Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 52: Samstagnachmittag in Edinburgh ------------------------------------------ Samstagnachmittag in Edinburgh Obwohl die Tour durch die unterirdischen Gänge unter Edinburgh atemberaubend und interessant war, dachte Catherine nur an eines: das Tagebuch. Lea schien es ähnlich zu gehen, denn nach der Tour kürzten sie ihren Einkaufsbummel extrem ab, sodass Lea lediglich einige Photos in der Fußgängerzone aufnahm, schnell durch einen Buchladen eilte und drei Bücher, von denen sie schon viel gehört hatte, kaufte, während Catherine sich damit begnügte, ein Paar Schuhe zu kaufen. Lea zog zwar die Augenbrauen hoch, doch als Catherine erklärt hatte, dass sie für alles andere länger brauchte als für ein Paar Schuhe, gab sie sich einverstanden. Tatsächlich fand Catherine gleich, was sie sich vorgestellt hatte: ein Paar schwarze Lederstiefel mit hohen Pfennigabsätzen. „So ähnliche hast du doch die ganze Zeit an.“ „Eben. Die Absätze gehen langsam kaputt und außerdem ist das Leder teilweise abgeschabt.“ „Was machst du nur mit deinen Schuhen?“ „Die hatte ich nicht erst seit diesem Winter. Ich glaube, die hatte ich schon drei Jahre.“ meinte Catherine und zog sich ihre Schuhe wieder an, ehe sie zahlte. „Außerdem hatte ich die alten auch öfter bei Konfrontationen mit irgendwelchen… Wesen... an, was ihnen auch nicht gerade gut getan hat.“ „In Schuhen, mit denen andere nicht einmal gehen können, rennst und kämpfst du? Ist das auch das Blut aus Paris in dir?“ fragte Lea kopfschüttelnd, worauf Catherine lachen musste. „Nein! Das ließ sich nur nicht vermeiden. Ich wurde angegriffen.“ entgegnete sie und sie riefen sich ein Taxi, mit dem sie zurück zum Hotel fuhren. Seit Stunden saßen Catherine und Lea mit dem Inhalt des Schließfaches auf dem gemachten Doppelbett im Hotelzimmer und sortierten die Unterlagen. Einige waren tatsächlich für ihre Sache völlig irrelevant, andere schienen etwas damit zu tun zu haben, wieder andere schienen wichtig dafür zu sein. „Konnte dein Großvater nicht irgendwo zusammenfassen, was er herausgefunden hat?“ beklagte sich Lea und ging immer wieder die geschmierten Notizen durch, ohne irgendwo auf einen roten Faden zu stoßen. „Ich denke, er hatte nicht mehr allzu viel Zeit.“ entgegnete Catherine nüchtern, worauf Lea aufsah und sie musterte. „Du weißt mehr, als du mir bisher gesagt hast, nicht wahr?“ Catherine blickte auf und begegnete Leas fragendem Gesichtsausdruck. Sie seufzte, dann meinte sie: „Ich habe doch vor einigen Tagen einen Brief erhalten.“ „Was für einen Brief?“ „Der Brief, von dem ich dir erzählt habe. Der Brief, der uns hierher geführt hat.“ „Ja, klar! Was ist mit diesem Brief?“ fragte Lea und wartete ab. Catherine zögerte, dann meinte sie: „Er hatte den Verdacht, dass er vergiftet wurde. Von irgendjemandem auf Thirlestane Castle. Es ist nur ein Verdacht und er… es kann auch sein, dass er einfach krank war, aber…“ „Du willst mir doch nicht erzählen, dass du das glaubst!“ unterbrach Lea sie, doch Catherine nickte. „Ich habe dir gesagt, dass ich dir in deine Entscheidung, was deine Familie angeht, nicht hineinreden möchte. Und ich kann nicht beweisen, dass er die Wahrheit geschrieben hatte und der Verdacht richtig war. Deshalb habe ich nichts gesagt. Ich glaube es, Lea, aber du… musst selbst wissen, was du glaubst und für möglich hältst.“ fuhr Catherine fort. „So meinte ich das nicht. Ich wollte wissen, ob du es tatsächlich für möglich hältst, dass dein Großvater nur krank war. Ich… Oh, mein Gott, ich traue es ihr zu!“ meinte Lea und griff sich an ihre Stirn. „Wem?“ „Meiner Großmutter. Elizabeth.“ flüsterte Lea und hob wieder den Blick. „Es tut mir leid, was mit deinem Großvater passiert ist. Meine Großmutter hat ihn umgebracht. Da bin ich mir sicher.“ „Und was macht dich so sicher?“ „Ich hatte immer wieder Visionen, Cate. Das ist nichts Besonderes. Ich sehe immer wieder irgendetwas, und das wenigste hat eine größere Bedeutung. Ich habe den Geheimgang gesehen, in Ordnung, aber ansonsten sind meine Visionen eher uninteressant. Bis auf diese eine, die ich vor Jahren einmal hatte.“ „Was hast du gesehen?“ fragte Catherine und lehnte sich ein Stück vor. So wie es aussah, hatte nicht nur Catherine Geheimnisse, sondern auch Lea mehr als man annehmen mochte. „Ein alter Mann lag in einem Bett und schlief. Meine Großmutter stand daneben, stellte ein Tablett auf den Nachttisch neben dem Bett und hielt schließlich inne.“ „Und dann? Hattest du nicht gesagt, du könntest dich in deinen Visionen relativ frei bewegen? Bist du im Raum herumgelaufen?“ Lea hob die Hand und schüttelte den Kopf. „Dass ich mich frei bewegen konnte, kam erst mit steigendem Alter. Das ist erst seit ungefähr drei Jahren der Fall. Ich war jünger, als ich diese Vision hatte, aber ich konnte mir nie einen Reim darauf machen.“ „Und jetzt kannst du es?“ „Nach dem, was du gerade erzählt hast, ist es völlig klar. Meine Großmutter hielt also, wie gesagt, inne und dann drehte sie sich herum und ich konnte sehen, wie sie ein kleines Fläschchen zurück in ihre Tasche steckte. Ich vermute, dass darin das Gift war.“ „Ja, das könnte sein.“ stimmte Catherine zaghaft zu. „Das ist wahrscheinlich so. Es gibt kaum einen Zweifel, findest du nicht?“ fragte Lea. Sie war niedergeschlagen. Auch wenn sie es ihrer Großmutter zutraute, was musste es von ihr abverlangen, darüber auch noch mit Catherine zu sprechen? Wie sah es in ihrem Inneren nur aus, wo Vernunft und Wunschdenken gegeneinander kämpften und an ihrer Seele rissen und an ihren Nerven zerrten. Catherine atmete langsam durch und meinte: „Du hast damit nichts zu tun, Lea. Unsere Familien können wir uns nicht aussuchen. Lass’ uns weiterarbeiten. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir uns darüber den Kopf zerbrechen.“ Lea blickte auf und nickte langsam. „Kannst du das so einfach übergehen? Wie kannst du Elizabeth unter die Augen treten, ohne dass sie bemerkt, dass du es weißt? Kannst du dich so gut verstellen?“ Catherine schwieg eine Weile, dann nickte sie. „Es ist geschehen und es ist nicht mehr zu ändern. Das klingt hart, aber es ist die Wahrheit. Ich habe mir geschworen, mir nichts anmerken zu lassen und dann…“ „Ja, das ist schön und gut, aber du kannst doch wohl nicht mit der Mörderin deines Großvaters weiter unter einem Dach wohnen wollen.“ ging Lea dazwischen und Catherine schüttelte den Kopf. „Nein, das will ich nicht. Ich werde aber so lange bleiben, bis ich alles weiß, was Thirlestane Castle und seine Bewohner mir sagen können. Solange bleibe ich und danach werde ich gehen.“ „Und wohin gehst du? Was machst du dann?“ fragte Lea weiter. „Lea, ich habe keine Ahnung. Vielleicht zurück nach Paris. Vielleicht verschlägt es mich aber auch woanders hin. Vielleicht bekomme ich einen neuen Hinweis und ich muss diesem nachgehen. Ich weiß nur eines und das ist mir plötzlich so klar wie nichts anderes: Ich muss das hier zu Ende bringen, da ich sonst auf keinen Fall etwas Neues beginnen kann.“ Catherines Augen füllten sich beinahe mit Tränen und sie verfluchte sich dafür. Warum war sie in letzter Zeit so entsetzliche nahe am Wasser gebaut? Sie sah, dass Lea nickte und schluckte die Tränen hinunter. Tränen führten zu nichts. Tränen halfen ihr nicht. „Okay, dann machen wir am besten weiter.“ schlug Lea vor, worauf Catherine nickte. „Ja, was hast du da drüben für einen Stapel?“ „Dienstpläne von der Bruderschaft. Namen von Mitgliedern und die durchgeführten Aufträge.“ gab Lea Auskunft. Catherine zog die Augenbrauen hoch. „Das hört sich nicht wirklich wichtig an, oder?“ „Nein, ganz und gar nicht, oder… Warte mal, gib’ mir die bitte einmal herüber!“ meinte Catherine und studierte wenig später die Seiten, doch schließlich legte sie die Seiten wieder beiseite und schüttelte den Kopf. „Das ist wirklich nichts. Ich dachte, es wären vielleicht Auflistungen von irgendwelchen Regelverstößen dabei.“ „Und das wäre wichtig gewesen?“ fragte Lea ungläubig. „Nicht für den Fall, aber es hätte mir zeigen können, dass es immer Widerspruch gegen die Bruderschaft gab und nicht ich die einzige Ungehorsame und Eid-Brecherin bin.“ meinte Catherine halb im Ernst, halb im Scherz. Lea gab nur ein amüsiertes Geräusch von sich und zog die nächste Akte hervor. „Das hört sich interessanter an.“ meinte sie nach einigen Augenblicken. „Aber das scheint dein Großvater selbst geschrieben zu haben.“ fügte sie hinzu. „Was denn?“ fragte Catherine und Lea las vor: „Also, hier steht: ‚Zusammenfassung, Kardinal Giacomo Sarola, Juli 1620: Einer wird kommen, der zu Ende bringt, was auserwählter Seele diesen Tags nicht gelingt. Wut und Verzweiflung in des Todes Angesicht – das Blut der Flamme den herrschenden Bann endlich bricht. Wer nach Antworten suchet, der möge beginnen, wo Land und Meer sich gänzlich verschlingen. Dort werden sie hören, wenn sie es wagen, was ihnen die Runen des Kreuzheeres sagen…. Sagt dir das etwas?“ Catherine nickte. „Ja, diesem Ruf sind Lestat und ich gefolgt. Wir haben die Runen abgeschrieben, doch niemand scheint sie übersetzen zu können. Diese Antwort bleibt uns also noch verwehrt. Es ist zum Verrücktwerden! Wir treten einfach nur auf der Stelle.“ entgegnete Catherine, doch Lea schüttelte den Kopf. „Das war noch nicht alles.“ meinte sie, was Catherine hellhörig werden ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)