Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 9: Ungebetene Gäste --------------------------- Ungebetene Gäste Catherine saß noch mit Salieri im Salon, und redete über die Fehde zwischen der Bruderschaft und der Talamasca. „Die Bruderschaft unterscheidet nicht mehr zwischen unheil - und heilbringender Andersartigkeit, sondern nur noch zwischen Norm und Abweichung davon.“ stellte Catherine zusammenfassend fest. Salieri nickte. „Ich weiß nicht, wie viele unschuldige Opfer inzwischen auf das Konto der Bruderschaft gehen, aber es können nicht wenige sein.“ „Ist es möglich, die Talamasca…“ Plötzlich ertönte ein dumpfes Geräusch aus der Bibliothek. Salieri blickte zur Tür, während Catherine schon aufgestanden war und auf diese zuging. „Sie können doch nicht...“ „Bleiben Sie hier!“ meinte sie, griff nach den zwei unter einem Wappen gekreuzten Degen, die über dem Kamin als Dekoration hingen, und zog einen heraus. „Sie haben doch keine Ahnung, was…“ „Das werde ich wohl jetzt herausfinden.“ entgegnete sie und ging leise aus dem Salon. Die Bibliothek lag jenseits der Eingangshalle direkt gegenüber des Salons. Catherine war selten dort, da es schlicht nicht zu ihren Aufgaben gehört hatte, sich umfassend über ihre Gegner zu informieren. Ihr Vater hatte oft stundenlang dort an seinem Schreibtisch gesessen. Sie atmete tief durch und tastete mit ihrer linken Hand nach der Türklinke. Langsam öffnete sie lautlos die Tür und trat mit erhobener Waffe hindurch. Sie erblickte zunächst den Schreibtisch ihres Vaters, der in der Mitte des Raumes stand. Plötzlich näherte sich ihr von der Seite ein Schatten, den sie mit ihrem Degen abwehrte und von sich stieß. Schnell drehte sie sich zu ihrem Angreifer um und richtete ihre Waffe gegen ihn. Er trug einen schwarzen Umhang und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, doch er war auch mit zwei langen, spitzen Dolchen bewaffnet. Dolche, die normalerweise auch Catherine bevorzugte. Jeder in der Familie hatte bestimmte Waffen, die er bevorzugte – auch wenn man im Keller jede Art von Waffe fand, die man sich nur vorstellen konnte. Jacques hatte meistens ein zweischneidiges Schwert benutzt, Clarisse hatte elegante, orientalische Säbel bevorzugt, während Lucien auf Degen zurückgriff, wie sie nun einen in der Hand hielt. Sonst waren ihr die kleinen Waffen lieber – Dolche, Messer, Sai-Gabeln, wobei sie auch zum japanischen Schwert griff, wenn es nötig war. Alles in allem hatten es ihr die eleganten Waffen mehr angetan als grobe Hieb- und Stichwaffen. Wieso hatte sie eigentlich nur einen der beiden Degen mit sich genommen? Ihr Gegner rührte sich nicht und betrachtete sie scheinbar endlos lange, bis Catherine sich zum Angriff entschloss. Sie traf ihren Gegner zwar, doch er schien unbeeindruckt. Die Angriffe ihres Widersachers waren stark und er drängte sie schnell zurück gegen eine Bücherwand, weshalb sie sich nach unten gleiten ließ, um ihm so zu entkommen und ihn von hinten angreifen zu können, was mehr Wirkung zeigte. Schnell hatte Catherine ihn durchschaut – er hatte Kraft, doch war nicht wendig genug für sie. Und außerdem war er kein Mensch, denn wenn sie seinen Körper verletzte, so schien er keine Schmerzen zu haben. „Catherine, was…“ „Gehen Sie in den Salon zurück! Sofort!“ schrie Catherine und hinderte den Fremden daran, zur Tür zu hetzen, durch die der Kardinal den Kopf streckte. „Los! Gehen Sie!“ rief sie und der Kardinal schloss die Tür ein wenig, doch blieb so stehen, dass er noch immer der Geschehen beobachten konnten. Plötzlich tauchten weitere dunkel gekleidete Gestalten in Umhängen und Kapuzen auf und umringten Catherine, die sich abwechselnd gegen die verschiedenen Angriffe verteidigen musste und fieberhaft überlegte, wie sie sich ihrer entledigen konnte, wenn sie die Gestalten nicht verwundern konnte. Der Anführer stellte seine Angriffe ein. Seine Begleiter hingegen, forderten Catherine noch stark und hielten sie auch in ihrer Mitte fest. Der Anführer der fremden Gruppe begann, langsam und bedächtig um seine Anhänger herumzuspazieren und murmelte: „In deinen unschuldigen Augen funkelt die Glut des Unheils. Dein Leib und deine Seele gehören schon längst nicht mehr dir. Heillos ist die Botschaft vom Tag deiner Geburt, dem verfluchten, an dem es Besitz von dir ergriff.“ Catherine hielt plötzlich inne und auch sie wurde nicht mehr angegriffen. Ruhig und bewegungslos stand sie umringt von den Gestalten, deren Blicke auf ihr hafteten, in der Bibliothek. Dann verschwanden sie. Catherine stand noch immer auf der Stelle, an der sie gestanden hatte. Salieri eilte auf sie zu und betrachtete sie. „Was hat er gesagt?“ Catherine wiederholte die Worte. „Ich hatte es befürchtet.“ „Was hatten Sie befürchtet?“ fragte Catherine und folgte Salieri, der zum Telefon hetzte. „Sie müssen nach Großbritannien. Rufen Sie Ihr Personal an und sagen Sie ihm Bescheid, dass Sie die nächsten Tage nicht da sind.“ „Moment, bitte! Sie wissen wohl doch, was hier vor sich geht. Wer waren die?“ Salieri wählte eine Nummer und hielt Catherine das Telefon hin. „Sagen Sie Bescheid!“ meinte er, doch Catherine nahm ihm das Telefon ab und stellte es zurück. „Wer waren die?“ „Sie waren… Wesen, die… mehr wissen.“ Catherine legte den Kopf schief und blickte ihn an. „Aha. Und wieso kommen diese Wesen, die mehr wissen, hierher und greifen mich an?“ „Das weiß ich nicht. Sie sollten nach Großbritannien.“ „Wieso soll ich nach Großbritannien?“ „Catherine, vertrauen Sie mir?“ Sie nickte etwas zögerlich, doch Salieri genügte das. „Dann folgen Sie bitte meinen…“ „Anweisungen?“ „Ratschlägen.“ verbesserte er sie und blickte sie eindringlich an. „Sie schreiben mir die Reise nach Großbritannien also nicht vor. Sie empfehlen Sie mir?“ Er nickte und nahm wieder das Telefon. Catherine nahm es ihm aus der Hand und meinte: „Können Sie mir das später noch genauer erklären?“ Er nickte und Catherine wählte die Nummer des Butlers, der dann alle anderen Bediensteten informieren würde. „Hallo?“ „Guten Tag, Guillaume. Catherine du Ravin.“ „Guten Tag, Mademoiselle.“ „Wie geht es Ihnen? Sind Sie und Ihre Familie gut in das neue Jahr gekommen?“ „Ja, natürlich. Und Sie? Ach, wo bin ich nur mit meinen Gedanken: herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Geburtstag, Mademoiselle!“ Catherine zuckte zusammen. „Danke. Vielen Dank, Guillaume. Ja, hier ist auch alles in Ordnung. Weshalb ich Sie anrufe: meine Eltern, mein Bruder und ich werden einige Tage verreisen.“ „Oh, wohin geht es denn?“ „In den Norden. Deshalb sind Ihre Dienste in der nächsten Zeit auch nicht von Nöten.“ „Selbstverständlich.“ „Geben Sie bitte den restlichen Angestellten Bescheid.“ „Selbstverständlich. Das werde ich umgehen tun.“ „Ich danke Ihnen. Ihr Lohn wird natürlich trotz des Urlaubs weiterhin gezahlt werden. Auf Wiedersehen.“ „Auf Wiedersehen, Mademoiselle.“ Catherine legte das Telefon zurück und suchte Salieris Blick. Der alte Mann betrachtete die Bilder an der Wand. „Ihre Familie existiert schon sehr lange.“ stellte er fest. „Seit dem siebzehnten Jahrhundert, soweit ich weiß.“ entgegnete Catherine schlicht. „Haben Sie einen Stammbaum zur Hand?“ „Wozu brauchen Sie jetzt einen Stammbaum meiner Familie? Sollten Sie mich nicht lieber darüber aufklären, was ich in Großbritannien soll?“ „Richtig. Ich werde mich mit einer guten Freundin in Verbindung setzen und Sie ihr ankündigen. In Schottland werden Sie wenigstens eine Weile sicher sein.“ „Eine Weile? Und danach?“ Catherine fragte nicht einmal, vor was er sie beschützen wollte, da er das wahrscheinlich ohnehin nicht wusste. „Nach dieser Weile sind Sie vielleicht in der Lage, sich selbst zu schützen. Entschuldigen Sie mich, bitte. Ich würde gern telefonieren.“ Catherine wies auf das Telefon und verließ den Salon. Sie ging zurück in die Bibliothek und setzte sich an den Schreibtisch ihres Vaters, auf dem ein Bild von ihren Eltern und ihrem Bruder stand. Wieso hatte sie sich eigentlich noch nicht gefragt, ob auch Lucien zum Exempel ermordet worden war? Vielleicht, weil er bereitwillig Daniele gefolgt war? Ja, wahrscheinlich deshalb. Das Notizbuch lag neben den gerahmten Bildern. Catherine griff danach und schlug den heutigen Tag auf. Es war nichts eingetragen. Nachdenklich blätterte sie weiter und stutzte: ‚2. Januar 2007. 3:30 morgens. Irvine, Schottland.’ Catherine las immer wieder diesen Eintrag und fragte sich, was Jacques in Schottland gewollt hatte. Sollte er in Schottland einen Auftrag ausführen oder war er selbst… „Es ist alles geregelt.“ meinte Salieri und trat vor den Schreibtisch. „Mein Vater hat einen Termin vermerkt. Er wollte nach Schottland.“ Salieri streckte die Hand aus und Catherine reichte ihm das Notizbuch. Er zog die Augenbrauen hoch und legte das kleine Buch zur Seite. „Was sagen Sie dazu?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)