Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 7: Kardinal Salieri --------------------------- Kardinal Salieri Große Bäume tauchten die Gegend in erdrückende Dunkelheit. Der Wind wehte durch ihr offenes Haar und trug leise geflüsterte Worte zu ihr. ‚héo naefre wacode dædréd tó bisig mid dægeweorcum’ Unsicher drehte sie sich um, da sie Stimme hinter ihr zu sein schien, doch sie blickte ins Leere. Hinter ihr lag nur Dunkelheit und Stille. ‚ac oft héo wacode sunnanawanung thonne nihtciele créap móras’ Sie wandte sich der Stimme zu, doch erblickte wieder niemanden. Langsam ging sie weiter. Ihre Füße sanken in dem von Nässe aufgeweichten Weg ein und hinterließen tiefe Spuren. Regentropfen berührten sanft ihre Haut und perlten zuerst zaghaft an ihrem Haar nach unten, doch bald zitterte sie vor Kälte. Sie zog ihren schwarzen Umhang dichter um sich und stiefelte weiter. Sie musste weg von hier. Sie war hier in Gefahr – ihre gesamte Familie war es. Sie fror und gleichzeitig loderte die Wut in ihr. Wie hatte sie ihnen je Glauben schenken können? Wieso?! Sie konnte nicht mehr. Zu lange schon bahnte sie sich ihren Weg durch die schlammige, kalte Erde, doch ihre Todesangst trieb sie weiter. Sie spürte nichts mehr – keinen Schmerz, keine Wut, kein Leben. Erschöpft sank sie zu Boden und schloss die Augen. Plötzlich drang ein gleißendes Licht durch ihre geschlossenen Lieder und eine undeutliche Stimme erklang. Sie spürte, dass man sie bewegte, doch sie konnte sich nicht dagegen erwehren. Langsam kehrte das Bewusstsein zurück und langsam fühlte sie, dass ihr Handgelenk pochend schmerzte. Finger machten sich an ihm zu schaffen und zogen die Glassplitter heraus. Catherine öffnete kraftlos ihre Augen einen Spalt und versuchte, einzuordnen, was sie sah: ein Mann war über ihr Handgelenk gebeugt und säuberte sie Wunde. Emmanuel – ein guter Freund ihres Vaters. „Wie geht es dir?“ fragte er, als er bemerkte, dass sie zu sich kam. Sie schüttelte nur den Kopf und blickte sich weiter um. Ihr Blick fiel auf einen zweiten Mann. Kardinal Salieri. Catherine schloss die Augen. „Catherine, machen Sie die Augen auf.“ meinte der Geistliche und blickte aus dem Fenster. Sie öffnete tatsächlich wieder die Augen und blickte sich weiter um. Was war geschehen? Wieso erinnerte sie sich kaum an etwas? Auf dem Boden lagen Scherben – einige davon waren blutig – und sonst befand sich auch Blut auf dem Boden. „Keine Sorge, so viel Blut hast du nicht verloren. Es hat sich mit dem Inhalt deines Glases vermischt.“ meinte Emmanuel und legte den Verband an. Catherine zuckte aus Schmerz zusammen und er bemühte sich, vorsichtiger zu sein. Emmanuel Bruyard war ein älterer Herr und ein fähiger Arzt. Außerdem war er in das Geheimnis der Familie eingeweiht. Er war es auch, der sich meistens um die Verletzungen kümmerte, die sie davongetragen hatte. Langsam kehrte ihre Kraft zurück. „Was ist geschehen?“ fragte Salieri, während Emmanuel seine Behandlung beendete. „Ich weiß es nicht genau. Ich bin ohnmächtig geworden. Das ist alles, was ich weiß.“ Salieri sagte nichts, sondern nickte nur. „Das sieht dir nicht ähnlich.“ meinte Emmanuel. Catherine nickte und ergriff seine Hand, die er ihr zum Aufstehen anbot. „Wieso bist du hier?“ „Kardinal Salieri hat mich vom Flughafen aus angerufen.“ „Seit wann sind Sie… Wieso sind Sie überhaupt hier?“ fragte Catherine und setzte sich in den Sessel. „Sonst wissen Sie wirklich nichts mehr?“ Sie schüttelte ehrlich den Kopf. „Wo ist Ihr Bruder?“ „Nicht da. Unterwegs. Weg.“ entgegnete sie geistesabwesend und betrachtete den Verband um ihr Handgelenk. „Monsieur Bruyard, vielen Dank für Ihre Unterstützung.“ meinte der Kardinal, worauf Emmanuel nickte und nach einem kurzen Abschiedsgruß den Raum verließ. Catherine sammelte sich. Sie hatte Fragen. Und er war hier. „Wo sind meine Eltern?“ fragte sie und blickte ihn direkt an. „Sie waren in Rom, doch was weiter geschah, entzieht sich meiner Kenntnis.“ „Sind sie tot?“ „Das wäre zumindest möglich.“ „Möglich. Nicht sogar wahrscheinlich?“ Sie senkte ihren Blick nicht, doch er tat es. „Es ist sicher… Es tut mir Leid.“ Catherine nickte. Sie hatte es unbewusst schon geahnt, doch die Tatsache, dass es nun ausgesprochen wurde, verursachte ein Schwindelgefühl in ihrem Kopf. Plötzlich rauschte es in ihren Ohren, die Wände schienen sich zu nähern und alles drehte sich. Salieri sagte nichts, sondern ließ ihr Zeit. „Ich habe versucht, Sie zu erreichen, Salieri.“ stellte sie fest, nachdem sie sich gefangen hatte. „Ich hatte das vermutet.“ „Es hieß, sie seien krank und deshalb nicht zu sprechen. Nun sind sie hier. Klären Sie mich endlich darüber auf, was hier vor sich geht!“ „Ich wünschte, ich könnte es, Catherine.“ „Wieso können Sie das nicht? Sie wussten immer alles!“ „Ich bin nicht allwissend… Und ich habe nicht die leiseste Ahnung, was hier…“ Catherine unterbrach ihn mit einer forschen Handbewegung. „Was können Sie mir über Signore Daniele sagen?“ „Er übernahm die Führung über die Bruderschaft.“ „Was ist mit Ramirez?“ „Ramirez ist verschwunden.“ „Soll das heißen, dass das Oberhaupt der Bruderschaft, Ramirez, verschwindet und einfach so ein neues bestimmt wird, was in diesem Fall Daniele ist?“ fragte Catherine. „Es konnte ihm nicht schnell genug gehen. Wegen der Wahl waren auch Ihre Eltern in Rom.“ „Weiß er, dass Sie hier sind?“ „Nein, wobei er es vermuten wird.“ „Wieso?“ „Ich bin mit seinen Methoden nicht einverstanden und habe der Bruderschaft entsagt.“ „Sie haben was?!“ „Nun, ich verstehe Ihre Reaktion nicht. Sie sind diejenige, die die Vorschriften schon einige Male mit Füßen getreten hat.“ „Wenn ich gegen die Bruderschaft gehandelt habe, dann geschah das aus…“ „In Ordnung! Ich bin nicht hier, um mit Ihnen zu diskutieren!“ „Wozu sind Sie dann hier?“ „Was wollte Daniele?“ „Die Zerstörung des Imbolc-Altars und die Vernichtung der anwesenden Hexen.“ „Und das haben Sie geglaubt?“ Catherine blickte ihn verwirrt an. „Sie waren nicht dafür, nehme ich an. Ihr Bruder anscheinend schon, sonst wäre er noch hier. Habe ich Recht?“ Catherine nickte. „Sie meinen also, dass der Auftrag nur einen Zweck hatte…“ „Lucien und Sie zu entzweien. Und es muss sehr leicht gewesen sein.“ „Ihre Vorwürfe können Sie sich sparen.“ „Das sind keine Vorwürfe, sondern Feststellungen.“ entgegnete der Kardinal. „Sie haben der Bruderschaft also den Rücken gekehrt… Müssen Sie sich da nicht vor einer Racheaktion in Acht nehmen?“ „Ich werde … auf mich Acht geben. Sie, Catherine, sollten allerdings genauso auf sich Acht geben.“ „Daniele hat die Bruderschaft also hinter sich und hat seine Drohung ernst gemeint.“ entgegnete Catherine und erhob sich. „Falls es Sie beruhigt: er weiß auch noch nicht genau, womit er es zu tun hat.“ „Sind Sie sich sicher?“ „Die Anzeichen auf etwas, das passieren wird, sind äußerst schwierig und die Schriftstücke dazu verworren. Die Macht, die auferstehen soll, ist uns und unseren Büchern völlig unbekannt. Daniele hat Ahnungen und will schnell handeln, doch er versteht die Zusammenhänge noch nicht. “ Catherine fragte sich zwar, wie er da so sicher sein konnte, doch erwiderte nichts. „Wie fühlen Sie sich?“ fragte er unvermittelt. Catherine nickte. „Ich denke, dass es mir morgen bereits wieder so geht wie immer.“ Salieri nickte, doch das tat er eher, weil er ihr nichts mehr zu sagen hatte. „Dann werde ich Sie nun allein lassen. Sie sollten sich noch ausruhen und es ist ja schon spät.“ Catherine nickte. „In welchem Hotel sind Sie…“ „Ich bin bei Freunden untergekommen.“ antwortete er, sagte aber weiter nichts zu seiner Unterkunft. Catherine begleitete ihn zur Tür und verabschiedete sich von ihm. „Es tut mir wirklich Leid um ihre Eltern.“ meinte er noch einmal, worauf Catherine nickte. „Ich weiß.“ meinte sie und sah ihm nach, wie er durch den Schnee die Auffahrt hinunter ging. Catherine ging noch einmal mit Lappen und Wasser in den Salon, um das Feuer im Kamin zu löschen und auch das Blut vom Boden aufzuwischen. Es war immer noch nicht getrocknet, woraus sie schloss, dass sie nicht lange ohne Hilfe dort gelegen haben konnte. Sie bückte sich, und berührte es mit den Fingern. Noch immer verstand sie das alles nicht. Seufzend machte sie sich daran, das Blut so trocken wie möglich aufzuwischen und rieb dann den Parkettboden ganz trocken. Dann löschte sie das Feuer und das Licht und ging nach oben in ihr Zimmer, wo sie sich auf die Fensterbank setzte und in den Garten hinausblickte. Catherine saß lange dort auf der Fensterbank. Das volle rotbraune Haar hing ihr lang hinunter, ihr blasses, ebenmäßiges Gesicht spiegelte sich in der Glasscheibe und zeichnete sich stark ab. Ihre Augen spiegelten große Traurigkeit. Sie seufzte und betrachtete nachdenklich den weißen Verband um ihr schmales Handgelenk. Und irgendwie war ihr bewusst, dass sie Antworten erhalten würde, auch wenn sie keine Fragen stellte. Sie senkte das Handgelenk wieder zurück auf ihren Schoß und blickte hinaus. Dunkelheit lag immer noch wie in der letzten Nacht über den Baumwipfeln – doch heute war es nicht nur klirrend kalt, sondern auch totenstill. Totenstill. Tausend Gedanken pochten wie wild gegen ihre Schläfen, die sich ohnehin schon zerschmettert anfühlten, und langsam und unter diesen Schmerzen füllten sich ihre Augen mit heißen Tränen. Jacques und Clarisse waren tot. Ihre Eltern waren tot und nun war sie allein. Ganz allein. ____________________________________________________________________ So, da waren's schon drei! Ich danke euch für euer Interesse und hoffe, dass euch dieses Kapitel gefallen hat! Bis zum nächsten Mal: wahrscheinlich wieder so in einer Woche. Liebe Grüße. Elena-Laurea. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)