Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 21: Die Runen des Kreuzheeres ------------------------------------- Die Runen des Kreuzheeres Ein lautes Klopfen riss sie wieder aus ihrem Schlaf und sie fuhr erschrocken hoch. Wieder hörte sie das Klopfen. Das durfte nicht wahr sein! Nach Wochen träumte sie wieder und immer wurde sie aus diesem Traum aufgeweckt, sodass sie ihn nie zu Ende träumte. „Ja?“ rief sie scharf, schwang ihre Füße aus dem Bett und griff nach ihrem dünnen Morgenmantel. „Wir treffen uns unten.“ meinte Lestat und starrte sie an. Ihr Haar hing lang und gewellt bis zu ihren Hüften hinab und umspielte sie. Noch nie zuvor hatte er sie mit offenem Haar gesehen. „Was ist?“ fragte Catherine, die bemerkte, dass er sie anstarrte. „Nichts. Wir treffen uns unten.“ „Das hast du schon einmal gesagt. Dürfte ich mir dann etwas anziehen?“ Lestat nickte und zog die Tür langsam hinter sich zu. Konnten diese Vampire nicht am Tag schlafen, wie es eben so üblich war? Catherine zog sich schnell an und richtete sich, dann trat sie in die Bibliothek, die nur durch elektrisches Licht erhellt wurde. „Morgen.“ „Guten Morgen, haben Sie gut geschlafen?“ begrüßte sie Elizabeth. Catherine zögerte, ob sie erzählen sollte, dass sie geträumt hatte und entschied sich dafür. „Ich hatte in den letzten Nächten wieder diesen Traum, von dem ich Ihnen vor Wochen schon erzählt hatte.“ „Und?“ Catherine schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn wieder nur bis zu dem Punkt geträumt, an dem ich zum Scheiterhaufen geführt werde. Und dann wache ich auf.“ Lestat blickte Catherine prüfend an, doch dieses Mal bemerkte sie es nicht. Sie stand vor Elizabeth. Ihre schmale Gestalt wirkte auf einmal so zerbrechlich und ihr Herz schlug langsam gegen ihre Brust. das konnte er deutlich hören. Elizabeths Gedanken kreisten in ihrem Kopf, auch das hörte er, doch so sehr er sich bemühte: was Catherine dachte, blieb vor ihm verschlossen. David näherte sich mit einigen Manuskripten. „Was sagst du da? Du träumst von einem Scheiterhaufen? Du wirst verbrannt?“ „Um genau zu sein, bin ich noch kurz davor, verbrannt zu werden.“ „Das heißt, wir müssen nach jemandem suchen, der hingerichtet wurde.“ schlussfolgerte David, worauf Catherine den Kopf schüttelte. „Das haben Elizabeth und ich schon längst versucht, doch in dieser Bibliothek ist dazu nichts.“ So schnell Davids Hoffnungsschimmer aufgetaucht war, so schnell verlosch er auch wieder. „Vielleicht kommen wir heute trotzdem weiter. Gibt es etwas Neues?“ „Das hier.“ meinte David und reichte ihr ein Schriftstück, dessen Buchstaben ziemlich verblichen waren. Catherine begann zu lesen: „Seltsame Ereignisse geschahen in der Grafschaft, als der letzte Duke of Irvine waltete. Bis nach Rom drangen wirre Worte, die ich nun hier gedenke niederzuschreiben und der Nachwelt zu erhalten auf dass spätere Menschen klüger seien und die Deutung zu vollziehen vermögen.“ Catherine blickte fragend auf, doch David nickte nur, also las sie weiter: „Einer wird kommen, der zu Ende bringt, was auserwählter Seele diesen Tags nicht gelingt. Wut und Verzweiflung in des Todes Angesicht – das Blut der Flamme den herrschenden Bann endlich bricht. Wer nach Antworten suchet, der möge beginnen, wo Land und Meer sich gänzlich verschlingen. Dort werden sie hören, wenn sie es wagen, was ihnen die Runen des Kreuzheeres sagen.“ Catherine ließ das Papier sinken und blickte in die Runde. „Die Runen des Kreuzheeres?“ fragte sie, worauf David nickte. „Ich habe noch nie davon gehört.“ gab Catherine zu. „Das hatte ich auch schon geahnt. Es gibt verschiedene Deutungen über die Fehler, die sich in den Übersetzungen in diese Zeilen eingeschlichen haben, doch keine ist haltbar. Die Runen des Kreuzheeres sind ebenso schwierig zu fassen wie die Legenden um den Heiligen Gral.“ meinte Elizabeth. „Woher stammt diese Quelle?“ fragte Catherine. „Ein Kardinal der Bruderschaft hat das im 17. Jahrhundert geschrieben.“ „Er war also ein Zeitgenosse dieses letzten Dukes of Irvine?“ „Das ist anzunehmen, ja.“ „Wissen wir sonst noch etwas?“ „Er wurde kurz darauf tot aufgefunden.“ Catherine fragte erst gar nicht, woher er das wissen wollte. Die Antwort wäre ohnehin ‚aus den Archiven der Talamasca’ gewesen, was sie immer noch nicht ganz glauben konnte. Außerdem sah sie im Moment nicht, dass sie dieses Schriftstück sehr viel weiterbrachte. „Und was sagt uns das jetzt?“ fragte sie deshalb und blickte vom einen zum anderen. „Unsere Antwort muss etwas mit Runen und Prophezeiungen zu tun haben.“ „Das ist zwar wenigstens etwas, aber nicht gerade viel.“ meinte Lestat und sprach Catherine damit aus der Seele. „Du kannst auch gehen! Bei jedem kleinen Schritt, den wir weiterkommen, weist du darauf hin, wie klein er ist! Wichtig ist, dass überhaupt etwas passiert, also geh’, wenn es dir zu langsam geht!“ erwiderte Elizabeth mit einer Härte, die Catherine noch nie in ihrer Stimme gehört hatte. David sagte nichts und Lestat wandte sich mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen um. „Ich möchte, dass du bleibst.“ meinte Catherine und blickte ihn an. Er drehte sich um und begegnete ihrem Blick. Er war ruhig und bestimmt, doch warum wollte sie ihn – Lestat – dabeihaben? „Wir können jede Hilfe nutzen, die wir bekommen können.“ Wie konnte er schon nützlich sein? „Ich brauche jemanden um mich, der kritisch ist und die Sache hier leicht nimmt,...“ Wieso? „…sonst werde ich bei all dem Gerede noch wahnsinnig. Nichts für ungut, aber deine Miene, David, und Ihre, Elizabeth, vermittelt mir immer, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Und das finde ich nicht sehr…. erbauend oder förderlich für die Situation.“ Lestat hatte Mühe, Catherine nicht anzustarren. War sie etwa in der Lage, seine Gedanken zu hören? Das war unmöglich! Sie konnte diese Gabe nicht besitzen. Doch was bezweckte sie wirklich damit, dass er blieb? Sie verstanden sich doch überhaupt nicht! „Bitte.“ sagte sie nur noch und wandte sich wieder dem Schriftstück zu. Sie hatte etwas Konkretes in der Hand und die Erfahrung sagte ihr, dass sie mehr als diese Worte aus ihnen ziehen konnte. Sie musste sich nur konzentrieren und dann würde sie schon irgendetwas finden. Im 17. Jahrhundert war das geschrieben worden. Im 17. Jahrhundert begann der Stammbaum, den David ihr vorgelegt hatte. Konnte es auch einen Zusammenhang da geben? David musste sicher sein, dass das etwas zu bedeutet hatte. Warum sonst hatte er dieses Stück Papier anbringen sollen. „Die Runen des Kreuzheeres…“ murmelte sie leise und fuhr sich mit den Fingern durch das zurückgebundene Haar. Sie spielte mit den Worten und überlegte hin und her. Ihr war fast, als schien die Zeit still zu stehen. Sie drehte ich im Kreis. Irgendwie was sie daran ja schon gewöhnt. Die Recherchen für die Bruderschaft hatten auch oft Stunden in Anspruch genommen. Catherine erinnerte sich an die Zeit, bevor sie über alles Bescheid gewusst hatte. Ihr Großvater war oft mit ihren Eltern dort gesessen und immer hatten sie aufgehört zu reden, wenn sie den Raum betreten hatte, und noch öfter hatten sie sie wieder nach draußen geschickt. Ihr Großvater… ja. Sie lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Das Kreuzheer. Wieso sagte ihr das nichts? Das einzige, was sie damit verband, waren Templer und Kreuzzüge, aber das konnte hier unmöglich gemeint sein! Nicht im 17. Jahrhundert. Das Heer. Das englische Wort army. Das christliche Kreuz. Crux. Army of the Crux? Catherine schüttelte den Kopf. Plötzlich fiel ihr etwas ein und sie sprang auf. Sie konnte ihren Einfall noch nicht in Worte fassen, also ging sie im Raum auf und ab. Ihr Großvater liebte Schottland… Natürlich! Auch er hatte bereits nach etwas gesucht und… Genau wie ihr Vater nach ihm…. Und beiden war es nicht… Genau wie sie es jetzt suchte! „Hast du eine Idee?“ fragte Lestat, während David und Elizabeth in ihre Bücher blickten und gar nicht mitbekommen hatten, dass sie durch den Raum spazierte. „Nein, nicht so richtig, aber…“ Catherine brach ab und biss sich auf die Lippen. Ihre Augenbrauen waren zusammen gezogen. Sie atmete tief durch und begann zu sprechen: „Ich habe versucht, die Worte ins Englische zu übersetzen. Army und Crux, wenn man das Kreuz nur als christliches Kreuz auffasst...“ „Was willst du damit sagen?“ Catherine reagierte nicht sofort auf Davids Frage, sondern überlegte noch einmal. „Es gibt noch ein anderes Wort für Heer… host! Das ist es! Ich bin mir sicher! Es handelt sich bei dem Text da…“ Sie wies auf das Pergament. „… um eine Übersetzung. In Schottland gibt es eine Gegend, die Crossbost heißt. Cross – Kreuz. Und das Host – Heer – könnte sich auf einem Schreib- oder Verständnisproblem ergeben haben. Sie haben es fehlerhaft mit den anderen Worten übersetzt, obwohl es eine Landschaftsbezeichnung ist!“ Catherine blickte David und Elizabeth an, dann zu Lestat, der langsam nickte. „Es macht Sinn.“ entgegnete er. David sagte noch nichts, sondern zog wieder die Schriftquelle heran. „Dort, wo Land und Meer sich verschlingen. Crossbost ist ein Vorsprung der Hebriden, dessen Spitze bei Flut unter Wasser liegt!“ Catherine war sich absolut sicher. Lestat beobachtete ihre Finger, die nach ihren Haarspitzen tasteten. „Wir sollten uns dort umsehen.“ meinte er plötzlich, was Catherine überraschte. „Wie stellst du dir das vor, Lestat? Louis und Daniel sind in London, Marius sucht…“ „Moment!“ unterbrach ihn Elizabeth. „Was tun Louis und Daniel in London und wen sucht Marius? Wieso weiß ich davon nichts? Was tun sie?“ fragte sie wütend. Catherine blickte David interessiert an. Sie hatte zwar bemerkt, dass sie seit Tagen nur mit ihm und Lestat zu tun hatte, doch hatte angenommen, dass die anderen die meiste Zeit im Keller verbrachten und nicht weiter nachgefragt, da es ihr eigentlich auch egal war. David hob beschwichtigend die Hände. „Wenn ich nicht gewusst hätte, wie du reagieren würdest, hätte ich dir gesagt, was ich geplant habe, dann hätte ich dir auch schon vorher etwas davon erzählt. Dann wüsstest du jetzt, dass Louis und Daniel in London sind, um dort die Augen offen zu halten, und Marius einen alten Bekannten sucht, der uns in dieser Sache weiterhelfen könnte, wenn Louis Recht hat…“ Catherine schüttelte den Kopf. Das waren wieder zu viele Konjunktive und zu viel Hin und Her für ihren Geschmack. „Ich nehme an, der ‚alte Bekannte’ ist ein Vampir?“ fragte Elizabeth weiter. „Das habe ich nicht gesagt.“ „Also ist er ein Mensch?“ „Das hat er auch nicht gesagt.“ meinte Lestat und fuhr fort, bevor ihn wieder jemand unterbrechen konnte: „Wir müssen uns dort umsehen, um wirklich sicher zu gehen, dass wir alles versuchen.“ „Und wer soll gehen?“ fragte Elizabeth am Rande eines Nervenzusammenbruchs. „Catherine wird mit mir kommen.“ meinte er und blickte sie an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)