Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 65: Nachwirkung: leichte Amnesie ---------------------------------------- Nachwirkung: leichte Amnesie Lestat betrachtete Catherine noch eine Weile, ehe er spürte, dass er gehen musste. Die Sonne würde bald aufgehen und er musste auch noch ein Stück nach Osten. Würde sie sich erinnern, was sie gesagt hatte? Würde sie sich erinnern, dass er bei ihr gewesen war? Zweifel beschlichen Lestat, weshalb er schließlich einen Zettel und einen Stift nahm und einiges niederschrieb, indem er versuchte, Catherines Schrift so gut wie möglich nachzuahmen. Sie brauchte nicht wissen, dass er hier gewesen war. Es würde sie nur ärgern, dass er wieder weg war. Er schrieb auf den Zettel ‚Archibald?’; ‚schwarze Augen’ und ‚schwarzes Haar’ und ‚Alchimist’, las dann noch einmal darüber und legte ihn auf den Boden vor das Bett, dass sie ihn am nächsten Morgen gleich sehen würde, sollte sie wieder normal sein. Sie würde ihn auch sehen, sollte sie immer noch übergeschnappt sein, aber… Nein, daran wollte er nicht denken. Er legte den Stift auf das Blatt und verließ dann ungesehen und unbemerkt Catherines Zimmer. Große Bäume tauchten die Gegend in erdrückende Dunkelheit. Der Wind wehte durch ihr offenes Haar und trug leise geflüsterte Worte zu ihr. ‚héo naefre wacode dægréd tó bisig mid dægeweorcum’ Unsicher drehte sie sich um, da sie Stimme hinter ihr zu sein schien, doch sie blickte ins Leere. Hinter ihr lag nur Dunkelheit und Stille. ‚ac oft héo wacode sunnanawanung thonne nihtciele créap geond móras’ Sie wandte sich der Stimme zu, doch erblickte wieder niemanden. Langsam ging sie weiter. Ihre Füße sanken in dem von Nässe aufgeweichten Weg ein und hinterließen tiefe Spuren. Regentropfen berührten sanft ihre Haut und perlten zuerst zaghaft an ihrem Haar nach unten, doch bald zitterte sie vor Kälte. Sie zog ihren schwarzen Umhang dichter um sich und stiefelte weiter. Sie musste weg von hier. Sie war hier in Gefahr – ihre gesamte Familie war es. Sie fror und gleichzeitig loderte die Wut in ihr. Wie hatte sie ihnen je Glauben schenken können? Wieso?! Sie konnte nicht mehr. Zu lange schon bahnte sie sich ihren Weg durch die schlammige, kalte Erde, doch ihre Todesangst trieb sie weiter. Sie spürte nichts mehr – keinen Schmerz, keine Wut, kein Leben. Erschöpft sank sie zu Boden und schloss die Augen. „Da ist sie! Fasst sie!“ Hände. Überall Hände. Ein dumpfer Schlag und dann nichts mehr. Erst später wieder Dunkelheit und Nässe. Und pochender Schmerz. „Es ist Zeit, dich schuldig zu bekennen!“ Stimmen. Scharfe Stimmen und Schläge. Folter. „Gestehe! Sag’ jetzt und hier die Wahrheit!“ Folter. Schmerzen und erstickte Tränen, die ihre Unschuld beteuerten. Doch dann brachen die Männer sie. „Ich gestehe! Ich bekenne mich schuldig!“ Alles, nur die Schmerzen... die sollten aufhören. Lange kam keine Antwort, doch dann durchbrach sie die Dunkelheit. „Wer mit dem Feuer spielt, wird brennen…“ Sie schloss die Augen nicht. Sie behielt sie offen und blickte den Mann an. Sie blickte von einem Mann zum anderen. „Möchtest du Gott um Vergebung bitten?“ Sie blieb stumm und man brachte sie fort. Geschrei. Lautes Geschrei und immer wieder Schläge gegen ihre Beine, sodass sie strauchelte. „Des Teufels Ausgeburt!“ „Brennen soll sie!“ Die Leute waren aufgebracht, bespuckten und bewarfen sie, doch kein Laut kam über ihre Lippen. „Verdammt bis in die Ewigkeit!“ schrie ihr einer wütend entgegen. Angst. Tiefe, entsetzliche Angst erfasste ihre Seele, als sie den Scheiterhafen hinaufgeführt wurde. „Mylady, Duchess of Irvine, Ihr wurdet als Hexe und Ketzerin überführt und werdet deshalb an diesem Tag bei lebendigem Leib im Namen der Heiligen römischen Kirche verbrannt.“ Das Feuer wurde entzündet und dicker Rauch stieg auf. Die Menschen grölten. „Möge Gott Eurer Seele gnädig sein!“ leierte der Vorstand. Die hohen Flammen umzüngelten sie und sie musste zu husten beginnen. „Im Morgenrot, beim ersten Sonnenschein, wirst du bereits Asche sein!“ Plötzlich verspürte sie eine unbändige Wut in sich und rief gegen die knisternden Flammen an: „Der Tag wird kommen - und mögen Jahre vergeh’n – da jemand erscheint, der vom Schicksal auserseh’n, doch ihm sollen dreimal sieben gewesen sein, zu erfüllen des enttäuschten Herzens wütende Rache, zu beenden der gebrochenen Seele folternde Pein, indem schweres Blut sich ergieße und Feuer entfache, indem das Rad des Schicksals erneut dreht das Sein…“ Husten. Grässlicher Husten. Catherine schreckte aus ihrem Traum hoch und legte ihre Hand an die trockene Kehle. Sie verspürte immer noch einen Hustenreiz. Alles in ihrem Rachen war so trocken! Das Schlucken war ihr kaum möglich. Sie richtete sich auf und hustete noch einige Male. Es begann zu schmerzen. Ihr Zimmer war dunkel. Und keine Stimme drang zu ihr, die ihr mitteilte, dass auf ihrem Nachttisch ein Glas Wasser stand. Catherine lachte leise. Dort stand auch keines. Und niemand stand in ihrem Zimmer. Sie war allein und es war nur ein Traum gewesen. Der Traum. Genau der Traum, von dem sie gehofft hatte, er würde ihr einige Antworten auf ihre Fragen geben, wenn sie ihn nur ein Stückchen weiter träumte - und nicht vorher geweckt wurde. Nun war sie von selbst aufgewacht und konnte niemand dafür verantwortlich machen. Sie blickte zum Fenster. Dort stand kein Mann, von dem sich nur ein schwarzer Schatten abzeichnete, doch draußen wurde es bereits Tag. Der Himmel schimmerte in dunklem Grau. Catherine drehte sich zur Seite, um die Lampe auf dem Nachttisch anzuknipsen. Irgendwo auf der anderen Seite stand eine Wasserflasche, das wusste sie. Sie angelte mit der Hand nach ihr und trank endlich die wohltuende Flüssigkeit. Skeptisch und nachdenklich zugleich betrachtete sie die Flasche, während sie langsam die letzten Schlücke Wasser ihre Kehle hinunterrinnen ließ. Das Wasser gefror nicht. Catherine schraubte die Flasche wieder zu und stellte sie auf den Boden zurück. Diese Kräfte hatte sie nun unter Kontrolle. Und da war zum Glück keine Stimme, die ihr das Gegenteil oder eine andere Neuigkeit weismachen wollte. Nein, alles um sie herum war still und friedlich. Hexerei und Ketzerei. Die Verurteilung der Duchess of Irvine… Immer noch kannte sie keinen Namen. Mylady, Duchess of Irvine. Vielleicht war sie die Gattin vom Duke of Irvine. Wahrscheinlich. Es war wahrscheinlich, dass sie die Gattin vom letzten Duke of Irvine gewesen war. Bestimmt war ihre Verurteilung der Grund, dass der letzte Duke wirklich der letzte gewesen war. Catherine rieb sich die Stirn. Ihre Gedanken drehten sich, doch sonst fühlte sie sich gut. Sie wandte den Blick und sah, dass ihre Kleidung am Ende des Bettes lag… Sie konnte sich nicht erinnern, sich umgezogen zu habe. Überprüfend hob sie die Bettdecke und stellte fest, dass sie nur Unterwäsche trug. Also hatte sie sich nur ausgezogen. Catherine rollte mit den Augen und richtete sich auf. Vielleicht war es auch Lea gewesen oder… Nein, das hatte sie wahrscheinlich auch nur geträumt. Zerstreut schüttelte sie den Kopf, stand auf und ging schnell ins Bad, um zu duschen. Irgendwie fühlte sie sich doch nicht so wohl, wie sie geglaubt hatte, als sie noch zwischen den Kissen und Decken gelegen hatte. Dieses Gefühl war ein bisschen mit dem Gefühl zu vergleichen, das sie immer gehabt hatte, wenn sie mit ihren Freunden zelten gewesen war – was in allen vergangenen Sommerferien insgesamt drei Mal vorgekommen war. So ein gewissen dreckiges, unausgeschlafenes und schwer zu beschreibendes Gefühl… einfach, als hätte sie die Nacht draußen irgendwo verbracht. Wieder schüttelte sie den Kopf, ließ das warme Wasser über ihren Körper rinnen und tapste wenig später einigermaßen erfrischt wieder in ihr Zimmer. Sie suchte sich neue Kleider aus dem Schrank heraus, stellte fest, dass im Schrank und unter dem Bett irgendwelche Unterlagen verstreut waren und warf schließlich einen genauen Blick auf sie, um festzustellen, dass sie sie kannte, sie nur sehr durcheinander waren. Innerhalb weniger Augenblicke hatte sie die Papiere wieder geordnet und vorsichtig sicher verstaut, ehe sie bemerkte, dass in ihren gestrigen Kleidern Moos und Blätter hingen. Sie hoffte, sie war nicht irgendwie durch den Park gerannt und hatte sonst etwas angestellt… Sie musste Lea fragen! Vor allem musste sie fragen, ob diese Blackouts etwas mit dem Bewusstsein-Erweitern zu tun hatten. Kopfschüttelnd legte sie ihre Kleidung zu der schmutzigen Wäsche, wobei ihr Blick auf den Boden und einen kleineren Zettel fiel. Sie hob ihn auf und las die Stichworte. Schwarzes Haar. Schwarze Augen. Alchimist. Archibald. Catherines Augenbrauen zogen sich zusammen. Archibald… Archibald. Den kannte sie nicht. Oder? Sie schüttelte den Kopf. Wer immer versucht hatte, ihre Schrift zu imitieren, würde ihn kennen, allerdings erkannte Catherine den Schrift-Fälscher nicht. Und sie selbst konnte sich nicht erinnern, es aufgeschrieben zu haben… Vielleicht hatte sie gestern Nacht aber tatsächlich so krakelig und krumm geschrieben. Darum würde sie sich später kümmern. Schulterzuckend schob sie den Zettel ein, schüttelte ihr Bett auf und lüftete ihr Zimmer, während sie frühstücken ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)