Blutrot von Hoppelhaeschen ================================================================================ Kapitel 4: Diabolisch - unbeschwert ----------------------------------- Diabolisch - unbeschwert The perfect words never crossed my mind „Oh…“, ich legte den Kopf schief und betrachtete das kleine Wesen vor mir. „Was starrst du mich so an, Püppi“, ich wusste ja, dass es kleinwüchsige Menschen gab, aber die ragten doch zumindest über die Knie, oder?, „Hey, wenn du Ärger willst!“, ich bemerkte kaum, dass er tatsächlich begann, seine Ärmel hochzukrempeln, da griff jemand nach meiner Schulter, wandte mich mit einem Handgriff um und schritt mit mir in die entgegen gesetzte Richtung. „Zwerge sind zwar winzig, aber dafür umso bissiger“, erklärte mir Blake mit seinen bezaubernden Augen… „Zwerge…“, wiederholte ich ungläubig. Was hier nicht alles so herumlief. Bisher hatte ich mich beinahe mit einem Dreiäugigen, einer Harpyie, - nicht zu vergessen - einem Zwerg und einem Zentaur angelegt… nun ja, sein Hintern war so groß wie ein Werbeplakat gewesen, es war unmöglich, nicht darauf zu starren. Das hatte ihm allerdings nicht so wirklich gefallen. Ich fürchte, er hatte schlimme Komplexe, was seinen geknickten Schweif anging, der Ärmste… „Du solltest besser aufpassen was und wen du anstarrst“, zischte mir mein Aufseher zu. „Hm…“, ich jedoch blickte mich unverwandt weiter um. Es war alles einfach viel zu spannend und neu, um es nicht zu bestaunen – auch die grusligen und merkwürdigen Dinge faszinierten mich ungeheuer. „Hörst du mir zu?“, meine streiften Blakes Wimpern, nachdem er sich zu mir hinabgebeugt hatte und ich spürte, wie ich dümmlich zu grinsen begann und unfreiwillig mit dem Kopf eine Auf- und Abbewegung vollführte. „Lass uns etwas essen“, stöhnte er genervt, nachdem unschwer zu erkennen gewesen sein musste, dass ich erneut nicht bei der Sache war, „Vielleicht kurbelt das dein Gehirn ein wenig an, obwohl ich mittlerweile bezweifle, dass da noch etwas zu machen ist“. Mit einem Mal hatten sich meine Augenbrauen abgesenkt. Schöne Augen – papperlapapp. Ein unsensibler Grobian blieb er alle Male und in der Gunst, in die ihn seine Augen jedes Mal aufs Neue rückten, verblieb er nie lange, denn seine Kommentare machten immer wieder aufs Neue den guten Eindruck, den ich im Begriff war, über ihn zu gewinnen, wett. „Solange hier nicht ausschließlich Krötenaugen und gebratene Rabenschnäbel serviert werden, bin ich mit dem Vorschlag einverstanden“, ich hätte schwören können, dass Blakes Mundwinkel einen Moment zuckten, redete mir jedoch schließlich ein, es mir eingebildet zu haben, als er mir einen missbilligen Blick über die Schulter zu warf, der mir eindeutig das Wort ‚Nörglerin’ vermitteln sollte. „Hier hinein!“, Blake öffnete die Tür eines Wirtshauses und blieb solange im Rahmen stehen, bis ich ihm hatte folgen können. Auf der Stelle beflügelte diese Tat meine Mundwinkel und ich öffnete meine Lippen, um ihm ein Dankeschön dafür auszusprechen, dass er mir die Tür aufhielt, als besagte mit einem lauten Rums gegen meine Nase flog, ich zurücktaumelte und rücklings auf eine Person traf, „Versei-ung…“, der Druck auf meiner Nase trieb mir die Tränen in die Augen und ließ meine Umgebung verschwimmen. Wahrscheinlich wäre ich auf meinen vier Buchstaben gelandet, wenn mich die Person, gegen die ich getaumelt war, nicht an der Schulter gepackt und somit auf den Beinen gehalten hätte. Er – ich erkannte lediglich an den breiten Schultern, dass es sich um einen Mann handeln musste, denn sein Gesicht war unter meinem Tränenschleier nicht zu erkennen – hatte mich zu sich gedreht und ich rechnete damit, dass er mich entweder, sollte er wütend sein, anbrüllen oder tadeln würde oder aber, sollte er besorgt sein, sich nach meinen Befinden erkundigen würde. Merkwürdiger Weise schien in dieser Welt allerdings niemand meinen Erwartungen gerecht zu werden und so schwieg er. Ich sollte lernen, dass man Menschen anders zu beurteilen hatte als die Wesen hier . Oh, er ist doch wütend, stellte ich beinahe erleichtert fest, denn das bedeutete, dass meine empathischen Fähigkeiten nicht vollständig auf der Strecke blieben und ich Reaktionen noch immer ganz gut abschätzen konnte. Da ich ohnehin nichts sehen konnte und Angst hatte, mein Gegenüber könnte mir in seinem Wutanfall ins Gesicht spucken, kniff ich die Augen zusammen und wartete erneut. Dann schnaubte er; sog die Luft ein und stieß sie zitternd wieder aus. Mit jedem neuen Mal, dass er sie einatmete, vernahm ich sein Schnaufen lauter und forscher. Mit einem Mal flogen meine Augenlider auf und ich stellte paralysiert fest, dass er meinem Gesicht gefährlich nahe gekommen war. „Dieser Geruch…“, mein Herz, das während meiner eben einige Sekunden andauernden Trance dumpfer und träger geschlagen hatte, hüpfte erschreckt auf, als hätte ein lautes Geräusch es aus seinem Halbschlaf geweckt und es nun bemerkt hatte, in welcher Situation es sich befand. „Weg von ihr!“, eine Hand schoss hervor und presste sich gegen meinen Mund, da spürte ich zum ersten Mal, dass etwas Glitschiges unterhalb meiner Nase ein Rinnsal gebildet hatte und nun meine Lippen zu benetzen begann. Kaum, dass ich es registriert hatte, hatte sich ein Arm um meine Hüfte gelegt und mich ein Stück über den Boden gehoben. Der Besitzer des Armes – ich blickte noch immer ein wenig verstört in seine energischen, blauen Augen – brachte mich zügig, mit großen Schritten in solch eine Gasse, in die man sich nachts als Frau niemals wagen sollte und ließ mich erst hinab, nachdem er einige Augenblicke nach möglichen Verfolgern umgesehen und -gehört hatte. Abrupt und völlig unerwartet löste er seine Umklammerung, als er sich sicher sein musste, dass sich in dieser Gasse niemand außer uns befand. Meine Konfusion hatte sich auf meine Beine übertragen, die nicht mehr recht wussten, wie sie sich effektiv zu koordinieren hatten. Glücklicher Weise reagierte Blake schnell genug, packte mich am Ellenbogen und hielt mich so davon ab, mein Hinterteil dreckig zu machen. „Hum…“, mit dem Handrücken wischte ich den gröbsten Teil des Blutes aus meinem Gesicht und vermied es dabei, Blake in die Augen zu sehen. Sein Schweigen bereitete mir Magenkrämpfe, denn es bedeutete, dass er wütend war und dies wiederum machte mir ein furchtbar schlechtes Gewissen… Aber… weshalb eigentlich? „Du hast mir die Tür vors Gesicht geknallt“, erinnerte ich ihn (und gleichzeitig auch mich) daran, dass er Schuld an der ganzen Misere trug. „Was redest du da?“, er hob argwöhnisch seine rechte Augenbraue, „Du bist davor gerannt.“ „Ha!“, stieß ich spöttisch aus, stampfte mit dem Fuß auf und trat dabei direkt in eine tiefe Pfütze. Mit gesenktem Kopf und vor Zorn tiefrot angelaufenem Gesicht verharrte ich eine Weile in dieser Stellung, bis sich der Saum meiner schlichten, braunen Wolltracht mit Regenwasser aufgesogen hatte. Blake hatte das Kleid am Stadtrand einer armen Zyklonen-Schneiderin, dessen einziges Auge erblindet war, abgekauft. Es war ein paar Nummern zu groß, kratzte und juckte, doch ich trug es gerne, weil ich wusste, dass die Frau mit diesem Geld ein paar Laib Brot kaufen konnte. „Komm da raus, wenn du dich erkältest, muss ich dich am Ende noch tragen“, das stetige Blubb, das jedes Mal zu hören war, wenn ein Tropfen von einem der Dächer auf den Boden traf, wurde unterbrochen, als Blake einen Lumpen hervorzog und eine der vier Ecken mit Wasser benetzte. „Diesem Kerl darfst du dich nicht nähern“, er begann mit dem Zipfel das Blut oberhalb meiner Lippe so fürsorglich abzutupfen, dass mir erneut der Kopf vor Verwirrung zu schwirren und meine Zunge vor Taubheit zu kribbeln begann. „Ein Kopfgeldjäger… es ist vielleicht nur ein Gerücht, aber es heißt, er hat sich mit den Vampiren zusammengetan, sei also vorsichtig. Wenn sie dich kriegen…“, er verzog das Gesicht zu einer wütenden Grimasse. „Dann... werden die Vampire zu mächtig, richtig?“; er hob den Blick und starrte mich ungeniert an, dass mir der Herzschlag in meinen Ohren dröhnte. „Ja, in der Tat…“, sein Daumen hinter dem Fetzen Stoff verharrte ein wenig länger an meiner Oberlippe. Mir stellten sich die Nackenhaare auf bei der elektrischen Spannung, die sich zwischen uns aufgeladen hatte. Ich wagte es den Blick zu heben und begann hektischer zu Atmen bei der Erwartung, dass jeden Moment meine seine Augen treffen würden und der Hoffnung, dass seine ozean-blauen Augen den Blick sanft erwidern könnten... Da begann er laut aufzulachen. „Du bist wirklich ein Tollpatsch… da“, er legte seine Hand auf meinen Kopf, „läufst du direkt vor die Tür“, und durchwuschelte meine Haare. W… „Man sollte meinen, du wärst in der Lage, den Arm auszustrecken und sie dir selbst aufzuhalten“, er ging an mir vorbei, zurück in Richtung Marktplatz. Wie… „Besser, du weichst keinen Schritt mehr von meiner Seite, am Ende läufst du noch vor eine Wand, weil du denkst, sie würde vor dir ausweichen, sobald du kommst.“ Wie… bitte… „Du solltest einen Zahn zulegen, es wird… dunkel…“, ich vernahm seine Stimme nur noch dumpf, als ich mich zwischen den beiden Gebäuden hindurch quetschte. Schnaubend stolperte ich auf den breiten Weg, auf dem sich der gesamte Markt der Stadt erstreckte. Blake hatte es mir selbst gesagt: hier vermischten sich die Gerüche und niemand konnte mich daran als Mensch identifizieren. Selbst er nicht. Hoffentlich macht er sich Sorgen, dachte ich infam und rieb mir die Hände aneinander, Ein paar Stunden auf der Suche nach mir, sollten ihm klar machen, dass er mit mir nicht umgehen kann wie… wie Ich legte den Kopf schief und drückte die Augenbrauen hinab, als ich einen dunkelhaarigen, jungen Mann mit spitzen, großen Fellohren beobachtete, wie er eine alte Dame mit grünen Schuppen an den Oberarmen recht höflich nach dem Weg fragte. So merkwürdig es auch aussah, dass sie ihn anzubrüllen begann und mit dem Gehstock nach ihm schlug, war es doch nicht diese Geste, die mich ins Stocken brachte, sondern der rothaarige, ihm ähnlich sehnende Mann hinter der Alten, dessen buschiger Schweif hin- und herwedelte, als er seine Hand nach der Brosche in ihrem lichten Haar griff, sie zusammen mit einigen grauen Strähnen herausriss und mit seinem offensichtlichen Kumpanen davonrannte. Die Echsendame schrie auf und griff sich an den Hinterkopf. Noch ehe sie wusste, wie ihr geschehen war, waren die beiden Diebe jedoch bereits in der Menge verschwunden – ich hing ihnen an den Versen. „Stehen bleiben, ihr Diebe!“, einer der beiden wandte sich kurzzeitig um, flüsterte seinem Komplizen rasch etwas zu und verschwand mit ihm aus der Menge und vom Marktplatz. Was tust du denn hier, Rose… knirschte ich mit den Zähnen, nachdem ich mich zwischen den Käufern durchgedrängt hatte und mich nach den Räubern umsah. Der Marktplatz stellte die einzig große Straße in der Umgebung dar, die meisten Wege waren sowohl rechts als auch links gesäumt von massiven Steinbauten, sodass man sich bereits als zierliche Person durch sie hindurch zwängen musste. Weit konnten sie also nicht gekommen sein. Abseits vom Markt vernahm man zwar noch immer dumpf das Geplapper der Händler und Käufer, doch meine Schritte, die auf dem feuchten Pflaster laut knirschten, übertönten auch dieses Hintergrundgeräusch und als mein Adrenalinspiegel langsam zu sinken begann, wurde mir doch ein wenig bange… „BUH!“ Eine Gestalt erschien Kopf über, aber auch gleichzeitig vor mir und zum zweiten Mal an diesem Tag griff jemand von hinten um mein Gesicht und bedeckte meinen Mund mit der Handfläche. Die herabbaumelnde Person griff nach dem Fensterbrett unter sich, vollführte einen halben Salto und landete mit einem Klatsch auf dem Pflaster vor mir. „Also“, es war der Dunkelhaarige der beiden Diebe, „Warum verfolgst du uns…“, anscheinend erwarteten sie keine Antwort von mir, denn mein Mund wurde nicht freigegeben. „Am Besten, wir fesseln sie und werfen sie auf den Kompost“, begann nun der rothaarige Gauner, „Ehe sie dort jemand findet, sind wir bereits über alle Berge“ „Hm…“, sein Kumpan beugte sich zu mir vor und rieb sich nachdenklich das Kinn, „Sie wird allen verraten, wie wir aussehen und dann können wir uns hier nicht mehr blicken lassen“, gab er als Gegenargument an. Ich atmete erleichtert aus. Tagelang auf einem Komposthaufen zu verbringen, gehörte nicht zu meinen heimlichen Sehnsüchten… „Die Alte hat uns doch bereits gesehen…“, mir fuhr ein Schauer durch Mark und Bein, als mir von hinten an den Haaren geschnüffelt wurde. „Vielleicht sollten wir sie mitnehmen, sie ist nicht hässlich“, der Vordermann, strich mir grob über die Wange. „Hey“, ich spürte, wie sie ein Arm um meine Hüfte schlang und ich nach hinten gezogen wurde, „Wenn, dann gehört sie mir“, kläffte der Rothaarige den anderen trotzig an. Wo war ich nur gelandet… „Meine Güte“, das Fellohr vor mir verdrehte genervt die Augen, „Meinetwegen kannst du sie haben.“ „Hmm… sie riecht gut“, er legte sein Kinn auf meiner Schulter ab und schmiegte seine Wange an meine, dass seine Haare mich am Hals kitzelten und ich durch seine Finger hindurch zu glucksen begann. „Du bist so süß“, ich schnappte nach Luft, als er seine Hand von meinem Mund nahm – und daraufhin seine Lippen auf meine presste. „Aufhören!“, ich holte aus und traf ihn mit der Faust mitten ins Gesicht. „Hey“, er blinzelte mich verwirrt an und griff sich unwillkürlich in das gerötete Gesicht. Da ich damit rechnete, dass er diesen Schlag jeden Moment gleichermaßen vergelten würde, taumelte ich einige Schritte zurück und zuckte zusammen, als ich eine Art lauten Aufschrei vernahm, welchem schallendes Gelächter folgte. „Was?!“, stieß ich perplex aus und landete plumpsend und dieses Mal endgültig auf meinem Po. Während der Rothaarige der beiden sich schmollend die Wange rieb, stampfte sein Komplize immer wieder vor Lachen mit dem Fuß auf, dass es aussah, als würde er einen Regentanz vollführen. „Was seid ihr denn bitte für Kauze?!“, stieß ich wütend aus, immerhin war mein Hintern nun klatschnass. „Entschuldige“, die fuchsartigen Ohren des Rothaarigen zuckten reuevoll, während er seine Hand ausstreckte und mir aufhalf, „Jetzt halt schon die Klappe…“, forderte er den Witzbold hinter sich murrend, aber gleichzeitig monoton auf, als wäre es Alltag von ihm, sich lächerlich zu machen und damit andere zu amüsieren. „Du bist so hübsch, da ist es über mich gekommen“, seine Wangen färbten sich rot, während er mir das gestand. „Sieh mal einer an“, kaum, dass ich mich nach der Person hatte umdrehen können, die nun zu uns gestoßen war, war der Dunkelhaarige der beiden Diebe neben seinen Kumpanen gesprungen, während dieser mich an der Schulter gepackt und hinter sich geschoben hatte. „Verflucht… Vargo“, flüsterte der sich vor mir postierte seinem Nebenmann unheilvoll zu. Er nickte kaum merklich. „Ihr Halblinge solltet besser freiwillig mit mir gehen, es könnte sonst unangenehm für euch werden“, ich legte die Stirn in Falten, während ich der Stimme des Fremden lauschte. Etwas an ihr kam mir bekannt vor, die Art, wie er Luft holte… man konnte ihm die Erregung daran anmerken, dass er heftig und laut atmete. „Mieser Kopfgeldjäger, bekommst du auch etwas für unsere Häupter, wenn du uns tot präsentierst?“, Kopfgeldjäger , vor ihm hatte mich Blake gewarnt. Ich trat vorsichtig einen Schritt zur Seite, damit ich einen Blick auf ihn werfen konnte, da stieß ich wohl unwillkürlich vor Schreck eine Art Quieken aus, die seine Aufmerksamkeit auf mich lenkte. Auf den ersten Blick hatte ich geglaubt, Joséphe vor mir stehen zu sehen, doch es waren nur einige Gesichtszüge und sein dunkles, längeres Haar, das mich zu dieser Annahme verleitet hatte. Seine Haltung war leicht gebückt, als trüge er einen unsichtbaren, riesigen Stein auf seinen Schultern und es würde ihm große Anstrengung bereiten, sich vollständig auszurichten. Seine Haare waren fettig, zerzaust und ich glaubte, einige Blätter darin erkennen zu können; seinen Bart hatte er einige Wochen nicht rasiert. Weiterhin trug er einen schwarzen, glänzenden Ledermantel, der seine Haut blasser erscheinen ließ, als sie eigentlich war. Seine Nüstern weiteten sich gleichauf mit seinen Augen, die sich nun längst nicht mehr für die beiden Diebe interessierten. „Ahh“, er legte den Kopf in den Nacken und sog die ihn umgebende Luft bewusst langsam ein. „Verschwindet…“, meine Stimme zitterte, während ich den beiden vor mir dies zuflüsterte. Der Kopfgeldjäger Vargo schien durch meinen Geruch wohl in eine Art Rausch verfallen zu sein, denn er verharrte in der eben beschriebenen Stellung, ohne irgendeinen Teil seines Körpers, außer seinen Nasenflügeln, zu bewegen, „Los jetzt, er konzentriert sich auf mich, wenn ihr jetzt fortlauft, wird er euch nicht folgen“, was war nur mit mir geschehen, dass ich so selbstlos geworden war…? „Los komm schon“, folgte der Dunkelhaarige meinem Rat, doch sein Kamerad blieb an Ort und Stelle, ohne sich zu rühren. „Es ist nicht an der Zeit, den Helden zu spielen, verschwinde!“, ich hob das Bein an und trat ihm kräftiger, als ich es wohl hätte tun sollen, vor den Schwanz. Sein Aufheulen riss Vargo aus seinem tranceartigen Zustand. Ich wollte gerade nach dem Arm des Rothaarigen greifen und ihn fortziehen, als eine andere Hand an mir vorbeischoss und dies für mich übernahm. „Sie gehört zu mir“, Blakes Arm legte sich um meine Schulter und zog mich näher an sich. Ich wusste, dass er so meinen Geruch zu überdecken versuchte. Doch Vargo hatte mich so lange inhaliert, dass ich mir sicher war, dass dieser Versuch zwecklos sein würde. „Sie ist kein Dämon…“, dass der Kopfgeldjäger die Stirn in Falten legte, musste bedeuten, dass er mich durch meinen Geruch noch nicht als Mensch hatte identifizieren können, „Was gibst du dich mit ihr ab“, er hob verächtlich eine seiner Brauen an. „Sie ist meine Geliebte“, erklärte ihm Blake rational, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Wäre es das allerdings, würde meine Brust in diesem Moment sicher nicht drohen vor Hitze zu verglühen. „Gut, gut…“, er verschränkte die Arme vor der Brust, „Aber durch sie konnte meine Entlohnung entkommen“, er streckte die Hand aus und wies uns die Richtung, in der die beiden Halunken verschwunden waren. „Und was willst du dafür…“, Blakes Kehle begann zu vibrieren, als würde er ein tonloses Knurren ausstoßen. Vargo blickte zwar noch immer recht unbeeindruckt drein, doch ich wusste, dass er es sich nicht wagen würde, nach mir zu verlangen. „Verschwindet noch heute Nacht aus dieser Stadt, oder ich werde mir meine Entschädigung holen…“, er wandte sich um, ohne noch einmal zurückzublicken, doch ich konnte erkennen, dass er meinen Geruch weiterhin einatmete, weil er langsamer ging, als es Blake lieb war. „Du…“, vernahm ich meinen Beschützer grollen…, „Was hast du dir dabei gedacht…“, er versuchte wohl ruhig zu klingen, doch mir wäre lieber gewesen, er würde seinen Zorn durch Brüllen zum Ausdruck bringen, als mir die Fingerknochen, seiner zu einer Faust geballten Hand, in die Schulter zu drücken. „Du tust mir weh…“, er wandte uns beide mit einer Bewegung um und begab sich schnellen Schrittes zu einer weiter entfernten Hauswand. Mit einem lauten Knall schoss seine Hand hervor und bohrte sich zwischen die Backsteine neben meinem Kopf. „Warum springst du nicht einfach in einen Fluss, wenn du dich unbedingt umbringen möchtest? Oder ziehst du einen qualvolleren Tod dem Ertrinken vor? Sollte es so sein, dann brauchst du mich nur darum bitten, es wäre mir ein Vergnügen, dies zu übernehmen!“, Putz rieselte neben mir hinab. „Was geht hier vor?“, wir wandten beide unsere Köpfe in die Richtung, von der aus die Stimme erklungen war. „Ihr mischt euch hier besser nicht ein!“, ich spürte, dass Blake darüber nachdachte, seine Wut ganz einfach an den beiden Dieben auszulassen. „Geht besser“, seufzte ich gelangweilt, um ihnen zu vermitteln, dass mich Blake nicht wirklich bedrohte… auch wenn ich mir dessen nicht ganz sicher war. „Ab- aber wir müssen doch noch…“, der Rothaarige machte einen Schritt auf uns zu. „Wer seid ihr“, Blakes Hand verharrte noch immer in der Wand hinter mir. „Garra“, der Dunkelhaarige trat vor, „Und dieser Trottel dort ist Raive“, er nickte seinem Kameraden zu. „Hm…“, stieß Blake aus und zog seine Hand zurück. „Wir Halblinge leben in einem Dorf, das für andere nicht sichtbar ist“, Raive nahm einen Bissen von seinem gebratenem Hähnchenschenkel – ich schmunzelte bei der Absurdität, die sich beim Anblick dieses gebratenem Geflügels auftat: Anstatt Menschen, existierten in dieser Welt alte Eidechsenfrauen und Männer mit wuscheligen Ohren auf dem Kopf. Aber Hühner, die gab es sowohl Zuhause als auch hier… Warum verschonte die Evolution ausgerechnet die Hühner? „Was genau meinst du mit ‚Halblinge’?“, ich legte die Stirn kraus. Raive kaute auf dem Stück Fleisch herum, als würde es sich um ein Stück Rindsleder handeln, während er mich missbilligend musterte. Oder vielmehr missbilligte er wohl, dass sich Blake direkt hinter mich gesetzt und die Beine neben meinen angewinkelt hatte, dass er einen Arm um gelegt - oder eventuell auch, dass er das fetteste Huhn okkupiert hatte… wer wusste das schon so genau. „Es bedeutet, dass wir Menschenblut in uns tragen“, antwortete Garra an seiner Stelle, „Oder zumindest noch soviel, dass wir nicht als vollwertige, reinrassige Wesen angesehen werden können“, er musste gesehen haben, dass ich konfus geblinzelt hatte und fuhr mit seinen Erklärungen fort, „Vargo ist beispielsweise ein Werwolf, aber deshalb ist er nicht gleichzeitig ein Halbling, denn nach der Transformation vom Menschen zum Werwolf, wird alles menschliche in einem vergiftet und abgetötet. Als Halbling wird man geboren, wenn ein nichtmenschlicher Vorfahre sich mit einem Sterblichen gepaart hat“, er reckte den Hals und warf einen Blick auf den Sichelmond. „Es wird Zeit zu gehen“, stellte Garra trocken fest und richtete sich auf. Raive tat es ihm widerwillig nach, ohne den Blick von mir und Blake abzuwenden, der seinen Zorn unterdrückte, indem er einfach jeglichen Kommentar ignorierte und seine Mahlzeit genoss. „Rose“, Raive sprach meinen Namen bedrückt aus, „Hier, nimm das“, ich sah, dass Garra argwöhnisch zu seinem Kumpanen hinüber sah. Raive reichte mir ein goldenes Amulett, ein mir unbekanntes, außergewöhnlich geschwungenes Zeichen war in es gebrannt worden, „Oh, das ist wunderschön“, ich lächelte zu ihm hinauf, seine Mundwinkel zuckten ebenfalls. „Es bewirkt, dass du durch den Schutzschild, der unser Dorf umgibt, sehen und schreiten kannst“, seine Augen huschten einen Moment zu Blake, doch der beachtete den Fuchs-Halbling keineswegs. „Vielen Dank, wir kommen sicher einmal vorbei“, er zuckte bei dem Wort ‚wir’ zusammen, als hätte ich einen Schuss auf ihn abgefeuert… „Ich hoffe es wirklich…“ Ich sah den beiden nach, wie ihre Silhouetten mit der Dunkelheit des Waldes verschwanden. „Wärst du nicht weggelaufen, müssten wir nicht auf dem Waldboden übernachten“, murrte Blake hinter mir. „Jaah“, antwortete ich ihm reserviert und warf meinen abgeknabberten Hühnerknochen ins Feuer. „Sei nicht so, du weißt, dass es eine Dummheit war, fortzulaufen“, entgegnete er mir störrisch. Was sollte das, hatte ich nicht resigniert genug geklungen? „Was immer du sagst“, erwiderte ich und bemühte mich dieses Mal ernsthaft, nicht sarkastisch zu klingen, damit wir das Thema abhaken konnten. „Du-“, er hielt inne. „Was denn?“, ich war es leid, noch länger mit ihm diskutieren zu müssen. „Kannst du mir sagen, nach was ich rieche?“, ich richtete meinen Oberkörper unfreiwillig vor Verwunderung auf, „Ich kann mich selbst nicht wahrnehmen“, erklärte er mir sachlich. „Klar…“, ein Lächeln umspielte meine Lippen, als ich nach seinem Arm griff und ihn mir unter die Nase hielt, „Ich denke…“, ich schob mein Gesicht ein Stück vor, um genauer daran schnuppern zu können, als meine Lippen sein Handgelenk streiften. Innerhalb einer Sekunde schoss mir das Blut in den Kopf und selbiger begann mir fürchterlich zu schwirren, „Ein bisschen nach Hühnchen…“, ich legte seinen Arm neben ihm ab, doch er erhob ihn sofort wieder, um ihn erneut um meine Taille zu schlingen. „Aber ich denke hauptsächlich nach frisch gemähtem Grass und Schnee“, ich räusperte mich, um meine Verlegenheit auf irgendeine Weise zu übergehen. „Schnee? Nach was riecht Schnee denn?“, ich sah mit an, wie ein weiterer Holzscheit in sich zusammenfiel. Das Feuer würde sicher nicht mehr lange brennen. „Er riecht nach…“, ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie die bauschigen Flocken vom Himmel segelten, „Zufriedenheit“, Blake lachte auf, sein Lachen klang unbeschwert und aufrichtig, es irritierte mich leicht, denn bisher hatte ich lediglich sein ironisches, diabolisches Lachen kennen gelernt. Ich konnte nicht genau sagen, welches besser zu ihm passte, doch welches mir besser gefiel, war mir sofort klar. Hosted by Animexx e.V. 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