Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 82: Dem Phantom auf der Spur ------------------------------------ Dem Phantom auf der Spur „Nein, ich bin nicht sicher. Es war nur eine Vision. Vielleicht habe ich da etwas hineingemischt, was mich selbst beschäftigt hat! Ich habe zwar Erfahrungen mit der Bruderschaft gesammelt, doch mit so vielen Vampiren hatte ich niemals zu tun. Es kann gut sein, dass ich überfordert war, ohne es überhaupt selbst zu bemerkten. Wir können uns bei meinen Visionen nicht sicher sein, dass sie nicht nur Hirngespinste sind. Davon rede ich doch die gesamte Zeit!“ erwiderte sie und stützte sich auf ihren Ellenbogen ab. „Fangzähne…“ murmelte Lestat und blickte Catherine mit einem Ausdruck in den Augen an, den sie noch nie bei ihm gesehen hatte – beinahe mutlos und bekümmert. Catherine wartete ab, ob Lestat ihr erklären wollte, was in ihm vorging, doch er blieb stumm. Sie stützte ihr Kinn in ihre Handfläche und musterte ihn. „Erzähl’ weiter.“ meinte er schließlich leise, ohne irgendetwas zu erklären. „Bitte?“ „Das war nicht die einzige Vision, die du hattest, oder?“ „Nein, aber ich finde, du könntest mir jetzt genauso gut sagen, was du gerade denkst.“ warf Catherine ein. Lestat lehnte sich zu ihr und küsste sie leicht auf die Lippen, fuhr dann mit seinem Mund an ihrer Kieferlinie entlang und küsste ihren Hals. „Ich denke, ich habe die besseren Argumente.“ murmelte er an ihren Hals. „Du bist unmöglich.“ stöhnte sie und rollte mit den Augen. „In Ordnung.“ Lestat lehnte sich wieder zurück, doch Catherine legte sich dieses Mal nicht in seine Arme. Sie konnte ja immerhin nicht wissen, ob er sich noch einmal scheinbar ohne Grund – zumindest mit einem Grund, über den er nun nichts mehr sagen wollte – plötzlich aufrichtete. Catherine drehte sich auf den Bauch und stützte sich auf ihre Ellenbogen ab. „Bei der letzten Vision… in dieser Art – eigentlich war es eher ein Traum, aber ich hatte im Traum eine Vision. Geht das überhaupt?“ begann Catherine und sah Lestat zweifelnd an. „Catherine…“ seufzte Lestat und schüttelte den Kopf. „Ist ja schon gut!“ gab sie sich geschlagen und erzählte weiter: „Es war wieder im Schloss. Thirlestane Castle. Ich wachte auf und die Sonne schien noch. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, doch dann bemerkte ich, dass es nicht echt sein konnte. Die Grabsteine waren zu neu und ordentlich. Ich hatte nicht wirklich Zeit, darüber zu erschrecken, da die Tür zum Raum geöffnet wurde. Dann war es plötzlich Nacht – stockdunkel, bis auf ein paar Kerzen – und draußen lag Schnee. Ein Mann kam herein und bat der Frau, die nun im Bett lag, etwas an. Ich hielt die Frau für Marys Mutter, da sie im Tagebuch ihrer Tochter so ähnlich beschrieben wurde.“ Catherine biss sich auf die Lippen und schloss die Augen. „War das alles?“ fragte Lestat und Catherine schüttelte den Kopf. „Hast du das Tagebuch gelesen?“ „Nein, aber du hast doch erzählt, was dort drin geschrieben steht.“ entgegnete Lestat. „Der Mann war derselbe Mann wie in der Vision mit George. Der Mann mit den Fangzähnen. Er… meinte, der Preis für ihre Gesundheit sei nicht ihr Leben. Sie würde leben, versicherte er.“ Catherine brach wieder ab und meinte in Lestats Gesicht Anspannung zu sehen. „Was hat das mit dem Tagebuch zu tun?“ fragte er gepresst und Catherine nickte. „Mary hat einen Mann beschrieben. Einen Alchimisten, der ihr unheimlich war. Seine Haut weiß glänzend wie Perlmutt und rabenschwarze Augen. Ein Alchimist, Lestat. Und ich denke, er war oder ist ein Vampir.“ Lestat schwieg und dachte angestrengt nach. Catherine betrachtete ihn und dachte selbst noch einmal über ihre Worte nach. Dasselbe hatte sie bereits mit Lea angenommen, doch gegenüber Lestat diese Vermutung zuzugeben, war etwas anderes. „Kennst du ihn? Kennst du jemanden, auf den diese Beschreibung passt?“ fragte Catherine, doch Lestat blieb stumm und schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ich kann es dir nicht mit Sicherheit bestätigen.“ „Aber du vermutest etwas, Lestat. Du hast gesagt, ich soll dir meine Vermutung mitteilen! Wieso gilt das nicht auch für dich!?“ „Ich will dich nicht…. beunruhigen.“ „Was ist das für ein Grund, bitteschön? Lestat, das ist… du brauchst mich nicht zu schonen.“ „Das denkst auch nur du.“ gab er zurück und Catherine stöhnte genervt auf. „Du treibst mich in den Wahnsinn, mein Liebster… Das ist dir klar, oder?“ entgegnete sie ironisch und hoffte, Lestats eisernen Willen so zumindest etwas zu lockern, doch er wich nicht von seinem Standpunkt ab. „Es spielt keine Rolle, ob du es weißt oder ich dir sage, was ich vermute. Es gibt nur eine Möglichkeit, sicher zu gehen.“ „Welche?“ fragte Catherine sofort und blickte ihn fordernd an. Lestat blieb stumm und sie fuhr fort: „Lestat, wenn es nur eine Möglichkeit gibt, dann sollten wir diese zumindest in Betracht ziehen.“ „Oh, mein Gott.“ flüsterte er und wandte sich ab. „Was? Lestat, was ist los?“ „Du tust es wieder.“ „Ich verstehe dich nicht.“ gab Catherine zu und schüttelte den Kopf. „Du hast es mir schon einmal angeboten.“ murmelte er entsetzt. „Wovon sprichst du?“ fragte Catherine verwirrt und setzte sich auf ihre Knie. Lestat schüttelte den Kopf und weigerte sich, irgendetwas Weiteres zu sagen, auch wenn Catherine ihn noch so sehr dazu zu bewegen versuchte. „Dann lass’ es eben!“ rief sie, erhob sich vom Bett und ging aus dem Zimmer. Lestat hielt sie nicht auf, sondern ließ sie gehen. Er hörte, wie sie mit schnellen Schritten den Gang entlang eilte und ihre Schritte schließlich verhallten. Lestat griff sich an die Stirn und schloss die Augen. Er hatte ein unglaubliches Talent, solche Situationen zu vermasseln, das wusste er, doch er wusste nicht, wie er ihr das begreiflichen machen sollte, was er einen Moment lang geahnt hatte. Es war völlig unmöglich, dass es wahr war. Oder? Lestat öffnete die Augen und erinnerte sich zurück an jene verhängnisvolle Winternacht, in der er vor über zweihundert Jahren seinem eigenen Schicksal begegnet war. Sein Schicksal, das ihm in Form eines Vampirs mit schwarzem Haar und schwarzen Augen, aufgelauert hatte. Catherine saß in der Küche im Keller und dachte nach. Was auch immer es war, das Lestat beschäftigte, wollte er anscheinend nicht mit ihr teilen. Sie lachte leise, wenn sie daran dachte, was sie in dieser Nacht alles mit ihm geteilt hatte! Träume. Visionen. Ahnungen. Gefühle. Müde schloss sie die Augen. Bei ihren Recherchen mit Lea war sie einmal soweit gewesen, den Alchimisten als Vampir anzusehen – lediglich aus der Beschreibung, die im Tagebuch zu finden war. Sie hatte ihn niemals bewusst mit dem Vampir in ihren Visionen verbunden, da ihr das immer klar schien. Lestats Reaktion verwirrte und ärgerte sie, doch langsam fühlte Catherine, dass der Ärger aus ihr wich und nur noch Verwirrung und Neugier Platz in ihren Gedanken fanden. „Margaret Barcley…“ murmelte sie und schloss die Augen, um sich an irgendetwas zu erinnern, das sie mit diesem Namen in Verbindung brachte. War Margaret Barcley die Frau, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, und war sie ebenso Marys Mutter? Konnte sie sich aufgrund der Ähnlichkeit, die die Frauen ihres Traumes und ihrer Visionen hatten, diese Schlussfolgerung leisten? Catherine wusste es nicht, öffnete die Augen wieder und blickte in Lestats Gesicht. Sie zuckte merklich zusammen, da sie ihn nicht erwartet hatte. „Du solltest deine Umgebung im Auge behalten.“ grinste er. „Ich wusste nicht, dass ich mich in meinem eigenen Haus schützen muss.“ „Dir ist hier schon einiges passiert… Warum also nicht?“ Catherine zog die Augenbrauen hoch und rutschte von dem Stuhl herunter, auf dem sie gesessen hatte, um zur Tür zu gehen. „Was denkst du?“ fragte er und sah ihr hinterher. „Ich dachte, du wolltest mich ab jetzt vor allem schützen – vor allem aber vor Dingen, die du aus persönlichen Gründen nicht mit mir teilen willst?“ entgegnete sie. „Das verstehst du falsch.“ meinte er und Catherine blickte ihn aufmerksam an. Catherine wartete darauf, dass Lestat ihr erklärte, was in ihm vorging, doch er blieb stumm. Verärgert fuhr sie mit ihren Fingern durch ihr Haar und schloss kurz die Augen. Ein übellaunisches Geräusch entwich ihrer Kehle, als sie sich umdrehte und sich gegen die Tür stemmte. „Was ist?“ fragte er und sah ihr hinterher. „Das fragst ausgerechnet du mich? Witzig, wirklich witzig!“ entgegnete Catherine und drehte sich an der Tür um, um ihn wieder anzusehen. Lestat seufzte und zuckte die Schultern, kam dann aber so schnell auf sie zu, dass sie ihm nicht entkommen konnte. Seine Augen betrachteten ihre Gesichtszüge. Er seufzte noch einmal und meinte schließlich: „Du hast nach der Möglichkeit gefragt, wie ich sehen könnte, ob ich den Vampir kenne…“ „Du meinst also, es ist tatsächlich die richtige Spur? Ich meine, dass wir nach einem Vampir suchen, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts gelebt hat?“ fragte Catherine dazwischen und Lestat zuckte wieder mit den Schultern. „Es ist ein Anfang.“ meinte er schlicht und fuhr fort: „Ich denke, du hast schon einmal von ihm geredet, aber ich konnte nichts mit deinen Worten anfangen, da sie so durcheinander waren. Außerdem hast du nichts von Fangzähnen gesagt…“ Catherine nickte. Sie hatten schon einmal darüber gesprochen, doch das hatte er ihr erzählen müssen, da sie sich nicht mehr an ihr Gespräch bei den Runen erinnerte. „Du hast mir angeboten, den Alchimisten mit deinen Augen zu sehen.“ meinte er weiter und Catherine sah ihn verständnislos an. „Und? Jetzt bin ich genauso schlau wie zuvor.“ bemerkte sie und Lestat schüttelte den Kopf. „Ich könnte ihn wahrscheinlich sehen, wenn ich dein Blut trinke. Er scheint in dir wie ein eigenes Erlebnis verankert zu sein, deshalb könnte es möglich sein. Du hast es mir damals angeboten.“ Catherine schluckte und sah ihn ungläubig an. Dann fasste sie sich und fragte: „Warum hast du es nicht getan?“ „In deinem Zustand? Sehr schlechte Idee! Und ich weiß nicht, ob ich letzten Endes widerstehen könnte, wenn ich auch nur einen Tropfen deines Blutes in mich aufnehme.“ „Das ist… Das sollten wir bedenken.“ erwiderte Catherine zustimmend. „Nein.“ widersprach Lestat schlicht. „Wieso nicht?“ „Es gibt nichts zu bedenken, Catherine. Ich werde niemals von dir trinken.“ meinte er. „Niemals?“ „Niemals.“ versicherte Lestat und strich ihr sanft über ihr Haar. „Und wenn es die einzige Möglichkeit ist, dass wir überhaupt etwas Neues entdecken?“ hakte Catherine nach, doch sie vermutete schon, was er antworten würde. „Soweit wird es nicht kommen.“ „Deine Zuversicht möchte ich haben.“ „Selbst wenn wir uns einmal an so einem Punkt befinden sollten, dann werden wir so lange suchen, bis wir eine andere finden.“ „Oder auch nicht.“ entgegnete Catherine und Lestat nickte. „Oder auch nicht.“ wiederholte er. Hosted by Animexx e.V. 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