Die Ewigkeit ist viel zu kurz von Lady_Li (ehemals: Wie fängt man sich einen Vampir?) ================================================================================ Kapitel 10: Zurück in das Leben ------------------------------- Zurück in das Leben Dank Esmeralda und Mirela war das Haus dann auch relativ schnell geputzt und ich konnte meine Hausaufgaben machen. Die nächsten Tage ging ich einkaufen, sortierte die Wäsche in Big Mamas Schrank und saß am Sonntag wie üblich vor dem Fernseher. Als es Sonntag Abend war fragte mich Doktor Gustovic: „Lea, möchtest du morgen wirklich wieder in die Schule gehen? Du bist noch krank.“ Ich schüttelte heftig den Kopf, sagte ihm, dass ich nicht krank wäre und in die Schule gehen könnte und verließ dann einfach den Raum. Ich legte mich relativ früh schlafen und als der Wecker klingelte war ich sofort wach. Obwohl ich die ganze Nacht kaum geschlafen hatte, fühlte ich mich nicht ausgelaugt oder kaputt. Ich fühlte einfach nichts, es gab nur gähnende Leere in meinem Körper und meinem Kopf. Mechanisch stand ich auf und ging ins Bad. Nach der morgendlichen Toilette begab ich mich in die Küche, aß ein bisschen etwas, obwohl ich keinen Hunger hatte und ich nichts schmeckte, packte meine Schulsachen und verließ das Haus. Wie jeden morgen wollte ich zu meinem Auto gehen, musste aber dann feststellen, dass mein Fuß zwar nicht mehr gebrochen, aber trotzdem noch beim Auftreten weh tat und ich unmöglich selbst Auto fahren konnte. Da aber standen auch schon Alenka, Mirela und Emil neben mir und führten mich zu ihrem Auto. Ferngesteuert stieg ich ein und ließ die Autofahrt einfach an mir vorbeigehen. Ich sah nichts auf dem Weg. Achtete nicht auf die Häuser, die erst zum Leben zu erwachen schienen, denn erst jetzt wurden die Rollos hochgezogen, Fenster wurden kurz geöffnet, hier und da sah man Kinder aus dem Haus eilen, um noch rechtzeitig zum Bus oder Zug oder sonst wohin zu kommen. Andere wiederum stiegen mit ihren Eltern oder einem Teil ihrer Eltern in ein Auto ein, um sich zur Schule fahren zu lassen und hier und dort kamen junge Pärchen aus dem Haus, die sich entweder mit einem kurzen Kuss voneinander verabschiedeten, oder gemeinsam in ein Auto stiegen. All diese Dinge gingen einfach an mir vorbei. Ich sah es, registrierte es aber nicht wirklich. Die zwanzig Minuten, die wir brauchten um in die Schule zu kommen, kamen mir vor wie Stunden. Als wir dann endlich am Parkplatz waren, stieg ich aus, nahm meine Tasche und ging ins Schulhaus, niemanden beachtend. Erst als ich am Arm berührt wurde, registrierte ich, dass mich jemand ansprach. Ich drehte mich leicht und blickte direkt in Irenes Gesicht. Irene ging in eine Klasse unter mir, war aber eine meiner Freundinnen und fragte mich immer, wann wir beide endlich wieder etwas zusammen unternahmen. Sie stellte mir irgendeine Frage und ich nickte einfach dazu, ohne zu wissen, was sie wollte, bis Emil zu Irene hin ging und sie sanft am Arm nahm. Er sprach leise mit ihr, sie sah mich komisch an, aber es war mir egal. Ich ging einfach zu meinem Klassenzimmer, setzte mich auf meinen Platz und war einfach da. Nebenbei bemerkte ich, wie Alenka unserem Lehrer, ich wusste nicht einmal mehr genau wer es war, denn ich hatte ihn nicht angesehen und ich wusste nicht, was wir hatten, ein Blatt gab, das der sich durchlas und dann nickte. Da betrachtete ich unseren Lehrer genauer, stellte fest, dass es eine Lehrerin, und zwar meine Deutschlehrerin Frau Thios, war. Neugierig geworden sah ich Alenka an, denn Frau Thios konnte mich nicht leiden und versuchte mir einen reinzuwürgen, wo es ging und als Alenka sich dann hinter mich setzte, drehte ich mich zu ihr um und wollte den Zettel nehmen, doch sie ließ ihn schnell verschwinden. Ich sah sie wütend an, zumindest dachte ich das, doch sie zuckte einfach nur mit den Schultern, bückte sich zu ihrer Tasche und nahm ihre Schulsachen heraus. Nach einiger Zeit drehte ich mich wieder nach vorne, holte einen Block und einen Kugelschreiber aus meiner Schultasche und begann irgendetwas zu notieren. Eigentlich schrieb ich von der Tafel ab und versuchte dem Unterricht zu folgen, aber es blieb nichts hängen. Ich verstand nicht ein Wort von dem, was sie uns erzählte, schrieb nur immer dann etwas auf, wenn es erwartet wurde, nickte ab und zu mit dem Kopf und hoffte wenigstens einigermaßen so zu wirken als würde ich aufpassen. In meinem Kopf aber herrschte regelrecht Chaos, denn ich fragte mich, wieso ich mich so leer fühlte, während ein anderer Teil von mir darauf bestand, dass diese Leere gefüllt werden müsse und wieder eine andere Stimme mir sagte, dass ich dieses Gefühl verdient hätte und selbst daran schuld sei. Sofort versuchte ich wieder aufzupassen, doch meine Gedanken wichen immer wieder ab und irgendwann hielt ich es einfach nicht mehr aus. Ich schrie laut auf, sprang hoch und hielt keuchend meine Hand auf meinen Brustkorb. Sofort waren Mirela und Alenka bei mir, die mich in die Mitte nahmen und mit mir das Klassenzimmer verließen. Sie redeten beruhigend auf mich ein, doch es war mir egal, denn ich schrie immer wieder: „Big Mama! Komm zurück! Es tut mir Leid! Komm zurück!“ Ich keuchte, schrie, wand mich in den Armen von Alenka und dann waren da plötzlich andere Hände. Bekannte Hände. Ich wurde an einen kalten Körper gezogen und eine Hand streichelte sanft über mein Haar, während eine Stimme sagte: „Ich bin da! Engelchen, ich bin da. Reg dich nicht auf. Du musst ruhig atmen. Ganz ruhig. Ich bin da.“ Ich wollte ihr so viel sagen, wollte sie anbetteln, ihr klar machen, dass es mir Leid tut. Alles. Wollte ihr erklären, dass ich jedes Wort bereute, dass ich zu ihr gesagt hatte, aber das einzige was ich stammelte war: „Aber sie haben gesagt du bist weg.“ Im nächsten Moment schrie ich mich in meinem Kopf an. Fragte mich, wie ich nur so dämlich sein konnte und sie wieder gehen lassen konnte, ohne dass ich ihr je gesagt hatte, wie sehr sie mir fehlte und wie sehr ich sie brauchte. Ich klammerte mich an ihr fest, so weit es meine schwachen Hände zuließen, die jegliche Kraft verloren zu haben schienen. Langsam und vorsichtig löste Big Mama meine Finger von ihrem Oberteil und ich wollte nur noch schreien, wollte mich wieder festkrallen, wollte ihr sagen, dass sie nicht wieder gehen dürfte, aber das einzige was ich spürte war die Leere, die wieder da war. Erst da fiel es mir auf, dass diese Leere kurz weg gewesen war, als sie mich im Arm gehalten hatte. Gedanklich sagte ich zu mir willkommen liebe Leere. Es freut mich, dass du auch wieder da bist. Es war so einsam ohne dich. Wegen meinen Gedanken musste ich zu Lachen anfangen, aber es war kein normales Lachen, denn es war vollkommen hysterisch und nicht von mir steuerbar. Ich lachte einfach, selbst als mich wieder kalte Arme umschlossen, es musste Emil sein, denn der Oberkörper an den ich kurz darauf gedrückt wurde war eindeutig männlich, konnte ich nicht aufhören. Nichts drang mehr zu mir durch, bis mein Lachen zu weinen wurde. Erst da bemerkte ich, dass es nicht Emil sondern Zvjezdan war, der mich sacht hielt und mir ins Ohr flüsterte: „Big Mama kommt gleich wieder. Sie muss nur kurz etwas erledigen. Na komm, steig ein. Big Mama kommt wirklich gleich. Sie wird mit dir mitfahren. Setz dich hinten in die Mitte. Na los. Ganz ruhig. Ich kann Big Mama noch hören. Sie ist gleich da. Sie geht nicht weg.“ Ich wusste nicht, was er mir sagen wollte, nur dass seine Worte keine Bedeutung für mich hatten, denn Big Mama war nicht da, egal was er sagte. In diesem Moment reagierte mein Körper für mich. Ich begann hastig zu atmen, holte nicht tief genug Luft und stieß zu wenig aus, wusste eigentlich, dass ich hyperventilieren würde, aber es war mir egal und dann verlangsamte sich mein Herzschlag. Doch bevor ich mich weiter in meine Panik steigern konnte, traf mich eine verhältnismäßig sanfte Ohrfeige, die meinen Kopf zur Seite schleuderte und dann drang eine strenge Stimme zu mir durch, die sagte: „Setz dich hinten rein. Big Mama kommt gleich. Los jetzt!“ Und da gehorchte ich. Nein, nicht ich, mein Körper, denn mein Kopf kämpfte immer noch gegen die Hoffnung an, die sich ausbreiten wollte. Ich bemerkte hinter mir laute Stimmen, drehte mich um und sah Zvjezdan und Milena streiten. „Bist du wahnsinnig? Du hättest sie verletzen können. Sie hat das Recht daran zu zweifeln, was wir sagen, wir haben schließlich versucht ihr drei Tage lang klar zu machen, dass Big Mama nie wieder kommt. Wie kannst du sie da schlagen?“, zischte Zvjezdan, während Milena konterte: „Und was hilft es uns, wenn sie wieder einmal einen Herzstillstand hat? Was hilft es, wenn sie jetzt doch sterben sollte? Weder du noch Big Mama wären davon begeistert und ganz ehrlich, ich will dich nicht verlieren, nur weil ein kleines pubertierendes Mädchen sich nicht im Zaum hat. Du bist mein Bruder und ich liebe dich, Herrgott. Wie kannst du davon ausgehen, dass ich sie je verletzen wollte. Sie muss nur endlich damit aufhören Stress an ihrem Herzen auszulassen.“ Verwirrt sah ich zwischen den beiden hin und her. Ich verstand nicht, warum Zvjezdan etwas passieren sollte, wenn ich starb. Was hatte er mit mir zu tun? Aber etwas fiel mir auf. Big Mama wurde ziemlich oft erwähnt. Big Mama, ein Name, den ich mir verbot auch nur zu denken, denn ich wusste, dann würde die Leere wieder stärker da sein und ich wollte nicht noch eine Ohrfeige bekommen. Eine hatte mir gereicht. Langsam kroch ich also auf den Rücksitz des Autos, schloss meine Augen und wartete einfach ab, denn mir war klar, dass wir bald fahren würden. Dann hörte ich die anderen einsteigen und spürte wie zu meiner rechten jemand einstieg, der mich vorsichtig an meinem Arm berührte. Danach setzte sich jemand anderes auf meine linke Seite und bevor ich mich noch darüber wundern konnte, wurde ich in eine feste Umarmung gezogen und eine Stimme, die Big Mamas so ähnlich war, murmelte: „Ich bin da. Bitte verzeih mir, mein Engel. Ich war nur so verletzt, aber ich wollte dich nicht verletzen. Ich wollte nicht, dass du im Koma landest oder es dir so schlecht geht. Du hattest mir nur ziemlich deutlich gemacht, dass du mich nicht brauchst und auch nicht willst.“ „Ich brauche dich immer. Du bist doch meine Big Mama. Du rückst mir den Kopf zurecht, wenn ich wieder einmal etwas anstelle und du nimmst mich in den Arm, wenn ich Trost brauche. Du kannst zwar schimpfen, aber du hast auch immer tröstende Worte übrig. Aber du streitest auch mit mir, wie es jede Mutter tun würde. Und das was ich gesagt hatte, war nicht in Ordnung. Du hattest Recht und ich nicht. Ich hätte das nicht sagen dürfen und ich sage es nie wieder, nur geh nicht weg. Bitte. Ich brauche dich. Ich brauche deine Nähe und deine Ruhe.“ Beruhigend strich Big Mama mir über den Rücken, flüsterte Belanglosigkeiten in mein Ohr und zwischendurch versicherte sie mir immer, dass sie nicht gehen würde, sondern für immer da bleiben würde. Ich wollte es ihr so gerne glauben, aber mein Verstand sagte etwas anderes. Mein Verstand machte mir klar, dass Big Mama nicht bleiben würde und so klammerte ich mich an sie, um wenigstens die letzten Minuten mit ihr zu genießen.Ich konnte sie nicht los lassen und auch die Augen nicht öffnen, denn ich wollte nicht den Ausdruck in ihrem Gesicht sehen, der mir sagen würde, dass alles was sie sagte einfach nur erlogen war. Ich ließ mir von ihr über den Rücken streicheln und genoss die letzten Minuten mit ihr, während das Auto durch die Stadt rollte. Dann waren wir endlich vor meiner Haustüre, aber anstatt dass Big Mama einfach ausstieg und ging, wie ich es erwartete, ließ sie mich nicht los, sondern zog mich aus dem Auto und führte mich zur Haustüre. Diese wurde sofort von Esmeralda geöffnet und wir traten ein. Keiner von uns sprach, als wir gemeinsam ins Wohnzimmer gingen und ich sachte auf das Sofa gedrückt wurde. Sofort spannte ich alle Muskeln an, denn Big Mama blieb stehen und auch ihr Arm hielt mich nicht mehr, sondern nur noch eine Hand auf meiner Schulter. Meine Hand schoss nach oben, um nach ihrer zu greifen, doch sie zog sie fort, kniete sich vor mich und sah mich ernst an. Dann sprach sie: „Lea, wir beide müssen unbedingt einiges klären. Weißt du, ich habe dir eigentlich von Anfang an gesagt, dass ich nicht deine Mama bin, aber du wolltest mich unbedingt als Mama ansehen. Ich fand das nicht schlimm, denn du warst und bist einfach nur lieb und sü? und ich habe dich gerne als 'Tochter', auch wenn du das nicht wirklich bist. Ich liebe dich, wie jede Mutter ihr Kind lieben würde, obwohl ich nicht einmal weiß, was Liebe oder gar Mutterliebe ist. Erst seit ich dich kenne und dich am Hals habe, wei? ich was es bedeutet zu lieben und jemanden nie wieder gehen lassen zu wollen. Doch als du mir an den Kopf geworfen hattest, dass es mich nicht wirklich gäbe, war ich maßlos enttäuscht, verletzt und wütend. Ich liebe dich wirklich und möchte dich eigentlich mit niemandem teilen und dass du bald Zvjezdan haben wirst, macht es für mich nicht leichter, aber dass du mich von dir stößt, macht es mir unmöglich bei dir zu bleiben. Du bist in meinem Leben das einzige, das ich habe und auf das ich stolz bin und immer stolz sein werde. Bitte, tut mir einen Gefallen und sag so etwas nie wieder zu mir. Auch ich habe Gefühle, auch wenn man sie nicht sieht und ich sie gut verstecke. Denk bitte darüber nach, was ich dir gesagt habe, während du endlich deine Augen aufschlägst und aus deinem Koma erwachst. Nein, Engelchen, du bist nicht wach, sondern hast dich nur tiefer in eine eigene Welt geflüchtet und langsam wird es wirklich kritisch. Du musst aufwachen, bevor etwas geschieht.“ Als Big Mama fertig gesprochen hatte, veränderte sich langsam die Umgebung. Alles begann zu verschwimmen, auch Big Mama. Als ich das sah, sprang ich auf und rannte auf sie zu, doch sie war so weit fort, dass ich sie nicht erreichte. Ich weinte und schrie immer wieder nach ihr, hörte aber nur noch ihre Stimme, die sagte: „Du MUSST aufwachen. Bitte. Tu es für mich!“, dann war alles schwarz, so wie es war, bevor ich aufgewacht war, zumindest dachte, dass ich wach wäre. Langsam ließ ich mich auf den Boden sinken, versuchte zu weinen, doch es ging nicht, so schloss ich einfach die Augen und schlief ein. Diesmal für immer, aber ich wusste, dass es nur hier für immer war, denn ich wusste, ich würde nie wieder hierher zurückkehren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)