Jessica und verschwand dann in ihrem Zimmer. Nein ihr Bruder gefiel ihr im Moment so gar nicht, denn sie hatte ihn so noch nie erlebt. Sicherlich war er schon mal nur in seinem Zimmer gesessen, aber dann hatte man ihn wenigstens Gitarre spielen hören oder er hat sonst irgendwelchen Krach gemacht, aber dass er einfach nur so da lag und die Decke anstarrte, nein das war noch nie vorgekommen. Leise seufzte Benedikt auf, atmete tief durch und klopfte dann an die Zimmertüre. Er wartete einen Moment, doch es kam keinerlei Reaktion. Es hätte ihn ehrlich auch gewundert wäre einen gekommen, so dachte Max sicherlich, dass seine Mutter oder Schwester vor der Türe standen. Also öffnete Benedikt die Türe ein, betrat das Zimmer und schloss die Türe wieder hinter sich. So wie es Jessica beschrieben hatte, lag Max tatsächlich auf dem Bett und starrte an die Decke. „Bald kennst du das Muster auswendig“, meinte Benedikt ruhig, schnappte sich einen Stuhl und setzte sich rittlings drauf. „Und wenn schon“, murmelte Max ohne den Blick von der Decke abzuwenden. „Was willst du?“ „Ich bin hier um mit dir zu reden“, sagte Benedikt und sah Max an. „Ein paar Dinge klar zu stellen, die du scheinbar falsch verstanden hast.“ „Nicht nötig“, entgegnete Max. „Ich habs kapiert.“ „Das glaube ich nicht Max“, sprach Benedikt und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster. „Wie kommst du bitte auf die hirnrissige Idee, ich könnte ein Interesse an deiner Freundin haben? Wir sind Arbeitskollegen, wir sind gute Freunde, aber mehr auch nicht und da wird auch niemals mehr sein.“ „Ich sagte doch ich habs kapiert“, kam es seufzend von Max, der sich mit den Händen übers Gesicht fuhr. „Wenn du es kapiert hast, warum hast du dann einen solchen Schwachsinn gemacht? Sie saß hier und hat sich jeden Tag gefragt was du machst, wie es dir wohl geht, wie ihr voran kommt mit dem Album, mir jeden Tag damit in den Ohren gelegen und du springst mit der nächstbesten in die Kiste weil du der Meinung bist sie würde dich mit mir betrügen?!“ „Benedikt lass gut sein“, sagte Max leise und seine Stimme klang müde. „Nein das lasse ich jetzt nicht gut sein“, meinte Benedikt und schüttelte den Kopf. „Ich will dass das endlich in deinen Kopf reingeht, dass sie nicht mich liebt oder ähnliches sondern ganz alleine nur dich. Sie hat ihre Eltern zurückgelassen, ihre Freunde um hier in Berlin bei dir zu sein. Sie arbeitet den ganzen Tag damit sie mit dir zusammen wohnen kann. Sie hat sogar ihr Studium hingeworfen damit sie hier in Berlin bleiben kann und nicht wieder zurück muss. Sie hat so vieles für dich aufgegeben und was machst du? Du verpasst ihr einen Tritt in den Hintern!“ Wieder fuhr sich Max mit den Händen über das Gesicht, ehe er sich aufrichtete, vom Bett ging und an das Fenster trat. Mit den Händen stützte er sich auf dem Fensterbrett ab und sah nach draußen. „Ich weiß dass ich ein Vollidiot bin. Ich weiß dass ich einen Fehler gemacht habe, den ich nicht wieder gut machen kann und glaub mir... Wenn ich wüsste wie, ich würde die Zeit sofort zurückdrehen“, sprach Max leise ohne seinen Blick ab zu wenden. „Aber ich weiß es nicht und ich kann es nicht. Ich hab es verbockt, so richtig und muss jetzt schauen wie ich damit klar komme.“ Seufzend senkte Max einen Moment lang seinen Kopf, ehe er ihn wieder ein Stückchen anhob und weiter sprach. „Ich habe früher nie Schwierigkeiten gehabt das zu bekommen was ich wollte und ich habe mir auch nie wirklich Mühe gegeben es zu behalten. Es gab für mich nie einen Grund dafür und ehrlich gesagt hatte es mich auch nie wirklich interessiert. Warum auch? War die eine weg, dann kam eben die nächste. Wozu sich Gedanken machen?“ Verbittert lachte Max auf. „Und nun musste ich auf eine sehr bittere Art und Weise lernen, dass es seine Gründe gibt warum man sich Gedanken machen sollte. Leider habe ich mir die falschen gemacht. Ich habe mir Gedanken über Dinge gemacht, die weder vorhanden noch jemals eingetreten wären. Ja der große und coole Max Buskohl hat Angst bekommen. Angst bekommen das zu verlieren was ihm wichtig ist. Weißt du wie es ist jemanden so sehr zu lieben, dass es weh tut? Dass man das Gefühl bekommt durch zu drehen wenn die Person die man liebt nicht bei einem sein kann? Hast du denn eine Ahnung davon wie leer und einsam man sich fühlen kann, wenn man niemanden hat der einen im Arm hält?“ Langsam wandte sich Max vom Fenster ab und sah Benedikt an. „Gott verdammt ich wusste es nicht! Ich hatte keine Ahnung wie es sich anfühlt jemanden zu lieben, ich wusste ja nicht einmal was Liebe ist! Ich hab gedacht ich könnte einfach so weiter machen wie bisher auch, dass ich mich nicht wirklich verändern müsste, dachte dass alles einfach sein würde. Aber da hatte ich mich getäuscht! Eifersucht war früher ein Wort das in einem Wörterbuch stand und jetzt verspürte ich sie sobald auch nur einer sie zu lange angeschaut hatte. Es war vollkommen egal ob du es warst, ob es Tim war... Ich war sogar eifersüchtig wenn sie mit Per gescherzt hatte. Wenn ihr zwei zusammen gelacht hattet, euch über geschäftliches unterhalten hattet... Ich habe mich ausgegrenzt gefühlt... Ich war eifersüchtig auf das was ihr zusammen hattet und von dem ich keine Ahnung hatte. Ja ich war sauer dass ihr euch so gut verstanden habt und ja ich habe dir unterstellt alles nur getan zu haben um sie bei dir zu haben und ja ich weiß nun auch dass es ein Hirngespinst war... Aber Gott verdammt... Ich hab doch nicht gewusst was auf mich zukommt.“ Die letzten Worte hatte Max nur noch leise geseufzt und sich zurück auf das Bett fallen lassen. „Ich wünschte ich hätte mir früher mehr Mühe gegeben, gelernt was es heißt sein Leben mit jemanden zu teilen, jemanden zu lieben und es ihm auch zeigen zu können. Mehr Zeit damit verbracht mich für ihr Leben zu interessieren als von ihr zu verlangen meines zu akzeptieren. Ich habe alles falsch gemacht was man wohl falsch machen kann. Ich bin nicht nur ein Vollidiot, sondern auch unfähig. Sie hat so etwas wie mich nicht verdient.“ Schweigend hatte Benedikt zugehört. Ja Max schien es wirklich kapiert zu haben und auch erkannt zu haben wo er Fehler gemacht hatte. Gewisse Dinge konnte Benedikt durchaus nachvollziehen und er verstand nun auch etwas besser warum Max auf so eine verrückte Idee gekommen war und wenn Benedikt ehrlich war, hätte er sicherlich auch ähnliche Gedanken haben können. „Meinst du nicht, du gehst etwas zu hart ins Gericht mit dir?“, fragte Benedikt vorsichtig nach, denn er hatte einfach das Gefühl dass es so war. „Sicherlich du hast Fehler gemacht, aber du hast sie erkannt und du wirst sie gewiss kein zweites Mal begehen. Du bist nicht unfähig Max und hör auf dir einzureden sie hätte so etwas wie dich nicht verdient.“ „Nein ich werde sie gewiss kein zweites Mal mehr machen“, sagte Max und schüttelte dabei den Kopf. „Es gibt keine Möglichkeit mehr dazu.“ „Max ihr habt euch gestritten, aber warum bist du dir bitte so sicher, dass es keine Versöhnung geben wird? Sie liebt dich das weiß ich und sie vermisst dich und wenn ihr euch noch einmal in Ruhe zusammensetzt, du ihr alles in Ruhe erklärst... Ich bin mir sicher sie wird dir verzeihen können“, kam es von Benedikt der Max einen eindringlichen Blick zuwarf. Warum machten es sich die beiden eigentlich selbst so schwer? Sie liebten sich, jeder vermisste den anderen, warum also schafften sie es dann nicht miteinander zu reden? Musste man sie etwa dazu doch noch zwingen? „Sie hat es verdient glücklich zu werden und ich mache sie doch nur unglücklich und ich kann nicht sehen wenn sie unglücklich ist, also ist sie ohne mich einfach besser dran“, seufzte Max und legte sich wieder auf den Rücken und fing erneut an an die Decke zu starren, so wie er es schon getan hatte, als Benedikt das Zimmer betreten hatte. „Das ist der größte Blödsinn den ich jemals gehört habe“, meinte Benedikt und wollte gerade noch was hin zu fügen, als das Telefon in seiner Jackentasche anfing zu bimmeln. Er zog es aus der Tasche um es abzuschalten, sah dann jedoch auf dem Display die Nummer von der aus er angerufen wurde. „Was ist passiert?“, fragte er sofort, denn anders konnte es einfach nicht sein. „Hi... Du hast mal gesagt wenn ich Urlaub brauche, dann soll ich dich nur fragen und jetzt ist es wohl so weit. Ich wollte fragen ob ich Urlaub haben kann, weil...“ „Willst du mir vielleicht nicht erstmal sagen was los ist?“ „Benedikt... Kann ich bitte Urlaub haben? Ich... ich muss raus hier, weg hier sonst... Sonst dreh ich durch.“ „Jetzt sag doch bitte erstmal was passiert ist.“ „Max... Schlüssel... Sein Schlüssel lag im Briefkasten... Er hat ihn einfach nur reingeworfen und... Ich kann so einfach nicht weiter und... Alles... Hier... Es erinnert mich alles an ihn und sein Schlüssel lag da einfach und er will mich nicht mehr sehen weil warum sollte er sonst seinen Schlüssel in den Briefkasten werfen... Nichtmal eine Nachricht kein nichts... Er ist weg... Gegangen... Einfach so... Bitte... Ich habe sonst nie um etwas gebeten.“ „Atme einmal tief durch und versuch dich zu beruhigen. Es ist nicht so wie du jetzt sicherlich denkst und das ist bestimmt nur ein Missverständnis da bin ich mir sicher.“ „Missverständnis? Was kann man da bitteschön missverstehen? Sein Wohnungsschlüssel lag im Briefkasten, was sollte das sonst bedeuten außer dass er hier nicht mehr her will? Mich nicht mehr sehen will? Nichts mehr mit mir zu tun haben will?“ „Vielleicht hat er es getan, weil er genau das von dir gedacht hast was du von ihm jetzt denkst?“ Benedikt warf Max einen scharfen Blick zu, bevor er sich wieder auf das Telefonat konzentrierte. Ja er könnte jetzt alles aufklären, aber wie sollten sie es lernen, wenn man ihnen alles abnahm? Am liebsten hätte er jetzt Max das Handy in die Hand gedrückt, aber das hätte die Situation vermutlich nur noch chaotischer und verfahrener gemacht als sie jetzt schon war. „Benedikt bitte... Ich brauche den Urlaub um einfach Abstand zu bekommen, einen klaren Kopf zu bekommen und um nach zu denken.“ „Du weißt dass das Emergenza in 4 Wochen ist und noch jede Menge Sachen zu tun sind.“ „Ich weiß und ich arbeite auch weiter dran nur... Nur kann ich es hier nicht. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen wenn mich alles an ihn erinnert. Egal wohin ich schaue irgendwo steht oder liegt etwas von ihm und wie soll ich in dem Bett schlafen wo...“ „Ok Ok ich versteh schon“, meinte Benedikt seufzend und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Ich schaue was ich raus schlagen kann aber ich kann dir nichts versprechen. Wo kann ich dich erreichen wenn was ist?“ „Danke dass du es versuchst. Ich wüsste nicht was ich ohne dich machen sollte. Hmm... Ich denke ich werde wohl bei meinen Eltern vorbeischauen und die Nummer von ihnen schicke ich dir einfach per SMS, weil ich werde mein Handy wohl die Zeit über ausschalten.“ „In Ordnung. Pass auf dich auf und... Tue nichts falsches verstanden?“ „Versprochen.“ Benedikt steckte sein Handy zurück in die Jackentasche und sah wieder zu Max. „Weißt du was ich jetzt am liebsten machen würde?“, fragte er ruhig, aber an dem Ausdruck in seinen Augen konnte man erkennen, dass er so ruhig nicht mehr war. Max sah zu Benedikt und zuckte mit den Schultern. Er wusste es nicht und war sich auch nicht sicher, ob er es überhaupt wissen wollte. „Ich würde dich jetzt am liebsten aus dem Bett zerren, dir eine verpassen und dich dann zu ihr fahren!“ „Warum und wieso?“ „Warum und wieso? Sag mal bist du so dumm oder tust du nur so?! Dein Ausrutscher war schon dumm genug, aber mit der Aktion hast du der ganzen Sache noch eins oben drauf gesetzt! Welcher Teufel hat dich bitteschön geritten deinen Wohnungsschlüssel in den Briefkasten zu werfen!?“ „Sie hat etwas besseres als mich verdient und so komme ich schon nicht in Versuchung sie daran zu hindern jemanden zu finden der sie glücklich macht.“ „Max du redest einen solche verdammten Bockmist, dass mir die Haare zu Berge stehen. Eigentlich wollte ich es dir nicht erzählen, weil ich mich nicht mehr in eure Sache einmischen wollte, als unbedingt nötig, aber wenn du es im Guten nicht kapierst, dann hilft wohl nur noch der Wink mit dem Betonpfeiler“, meinte Benedikt und war von seinem Stuhl aufgestanden. „Sie liebt dich und nur dich und das so sehr, dass sie sich sogar vorstellen kann dich zu heiraten und du weißt ganz genau wie sie zum heiraten steht. Du bist die einzige Person mit der sie es sich jemals vorstellen könnte verheiratet zu sein, mit dem sie ihr Leben teilen will und mit dem sie zusammen sein will. Sie will dich und niemand anderen!“ „Woher willst du denn das wissen? Warum bist du dir da so sicher? Du tust gerade so, als wenn sie es dir erzählt hätte!“, kam es von Max, dessen Stimme tatsächlich ein wenig lauter und wütender klang. „Ich bin mir so sicher gerade weil sie es mir gesagt hat“, antwortete Benedikt und sah Max an. „Ja du hast richtig gehört sie hat es mir erzählt. Sie hatte mir von ihren Hochzeitsvorstellungen erzählt als du von Hamburg heimgekommen und ihr aus dem Weg gegangen bist. Dass sie dich liebt und nur dich hatte sie mir erzählt, nachdem sie gestern Nacht beinahe vor ein Auto gelaufen ist und nur dank Jules es nicht getan hat. Sie hat Jules sogar Vorwürfe gemacht deswegen, weil ihr Leben ohne dich einfach keinen Sinn macht und sie es ohne dich nicht leben will und was machst du? Du wirfst ihr den Schlüssel in den Briefkasten!“ „Spitze! Warum wundert es mich nicht dass sie es ausgerechnet dir erzählt hat“, meinte nun Max deutlich wütend und sprang aus dem Bett und stellte sich vor Benedikt. „Fang jetzt bitte nicht schon wieder damit an verstanden?! Sie hat es mir erzählt weil sie sich von allen anderen betrogen fühlt. Von Per, von ihrer besten Freundin Jules... Alle haben gewusst dass du sie betrogen hast und keiner von euch hatte den Arsch in der Hose es ihr zu sagen. Stell dir mal vor du erfährst dass alle Leute von denen du gedacht hast sie seien deine Freunde dir etwas verheimlichen. Würdest du dann zu ihnen hingehen und ihnen dein Herz ausschütten?“, entgegnete Benedikt und sah Max dabei in die Augen. „Alle Menschen die sie hier in Berlin kennt haben sie angelogen und da ich der einzige war, der nicht darüber Bescheid wusste was in Hamburg passiert ist, konnte ich sie auch nicht belügen und deswegen hat sie es mir erzählt. Das ist der einzige Grund. Einen anderen gibt es auch nicht.“ Max sah Benedikt einen Moment lang einfach nur an, ehe er sich auf den Stuhl sinken ließ, auf dem Benedikt zuvor noch gesessen war. „Tut mir leid“, murmelte er leise und sah auf den Fußboden. „Du warst für sie da, obwohl ich hätte für sie da sein sollen und einerseits bin ich froh dass du mir das jetzt alles gesagt hast und andererseits wünschte ich, du hättest es nicht getan.“ „Max du hast soviel Bockmist gebaut, es wird Zeit, dass du endlich mal etwas richtig machst.“ „Und wie soll ich das jetzt noch anstellen? Ich hab mir doch selbst alles verbaut“, seufzte Max und sah Benedikt von unten herauf an. „Du hast dir vieles verbaut, aber noch lange nicht alles. Du musst jetzt schauen wie du einen Weg findest und den auch zu Ende gehst und nicht mittendrin alles hin wirfst. Einfach wird der Weg nicht werden und du musst dir klar werden was du wirklich willst und was du bereit bist dafür zu tun. Du hast jetzt genug Zeit darüber nach zu denken wie du es anstellen willst und ich würde dir raten, lass die Zeit nicht ungenutzt vergehen“, sprach Benedikt ruhig und ging zur Zimmertüre. „Solltest du jetzt allerdings auf die Idee kommen bei ihr vorbeigehen zu wollen, dann sag ich dir gleich, dass du sie nicht antreffen wirst. Sie hat sich Urlaub genommen und ich weiß nicht, wann sie aus diesem wieder zurückkommen wird. Aber ich weiß, dass du die Gelegenheit bekommen wirst deinen Fehler wieder gut zu machen.“ Ja da war sich Benedikt absolut sicher und wenn er die Gelegenheit selbst herbeiführen musste, aber es würde sie geben. Max sah Benedikt an und nickte leicht mit dem Kopf. Er würde sich etwas überlegen und er würde die Zeit auch nutzen die er jetzt bekommen hatte. Ihm war klar, dass er viel zu früh aufgegeben hatte, aber aufgeben kam für ihn jetzt nicht mehr in den Sinn. Er würde kämpfen. Vielleicht gab es ja wirklich noch eine Chance, auch wenn im Moment noch alles hoffnungslos zu sein schien. Benedikt sah Max noch einmal an, ehe er sein Zimmer verließ, sich von Jessica verabschiedete und zurück zu seinem Wagen ging. Vor ihm lag noch ein langer Arbeitstag und vor allem musste er jetzt schauen, wie er das mit dem Urlaub drehte. Kapitel 34: Überredungskünste ----------------------------- Max saß auf dem Bett und hatte seine Gitarre auf dem Schoß und einen Stift in der Hand. Immer und immer wieder las er sich die wenigen Zeilen durch, änderte mal hier und mal da ein Wort, ehe er den Stift weg legte und sich wieder seine Gitarre widmete. Schon seit Stunden saß er so da und versuchte die Wort- und Melodiefetzen die in seinem Kopf herum huschten zu einem Song zusammen zu fügen. Während ihm die Melodie so gut wie keine Schwierigkeiten machte, so trieb ihn der Text beinahe in den Wahnsinn. Egal was er auch auf schrieb, nach nur wenigen Minuten passte es schon wieder nicht mehr. Die richtigen Worte wollten ihm einfach nicht kommen. Nicht weil er nicht gewusst hätte was schreiben, sondern er wollte einfach die perfekten Worte finden. Nicht etwa die dritte oder zweite Wahl, sondern nur die erste Wahl kam für ihn bei diesem Song in Frage. Aber es war nicht gerade leicht, besonders nicht dann, wenn man mit den Gedanken vollkommen woanders war. So wie Max wieder einmal mit seinen Gedanken woanders war. Ständig fragte er sich, wie es wohl Andrea gehen würde, was sie machte oder wo sie war. Es waren nun 2 Wochen vergangen ohne dass es von ihr ein Lebenszeichen gegeben hätte, noch hatte er eine Idee wo sie sich aufhalten konnte. Sicherlich hatte er bereits versucht Benedikt zum reden zu bringen, aber dieser hatte eisern geschwiegen. Maxs Blick glitt von dem Blatt Papier vor seinen Beinen hinaus aus dem Fenster. Es war ein wolkenverhangener Tag und immer wieder prasselten feine Regentropfen gegen das Fenster. Man konnte fast sagen, das trübselige Wetter passte hervorragend zu seiner Stimmung. Eine Stimmung die für die Leute in seiner nahen Umgebung so langsam aber sicher zu einer Belastung wurde. Man konnte ihn kaum noch dazu bringen mal etwas zu unternehmen, einfach mal unter die Leute zu gehen um auf andere Gedanken zu kommen. Der einzige Grund für Max sein Zimmer zu verlassen waren die gemeinsamen Proben, bei denen er aber auch nicht immer voll da war. Oft genug kam es vor dass er den Text vergaß, Akkorde vergaß oder seinen Einsatz. Egal wo er sich auch befand, egal mit wem er unterwegs war, seine Gedanken befanden sich grundsätzlich an einem anderen Ort. Einem Ort von dem er keine Ahnung hatte wo er lag, sondern von dem er nur wusste dass sich dort eine Person aufhielt, die er liebte. Eine Person die er vermisste und von der er niemals vermutet hatte, dass sie sein Leben so sehr verändern würde. Er konnte sich noch genau an den Abend erinnern, als sie sich gegenseitig beinahe an die Gurgel gegangen waren. Den ganzen Tag über hatten sie sich angeschwiegen, weil jeder vom Anderen gedacht hatte, dass ihm das was passiert war, egal gewesen sei. Dabei hatten sie beide das Gleiche empfunden. Max hatte in letzter Zeit sehr oft über die vergangene Tour nachgedacht und sich von den Bildern in seinem Kopf einfach treiben lassen. Für einen winzigen Moment huschte ein schwaches Lächeln über seine Lippen, als er an das erste Aufeinandertreffen zurück dachte. Wie sie mit dem Kopf im Motorraum ihres Wagens gesteckt hatte und ihm ein gesalzenes Kommentar an den Kopf geworfen hatte. Nein sie war wirklich nicht auf den Mund gefallen wie sie an vielen weiteren Tagen oft genug bewiesen hatte. Nichts hatte sie so schnell aus der Bahn geworfen und sie hatte jede Schwierigkeit mit Bravour gemeistert, doch an dieser Herausforderung schienen sie wohl jetzt Beide zu scheitern. Aber sie durften einfach nicht scheitern. Es musste doch einen Weg geben, der ihre aktuell getrennten Wege wieder zusammen führte. Es konnte doch nicht ewig so weitergehen und Max wollte das auch nicht. Er, die Beziehung... Einfach alles hing gerade in der Schwebe und weder gab es Anzeichen dafür, dass alles vorbei war. Noch gab es Anzeichen dafür, dass alles wieder gut werden würde. Jeder Tag kam und ging wie der davor – Ohne ein Lebenszeichen. Leicht glitten seine Finger über die Saiten der Gitarre, während sein Blick noch immer aus dem Fenster gerichtet waren. Es hatte wieder leicht zu regnen angefangen und dünne Rinnsale bildeten sich auf dem Glas. Wenn man genau hinsah konnte man das leichte, bunte Schimmern des sich darin brechenden Lichtes erkennen. Leise seufzte Max auf und langte nach dem Stift, den er neben sich gelegt hatte. Mit wenigen Handbewegungen hatte er das Wort „Empty“ oben auf das Blatt geschrieben auf dem kaum mehr etwas richtig zu lesen war, da so oft verbessert und verändert worden war. Das Wort drückte genau das aus, was er fühlte – Leere. Sein Leben hatte sich nicht verändert und doch auch wieder schon. Vieles war gleich geblieben, aber es fühlte sich nicht mehr so an wie früher. Die Straßen von Berlin waren noch immer so voll wie sonst, aber trotzdem kamen sie ihm leer vor. Wenn er sich mal dazu durchringen konnte Abends weg zu gehen, dann ging er in die gleichen Locations wie zuvor auch, aber sie fühlten sich nicht mehr so gemütlich an wie zuvor. Die Menschen um ihn herum, waren noch immer die selben und trotzdem kamen sie ihm vor wie Fremde. Er sah vieles nun mit anderen Augen, versuchte hinter die Dinge zu blicken und sich nicht von dem offensichtlichen beeinflussen zu lassen. Nicht alles war immer so wie es auf dem ersten Blick aussah. Eine Erfahrung die er auf schmerzvolle Art und Weise hatte lernen müssen. Aber er hatte gelernt und auch wenn er vieles verloren hatte, so hatte er dennoch etwas gewonnen. Wissen und Erfahrung, die ihn davor bewahren würden, die gleichen Fehler noch einmal zu begehen. I just don’t know what to do There’s an empty space in my heart for you Max legte den Stift wieder neben sich auf das Bett und erneut glitten seine Finger über die Saiten. Leicht hielt er seine Augen dabei geschlossen und konzentrierte sich auf das Bild was vor seinem geistigen Auge auftauchte. Ein Bild, welches ihm ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte, das einzige was seine Tage im Moment noch erhellen konnte. Aber mit jedem Tag der verging, wurde das Licht dunkler und der Schmerz größer. Manchmal hatte er das Gefühl einfach durch zu drehen, die Wände hochgehen zu können, einfach alles hin zu werfen. Nicht nur einmal war in dieser Phase etwas quer durchs Zimmer geflogen, aber das war die einzige Möglichkeit die er hatte, doch nicht durch zu drehen. Vieles kam ihm auf einmal so sinnlos vor, als verschwendete Zeit, dass er sich bemühen musste sie in Angriff zu nehmen. I hate the playin’ around I got to learn to keep what I found Aber ihm war klar, dass er nicht aufgeben durfte, dass er weitermachen musste, auch wenn es ihm manchmal schwer fiel. Eine Stimme sagte ihm einfach, dass es Andrea wohl am wenigsten gewollt hätte, dass er aufgab. Sicherlich hatte er aus genau diesem Grund öfters mal mit dem Gedanken gespielt es doch zu tun um sie auf diese Art und Weise zu einer Reaktion zu zwingen. Sie so dazu zu bringen Kontakt mit ihm auf zu nehmen, aber nach wenigen Minuten schon war ihm klar, dass es das nicht war, was er wollt. Er wollte es aus eigener Kraft schaffen sie zurück zu gewinnen. Er wusste dass er es schaffen konnte, er musste nur noch einen Weg finden. There’s only one girl’s heart that I want to steal And this time I want it for real Das Klingeln seines Handys riss Max aus seinen Gedanken und nur widerwillig legte er die Gitarre beiseite und griff nach dem Telefon. „Was gibt’s?“, fragte er ein wenig murrend ins Telefon. „Wie sieht's aus mit heute Abend einen trinken gehen?“, kam es von Per, der am anderen Ende der Leitung war. „Schlecht weil keinen Bock“, meinte Max und sein Blick glitt wieder aus dem Fenster. „Das haben wir uns schon fast gedacht und deswegen stehen wir auch vor der Türe um dich mit zu nehmen.“ „Dann war euer Weg umsonst weil ich mache die Türe nicht auf.“ „Brauchst du auch nicht, denn das hat deine Schwester schon gemacht, die wir vor dir angerufen haben.“ „Dann geht mit ihr weg, aber lasst mich in Ruhe ich hab keinen Bock“, kam es genervt von Max, den zwar die Versuche seiner Freunde ehrte, die ihm aber doch manchmal auf den Geist gingen. „Max du kannst doch nicht ewig nur in deinem Zimmer hocken“, meinte Per am Telefon und öffnete gleichzeitig die Türe und kam ins Zimmer. Das Handy steckte er in seine Hosentasche, während er Max ansah. „Seit Tagen gehst du nur raus wenn es sich nicht verhindern lässt und wären die Proben nicht, würdest du wohl gar nicht mehr aus dem Haus gehen.“ „Ja und? Das ist doch mein Problem oder?“, sprach Max und warf das Handy auf das Bett. „Was mischt ihr euch da eigentlich alle ein?“ „Weil wir deine Freunde sind und keine Lust haben zu zuschauen wie du dich hier aufgibst.“ „Zwingt euch ja keiner hin zu schauen“, murmelte Max und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Per überhörte das gemurmelte Kommentar und zog sich stattdessen einen Stuhl heran, während Tim und Stefan auf dem Schreibtisch Platz nahmen. „Es ist doof gelaufen, läuft noch immer doof, aber das ist doch trotzdem kein Grund sich in seinem Zimmer zu verstecken“, meinte nun Stefan und sah Max an. „Ich verstecke mich überhaupt nicht“, widersprach Max und streckte seine Beine aus. „Ach nein? Wie nennst du es dann wenn du alles und jedem aus dem Weg gehst, dich hier verbunkerst und niemanden mehr an dich ran lässt? Urlaub machen?“ „Ich habe nur schlichtweg keine Lust raus zu gehen Tim“, sagte Max und verdrehte die Augen. „Keinen Bock mit einem Grinsen durch die Welt zu laufen, wenn es mir nicht danach zu Mute ist. Ist doch so schwer nicht zu verstehen oder?“ „Dass du im Moment nicht gut drauf bist, das merken wir alle“, sagte Per und sah kurz zwischen allen hin und her. „Meinst du für uns ist die aktuelle Lage einfacher? Sicherlich wir haben es nicht so schwer wie du, aber deine Launen gehen uns auch an die Substanz. An dem einen Tag sprichst du kaum ein Wort, im nächsten Moment brüllst du in der Gegend herum und kurz darauf sitzt du schweigsam und abwesend in einer Ecke. Wir haben keine Ahnung welcher Gefühlsausbruch als nächstes kommt, müssen jederzeit mit allem rechen, aber trotzdem gehen wir dir nicht aus dem Weg.“ „Genau“, meinte Stefan und nickte Per zu. „Wir sind eine Band, wir sind Freunde und Scheiße überlege dir doch mal wie lange wir uns alle schon kennen. Du glaubst doch nicht wirklich wir schauen tatenlos zu wie einer von uns in seinem Zimmer Spinnweben ansetzt? Da hast du dich aber geschnitten.“ „Liebeskummer ist hart, aber nicht gleich das Ende der Welt“, meinte Tim und sprach weiter bevor Max ihm ins Wort fallen könnte. „Und ja ich weiß was Liebeskummer ist. Ich befand mich selbst schon in so einer Lage und weiß wie du dich fühlen musst. Alles scheint so sinnlos, so nutzlos und am liebsten würde man einfach nur schlafen und nicht mehr aufwachen richtig? Aber genau das ist der falsche Weg. Man darf nicht zurück schauen, sondern man muss nach vorne schauen. Nicht die Vergangenheit ist von Belangen sondern die Zukunft.“ „Sag mal Tim hast du heute deine Nase zu tief in ein Phrasenlexikon geworfen?“, fragte Per mit leicht hochgezogenen Augenbrauen. „Entweder das oder er besucht heimlich einen Philosophiekurs“, meinte Stefan und bekam dafür von Tim eins gegen den Arm. „Naja wo er recht hat, hat er recht“, kam es von Max, auf dessen Gesicht sich doch tatsächlich ein Grinsen gebildet hatte. „Juhuu ich habe mal Recht bekommen“, lachte Tim und hüpfte um den Tisch herum, ehe er sich wieder setzte. „Ich glaube das hättest du jetzt besser nicht tun sollen, weil das reibt er uns jetzt bestimmt die nächsten 3 Tage unter die Nase“, seufzte Stefan gespielt auf. „Also was ist jetzt? Kommst du mit oder kommst du mit?“, fragte Per und sah Max abwartend an. „Habe ich eine andere Wahl?“, fragte Max, auch wenn er sich die Antwort schon denken konnte. „Ähm.... Nein“, sagte Stefan grinsend und rutschte vom Tisch. „Und solltest du versuchen dich zu wehren, dann haben wir auch schon eine passende Lösung“, meinte Tim und kramte ein paar Plüschhandschellen unter seinem Pullover hervor und ließ sie an seinem Zeigefinger baumeln. „Ihr habt doch alle einen Sprung in der Schüssel“, kam es von Max, der sich beim Anblick der Handschellen an den Kopf langen musste. „Und nein ich will nicht wissen woher ihr die habt.“ „Mag sein dass wir einen an der Klatsche haben, aber alles erfolgt im Auftrag der Guten Tat“, lachte Per und stellte den Stuhl zurück an seinen Platz. „Ok Ok... Bei Drei gegen Einen hab ich wohl keine andere Wahl“, seufzte Max und erhob sich vom Bett. „Aber ich schwöre euch... Sollte irgendwann einmal jemand von euch in der gleichen Lage befinden wie ich mich gerade, dann gehe ich ihm genauso auf den Keks wie ihr mir.“ „Ach komm schon... Gib doch zu dass du uns lieb hast“, feixte Per, brachte sich aber besser in Sicherheit. Zu sehr sollte man es dann vielleicht doch nicht übertreiben. „Und wie“, kam es von Ironie nur so tropfend von Max, der sich gerade umzog. „Genau das wollten wir von dir doch nur hören“, lachte Stefan und steckte seine Hände in die Hosentasche. Es war ja doch besser gelaufen als ursprünglich erwartet und die Luftveränderung würde Max bestimmt gut tun. Sie drei würden schon dafür sorgen dass er mal auf andere Gedanken kam und mal abschalten konnte. So konnte es einfach nicht weiter gehen und wenn nicht bald etwas passierte, dann war das Chaos so oder so wohl perfekt. Im Moment hoffte er nur, dass das Konzert welches sie in wenigen Tagen hatten, nicht in so einem Fiasko endete, wie die letzte Probe. Irgendwie mussten sie Max wieder auf den Damm bringen, ansonsten würde das Konzert wohl das schlechteste in ihrer gesamten Laufbahn werden und das konnten sie sich einfach nicht leisten. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Erst spät in der Nacht kam Max wieder zurück nach Hause und er war irgendwie froh darüber das Haus verlassen zu haben und noch mehr froh war er darüber, solche Freunde zu haben. Sie hatten es tatsächlich geschafft ihn auf andere Gedanken zu bringen und das hatte ihm geholfen klar zu sehen. Er wusste jetzt genau was er zu tun hatte, auch wenn es für andere wohl verrückt, ja gerade zu wahnwitzig zu sein schien, für ihn war es das nicht. Er war sich sicher, so sicher wie er es noch niemals in seinem Leben gewesen war. Ja er hatte eine Entscheidung getroffen, von der er genau wusste dass sie seine Zukunft massiv beeinflussen würde, aber er würde den Schritt gehen und er wusste auch schon genau wann dieser Zeitpunkt sein würde. Alles hatte dort angefangen und nun würde dort ein weiteres Kapitel seinen Anfang finden. Kapitel 35: The Final --------------------- Kapitel 35 – The Final „Ich weiß nicht ob es gut ist wenn ich da heute auftauche“, meinte ich und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand. „Das ist Schwachsinn und das weißt du auch“, kam es vom andere Ende der Leitung. „Du hast die letzten Wochen nur dafür gearbeitet und jetzt willst du nicht sehen was du geleistet hast? Sorry Andrea aber das kann ich mir nicht vorstellen.“ „Ja irgendwie will ich es ja schon sehen, aber....“ „Da gibt es kein Aber und ich lasse schon gar kein Aber gelten. Du wirst da sein und wenn ich dich dafür persönlich abholen muss“, meinte die Person am anderen Ende des Telefons und ich musste leise auflachen. „Ok, ok... Du hast gewonnen Benedikt. Ich merk schon dass jegliche Ausflüchte von dir schon im Keim erstickt werden und das solange bis ich meinen Hintern ins Auto gesetzt habe oder?“ „Das hast du vollkommen richtig interpretiert“, lachte Benedikt auf. „Und gib's doch einfach zu... Du freust dich doch wieder nach Berlin zu kommen.“ Leise lachte ich auf und nickte mit dem Kopf, auch wenn er das natürlich nicht sehen konnte. Er hatte Recht mit dem was er sagte, ich freute mich wirklich zurück nach Berlin zu kommen. Die letzten Wochen hatte ich daheim bei meinen Eltern verbracht und mich vor allem und jedem sozusagen versteckt. Hatte versucht Abstand von der ganzen Sache die passiert war zu bekommen, einfach wieder einen klaren Kopf zu haben und vernünftig denken zu können. Als ich hier angekommen war, da war ich erleichtert weit weg zu sein. Weg von Berlin, weg von den Leuten die mich enttäuscht hatten und weit weg von der Person, von der ich mich betrogen und im Stich gelassen gefühlt hatte. Aber je mehr Tage vergangen waren, je mehr Zeit ich mit Nachdenken verbracht hatte, desto fremder hatte ich mich hier gefühlt. Ich hatte angefangen Berlin zu vermissen, meine Wohnung zu vermissen. Ich hatte angefangen Jules zu vermissen die mir so oft mit ihrer Art auf den Geist gegangen war, die mich mit ihrer Art manchmal beinahe zur Weißglut gebracht hatte. Aber trotzdem war sie in so vielen Situationen für mich da gewesen. So oft hatte sie für mich Zeit aufgebracht, die sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht gehabt hatte. Wie oft hatte sie mir zugehört, obwohl sie andere Pläne gehabt hatte. Es hatte eigentlich nie ein Problem in meinem Leben gegeben, welches ich nicht mit ihrer Hilfe hatte lösen können. Aber es gab eine weitere Person in meinem Leben die ich angefangen hatte zu vermissen und das mehr, als ich mir vor wenigen Tagen noch hatte vorstellen können. Es war nicht eine Nacht vergangen in der ich nicht von ihm geträumt hatte, nicht ein einziger Tag an dem ich nicht an ihn gedacht hatte. Ich hatte seine Stimme in der Stille gehört, sein Gesicht vor mir gesehen und das so deutlich, dass ich oftmals meine Hand ausgestreckt hatte um mich zu vergewissern, ob er nicht vielleicht doch vor mir saß. Aber er hatte es nicht getan. Er hatte es in den ganzen vergangenen Tagen nie getan, so sehr ich es mir auch gewünscht hatte. Immer öfter hatte ich mich dabei ertappt, wie ich an ihn gedacht hatte, mich an alte gemeinsame Zeiten erinnert habe, als noch alles in bester Ordnung gewesen war. Ja ich hatte mich sogar wieder an so viele Erlebnisse auf der Tour zurück erinnert, von denen ich gedacht hatte sie längst vergessen zu haben. Aber sie waren mit jedem Tag den ich aus Berlin weg war deutlicher geworden. Ja der Schmerz dass er mich betrogen hatte war noch immer vorhanden, aber ein ganz anderer Schmerz hatte begonnen diesen Schmerz zu verdrängen, ihn verblassen zu lassen. Der Schmerz ihn nicht bei mir zu haben, hatte mich in den letzten Tagen beinahe verrückt werden lassen. So viele Male hatte ich das Telefon schon in meiner Hand gehalten, die Nummer bereits eingetippt, aber jedesmal hatte mich der Mut verlassen. Jedesmal hatte ich das Telefon wieder beiseite gelegt, noch ehe die Verbindung aufgebaut war. Ja ich hatte Angst davor seine Stimme zu hören, Angst vor dem was er vielleicht sagen könnte, Angst davor ihn wirklich verloren zu haben. Er hatte einen Fehler gemacht, aber war der Fehler den ich begangen hatte nicht der Größere gewesen? Ihm nicht die Chance zu geben alles zu erklären? Ihm nicht die Chance zu geben alles wieder gut zu machen? Ich war einfach gegangen, abgehauen ohne ihm zu erklären warum ich ging, warum ich so handelte oder ihm zu sagen wohin ich gehen würde. Ich hatte ihn in Unwissenheit zurückgelassen, ihn vermutlich so leiden lassen, wie ich gelitten hatte. Nein es war nicht fair von mir gewesen ihm seinen Fehler mit gleicher Münze zurück zu zahlen. Aber das alles war mir erst klar geworden, nachdem ich Berlin verlassen hatte. Mit jedem Tag der vergangen war, war die Erkenntnis stärker geworden. Und nun saß ich hier und wusste nicht wie ich mich bei ihm entschuldigen sollte. Wie ich ihm die ganze Sache erklären sollte, so wie er vermutlich nicht wusste, wie er mir seinen Fehler erklären sollte. Ja ich hatte wohl wirklich dafür gesorgt dass die Lücke zwischen uns unnötig vergrößert worden war. Ich wusste nicht ob alles vorbei war, wusste nicht ob es noch eine Chance für uns gab, aber noch weniger wusste ich, ob ich es schaffen würde es zu erfragen. Die Furcht vor einem Nein war einfach zu mächtig und lähmte sämtliche meiner Handlungsweisen, meines Denkens. Es ging sogar soweit, dass ich Angst davor hatte ihm überhaupt zu begegnen, weswegen ich auch Benedikts Bitte zuerst mit einem Nein beantwortet hatte, auch wenn mir klar war, dass er ein Nein nicht akzeptieren würde. „Ich nehme an du möchtest eine ehrliche Antwort?“, meinte ich zu ihm und strich mir mit den Fingern ein paar Haare hinter das Ohr. „Habe ich jemals etwas anderes akzeptiert?“ „Ja ich freue mich zurück nach Berlin zu kommen und...“ „Und...?“ „Und ich werde danach nicht wieder zurückfahren sondern in Berlin bleiben.“ Ich hörte ein leises Seufzen am anderen Ende der Leitung das mich für einen Moment verunsicherte. War die Entscheidung wirklich die richtige gewesen? Sollte ich sie nicht doch noch einmal überdenken? Vielleicht war es doch besser nicht wieder zurück nach Berlin zu gehen? So viele Gedanken schossen mir in dem Moment durch den Kopf, dass ich gar nicht wusste, welchen davon ich zu Ende denken sollte. „Weißt du dass das gerade die beste Nachricht überhaupt an diesem Tag, nein in den letzten Wochen gewesen ist? Endlich ist dir klar geworden dass du nach Berlin gehörst.“ Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Es tat gut zu hören, dass es jemand gab, der sich über meine Entscheidung freute und das schien er wohl zu tun wenn ich seinen Worten Glauben schenken konnte. In den ganzen letzten Tagen hatte er nicht ein Wort darüber fallen lassen was in Berlin los war, nicht ein Wort über Max fallen lassen. Die Gespräche die ich mit ihm geführt hatten, hatten sich ausschließlich um das Event gedreht, welches an diesem Abend stattfinden würde. Manchmal hätte ich ihn am liebsten dafür durchs Telefon hindurch erwürgt, aber andererseits war ich froh darüber gewesen, dass er mir nichts gesagt hatte, denn es hätte mich wohl nur bei meiner Entscheidung beeinflusst. „Du freust dich doch nur darüber, weil du jetzt wieder auf einen Kaffee vorbeikommen kannst“, zog ich ihn lachend auf und ja so langsam wurde die Freude auf Berlin, auf diesen Abend immer größer. Ein Abend, an welchem ich mitgearbeitet hatte, in den ich so viel von meiner Freizeit gesteckt hatte und nun würde ich mit eigenen Augen sehen können, ob es den Stress und die Mühen wert war. „Mist! Ertappt!“, fiel Benedikt in mein Lachen ein. „Ha! Ich hab's doch gewusst. Du kannst einfach nichts vor mir verbergen.“ „Na das werden wir noch sehen ob ich das nicht doch kann“, meinte Benedikt am anderen Ende und ich konnte sein Grinsen bildlich vor mir sehen. „Dann sag ich mal wir sehen uns heute Abend um 5 im SO. Soll ich dir erklären wie du hin findest?“ „Sag mal willst du mich jetzt hier veräppeln?“ „Würde mir doch niemals einfallen.“ „Nein dir doch nicht. Wie komme ich da nur drauf“, meinte ich grinsend und erhob mich vom Boden, auf welchen ich mich während des Gespräches gesetzt hatte. „Keine Sorge ich werde pünktlich sein und wehe dir es steht kein Bier kalt wenn auftauche.“ „Kaltes Bier um Vier, ne halt Fünf... Ist notiert und wird erledigt.“ Ich verkniff mir das zu sagen was mir in diesem Moment durch den Kopf ging und beließ es daher mit einem lachenden „Bis später“. Das Telefon legte ich zurück auf die Anrichte die im Flur meiner Eltern stand und ging in die Küche in der meine Mutter gerade anfing die Zutaten fürs Abendessen aus dem Kühlschrank zu holen. „Mum? Für mich brauchst du heute nicht mitkochen“, meinte ich zu ihr und ließ mich an den Küchentisch sinken. „Heißt das du hast dich dazu entschieden heute Abend doch nach Berlin zu fahren?“, fragte meine Mutter, schloss den Kühlschrank wieder und setzte sich zu mir an den Tisch. „Ja das habe ich“, kam es von mir während ich mit der leeren Kaffeetasse spielte. „Und ich werde danach auch in Berlin bleiben.“ „Hast du dir das auch gut überlegt?“ „Ich habe in den letzten Tagen nichts anderes gemacht als darüber nachzudenken ob ich es tun soll oder nicht, ob es die richtige Entscheidung ist oder nicht. Aber wie soll ich es herausfinden, wenn ich es nicht zumindest versucht habe? Ich meine ich kann doch nicht mein ganzes Leben vor schwierigen Entscheidungen davonlaufen oder darauf warten, dass ein Anderer sie für mich trifft. Wenn ich nicht jetzt anfange es zu lernen, dann werde ich es wohl nie lernen und den Rest meines Lebens vor allem davonlaufen.“ „Weißt du Andrea“, fing meine Mutter an und ein kleines Lächeln lag auf ihren Lippen. „Ich hab gehofft, dass du diese Entscheidung treffen wirst. Nicht dass ich dich nicht gerne hier habe, im Gegenteil ich freue mich immer dich zu sehen, aber ich denke einfach dass es Zeit wird, dass du deine eigenen Entscheidungen triffst. Mag sein dass du oftmals daneben liegst, aber du warst doch noch nie jemand der sich davon hat abhalten lassen. Egal wie oft du auch hingefallen bist, du bist immer wieder aufgestanden, also fange nicht jetzt an liegen zu bleiben. Ich weiß dass dies eine schwere Entscheidung war und ich bin stolz auf dich, dass du sie getroffen hast.“ Ich musste mich beherrschen dass mir nicht die Tränen in die Augen zu steigen, denn das Gefühl welches man fühlte, wenn einem die eigene Mutter sagte dass sie stolz auf einen war, war wohl mit nichts anderem zu vergleichen. „Du bist mir also nicht böse wenn ich jetzt einfach so verschwinde?“ „Aber nein! Welche Mutter kann ihrem Kind, welches versucht das zurück zu gewinnen was ihm am wichtigsten ist, nur böse sein?“ Ich stand von meinem Stuhl auf, ging langsam auf meine Mutter zu und nahm sie in die Arme. „Ich bin so froh eine Mutter wie dich zu haben“, sprach ich leise und das war die Wahrheit. Sie verstand mich immer, sogar wenn ich mich selbst nicht mehr verstand. Sie war immer hinter mir gestanden, egal was ich auch angepackt hatte. Sie hatte immer an mich geglaubt, mich in meinen Entscheidungen bestärkt und niemals an mir gezweifelt. „Ach übertreib nicht“, kam es von meiner Mutter, der das Ganze wohl ein wenig peinlich war. „Schau lieber dass du deine Sachen gepackt bekommst oder willst du etwa zu spät kommen?“ Damit stand sie auch schon von ihrem Platz auf und tat so als würde sie sich daran machen, das Essen zu zubereiten. Ich wusste dass ihr der Abschied alles andere als leicht fiel und deswegen machte ich lieber das was sie sagte um ihn ihr nicht noch schwerer zu machen. Meine Sachen waren eigentlich schnell gepackt, denn bei meinem überstürzten Verschwinden aus Berlin hatte ich auch nicht gerade viel mitgenommen. Das meiste davon hatte ich nicht einmal gebrauchen können, weil ich hatte damals einfach nur wahllos in den Schrank gegriffen, die Sachen in eine Tasche gestopft und das war es gewesen. Nachdem die Tasche gepackt und im Auto verstaut war, verabschiedete ich mich von meinen Eltern mit dem Versprechen sie über jedes Detail des Abends zu informieren, denn sie wollten natürlich wissen wie der Abend verlaufen war, an dem ihre Tochter mitgeholfen hatte. Ich setzte mich hinter das Steuer meines Wagens, lenkte ihn auf die Straße, warf noch einen letzten Blick durch die Heckscheibe, ehe ich um die Ecke bog und mich auf den Weg zur Autobahn machte. Für einen kurzen Moment musste ich auflachen, als ich mich daran zurück erinnerte wie ich mich damals mit Jules auf den Weg nach Berlin gemacht hatte und alles ganz anders gekommen war, als von uns geplant. „Sag mal Max kann es sein dass du mit den Gedanken gerade vollkommen woanders bist?“, fragte Per und legte seine Drumsticks nieder. „Das habe ich mich gerade allerdings auch gefragt“, kam es nun von Stefan der Per einen kurzen Blick zuwarf. „Ja sorry kann doch jedem mal passieren oder?“, meinte Max nur und verdrehte die Augen. „Ist doch nicht gleich ein Weltuntergang wenn man mal den Einsatz verpasst oder?“ „Einmal sicherlich nicht, aber jetzt das fünfte Mal in Folge? Also so unkonzentriert wie heute warst du in den letzten Monaten nicht mehr.“ „Is klar... Ihr seid ja auch alle sooo perfekt“, kam es nun gereizt von Max, der sich umdrehte und einfach den Proberaum verließ. Davor setzte er sich auf eine kleine Mauer und zündete sich eine Zigarette an. Gab es denn niemand mehr der ihn auch nur ein wenig verstehen konnte? Verstehen konnte warum es ihm gerade so schwer fiel sich zu konzentrieren? Jeder mit ein bisschen Verstand müsste es eigentlich verstehen, aber scheinbar war davon gerade niemand anwesend. „Was geht denn mit dem heute?“, kam es fragend von Julius, der Max verwirrt hinterher sah. „Es war doch seine Idee gewesen heute Mittag noch ne Runde einzulegen.“ „Ihr rafft's heute aber auch gar nicht oder?“, kam es von Tim, der seine Gitarre in den Ständer zurückstellte und nun in die Runde sah. „Hä wie meinst du das jetzt?“, fragte Stefan der sich mit dem Rücken gegen eine Box lehnte. „Willst du uns damit irgendwas sagen?“ „Jungs überlegt doch mal was heute für ein Tag ist.“ „Ähm Freitag?“ „Das auch, aber das wollte ich jetzt nicht hinaus Per.“ „Heute Abend haben wir nen Auftritt?“ „Danke Julius, so kommen wir der Sache schon ein Stückchen näher. Ok uns jetzt denkt mal weiter. Wir haben einen Auftritt ok und wo bitte findet der statt?“ „Na im SO, aber das weißt du doch“, meinte Stefan und warf Tim einen Blick zu, als wäre er jetzt vollkommen durchgedreht. „Aha und wann hatten wir unseren letzten Auftritt im SO gehabt? Na?“ „Das müsste... Warte mal... War das nicht vor nem halben Jahr ungefähr gewesen?“, kam es von Per, der sich da allerdings nicht so wirklich sicher war. Vielleicht war es auch schon länger, aber vielleicht waren es auch ein paar Monate weniger. Er war doch kein wandelnder Kalender. „Es war nicht nur ungefähr vor einem halben Jahr, sondern genau vor einem halben Jahr. Na klingelts jetzt?“ Wieder sah Tim fragend in die Runde, aber alle die er ansah, sahen ihn nur unverständlich an. Es schien wirklich absolut keiner darauf zu kommen, auf was Tim mit dieser Sache hinaus wollte. „Das kann doch nicht sein! Hab ich es hier gerade echt mit nem Haufen Emotionslosen zum tun?“ „Boah warum sagst du nicht einfach was los ist anstatt uns hier dumme Fragen zu stellen?“, kam es nun wieder von Stefan, dem die Fragerei ein wenig auf den Keks ging. „Mensch Leute es ist doch sowas von einfach“, meinte Tim und ließ sich auf das Sofa sinken, welches im Proberaum stand. „Wir spielen heute im SO, in dem wir zum letzten Mal vor einem halben Jahr gespielt haben und jetzt denkt mal scharf nach, was bei unserem letzten Konzert im SO passiert ist?“ Eine schweigsame Stille legte sich über den Proberaum als jeder anfing nachzudenken, als diese Stille plötzlich von einem lauten und dumpfen Ton durchbrochen wurde. „Gott sind wir Idioten“, kam es seufzend von Per, der mit dem Kopf auf seine Drums geknallt war. „Na endlich“, kam es von Tim der augenrollend im Sofa zurück sank. „Kann mich hier jetzt endlich mal jemand aufklären?“, fragte Stefan ungeduldig, denn er war noch immer nicht drauf gekommen. „Vor einem halben Jahr haben wir im SO gespielt und auf dem Weg dorthin 2 Mädchen auf einem Rastplatz aufgesammelt – Jules und Andrea. Max und sie haben sich vor genau einem halben Jahr im SO kennengelernt und im SO wurde damals auch die Entscheidung gefällt dass sie mit auf Tour geht. Im Endeffekt hat alles was danach passiert ist im SO angefangen und... Kein Wunder kann sich Max nicht konzentrieren“, erklärte Per und schüttelte seufzend seinen Kopf. „Gott ich würde mich auch nicht konzentrieren können müsste ich an einem solchen Datum an dem Ort spielen wo ich meine Freundin kennengelernt hab von der ich momentan nicht einmal weiß wie es ihr geht und was jetzt los ist und wir machen ihn auch noch dumm von der Seite an. Du hättest auch ruhig früher was sagen können Tim.“ „He, hee... Mal langsam“, meinte Tim und hob abwehrend die Hände. „Was kann ich dafür dass ihr euch sowas nicht merken könnt?“ „Du solltest uns doch mittlerweile gut genug kennen“, meinte Stefan, der nun seine Gitarre ebenfalls zurück in den Ständer stellte. Mit ruhigen Schritten verließ er den Proberaum und ging nach draußen wo er Max vorfand und sich zu ihm gesellte. „Wir sind nen Haufen Volltrottel und verdammt schlechte Freunde wenn wir nicht einmal mitbekommen was mit dir los ist und dich auch noch dumm von der Seite anmachen“, meinte Stefan und setzte sich neben Max auf die Mauer. „Hmmm“, murmelte Max nur und zog an seiner Zigarette. Ob das jetzt eine Zustimmung war oder nicht, war wohl in dem Moment Stefan überlassen. „Tim war der Einzige gewesen dem es aufgefallen ist und er hat uns gerade aufgeklärt und ich glaube würden wir in deiner Lage stecken, würden wir uns wohl auch nicht konzentrieren können“, sprach Stefan weiter und baumelte leicht mit den Beinen. „Klingt jetzt vielleicht doof, aber wenn ich oder wir etwas tun können, dann sag's.“ „Ja du hast recht, es klingt doof“, meinte Max und schnippte den Zigarettenstummel über den Hof. „Ich meine was wollt ihr denn schon tun? Meinen Part übernehmen? Die Location ändern? Händchen halten? Die Welt wieder in Ordnung bringen? Ein Wunder bewirken?“ Seufzend warf Stefan Max einen Blick zu. Er war ihm in diesem Moment nicht böse für das was Max gesagt hatte. „Schon seit Tagen versuche ich das Datum zu verdrängen... Ohne Erfolg. Seit Tagen versuche ich mir einzureden dass wir in einer anderen Location in Berlin spielen, aber es funktioniert einfach nicht“, sprach Max weiter und kramte seine Zigarettenschachtel wieder hervor und zündete sich eine an. „Ich hab Jules so lange genervt bis sie Benedikt angefangen hat zu nerven nur um zu erfahren wo sie steckt. Ich wusste dass sie bei ihren Eltern ist und was meinst du wie oft ich das Telefon in der Hand hatte? Was glaubst du wie oft ich mit dem Gedanken gespielt hab mir ein Taxi zu nehmen und zu ihr zu fahren? Und weißt du warum ich nichts davon getan hab? Weil ich zu feige bin. Ich hab Schiss vor dem was sie sagen könnte. Ich meine ich hab ihr meinen Schlüssel in den Briefkasten geworfen ohne ein Wort, ohne eine Erklärung. Erst betrüge ich sie und dann, als ob das nicht schon schlimm genug wäre, werfe ich ihr meinen Schlüssel ohne ersichtlichen Grund in den Briefkasten. Ich meine wie dumm kann man eigentlich sein?!“ Max nahm einen Zug an seiner Zigarette, blies den Rauch aus und fuhr sich anschließend durch die Haare. „Ich meine das Konzert heute Abend, daran hat sie mitgearbeitet, sie hat da ihre ganze Freizeit reingesteckt und jetzt spielen wir dort und vermutlich wird sie deswegen nicht einmal kommen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen dass sie große Lust verspürt mir über den Weg zu laufen. Ich hab ihr nicht nur ihr Leben versaut, nein ich versaue ihr jetzt auch noch ihren großen Moment für den sie sich die Nächte um die Ohren geschlagen hat.“ „Max du hast Fehler gemacht und das weißt du auch, aber meinst du nicht auch, dass du anfängst dir langsam die Schuld an Sachen zu geben, für die du gar keine Schuld trägst? Manchmal kommt es mir so vor, als würdest du zwanghaft nach Dingen suchen die schief gelaufen sind und für die du dir die Schuld geben kannst“, sprach Stefan ruhig und sah Max kurz von der Seite her an. „Willst du den Rest deines Lebens damit verbringen dir für alles was schief läuft die Schuld zu geben? Woher willst du wissen dass sie heute Abend nicht doch da ist? Woher nimmst du bitte die Gewissheit? Du hast keinerlei Beweise dass es so ist und trotzdem gehst du davon aus als wäre es Fakt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie will dass du heute Abend nicht auftrittst, sondern ich glaube viel eher, dass sie will dass du es tust. Sie weiß wie wichtig dir die Band ist, wie wichtig dir die Musik ist und das hat sie jeden Tag aufs Neue bewiesen. Hat sie dir jemals Vorwürfe gemacht wenn die Proben mal wieder länger gedauert haben? Hat sie dir jemals Vorwürfe gemacht wenn wir überraschend eine Probe angesetzt haben und sie ihre Pläne über den Haufen werfen musste? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. An was ich mich jedoch erinnern kann ist, dass sie uns jedesmal viel Glück gewünscht hat, dass sie sich mit uns zusammen über jeden Fortschritt gefreut hat, dass sie immer wieder nachgefragt hat ob wir einen neuen Song haben. Nur wenn du jetzt alles hinwirfst, den Auftritt heute Abend cancelst, erst dann hast du ihr wirklich alles versaut.“ „Und woher nimmst du die Gewissheit dass sie da sein wird?“, kam es von Max der Stefan nun einen fragenden Seitenblick zuwarf. „Solange ich keine Beweise dafür hab, dass sie nicht kommen wird, wird sie für mich anwesend sein“, meinte Stefan ruhig. Er wusste es nicht, aber sein Bauchgefühl sagte ihm einfach, dass es so war. „Bezeichne mich ruhig als unverbesserlichen Optimisten, wenn es dir dann besser geht, aber ich habe einfach ein gutes Gefühl was den Abend angeht.“ „Unverbesserlicher Optimist“, meinte Max und schnippte wieder den Stummel quer über den Hof. „Aber du hast recht, mir geht’s gleich viel besser.“ Stefan warf Max einen verwirrten Blick zu, ehe er leise auflachte und von der Mauer sprang. „Lass uns den Song noch einmal durchgehen sonst blamieren wir uns heute Abend nur“, meinte Stefan mit einem Grinsen und machte sich auf den Weg zurück in den Proberaum, gefolgt von Max. Ich war tatsächlich ohne größere Schwierigkeiten in Berlin angekommen und sogar ein Parkplatz in der Nähe des SO36 bekommen, so dass ich es nicht weit zum laufen hatte. Nicht dass mich ein kurzer Spaziergang gestört hätte, aber so war der Weg zum Auto nicht weit, sollte ich doch das Gefühl bekommen, schnell verschwinden zu müssen. Aber ich hoffte natürlich, dass dieser Moment nicht eintreten würde und ich würde auch alles dran setzen dass es nicht doch passierte. Ich hatte mir vorgenommen Max nicht über den Weg zu laufen, denn ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher ob er mich überhaupt sehen wollte. Wenn er es nämlich nicht wollte, dann würde ich ihm wohl den Abend verderben, sollte ich ihm dann doch über den Weg laufen. Aber als ich das SO betrat wurde mir klar, dass ich mir vorerst noch keinen Kopf darüber machen musste, denn außer der Crew war noch niemand anderes vor Ort. Mit einem kleinen Lächeln schlich ich mich von hinten an Benedikt heran, tippte ihm auf die linke Schulter um ihm dann von der rechten Seite ein fröhliches „Huhu“ an den Kopf zu werfen. Ein wenig erschrocken drehte sich Benedikt zu mir herum und wuschelte mir dann lachend durch die Haare. So wie eigentlich jedes mal wenn wir uns so über den Weg liefen. „Na hast du es ja doch noch pünktlich geschafft“, meinte er grinsend und gab einem aus der Crew noch ein paar kurze Anweisungen. „Hatte da schon meine Zweifel ob du auch wirklich auftauchst und es dir nicht auf halber Strecke anders überlegst.“ „He also so langsam solltest du mich doch kennen und wissen, dass wenn ich etwas verspreche, es auch einhalte“, entgegnete ich ihm und ließ meinen Blick kurz durch das SO schweifen. „Ich hoffe allerdings du hast dein Versprechen auch eingehalten.“ „Steht hinten im Kühlschrank mit einem großen Zettel dran, damit sich auch ja niemand daran vergreift“, lachte Benedikt und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „Ich wusste doch dass man sich auf dich verlassen kann“, meinte ich und ging langsam einen Schritt zurück. „Zumindest was das Kaltstellen von Bierflaschen angeht. Beim Rest zweifel ich noch.“ „Ich geb dir gleich Zweifel“, rief Benedikt mit großen Augen aus und setzte auch schon hinter mir her, als ich mich natürlich sofort nachdem ich ausgesprochen hatte, umdrehte und davon rannte. Aber natürlich war die Flucht nicht von langer Dauer, denn schon nach wenigen Schritten hatte er mich eingeholt. Er machte eben doch die größeren Schritte. „Ich ergebe mich ja schon!“, meinte ich zu ihm und zog den Kopf zwischen die Schultern, denn sicher war ja bekanntlich sicher. „Dafür wirst du am Montag ganz schön ackern dürfen, das schwöre ich dir“, kam es von Benedikt mit einem kleinen Zwinkern. Er war mir keineswegs böse, sondern viel eher war er erleichtert. Er hatte sich die ganze Zeit gefragt in welchem Zustand ich wohl heute Abend in Berlin auftauchen würde und deswegen freute es ihn natürlich um so mehr, beinahe wieder die Person vor sich zu haben, die er damals auf die Tour eingeladen hatte. „Aber da wir nicht hier sind um Spaß zu haben, sondern um zu arbeiten, werde ich dich jetzt mal aufklären was noch alles zu machen ist.“ „Du bist der Boss.“ „Dass ich den Tag noch erleben darf“, seufzte Benedikt theatralisch auf und erklärte mir in kurzen Worten, welche Sachen noch zu machen waren und wo man eventuell noch etwas ändern konnte. Klar war dieses Event schon vor Wochen geplant gewesen und das auch bis ins kleinste Detail, aber es war normal dass nichts so klappte wie man es eingeplant hatte. Es gab immer wieder Faktoren die einem einen Strich durch die Rechnung machen konnten und mit denen man erst vor Ort konfrontiert wurde. Aber Benedikt und die Crew hatten genug Erfahrung um die Probleme relativ zügig und ohne große Komplikationen zu lösen. Die ganze Zeit hatte ich genug um die Ohren um gar keine Zeit zum Nachdenken zu haben, doch kaum war alles fertig, so fing ich doch wieder an zum grübeln. Darüber ob die Entscheidung richtig gewesen war, wie ich Max am Besten aus dem Weg würde gehen können, wo ich mich aufhalten würde können ohne dass er mich sehen konnte. Ja ich machte mir ehrlich gesagt mehr Sorgen darüber, dass er mich sehen könnte, als darüber, dass vielleicht plötzlich der Strom ausfallen könnte oder eine Band nicht auftreten würde können. Aber Gott sei Dank blieb mir zum Grübeln nicht viel Zeit, denn nicht einmal eine halbe Stunde nachdem die letzte Überprüfung stattgefunden hatte, wurden auch schon die Türen für die Besucher geöffnet und ein buntes Stimmengewirr erfüllte das SO36. Ich war überrascht wie viele Leute an diesem Abend gekommen waren, auch wenn es mich nicht hätte wundern dürfen wenn ich einen Blick auf das Line Up warf. „Also entweder du legst jetzt mal nen Zahn zu oder aber wir kommen gerade so kurz vor knapp an und darauf kann ich eigentlich verzichten“, meckerte Stefan herum, dem das gerade alles mal wieder viel zu langsam ging. „Ist doch vollkommen egal ob die Gitarre jetzt gestimmt ist oder nicht, wenn du die vor dem Auftritt so oder so nochmals nachstimmst.“ Stefan verstand einfach nicht, warum Tim da jetzt so ein Theater veranstaltete. Wenn Max versuchen würde Zeit zu schinden, dann wäre das ja noch nachvollziehbar, aber doch nicht bei Tim. Er hatte absolut keinen Grund dafür und mittlerweile sollte er eigentlich auch so geübt darin sein, dass er sich nicht mehr vor Nervosität in eine Ecke verkrümmelte. „Bin ich hier eigentlich der Einzige der sich auf den Abend freut?“, fragte Stefan und sah in die Runde. „Ich meine geile Mukke, geiler Abend, geile Leute, die Bühne rocken... Das ist doch das was wir wollen oder habt ihr eure Meinung mittlerweile wieder geändert?“ „Also ich weiß ja nicht was du vorhast Stefan, aber wir machen uns jetzt auf den Weg“, kam es grinsend von Per, der zusammen mit den anderen bereits am Wagen stand. „Boah ihr könnt mich doch echt alle mal“, murmelte Stefan leise vor sich hin und rollte mit den Augen. Also manchmal konnten ihn die Jungs echt an den Rand der Verzweiflung treiben. Egal was man auch sagte oder tat, sie schafften es immer wieder einem die Worte im Munde herum zu drehen. Ja dafür hatten die Jungs echt ein Talent entwickelt im Laufe der Zeit. Stefan langte nach seiner Mütze, setzte sie sich auf und stieg nach den anderen in den Wagen, der sie zum SO bringen würde. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass sie sich beeilen würden müssen, denn nur weil sie als letztes spielten bedeutete das nicht, dass es reichte wenn sie 10 Minuten vor Auftritt einliefen. Gut es waren noch 2 Stunden hin bis zu ihrem Auftritt, aber er wollte natürlich schon hören was die anderen Bands so auf dem Kasten hatten und vielleicht hier und da ein nettes Gespräch führen. Auf dem Weg zum SO entschied man sich dafür, lieber zum Hintereingang zu fahren, anstatt direkt davor zu halten, denn ein Auflauf musste man nicht unbedingt provozieren. Außerdem konnte sie so noch eine Runde entspannen ehe es los ging. Sie waren schon öfters im SO36 aufgetreten und trotzdem war es jedes mal etwas neues. Jeder Auftritt war etwas besonderes, etwas ganz eigenes gewesen und so würde es auch bestimmt dieses mal sein. Lachend stiegen alle aus dem Wagen und betraten durch den Hintereingang das SO. Wobei es waren nicht alle die lachten, denn es gab eine Person, die schweigend den anderen folgte. Max zweifelte noch immer daran, ob er es wirklich durchziehen konnte. Ob er es wirklich schaffen würde den Auftritt zu absolvieren ohne sich etwas anmerken zu lassen, ohne sich von dem Datum oder dem Ort beeinflussen zu lassen. Aber es war egal wohin er auch sah, irgendwie wusste er zu jeder Stelle eine Geschichte zu erzählen. Sei es der Raum in welchem er Andrea damals gebeten hatte dafür zu sorgen dass Jules ihm nicht zu nahe kam, der Ort an dem sie ihr offenbart hatten dass sie die Tour mitfahren durfte... Ja wenn er genau hinsah hatte er sogar das Gefühl einen Film zu betrachten, so deutlich waren die Bilder vor seinem Auge. Aber er wollte seine Freunde nicht enttäuschen und absagen, er wollte die Fans dort draußen nicht enttäuschen die extra wegen ihnen nach Berlin gekommen waren. So viele Leute zählten auf ihn, dass ihm eigentlich gar keine andere Wahl blieb als an diesem Abend die Bühne zu betreten und sein Bestes zu geben. Während die anderen Bandmitglieder immer wieder den Backstagebereich verließen um sich unter die Besucher zu mischen, hier und dort ein Gespräch zu führen, ein wenig zu scherzen und vielleicht auch zu flirten, zog er es vor alleine zu bleiben. Die Beine auf den Tisch gelegt, saß er auf einem Sofa, in der Hand eine Zigarette und vor sich eine offene Flasche Bier. Normalerweise war es nicht seine Art vor dem Auftritt zu trinken, aber im Moment erschien es ihm als die einzige Möglichkeit auf andere Gedanken zu kommen. Ein schwacher Hoffnungsschimmer auf diese Art etwas abschalten zu können. Dass er sich im Endeffekt damit selbst verarschte war ihm auch klar und trotzdem konnte er es nicht lassen. In den letzten Tagen hatte er sich oft solchen Momenten hingegeben, sich einfach nur sinnlos zulaufen lassen um wenigstens ein paar Stunden an nichts denken zu müssen. Einfach die Probleme links liegen lassen und sich treiben lassen. Am nächsten Morgen jedoch waren die Probleme wieder da gewesen und einen mächtigen Kater noch dazu, was ihn aber nicht davon abgehalten hatte, abends wieder das gleiche zu machen. Sich wieder dem trügerischen Gefühl hinzugeben, welches einem zuviel Alkohol vermittelte. Als ich Stefan zwischen den Besuchern entdeckte wurde mir wieder klar, dass nun wohl auch Max anwesend sein musste. Vermutlich saß er im Backstagebereich, so wie er es immer tat. Vermutlich würde er eine Zigarette rauchen und sich auf den Abend vorbereiten. Im Kopf den Ablauf durchgehen, vielleicht noch ein paar Akkorde auf seiner Gitarre spielen und dann einfach nur darauf wartend endlich die Bühne betreten zu können. Die Bühne war seine Heimat, der Ort wo er sich immer am wohlsten gefühlt hatte, wo er einfach nur er selbst sein konnte. Ich spürte wie ich nervös wurde, wie die Angst langsam in mir hoch kroch. Die Angst ihm zu begegnen und nicht zu wissen was sagen. Die Angst von ihm ignoriert zu werden, nicht beachtet zu werden. Sicherlich konnte auch das genaue Gegenteil eintreten, vielleicht würde er sich freuen mich zu sehen, vielleicht würde er mit mir reden wollen, aber das heraus zu finden war ein Risiko und ich wusste nicht ob ich wirklich schon dazu bereit war es einzugehen. Ich merkte wie mein Blick immer wieder zu der Türe glitt, hinter der er wohl sitzen würde. Es wäre so einfach wenn ich es hätte tun wollen. Es wären nur ein paar wenige Schritte, die Türklinke hinunter drücken, wieder ein paar Schritte gehen und reden. Aber auch wenn es nur wenige Schritte waren, so kamen sie mir in diesem Moment als eine nicht überwindbare Hürde vor. Nein sollte ich wirklich mit ihm reden, so würde das nicht vor seinem Auftritt sein. Vor mir standen Fans die sich auf einen Auftritt der Band freuten und sie sollten nicht enttäuscht werden. Sie sollten das bekommen, was sie verdienten und das war ein geiler Auftritt. Doch genau diesen würde ich mit einer unüberlegten Handlung riskieren und ich hatte schon zu vieles zerstört, da musste es nicht sein, dass noch andere darunter litten. Zusammengenommen bedeutete das, dass mich niemand aus der Band entdecken durfte, denn die Gefahr dass sie es Max erzählen würden, war einfach zu groß, also achtete ich peinlichst darauf, dass sie mich nicht sahen. Für Unbeteiligte war es sicherlich amüsant zu beobachten wie ich jedes mal in die Hocke ging, mich hinter etwas oder jemanden versteckte, kaum war auch nur ein Mitglied der Band in meiner Nähe. Ich atmete beinahe schon erleichtert auf, als die letzte Band vor Empty Trash die Bühne verließ. Endlich hatte das mühsame und irgendwo auch lächerliche Versteckspiel ein Ende. Noch nervöser als so oder so schon stand ich auf meinem Platz, meinen Blick stur auf die Bühne gerichtet. Ich hörte die Rufe im Publikum, aber ich nahm sie gar nicht richtig wahr. „Wenn du deine Hände noch mehr um die Flasche verkrampfst, dann bist du die erste Frau die ich kenne, die eine Bierflasche mit bloßer Hand zum platzen gebracht hat.“ Verwirrt drehte ich mich um und sah Benedikt verständnislos an. Hatte er gerade etwas zu mir gesagt und wenn ja, was zum Henker hatte er gerade gesagt? Ich hatte irgendwie nicht einmal die Hälfte mitbekommen. „Wie? Was?“ „Die Flasche“, meinte Benedikt und deutete mit der Hand auf die Bierflasche. „Wenn du so weiter machst, dann zerspringt sie noch.“ „Flasche? Ach so... Ja... Stimmt... Sorry“, murmelte ich und stellte die Flasche schnell auf die Box neben mich. Ich war nur froh dass es an der Stelle an der ich gerade stand, dunkel war und man so nicht sehen konnte, dass mir die Situation peinlich war. Ich machte mich hier total zum Affen und bemerkte es nicht einmal mehr. „Alles Ok?“, fragte Benedikt vorsichtig nach und legte mir die Hände auf die Schultern. „Nein... Ja!... Ehrlich?... Nein“, murmelte ich und schüttelte den Kopf. Nein verdammt es war überhaupt nichts Ok. Weder war es Ok dass ich ihm aus dem Weg ging, noch war es OK dass er mir aus dem Weg ging und am allerwenigsten war es Ok, dass wir getrennt hier her gekommen waren. Es war falsch und sollte so nicht sein. „Habe ich dir eigentlich schon gesagt dass ich stolz auf dich bin?“, kam es ruhig von Benedikt dessen Hände noch immer auf meinen Schultern lagen. „Stolz? Du bist auf mich stolz? Aber warum?“, fragte ich verwundert und verwirrt zugleich nach. Ich hatte absolut keine Ahnung warum er gerade auf mich stolz war. „Du bist heute Abend hier obwohl du genau weißt dass er auch hier sein wird. Es ist unheimlich leicht vor etwas oder jemanden davon zu rennen, aber sich jemanden stellen, sich seinen Problemen stellen kostet Kraft und nicht jeder hat den Mut dazu. Du aber hast ihn und das ist der Grund warum ich stolz auf dich bin. Du lagst am Boden, aber du bist wieder aufgestanden. Du bist eine Kämpferin und ich weiß, dass du so schnell auch nicht aufgeben wirst“, sprach Benedikt ruhig und lächelte leicht dabei. „Du bist stark, auch wenn du dir immer und immer wieder einredest schwach zu sein. Aber ich glaube der Moment an dem du dir deine Stärke zu Nutzen machst, wird kommen.“ Wieder einmal hatte es Benedikt geschafft mich vollkommen aus dem Konzept zu bringen mit dem was er sagte. Auf der einen Seite klang alles so logisch, aber genau das war es, was mich immer so verwirrte. Es klang einfach zu logisch, zu offensichtlich dass ich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr erkannte. Aber seine Worte hatten zumindest einen positiven Effekt, sie hatten mich von meinem eigentlichen Problem abgelenkt. Ich hatte gar nicht mitbekommen wie die Jungs die Bühne betreten hatten und die Mädels davor das Kreischen begonnen hatten. „Guten Abend BERLIN!“, rief Max in das Mikro und ließ seinen Blick über die Köpfe der Fans wandern. „Geht's euch gut?“ Ein lautes Gekreische erfüllte die Halle und brachte sämtliche Lautstärkepegel zum ausschlagen. Es war immer wieder faszinierend zu was die menschliche Stimme doch fähig war. Selbst Menschen die sonst kaum einen Ton in einem Gespräch rausbekamen, schafften es hier die Halle zum beben zu bringen. „Ich denke das kann man als Ja durchgehen lassen“, meinte er lachend und sah zu den Jungs. „Oder was denkt ihr?“ Alle Jungs machten einen etwas nachdenklichen Gesichtsausdruck, ehe sie alle grinsend anfingen zu nicken. „Habt ihr Bock auf Empty Trash?“, rief Max wieder in das Mikro und das Kreischen der Fans wurde noch lauter, als zuvor schon, auch wenn man das nicht für möglich gehalten hätte. Einerseits war es schmerzhaft ihn dort oben auf der Bühne zu sehen und andererseits machte es mich auf eine gewisse Art und Weise stolz. „Let's Rock“, rief Max ins Mikro und schon legten die Jungs los. Schon gleich zu Anfang ließen sie es mit LA Queen so richtig krachen und verwandelten die Menge vor der Bühne innerhalb von wenigen Akkorden in eine hüpfende Masse. Es war immer wieder aufs Neue faszinierend welchen Einfluss die Jungs auf ihre Fans hatten. Aber die Jungs ließen ihren Fans keine Chance nach den letzten Tönen durchzuatmen, sondern schmetterten ihnen gleich das Intro von Romance entgegen. Ja die Jungs hatten wirklich Bock auf diesen Auftritt, das merkte man ihnen an. Klar sie hatten Heimvorteil und das nutzten sie in vollen Zügen aus. Keiner der Jungs schien sich schonen zu wollen, keiner wollte den Anderen aus der Band in irgendetwas nachstehen und man bekam beinahe das Gefühl jeder wollte den anderen übertrumpfen. Ich hatte sie schon lange nicht mehr so ausgelassen auf der Bühne rocken sehen, doch war mir Maxs Aussehen nicht entgangen und das was ich sah, ließ meinen Blick ernst werden. Er hatte sich verändert und das nicht gerade ins positive. Die Ringe unter seinen Augen waren nicht zu übersehen und auch nicht dass er dünner geworden war. Vielleicht fiel es den anderen nicht auf, aber mir tat es das. Ja es war beinahe für mich ein erschreckender Anblick und er brachte mich ins zweifeln. Lag ich vielleicht doch falsch mit dem was ich ständig gedacht hatte? Irrte ich mich nicht vielleicht doch wenn ich dachte er wolle mit mir nichts mehr zum tun haben? Dass ich ihm mittlerweile egal geworden bin? Klar konnte es sein dass es andere Gründe gab für seine Veränderung, aber vielleicht war auch doch die Trennung der Grund dafür. Ich warf Benedikt einen fragenden Blick zu, doch dessen Blick war auf die Bühne gerichtet. Ich fragte mich, ob er mir nicht erzählt hätte wenn ich etwas mit Maxs Veränderung zu tun hatte. Ja er hätte es mir doch ganz bestimmt erzählt oder etwa doch nicht? Was wenn er meine Bitte mich erst einmal damit in Ruhe zu lassen wörtlich genommen hatte? Mir nichts erzählt hatte, weil ich ihm gesagt hatte er solle es nicht tun. So viele Fragen stürmten auf einmal auf mich ein, dass mir beinahe schwindelig wurde. Alles was ich mir an Erklärungen aufgebaut hatte, brach nun wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Lag in Einzelteile vor mir auf dem Boden und ich saß wie ein Kind daneben das versuchte aus den Einzelteilen wieder ein Haus zu bauen. Ich versuchte nur die Fakten zu sehen, aus ihnen schlau zu werden, aber immer wieder stieß ich durch fehlende Anhaltspunkte an meine Grenzen. Was war, wenn wirklich ich der Grund dafür war? Was wenn ich der Grund war, dass es ihm offensichtlich beschissen ging? Ich hatte mir den Kopf gemacht dass ich ihm den Abend versauen könnte und was war, wenn er sich genau die gleichen Gedanken gemacht hatte? Er hatte gewusst wie wichtig mir dieses Event gewesen war, wie viel Zeit ich reingesteckt hatte. Vielleicht hatte er genauso wie ich mit dem Gedanken gespielt erst gar nicht aufzutauchen? Vielleicht hatten sie es sich wirklich selbst unnötig schwer gemacht. Aber vielleicht verrannte ich mich hier gerade auch in etwas, das gar nicht so war wie es auf den ersten Blick aussah. Vielleicht lag ich auch falsch und mit meinen ersten Vermutungen doch richtig. Es waren einfach zu viele 'Vielleicht', zu viele 'Wenn' und sie brachten mich alle nicht weiter. Im Gegenteil sie verstrickten mich immer mehr in ihrem Netz und ich kam mir so unwissend, so hilflos vor. „Der nächste Song ist ein sehr neuer Song und ihr erlebt sozusagen die Premiere“, hörte ich Maxs Stimme aus weiter Ferne. „Der Song ist einer Person gewidmet, die heute leider nicht da ist, auch wenn es ihr Abend ist.“ Mein Blick richtete sich zur Bühne und blieb an Max hängen. Die eben von ihm gesprochenen Worte klangen in meinem Kopf nach und ich fragte mich, ob er wohl mich damit gemeint hatte. It’s never been this bad before This time it’s gone right down provocating my core Aggressions raising my blood pressure Cigarette after cigarette it’s turned to a torture Trash Howlin’ at every ass that I see on the street And every piece I get I knock down with my feet If I’m lucky it’ll last for a week, or two It’s draggin’ me down won’t let go of my shoe I, just don’t know what to do There’s an empty space in my heart for you But I don’t think that anyone cares Wie gebannt war mein Blick auf die Bühne gerichtet. Konnte es denn wirklich sein? Ich war mir nicht sicher und dennoch, dennoch passte so vieles. Es würde einen Grund machen und vielleicht war das, das fehlende Stückchen in einem riesigen Puzzle. Aber niemand konnte mir wirklich sagen was damit gemeint war, außer einer Person und die stand gerade auf der Bühne. Not only do I long for the sexual satisfactions But I also need the complients that you mention Someone who can help me mentally Just so I can feel good and go crazy I just couldn’t handle a girl with a cute smile All I need is a sexy girl, if only for a while There’s got to be a honey in this city Willing to share happiness and sadness with me I, just don’t know what to do There’s an empty space in my heart for you But I don’t think that anyone cares There’s an empty space in my heart for you Aber hatte ich denn Beweise? Was hatte ich schon in der Hand das mir sagen konnte dass es wirklich so war wie ich es vermutete. Wer konnte mir schon mein Gefühl bestätigen? Ich war alleine und ich hatte das Gefühl nur die Augen aufmachen zu müssen um die Wahrheit, die Lösung zu sehen, aber ich sah sie einfach nicht. Ich war einfach nicht fähig sie zu sehen doch dann sprang sie mir schon beinahe ins Gesicht. I hate the playin’ around I got to learn to keep what I found There’s only one girl’s heart that I want to steal And this time I want it for real!! Aber das war nicht das einzige war mir in diesem Moment ins Gesicht sprang. Ich hörte die Veränderung in seiner Stimme, die Emotionen die darin lagen und auch wenn es den anderen vielleicht nicht auffallen mochte, mir fiel es auf. Es lag beinahe zu viele Emotionen darin, als würde er mit einem Male alle aufgestauten Emotionen auf einmal los werden. I, just don’t know what to do There’s an empty space in my heart for you But I don’t think that anyone cares I, just don’t know what to do There’s an empty space in my heart for you But I don’t think that anyone cares Zum Schluss klang es immer anklagender, verletzter und wenn man wollte konnte man beinahe vermuten als würde er jemanden einen Vorwurf machen wollen. Er fühlte sich alleine gelassen und am meisten wohl von mir und diese Erkenntnis tat weh. Kaum war der letzte Ton des Songs verklungen warf Max das Mikrofon einfach in die Ecke, so dass eine laute Rückkopplung durch die Halle tönte und eilte von der Bühne. Verdutzt sahen ihm die anderen aus der Band nach und wussten nicht was sie jetzt tun sollten. Erschrocken und vollkommen hilflos sah ich zu Benedikt, dessen Blick ernst geworden war. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, drängte er sich zwischen den verwunderten Fans hindurch und auf den Backstagebereich zu. Im ersten Moment wollte ich ihm folgen, dann wieder hielt ich es für besser einfach stehen zu bleiben und dann wieder wollte ich einfach nur wissen was los war. Was hier passierte. Ich verstand einfach nichts mehr. Heute morgen noch war alles so klar vor mir gelegen und nun stand ich erst vor einem Trümmerhaufen und jetzt stand ich nur noch vor dem absoluten Nichts. Wütend trat Max mit dem Fuß gegen einen Stapel leere Kisten der mit einem lauten Krachen zu Boden ging. „Kannst du mir vielleicht mal sagen was das gerade sollte?“, kam es mit ernster Stimme von Benedikt, der in der Türe stand und seine Arme verschränkt hatte. „Meinst du es hilft irgendjemand weiter wenn du dich hier aufführst wie ein verwöhnter Bengel dem man in die Suppe gespuckt hat?“ „Es ist mir ehrlich gesagt scheiß egal was die da draußen jetzt denken“, meinte Max mit wütender Stimme, aber zugleich lag etwas verletztes darin. Wie sehr hatte er gehofft sie würde doch hier sein? An ihrem Abend für den sie so hart gearbeitet hatte und jetzt? Jetzt war sie nicht einmal da und alles was er sich vorgestellt hatte, was er geplant hatte, hatte sich mit einem Schlag in Luft aufgelöst. Was sollte das Ganze dann noch? „Weißt du was Max? Ich glaub dir nicht ein verdammtes Wort davon und weißt du auch warum? Wenn es dir egal wäre was die Leute dort draußen von dir denken, dann würdest du jetzt nicht so eine Show abziehen.“ „Ach ja? Das glaubst du vielleicht aber du hast doch überhaupt keine Ahnung also hör auf mir hier irgendwelche verdammten Ratschläge zu geben die eh keinen interessieren!“ „Ich hab keine Ahnung? Ok dann klär mich auf. Sag mir was du da draußen tun wolltest, was du mit deiner ganzen Aktion bezwecken wolltest. Was bitte hast du erwartet?“ „Was ich erwartet habe? Ich hab verflucht nochmal sie dort draußen erwartet. Ich habe verdammt nochmal gehofft sie würde hier sein und ich könnte ihr sagen wie wichtig sie mir ist. Meinen verdammten Fehler wieder gut machen, aber nicht einmal das bekomme ich auf die Reihe. Gott verdammte Scheiße!“ Wieder trat Max gegen eine am Boden liegende Kiste die im hohen Bogen durch den Raum segelte und gegen die Wand knallte. Man konnte nur froh sein dass es leere Kisten waren und nicht etwa volle Kisten und schlimmstenfalls auch noch Glasflaschen waren. „Du willst ihr sagen was sie für dich bedeutet? Dann bewege deinen Arsch dort raus und tue es endlich! Hör einfach auf irgendwelche Shows abzuziehen sondern sag das was du fühlst“, seufzte Benedikt und schüttelte langsam seinen Kopf. Das aber auch nichts klappte was er bei dieser Sache auch unternahm. „Wozu? Sie hörts doch eh nicht“, murmelte Max und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. „Max schwing endlich deinen Hintern raus auf die Bühne und ich verspreche dir dass sie hören wird was du zu sagen hast“, meinte Benedikt und warf Max einen ernsten Blick zu. Egal wie er musste Max zurück auf die Bühne bringen, sonst würde noch alles in einem Chaos enden. „Meinst du sie hätte sich ein solches Ende für einen Abend in den sie so viel Arbeit reingesteckt hat gewünscht? Denkst du nicht auch dass sie wollte dass die Fans dort draußen glücklich nach Hause gehen und nicht etwa enttäuscht?“ „Ist ja schon gut“, kam es von Max, der seine Hände erhoben hatte und Benedikt ansah. „Ich geh ja schon.“ Mit nachdenklichem Blick verließ Max den Raum und betrat in dem Moment die Bühne als bei mir der Wunsch zu wissen was mit ihm los war, größer geworden war als die Angst und ich die Türe zum Backstagebereich aufriss. Ich sah aus den Augenwinkeln wie Max die Bühne betrat und wie Benedikt auf mich zukam. Ehe ich wieder durch die Türe verschwinden konnte hatte mich Benedikt am Arm gepackt und mich festgehalten. Mit ruhigen Schritten ging er zum Seitenrand der Bühne und blieb dort stehen. Schön darauf achten, dass ich nicht einfach wieder verschwand. „Du wirst hier stehen bleiben das ist das mindeste was du ihm schuldig bist“, raunte er mir zu und sein Blick sagte mir, dass er keine Widerrede dulden würde, also schluckte ich das was ich sagen wollte einfach herunter. Mit langsamen Schritten ging Max über die Bühne, hob das Mikrofon auf und steckte es zurück in die Halterung. Für einen Moment sah er nachdenklich zu Boden, schien sich irgendwie zu sammeln, ehe er seinen Blick hob und ins Publikum blickte. „Den letzten Song hatte ich für eine Person geschrieben, die mein Leben in so vielen Bereichen verändert hat, es bereichert hat. Ich habe der Person nie gesagt was sie mir bedeutet“, sprach Max leise und mit ruhiger Stimme. „Ich wusste nie wann ich es ihr sagen sollte... Ich meine mir fielen ja nicht einmal Wörter ein die auch nur annähernd das beschrieben was ich für sie empfinde, also habe ich es gar nicht erst versucht. Es war ein Fehler und als es mir so richtig klar geworden ist, war es zu spät. Ich hatte es verbockt und das gewaltig. Ich hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, es nie wirklich als wichtig erachtet bis ich die Rechnung dafür vor mir liegen hatte. Ich habe Fehler gemacht, die nicht so einfach wieder gut zu machen sind. Ich hatte gehofft sie würde heute hier sein und der Song sollte ihr sagen dass ich sie liebe, aber wie ihr gemerkt habt, ging es voll in die Hose. Es war dumm von mir zu glauben dass ein Song, der nicht einmal einen Hauch von dem ausdrückt was ich ihr eigentlich sagen möchte, etwas verändern könnte.“ Leicht richtete Max wieder seinen Blick zu Boden und schwieg einen Moment lang. Ich stand wie angewurzelt am Rande der Bühne und konnte meinen Blick nicht mehr von seiner Person lösen. Die Worte die er dort vorne sagte trafen mich genau an der richtigen Stelle und der Schmerz über die Trennung von ihm schien mich beinahe wieder zu übermannen. Wie gerne würde ich jetzt einfach auf die Bühne laufen, ihn endlich wieder in meine Arme nehmen, ihn endlich wieder spüren zu können, aber Benedikts Hand hielt noch immer meinen Arm fest und verhinderte somit jeglichen meiner Versuche. Ich wollte gerade Benedikt bitten mich los zu lassen, als Max seinen Kopf wieder hob. „Ich konnte ihr nie ins Gesicht sagen wie viel sie mir bedeutet und ich konnte es nicht einmal in einem Song ausdrücken“, meinte Max und lachte gequält auf. „Aber sie hat das Recht zu erfahren dass ich sie liebe, dass ich sie vermisse und das mit jedem Tag der vergeht mehr. Ihr fragt euch sicherlich warum ich das jetzt gerade euch erzähle, warum ich es auf einem Konzert tue wo man eigentlich seinen Spaß haben sollte, aber ihr habt ins uns immer eine ehrliche Band gesehen und deswegen habt ihr auch eine Erklärung für mein Verhalten gerade verdient. Ich habe versagt, aber es gibt Bands die es geschafft haben in ihren Songs das auszudrücken was ich fühle und deswegen möchte ich nun den Song spielen der wohl am ehesten dem entspricht was angebracht wäre.“ Max ließ das Mikrofon los, nahm die Gitarre in die Hand und setzte sich auf den Rand des Podestes auf welchem Pers Schlagzeug stand. Leise erklangen die ersten Töne des Songs... I hope you're doing fine out there without me Cause I'm not doing so good without you The things I thought you'd never know about me Were the things I guess you always understood So how could I have been so blind for all these years I guess I only see the truth through all this fear of living without you Everything I have in this world and all that I'll ever be It could all fall down around me Just as long as I have you right here by me I can't take another day without you Cause baby I could never make it on my own I've been waiting so long just to hold you and to be back in your arms where I belong sorry I can't always find the words to say everything I've ever known gets swept away Inside of your love Everything I have in this world and all that I'll ever be It could all fall down around me Just as long as I have you right here by me As the days roll on I see time is standing still for me When you're not here sorry I can't always find the words to say everything I've ever known is swept away Inside of your love Everything I have in this world and all that I'll ever be It could all fall down around me Just as long as I have you right here by me Everything I have in this world and all that I'll ever be It could all fall down around me Just as long as I have you right here by me Die letzten Töne verklangen und Max legte langsam die Gitarre neben sich auf den Boden. Über die Halle legte sich eine ungewöhnte Stille. Alle schienen wie gebahnt nach vorne auf die Bühne zu starren auf der Max unverändert auf dem Rande des Podestes saß, den Blick langsam zu Boden senkend. Er hatte gesagt was es zu sagen gab. Er wusste nicht was er noch tun konnte. Er hatte vor hunderte von Menschen zu ihr gestanden, zu seinen Gefühlen gestanden, wohl wissend dass auch das ein weiterer Fehler sein konnte. Aber es war ihm egal gewesen. Was brachte einem eine Band außer Ruhm und Geld, wenn es niemanden gab mit dem man feiern konnte? Was brachte einem das ganze touren wenn es nichts gab auf das man sich danach freuen konnte? Was brachte einem ein rastloses Leben, wenn man niemand hatte bei dem man zu Ruhe kommen konnte? Sein ganzes Leben war er einem Irrglauben hinterher gerannt. Hatte geglaubt nichts und niemanden zu brauchen und dass die Musik alleine ausreichen würde um glücklich zu sein. Aber dem war nicht so und das hatte er auf schmerzvolle Art und Weise lernen müssen. Ja er hatte gelernt und das in einer Zeit, in der manche vielleicht nicht einmal einen Bruchteil von dem lernen mussten was er hatte lernen müssen. Er hatte in den wenigen Monaten das nachgeholt, wofür andere Jahre gehabt hatten. Aber er war nicht stolz auf seine Leistung, im Gegenteil. Er wünschte er hätte nicht erst Fehler machen müssen um zu wissen was für ein Geschenk ihm das Leben gemacht hatte. Max sah müde aus, um Jahre gealtert als er einfach nur so dasaß. Ich konnte, nein ich wollte ihn nicht länger in diesem Zustand sehen der mir beinahe das Herz aus der Brust riss. Er hatte nicht verdient so da zu sitzen, es nicht verdient zu leiden. Ich warf Benedikt einen bittenden Blick zu und der Druck um meinen Arm ließ nach. Es kostete mich einiges nicht einfach zu ihm zu rennen und ihm um den Hals zu fallen und so zu tun als wäre alles nie passiert. Wir hatten uns das Leben gegenseitig schwer gemacht. Wir beide hatten mit dem Vertrauen des Anderen gespielt und das wenige was noch vorhanden war, musste vorsichtig behandelt werden. Mit langsamen Schritten ging ich an Stefan vorbei, der mir einen fragenden Blick zuwarf und auf Max zu. Ich kniete mich neben ihn auf den Boden und sah ihn für einen Augenblick einfach nur an. „Max?“, fragte ich leise, nicht wissend ob er mich gehört hatte. Leicht legte ihm meine Hand auf den Arm. „Ich... Es tut mir alles so leid... Ich...“ Ich musste schlucken denn die Situation trieb mir die Tränen in die Augen. „Verzeih mir... Bitte.... Ich liebe doch doch.“ Was war wenn er mir nicht verzeihen konnte? Was war wenn ich ihm so sehr weh getan hatte, dass er einfach nicht mehr weitermachen konnte, auch wenn er es noch sehr wollte? Ich spürte die Panik ihn für immer zu verlieren und meine Sinne waren wie vernebelt. Ich war unfähig etwas zu tun, etwas zu sagen, überhaupt einen Gedanken zu fassen. Ich konnte einfach nur dasitzen und ihn ansehen, während mir die Tränen über die Wangen rollten. Langsam, beinahe wie in Zeitlupe drehte Max seinen Kopf zu mir und sah mich an. Er hob seine Hand und strich mir vorsichtig eine Träne von der Wange. „Schhh“, flüsterte er leise und legte mir seinen Zeigefinger auf die Lippen. „Nimm mich einfach nur in den Arm und lass mich spüren dass du wieder bei mir bist.“ Mir war es egal dass mir nun hunderte von Menschen zusahen, mir war es egal was nun alle von der Situation hielten, was sie über mich dachten. Es war mir alles vollkommen egal, denn das einzige was mir wichtig war, was in diesem Moment für mich zählte war den Menschen den ich über alles liebte wieder in die Arme schließen zu können. Ich schlang meine Arme um seinen Körper und vergrub mein Gesicht an seinem Hals. Wie sehr hatte ich dieses Gefühl doch vermisst und es kam vor als wäre es ein ganzes Leben her, seit ich ihn das letzte Mal bei mir gespürt hatte. Ein leises Raunen ging durch die Menge vor der Bühne, als plötzlich von irgendwoher ein leises und einsames Klatschen zu hören war. Doch es blieb nicht lange bei nur einem Klatschen, sondern es wurde immer mehr, begleitet von allen möglichen Glückwünschen die durch die Halle gerufen wurden. Verlegen löste ich die Umarmung und senkte peinlich berührt meinen Kopf, denn so langsam fiel mir wieder ein wo ich mich gerade befand. Langsam erhob ich mich wieder und auch Max erhob sich von seinem Platz. Ich warf ihm einen Blick zu und wollte mich daran machen, von der Bühne zu gehen, doch Max hielt mich an der Hand fest und sah mich mit sanften Blick an. „In den letzten Tagen ist mir klar geworden was du wirklich für mich bedeutest“, sprach er mit ruhiger Stimme. „Du hast mein Leben so sehr verändert, dass ich es mir ohne dich nicht mehr vorstellen kann und auch nicht vorstellen will.“ Max machte eine kleine Pause und in genau diesem Moment kamen aus Stefans Richtung eine ganz bestimmte Tonfolge auf der Gitarre, die mich dazu verleitete ihm einen fragenden Blick zu zuwerfen, doch Stefan sah unbeteiligt in die Luft, so als wäre gerade gar nichts passiert. Mein Blick glitt zurück zu Max, auf dessen Lippen ein sanftes Lächeln lag. „Du magst mich jetzt für verrückt halten und vielleicht bin ich das auch, aber wenn man den Wunsch sein Leben mit einer Person zu verbringen die man liebt, als verrückt bezeichnen möchte, so bin ich es gerne“, sprach er ruhig und ging langsam vor mir auf die Knie. Mit fassungslosem Blick beobachtete ich ihn dabei, während sich in meinem Kopf die Gedanken überschlugen und ich das Gefühl hatten jeden Moment einen Herzanfall zu erleiden. Das konnte doch jetzt nicht sein ernst sein oder? Er hatte doch jetzt nicht das vor das zu tun, nach was es aussah oder etwa doch? „In München hatte ich es damals im Spaß getan, doch jetzt ist es kein Spaß mehr. Ich liebe dich mehr als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Ich weiß ich bin nicht perfekt und noch weniger bin ich einfach, aber ich weiß dass ich mit dir an meiner Seite alles lernen kann, wenn du mir die Chance dazu gibst. Ich möchte mein Leben mit dir verbringen und das mehr als alles andere auf der Welt und daher möchte ich dich hier und jetzt fragen ob du das deinige mit mir verbringen möchtest.“ Ich konnte nicht glauben was sich gerade vor meinen Augen abspielte. Konnte nicht begreifen dass das, was ich mir so sehr gewünscht hatte, was ich mir heimlich vorgestellt hatte, jetzt wahr werden sollte. So etwas gab es doch nur im Märchen und nicht im wahren Leben und dennoch war es genau das was gerade passierte. Ein Märchen wurde wahr. Es gab so vieles was ich ihm antworten wollte, was ich ihm sagen wollte, aber das einzige zu was ich noch fähig war zu sagen, war ein einfaches „Ja“. So vieles war passiert, so vieles von dem ich gedacht hatte es würde sich nie wieder einrenken hatte sich nun doch zum Guten gewendet. Für mich hatte sich ein Traum erfüllt, etwas an das ich beinahe den Glauben verloren hatte. Die Zukunft die ich mir gewünscht hatte und von der ich gedacht hatte ich hätte sie für immer verloren, lag nun wieder klar vor mir. Aber ich hatte mehr als nur das bekommen. Ich konnte nicht nur endlich den Menschen wieder in die Arme schließen den ich liebte, ich hatte endlich eine Heimat gefunden, einen Platz an den ich gehörte. Mein Leben war nicht länger rastlos, sondern es hatte einen Sinn bekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)