Nachtschatten - Specials von fiZi (gehören zu den verschiedenen Teilen) ================================================================================ DeA - Die Folgen eines Wunsches ------------------------------- Manxspecial Hier kommt das Übergangskapitel von "Die ersten Abendteuer" (http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/42149/186001/) zu der neuen Story Schwarzes Inferno (http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/203183/) Hauptpersonen: Manx Briefs (und Trayun kommt auch mal kurz vor) .oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo. Manx gähnte und streckte sich ausgiebig, ehe sie träge ihr rechtes Auge öffnete. Sie lag im Schatten eines großen, bunten Sonnenschirms, aber auch hier war die Hitze beinahe unerträglich. Die Sommerferien hatten vor wenigen Tagen begonnen, und ihre Eltern hatten beschlossen, dass es Zeit wäre, ihrem Ferienhaus in Seashore mal wieder einen Besuch abzustatten. Und nun saß die ganze Familie Briefs, bestehend aus Trunks, Maya und zwei Zwillingspärchen, für die nächsten drei Wochen in diesem Kaff fest. Gut, es lag am Meer, und besaß dadurch ein ganz ausgezeichnetes Klima, was vor allem den beiden Kleinen gut tat, die die letzten Wochen mit einer Bronchitis zu kämpfen gehabt hatten. Und ja, es war natürlich schön, auch mal ihre Großeltern mütterlichseits wieder zu sehen – die sich anscheinend ebenso wie ihre Eltern frei genommen hatten und demnächst ein paar Tage vorbeischauen wollten. Aber irgendwie war es so verdammt öde hier – und die extreme Hitze, die diesen Teil des Landes fest im Griff hatte, machte die Achtjährige total müde. Für einen kurzen Moment überlegte die Türkishaarige, ob sie ein weiteres Mal in den verlockend kühl aussehenden Pool direkt vor ihr springen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Ihr war noch nicht heiß genug um die natürliche Abneigung gegen Wasser, die sie ihrem Katzen-Ich zu verdanken hatte, schon wieder zu überwinden – auch wenn es sie mit Sicherheit etwas wacher gemacht hätte und den trägen Zustand, in dem sie sich seit ihrer Ankunft dank ihrer tierischen Seite befand, ein wenig gemildert hätte. Manx wandte langsam den Kopf nach rechts. Try lag neben ihr und war vollkommen vertieft in irgend so ein krasses Technikbuch. Wenn sie sich recht erinnerte, war das auch schon der Fall gewesen, bevor sie ihr Nickerchen gemacht hatte. Mit ihrem Zwillingsbruder war im Moment noch weniger anzufangen als mit ihren beiden drei Jahre alten Geschwistern – die offensichtlich gerade im großzügigen Anwesen hinter dem Schwimmbad miteinander um etwas stritten, denn durch die offen stehende Terrassentüre drang lautstarkes Gebrüll. Das Mädchen mit den schwarzen Katzenöhrchen seufzte. Genau das hatte sie wohl auch geweckt. „Mir ist langweilig.“ Maulte die Achtjährige und erhob sich geschmeidig von der Sonnenliege, auf der sie bereits den halben Tag zugebracht hatte. Trayun schenkte ihr nur einen kurzen Blick, ehe seine dunkelroten Augen wieder zu den Seiten seiner offensichtlich hochinteressanten Lektüre zurückwanderten. „Es ist zu heiß. Warum suchst du dir nicht auch ein gutes Buch?“ Seine Schwester musterte ihn finster. Was der Weißhaarige unter „gut“ verstand, waren irgendwelche abgehobenen, physisch-technischen Bücher. Nichts für Normalos in ihrem Alter. Manx hatte letzte Woche mitbekommen, wie ihre Eltern mit irgendeinem Direktor über einen Schulwechsel ihres ältesten Sohnes gesprochen hatten, weil Try schon eine ganze Weile total unterfordert wäre. Er würde mit Ice an ein Internat gehen, das an die Schule und Universität für Metaphysisches und Übersinnliches angeschlossen war und viele hundert Kilometer von ihrem jetzigen Wohnort Satan-City entfernt lag. Manx würde das kommende Schuljahr allein bestreiten müssen – weil sich ihr Ki einfach nicht unter Kontrolle bringen ließ! Dabei hatte sie in den letzten Wochen seit ihrem Ausflug, wo sie die Dragonballs gefunden hatten, heimlich geübt. Leider ohne irgendwelche sichtbaren Fortschritte zu machen. Sie hatte es weder zustande gebracht, irgendetwas an ihrem Aussehen zu verändern, noch war es ihr möglich gewesen, das seltsame Schutzschildphänomen, das bei dem Angriff des Dämons aufgetreten war, ein weiteres mal zu Stande zu bekommen. Noch so ein Gedanke, der nicht unbedingt dazu beitrug, ihre Laune zu heben. „Ich geh rein.“ Das Mädchen mit den auffälligen schwarzen Katzenohren zwischen den türkisen Haaren beschattete die Augen und blinzelte gegen das gleißende Sonnenlicht. Die Muschelschale, die sie gerade weit weg ins Meer geschleudert hatte, prallte wie geplant auf den großen Felsbrocken und zerschellte. Ein schwacher Wind zerrte an dem leichten, hellgrünen Sommerkleid, das Manx sich übergezogen hatte und sorgte dafür, dass es hier unten an der Küste etwas kühler war. Er trug kleine Spritzer salziger Gischt mit sich, da er vom Meer kam. Die Achtjährige blickte noch einen Moment länger über die das helle Licht reflektierenden, unendlichen Weiten des Ozeans, ehe sie sich seufzend abwandte, um weiter den Strand entlang zu schlendern. Wenn sie fliegen könnte, wäre es ihr möglich, nach Inseln zu suchen oder einfach ein wenig hinaus zu schweben und die verschiedenen Blautöne des Wassers anzusehen. So war sie dazu verdammt, hier am Strand zu bleiben – doch Dank ihren übermenschlichen Fähigkeiten konnte sie zumindest an verlassenen Klippen in die Tiefe hinab springen und auf diese Weise war es ihr möglich, an schwer erreichbaren, verlassenen Gegenden nach unerforschten Höhlen Ausschau zu halten. Mit einem beinahe schon beiläufigen Sprung ließ das Katzenmädchen den schmalen Sandstreifen hinter sich und überwand die sieben Meter Höhenunterschied, um auf einem breiten Plateau zu landen, das sich einige Meter unterhalb der Küstenstraße entlang wand und zunehmend an Fläche gewann. Den Blick nach unten gerichtet folgte ihm Manx einige Minuten lang, ganz darauf konzentriert, auch ja keine eventuellen Höhleneingänge zu übersehen. Allerdings schien es hier außer ein paar Vertiefungen im Fels nichts zu geben, was von Interesse war. Wie sollte es auch anders sein. Die Küstenstreifen, die sie bislang in den vergangenen Tagen unter die Lupe genommen hatten, waren leider auch nicht viel interessanter gewesen. Es wurde wohl Zeit, nach Hause zu gehen, auch wenn es wahrscheinlich erst drei Uhr war. Seufzend richtete die Achtjährige die kobaltblauen Augen wieder auf den Weg vor ihr – und stutzte, als ihr Blick zufällig das Ende des Plateaus streifte. Dort schien es einmal eine schmale Straße nach oben gegeben zu haben, die jedoch Dank eines Steinschlags völlig unpassierbar geworden war. Riesige Gesteinsbrocken waren von den überhängenden Felsen der Küstenstraße auf den darunter liegenden Vorsprung gestürzt. Und direkt vor dieser natürlichen Barriere befand sich ein völlig verwilderter Garten, mit mächtigen, von Moos und Efeu überwucherten Bäumen und umgeben von einem halb zerfallenen Holzzaun. Er zog sich von der äußersten Kante, an der der Stein steil hinab ins Meer abfiel, bis hinter zu der Flanke des Berges, wo ihn die überhängenden Felsen schützend überragten. Manx blinzelte, doch ihre scharfen Katzenaugen hatten sie nicht getrogen. Zwischen den Wipfeln der gewaltigen Bäume konnte man Teile eines offensichtlich alten, großen Hauses entdecken. Überhängende Felsen sorgten dafür, dass man es von oben nicht sehen konnte. Langsam näherte sich die Achtjährige ein weiteres Stück, bis sie nur noch wenige Meter von der Grundstücksumzäunung entfernt war und einen guten Blick auf das Anwesen hatte. Es war aus großen, grauen Quadern errichtet worden – das Mädchen vermutete, dass das Material direkt aus dem Berg gehauen worden war – und von wildem Wein überwachsen. Die vielen großen Fenster waren blind vor Staub und allesamt dunkel. Ohnehin war Manx davon überzeugt, dass das Gebäude schon lange verlassen war. Es hatte eine Ausstrahlung, die wie Nebelschwaden in der Luft zu liegen schien, und die ihre Haut vor Neugier kribbeln ließ während ihr gleichzeitig leichte Schauer über den Rücken liefen. Überdeutlich konnte sie spüren, dass sich etwas Besonderes in dem Gemäuer verbarg. Zögerlich machte sie ein paar weitere Schritte, bis sie mit ihren Händen das raue Holz des Zaunes berührte. Konnte sie es wagen? Die Achtjährige kaute nervös auf ihrer Unterlippe und spielte gedankenverloren an dem Lederband, an dem seit den Pfingstferien der Elementa Kristall hing. Seit dieser gruseligen Begegnung vor einigen Wochen war die Türkishaarige ein wenig vorsichtiger und fühlte sich nicht mehr ganz so unbesiegbar. Andererseits konnte sie, seitdem sie dieser seltsame Fluch des Dämons getroffen hatte, ja angeblich Übersinnliches sehen – auch wenn sie dieses neue Talent seit dieser schicksalhaften Begegnung nie mehr hatte einsetzen können. Die drei schwarzen, ringförmigen Male um ihren rechten Oberschenkel erinnerten sie jeden Tag daran. Das hieß, sie wäre diesmal vorzeitig gewarnt und könnte entkommen. Sie lauschte auf ihre Katzensinne – seit ihrer Suche nach den Dragonballs hatte sie sich tatsächlich mit ihrem zweiten Ich ein wenig mehr anfreunden können und sich ab und zu sogar dazu durchgerungen, sich zu verwandeln. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie diese neue Fähigkeit, die ihr Shenlong verliehen hatte, trainieren wollte, und versucht hatte, auf diese Weise ein Gefühl für den Vorgang der Transformation zu bekommen. Doch Fortschritte im Bezug auf das Verändern ihres Körpers hatte sie bislang nicht machen können. Für Manx hatte die Sache jedoch trotz allem einen entscheidenden Vorteil gebracht. Es fiel ihr nun wesentlich leichter, auch in ihrer Menschenform auf ihre übermenschlichen Sinne, zu denen vor allem das übermäßige Gespür für paranormale Schwingungen gehörte, die sie sonst nur in ihrer Tiergestalt hatte, zurückzugreifen. Und bei ihrem Ausflug in den Pfingstferien hatte sie es schließlich schon sehr früh gespürt, dass Gefahr in der Luft lag. Sie hatte zwar auch diesmal das Gefühl, irgendetwas wahrzunehmen, das wie der Geruch von Schnee und altem Stein unsichtbar in der Luft schwebte, jedoch war es viel zu schwach, als dass sie sich hätte sicher sein können. Es war eher so eine Ahnung – und die konnte die Neugier, die sie seit dem Anblick des verlassenen Gebäudes fest im Griff hatte, nicht wirklich zügeln. Ohne noch länger zu zögern sprang das Mädchen über den Zaun, lief leichtfüßig durch das hohe Gras, schlängelte sich geschickt an den majestätischen Bäumen vorbei und kam schließlich mit funkelnden Augen und ein wenig außer Atem vor dem großen mehrstöckigen Gebäude zum stehen. Hier war es kühler, die Bäume spendeten nicht nur Schatten sondern hielten die Feuchtigkeit wie einen leichten Nebel in der Luft und kühlten diese. Die Ausstrahlung von Kühle und Frost schien jedem Stein des Hauses innezuwohnen und nach draußen zu sickern. Auf Manx Armen bildete sich unwillkürlich eine Gänsehaut. Hastig schlich sie so lange um das gigantische bewachsene Bauwerk herum, bis sie an der riesigen, reich beschnitzten Haustüre angekommen war, zu der ein paar breite Stufen hinauf führten. Ohne noch länger zu zögern drückte die Achtjährige die schwere Metallklinke in Form einer Rose und rüttelte vorsichtig. Zu ihrer Überraschung gab der rechte Teil des Tores auch augenblicklich nach, und mit einem lauten Knarren, das ohne weiteres in jedem Gruselfilm hätte vorkommen können und die Stille lautstark durchschnitt, öffnete sich der Flügel. Eine Wolke aus abgestandener Luft, die nach feuchtem Stein, altem Staub und moderndem Holz roch, schlug ihr entgegen, während das Mädchen einige Schritte ins Innere des Gebäudes taumelte, ehe sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Hier drinnen war es kühl – und sie glaubte auch wieder, diesen besonderen Geruch von Kälte und Schnee wahrzunehmen, der sie irgendwie ein bisschen an Ice erinnerte. Denn auch den ältesten Misasai-Sprössling umgab dank seiner Magie immer eine Aura, die an einen stürmischen Wintertag erinnerte. Staunend sah sie sich in dem riesigen, düsteren Treppenhaus um. Auch im Inneren waren die Wände unverputzt und von einem Grau, das in dem spärlich hereinfallenden Licht noch dunkler erschien. Die breite Steintreppe, die an den Wänden entlang nach oben führte, wirkte ein wenig baufällig. Auf dem Boden lagen die Überreste eines gigantischen Kronleuchters, dessen Kristallverzierungen, in tausend Teile zersprungen, überall verteilt waren. In den Sonnenstrahlen, die durch den Türspalt hereinfielen und das Halbdunkel durchdrangen, strahlten sie wie kostbare Edelsteine. Durch die große, kunstvolle Glaskuppel, die sich mittig über ihr erstreckte, kam so gut wie gar kein Licht. Die Kronen der Bäume waren hoch genug, dass sich das Herbstlaub in den Jahren angesammelt hatte, und der viele Staub und Dreck im Hausinneren tat sein übriges, um das eigentlich durchscheinende Material stumpf und undurchlässig zu machen. Vorsichtig machte Manx ein paar weitere Schritte in die gewaltige Vorhalle hinein, darauf bedacht, mit ihren leichten Sommerschuhen nicht in die Scherben des Kronleuchters zu treten. An einigen Wänden hingen Bilder, die man jedoch Dank der dicken Rußschicht, die darüber lag, nicht erkennen konnte, und in den Ecken befanden sich einige Möbelstücke, die allesamt noch erhalten waren. Zierliche Kommoden und Schränkchen, auf denen zum Teil Vasen und Schüsseln standen. Die Achtjährige kam sich vor, als wäre sie in eine andere Epoche versetzt worden. Staunend drang sie ein wenig tiefer in das Gebäude ein und erkundete beinahe lautlos den Teil des Erdgeschosses, bei dem sich die Türen problemlos öffnen ließen. Sie fand ein komplett eingerichtetes Esszimmer, eine riesige Küche und etwas, das wohl eine Art Salon darstellte, mit Sofas und kleinen, niedrigen Tischchen. Überall zeugte eine dicke Staubschicht davon, dass sie seit Jahrzehnten die Erste war, die dieses Haus betrat. Ihre Schuhe hinterließen eine auffällige Spur, und Manx gab kurz dem Drang nach, ein paar lustige Muster auf dem Boden des Esszimmers zu malen. Schließlich kam sie wieder im Treppenhaus an und kniff kurz die Augen zusammen, als sie das helle Sonnenlicht von draußen plötzlich blendete, das nach wie vor ungehindert durch den offenen Türflügel hinein schien. Neugierig blinzelte sie nach oben. Ob sich im ersten Stock noch weitere interessante Räume befanden? Sie war sich sicher, das größte Geheimnis des alten Gemäuers noch nicht gelüftet zu haben, und irgendwie verspürte sie den unbezähmbaren Drang, auch noch die anderen Stockwerke zu erkunden, inwiefern ihr das möglich war. Trotzdem zögerte das Mädchen einen Moment. Immerhin war es möglich, dass das Haus einsturzgefährdeter war, als die Achtjährige bislang geglaubt hatte. Und nachdem sie bei der Dragonballsuche als Katze im Inneren dieses unheimlichen Felsenlabyrinths gewesen war, wusste sie, wie es sich anfühlte, wenn rings um einen alles zusammenstürzte. Sie hatte nicht vor, dieses Horrorerlebnis aufzufrischen. Seit diesem Ausflug versuchte sie, ein wenig vorsichtiger und verantwortungsbewusster zu handeln. Und dass ihre Erkundungstour nicht ganz ungefährlich war, war Manx durchaus klar. Prüfend setzte sie einen Fuß auf die breite Treppe. Die Stufen waren aus Marmor und ihre scharfen Katzenaugen konnten keine auffälligen Risse erkennen. Der Stein fühlte sich beruhigend fest und sicher an. Die Wand, an der sie sich unwillkürlich abgestützt hatte ebenfalls. Vorsichtig machte sie einen weiteren Schritt. Von oben schien ein weiterer Schwall kühler Luft zu kommen, der einen Hauch Frost in sich trug und ihre Haut ein wenig kribbeln ließ. Sie beschloss, nicht noch länger zu warten. Nur einen kurzen Moment würde sie all die geheimnisvollen Räumlichkeiten betrachten, die Ausstrahlung des Ortes in sich aufnehmen und dann genauso schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen war. Mit einem Satz landete sie auf dem kunstvollen, aber nicht minder verstaubten Parkett der Galerie etwa sechs Meter über ihr. Ein sichernder Blick in die Runde, doch es war nichts Auffälliges zu entdecken, und so machte sich das Katzenmädchen an die Erkundung des ersten Raumes der ihr aufgrund der großen, torähnlichen Türe sofort ins Auge fiel. Sobald sie die Klinke hinuntergedrückt hatte, öffnete sich der rechte, mit Blumenranken verzierte Flügel wie von selbst und gab den Blick auf eine riesige Bibliothek frei. Gleichzeitig kam ihr ein Schwall kühler Luft entgegen, die nach Papier und der nun schon gewohnten Kälte, gemischt mit altem Stein roch. Zwei bogenförmige Fenster lagen ihr gegenüber, eingebettet in Regale, die bis zur Stuckdecke reichten und voller Bücher standen. Das Glas war jedoch so voll Staub, dass in dem gewaltigen Raum lediglich diffuses Zwielicht herrschte. Trotzdem konnte das Katzenmädchen in etwa erkennen, dass sich die unzähligen Regale aus dunklem Holz über zwei Etagen erstreckten und eine Holztreppe hinauf auf eine schmale Galerie führte, wo man Zugang zu den Büchern im zweiten Stock hatte. Staunend machte die Achtjährige ein paar Schritte in den Raum hinein und wandte sich nach rechts. Ganz hinten in der linken Ecke glaubte sie neben dem hinteren Fenster eine Leseecke zu erkennen, mit einem großen Ohrensessel, einem kleinen Tischchen und einem zierlichen Sofa. Das Parkett war zum Großteil von kunstvoll geknüpften Teppichen bedeckt. Dass hier weder auf dem Boden noch auf den Möbeln Staub lag, fiel ihr dabei gar nicht auf. Sie war viel zu fasziniert von der ehrwürdigen Ausstrahlung dieses Ortes. Unerwartet wurde ihre Haut von einem weiteren, wesentlich intensiveren Kältehauch gestreift und dazu erklang plötzlich eine leise Stimme direkt an ihrem rechten Ohr: „Hallo, junge Dame.“ Manx stieß einen erschrockenen Schrei aus, machte einen Satz nach links und wirbelte dann kampfbereit herum. Sie hatte niemanden kommen hören, und die Tatsache, dass es offensichtlich jemandem gelungen war, sich ihr auf wenige Zentimeter zu nähern ohne dass sie das bemerkt hatte, wirkte wie ein Schwall eisiges Wasser, das plötzlich über ihr ausgekippt wurde und sie sämtliche Neugierde, die sie hierher getrieben hatte, verfluchen ließ. Auch wenn sie es noch nicht fertig gebracht hatte, die Energie anderer Menschen zu spüren, war es bislang niemandem gelungen, ihre scharfen Katzensinne auszutricksen. Abgesehen von Ice und Try, die sich hin und wieder einen Spaß daraus gemacht hatten, sich ihr mit vollkommen unterdrückter Aura zu nähern um sie zu erschrecken. Aber da hatte ihr sechster Sinn für Gefahren auch nicht angeschlagen, weil sie die beiden kannte. Das hier war etwas ganz anderes! Ihr Herz hämmerte in ihren Ohren, und schien einen Schlag auszusetzen, als sie schließlich mit weit aufgerissenen Augen der Gestalt ihr gegenüber ansichtig wurde. Offensichtlich handelte es sich um einen jungen Mann, der ihren Blick belustigt und mit spöttischem Gesichtsausdruck erwiderte. Sein schulterlanges, leicht gelocktes Haar war im Nacken mit einem Samtband zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammen gefasst und er trug ein an den Ärmeln hochgekrempeltes Hemd, dazu einfache Kniebundhosen und Lederstiefel. Es war jedoch nicht diese altertümliche Erscheinung, die die Achtjährige mit offenem Mund dastehen ließ. Es war die Tatsache, dass er überhaupt keine Farbe an sich hatte, sondern eher wie Nebel wirkte – und sie durch ihn hindurch die Türe erkennen konnte, die in die Bibliothek führte. „Nun – ich dachte eigentlich nicht, dass du meine Anwesenheit bemerken würdest, als du hier rein gekommen bist. Doch meine Sinne wurden getäuscht. Du hast ganz offensichtlich Katzengene in dir. Das heißt, du hast meine Ausstrahlung wahrscheinlich schon eine ganze Weile gespürt – möglicherweise sogar noch, bevor du dieses Gebäude betreten hast. Zudem kannst du mich offensichtlich nicht nur hören, sondern sogar sehen. Und deine Aura ist wirklich ungewöhnlich – vor allem, weil ich das erst bemerkt habe, als ich dir ganz nahe gekommen bin. Sehr interessant.“ Das Katzenmädchen begann zu zittern und umklammerte unbewusst den Elementa Kristall an ihrem Hals. Gleichzeitig machte sie einen Schritt zurück. Ihre Erfahrung mit solchen durchsichtigen Wesen war bislang nicht gerade positiv gewesen, und auch wenn dieses … Ding wesentlich menschlicher aussah und besser roch als der Dämon, konnte man doch nie wissen. Seine Worte erinnerten sie jedenfalls irgendwie ein wenig an das Monster in der Höhle. Gerade, als sie herumwirbeln wollte, um dieses unheimliche Haus auf dem schnellsten Wege zu verlassen, hielt sie die Stimme des jungen Mannes auf. „Warte! Ich kann dir helfen! Jetzt wo ich dir so nahe gewesen bin, habe ich erkannt, wie viel Potenzial in dir schlummert. Aber du bist überhaupt nicht trainiert!“ Das Mädchen stockte. Ihr Gegenüber lächelte ein wenig und schwebte vorsichtig etwas näher. „Das merke ich daran, dass du Angst vor mir hast – und nichts gegen mich unternimmst. Du hattest bislang wohl nur Begegnungen mit Dämonen – ich kann den Vue-Fluch spüren, mit dem du belegt wurdest, und wegen dem du mich sehen kannst.“ Er zwinkerte ihr freundlich zu. „Neben dieser Katzenidentität, die ja schon durch deine Ohren und Augen offensichtlich ist, spüre ich außerdem einen nicht unerheblichen Anteil an ganz besonderem Ki. Und dieser Kristall, den du da hast … ist wirklich außerordentlich interessant. Weißt du, was es mit ihm auf sich hat? Er hat dafür gesorgt, dass ich als du die Bibliothek betreten hast erst dachte, du wärst ein ganz gewöhnlicher Mensch, weil er deine Aura so sehr dämpft, dass ich ihr wahres Ausmaß selbst jetzt nicht ganz erfassen kann. Und das ist schon eine ganz außergewöhnliche Leistung – schließlich bin ich ein Geist, der normalerweise selbst das schwächste Lebewesen im Umkreis von fünfzig Metern spürt.“ Manx starrte den durchsichtigen jungen Mann mit großen Augen an. Das sollte … ein Geist sein? Das Wesen verbeugte sich kurz. „Mein Name ist Shun. Und wenn du möchtest, kann ich dir viel beibringen. Wie gesagt, du hast wirklich ganz großes Potenzial ...“ Seine Augen wurden für einen Moment traurig. „… und ich war schon immer ein sehr guter Lehrer. Ich habe Jahrhunderte mit dem Studium von Büchern verbracht und kenne mich mit allen Formen von Ki aus. Ich bin davon überzeugt, dass ich es schaffe, deine besondere Art der Energie zu trainieren, und die dafür nötigen Materialien zu beschaffen.“ Sein Blick blieb an dem Elementa Kristall hängen, den das Mädchen losgelassen hatte, während sie seinen Worten lauschte. „Auf so eine Chance habe ich schon sehr lange gewartet. Ich verlange natürlich eine kleine Gegenleistung für meine Dienste, doch bis es soweit ist, werden viele Jahre vergehen. Ich möchte dir einen Deal vorschlagen – und meine Geschichte erzählen. Danach kannst du dir immer noch überlegen, ob du auf mein Angebot zu diesen Konditionen eingehen willst oder nicht. Was hältst du davon?“ .oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo.oOo. FIN Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)