Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: Die Talamasca ------------------------ Die Talamasca Salieri suchte am nächsten Tag noch einmal Catherine auf. „Wie geht es Ihnen heute?“ Sie war blass und wirkte zerbrechlich, wie er fand. „Gut.“ meinte sie und führte ihn in den Salon. Nachdem sie ihm Tee eingeschenkt hatte, setzte sie sich zu ihm und blickte ihn an. „Wie werden Sie weiter vorgehen? Können Sie mit irgendeinen Rat geben?“ Salieri schüttelte den Kopf. „Das wollte ich Sie fragen. Was werden Sie tun?“ Catherine lehnte sich zurück und meinte: „Ich werde wohl weiterhin meine Pflicht erfüllen, auch wenn ich nicht mehr auf der Seite der Bruderschaft stehe.“ „Das heißt, Sie werden auch weiterhin Dämonen jagen?“ „Ich werde – hoffentlich – in erster Linie Menschen schützen können.“ entgegnete sie und widersprach ihm so ein wenig. Salieri nickte. „Wissen Sie, was mit Jacques und Clarisse geschehen ist?“ fragte sie nach einer kleinen Pause. „Ich möchte Ihnen das gerne ersparen.“ „Ich möchte es wissen, Kardinal Salieri. Sie sind doch immerhin so etwas wie mein Mentor gewesen – früher.“ „Eben deshalb möchte ich Ihnen das nicht zumuten.“ „Bitte.“ Catherine blickte ihn lange an, ehe er zögerlich nickte. „Daniele fühlte sich durch Ihre Eltern als Oberhaupt der Bruderschaft gefährdet, da beide innerhalb der Organisation Sympathisanten haben. Viele denken ähnlich wie Ihre Eltern und deshalb … hat Daniele an ihnen ein Exempel statuiert.“ Catherine nickte. „Und dadurch sind alle Stimmen gegen ihn verstummt.“ vermutete sie. „So gut wie. Widersacher können in diesen Zeiten nur eines tun: fliehen und untertauchen. Allerdings sind die Erfolgschancen wegen der elektronischen Vernetzung unserer gesamten Gesellschaft gering, wie Sie sich denken können.“ „Was tun sie dann?“ „Sie flüchten.“ „Ja, das sagten Sie bereits.“ „Und diejenigen, die nicht flüchten können, die sich das nicht zutrauen, die schweigen und bleiben der Bruderschaft treu.“ „Haben Sie keine Angst?“ „Nein, um mich nicht…“ Catherine blickte auf ihren Schoß und schüttelte den Kopf. „Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich komme gut alleine zurecht.“ „Ich bin alt, Catherine. Mein Leben liegt hinter mir. Der Tod ist bei mir nur noch eine Frage von kurzer Zeit - vielleicht zwei, drei Jahre. Ich bin krank. Aber Sie…“ Catherine starrte ihn erschrocken an. „Sie sind krank?“ Salieri ging nicht darauf ein. „Sie sind noch jung. Sie haben Ihr Leben noch vor sich.“ Catherine lächelte gutmütig, schüttelte aber den Kopf. „Nein, seit ich sieben Jahre alt bin, habe ich kein Leben mehr vor mir.“ fügte sie hinzu, erwartete aber keine Antwort darauf. „Ich werde so weitermachen, denn das ist das einzige, was ich wirklich kann.“ „Hören Sie auf! Lassen Sie es bleiben!“ „Erwarten Sie das wirklich von mir? Ich soll mit Scheuklappen durch eine Welt wandeln, obwohl ich weiß, welche Geschöpfe sie beherbergt? Ich soll die Augen davor verschließen, dass Nacht für Nacht diese Geschöpfe Menschen töten? Nein, erwarten Sie das nicht von mir! Sagen Sie mir, dass Sie meine Entscheidung für richtig halten.“ Salieri musterte sie und nickte schließlich. „Ja. Ich halte sie für richtig. Ich habe die Protokolle über Sie gelesen, Catherine, und ich muss sagen, dass ich Ihr Verhalten immer respektiert habe. Sie haben Prinzipien, die Sie auch gegen Ihre Aufträge verteidigt haben. Wäre die Bruderschaft klug, hätte sie schon lange ihre Fehde mit der Tala…“ Er brach ab. „Mit der Tala-was?“ fragte Catherine. Salieri seufzte und erhob sich. „Die Talamasca.“ meinte er, während Catherine ihn noch immer gespannt anblickte. Sie erinnerte sich, dass sie einmal dieses Wort gehört hatte, wie ihr Vater es in einem Gespräch mit Clarisse in den Mund genommen hatte, doch damals war sie noch klein gewesen. Er hatte sofort das Thema gewechselt, als er sie gesehen hatte. Catherine wunderte sich, dass ihr all die Jahre dieses Wort nicht mehr in den Sinn gekommen war, und dass sie selbst vorhin nicht auf es gekommen war. Erst als er es ausgesprochen hatte, erinnerte sie sich daran. Talamasca. „Die Bruderschaft, wie Sie wissen, existierte schon vor der Etablierung des Christentums, doch als der Vatikan immer mehr Macht für sich beanspruchte, empfanden es mehrere Mitglieder des Hohen Rates als ratsam, sich in den Vatikan eingliedern zu lassen. Zwei Generationen war dies ohne Probleme möglich, doch dann gewann die Kirche – und nicht der freie Verstand des Menschen – die Oberhand und schreckliche Aufträge wurden erteilt und ausgeführt. Einige Mitglieder der Bruderschaft aber, die sich mit diesen Methoden nicht einverstanden erklärten, stellten sich gegen die Aufsicht der Kirche und mussten fliehen…“ „Das ist heute wieder so.“ murmelte Catherine, worauf Salieri nickte. „Ja, doch damals – im Jahr 758 nach Christi Geburt – gründeten sie eine zweite Organisation. Die Talamasca, die zuerst in Amsterdam, dann in London und schließlich auch wieder in Rom ihre Stützpunkte hatte. Seit der Gründung der Talamasca beobachtet sie Leute, die übersinnliche Fähigkeiten haben – Hexen, Magier, Medien, Geister und derartige Erscheinungen.“ „Was ist mit Dämonen?“ Salieri schüttelte den Kopf und meinte: „Dazu komme ich schon noch.“ Catherine nickte und ließ ihn fortfahren. „Im Mittelalter, vor allem während der Hexenverfolgungen, machte der Orden es sich zur Aufgabe, die Leute, die meist zu Unrecht als Hexen beschuldigt wurden, vor dem Scheiterhaufen zu retten. Nicht immer war er erfolgreich, was man leider zugeben muss, aber viele der Beschuldigten nahm der Orden im Mutterhaus in Amsterdam auf. Heute ist der Orden in der ganzen Welt vertreten und sehr reich – vor allem durch ihre Mitglieder, die ihr Vermögen, weil die meisten von ihnen keine Familie mehr haben, dem Orden vererben. Viele der Aufgenommenen sind heute Mitglieder und machen Aufzeichnungen über paranormale Aktivitäten von Poltergeistern bis zur Reinkarnation.“ Salieri machte eine kleine Pause und betrachtete Catherine. Sie saß da und hatte ihm konzentriert zugehört. „Das klingt alles ziemlich positiv.“ meinte sie skeptisch. „Zu positiv, um wahr zu sein?“ Catherine lächelte und nickte. „Erzählen Sie weiter!“ „Im Laufe der Jahre hat sich unglaubliches Wissen in den Kellergewölben der Talamasca angesammelt – man kann die Archive mit Sicherheit mit denen der Bruderschaft vergleichen, wenn sie nicht sogar umfangreicher sind. Vollwertige Mitglieder haben das Recht, diese Aufzeichnungen zu sichten.“ „Was ist die eigentliche Aufgabe der Talamasca? Die Bruderschaft bekämpft das Böse…“ „Catherine, inzwischen bekämpft die Bruderschaft alles, was keiner Norm entspricht. In Zeiten wie dieser, in der niemand mehr einer allgemeingültigen Norm entspricht, ein überaus vermessenes Vorhaben.“ „In Ordnung, aber was tut die Talamasca? Leute retten, wenn ich das richtig verstanden habe, oder?“ „Das ursprüngliche Ziel des Ordens waren die Aufzeichnungen.“ Salieri sah ihr fragendes Gesicht und meinte: „Bei diesen Aufzeichnungen handelt es sich um Informationen über Geschöpfe praeter naturam und auch über Bluttrinker, die heute allgemein als Vampire bekannt sind.“ „Bluttrinker?“ Catherine zog die Augenbrauen hoch. Diese Bezeichnung hatte sie von einem Mitglied der Bruderschaft noch nie gehört. „Sie hatten bisher kaum mit wirklichen Vampiren zu tun, nicht wahr?“ „Äh, doch… sicher.“ Salieri schüttelte den Kopf. „Es gibt nur noch wenige, die diese Bezeichnung wirklich verdienen.“ „So etwas muss man sich verdienen?“ Salieri ging nicht darauf ein, sondern erzählte weiter von den Archiven, von denen Catherine – so fand er – überhaupt nicht genug wissen konnte. „Durch die Tatsache, dass diese Aufzeichnungen sehr zerstreut und schwer zu überprüfen sind, werden sie ständig erneuert. Vor allem in den Kriegen wurde leider viel zerstört, doch trotzdem werden die Verluste ständig aufgearbeitet…“ „Wie organisiert sich die Talamasca?“ unterbrach ihn Catherine, weil sie das mehr interessierte. „Die Talamasca hat immer ein Oberhaupt und so etwas wie einen Rat der Ältesten, von denen aber niemand weiß, wer sie wirklich sind.“ „Ähnlich wie die Bruderschaft also.“ Salieri nickte. „Ähnlich, allerdings kommen bei der Bruderschaft diejenigen in den Rat, die am lautesten schreien, nicht die, die am weisesten sind.“ meinte er, worauf Catherine ihn amüsiert anblickte. „Über die Jahre…“ „Wie auch immer. Ohne das Wissen und die Zustimmung dieser Instanz geschieht nichts.“ „Wie kommt es, dass Sie so viel wissen?“ „Ich habe mich für die Bruderschaft lange Zeit mit der Talamasca beschäftigt.“ „Sie waren ein Spion?“ „Nein, natürlich nicht! Ich bin Geistlicher!“ „Entschuldigen Sie.“ entgegnete sie und schenkte ihm noch Tee nach, obwohl die Tasse noch fast voll war. „Ich war lange Zeit in einer Kommission eingebunden, die sich mit der Talamasca beschäftigte.“ Für Catherine war das zwar irgendwie dasselbe, doch sie nickte. „Warum gibt es für die Talamasca eine Kommission?“ „Die Bruderschaft würde keinen Moment zögern, die Talamasca auszurotten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)