Das Blut der Lasair von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 98: Entfesselte Kräfte ------------------------------ Entfesselte Kräfte „Man könnte meinen, Teagair habe sich gerächt.“ entgegnete Louis nach einer kleinen Pause, in der er über Leas Worte nachgedacht hatte, worauf Lea erst nickte, doch dann den Kopf schüttelte. „Teagair ist eine Vorstellung. Sie existiert nicht wirklich. Sie ist Moral und Sinn – handeln kann sie nicht.“ erklärte Lea und blickte zu Catherine, die stumm auf dem Sofa saß und Leas Blick spürte. „Und dennoch wird ihr Blut das dunkle Werk vollenden, das von Feindeshand begonnen worden ist.“ meinte sie, doch war auf Lea angewiesen, die ihr erklärte, was es damit auf sich hatte. „Ich weiß nicht genau, welches dunkle Werk es ist, doch es ist, was immer die Bruderschaft plant. Es weckt die Toten – das kann nicht nur wörtlich verstanden werden.“ „Nun, hoffentlich ist es hier nicht wörtlich gemeint!“ atmete Catherine wie ein Stoßgebet zum Himmel aus. „Ich denke immer mehr, dass Saerlaith und die Bruderschaft denselben Sachverhalt verschieden ausgelegt haben. Dein Blut floss in die Flammen, Catherine, und damit begann unweigerlich alles. Saerlaith opferte das Blut von einundzwanzig Unschuldigen, weshalb Morair erstarkte, dich jedoch nicht überwältigen konnte. Und die Bruderschaft warf zwei Schuldige in die Flammen… Vielleicht gehört beides zusammen – vielleicht ist beides nötig, dass das große Ganze sich erfüllt…. Ich weiß es nicht.“ entgegnete Lea und blickte von Louis zu Catherine und wieder zu Louis. „Beide Parteien verfolgen ein anderes Ziel, dennoch sind die Wege miteinander verschlungen? Das ist durchaus möglich.“ stimmte Catherine zu und wusste, dass sie noch schlauer wären, wenn Lestat und die anderen aus Rom zurückkehrten und über die Ziele der Bruderschaft Bescheid wussten. „Was machen deine Kopfschmerzen, Catherine?“ „Sie sind noch da, doch bei weitem nicht so schlimm wie in der Küche.“ „Nachwirkungen des Kampfes um deinen Körper.“ meinte Lea und jagte Catherine damit einen Schauer über den Rücken. „Es scheint mir, Lestat hat Recht.“ sagte Louis und erntete dabei die überraschten Blicke von Catherine und Lea, weshalb er meinte: „Catherine sollte man wirklich keine Sekunde aus den Augen lassen.“ Catherine lächelte flüchtig unter einem Anflug von Humor, mit dem sie Louis auch zustimmte, doch es ängstigte sie, dass es genauso gut auch anders hätte kommen können: Es wäre möglich gewesen, dass sie nicht stärker gewesen wäre, dass sie Morair geworden wäre…. Gegen wen hätte sich ihr Hass zuerst gerichtet? Lea? Louis? Nein, sie wollte nicht daran denken, weshalb sie schnell die Augen schloss und ihre Hände zu Fäusten ballte. Es war nicht so gekommen – das war alles, was zählte. Nach einer Weile fragte Louis wieder, wie es den beiden Frauen ging, die man in seiner Obhut gelassen hatte, und es war schwer zu entscheiden, welche Antwort er hören wollte. Catherine nickte und winkte ab. Die Kopfschmerzen waren zwar auch jetzt immer noch da, doch schon wieder etwas schwächer geworden – seit er das letzte Mal gefragt hatte. Lea saß still auf dem Platz, an dem sie von Louis abgesetzt worden war, und rührte sich nicht. „Ich fühle mich seltsam.“ gestand sie leise und verursachte damit eine neue Welle der Nervosität bei Louis. „Nein, nicht so seltsam, aber mein Herz rast und mir ist warm.“ erklärte sie und Louis erhob sich. „Wohin gehst du?“ fragte Catherine und blickte ihm nach. „Ich öffne das Fenster. Es ist wirklich etwas warm hier drinnen.“ erklärte er und beiden nickten. „Das muss noch eine Auswirkung der Energie sein, die du freigesetzt hast.“ mutmaßte Catherine und Lea zog eine Augenbraue hoch. „Ich habe noch nie davon gehört, dass eine Hexe Energie freisetzt.“ meinte sie und fügte hinzu: „Und radioaktiv bin ich auch nicht.“ „Das ist nicht witzig.“ entgegnete Louis, der das Fenster kippte und wieder zurück zum Sofa kam. Catherine musste sich ein Lächeln verkneifen, um ernst zu bleiben. „Es hat sich eher so angefühlt, als würde die Energie zu mir kommen – nicht aus mir heraus. Abgesehen davon, dass ich mich ansonst kaum an etwas erinnere, kann ich das schon sagen.“ seufzte Lea. Nachdenklich lehnte sie sich nach vorne, um ihr Glas zu ergreifen, das etwas weiter von ihr weg auf dem Tisch stand, doch sie erreichte es nicht. Gerade als Louis ihr es reichen wollte, befand es sich aber durch eine unsichtbare Kraft bewegt in Leas Hand, die es überrascht anblickte. Louis zuckte vor Schreck leicht zusammen. Catherine sog scharf die Luft ein und blickte zwischen Lea, Louis und dem Glas argwöhnisch hin und her. „Okay… Was war das gerade?“ flüsterte sie tonlos, als sie sich etwas gefasst hatte. „Das war… ich.“ entgegnete Lea nicht minder erschrocken. „Und wie hast du das gemacht?“ fragte Catherine weiter, die auf einmal das Gefühl hatte, dass wenn sie Fragen stellte, die ganze Situation nicht so unheimlich war. „Ich wollte das Glas und einen Moment später hatte ich es in der Hand.“ „Ja, das habe ich gesehen.“ meinte Louis, der damit Catherine etwas voraushatte, denn sie hatte das ganze Schauspiel nicht ganz mitbekommen, da sich das Glas etwas zu schnell bewegt hatte, sodass sie es kaum mit ihren Augen wahrnehmen konnte. „Telekinese? Oder Psychokinese… wie auch immer ihr das nennt.“ meinte Catherine und blickte Lea prüfend an. „Nein, diese Kraft besitze ich nicht.“ widersprach sie, doch nickte. „Nun, bisher nicht.“ erinnerte Catherine und wies mit einem anschuldigenden Zeigefinger auf das Glas in Leas Hand. „Ich wusste, dass etwas mit dir passiert ist!“ rief Louis, der sich langsam aber sicher wünschte, dass Lestat und die anderen zurückkamen. Lea blickte auf das Sofa, die Kissen und die Lehne – abwechselnd und nachdenklich. „Lea, was ist passiert?“ hörte sie Louis’ Stimme, doch reagierte nicht. „Lea, was kann es damit auf sich haben? Du hast erfahren, was geschehen ist… Schön und gut, aber das war nicht alles, oder?“ fragte Catherine nach einer Weile, in der Lea immer noch ein Kissen fixierte. „Gebt ihr beide mir vielleicht einmal fünf Sekunden, in denen ich selbst nachdenken kann!? Herrgott, ich weiß es doch auch nicht!“ rief Lea entnervt und das Kissen neben ihr zerplatzte, sodass die Federn in alle Richtungen davonstoben. Catherine schreckte zurück und sah die Federn an, die leise auf Louis’ Schenkel, Arme und Brust niedersanken. Eine hatte sich in einer Haarsträhne verfangen, doch er war zu beschäftigt damit, Lea entsetzt anzuschauen, dass er es bemerkte. „Okay… Lass’ dir ruhig Zeit.“ beruhigte Catherine Lea, erhob sich leise und nahm das zerrupfte Kissen an sich. Während Catherine darauf wartete, dass Lea etwas sagte, stellte sie fest, dass das Kissen jenseits aller Wiederherstellungshoffnungen war, und zuckte die Schultern, wobei sie es auf den Boden gleiten ließ. Langsam ließ sie ihren Blick zu Louis gleiten, der sich nicht bewegt hatte, dann wieder zu Lea, die nun mit geschlossenen Augen völlig in sich gekehrt überlegte, was gerade mit ihr geschah… beziehungsweise: was mit ihr geschehen war. „Es tut mir Leid um das Kissen.“ murmelte sie, doch Catherine gab nur ein abwehrendes Geräusch von sich, und wieder fielen alle in ein undurchdringliches Schweigen. Die Zeiger der alten Uhr auf dem Kaminsims schoben sich unter regelmäßigem Schlagen des kleinen Pendels immer weiter nach vorne. Mitternacht war schon lange Zeit vergangen, stellte Catherine fest, als sie auf das Zifferblatt blickte. „Oh, dieses blöde Tick… Tack!“ zischte Lea flüsternd und plötzlich verstummte die Uhr. „Lea!“ rief Catherine, da sie schon befürchtete, die Uhr hätte im nächsten Moment bereits auch ihre längste Zeit erlebt, doch nichts geschah. Ungläubig wagte es Catherine, einen Blick hinüber zu werfen, und stellte fest, dass lediglich das Pendel in einer Position stehen geblieben war, die der Theorie von Schwerkraft und Erdanziehung völlig widersprach – leicht schräg nämlich… „Ich schätze, ich muss lernen, mich zu zügeln.“ meinte sie entschuldigend und lehnte sich tief zurück in die Kissen, die noch übrig waren. Weder Catherine noch Louis entgegneten etwas, sondern blickten sich und Lea nur unsicher an, weshalb Lea fortfuhr: „Ich denke, es sind meine Kräfte, die sich zurückmelden. Ich hatte sie wahrscheinlich immer, doch etwas muss sie blockiert haben.“ „Etwas?“ fragte Catherine, da ihr bereits ein anderer Gedanke gekommen war. „Etwas, ja… Oder jemand.“ stimmte Lea zu und schloss für einen Moment die Augen. „Elizabeth und Elatha.“ meldete sich Louis wieder zu Wort und Lea nickte. „Entweder beide zusammen oder nur eine von ihnen. Das spielt allerdings keine Rolle und ändert nichts. Wichtig ist, dass ich lerne, diese Kräfte zu kontrollieren, ohne dass noch mehr kaputt geht.“ „Ja, und du solltest auf jeden Fall ausgeruht sein, dass du dich unter Kontrolle hast.“ meinte Catherine und erhob sich. „Wir sollten uns alle ausruhen.“ fügte sie hinzu, was auf allgemeine Zustimmung stieß. Lestat rieb sich die Brust und blickte sich unsicher um. Sie waren auf dem Rückweg und die Zeit wurde knapp, doch etwas stimmte nicht. Mit Lea schien irgendetwas vorzugehen, doch das war nicht das, was ihn beunruhigte. „Was ist nun schon wieder?“ flüsterte Marius, als er Lestats Gesichtsausdruck sah. „Blut. Es riecht nach Blut.“ entgegnete er genauso leise. „Ich kann nichts wittern.“ „Es ist nicht sehr deutlich und schon älter, aber ich… Ich kenne das Blut.“ „Du kennst das Blut?“ fragte Marius noch einmal nach, was Lestat allmählich als belästigend empfand. Sie standen wieder in dem runden Saal und Lestat stellte fest, dass sich ein leichter Luftzug bewegte, der von diesem einen Gang kam, den Catherine nicht eingezeichnet hatte. „Wir sollten uns das ansehen.“ meinte er und ging schon los, ohne auf die anderen zu warten. Sie würden ihm schon folgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)