Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Der Schwur der Bruderschaft -------------------------------------- Der Schwur der Bruderschaft Catherine kam kurz nach Nathalie im Laden an und begrüßte die Freundin mit den Küsschen auf die Wangen. Nathalie informierte sie, dass der Besitzer sich in den hinteren Teil zurückgezogen hatte und sie somit den Ausstellungsraum für sich hatten. „Was denkst du? Rot? Blau? Gelb?“ fragte sie und ging die Reihen durch. „Schwarz.“ meinte Catherine. Nathalie zog ein Gesicht und schüttelte den Kopf. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Das ist keine Beerdigung.“ „Ist ja schon gut.“ lachte Catherine und ging hinter ihr her. Nathalie hatte unempfindliche Haut, dunkelblondes Haar und war etwas kräftiger, doch trotzdem hübsch. Catherine fand ja, dass ihr Fliedertöne am besten standen, aber davon wollte Nathalie nichts wissen. „Oh, sieh’ mal!“ Catherine zog einmal mehr ein Kleid aus der Reihe und hielt es ihrer Freundin hin. „Hübsch.“ meinte sie nur und ging weiter. „Was ist daran auszusetzen?“ „Zu … viel … Stickerei.“ Catherine schnaubte. „Also, fassen wir zusammen: es soll nicht schlicht sein, darf aber keine Rüschen und auch nicht allzu viel Stickereiornamente haben… Dann möchtest du einen weichen Stoff, der sich nicht wie Krepppapier anfühlt, aber auch keinen Samt, weil das selbst für Winter viel zu warm ist. Habe ich etwas vergessen?“ fragte Catherine und blickte sie an. Nachdenklich schüttelte Nathalie den Kopf und stöberte weiter herum, bis sie plötzlich verzückt nach Catherine rief, die sich gerade die großen Hüte mit den noch größeren Federn, unechten Blumen und unidentifizierbarem Schmuck ansah. „Hast du was?“ „Ja. Ja! Das ist einfach perfekt!“ Nathalie drehte den Bügel in ihrer Hand um und ließ Catherine das Kleid inspizieren. Es war blau und an Ärmeln und Kragen mit Rüschen gesäumt, während der Rock gebauscht und gerafft war. „Ich dachte, du wolltest keine Rüschen.“ bemerkte Catherine, aber ansonsten fand sie das Kleid auch annehmbar. „Ja, egal. Das ist mir jetzt egal! Ich probier es gleich einmal an!“ „Bitte!“ seufzte Catherine und ließ sich auf das Sofa vor den Kabinen fallen. „Ich verstehe nicht, dass du nicht mitkommen willst! Du hattest doch vor zwei Jahren auch deinen Spaß, oder?“ rief sie Catherine zu, die bei sich nickte. „Ja, stimmt schon, aber ich bin doch keine feine Dame!“ „Hör schon auf! Was denn sonst? Du könntest doch alles sein!“ „Das vielleicht, aber dann wäre ich nichts richtig. Nein, die feine Dame passt einfach nicht zu mir.“ „Und was dann?“ Catherine überlegte kurz. ‚Das Mädchen, das nachts über den Friedhof und durch dunkle Gassen rennt, damit Mädchen wie du ein unbeschwerteres Leben haben und auf Kostümbälle gehen können’. „Ich weiß es nicht! Vielleicht etwas Sportlicheres… Findest du nicht?“ Nathalie gab nur ein Murmeln von sich und Catherine fragte nicht noch einmal nach. Nein, diese feinen Gewänder passten wirklich nicht zu ihr. Immerhin lernte sie seit ihrem siebten Lebensjahr den Umgang mit Waffen. „Du warst lange weg.“ bemerkte Lucien etwas vorwurfsvoll, als Catherine gegen Abend in den Salon trat. „Wir waren noch etwas trinken.“ „Ah.“ Catherine nickte. „Heute ist immerhin Silvester und ich feiere nicht mit meinen Freunden.“ fügte sie hinzu. „Würde eine Party stattfinden?“ „Nein, natürlich nicht! Ganz Paris feiert, aber es findet keine Party statt!“ „Wo ist eigentlich dein Problem?“ Catherine winkte ab. Grundsatzdiskussionen wollte sie an diesem Abend wirklich nicht führen, aber es gab noch so viel zu klären. Sie hängte ihren Mantel und ihren Schal über die Sessellehne. „Ich habe in Rom noch jemanden erreicht.“ meinte er beiläufig. Catherine war überrascht. „Und?“ „Wir sollen unseren Auftrag ausführen.“ Catherine schüttelte den Kopf. „Hast du etwas über Mama oder Papa herausgefunden?“ „Nur, dass sie momentan nicht in Rom sind.“ „Wo sind sie dann? Lucien, das kann doch nicht sein!“ „Dafür gibt es sicherlich eine logische Erklärung. Vielleicht eine Art geheime Sache, über die sie nicht hätte sprechen drüfen…“ „Eine logische Erklärung? Unsere Eltern reisen ab, sagen, sie würde in Rom gebraucht und sollen nie dort angekommen sein? Erstens: das ist äußerst seltsam. Zweitens: wieso lügen sie uns an, sollten sie wirklich nicht nach Rom geflogen sein?“ Lucien erwiderte nicht gleich etwas, dann meinte er: „Ich werde den Auftrag ausführen – auch ohne dich.“ Catherine starrte ihren älteren Bruder wie gebannt an. Nur langsam verstand sie, was er gesagt hatte. „Du… Das kannst du nicht tun!“ „Du wirst sehen, dass ich es kann.“ „Wieso tust du es?“ „Es ist der Befehl der Bruderschaft.“ „Und deshalb brauchst du nicht mehr selbst überlegen?!“ „Auch du solltest dich an den Schwur erinnern, den du geleistet hast! Hast du ihn vergessen?“ „Ich war gerade sieben Jahre alt! Ich habe ihn auswendig gelernt, aber seinen Sinn nicht verstanden! Hätte ich den Sinn verstanden, hätte ich den Schwur nie geleistet!“ „Darin unterscheiden wir uns wohl.“ Catherine blickte ihn unverständig an und erhob sich wieder. Lucien konnte das nicht … doch, er meinte es in vollem Ernst. „Ich, Catherine du Ravin, werde jetzt - in der Gegenwart des allmächtigen Gottes und des Hohen Rates und meines geistlichen Vaters, Kardinal Salieri, erklären und schwören, dass die Bruderschaft die einzige und wahre Unterstützung der heiligen katholischen und universellen Kirche über die ganze Erde ist und die Berechtigung und Macht hat, alle diese zu vernichten, die vom rechten Weg abgekommen sind. Weiter erkläre ich, dass ich allen oder irgendwelchen Vertretern der Bruderschaft an jedem Platz, wo immer ich sein werde, helfen und beistehen und sie beraten und mein Äußerstes tun will, um die Mächte der Finsternis und der Ketzerei auf rechtmäßige Art und Weise oder auch anders auszurotten, und alle von ihnen beanspruchte Macht zu zerstören. Ich verspreche und erkläre, dass ich nichtsdestoweniger darauf verzichte, irgendeine ketzerische Religion anzunehmen, um die Interessen der Bruderschaft auszubreiten und alle Pläne ihrer Vertreter geheim und vertraulich zu halten, wenn sie mir von Zeit zu Zeit Instruktionen geben mögen, sie nicht direkt oder indirekt bekannt zu geben durch Wort oder Schrift oder welche Umstände auch immer, sondern alles auszuführen, was der Hohe Rat mit vorschlägt, aufträgt oder offenbart. Weiter verspreche ich, dass ich meine eigene Meinung und meinen eigenen Willen nicht über die Interessen der Bruderschaft stellen werde und keinen Vorbehalt gegen die vom Hohen Rat getroffenen Entscheidung hegen werde, sondern bereitwillig jedem einzelnen Befehl gehorche, den ich von meinem Obersten empfangen mag, dass ich zu jedem Teil der Erde gehen werde, wo auch immer dieser sein mag, und in allen Dingen unterwürfig sein will.“ Sie hatte diese Worte damals einfach auswendig gelernt und hatte darauf vertraut, dass ihre Eltern sie vor Schlimmem bewahren würden – doch sie hatten zugelassen, dass sie die Worte gelobte. Und sie hatte den Schwur geleistet, da hatte Lucien Recht, doch … „Du stellst deine eigenen Interessen über die der Bruderschaft!“ „Ich verstehe die Bruderschaft nicht mehr! Ich will wissen, wo unsere Eltern abgeblieben sind, aber anstatt zu sagen, dass sie sich darum kümmern werden, haben sie nur einen Auftrag für uns, in dem ich wirklich keinen Sinn erkennen kann! Sollen wir wirklich blind vor Eifer Hexen erstechen und Altäre vernichten? Ist das das Vorgehen der Bruderschaft? Ist das rechtschaffen? Ist das…“ „Du stellst zu viele Fragen.“ „Nein, im Gegensatz zu dir denke ich nur! Du tust das nicht! Dich interessiert nicht, warum du etwas tust. Dich interessiert nur, dass du deine Befehle ausführst.“ „Wir sind Soldaten.“ „Soldaten?! Im Kampf gegen Hexen, die wahrscheinlich so und so keine richtigen sind?“ „Das wissen wir nicht.“ „Genau! Das ist der Punkt! Du nimmst in Kauf, dass du Unschuldige abschlachtest… Wegen was? Nur um deinen Befehl auszuführen?“ „Man hat uns das Kämpfen beigebracht. Dazu sind wir bestimmt.“ Lucien war inzwischen genauso wütend wie Catherine selbst. „Ja, man hat uns beigebracht zu kämpfen, aber nicht warum wir kämpfen!“ „Das liegt nicht in unserem Ermessen….“ „Wir sind erwachsen! Wir sind Menschen! Wir haben einen Verstand und ein Gewissen! Wie kannst du dich nur über deines hinwegsetzen?“ „Wie kannst du nur unsere Bestimmung so mit den Füßen treten? Du hast geschworen, deine eigenen Interessen zurück zu stellen! Du hast geschworen, deine Aufträge auszuführen! Du hast Gehorsam gelobt!“ Catherine nickte. „Vergisst du das jetzt? Vergisst du es, weil es unangenehm werden könnte? Oder weil du Angst hast?“ „Ich habe keine Angst! Und ich scheue keine unangenehmen Situationen! Und du solltest mich so gut kennen!“ „Ich dachte, ich kenne dich! Du hättest vor wenigen Wochen noch jeden Auftrag ausgeführt…“ „Vielleicht, aber bisher sollte ich auch Dämonen töten und keine Menschen ermorden!“ Plötzlich ertönte hinter ihr eine Stimme, die sie kannte: „Wo ist der Unterschied zwischen einem Dämon und einem vom rechten Weg abgekommenen Menschen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)