Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 68: Wer sucht, der findet? ---------------------------------- Wer sucht, der findet? Sie fühlte eine entsetzliche und unerträgliche Leere in sich, die dafür sorgte, dass ihr Herz sich schmerzhaft zusammenzog. Enttäuschung. Traurigkeit. Ratlosigkeit. Angst. Sie schloss die Augen und schluckte die Tränen hinunter. Catherine fühlte sich seit mehreren Tagen schlecht. Seit dem Tag, an dem ihr bewusst geworden war, dass sie wiederum an einem Punkt angelangt war, von dem aus sie nicht einmal in der Ferne ein winziges Licht entdecken konnte. Lea ging wie üblich zur Schule und brachte kleine, ermunternde Anekdoten aus einem Schulalltag mit, der für Catherine selbst sie unüberwindbarer Entferntheit lag – ähnlich dem Alltag an der Universität in Paris und ihrem gesamten Leben in Paris, so abartig es auch gewesen war. „Wir sollten weiter meine tolle Familie belauschen, meinst du nicht?“ fragte Lea eines Abends, als sie sich nach dem Essen in Catherines Zimmer trafen. „Ob das noch etwas bringt?“ „Versuchen müssen wir es.“ entgegnete Lea, worauf Catherine nur ein unwilliges Geräusch von sich gab. „Was willst du sonst tun?“ Catherine zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf. „Schon gut. Wechseln wir uns ab oder sollen wir immer zu zweit in diesem Gang sitzen und warten, dass sich eine von ihnen verplappert?“ „Ein bisschen Begeisterung könntest du schon zeigen. Ich würde sagen, wir installieren irgendetwas – wie eine Wanze oder so…“ „Kannst du das? Ich muss nämlich zugeben, dass ich technisch ziemlich unbegabt bin.“ „Oh… War das nicht in deiner Agentenausbildung enthalten?“ fragte Lea und musste leise lachen. „Nein.“ „Dann geht das nicht. Ich bin nämlich auch nicht so das Technik-Ass.“ „Wir können aber nicht die gesamte Zeit hinter der Wand sitzen. Das fällt zu sehr auf…“ Lea nickte und blieb stumm. „Vielleicht müssen wir einen Schritt weiter gehen.“ murmelte Catherine und presste die Lippen aufeinander. „Wie meinst du das?“ „Ich sollte vielleicht ankündigen, dass ich nach Paris zurück möchte, da schon so lange nichts mehr geschehen ist. Ich könnte andeuten, auf jeden Fall zu gehen, weil ich nicht mehr daran glaube, dass irgendetwas passieren wird.“ erklärte Catherine, worauf Lea sie ungläubig anstarrte. „Du willst mich mit diesen Verrückten allein lassen? Bist du wahnsinnig?“ brach es plötzlich aus ihr heraus. „Hast du einen besseren Vorschlag, Elizabeth und Elatha aus der Reserve zu locken? Lea, ich nehme an, sie werden mich nicht gehen lassen, aber ich will sehen, wie sie das anstellen wollen, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Ich möchte ihnen einfach ein bisschen Probleme machen und sie ins Schwitzen bringen und hoffe, dass sie dann einen Fehler machen werden. Und darauf müssen wir beide warten.“ „Ja, sie sind zu gerissen, um irgendwelche Beweise oder Hinweise offen liegen zu lassen. Selbst der Tresor im Büro wird uns kaum weiterhelfen könnnen….“ „Es gibt einen Tresor im Büro?“ fragte Catherine nach, da sie hellhörig geworden war. Lea nickte. „Schlüssel oder Zahlenkombination?“ „Zahlenkombination…“ „Zum Eintippen oder mit einem Rad zum Drehen?“ „Mit einem Rad. Wieso? Willst du versuchen, den zu knacken?“ fragte Lea halb im Scherz und war umso mehr überrascht, als Catherine ihr mit einem Nicken antwortete. „Was denkst du, wann es am leichtesten ist, an den Tresor heranzukommen?“ „Nachts. Die Schlafzimmer der beiden sind im anderen Flügel und dann dürften sie nicht bemerken, dass jemand im Büro ist.“ gab Lea Auskunft. „Dann werden wir das heute Nacht machen.“ beschloss Catherine. Sie wollte aus irgendeinem Grund nicht noch mehr Zeit verlieren, auch wenn sie sich kaum etwas Nützliches vom Inhalt des Tresors versprach. Lea schluckte. Das Ganze war ihr immer noch nicht geheuer, doch sie sagte nichts. In Catherines Augen sah sie, dass es sowieso nichts an ihrem Entschluss geändert hätte. „Sagen wir, wir treffen uns ungefähr um halb drei heute Nacht. Da dürften beide schlafen, oder?“ fuhr Catherine fort, worauf Lea wieder nur nicken konnte. Es war stockdunkel, als Catherine sich unabhängig von Lea hinunter in die Eingangshalle schlich. Sie hatten beschlossen, sich dort zu treffen, denn falls sie auf dem Weg erwischt wurden, konnten sie sich alleine besser aus der Affäre ziehen, indem sie irgendetwas über großen Durst oder ein Geräusch, das sie gehört hatten, sagten. Lea würde später nachkommen. So war es sicherer. Langsam und vorsichtig schritt Catherine den Flur entlang und erreichte die Holztreppe, die sofort unter ihrem ersten Schritt leise knarrte. Das Knarren durchbrach die nächtliche Stille wie das lauteste Geräusch, der denkbar war. Unsicher biss sie sich auf die Lippen und rollte die Augen. Wo war sie mit ihren Gedanken? Das hatte sie sich denken können. Catherine hielt inne und bewegte sich ganz an den Rand zum Geländer, um ein weiteres Geräusch zu vermeiden. Katzenähnlich vorsichtig bewegte sie sich weiter durch die Eingangshalle und erreichte die unverschlossene Tür zu Elizabeths Büro, die sie nach sich verschloss und einen Moment mit dem Rücken gegen sie lehnte. Erleichtert atmete sie tief durch und blickte sich dann im Zimmer um. Es hatte sich nichts verändert: noch immer stand der Schreibtisch zentral, sodass man mit dem Rücken zu den drei Fenstern sitzen und der Blick auf denjenigen fallen würde, der zur Tür hereinkam. In der Ecke standen ein kleiner Tisch, ein kleines Sofa und zwei Sessel, während die holzvertäfelten Wände auf der einen Seite fast vollständig mit hohen Regalen mit Büchern und Karteikästen zugestellt und auf der anderen Seite zwei Landschaftsgemälde angebracht waren. Catherine nickte bei sich und trat an den Schreibtisch. Lea hatte gemeint, es gäbe Schubladen auf der einen Seite und eine Schranktür auf der anderen, hinter der sich der Tresor verbarg. Soweit hatte sie Recht, doch die Schranktür war abgeschlossen. Catherine zog die Augenbrauen hoch, setzte sich geräuschlos auf den Schreibtischstuhl und öffnete nacheinander die Schubladen, in denen sich aber nur Unterlagen und Schreibutensilien wie neue Bleistifte, Kugelschreiber, Radiergummis, Tintenpatronen, ein Locher, eine Schere und ein Klebstoff, Reißzwecken, Büroklammern und weitere solche Dinge befanden. „Komm’ schon, wo ist der Schlüssel?“ flüsterte sie und tastete auf den Boden der Schubladen nach einem zweiten Boden, der nicht vorhanden war, dann entlang der Unterseite der einzelnen Fächer und der Schreibtischplatte – ohne Erfolg. Catherine lehnte sich zurück und blickte sich suchend um. Logik… Nein, mit Logik konnte sie den Schlüssel nicht finden. Sie musste sich fragen, wo Elizabeth einen Schlüssel versteckte, wenn sie ihn nicht gar bei sich trug. Catherine schüttelte den Kopf, da sie an letztere Möglichkeit überhaupt nicht denken wollte. In den Regalen standen mehrere Vasen aus Porzellan… Das war zu offensichtlich. Die Lampenschirme der Stehlampe würden abends zu warm sein, um einen Schlüssel darin zu deponieren, zumal er durchscheinen würde, sollte die Lampe zufällig noch einmal angeknipst werden… So weit würde Elizabeth auch denken. Lea wusste bestimmt auch nicht, wo der Schlüssel war, also brachte es auch nichts, wenn sie einfach wartete, bis sie in einer halben Stunde kam. Catherine erhob sich und begann, systematisch das Zimmer zu durchsuchen. Sie fuhr mit den Fingern die Bücher entlang, sah hinter sie in die Regale, öffnete jeden Karteikasten und schaute zwischen die einzelnen Unterlagen, warf doch einen Blick in die Lampenschirme und durchsuchte den Inhalt der Schubladen, ehe sie prüfend die Holzvertäfelung an der Wand absuchte, doch keinen Hinweis auf einen Hohlraum entdeckte. „Verdammter Mist!“ fluchte sie, zog die Augenbrauen zusammen und griff nach einer der Vasen. Was hatte sie übersehen? „Vielleicht hilft es, wenn du dir Licht machst.“ schlug eine Stimme hinter ihr vor. Catherine fuhr erschrocken herum und ließ dabei fast die Vase fallen, die sie soeben auf den Kopf gedreht hatte. „Herr Gott…!“ fluchte sie und blickte ihn wütend an. „Lestat genügt völlig.“ meinte er, worauf sie wieder den Blick abwandte, in ihre Hosentasche griff und ihm etwas Kleines zuwarf, das er dank seiner Reflexe natürlich fing. „Was ist das?“ fragte er, bevor er hinunter in seine Hand blickte. „Den musst du verloren haben, als du vor einigen Tagen hier warst.“ gab sie ihm Auskunft und suchte weiter das Regal ab. Sie erinnerte sich seit einer Weile an jene Nacht, jedoch nicht an alle Einzelheiten. Sie erinnerte sich an Lestat und daran, dass sie gemeinsam Thirlestane Castle verlassen hatten, aber ansonsten nur an wenige Fetzen eines verwirrten Gesprächs, durch das sie auch nun gedanklich nicht stieg. Und genau deshalb hatte sie Lea noch nicht gesagt, dass sie sich erinnerte, und war froh, dass Lea nicht weiter nach dieser Nacht gefragt hatte. „Was suchst du?“ fragte Lestat, ohne näher auf die Unwichtigkeit des Knopfes einzugehen. „Einen Schlüssel für den Tresor hinter der Schranktür im Schreibtisch.“ erklärte Catherine sachlich und unterbrach ihre Suche nicht. Unmittelbar nach ihrer Auskunft, hörte sie ein leises Knacken vom Schreibtisch und blickte zu Lestat, der dort stand. „Sie ist offen.“ meinte er und trat einen Schritt beiseite. „Danke.“ murmelte Catherine und trat näher zum Tresor, um sich an das Zahlenschloss zu machen. Sie hatte von seinen mentalen Fähigkeiten gehört, mit denen er Schlösser öffnen konnte, ohne sie zu beschädigen. „Es kommt jemand.“ informierte er sie und sie nickte. Sie hörte ebenfalls, dass sich jemand durch die Halle schlich, und meinte: „Das ist Lea. Du solltest jetzt gehen, Lestat.“ „Ich warte bei den Grabmälern auf dich.“ „Ich denke, ich werde hier lange brauchen.“ „Ich warte dort.“ meinte er nur noch einmal und verschwand dann über eines der Fenster in den dunklen Park hinaus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)