Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 39: Visionen mit Folgen ------------------------------- Visionen mit Folgen Catherine und Lea traten ungesehen in den Eingangsbereich und schlichen sich nach oben in Catherines Badezimmer. Lea setzte sich auf den Hocker und zog sich das Sweatshirt über den Kopf, während Catherine ihr ein Handtuch hinlegte und den Wasserhahn aufdrehte. „Wenn wir uns jedes Mal so dreckig machen, bringt uns der Geheimgang nicht viel.“ murmelte Catherine und seifte ihre Hände ein. „Du hast ja überhaupt nicht so viel abbekommen.“ entgegnete Lea und trat ebenfalls zum Waschbecken. Catherine nickte und machte Lea Platz. Flüchtig blickte sie in den Spiegel und bemerkte, dass sie wirklich noch sauberer war. Lea starrte abwesend vor sich hin und bemerkte nicht einmal, dass Catherine sie musterte. „Was ist?“ fragte Catherine nach einer Weile und riss damit Lea aus ihren Gedanken. Sie schwieg eine Weile und holte dann tief Luft. „Es gibt noch mehr solche Gänge – auch im Schloss.“ „Wie kommst du darauf?“ fragte Catherine und hängte ihr Handtuch an den Haken an der Wand. „Ich habe es gesehen.“ flüsterte Lea und blickte Catherine im Spiegel an. Als sie nichts erwiderte, sondern nur auffordernd blickte, fuhr sie fort: „Ich habe das Schloss gesehen, wie es vor etlichen Jahren ausgesehen haben muss. Und da waren mehrere Gänge, die Zimmer miteinander verbunden haben oder…“ Lea stockte und kniff die Augen zusammen. „… oder hinter Zimmern entlang führten. Man konnte alles hören.“ „Was konntest du hören?“ fragte Catherine. Sollte sie in die Vergangenheit gesehen haben, dann musste es etwas mit diesem Schloss zu tun haben und dann vielleicht auch mit dem, was gegenwärtig hier und mit ihr geschah. Lea schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht deutlich an die Worte erinnern, aber… der Raum kam mir so bekannt vor.“ „Kannst du ihn einordnen? Würdest du den Gang finden?“ Lea nickte leicht und überlegte still. Schließlich meinte sie: „Das Büro meiner Großmutter. Das muss es gewesen sein. Der Gang muss in der Außenwand entlanglaufen, denn ich habe auf die Tür geschaut. Die sehe ich sonst nie. Die sieht man nur, wenn man am Schreibtisch sitzt frontal.“ Catherine starrte Lea ungläubig an, dann senkte sie den Blick. „Würdest du den Gang wieder finden?“ fragte sie vorsichtig. „Ja. Und ich würde ihn auch nutzen können.“ antwortete Lea und schenkte Catherine damit eine gewisse Erleichterung, denn diese Möglichkeit war ihr auch sofort in den Sinn gekommen. Langsam verließ sie das Bad und trat zu ihrem Fenster. Sie konnten hören, was Elizabeth und Elatha unter vier Augen miteinander besprachen. Sie konnten wissen, was sie planten und wie viel sie Catherine verschwiegen hatten. Wie viel wussten sie tatsächlich? Der Gang bot ihnen die Möglichkeit, das alles zu ihrem Vorteil… „Ich muss jetzt zum Abendessen. Du kommst wieder nicht mit herunter, nehme ich an?“ unterbrach Lea Catherines Gedanken. Sie stand noch in der Tür zum Badezimmer und hängte das Handtuch über eine Stange. „Nein, ich werde mir wieder etwas in der Küche holen. Wenn ich auf einmal mit dir komme, schöpft deine Großmutter noch Verdacht.“ entgegnete sie. Catherine lächelte, als Lea mit hochgezogenen Augenbrauen nickte. „Auch wieder wahr. Na, dann… Bis später.“ „Kannst du mir sagen, wo der Eingang zu diesem Gang ist?“ Lea schüttelte den Kopf. „Ich müsste davor stehen und es mir genau ansehen. Irgendwo in der Wand unter der Treppe, aber die ist groß. Tut mir leid.“ Catherine nickte und winkte ab, als Lea sich noch weiter rechtfertigen wollte. „Wir können später nachsehen.“ meinte Catherine und Lea nickte. „Bis später dann.“ Lea machte kehrt und Catherine blickte ihr nach, bis sie die Tür hinter sich zugezogen hatte. Catherine ging gleich anschließend in die Küche hinunter und ließ sich dort einen Teller geben. Das Personal kannte sie bereits und machte keinerlei Anstalten mehr, dass sie doch oben essen sollte. Die rundliche Köchin schöpfte ihr immer mehr aus, als Catherine eigentlich wollte, doch Widerstand war zwecklos, da sie nach Meinung der gesamten Mannschaft viel zu wenig auf den Rippen hatte. Seufzend nahm Catherine es hin, nahm sich den Teller und setzte sich an die kleine Bar. Heute hatte sie sich nur eine Suppe geben lassen, sonst würde sie auch heute den Rest, den sie nicht schaffte, zurückgeben. Nachdenklich begann sie, die Suppe in sich hineinzulöffeln. Obwohl sie sich innerlich schon ausmalte, was sie alles durch Lauschen im Geheimgang erfahren würde, hingen ihre Gedanken noch am Brief ihres Großvaters und den Neuigkeiten, die sie durch ihn erfahren hatte. Neugier drängte sie beinahe dazu, sofort aufzustehen, nach Edinburgh zu fahren und sich das Schließfach ihres Verwandten, der immerhin verstorben war, zeigen zu lassen - falls er dort überhaupt eines hatte, doch erstens musste sie irgendeinen offiziellen Wisch besorgen, der sie als eine Angehörige des Verstorbenen dazu berechtigte, den Inhalt des Schließfaches zu sehen und zweitens musste sie weiterhin vorsichtig sein und zumindest einige Tage verstreichen lassen, da sie nicht wusste, ob die Polizei sie noch im Blick hatte - und sei es nur im Augenwinkel. Catherine nahm einen Schluck aus ihrem Wasserglas. Vielleicht konnte sie das bei Spaziergängen durch die Stadt beobachten. Glücklicherweise hatte die Bruderschaft sie gelehrt zu bemerken, wenn sie verfolgt oder auch nur beschattet wurde. Catherine legte den Löffel zur Seite und nahm noch einen Schluck Wasser. Wie auch immer sie es drehte und wendete: sie musste Geduld haben. Nach dem Essen wartete Catherine in ihrem Zimmer auf Lea, die später kommen würde. Essen mit der Gemeinschaft dauerte immer länger, das wusste sie. Catherine lag auf ihrem Bett, trommelte mit ihren Fingerspitzen auf dem Überwurf herum und hatte den Blick zur Decke gerichtet. Lestat kam ihr in den Sinn. Sie konnte sich nicht dagegen wehren, dass sie seine seidene Haut auf ihrer spürte und dem Blick seiner Augen begegnete. Wo war er nur? Was tat er? Und viel wichtiger: Warum war er gegangen? Warum waren alle anderen gegangen? Die Tür öffnete sich langsam und Lea trat ein. „Denkst du nach?“ fragte sie und setzte sich zu Catherine auf das Bett. „Weißt du, warum sie weg sind?“ Lea zögerte. Catherine richtete sich halb auf und blickte sie fordernd an. „Du weißt es.“ bemerkte sie. Lea nickte zaghaft. „Ich weiß es nicht genau, aber meine Großmutter wollte sie zumindest wegen der Polizei nicht mehr hier haben. Das hat meine Mutter gesagt.“ Catherine nickte, doch sah dies als Grund nicht ein. „Das war es, was ich dir heute morgen sagen wollte.“ fügte Lea noch hinzu. „Und dann konntest du es nicht.“ murmelte Catherine nickend. „Ja, ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte. Und als ich dich dann aus dem Trainingsraum kommen sah, wusste ich, dass du es schon weißt.“ Catherine nickte und meinte: „Wollen wir den Geheimgang, den du gesehen hast, unter die Lupe nehmen? Ich brauche etwas zu tun.“ Lea nickte und erhob sich. „Wenn wir Glück haben, sind die meisten noch beim Essen.“ erklärte sie. Gemeinsam verließen sie das Zimmer und traten in die Einganghalle. Vorsichtig sahen sie sich um und Lea machte sich daran, die Wand mit der Holzvertäfelung abzutasten. „Hier war es irgendwo.“ meinte sie leise, während Catherine weiterhin Ausschau nach irgendwelchen Leuten hielt, die vorüber gehen konnten. „Hier!“ rief Lea plötzlich. Catherine wandte sich ihr zu und trat näher. Lea drückte bestimmt gegen eine der kleinen, verzierten Wandtäfelungen und drehte einen der erhabenen Ränder ein kurzes Stück im Uhrzeigersinn, ehe sie wieder leichten Druck auf ihn ausübte. Die Tür sprang nach hinten auf, worauf Catherine und Lea schnell hindurch schlüpften und den Gang wie den Geheimgang zuvor untersuchten. Im Gegensatz zum vorigen, der nach draußen führte, was dieser aufgeräumt und die Gefahr zu stolpern oder irgendwo den Kopf anzuschlagen äußerst gering. Lea ging wieder voraus, Catherine folgte ihr. Schließlich erreichten sie den Punkt, an dem der Gang eine Biegung machte. Dann folgte noch eine und Lea hielt an. „Jetzt müssten wir vor dem Büro sein. Beziehungsweise dahinter. Zwischen Außenwand und Büro.“ flüsterte sie und betrachtete die Innenwand. An ihr befanden sich mehrere winzige Löcher, die kaum zu erkennen waren, aber zweifellos dazu dienten, dass das Gesprochene zum Ohr des Lauschenden dringen konnte. „Schade, dass man nur hören und nichts sehen kann.“ bemerkte Catherine leise. Lea legte den Finger auf die Lippen und blickte Catherine auffordernd an. „Wir müssen annehmen, dass sie uns ebenso hören können.“ wisperte sie anschließend, worauf Catherine nickte. Das war ihr alles klar, doch im Moment schien es so, als sei niemand im Büro: Nicht das geringste Geräusch drang zu ihnen durch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)