Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 25: Der wahre Namen --------------------------- Der wahre Namen Sie kehrten noch vor dem Morgengrauen nach Thirlestane Castle zurück. Ihre Reise war schweigend verlaufen, denn weder Catherine noch Lestat wussten, was sie sagen sollten. Der Einfluss der Runen war also für ihre Handlungen und ihr Verhalten verantwortlich gewesen? Eine Sterbliche und ein Vampir. Catherine schüttelte stumm den Kopf und nahm es so hin. Wie sollte es auch anders sein? Es konnte nicht anders sein, auch wenn es sich sehr real angefühlt hatte. Kaum verspürte Catherine wieder festen Boden unter ihren Füßen, machte sie sich von Lestat los und ging voraus zum Tor, welches sie hinter sich einfach zufallen ließ. Lestat würde eh noch schnell etwas trinken gehen, das wusste sie. Als sie noch der Bruderschaft gedient hatte, hätte sie ihm den Kampf erklärt, denn immerhin tötete er wahrscheinlich Unschuldige. Und jetzt? Jetzt ließ sie es zu. Was war nur aus ihr geworden? Weshalb verspürte sie bei ihrer passiven Zustimmung nicht mehr etwas, was sich tief in ihr dagegen wehrte? Hatte sie akzeptiert, dass sie die Vampire als Unterstützung brauchte und nahm sie es deshalb hin? Oder hatte sie durch die Fehler der Bruderschaft, die sie in Kindertagen für hoch moralisch und anständig gehalten hatte, bemerkt, dass die meisten Menschen es nicht einmal wert waren, dass man für sie zu den Waffen griff. Catherine schüttelte die Gedanken ab so gut sie konnte und suchte die Bibliothek auf. Als sie die Tür aufschob fiel ihr Blick auf Elizabeth, die auf den Tisch gesunken war und schlief. Catherine nickte bei sich und verließ den Raum leise wieder. Etwas Schlaf würde ihr mit Sicherheit auch nicht schaden. Zumindest ein paar Stunden wollte sie sich noch ausruhen, bevor sie wieder den ganzen Tag über irgendwelchen Pergamenten und sonstigen Schriftstücken saß. Catherine schlief nicht ein, denn sie ärgerte sich zu sehr über Lestat. Immer wieder kamen ihr seine kalte Gleichgültigkeit und seine Worte in den Sinn. ‚Was denn sonst?’ Sie drehte sich um. Was war los mit ihr? Wieso brachte dieser Mann sie so durcheinander? Sie bemerkte, dass er Recht hatte: sie fand ihn anziehend und sie sehnte sich nach seinen Berührungen, die er ihr bei Crossbost wegen des Einflusses der magischen Zeichen geschenkt hatte… Vielleicht waren es auch nur die Nachwirkungen, denn nun war sie zurück und morgen musste sie wieder weiter nach Antworten suchen, die sie nicht finden konnte, da sie nicht einmal die Fragen stellen konnte… Müdigkeit erfasste ihren Geist. Irgendwie wollte sie nicht mehr. Sie wollte das alles nicht mehr. Es sollte aufhören… Es sollte nur alles aufhören. Leise öffnete sich die Tür zu ihrem Zimmer und Lestat trat ein. Er setzte sich neben ihr Bett und betrachtete sie, wie sie sich unruhig im Schlaf umher warf. Ihr Atem hob und senkte ihre Brust. Ihre Halsschlagader pulsierte gegen die zarte Haut. Ihr rotbraunes Haar umrahmte das helle Antlitz. Ihre Lider zuckten unruhig. Jede kleine Bewegung, die sie unbewusst tat, hielt seinen Blick gefangen. Er konnte ihn nicht abwenden. Sie war einfach wunderschön – schöner als jede andere Sterbliche und schöner als jeder Vampir. Ihr Leben in ihr machte sie zu dem, was sie war: menschlich, sterblich und zerbrechlich. Und genau das machte sie wunderschön, so wunderschön, dass er sie gegen alles schützen wollte, das da kommen konnte. Er konnte fast die Weichheit ihres gewellten Haares fühlen, obwohl er nicht wagte, sie zu berühren. Er erinnerte sich an ihren Duft und suchte ihn in diesem Raum, in dem er ihr ferner war und auch ferner sein musste. Die Wärme ihres Körpers drang nur fächelnd zu ihm herüber, doch er genoss sie. „Ich hätte mir denken können, dass du hier bist.“ meinte eine Stimme hinter ihm leise. „Marius.“ entgegnete er und erhob sich. Seine Augen trafen die Augen seines Lehrmeisters und Marius erkannte darin eine Schwäche, die er bei Lestat schon lange nicht mehr gesehen hatte. „Träumt sie?“ „Es wäre möglich.“ Marius nickte, beugte sich über Catherine und begutachtete ihren Hals. „Sie wird mich hassen.“ meinte Lestat und sah nun ebenfalls wieder zu Catherine. „Um die Zeichen zu offenbaren, hättest du von ihr trinken müssen. Ich sehe keine Bissspuren.“ Lestat nickte. „Dann war die ganze Nacht umsonst? Was denkst du dir dabei? Du kennst den Spruch. Elizabeth sagte… wie war das Original?“ „Sie sagte etwas von: Das Blut muss auf die Runen wallen.“ „Siehst du?“ Lestat schüttelte den Kopf. „Ich habe mir das Schriftstück selbst noch einmal angesehen. Sie hat es nicht richtig übersetzt. Eine Schottin und eine Quelle aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts… gut, nicht ursprünglich aus Frankreich und in französischer Sprache, aber… trotzdem, dass das nicht gut geht, war mir klar.“ Marius sagte nichts, sondern blickte ihn nicht überzeugt an. „Glaub’ mir, wir haben die Runen auch so entdeckt.“ „Wie?“ Lestat reagierte nicht. Marius entgegnete ebenfalls nichts mehr. Catherine wusste, dass sie träumte, doch sie konnte nicht aufwachen. Sie war in Paris und hetzte in die Bibliothek. Plötzlich ein Schlag und ein Hieb von der Seite, dann Schmerzen und wieder Schmerzen. Stimmen und Gestalten mit verhüllten Gesichtern. Sie sahen aus wie Schatten oder… Bruderschaft. Männer von der Bruderschaft in dunklen Kutten, wie sie nur selten getragen wurden, doch immer, wenn…. etwas Geheimes geschehen sollte. Eine geheime Aktion. Eine geheime Handlung… geheime Vorgehensweise. Catherine drehte sich um, doch blieb trotzdem an einer Stelle. Sie konnte sich nicht bewegen. Zahllose Stimmen um sie herum und nur eine, die klar zu ihr durchdrang: ‚In deinen unschuldigen Augen funkelt die Glut des Unheils. Dein Leib und deine Seele gehören schon längst nicht mehr dir. Heillos ist die Botschaft vom Tag deiner Geburt, dem verfluchten, an dem es Besitz von dir ergriff.’ Was? Wieder diese Frage, die sie hasste. Was? Lucien sagte das immer. Er fragte, doch gehorchte dann doch nur Befehlen von niederträchtigen Anführern. Wie konnte er! Wut. Verzweiflung. Enttäuschung. Hoffnungslosigkeit. Plötzlich ein Hilferuf – aus ihrem Mund oder aus einem anderen? Sie wusste es nicht. Sie fühlte es nicht, ob sie es war, die geschrieen hatte. Nebel, dichter Nebel und eine bekannte Stimme. ‚Du, die du dies hörst, bist noch am Leben, aber ich bin schon im Reich der Unsichtbaren. Ein Bleigewicht lastet auf mir, ein Gefühl wie das Ersticken in Macht. Nichts hält es zurück, bis die Aufgabe vollbracht’ Ein fremder Hilferuf und doch war es ihrer: ‚Hilf mir! Vollende, was ich nicht konnte! Tu’ es!’ ‚Sie haben mich verraten. Er hat mich verraten. Sie haben dich verraten. Er hat dich verraten.’ Der Raum zum Zeitpunkt des Imbolc-Festes… Das Messer in ihrer Hand und Lucien neben ihr. ‚Wir sind eins. Wir waren es immer. Du bist ich und ich bin du. Aneinander gebunden bis in alle Ewigkeit. Aneinander gebunden bis die Prophezeiung wahr werden wird...’ Prophezeiung! Welche Prophezeiung… Wer bin ich? Meinen Namen! Ich brauche meinen Namen! Catherine schrie und schrie. Sie fühlte Hände, kräftige und zugleich sanfte Hände, die sie hielten und zur Ruhe zwangen… Meinen Namen! Wer bin ich?! ‚Du bist...’ Feuer und Rauch… Besinnungslose Wut und trotzdem zwei Hände, die sie hielten und nicht von ihr abließen. Lestat! Sie wusste, dass er es war und bäumte sich mit letzter Kraft gegen ihn, doch er blieb der Stärkere. „Catherine.“ Sie reagierte nicht. Marius beugte sich über sie. „So ungefähr war es, als sie ihren Bruder töten wollte.“ erinnerte er sich. „Ihre Augen…“ begann Lestat und öffnete vorsichtig ihre geschlossenen Lider. „Und?“ Lestat schüttelte den Kopf. „Normal. Smaragdgrün.“ fügte er hinzu. Marius schüttelte den Kopf, da Lestat das so genau wusste, und meinte: „Wir holen besser Saerlaith.“ „Warte noch! Sie ist wieder ganz ruhig.“ „Lestat, das ist eine Hexenangelegenheit und sie sollte es wissen…“ Catherine sog scharf die Luft in sich ein. „Es geht schon wieder los!“ meinte Marius, doch Lestat schüttelte den Kopf. „Nein, sie kommt zu sich.“ „Ich hole Saerlaith jetzt trotzdem.“ Ehe Lestat noch etwas sagen konnte, war er verschwunden. Er blickte wieder hinunter zu Catherine, deren Augen seinen begegneten. „Was ist…“ „Ich nehme an, du hast geträumt.“ Sie nickte schwach. „Wie fühlst du dich?“ „Schwach, aber gut.“ Er nickte. Ihr Blick fiel auf seine Unterarme, die Spuren von Verbrennungen aufwiesen. „War ich das?“ fragte sie, worauf er weder nickte noch den Kopf schüttelte. „So etwas heilt bei mir schnell.“ Sie nickte und richtete sich langsam auf und griff nach der Wasserflasche. „Kannst du dich erinnern, was du geträumt hast?“ fragte er und stützte sie. „Wieso tust du das?“ fragte sie und meinte damit die Tatsache, dass er ihr half. „Was willst du hören?“ Sie schüttelte den Kopf und beantwortete seine erste Frage: „Ich habe meinen Namen.“ Die Tür hatte sich geöffnet und Marius und Elizabeth standen im Raum. „Wie ist das möglich?“ fragte Elizabeth kreidebleich und setzte sich auf die andere Bettkante, da sie nicht neben Lestat sitzen wollte. „Ich weiß es nicht. Ich habe geträumt… Vom Angriff in Paris und vom Ritual und es war wie damals, doch…“ Sie brach ab. Lestat hatte ihrem Angriff standgehalten. Er hatte sie gehalten und ihr ermöglicht, weiter zu gehen. „Dann konnten Sie weiter in ihr zweites Bewusstsein vordringen…“ begann Elizabeth. Catherine nickte. „Wie auch immer. Ich weiß jetzt meinen Namen.“ „Und wie lautet er?“ Catherine nahm einen Schluck und entgegnete: „Lasair.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)