Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 31: Eine Aufgabe der anderen Art ---------------------------------------- Ein Aufgabe der anderen Art Catherine erwachte erst, nachdem der Morgen angebrochen war, und drehte sich in ihrem Bett auf die andere Seite. Müde strich sie mit ihren Fingern über die Stelle, an der Lestat gelegen hatte. Sie bedauerte, dass er nun nicht neben ihr aufwachen konnte, doch das hatte sie schon vorher gewusst. Das war eben unmöglich. Nachdenklich richtete sie sich auf und angelte nach ihren Kleidungsstücken. Wie hatte es zwischen ihnen nur so weit kommen können? Und wieso bereute sie es nicht im Geringsten? Warum drängte alles in ihrem Körper, in ihrem Herzen und ihrem Verstand nur auf eines: ein Wiedersehen. Sie wollte ihn nahe bei sich fühlen, seine Stimme hören, nur neben ihm sein, nur seinem Blick begegnen… Catherine schloss die Augen und schluckte. Ihr Herz flatterte aufgeregt, sodass sie es zur Ruhe zwingen musste. Sie musste ruhig bleiben. Niemand sollte unnötige Fragen stellen. Wenig später verließ Catherine frisch geduscht das Badezimmer und schritt den Gang entlang. Lestat. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie beinahe mit Lea zusammenstieß. „Entschuldige!“ meinte Catherine, da Lea fürchterlich erschrocken war. Sie fasste sich nur langsam wieder, doch der knapp verhinderte Zusammenprall schien sie nicht zu beschäftigen. Vielmehr tanzten auf ihrem Gesicht verwirrende und komplexe Fragen und jegliche Antwort schien weit entfernt. Lea sah schon beinahe weggetreten aus – gefangen in ihrer eigenen Welt. „Ist alles in Ordnung?“ fragte Catherine deshalb, worauf Lea nur nickte. „Bist du sicher?“ „Ja.“ erwiderte sie knapp und blickte Catherine an. „Wieso fragst du?“ „Nur so.“ antwortete Catherine ebenso knapp und wollte weiter gehen, doch Lea meinte: „Ich habe ausgerichtet, dass du gestern keine Zeit hattest. Es war in Ordnung, denke ich.“ „Danke. War sonst noch etwas Besonderes, das ich wissen sollte?“ fragte Catherine, da sie immer noch fand, dass Lea nicht so wie sonst war, doch Lea schüttelte nur stumm den Kopf und ging weiter. Catherine hörte, wie sie irgendetwas von ‚Erledigungen’ murmelte, und dachte sich nichts weiter dabei. Bei sich schüttelte sie den Kopf und setzte ihren Weg zu Elizabeths Büro fort. Im Büro traf sie auf Elatha, die mit dem Rücken zu ihrer Mutter gewandt, aus dem Fenster schaute. „Sie wollten gestern mit mir sprechen. Worüber? begann Catherine nach einer kurzen Begrüßung. „Setzen Sie sich, Catherine.“ entgegnete Elizabeth und reagierte nicht auf das verächtliche Atmen, das vom Fenster kam. Catherine folgte der Bitte und setzte sich gegenüber an den Schreibtisch. Dann wartete sie. Elizabeth schien sie zu studieren, zu beobachten. Schließlich nickte sie und begann: „Da Sie nun Ihren wahren Namen haben, werde ich Sie auch bei ihm nennen. Und ich werde ‚du’ sagen, da das bei uns so üblich ist. Du, Lasair, gehörst nun wirklich zu uns, da der letzte Zweifel an deinen Kräften ausgeräumt wurde.“ „Wie?“ „Du hast deinen Namen. Lasair. Nur eine wahre Hexe erhält ihn. Und eine mächtige erhält ihn manchmal auch ohne Ritual. Das ist bei dir geschehen.“ antwortete Elizabeth und fuhr fort: „Trotzdem werden wir deine Fähigkeiten noch weiter schulen müssen… Das siehst du doch ein?“ Catherine nickte nur. „Da du nun Lasair bist, bin ich für dich Saerlaith. Und ich möchte, dass du mich von heute an so ansprichst.“ Catherine nickte wieder nur. Nach einer kurzen Pause, in der sie zu überlegen schien, fuhr Elizabeth fort: „Unsere Gemeinschaft ist zerbrechlich, wenn Gefahr von außen droht. Spätestens seid dem unterbrochenen Imbolc-Fest ist das wieder deutlich geworden. Deshalb unterliegt jeder in unserer Gemeinschaft den gleichen Regeln und jeder trägt Verantwortung – jeder nach seinem Vermögen. So wie Thirlestane Castle heute existiert, existiert es noch nicht lange, und jede Hexe hat eigene Erfahrungen und Traditionen eingebracht und zieht aus ihnen ihre Schlüsse. Das schwächt die Gemeinschaft, doch ist nicht zu ändern. Damit Thirlestane Castle nicht noch weiter geschwächt wird, müssen wir dafür sorgen, dass die Welt der normalen Menschen nichts an dieser Gemeinschaft auszusetzen hat… Mit anderen Worten: es muss mit rechten Dingen zugehen und wir unterliegen ebenfalls den weltlichen Gesetzen.“ Elizabeth machte wieder eine kleine Pause, in der sie Catherine offen ins Gesicht blickte. „Das bedeutet, ich muss meine Angelegenheiten in Ordnung bringen.“ entgegnete Catherine, als Elizabeth nicht wieder zu sprechen beginnen wollte. „Ich muss dafür sorgen, dass die Polizei meinen Aufenthalt hier anerkennt, dass ich ihnen eine glaubhafte Geschichte auftischen kann, sodass sie aufhört, zu ermitteln. Meinst du das, Saerlaith?“ „Ja. Wir wissen beide, Elatha und ich, dass das sehr schwierig ist, weshalb wir darin übereingekommen sind, dass du mit Elatha deine mentalen Fähigkeiten ausprägen wirst. Anders gesagt: Du wirst lernen, glaubhaft zu lügen.“ Catherine lächelte flüchtig. „Was ist daran so lustig?“ fragte Elatha scharf. Catherine schüttelte den Kopf. „Seit über vierzehn Jahren lebe ich mit einer Lüge. Ich führe ein Doppelleben, von dem niemand auch nur etwas ahnt. Das Lügen fällt mir nicht schwer.“ erklärte Catherine zu ihrer Verteidigung und fuhr dann fort: „Was ich hierfür brauche sind Fakten. Wann genau wurde die Villa meiner Eltern zerstört. Wurden die Leichen meiner Eltern gefunden? Hat die Polizei meinen Bruder gefunden und verhört? Wenn ja: was hat er ausgesagt. Das sind die Sachen, die ich brauche und ich erledige das mit der Polizei.“ „Stell’ dir das nicht zu einfach vor, Lasair. Du bist vor der Polizei weggelaufen. Wie willst du das erklären?“ fragte Elizabeth. „Darüber brauche ich mir noch keine Gedanken machen. Das werde ich in meine Geschichte einbauen, wenn ich die anderen Eckpunkte habe. Ich brauche Zugang zu offiziellen Akten… Wie kann ich den bekommen?“ Catherine war sich ihrer Sache sicher und hielt Elizabeths prüfendem Blick stand. Schließlich wandte sich Elatha wieder ab und Catherine blickte kurz zu ihr. „Na gut.“ seufzte Elizabeth. „Ich werde dafür sorgen, dass du alles bekommst, was du brauchst. Allerdings möchte ich die Version deiner Geschichte hören, bevor ich die Polizei informiere, dass du hier aufgetaucht bist. Einverstanden?“ „Ja. Einverstanden.“ stimmte Catherine zu, erhob sich und ging aus dem Büro. Das alles gefiel ihr nicht sonderlich, doch sie wusste, dass es sein musste. Doch wie sollte sie aus dem ganzen Wirrwarr eine glaubhafte Geschichte basteln? Sie war Hals über Kopf aus Paris abgereist, nach den Erzählungen von Kardinal Salieri standen in der Villa nur noch die Mauern und der Dauerauftrag der Bank, der die Gehälter der Bediensteten seit Monaten weiter überwies, machte das Ganze nicht weniger verdächtig. Catherine schlenderte durch die Gänge und überlegte. Sie hätte auf die Anrufe ihrer Freunde reagieren sollen. Sie hätte ihnen gleich etwas von irgendwelchen familiären Angelegenheiten erklären sollen, sodass sie sich nun darauf berufen konnte! Die Gedanken kamen träger und schwirrten nur so in ihrem Kopf. Sollte sie vielleicht doch Elizabeths Hilfe annehmen? Doch was konnte sie schon tun? Im entscheidenden Moment, in dem Catherine einen Vorschlag erwartet hatte, hatte sie geschwiegen. Sie konnte nichts tun. Gedankenverloren setzte sie sich in eine Nische im Flur an das Fenster und blickte hinaus. Vor ihr erstreckte sich der Park, in dem die Amseln auf dem Gras umherhüpften und nach Würmern stocherten. Sie brauchte eine gute Geschichte, die auch in einiger Zeit noch geglaubt würde. Was sie am allerwenigsten brauchen konnte, waren ständig wieder aufgenommene polizeiliche Ermittlungen. Noch immer war ihr nicht klar, wie sie das anstellen sollte, doch ihr blieb nichts anderes übrig, als erst einmal abzuwarten. Wie immer musste sie zuerst Informationen sammeln, dann überlegen und dann handeln. Sie blinzelte in die Sonne und sah dünne Schleierwolken vorbeiziehen. Elizabeth würde ihr irgendwie Zugang zu den geheimen Datenbanken verschaffen. Und dann würde sie weitersehen. „Lasair, das wurde gerade für dich abgegeben.“ meinte ein blondes Mädchen und reichte ihr einen Briefumschlag. „Danke.“ Catherine streckte die Hand nach ihm aus und wandte ihn, um eine Adresse oder zumindest einen Namen zu sehen, doch es stand nichts außer ihrem eigenen Namen darauf. „Wer hat ihn abgegeben?“ fragte sie aufgeregt. „Wer?“ „Ich habe keine Ahnung. Irgendein Mann eben.“ entgegnete das Mädchen und drehte sich schulterzuckend um. Catherine sprang auf und lief zum Eingangtor. Hektisch riss sie es auf und blickte die leere Auffahrt hinunter. Das konnte nicht möglich sein! Das war unmöglich! Sie rannte einige Schritte und sah sich nach allen Richtungen um, doch außer ihr selbst war niemand da. Verwirrt blieb sie stehen und blickte auf den Umschlag in ihrer Hand hinab. War das ein Trick? Und war sie auf ihn hereingefallen? Sie blinzelte und konzentrierte sich. Nein, sie war sicher. Auf dem Briefumschlag… Es war deutlich und unverwechselbar für ihre Augen. Dort stand ‚Catherine’ geschrieben - mit schwarzer Tinte und in der Handschrift ihres Großvaters. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)